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STROM

In diesem Sachbuch STROM - Die Gigawatt-Revolution wird die Entwicklung der elektrischen Energieversorgung dargestellt. Besondere Sorgfalt wird der sachgerechten Einordnung der deutschen Energiewende und ihrer wichtigsten Perspektiven gewidmet. Strom ist längst der wertvollste technische Energieträger und wird auch in ferner Zukunft völlig unverzichtbar bleiben. Der weltweite Strombedarf wächst ständig. In diesem Buch wird die Entwicklung der elektrischen Energieversorgung dargestellt, wobei auch die gesellschaftlichen und technischen Hintergründe Berücksichtigung finden. Besondere Sorgfalt wird der sachgerechten Einordnung der deutschen Energiewende und ihrer wichtigsten Perspektiven gewidmet. STROM erläutert auch die wirtschaftlichen Konsequenzen, bietet eine neutrale Darstellung der gegenwärtigen Situation in Deutschland und eine anregende optimistische Reise in die Zukunft. (228 Seiten, 18,5 x 22,5 cm, 4-farbig; ISBN 978-3-942658-17-7)

In diesem Sachbuch STROM - Die Gigawatt-Revolution wird die Entwicklung der elektrischen Energieversorgung dargestellt. Besondere Sorgfalt wird der sachgerechten Einordnung der deutschen Energiewende und ihrer wichtigsten Perspektiven gewidmet. Strom ist längst der wertvollste technische Energieträger und wird auch in ferner Zukunft völlig unverzichtbar bleiben. Der weltweite Strombedarf wächst ständig. In diesem Buch wird die Entwicklung der elektrischen Energieversorgung dargestellt, wobei auch die gesellschaftlichen und technischen Hintergründe Berücksichtigung finden. Besondere Sorgfalt wird der sachgerechten Einordnung der deutschen Energiewende und ihrer wichtigsten Perspektiven gewidmet. STROM erläutert auch die wirtschaftlichen Konsequenzen, bietet eine neutrale Darstellung der gegenwärtigen Situation in Deutschland und eine anregende optimistische Reise in die Zukunft. (228 Seiten, 18,5 x 22,5 cm, 4-farbig; ISBN 978-3-942658-17-7)

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Christoph Buchal,<br />

Patrick Wittenberg, Dieter Oesterwind<br />

<strong>STROM</strong>Geschichte<br />

Die Gigawatt-Revolution<br />

Energiewende<br />

Technik<br />

Markt<br />

Zukunft<br />

Mit einem Vorwort von<br />

Peter Grünberg, Nobelpreis für Physik


Jede Generation muss Straßen bauen,<br />

auf denen die nächste fahren kann.<br />

(Chinesisches Sprichwort)<br />

Die allgemeine Elektrifizierung hat weit über ein Jahrhundert benötigt.<br />

Der Umbau der Stromversorgung auf „Erneuerbare Energien“ unter weitgehendem<br />

Verzicht auf fossile Energieträger ist eine vergleichbar große Aufgabe und bedarf großer<br />

Sachkenntnis, gewaltiger Anstrengungen, der Fortentwicklung von Speichertechniken<br />

sowie Ausdauer und pragmatischer Vernunft.<br />

Christoph Buchal,<br />

Patrick Wittenberg, Dieter Oesterwind<br />

<strong>STROM</strong><br />

Die Gigawatt-Revolution


Inhalt<br />

Einleitung. ........................................10<br />

1.1 Prolog ........................................12<br />

1.2 Globale Trends. .................................16<br />

1.3 Ein ganz normaler Tag in Deutschland ...............20<br />

Eine Reise in die Vergangenheit ..................30<br />

2.1 Frühe Experimente ..............................32<br />

2.2 Telegraphie: Die Elektrizität macht sich nützlich .......36<br />

2.3 Die Starkstromzeit bricht an .......................40<br />

2.4 Der Streit um Wechselstrom oder Gleichstrom .........48<br />

Grundlagen der Technik ..........................56<br />

3.1 Gleichstrom, Wechselstrom, Drehstrom, Blindstrom. ....58<br />

3.2 Strom aus Wärme ...............................72<br />

3.3 Wärme: Wertvoll, wandelbar - und schließlich Abfall ....83<br />

4.4 Eine einzige Generatorwelle von Portugal bis Polen ...114<br />

4.5 Sammeln, Ausgleichen und Verteilen –<br />

die Verteilungsnetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118<br />

4.6 Börse und Handel – die andere Welt<br />

der Energieversorgung ..........................122<br />

4.7 Die Verletzlichkeit der Industriegesellschaft: Blackout ..129<br />

Entwicklungen. ..................................134<br />

5.1 Vielfältige Speicher – für Strom und Energie .........136<br />

5.2 Ein Paradigmenwechsel eröffnet neue Perspektiven<br />

für die Speicherung. ............................146<br />

5.3 Zukünftige Netze – flexibel und intelligent . . . . . . . . . . . 154<br />

5.4 Der kluge Stromkunde und sein Elektro-Auto. ........160<br />

Pläne und ferne Ziele ............................166<br />

6.1 Überraschungen und Umbrüche ...................168<br />

6.2 Eine Zeitreise durch zehn deutsche Orte. ............170<br />

Auf dem Weg in die Zukunft .....................180<br />

7.1 Fakten, Beobachtungen und Gedanken. .............182<br />

7.2 Die Vierte Revolution. ...........................193<br />

Die Welt des Stroms heute. .......................92<br />

4.1 Eine „Feuerwehr“ unter den Kraftwerken. ............94<br />

4.2 Windenergie – kraftvoll, doch schwankend ...........98<br />

4.3 Die erstaunliche Welt der Photovoltaik. .............106<br />

XXXXX ..........................................220<br />

Literaturverzeichnis ...............................221<br />

Stichwortverzeichnis ..............................222<br />

Danksagung .....................................225


Vorwort von<br />

Nobelpreisträger<br />

Peter Grünberg<br />

Energiewende –<br />

hinter dieser Überschrift verstecken sich enorme Herausforderungen, vor<br />

denen wir stehen, wenn wir in den kommenden Jahrzehnten eine Energieund<br />

Stromversorgung realisieren wollen, die auf fossile Brennstoffe und<br />

Kernkraftwerke verzichtet. Langfristig wird daran mit Sicherheit kein Weg<br />

vorbei führen, doch gegenwärtig befinden wir uns noch in einer aufregenden<br />

Phase des intensiven Planens, Streitens, Suchens und Experimentierens.<br />

Dazu zählen auch wesentliche Verbesserungen bei den Materialien, die für<br />

die Energietechnik wichtig sind. Im Verkehrssektor sind leichte und stabile<br />

Werkstoffe entscheidend. Das gilt auch für die Bahn, bei der gewaltige Massen<br />

mit Hilfe von Strom auf den Schienen bewegt werden. Mit besonderer Sorge<br />

sehe ich den Luftverkehr, wo täglich über 100.000 Flüge stattfinden. Auch<br />

wenn der Treibstoffbedarf nur 3 Liter pro Passagier und 100 km beträgt, so ist<br />

der Gesamtbedarf dennoch überwältigend. Das benötigte Kerosin wird aus<br />

Erdöl hergestellt und ist, realistisch betrachtet, durch nichts zu ersetzen. Man<br />

könnte über Biotreibstoff, etwa Alkohol aus Zuckerrohr, spekulieren, doch ist<br />

der Biotreibstoff nicht einmal ausreichend für die zahllosen Fahrzeuge.<br />

Bei der Stromversorgung wünscht sich die Mehrheit der Bürger in Deutschland,<br />

dass vor allem die unerschöpflichen Energien von Sonne, Wind und<br />

Wasser genutzt werden. Doch obwohl Sonnenenergie auf der Erde kostenlos<br />

und in fast unbegrenztem Maß zur Verfügung steht, wird eine solare Stromversorgung<br />

zunächst deutlich teurer und wesentlich komplizierter werden,<br />

obendrein ständig schwankend und damit unsicherer. Weil alle Bürger von<br />

diesen Entwicklungen betroffen sind, bedürfen sie sorgfältiger und verständlicher<br />

