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Studie "Gewalt und Geschlecht in der Schule"

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Normalitätsansprüche an Frauen <strong>und</strong> Männer,<br />

Mädchen <strong>und</strong> Jungen bilden den Verdeckungszusammenhang<br />

im <strong>Geschlecht</strong>erverhältnis.<br />

Wichtig ist gerade auch <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

geschlechtsbezogenen Bildungsarbeit, die<br />

unausgesprochenen Erwartungen an Mädchen<br />

<strong>und</strong> Jungen, ihre Verhaltensweisen,<br />

Lebensentwürfe <strong>und</strong> „Sprechverbote“ wie<strong>der</strong><br />

sichtbar zu machen.<br />

In <strong>der</strong> weiblichen Sozialisation äußert sich <strong>der</strong><br />

Verdeckungszusammenhang unter an<strong>der</strong>em im<br />

Sprechverbot über Verletzungen <strong>und</strong> damit<br />

verb<strong>und</strong>ene Aggressionen wie über weibliche<br />

Täter<strong>in</strong>nenschaft. Die <strong>Geschlecht</strong>erordnung<br />

f<strong>in</strong>det sich auch <strong>in</strong> den <strong>Gewalt</strong>verhältnissen<br />

wie<strong>der</strong>. <strong>Gewalt</strong>bereitschaft <strong>und</strong> Aggression<br />

wi<strong>der</strong>sprechen unseren kulturellen Idealen von<br />

Weiblichkeit, das bedeutet jedoch nicht, dass es<br />

ke<strong>in</strong>e <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> Aggression bei Frauen gibt.<br />

In <strong>der</strong> männlichen Sozialisation äußert sich<br />

das Sprechverbot auf an<strong>der</strong>e Weise: Jungen<br />

dürfen nicht über Gefühle des Schwach-Se<strong>in</strong>s<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Ohnmacht sprechen, zum<strong>in</strong>dest nicht<br />

<strong>in</strong> dem Maße, <strong>in</strong> dem das Bil<strong>der</strong> von Unverletzbarkeit<br />

<strong>und</strong> Verletzungsmächtigkeit („Sei<br />

ke<strong>in</strong> Angsthase!“) gefährdet. In e<strong>in</strong>er männlichen<br />

Dom<strong>in</strong>anzkultur wird Jungen e<strong>in</strong>e Opferidentität<br />

verweigert.<br />

Gr<strong>und</strong>muster geschlechtstypischer Sozialisation<br />

s<strong>in</strong>d rückgeb<strong>und</strong>en an gesellschaftliche<br />

Verhältnisse <strong>und</strong> zugleich <strong>in</strong>nere Ordnungsmodelle,<br />

die geschlechtsstereotype Bewältigungsmuster<br />

hervorbr<strong>in</strong>gen (e<strong>in</strong>gehend dazu<br />

Böhnisch/Funk 2002; Voigt-Kehlenbeck 2008).<br />

Sowohl <strong>in</strong> ihrer gesellschaftlichen als auch <strong>in</strong><br />

ihrer tiefenpsychologischen Dimension s<strong>in</strong>d<br />

diese Gr<strong>und</strong>muster une<strong>in</strong>deutig. Das Spannungsverhältnis<br />

zwischen <strong>der</strong> Innenorientie-<br />

rung <strong>und</strong> Außenorientierung betrifft Mädchen<br />

<strong>und</strong> Jungen, beide haben immer auch Anteile<br />

des jeweils an<strong>der</strong>en Musters entwickelt. Deshalb<br />

ist es problematisch, die Sozialisation von<br />

Mädchen unter dem Stichwort „Innenorientierung“<br />

<strong>und</strong> jene von Jungen unter dem Stichwort<br />

„Außenorientierung“ schematisch zu denken.<br />

Es geht deshalb darum, beide Seiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

Balance zu br<strong>in</strong>gen. <strong>Gewalt</strong>tätiges Handeln<br />

von Jungen <strong>und</strong> Männern spiegelt tendenziell<br />

die Außenorientierung <strong>in</strong> <strong>der</strong> Konfliktbewältigung<br />

wie<strong>der</strong>, den Abspaltungsdruck, aber auch<br />

versagte Wünsche nach Anerkennung <strong>und</strong> Geborgenheit<br />

(Böhnisch/Funk 2002, S. 53f.).<br />

Umgekehrt können Selbstzurücknahme <strong>und</strong><br />

manipulative Formen von Macht bei Mädchen<br />

<strong>und</strong> Frauen auch als Ausdruck verwehrter sozialer<br />

Selbstbehauptung <strong>und</strong> Aggressivität gelesen<br />

werden (ebd., S. 77).<br />

Sowohl die äußeren Verhaltensweisen als auch<br />

die <strong>in</strong>neren ambivalenten Erfahrungen <strong>und</strong><br />

Spaltungen lassen sich nicht auf Kompetenzprobleme<br />

von Mädchen <strong>und</strong> Jungen reduzieren.<br />

Vielmehr verbergen sich dah<strong>in</strong>ter gesellschaftliche<br />

<strong>Geschlecht</strong>erkonflikte.<br />

Überzeugungen, dass Frauen nicht <strong>in</strong> dem Maße<br />

wie Männer zur Ausübung von <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Lage seien, Männer als Beschützer <strong>und</strong><br />

Frauen als das zu beschützende <strong>Geschlecht</strong> gedacht<br />

werden, s<strong>in</strong>d historisch <strong>und</strong> kulturell tief<br />

verwurzelt. Frauen <strong>und</strong> Männer besitzen dasselbe<br />

Potenzial, sich aggressiv <strong>und</strong> gewalttätig<br />

zu verhalten. Kulturell-historisch haben sich jedoch<br />

<strong>in</strong> den unterschiedlichen Gesellschaften<br />

„geschlechtstypische Zuständigkeiten“ ausgeprägt.

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