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Studie "Gewalt und Geschlecht in der Schule"

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Männliche <strong>Gewalt</strong> ist durch das gesellschaftliche<br />

<strong>Geschlecht</strong>erverhältnis strukturell<br />

an<strong>der</strong>s abgesichert als weibliche <strong>Gewalt</strong>.<br />

Je nach <strong>Geschlecht</strong> ist die Verfügbarkeit<br />

über die Machtressource <strong>Gewalt</strong> unterschiedlich<br />

verteilt. Das <strong>Geschlecht</strong>erverhältnis<br />

macht <strong>Gewalt</strong> zu e<strong>in</strong>er illegitimen<br />

Handlungsressource für Frauen. <strong>Gewalt</strong><br />

von Mädchen <strong>und</strong> Frauen verstößt damit<br />

gegen die Rechts- <strong>und</strong> gegen die <strong>Geschlecht</strong>erordnung<br />

(Meuser 2003). Diese<br />

Doppelstandards bee<strong>in</strong>flussen die Interpretation<br />

<strong>und</strong> Bewertung gewalttätigen Handelns<br />

bei Mädchen <strong>und</strong> Jungen.<br />

<strong>Gewalt</strong> zwischen Männern <strong>und</strong> auch von Männern<br />

gegen Frauen gerichtete <strong>Gewalt</strong> folgen <strong>der</strong><br />

Logik hegemonialer Männlichkeit (gr<strong>und</strong>legend<br />

dazu: Connell 2006). Männer haben aufgr<strong>und</strong><br />

des strukturellen Machtungleichgewichts<br />

zu Gunsten von Männern e<strong>in</strong>en privilegierten<br />

Zugang zu Machtressourcen, dieser beruht<br />

jedoch auch auf Verteilungskämpfen zwischen<br />

Männern. Die Vorherrschaft von Männern<br />

wird nicht nur gegenüber Frauen, son<strong>der</strong>n<br />

auch gegenüber an<strong>der</strong>en Männern durch<br />

gängige kulturelle <strong>und</strong> soziale Praktiken legitimiert.<br />

Männliche Identität wird <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er patriarchal<br />

strukturierten Gesellschaft durch Abgrenzung<br />

<strong>und</strong> Entwertung An<strong>der</strong>er (Frauen,<br />

„Homosexuelle“, „Auslän<strong>der</strong>“, „Loser“ etc.) gestützt.<br />

Damit verb<strong>und</strong>ene Ideologien von<br />

Männlichkeit werden von Jungen, aber teilweise<br />

auch von Mädchen durch sexistische <strong>und</strong><br />

heterosexistische Verhaltensweisen reproduziert<br />

(vgl. dazu auch Jantz/Brandes 2006: 156).<br />

Wenden nun Mädchen verstärkt <strong>Gewalt</strong> an, <strong>in</strong>tegrieren<br />

sie gar, wenn auch höchst konflikthaft,<br />

<strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> ihr Weiblichkeitskonzept, kann<br />

dies als Angriff auf die bestehende asymmetrisch<br />

strukturierte <strong>Geschlecht</strong>erordnung be-<br />

trachtet werden. Zudem taucht die Frage auf,<br />

ob dar<strong>in</strong> Anzeichen für Wandlungstendenzen<br />

im <strong>Geschlecht</strong>erverhältnis gesehen werden<br />

können (u.a. Bruhns/Wittmann 2002; Meuser<br />

2003).<br />

Individualisierung wird immer wie<strong>der</strong> als vorherrschendes<br />

Vergesellschaftungsmuster gehandelt<br />

<strong>und</strong> als Ablösung benachteiligen<strong>der</strong> Handlungsbeschränkungen<br />

gesehen. Strukturelle<br />

<strong>und</strong> hierarchische Arrangements unterliegen<br />

dem gesellschaftlichen Deutungsmuster, für<br />

Mädchen <strong>und</strong> Jungen sei jeweils alles möglich<br />

(Gleichheitsversprechen), wenn sie sich h<strong>in</strong>reichend<br />

anstrengen. Bei genauerem H<strong>in</strong>sehen<br />

zeigt sich jedoch, dass es sich eher um e<strong>in</strong>e Variation<br />

von geschlechtsbezogenen Benachteiligungen<br />

als um ihre Auflösung handelt.<br />

In dem Maße, <strong>in</strong> dem sich <strong>Geschlecht</strong>erbil<strong>der</strong><br />

im Strukturwandel <strong>der</strong> Arbeitsgesellschaft entgrenzt<br />

haben <strong>und</strong> Mädchen stärker an jugendkulturellen<br />

Räumen teilhaben, verliert auch e<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>deutiges Bild von <strong>Geschlecht</strong> <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong><br />

an Kontur. Angleichungstendenzen <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

weiblichen <strong>und</strong> männlichen Jugendphase werden<br />

heute vor allem dar<strong>in</strong> gesehen, dass sich<br />

Jungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er neuen Situation gleich- <strong>und</strong><br />

gegengeschlechtlicher Konkurrenz bef<strong>in</strong>den.<br />

Mädchen haben die Jungen im schulischen Bildungssystem<br />

überholt, bei <strong>der</strong> E<strong>in</strong>mündung <strong>in</strong><br />

das Erwerbsleben <strong>und</strong> <strong>der</strong> Vere<strong>in</strong>barkeit von<br />

Familie <strong>und</strong> Beruf zeigen sich jedoch für junge<br />

Frauen weiterh<strong>in</strong> verschiedenste Barrieren. Im<br />

Bildungsprozess von Mädchen <strong>und</strong> Jungen sehen<br />

wir, dass das Verhältnis zwischen Wandel<br />

<strong>und</strong> Beharrungsvermögen im <strong>Geschlecht</strong>erverhältnis<br />

sich als höchst wi<strong>der</strong>sprüchlich erweist<br />

(vgl. auch Bereswill 2010).<br />

3.Theoretische Perspektiven auf <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong><br />

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