Erläuterungen.<br />

In der aktuellen und für viele Menschen recht verwirrenden Situation ist es<br />

höchst verdienstvoll, wenn sich unabhängige Wissenschaftler darum bemühen,<br />

einer interessierten Leserschaft die Zusammenhänge und die gegenwärtige<br />

Faktenlage ehrlich, verständlich, fair und sachgerecht darzustellen.<br />

Vor allem denke ich hierbei an die junge Generation. Sie muss ihren Weg<br />

durch das 21. Jahrhundert gehen und den Wandel tatsächlich vollziehen.<br />

Nutzen Sie die Gelegenheit und informieren Sie sich sorgfältig, damit auch<br />

Sie die gegenwärtigen Entwicklungen verstehen und einen guten Weg in die<br />

Zukunft finden können. Mit der „Gigawatt-Revolution“ sind nämlich viele<br />

hochinteressante Aufgaben, Chancen und Berufe in den weiten und wichtigen<br />

Feldern der Energietechnik und Energieforschung verbunden.<br />

Peter Grünberg<br />

Nobelpreis für Physik 2007<br />

7


Prof. J. Treusch<br />

WE Heraeus-Stiftung<br />

Dr.-Ing. Thomas Aubel<br />

TÜV Rheinland<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

in unserem Land sind Stromerzeugung und Strompreis ein heiß diskutiertes<br />

Thema. Da ist es hilfreich, wenn man zuverlässige, verständliche und unparteiische<br />

Informationen zur Hand hat. Der TÜV Rheinland und die Wilhelm<br />

und Else Heraeus-Stiftung zur Förderung der Naturwissenschaften möchten<br />

Ihnen mit diesem Buch eine Wissensbasis bieten, die das Verständnis der<br />

Zusammenhänge erleichtert.<br />

In einer modernen Industriegesellschaft spielt die Stromversorgung eine<br />

Schlüsselrolle für Wirtschaft, Lebensstandard, Bildung und Information. Seit<br />

zehn Jahren sind auf diesem Gebiet große Umwälzungen zu beobachten.<br />

Dieser Prozess ist keineswegs abgeschlossen. Die Europäische Union drängt<br />

auf einen grenzüberschreitenden liberalisierten Strommarkt. Viele Bürger<br />

möchten sowohl die Kernkraftwerke wie auch die Kohlekraftwerke weitgehend<br />

durch Windenergie und Photovoltaik ersetzen. Die großen Energieversorger-Konzerne<br />

wurden in ihre Sparten aufgeteilt und entflochten, um den<br />

marktwirtschaftlichen Wettbewerb zu befördern. An vielen Orten bilden sich<br />

Bürgerinitiativen zur Stromerzeugung mit privaten Kleinkraftwerken für Windund<br />

Sonnenenergie. Die organisatorische und technische Welt des Stroms ist<br />

im Umbruch und wird ständig vielfältiger und bunter.<br />

eine kostspielige und anspruchsvolle Großtechnik, die nur von finanzstarken<br />

Unternehmen geschultert werden kann. Allein der Netzanschluss für diese<br />

Windparks kann für den zuständigen Netzbetreiber zu einer unüberwindlichen<br />

Hürde werden, doch darf sich ein Stromproduzent nicht in die Belange<br />

der Netzbetreiber einmischen. Netzbetreiber müssen völlig unabhängig sein<br />

von den Stromproduzenten. Als „Natürliche Monopolisten“ stehen sie unter<br />

der strengen Aufsicht der Bundesnetzagentur.<br />

Photovoltaik-Anlagen sind perfekt für private Investoren. Ihre Eigentümer<br />

treten dann, je nach Sonnenstand, entweder als Stromproduzenten oder als<br />

Stromkunden auf. Jede einzelne Hausanlage trägt nur wenig zur elektrischen<br />

Gesamtbilanz bei, doch in ihrer Summe sind die deutschen Windkraft- und<br />

Photovoltaik-Anlagen demnächst so leistungsfähig, dass sie zeitweise fast<br />

den gesamten Bedarf decken können, falls Sonne und Wind mitspielen. Sie<br />

bilden dabei ein landesweites Team, das gemeinsam arbeitet oder zusammen<br />

Pause macht. Wesentliche Ausgleichsfunktionen sind deshalb bei einem<br />

„Generalstreik“ auch durch verbesserte Netze nicht zu erzielen. Statt dessen<br />

muss zur Wahrung der Netzstabilität, vor allem bei Dunkelheit und Flaute,<br />

ein kompletter zweiter Kraftwerkspark für sie einspringen. Leider gibt es in<br />

unserem Land noch keine ausreichenden Speichermöglichkeiten für Strom,<br />

um Versorgungslücken zu überbrücken.<br />

Die Stromerzeugung eignet sich besonders gut, um die wechselseitigen<br />

Zusammenhänge von Wirtschaft und Technik, Politik und Gesellschaft,<br />

von nationalen Programmen und internationalen Beziehungen, von den<br />

geschichtlichen Entwicklungen der Industrialisierung und den zukünftigen<br />

Zielen der vierten industriellen Revolution zu ergründen und zu verstehen.<br />

Der vorliegende Text bietet dazu nicht nur die notwendige Faktenbasis,<br />

sondern auch einen anschaulichen Blick hinter die Kulissen und einen verständlichen<br />

Einblick in Technik und Wirtschaft. Dabei ergeben sich zahlreiche<br />

Anregungen für Ausbildung und Beruf.<br />

Wir wünschen Ihnen Freude und nützliche Erkenntnisse bei der Lektüre.<br />

9<br />

Die gesellschaftlichen Fragen nach den Vor- und Nachteilen der großen Firmen<br />

