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Studie "Gewalt und Geschlecht in der Schule"

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12<br />

Kriterien für die Def<strong>in</strong>ition:<br />

Schädigungsabsicht, Normabweichung,<br />

sozialer Kontext<br />

Um e<strong>in</strong> von e<strong>in</strong>er Person gezeigtes Verhalten<br />

als aggressiv o<strong>der</strong> gewalttätig e<strong>in</strong>zustufen, werden<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel die Kriterien Schädigungsabsicht<br />

<strong>und</strong> Abweichung von e<strong>in</strong>er sozialen<br />

Norm herangezogen. Schauen wir uns dazu e<strong>in</strong>e<br />

Def<strong>in</strong>ition von <strong>Gewalt</strong> an:<br />

„Insgesamt kann <strong>Gewalt</strong> als e<strong>in</strong>e zielgerichtete<br />

direkte Schädigung begriffen werden,<br />

die unter körperlichem E<strong>in</strong>satz <strong>und</strong>/o<strong>der</strong><br />

mit psychischen <strong>und</strong> verbalen Mitteln erfolgt<br />

<strong>und</strong> sich gegen Personen <strong>und</strong> Sachen<br />

richten kann“ (Melzer 2006, S. 15). Unter<br />

<strong>Gewalt</strong> werden dann Verhaltensweisen mit<br />

<strong>der</strong> Absicht zu schädigen bzw. mit e<strong>in</strong>er<br />

solchen Schädigung zu drohen gefasst, die<br />

sich auf Personen o<strong>der</strong> Objekte (Vandalismus)<br />

beziehen <strong>und</strong> vom Opfer als verletzend<br />

wahrgenommen werden.“<br />

Doch wie lässt sich überhaupt feststellen, ob e<strong>in</strong>e<br />

Schädigungsabsicht vorlag? Die Absicht e<strong>in</strong>er<br />

Person, an<strong>der</strong>e zu schädigen, kann nur <strong>in</strong>direkt<br />

erschlossen, höchstens erfragt, aber nicht<br />

unbed<strong>in</strong>gt direkt beobachtet werden (Nolt<strong>in</strong>g<br />

2005). Bei schädigenden Verhaltensmustern<br />

kann es sich auch um den Ausdruck von<br />

Hyperaktivität handeln. Und geht es um aggressives<br />

Verhalten, welches <strong>der</strong> Regulation<br />

von Emotionen (etwa Angst) dient, muss ebenfalls<br />

ke<strong>in</strong>e explizite Schädigungsabsicht vorliegen<br />

(vgl. dazu Petermann/Petermann 2000).<br />

Vorstellungen von <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>ene<br />

Regeln, wann <strong>der</strong> Rückgriff auf diese<br />

Handlungen sozial erlaubt ist <strong>und</strong> wann nicht,<br />

werden auch kontextabhängig wirksam. So<br />

können Mädchen, die <strong>Gewalt</strong> ausüben, geschlechtliche<br />

Diffamierungen („Mannweib“,<br />

ke<strong>in</strong> „richtiges Mädchen“; „Schlägerweib“) <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Schule durch Gleichaltrige o<strong>der</strong> auch Erwachsene<br />

erleben. In <strong>der</strong> Mädchenclique kann<br />

<strong>Gewalt</strong>akzeptanz <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong>tätigkeit anerkanntes<br />

<strong>und</strong> auch erwartetes Handeln se<strong>in</strong>, um<br />

Zusammenhalt zu beweisen, <strong>und</strong> sich von an<strong>der</strong>en<br />

Formen von Weiblichkeit abzugrenzen.<br />

Die E<strong>in</strong>schätzung von aggressivem Verhalten<br />

von Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schüler sche<strong>in</strong>t bei<br />

Lehrkräften vielfach diffus zu erfolgen. Zudem<br />

verfügen sie über sehr heterogene subjektive<br />

Aggressionsdef<strong>in</strong>itionen (vgl. zusammenfassend:<br />

Wettste<strong>in</strong> 2008).<br />

Um e<strong>in</strong>e Handlung als gewaltförmig zu bestimmen,<br />

nehmen wir immer auch soziale Bewertungen<br />

bzw. Interpretationen vor. So ist die<br />

juristisch wichtige Differenzierung <strong>und</strong> klare<br />

E<strong>in</strong>teilung <strong>in</strong> Täter <strong>und</strong> Opfer aus sozialwissenschaftlicher<br />

H<strong>in</strong>sicht nur schwer aufrechtzuerhalten.<br />

Betrachtet man die Tiefenstrukturen<br />

<strong>und</strong> unbewusste Bedeutungsdimensionen<br />

von <strong>Gewalt</strong>, kann das Zuschlagen e<strong>in</strong>es Schülers<br />

o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er Schüler<strong>in</strong> Ausdruck des Versuchs<br />

se<strong>in</strong>, heilsame Grenzen zu setzen, gerade<br />

auch <strong>in</strong> Folge länger ertragener Demütigungen,<br />

Missachtung <strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong>. Stellen wir uns e<strong>in</strong>e<br />

Schüler<strong>in</strong> vor, die reaktiv-expressives Aggressionsverhalten<br />

<strong>in</strong> Situationen zeigt, <strong>in</strong> denen<br />

sie sich bedroht fühlt <strong>und</strong> an<strong>der</strong>en Personen<br />

aufgr<strong>und</strong> lebensgeschichtlicher Erfahrungen<br />

leicht e<strong>in</strong>e fe<strong>in</strong>dselige Absicht unterstellt. Dieses<br />

Mädchen erlebt sich selbst als Opfer – auch<br />

<strong>in</strong> Situationen, <strong>in</strong> denen es an<strong>der</strong>e körperlich<br />

schädigt <strong>und</strong> von diesen als Täter<strong>in</strong> wahrgenommen<br />

wird. <strong>Gewalt</strong> kann dann als Mittel<br />

benutzt werden, um sich gegen „Angriffe“ an<strong>der</strong>er<br />

zu schützen <strong>und</strong> dem Versuch geschuldet<br />

se<strong>in</strong>, weitere <strong>Gewalt</strong> gegen die eigene Person

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