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Studie "Gewalt und Geschlecht in der Schule"

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Die Angst von Mädchen, körperlich <strong>in</strong> die<br />

Unterlegenheit zu geraten bzw. die Überzeugung,<br />

Jungen seien körperlich stärker <strong>und</strong><br />

wehrhafter als Mädchen könnte dazu führen,<br />

körperliche <strong>Gewalt</strong> eher gegen an<strong>der</strong>e Mädchen<br />

als gegen Jungen zu richten. In Situationen,<br />

<strong>in</strong> denen starke Gefühle e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e<br />

Rolle spielen o<strong>der</strong> <strong>in</strong> denen Beleidigungen gegen<br />

die eigene Person o<strong>der</strong> die Familie ausgesprochen<br />

werden, stellt sich die Frage für sie<br />

nach <strong>der</strong> möglichen Unterlegenheit jedoch<br />

nicht unbed<strong>in</strong>gt. Dann geht es darum, erlittenes<br />

Unrecht öffentlich zu vergelten (vgl. Böttger<br />

1998; Silkenbeumer 2000; Bruhns/Wittmann<br />

2002; Silkenbeumer 2007).<br />

<strong>Gewalt</strong> gegen Mädchen zu richten, dient Jungen<br />

nicht unbed<strong>in</strong>gt dazu, sich damit zu brüsten.<br />

Vielmehr gilt dies mitunter als verpönt –<br />

Mädchen gelten eher als das schwächere <strong>Geschlecht</strong>,<br />

mit dem „Mann“ sich h<strong>in</strong>sichtlich<br />

körperlicher Kraft <strong>in</strong> Form von <strong>Gewalt</strong> nicht<br />

messen muss (ebd.).<br />

Bef<strong>und</strong>e aus <strong>Studie</strong>n über beobachtete Konstruktionen<br />

von <strong>Geschlecht</strong> im Schulalltag machen<br />

uns aber auch auf Situationen aufmerksam,<br />

<strong>in</strong> denen Mädchen <strong>Gewalt</strong> gegen Jungen<br />

anwenden <strong>und</strong> diese damit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e ambivalente<br />

Handlungssituation br<strong>in</strong>gen. Den Jungen<br />

fehlen dabei zum Teil, „e<strong>in</strong>geengt zwischen tradierten<br />

geschlechtlichen Erwartungen <strong>und</strong> dem<br />

realen Empf<strong>in</strong>den von Schmerz, adäquate<br />

Möglichkeiten <strong>der</strong> Reaktion. E<strong>in</strong> Junge ‚lacht<br />

<strong>und</strong> brüllt vor Schmerz zugleich, als er von e<strong>in</strong>er<br />

Mitschüler<strong>in</strong> getreten wird.’“ (Faulstich-<br />

Wieland et al. 2004). Die Bef<strong>und</strong>e dieser <strong>Studie</strong>n<br />

unterstreichen, wie vielschichtig die jeweiligen<br />

Motive, Ursachen, Anlässe <strong>und</strong> Formen<br />

gleich- <strong>und</strong> gegengeschlechtlicher <strong>Gewalt</strong>ausübung<br />

s<strong>in</strong>d.<br />

Welches Bild zeigt sich, wenn nun sexualisierte<br />

Übergriffe berücksichtigt werden? Popp (2002)<br />

hat Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler zu sexuellen<br />

Übergriffen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule befragt. Aus dem Datensatz<br />

von 1995 ergibt sich, dass sexuelle<br />

Übergriffe sowohl von Jungen als auch von<br />

Mädchen vorkommen. „E<strong>in</strong> o<strong>der</strong> mehrere Jungen<br />

bedrängen e<strong>in</strong> Mädchen <strong>und</strong> fassen es gegen<br />

ihren Willen an“ wurde von 4,7% <strong>der</strong><br />

Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> 7,8% <strong>der</strong> Schüler fast täglich<br />

wahrgenommen. „E<strong>in</strong> Junge wird von e<strong>in</strong>em<br />

Mädchen bedrängt <strong>und</strong> gegen se<strong>in</strong>en Willen<br />

angefasst“ wurde von 3% <strong>der</strong> Schüler<strong>in</strong>nen<br />

<strong>und</strong> 6,8% <strong>der</strong> Schüler fast täglich wahrgenommen<br />

(Popp 2002, S. 159). Sexuelle Übergriffe<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule allerd<strong>in</strong>gs werden von <strong>der</strong> Forschung<br />

entwe<strong>der</strong> gar nicht o<strong>der</strong> nur am Rande<br />

thematisiert – dementsprechend ist die Bef<strong>und</strong>lage<br />

hierzu sehr kle<strong>in</strong>. Elz (2004) fasst jedoch<br />

zusammen, dass verbale Formen sexueller<br />

Belästigung von Gleichaltrigen mit bis zu<br />

40% im Alltag von Mädchen <strong>und</strong> Jungen im<br />

K<strong>in</strong>des- <strong>und</strong> Jugendalter sehr häufig vorkommen.<br />

Ungefähr halb so oft kommen tätliche<br />

Angriffe o<strong>der</strong> „begrapschen“ im Jugendalter,<br />

aber auch <strong>in</strong> jüngeren Jahrgängen, vor.<br />

Ingesamt s<strong>in</strong>d Mädchen hier weitaus häufiger<br />

als Jungen betroffen. Die Botschaft sexueller<br />

Verfügbarkeit von Mädchen <strong>und</strong> Frauen wird<br />

auf vielfältige Weise gesellschaftlich vermittelt.<br />

Schüler stellen durch Sexualisierungen e<strong>in</strong>e<br />

hierarchische Ordnung zwischen Mädchen<br />

<strong>und</strong> Jungen her, mit <strong>der</strong> sich die Mädchen ihrerseits<br />

aktiv ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzen. Problematisch<br />

ist, dass die Verantwortung für sexualisierte <strong>Gewalt</strong><br />

auch durch Erwachsene vielfach den betroffenen<br />

Mädchen zugeschoben wird: „Zieht<br />

euch nicht so aufreizend an, dann machen die<br />

Jungen auch ke<strong>in</strong>e blöden Sprüche.“ Werden<br />

zudem entsprechende Grenzverletzungen<br />

2. E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> die Schulgewaltforschung: <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong><br />

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