im Vergleich zu den zahlreichen kleinen privaten Initiativen sind oft eng<br />

verknüpft mit technischen Gegebenheiten. Beispielsweise bieten Windparks<br />

auf hoher See besonders hohe Stromausbeuten. Zugleich repräsentieren sie<br />

Prof. Dr. Dr. hc. mult.<br />

Joachim Treusch<br />

Dr.-Ing. Thomas Aubel<br />

TÜV Rheinland


Einleitung 1


1.1 PRolog<br />

Noch ist elektrische Energie nicht überall in gleichem Maße verfügbar.<br />

Der erfahrene Baggerführer war falsch informiert,<br />

als er seine mächtige Schaufel tief in<br />

die Erde senkte, um den Graben für eine neue<br />

Abwasserleitung auszuheben. Er bemerkte nur<br />

einen kleinen Ruck und einen hellen Blitz. In<br />

der zwei Kilometer entfernten Ortsnetzstation,<br />

am Ende der Hauptstraße, flogen einige der<br />

dicken Sicherungen mit einem lauten Knall heraus.<br />

Der kräftige Kurzschluss-Strom hatte zur<br />

Abschaltung geführt. Die Leitung wurde sofort<br />

spannungsfrei und ungefährlich. Fünf Sekunden<br />

später sah der Baggerführer das Unheil in Form<br />

eines dicken Kabels, das mit der Schaufel ans<br />

Tageslicht kam. Schweißperlen standen auf seiner<br />

Stirn, als er den Arm seiner Maschine ganz<br />

langsam wieder ausfuhr, um das Kabel vorsichtig<br />

wieder in die Grube zurückgleiten zu lassen.<br />

Rückwärtsgang, erst einmal ein paar Meter weg<br />

von der vermeintlichen Gefahr. Er holte tief Luft,<br />

stieß einige Verwünschungen aus, holte sein<br />

Handy aus der Jackentasche und rief den Chef an.<br />

Im gesamten Neubaugebiet war der Strom weg.<br />

Kein Licht, keine Heizung, kein Kühlschrank,<br />

kein Radio. Auch die Waschmaschine und der<br />

Küchenherd legten eine Pause ein.<br />

Auf der Baustelle stoppte der schöne neue Kran<br />

abrupt in seiner Bewegung und der Betonmischer<br />

gab schlagartig Ruhe. Nur der Kübel<br />

mit dem frischen Beton schwang hoch in der<br />

Luft hin und her und erzeugte ein sanftes Quietschen.<br />

Die Maurer schauten sich entsetzt an:<br />

„Hoffentlich kommt der Strom bald wieder – die<br />

Decke ist noch nicht fertig und der Beton bindet<br />

jetzt dort ab, wo er das auf keinen Fall soll. In<br />

der Mischmaschine. Im Kübel. In der unfertigen<br />

Decke …“<br />

Die Meldung vom Stromausfall erreichte zuerst<br />

die Feuerwehr, denn die Handys funktionierten<br />

noch einwandfrei, weil die Mobilfunkstationen<br />

bei Stromausfällen noch eine Zeit lang mit Hilfe<br />

von Batterien versorgt werden. Dagegen erwies<br />

sich die restliche wunderschöne Kommunikationswelt,<br />

vom Küchenradio bis zum Internet,<br />

als weniger nützlich. Die modernen Telefone<br />

schwiegen leider auch, denn sie benutzen<br />

inzwischen fast alle einen Hausanschluss mit<br />

einem Router, der zugleich für das Internet<br />

zuständig ist. Auch so ein Router hält strikte<br />

Betriebsruhe, wenn seine Stromversorgung<br />

unterbrochen ist – nicht nur die Basisstationen<br />

der schnurlosen Komfort-Telefone.<br />

Die Feuerwehr verständigte umgehend den örtlichen<br />

Netzbetreiber. Sein Entstörungstrupp war<br />

schnell vor Ort und konnte bald eine Ersatzleitung<br />

schalten. Nur die Häuser direkt an der betroffenen<br />

Straße waren für einige Stunden ohne<br />

Strom. Danach war auch dort der Spuk vorüber.<br />

Allein der Baggerfahrer war noch etwas länger<br />

geknickt, denn der Schaden hatte seine Ehre<br />

als umsichtigen Profi angekratzt.<br />

Strom ist für uns selbstverständlich<br />

und unentbehrlich<br />

Schon ein paar Stunden ohne Strom im Fahrstuhl,<br />

in der U-Bahn oder im ICE auf freier<br />

Strecke können sehr stressig werden. Nach<br />

wenigen Wintertagen ohne Strom wird es vielerorts<br />

unangenehm, vielleicht sogar bedrohlich. In<br />

den Städten ist die Abhängigkeit von einer zuverlässigen<br />

Stromversorgung sogar existentiell.<br />

Ohne Strom bricht in Großstädten Chaos aus.<br />

Selbst auf dem Campingplatz, wo vor allem die<br />

Nähe zur Natur zählt, will fast niemand auf eine<br />

Steckdose verzichten. Doch die Welt hinter der<br />

Steckdose war nur wichtig für Fachleute und<br />

nicht von allgemeinem Interesse. Hier vollzieht<br />

sich nun ein Wandel. Inzwischen berichten die<br />

Medien immer häufiger über Umweltschutz und<br />

Emissionen der Stromerzeugung. Überall sieht<br />

man zahllose neue Photovoltaik-Anlagen, Windräder<br />

und Mais-Monokulturen für die Biostrom-<br />

Erzeugung.<br />

Der Umweltminister bezeichnete den Umbau<br />

der Stromversorgung sogar als ein entscheidendes<br />

Zukunftsprojekt, vergleichbar mit dem<br />

Programm der ersten Mondlandung. Das war<br />

in den sechziger Jahren ein äußerst anspruchsvolles,<br />

riskantes und aufregendes Vorhaben und<br />

wurde zu einem Meilenstein in der Technik- und<br />

Menschheitsgeschichte. Wenn man die sehr<br />

langfristigen Ziele der Energiewende betrachtet,<br />

dann ist der Vergleich durchaus passend, doch<br />

gegenwärtig müssen wir erst einmal verstehen,<br />

was hinter den oft verwirrenden und paradoxen<br />

Meldungen steckt. Zum Beispiel:<br />

„Deutschland exportiert immer mehr Strom –<br />

und trotzdem wird unser Strom knapp!“<br />

„Der Börsenpreis für Strom fällt – doch die<br />

Preise für Endkunden steigen!“<br />

„Die Sonne schickt keine Rechnung – aber der<br />

Solarstrom führt zu höheren Abgaben!“<br />

Rundfunk und Fernsehen meldeten mehrfach:<br />

„Betriebe, die mehr als zehn Gigawatt Strom<br />

benötigen, können sich von der Umlage nach<br />

dem Erneuerbare-Energien-Gesetz befreien<br />

lassen!“ Diese Meldung war genau genommen<br />

absurd, denn es gibt mit Sicherheit keinen<br />

Betrieb in Deutschland, der einen so enormen<br />

Leistungsbedarf hat. Zehn Gigawatt bedeuten<br />

eine gewaltige Leistung, mit der mehr als<br />

13


14<br />

zehn Millionen Deutsche auskommen. Offensichtlich<br />

kann selbst eine professionelle<br />

Nachrichtenredaktion unbemerkt elektrische<br />

Leistung mit Energie, Gigawatt mit Gigawatt-<br />

Stunden verwechseln. „Zehn Gigawattstunden<br />

pro Jahr“ wäre übrigens die richtige Information<br />

gewesen, und 10 Gigawattstunden pro Jahr<br />

entsprechen einer mittleren Leistung von<br />

1,1 Megawatt. Das ist nur ein Zehntausendstel<br />

des gemeldeten Wertes.<br />

Derzeit werden weit reichende Entscheidungen<br />

gefällt, die uns alle betreffen. Deshalb haben<br />

wir ein informatives Sachbuch verfasst, das<br />

keinerlei Lobbyarbeit für Politik, Wirtschaft oder<br />

Umweltverbände betreibt. Uns hat allein der<br />

Stand von Wissenschaft und Technik geleitet.<br />

Manche Kapitel sind leicht zu verstehen,<br />

während andere tiefer auf technische oder<br />

wirtschaftliche Zusammenhänge eingehen.<br />

Gemeinsam erläutern sie viele Aspekte der<br />

