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Studie "Gewalt und Geschlecht in der Schule"

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Was ist <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule?<br />

Inhaltliche <strong>und</strong> begriffliche Klärungen<br />

In den letzten Jahrzehnten ist e<strong>in</strong>e deutliche<br />

Sensibilisierung für gewaltförmige Handlungen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule festzustellen. Wenn wir heute<br />

von <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule sprechen, hören<br />

wir oft, früher seien Schüler viel seltener <strong>und</strong><br />

Mädchen schon gar nicht <strong>in</strong> vergleichbaren<br />

Formen <strong>und</strong> Maßen gewalttätig gewesen.<br />

Durch beson<strong>der</strong>s extreme <strong>und</strong> äußerst seltene<br />

Fälle von „School Shoot<strong>in</strong>g“ hat das Thema<br />

„<strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule“ etwa seit 1999 („Schüleramok“<br />

<strong>in</strong> Meißen) <strong>und</strong> aktuell wie<strong>der</strong> durch<br />

den Amoklauf <strong>in</strong> W<strong>in</strong>nenden (2009) auch <strong>in</strong><br />

Deutschland an Brisanz gewonnen. Dabei handelt<br />

es sich um e<strong>in</strong> beson<strong>der</strong>es Phänomen, welches<br />

mit massiver <strong>Gewalt</strong> gegenüber möglichst<br />

vielen Schüler<strong>in</strong>nen <strong>und</strong> Schülern sowie Lehrkräften<br />

e<strong>in</strong>hergeht. Täter s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den meisten<br />

Fällen männliche, auch ehemalige o<strong>der</strong> suspendierte<br />

Schüler. Bislang ist dieses <strong>Gewalt</strong>phänomen<br />

nur unzureichend analysiert worden.<br />

Es lässt sich ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>deutiges Profil dieser<br />

Schüler <strong>und</strong> Schüler<strong>in</strong>nen ausmachen (vgl. u.a.<br />

Robertz 2004). Auch hier taucht die Frage auf,<br />

warum es meistens junge Männer s<strong>in</strong>d, die diese<br />

Taten begehen. Doch die Relevanz von<br />

Männlichkeit, die Identifikation mit bestimmten<br />

gesellschaftlich nahe gelegten Männlichkeitsbil<strong>der</strong>n,<br />

ist auch <strong>in</strong> diesen Fällen mehrdeutig<br />

<strong>und</strong> steht <strong>in</strong> Zusammenhang mit weiteren<br />

Bed<strong>in</strong>gungsfaktoren.<br />

Beim Versuch, den Begriff <strong>Gewalt</strong> zu def<strong>in</strong>ieren,<br />

fällt auf, dass e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige <strong>und</strong> e<strong>in</strong>heitliche<br />

Festlegung schwierig ist. Der Umgang mit <strong>und</strong> die<br />

Thematisierung von <strong>Gewalt</strong> <strong>und</strong> <strong>Geschlecht</strong><br />

stehen <strong>in</strong> Zusammenhang mit sozialen,<br />

historischen <strong>und</strong> kulturellen Kontexten.<br />

Angesichts von Dramatisierungstendenzen <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Diskussion über <strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule vergessen<br />

wir leicht, dass Schule lange Zeit e<strong>in</strong> Ort<br />

war, an dem <strong>Gewalt</strong> durch Lehrkräfte rechtlich<br />

<strong>und</strong> sozial legitimiert war. Erst 1973 ist das<br />

Züchtigungsrecht an deutschen Schulen abgeschafft<br />

worden. Dies kann „als e<strong>in</strong>e fortschreitende<br />

Zivilisierung des ‚beson<strong>der</strong>en schulischen<br />

<strong>Gewalt</strong>verhältnisses’“ gedeutet werden<br />

(Helsper 2006, S. 209). In jüngster Zeit erfahren<br />

wir zunehmend von körperlichen Züchtigungen<br />

<strong>und</strong> sexuellen Übergriffen gegenüber<br />

Schülern <strong>und</strong> Schüler<strong>in</strong>nen durch Lehrer an<br />

durchaus sehr unterschiedlichen Internatsschulen.<br />

Das Thema „<strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule“ erfährt<br />

hierdurch neue Brisanz <strong>und</strong> wirft zahlreiche<br />

neue Fragen auf, die es <strong>in</strong> empirischer <strong>und</strong> theoretischer<br />

H<strong>in</strong>sicht näher zu erhellen gilt.<br />

Lenken wir den Blick zurück auf die von Schülern<br />

<strong>und</strong> Schüler<strong>in</strong>nen ausgeübten Formen<br />

von <strong>Gewalt</strong>, so fällt auf, dass die wichtige Sensibilisierung<br />

<strong>und</strong> <strong>in</strong>tensive Thematisierung von<br />

<strong>Gewalt</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schule mit <strong>der</strong> Ausweitung e<strong>in</strong>es<br />

<strong>Gewalt</strong>begriffs e<strong>in</strong>hergeht. Immer mehr expressive<br />

<strong>und</strong> körperliche Äußerungsformen von<br />

Jungen <strong>und</strong> Mädchen werden mit dem emotional<br />

aufgeladenen Begriff „<strong>Gewalt</strong>“ belegt.<br />

Kritisch zu diskutieren wäre: Wollen wir e<strong>in</strong>e<br />

immer größere Schülerschaft als „<strong>Gewalt</strong>täter<strong>in</strong>nen<br />

<strong>und</strong> <strong>Gewalt</strong>täter“ abstempeln <strong>und</strong> damit<br />

soziale Ausgrenzungsrisiken erhöhen?<br />

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