Stromversorgung, von den Grundlagen und<br />

der historischen Entwicklung bis hin zu den<br />

aktuellen Fragen von Technik, Netzsicherheit<br />

und Strompreis. Die kursiven Einleitungen<br />

am Beginn der Kapitel sollen die Orientierung<br />

erleichtern. Vor allem die Kapitel 1 und 7 bieten<br />

allgemeine Übersichten. Der wichtigste Problemkreis<br />

einer zukünftigen Stromversorgung<br />

wird in Kapitel 5 erläutert.<br />

Vom unheimlichen Fluidum zum<br />

wertvollsten Energieträger<br />

Vor 130 Jahren wurde das erste Elektrizitätswerk<br />

in New York eröffnet. Davor lag ein langer<br />

und mühevoller Weg, denn die grundlegenden<br />

Kenntnisse über diese unsichtbare und doch<br />

heftig spürbare Energieform hatten sich im Laufe<br />

vieler Jahrzehnte nur schrittweise offenbart.<br />

Von Anfang an waren die Menschen überall<br />

fasziniert von diesem ungreifbaren und unheimlichen<br />

Fluidum. Sie erkannten darin sowohl die<br />

gewaltigen Kräfte der himmlischen Blitze wie<br />

auch das Wirken der Gedanken und Nerven, die<br />

unsere Muskeln steuern. Elektrizität, Lebendigkeit<br />

und die biologischen Lebenskräfte erschienen<br />

auf geheimnisvolle Weise eng miteinander<br />

verbunden.<br />

Technisch betrachtet gilt Strom als untergeordneter,<br />

„sekundärer“ Energieträger, weil er nicht<br />

direkt in der Natur vorkommt, sondern mit Hilfe<br />

von primären Energieträgern wie Kohle, Gas, Öl,<br />

Wind, Wasserkraft oder der Strahlungsenergie<br />

der Sonne produziert werden muss, doch hat<br />

er sich im Laufe der Jahrzehnte eine solche<br />

Sonderrolle erarbeitet, dass er inzwischen alle<br />

anderen Energieträger an Bedeutung übertrifft.<br />

Nur elektrische Energie wird mühelos, lautlos,<br />

sauber und nahezu mit Lichtgeschwindigkeit<br />

auf Kabeln und Freileitungen transportiert. Mit<br />

Strom kann man fast alle Maschinen und Fahrzeuge<br />

antreiben. Die einzigartigen und genialen<br />

Errungenschaften der Elektrizität kennt jeder:<br />

Die Beleuchtung und das Telefon, Funk und<br />

Radar, Radio und Fernsehen, die Computer und<br />

das Internet.<br />

Von den Lebensmitteln abgesehen kann Strom<br />

alle anderen Energieträger relativ leicht ersetzen.<br />

Nur ein Handicap hat der Strom bisher nicht<br />

überwinden können: Elektrische Energie lässt<br />

sich nicht effektiv in größerem Umfang speichern.<br />

Wenn wir in Kapitel 7.2 über die fernere Zukunft<br />

sprechen, in der die Ölquellen versiegen und<br />

Erdgas knapp wird, dann wird die Stromproduktion<br />

mit Hilfe von Wind und Sonne und vielleicht<br />

auch mit der Wärme aus dem Erdinneren<br />

sogar noch wesentlich anwachsen müssen.<br />

Ein Energieträger wird zum<br />

„Kulturträger“<br />

Wenn jemandem in Deutschland der Strom<br />

abgeschaltet wird, so wird dies als Bestrafung<br />

empfunden. Wenn Menschen in Entwicklungsländern<br />

überhaupt keine Stromversorgung<br />

zur Verfügung haben, werden sie um wichtige<br />

Zukunftschancen gebracht.<br />

Deshalb kann man den Zugang zu Strom fast<br />

als ein Bürgerrecht bezeichnen.<br />

Erst die Verfügbarkeit von Strom ermöglicht<br />

eine gute Ausbildung, die allgemeine Bildung<br />

sowie die Teilhabe am kulturellen Leben, und oft<br />

auch eine angemessene Arbeit und die medizinische<br />

Betreuung. Längst werden diese Errungenschaften<br />

als „Menschenrechte der Zweiten<br />

Generation“ bezeichnet. Für die Recherchen zu<br />

diesem Buch haben wir große und kleine Kraftwerke<br />

und Stromerzeuger, Netzleitzentralen,<br />

die Energiebörse, Solarzellen-Hersteller und<br />

Forschungsstätten besucht und waren erstaunt,<br />

wie offen und ehrlich überall auf unsere Fragen<br />

geantwortet wurde. Dabei haben wir bei vielen<br />

Fachleuten auch eine ernste Besorgnis gespürt,<br />

weil sich einige Konsequenzen der Energiewende<br />

als unerwartet ungünstig und widersprüchlich<br />

erweisen. Bei allen, die ihr Wissen und ihre Einschätzungen<br />

mit uns geteilt haben, bedanken<br />

wir uns auch an dieser Stelle sehr herzlich.<br />

Bei sorgfältiger Betrachtung erweisen sich die<br />

langfristigen Herausforderungen der Energiewende<br />

als so vielfältig und komplex, dass alle<br />

derzeit vorgeschlagenen Lösungswege noch<br />

mehr oder weniger große Mängel oder Nachteile<br />

aufweisen. Das ist ein ernstes Dilemma,<br />

das gegenwärtig leider akzeptiert werden muss.<br />

Es sollte unbedingt als Ansporn für die kreativen<br />

Kräfte im Lande dienen, konstruktiv an der<br />

Energiewende mitzuwirken.<br />

Energie, Klima<br />

und Strom<br />

Welt-Energieversorgung, Energietechnik, Elektrotechnik<br />

sowie die Atmosphärenphysik, das Weltklima<br />

und die Klimaforschung sind jeweils eigenständige<br />

Themen, zwischen denen es zahlreiche<br />

Zusammenhänge gibt. Vor allem die Emission<br />

von CO 2<br />

in die Atmosphäre ist für die menschengemachte<br />

(anthropogene) Klimabeeinflussung<br />

bedeutsam. Deshalb werden Energieversorgung,<br />

Stromerzeugung und Klimaänderungen oft gemeinsam<br />

diskutiert.<br />

Das vorliegende Buch konzentriert sich auf die<br />

Stromversorgung. Die Atmosphäre und das Klima<br />

der Erde sowie die Einflüsse durch die Nutzung<br />

von Kohle, Öl und Gas werden sorgfältig in KLIMA<br />

(Ref.1) und in KLIMA, MENSCH, ENERGIE (Ref.2)<br />

dargestellt. ENERGIE (Ref. 3) erläutert die Bedeutung<br />

der Energie im Alltag sowie die technischen<br />

Aspekte der Energieversorgung und Nutzung. Weil<br />

der Einfluss der Emissionen auf die Atmosphäre<br />

im 6. Kapitel von Ref.1 bereits sorgfältig analysiert<br />

wurde, wiederholen wir diese Ausführungen nicht.<br />

Auch in diesem Buch möchten wir uns mit Fachworten<br />

zurückhalten und dennoch eine klare<br />

Sprache verwenden. Der Begriff „Strom“ hat sich<br />

fest eingebürgert für „Elektrische Energie“. Sehr<br />

weit verbreitet sind „Energieverbrauch“, „Stromverbrauch“<br />

und inzwischen auch „Energiewende“.<br />

Energie kann nur umgewandelt, aber nicht verbraucht,<br />

erneuert oder gar gewendet werden.<br />

Bessere Ausdrücke wären „Energiebedarf“,<br />

„Strombedarf“ und der „Umbau der Energieversorgung“.<br />

Die „Erneuerbaren Energien“ sollten<br />

besser „Unerschöpfliche Energien“ genannt<br />

werden. Allerdings haben sich die Erneuerbaren<br />

Energien (EE) und die Energiewende so fest im<br />

Sprachgebrauch etabliert, dass wir diese Ausdrücke<br />

ebenfalls verwenden.


1.2 Globale Trends<br />

Wenn man nur den kurzen Zeitraum bis zur Mitte dieses Jahrhunderts betrachtet, können einige<br />

Trends als relativ gesichert bezeichnet werden.<br />

Staudämme bieten eine optimale Möglichkeit, Strom zu erzeugen oder Energie zu<br />

speichern. Erdwärme hat ebenfalls ein hohes Potenzial, ist aber bisher nur extrem<br />

aufwendig für die Stromerzeugung zu erschließen.<br />

Das unaufhaltsame Wachstum der<br />

Städte<br />

Die Weltbevölkerung beträgt derzeit 7 Milliarden<br />

Menschen und wächst um ca. 80 Millionen pro<br />

Jahr. In wenigen Jahrzehnten werden 9 bis<br />

10 Milliarden Menschen auf der Erde leben. Von<br />

ihnen werden mehr als 6 Milliarden in Megastädten<br />

und riesigen Ballungsräumen arbeiten<br />

und wohnen. Die Zahl der Menschen, die in<br />

Städten wohnen werden, entspricht dann der<br />

gesamten Weltbevölkerung des Jahres 2000.<br />

Das Nebeneinander von Innenstädten mit Wolkenkratzern,<br />

ausufernden Vorstädten und sich<br />

oft wild und planlos entwickelnden Slums ist<br />

schon jetzt zu beobachten. Weil die Städte trotz<br />

allem oft bessere Entwicklungsmöglichkeiten<br />

bieten als ein Leben auf dem Lande, wachsen<br />

sie ständig. Die damit verbundenen Herausforderungen<br />

für die Städteplaner sind gewaltig.<br />

Besonders die fernöstlichen Megastädte, wie<br />

Shanghai oder Mumbai, führen anschaulich<br />

vor Augen, dass die Energie- und Wasserversorgung,<br />

Transportsysteme und Verkehrsinfrastruktur<br />

sowie eine umweltverträgliche<br />

Entsorgung nicht Schritt halten können mit dem<br />

enormen Wachstum.<br />

Steigender Energie- und Strombedarf<br />

Der ungebrochene Trend der weltweit steigenden<br />

Energiepreise führt dazu, dass bei den<br />

meisten Neubauten zunehmend Wert auf Energieeffizienz<br />

gelegt wird. Das gilt besonders für<br />

den Energiebedarf für Beheizung und Kühlung,<br />

aber auch für die Beleuchtung. Hier sind schon<br />

jetzt wesentliche Fortschritte zu erkennen.<br />

Überall, in den Städten wie auf dem Land, wird<br />

eine ausreichende und möglichst verlässliche<br />

Stromversorgung benötigt. Der weltweite<br />

Nachhol- und Modernisierungsbedarf auf dem<br />

Sektor der Elektrizitätsversorgung ist enorm.<br />

Deshalb werden in den Schwellenländern derzeit<br />

viele neue Kraftwerke gebaut, wobei allein<br />

der jährliche Zubau an Kohlekraftwerken die<br />

gesamte in Deutschland existierende Kapazität<br />

übertrifft.<br />

Die Kohlekraftwerke machen den Löwenanteil<br />

aus, weil Kohle ausreichend verfügbar ist und<br />

weil Kohlekraftwerke mit großen Leistungen<br />

in recht kurzer Zeit errichtet und in Betrieb<br />

genommen werden können. Neben den wenigen<br />

großen neuen Staudammprojekten wie<br />

dem Drei-Schluchten-Damm in China sind<br />

Großkraftwerke für die Stromversorgung der<br />

Ballungsräume derzeit die einzig realistische<br />

Lösung.<br />

Deshalb sind sich auch alle Fachleute sicher,<br />

dass sich die Welt-Kohleförderung in wenigen<br />

Jahrzehnten noch einmal verdoppeln<br />

wird. Zusätzlich wird sich auch der Bedarf an<br />

Kraftstoffen weltweit verdoppeln, so dass man<br />

weiterhin ansteigende Preise auf den Energiemärkten<br />

erwartet. Falls die Versorgung mit<br />

Erdöl den Kraftstoffbedarf nicht mehr decken<br />

kann, wird eine verstärkte Nutzung von Erdgas<br />

erwartet. Erdgas kann direkt als Motorkraftstoff<br />

dienen oder zu Flüssigkraftstoffen umgewandelt<br />

werden.<br />

Der erwartete ständige Preisanstieg wird zwar<br />

automatisch den Trend zu Einsparungen und<br />

effizienter Nutzung stärken, doch wegen des<br />

Nachholbedarfs in den besonders bevölkerungsreichen<br />

Ländern wird der globale Energiebedarf<br />

nicht sinken.<br />

Auch die Förderung neuer Energieträger, wie<br />

von „unkonventionellem“ Erdgas („Schiefergas“),<br />

wird den Anstieg der Energiepreise und<br />

die weltweite Nutzung der Kohle langfristig vermutlich<br />

nicht entscheidend verändern. Gegenwärtig<br />

ist Schiefergas allerdings zu einem bedeutenden<br />

Mitspieler auf dem amerikanischen<br />

Energiemarkt geworden. Es hat bereits bewirkt,<br />

dass der Erdgaspreis in den USA nur noch ein<br />

Viertel des deutschen Gaspreises beträgt und<br />

dass die USA unabhängig von Gasimporten<br />

geworden sind. Stattdessen werden Anlagen<br />

zur Gasverflüssigung für den Export gebaut. Es<br />

wird prognostiziert, dass die amerikanischen<br />

Vorräte an Schiefergas für sehr viele Jahrzehnte<br />

ausreichen und den Importbedarf für Erdöl<br />

weiter verringern. Der Einsatz von Schiefergas<br />

für die Stromerzeugung wächst, denn derzeit<br />

werden in den USA viele alte Kohlekraftwerke<br />

durch Gaskraftwerke ersetzt.<br />

Auch in Europa werden große Schiefergas-<br />

Vorräte vermutet. Ihre Ausbeutung mit Hilfe von<br />

Bohrungen und Hochdruck-Injektionen („Fracking“)<br />

zur Lockerung von Gesteinsschichten<br />

stößt vielerorts auf den Widerstand von den<br />

Verfechtern Erneuerbarer Energien und von<br />

Umweltgruppen, die eine Belastung des Grundwassers<br />

befürchten.<br />

Die Vielfalt nimmt zu<br />

Auf dem Gebiet der Stromversorgung deutet<br />

alles darauf hin, dass die elektrische Energie<br />

in Zukunft immer mehr Aufgaben übernimmt<br />

und dass sich eine erstaunliche Vielfalt von<br />

Systemen und Möglichkeiten nebeneinander<br />

entwickelt:<br />

17


18<br />

Großkraftwerke, Windparks auf hoher See,<br />

Solarkraftwerke in der Wüste und ausgedehnte<br />

Netze sind großtechnische Anlagen, die am<br />

effizientesten von großen Firmen und Verbünden<br />

realisiert werden können.<br />

In eine ganz andere Richtung laufen die<br />

Planungen für eine Vielzahl von kleinen, dezentralen<br />

Stromerzeugern, die mit Hilfe von<br />

Photovoltaik-Anlagen, Kraft-Wärme-Kopplungs-<br />

Aggregaten (KWK) oder mit Biogasanlagen<br />

Strom bereitstellen wollen. Auf diesem Sektor<br />

sind derzeit besonders viele Projekte, Initiativen<br />

und Neugründungen von Interessensgemeinschaften<br />

zu verzeichnen.<br />

Ein einheitlicher globaler „Königsweg“ ist nicht<br />

zu erkennen und aus technischen Gründen<br />

auch unwahrscheinlich. In der Zeit nach dem<br />

zweiten Weltkrieg war das anders, denn damals<br />

konnten sich viele Menschen durchaus vorstellen,<br />

dass die neu entdeckte Kernenergie langfristig<br />

alle Energieprobleme lösen würde. Die<br />

Medien schwärmten davon, dass nicht nur die<br />

Kraftwerke und Fabriken, sondern auch Schiffe,<br />

Flugzeuge, Raketen und Weltraumstationen mit<br />

„Atomenergie“ betrieben werden könnten. Diese<br />

Euphorie ist längst einer Ernüchterung oder<br />

sogar einer vehementen Ablehnung gewichen.<br />

Man könnte daraus lernen, generell vorsichtig<br />

auf allzu optimistische Vorhersagen zu reagieren.<br />

Weil es keinen einheitlichen Entwicklungspfad<br />

gibt, werden sich für jede Region ganz unterschiedliche<br />

Trends und Prioritäten anbieten.<br />

Beispielsweise können die Alpenländer die<br />

Staudämme ausbauen, um Strom zu erzeugen<br />

und den schwankenden Bedarf mit Hilfe von<br />

Pumpspeicherkraftwerken auszugleichen.<br />

Dagegen stehen in den südlichen Ländern um<br />

das Mittelmeer besonders viele Stunden mit<br />

kräftiger Sonneneinstrahlung zur Verfügung.<br />

Dort kann man vor allem auf solare Wärme und<br />

Photovoltaik setzen.<br />

Küstenregionen bieten überall auf der Welt<br />

Chancen zur Nutzung der Windenergie und leistungsfähige<br />

Netze können dazu beitragen, eine<br />

regional unterschiedlich schwankende Stromerzeugung<br />

auszugleichen.<br />

Megastädte und industrielle Zentren benötigen<br />

eine leistungsfähige und zuverlässige Stromversorgung<br />

und bleiben auch zukünftig überwiegend<br />

auf Großkraftwerke angewiesen. Dazu<br />

zählen natürlich auch Wasserkraftwerke.<br />

Ländliche Regionen können einen vielfältigen<br />

Mix von Techniken innerhalb eines weit verzweigten<br />

Netzes vereinen.<br />

Es gibt bisher nur wenige Gegenden, in denen<br />

die Wärme aus dem Erdinneren in größerem<br />

Umfang genutzt wird. Der technische Aufwand<br />

zur Erschließung ist derzeit meistens noch zu<br />

hoch, obwohl hier prinzipiell ein unerschöpfliches<br />

Energieangebot vorliegt, das obendrein<br />

nicht dynamisch fluktuiert. Natürlich darf man<br />

nicht einfach ignorieren, dass als tiefere Ursache<br />

für leicht erreichbare Erdwärme in der Regel<br />

eine Schwachstelle in der Erdkruste vorliegt.<br />

Leider ist damit auch eine gewisse Bedrohung<br />

durch Erdbeben oder Vulkanismus gegeben.<br />

Ein herausragendes Beispiel für eine umweltfreundliche<br />

Stromerzeugung bietet Island. Die<br />

heißen Quellen beheizen die Gebäude und<br />

Straßen(!) und erbringen ein Viertel der Stromproduktion.<br />

Der restliche Strom wird aus der<br />

reichlich verfügbaren Wasserkraft gewonnen.<br />

Island könnte Kontinentaleuropa mit bedeutenden<br />

Strommengen beliefern, doch das<br />

benötigte Gleichstrom-Seekabel muss bis zur<br />

schottischen Küste 1200 km überbrücken. Dafür<br />

fallen Kosten von einer Million Euro an – pro<br />

Kilometer.<br />

Wie langfristig kann man planen<br />

und investieren?<br />

Es ist wahrscheinlich, dass die fossilen Energieträger<br />

im Laufe der nächsten 50 bis 200 Jahre<br />

knapper und teurer werden, auch wenn die<br />

Förderung von unkonventionellem Gas (Schiefergas)<br />

derzeit wieder neue Vorräte erschließt.<br />

Noch immer steigt die Nachfrage nach fossilen<br />

Energien an. Nie zuvor wurde so viel Öl gefördert<br />

wie in der Gegenwart. Dabei wird das Öl<br />

fast komplett verarbeitet und anschließend „energetisch<br />

genutzt“, also verbrannt. Nur etwa 2%<br />

werden zur Herstellung von Kunststoffen oder<br />

anderen langlebigen Produkten eingesetzt.<br />

Wenn Erdöl knapp wird, wird man sich verstärkt<br />

an das noch reichlich vorhandene Erdgas<br />

halten. Weil Erdgas ein besonders sauberer und<br />

vielseitiger Energieträger ist, wird es überall<br />

vollständig erschlossen werden. Wenn auch<br />

das Erdgas zu Ende geht, muss mit der Kohle<br />

die letzte der preiswerten Kohlenstoffquellen<br />

ausgebeutet werden, denn die Kohlevorräte<br />

sind größer als die von Öl und Gas zusammen.<br />

Doch irgendwann ist mit Sicherheit auch damit<br />

Schluss. Daran kann niemand ernsthaft zweifeln.<br />

Für die Konsequenzen spielt es auch keine<br />

Rolle, ob die Vorräte dann erschöpft sind oder<br />

ob man bereits früher beschließt, aus Umweltschutzgründen<br />

auf eine Förderung zu verzichten.<br />

Das zukünftige Ende der fossilen Energieträger<br />

motiviert die Erforschung und Entwicklung der<br />

Nutzung unerschöpflicher Quellen, doch steht<br />

man dabei immer vor einem technischen und<br />

wirtschaftlichen Spagat.<br />

Einerseits wäre es günstig, sich als erfolgreicher<br />

Vorreiter der Nutzung der Sonnenenergie und<br />

ihrer Abkömmlinge, der Wind- und Wasserkraft,<br />

schrittweise aus dem heiß umkämpften<br />

Abb. 1.1: Wärmepumpen sind geeignet, um<br />

Heizungswärme aus der Luft oder dem Wasser in<br />

unterschiedlichen Schichten zu entnehmen.<br />

Markt der fossilen Energieträger ausklinken zu<br />

können, weil man bereits andere Möglichkeiten<br />

der Energieversorgung zur Verfügung hat. In<br />

diesem Sinne wäre es eine große Chance für<br />

unsere Industrie, wenn sie frühzeitig ökologisch<br />

akzeptable und zugleich auch wirtschaftlich<br />

rentable neue Technologien entwickeln und<br />

demonstrieren könnte.<br />

Andererseits kann eine forcierte Vorreiterrolle<br />

sehr kostspielig und unter Umständen sogar<br />

ruinös werden. Wer sich zu früh und einseitig<br />

festlegt und seine finanziellen Mittel überwiegend<br />

in eine noch unausgereifte Technologie<br />

investiert, kann die nachfolgenden Erfindungen<br />

und Verbesserungen nicht mehr nutzen. Vorsichtige<br />

Investoren fördern vielseitige eigene<br />

Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, um<br />

Know-how und technische Führerschaft nicht<br />

zu verlieren, und verfolgen die weltweiten Erkenntnisse<br />

und Entwicklungen vorurteilsfrei und<br />

sehr aufmerksam. Über massive Investitionen<br />

entscheiden sie erst, wenn sich herauskristallisiert<br />

hat, welche der vielfältigen Technologien<br />

die besten Resultate liefern.<br />

19


1.3 Ein ganz normaler Tag<br />

in Deutschland<br />

Wie sieht die gegenwärtige Stromversorgung in Deutschland an einem Werktag aus? Welche<br />

Leistungen stehen pro Kopf zur Verfügung? Zur Vereinfachung ignorieren wir zuerst die großen<br />

tages- und jahreszeitlichen Schwankungen. Stattdessen nehmen wir die Jahressummen der<br />

Stromproduktion (in Kilowattstunden, kWh) und teilen sie durch die 8760 Stunden eines Jahres.<br />

Dann erhalten wir anschauliche mittlere Leistungswerte für die Stromversorgung.<br />

1.000.000 kW 8.000 kW<br />

Es könnte ein Werktag im Frühling sein, mit nur<br />

schwachem Wind und bedecktem Himmel. Der<br />

deutsche Leistungsbedarf soll 71 GW (Gigawatt)<br />

betragen, ein typischer Wert. Die Gesamtleistung<br />

von 71 GW muss in der Summe von den<br />

Kraftwerken und allen dezentralen Erzeugern<br />

geliefert werden, um den Bedarf von Wirtschaft,<br />

Industrie, allen öffentlichen Einrichtungen,<br />

Schulen und allen Privathaushalten zu decken.<br />

Um die Leistung von 71 GW zu veranschaulichen,<br />

verteilen wir sie auf alle 82 Millionen<br />

Bundesbürger. Pro Person ergeben sich dann<br />

0,9 kW oder 900 Watt. Der private Bedarf ist geringer<br />

und beträgt nur 0,3 kW pro Person – aber<br />

auch die Straßenbeleuchtung, die elektrischen<br />

Bahnen, die Läden und Schulen, die Industriewerke<br />

und Fabriken müssen mit Strom versorgt<br />

werden.<br />

Der deutsche Pro-Kopf-Wert von 0,9 kW<br />

(Gesamt-Leistungsbedarf, inklusive des öffentlichen<br />

und Industriestroms) ist typisch für eine<br />

moderne Industriegesellschaft und beträgt<br />

derzeit das 2,5fache des globalen Durchschnittswertes.<br />

Offensichtlich gibt es in vielen<br />

Ländern noch einen großen Nachholbedarf bei<br />

der Elektrifizierung.<br />

0,9 kW oder 71 GW:<br />

1/3 für Haushalte,<br />

2/3 für Industrie und Allgemeinheit<br />

1.000 Mann unter der Haube!<br />

900 Watt an elektrischer Leistung pro Kopf, ist<br />

das nun viel oder wenig?<br />

900 Watt können in Motoren effizient in Arbeitsleistung<br />

verwandelt werden. Wenn man bedenkt,<br />

dass ein kräftiger Arbeiter eine Leistung<br />

von ca. 100 Watt bieten kann, dann beschäftigt<br />

jeder von uns statistisch betrachtet neun<br />

fleißige Arbeiter, die Tag und Nacht für ihn<br />

schuften. So gut ging es früher nur den Fürsten.<br />

Tagsüber sind sogar noch mehr Arbeiter nötig.<br />

Dafür dürfen nachts einige von ihnen ruhen,<br />

weil dann weniger Leistung gefordert ist. Falls<br />

ein PC nachts durchläuft, muss dafür „extra ein<br />

Mann abgestellt“ werden, denn der PC benötigt<br />

rund 100 Watt.<br />

In der Küche werden oft noch viel größere<br />

Leistungen umgesetzt als bei der „Denkmaschine<br />

PC“. Ein Mikrowellenherd benötigt 1.000<br />

Watt, also 10 Mann – allerdings meistens nur für<br />

wenige Minuten. Der Elektroherd dagegen ist<br />

ein besonders hungriger „Stromfresser“, denn<br />

er verlangt oft mehr als 5.000 Watt (5 kW). Wer<br />

auf einem Herd mit mehreren Platten brät und<br />

kocht, der darf sich gern 50 kräftige Sportler<br />

vorstellen, die auf Fahrrädern mit kleinen Generatoren<br />

sitzen und mit aller Kraft strampeln und<br />

schwitzen, nur um den Bedarf des Herdes zu<br />

decken. Auch bei einer Waschmaschine oder<br />

dem Wäschetrockner muss mächtig gestrampelt<br />

werden.<br />

Nun können 50 Sportler bereits eine Menge<br />

leisten – aber oft reicht selbst das nicht aus.<br />

Besonders viel Leistung wird im Verkehr verlangt.<br />

Eine Motorleistung von 100 kW entspricht<br />

136 PS. Um im Bild zu bleiben: Ein Mittelklassewagen<br />

mit 140 PS hat „140 Pferde vorgespannt“<br />

- oder aber mehr als „1.000 Kraftprotze“ sind<br />

unter seiner Motorhaube am Werk. Erstaunlich.<br />

Bereits bei einem Auto werden die Grenzen<br />

unserer Vorstellungskraft erreicht. Pferde waren<br />

für Jahrhunderte bewährte Arbeitstiere und<br />

Transportmittel. Die meisten wiegen 500 - 700 kg<br />

und bieten bekanntlich eine Leistung von 1 PS.<br />

Das Leistungsgewicht von Motoren ist rund<br />

500fach günstiger. Viele Automotoren von rund<br />

200 kg Gewicht leisten 200 PS, entsprechend<br />

1 kg/PS. Flugzeugturbinen erreichen sogar bis<br />

zu 0,1 kg/PS.<br />

Das Leistungsangebot der Technik ist überwältigend.<br />

Darin liegt ein entscheidender Grund für<br />

viele Annehmlichkeiten, die uns längst selbstverständlich<br />

geworden sind. Schauen wir uns in<br />

der Wohnung um. An einer normalen Steckdose<br />

können bis zu 16 Ampere fließen. Im Haus sind<br />

die meisten Leitungen mit 16 Ampere abgesichert,<br />

weil sie sich bei stärkerer Belastung<br />

überhitzen würden. Die Stromstärke von<br />

16 Ampere bei einer Spannung von 230 Volt<br />

entspricht einer Leistung von 3,7 kW: „Da warten<br />

hinter den Steckdosen in unserem Wohnzimmer<br />

bis zu 37 durchtrainierte Radler, um auf<br />

unseren Befehl hin in die Pedale zu treten…!“<br />

Natürlich warten die 37 Helfer nicht direkt hinter<br />

der Steckdose, sondern im Kraftwerk. Falls es<br />

sich dabei um ein 1 GW-Großkraftwerk handelt,<br />

sind sie dort zusammen mit zehn Millionen fleißigen<br />

Kollegen im Dienst. In diesem Bild werden<br />

die 82 Millionen Menschen in Deutschland von<br />

insgesamt 710 Millionen „elektrischen Dienern“<br />

versorgt.<br />

Strom-Erzeugung<br />

Hinter der Steckdose beginnt eine geheimnisvolle<br />

Welt. Cola sprudelt aus der Dose, sobald<br />

wir sie aufreißen. Ganz ähnlich wartet auch der<br />

Strom „im Netz“ hinter der Steckdose, bis wir<br />

ihn anzapfen – oder etwa nicht?<br />

Nein, es gibt keinen Stromvorrat, der darauf<br />

wartet, abgerufen zu werden! In jeder Sekunde<br />

muss exakt so viel Strom erzeugt werden wie<br />

die Kunden benötigen. Bei der Stromproduktion<br />

ist der Kunde König, denn die Kraftwerke<br />

müssen ihre Leistung ständig seinem Bedarf<br />

anpassen. Als Speicher stehen den Kraftwerken<br />

nur ihre Brennstoffvorräte zur Verfügung.<br />

21


Leistung und<br />

Energie<br />

Leistungsgrößen:<br />

1 W = 1 Watt (Taschenlampe)<br />

100 W kurzzeitige Leistungsabgabe eines<br />

Menschen, typ. Leistungsbedarf eines PC<br />

1 kW = 1.000 W (Kilowatt, Leistungsbedarf einer<br />

kleinen Herdplatte)<br />

1 kW = 1,36 PS<br />

1 MW= 1.000 kW = 1.360 PS (Windkraftanlage,<br />

Schiffsmaschine)<br />

1 GW = 1.000 MW = 1 Million kW (Großkraftwerk)<br />

Energie:<br />

1 Ws = 1 J (Wattsekunde, Joule)<br />

1 kWh = 3.600 kJ (1 Kilowattstunde = 860 kcal<br />

“Kilokalorien”)<br />

1 kWh erwärmt 10 Liter Wasser um 86 °C (= 86 K)<br />

10 kWh Energieinhalt von 1 Liter Diesel oder<br />

100 kg Li-Ionen-Batterie (voll geladen)<br />

Durchschnittlicher Pro-Kopf-Strombedarf in<br />

Deutschland:<br />

0,9 kW x 24 Stunden = 22 kWh Tagesbedarf oder<br />

7.900 kWh pro Jahr<br />

Der Energieinhalt (Heizwert, Verbrennungswärme)<br />

von einem Liter Heizöl, Diesel oder Speiseöl und<br />

1 m³ Erdgas beträgt jeweils ca. 10 kWh. Wenn der<br />

bei einer Verbrennung entstehende Wasserdampf<br />

kondensiert wird, können zusätzlich circa 5% an<br />

Wärme gewonnen werden („Brennwert“).<br />

Täglicher Energiebedarf an Nahrungsmitteln<br />

für einen Menschen von 70 kg:<br />

Bei Büroarbeit: ca. 2.400 kcal/d ~ 10.000 kJ/d ~<br />

2,8 kWh/d (Energiebedarf pro 24 Stunden).<br />

Diese Energie pro Tag (24 h) entspricht einer<br />

mittleren Leistung von 117 Watt.<br />

Bei Schwerarbeit, hartem Training:<br />

3.500 kcal/d ~ 14.700 kJ/d ~ 4 kWh/d<br />

Das entspricht einer über 24 h gemittelten<br />

Leistung von 167 Watt.<br />

Die Großkraftwerke sind derzeit noch die wichtigsten<br />

Produzenten von elektrischer Energie in<br />

Deutschland. Ein Großkraftwerk kann mehr als<br />

ein Gigawatt (1 GW) elektrischer Leistung in<br />

das Höchstspannungsnetz einspeisen.<br />

1 GW entspricht 1.000.000 kW, also 1 Million<br />

Kilowatt. Damit deckt ein Großkraftwerk den<br />

mittleren Bedarf von mehr als einer Million<br />

Bürgern. In Deutschland gibt es über 120 Kraftwerke,<br />

die fossile Energieträger, also Kohle und<br />

Gas nutzen. Darunter sind ca. zwanzig mit einer<br />

Leistung über 1 GW.<br />

Bisher ist es mit dieser Technik auch bestens<br />

gelungen, die Wünsche der Kunden zu befriedigen.<br />

Strom ist für die Endkunden eine<br />

besonders saubere Energieform, ohne Schmutz<br />

und Abgase, doch ist die umweltfreundliche<br />

Produktion von Strom eine sehr komplexe<br />

Aufgabe. Inzwischen wird das gesamte System<br />

umgebaut, weil viele Kunden fordern, dass ihr<br />

Strom möglichst ökologisch produziert werden<br />

soll. Dabei darf die zuverlässige Verfügbarkeit<br />

natürlich nicht in Frage gestellt werden.<br />

1 Esslöffel Kohle pro Minute und<br />

Person<br />

Wer das Lebensmittel Rapsöl als<br />

Biosprit einsetzt, tankt mit einer Tankfüllung<br />

von 56 Litern (560 kWh) so viel<br />

Energie, dass man damit den gesamten<br />

energetischen Tagesbedarf von<br />

200 Menschen decken könnte.<br />

Die beste Steinkohle hat einen Wärme-Energieinhalt<br />

von 8 Kilowattstunden pro Kilogramm<br />

(8 kWh/kg). Ein Kraftwerk mit einem Wirkungsgrad<br />

von 40% kann daraus etwa 3,2 kWh an<br />

elektrischer Energie erzeugen. Eine kleine<br />

Rechnung zeigt: Wenn ein Kraftwerk 1 GW<br />

elektrische Leistung ans Netz abgibt, muss es<br />

in jeder Minute rund 5.000 kg Kohle (fein gemahlen)<br />

verfeuern. Weil solch ein Großkraftwerk<br />

über eine Million Menschen mit Strom versorgen<br />

kann, sind das pro Kopf nur<br />

erstaunlich winzige 5 Gramm Kohle<br />

pro Minute (1 Esslöffel).<br />

Es bereitet Schwierigkeiten, Faktoren<br />

wie „1 Million“ oder „1 Milliarde“<br />

in ihrer Bedeutung zu begreifen. Leider<br />

ist ein Verständnis der Energieversorgung<br />

ohne sie nicht möglich.<br />

Ein eindrucksvolles Bild bieten die<br />

gigantischen Braunkohlebagger<br />

im Rheinischen Revier mit ihren<br />

riesigen Schaufelrädern, bei denen<br />

jede Schaufel größer als eine PKW-<br />

Garage ist. Wer sie in Betrieb sieht<br />

und sich vergegenwärtigt, dass<br />

solch ein Ungetüm notwendig ist,<br />

um ein Kraftwerk zu füttern, kann<br />

sich die Dimensionen der großen Kraftwerke<br />

gut veranschaulichen. Einige Millionen Menschen<br />

verlangen pro Kopf mindestens einen<br />

„Esslöffel Kohle pro Minute“ – und das wird bei<br />

der weniger energiereichen Braunkohle dann<br />

schnell zu „einer Garage voll Kohle“, und zwar<br />

alle paar Sekunden!<br />

Zu den zahlreichen Kohlekraftwerken kamen<br />

in Deutschland für viele Jahrzehnte 17 große<br />

Kernkraftwerke mit elektrischen Leistungen im<br />

Gigawatt-Bereich. Derzeit sind noch neun in<br />

Betrieb.<br />

Das Höchstspannungsnetz,<br />

380 oder 220 kV, 36.000 km<br />

5.000 kW<br />

Das Stromnetz spielt eine Schlüsselrolle, denn<br />

es bringt Erzeuger und Kunden zusammen. Es<br />

ist in eine klare Hierarchie gegliedert. Die oberste<br />

und bestüberwachte Ebene ist das Höchstspannungs-<br />

oder Übertragungsnetz. Es verbindet<br />

die großen Stromerzeuger, die Großkraftwerke<br />

und die großen Wasserkraftwerke sowie<br />

einige Zusammenschlüsse leistungsstarker<br />

Windkraftanlagen. Das Übertragungsnetz wurde<br />

vor allem errichtet, um die deutschen Kraftwerke<br />

zu verknüpfen und um Produktions- und<br />

Bedarfsschwankungen ausgleichen zu können.<br />

Außerdem ermöglichte es durch einige grenzüberschreitende<br />

Verbindungen eine internationale<br />

Zusammenarbeit sowie Unterstützung bei<br />

Kraftwerksausfällen (Verbund-Aushilfe).<br />

Inzwischen ist seine Bedeutung wesentlich<br />

gewachsen, denn es dient auch dem länderübergreifenden<br />

Handel mit elektrischer Energie<br />

innerhalb Europas, so dass man von einem europäischen<br />

Übertragungsnetz sprechen kann.<br />

Das Höchstspannungsnetz besteht fast ausschließlich<br />

aus Freileitungen. Man erkennt es an<br />

den bis zu 90 m hohen, riesigen Masten und den<br />

vier Meter langen Isolatoren, an denen die Leiterseile<br />

hängen. Es wird bei einer Spannung von<br />

380 kV betrieben, ältere Verbindungen auch mit<br />

220 kV. Mit den hohen Spannungen und Stromstärken<br />

von bis zu 2720 Ampere pro Leiterseil-<br />

Viererbündel kann man sehr hohe Leistungen<br />

übertragen. Die maximale Stromstärke ergibt<br />

sich jeweils aus der zulässigen Erwärmung der<br />

23


Abb. 1.2: Netzebenen<br />

Ausland<br />

24<br />

KWK<br />

Leitungen und ist wegen der besseren Kühlung<br />

im Winter etwas höher als im Sommer.<br />

Das deutsche Höchstspannungs-Übertragungsnetz<br />

hat eine Gesamtlänge von 36.000 km<br />

mit zahlreichen Verbindungspunkten, so dass<br />

sich viele „Maschen“ ergeben. Der Strom kann<br />

dann über verschiedene Verbindungen zu den<br />

Abnehmern geleitet werden. Das ermöglicht die<br />

Abschaltung einzelner Trassen für Reparaturen<br />

und Wartungsarbeiten. Außerdem wird die<br />

Zuverlässigkeit und Übertragungssicherheit<br />

entscheidend vergrößert.<br />

„N minus Eins“ – Sicherheit<br />

T<br />

T<br />

M G M G<br />

PV<br />

M<br />

G<br />

Bio<br />

HöS<br />

HS<br />

Bio<br />

MS<br />

NS<br />

M: Motor, G: Generator<br />

T: Turbine für Wasserkraft<br />

„n-1“-Sicherheit ist ein Schlüsselbegriff für<br />

den Betrieb der Stromversorgung. Von den<br />

zahlreichen Systemkomponenten (deren Anzahl<br />

sei n), also von den vielen Kraftwerken, Schaltstationen<br />

und Leitungen muss eine beliebig<br />

wählbare Komponente ohne Probleme für die<br />

Gesamtversorgung ausfallen dürfen. Entsprechend<br />

ist die Struktur des Netzes aufgebaut<br />

und die Verfügbarkeit an Kraftwerken gesichert.<br />

Der Ausfall einer Leitung oder aber eines Kraftwerks<br />

kann gegenwärtig ohne Einschränkungen<br />

ausgeglichen werden.<br />

Warum ist das wichtig? Wenn durch den Ausfall<br />

eines Kraftwerks oder einer einzigen Leitung<br />

andere Leitungen überlastet würden, so käme<br />

es in einem vermaschten Netz zu sich ausbreitenden<br />

automatischen Abschaltungen.<br />

Dieser „Domino-Effekt“ kann zu einem flächendeckenden<br />

„Blackout“ führen. Das „n-1“-<br />

Konzept hat dafür gesorgt, dass großräumige<br />

schwere Störungen in Deutschland bisher sehr<br />

selten waren.<br />

Wenn man bedenkt, dass man von Nord- nach<br />

Süddeutschland maximal 1.000 km überbrücken<br />

muss, dann erscheint die Gesamtlänge von<br />

36.000 km als ausreichend, um regionale<br />

Leistungsdefizite auszugleichen. Wenn man<br />

sich jedoch klar macht, dass jede Verbindung<br />

nur wenige GW an Leistung übertragen kann,<br />

dann erkennt man die Notwendigkeit, die<br />

großen Windparks im Norden mit den Verbrauchszentren<br />

im Süden durch neue Trassen zu<br />

verknüpfen.<br />

Die gestaffelten Verteilnetze<br />

Wie erwähnt, gibt es nur ein einziges, einheitliches<br />

Höchstspannungsnetz für den Ferntransport<br />

von elektrischer Energie in Europa. In den<br />

tiefer liegenden Spannungsebenen ist diese<br />

Einheitlichkeit aufgehoben, denn dort existieren<br />

zahlreiche unterschiedliche regionale Verteilnetze.<br />

Sie werden von vielen Gesellschaften<br />

und Stadtwerken betrieben und sind in drei<br />

Spannungsebenen gegliedert. Der große Vorteil<br />

des Wechselstroms, seine Transformierbarkeit<br />

zwischen den verschiedenen Spannungen, wird<br />

dabei voll ausgenutzt.<br />

Das Hochspannungsnetz,<br />

110 kV, 76.000 km<br />

Die zahlreichen überregionalen Verteilnetze mit<br />

einer Spannung von 110 kV, die „Hochspannungsnetze“,<br />

umfassen insgesamt 76.000 km<br />

Leitungslänge, die ebenfalls überwiegend als<br />

Freileitungen ausgeführt sind. Auf der „Hochspannungsebene“<br />

werden Großabnehmer wie<br />

Industrieanlagen bedient und kleinere Kraftwerke<br />

angeschlossen. Vor allem versorgen die<br />

Hochspannungsnetze die vielen Umspannwerke<br />

überall im Lande.<br />

Das Mittelspannungsnetz,<br />

10 kV oder 20 kV, 507.000 km<br />

Diese Umspannstationen versorgen ihrerseits<br />

die Mittelspannungsnetze. Jedes Mittelspannungsnetz<br />

ist bereits ein recht feingliedriges<br />

Netz mit einer Ausdehnung von insgesamt<br />

507.000 km. Hier werden Großkunden wie<br />

Industriebetriebe, Krankenhäuser oder Flugplätze<br />

angeschlossen. Die Leitungen sind oft<br />

als Erdkabel verlegt und nutzen meistens eine<br />

Spannung von 10 oder 20 kV. Die zahllosen Trafostationen<br />

(Ortsnetzstationen) in allen Stadtteilen<br />

werden von den Mittelspannungsnetzen<br />

versorgt.<br />

Das Niederspannungsnetz,<br />

230/400 Volt, über 1 Million km Kabel<br />

Meistens führen Erdkabel die vertraute Netzspannung<br />

von 230 V in Form von Dreileiter-<br />

Drehstrom (400 V) von den Transformatoren<br />

der Ortsnetzstationen bis in die Häuser. Diese<br />

„letzte Meile“ folgt den Straßenzügen und ist<br />

relativ kurz, aber besonders weit verzweigt.<br />

Das bedingt eine gewaltige Verkabelungslänge<br />

von insgesamt 1.160.000 km. Auf jeden der ca.<br />

40 Millionen Haushalte kommen damit ca. 30 m<br />

Niederspannungs-Anschlussleitungen.<br />

Die feingliedrige Verteilung benötigt zahlreiche<br />

Transformatoren. Gegenwärtig verbinden über<br />

550.000 „Trafos“ die unterschiedlichen Spannungsebenen.<br />

Autobahnen und Sackgassen<br />

Man kann diese Hierarchie des Stromnetzes mit<br />

dem Straßennetz vergleichen:<br />

Das Übertragungsnetz entspricht den Autobahnen.<br />

Es verbindet die Hauptproduzenten<br />

und das Ausland, die „Fahrtrichtung“ ist frei<br />

wählbar. Dazu kommen Fernstraßen, Durchgangsstraßen<br />

und am Schluss entspricht das<br />

Niederspannungsnetz den zahllosen Straßen<br />

in den Wohngebieten, die bisweilen auch als<br />

Sackgassen ausgeführt sind.<br />

Auf den Stromstraßen herrschte früher eine<br />

Verkehrsregelung mit klarer Vorgabe für die<br />

Fahrtrichtung (d.h. für den Energietransport,<br />

„Lastfluss“ genannt): Wer die Autobahnen mit<br />

ihren zwei Fahrtrichtungen verließ, konnte seine<br />

Ware über Fern- und Durchgangsstraßen bis<br />

zu jedem Haus in den Vororten transportieren<br />

- aber nicht umgekehrt. Der Energiestrom<br />

verlief früher nur aus dem Übertragungsnetz<br />

heraus „auf Einbahnstraßen“ bis zum Haus des<br />

Kunden. Der gegenwärtige Umbau der Ener-<br />

25


15 kW 1.000 kW 100 kW<br />

26<br />

gieversorgung mit dem Ziel, auch viele kleine<br />

Stromproduzenten ans Netz anzuschließen, hat<br />

die „Einbahnstraßenregelung“ völlig aufgehoben.<br />

Der Lastfluss verändert häufig seine<br />

Richtung. Inzwischen fließt die Energie auf allen<br />

Netzebenen in beide Richtungen.<br />

Windparks<br />

Im Jahr 2012 waren in Deutschland über 23.000<br />

Windenergieanlagen (WEA) mit einer erstaunlichen<br />

maximalen Gesamtleistung von über<br />

30 GWpeak installiert. Sie soll durch den Aufbau<br />

von Off-Shore-Windparks in der Nordsee noch<br />

wesentlich vergrößert werden. Weil der Wind<br />

nur ungleichmäßig weht, steht die Gesamtleistung<br />

von 30 GW nur selten zur Verfügung.<br />

Derzeit rechnet man mit etwa 20% als zeitlichem<br />

Mittelwert, so dass die Windkraft in einer<br />

statistischen Betrachtung mit einer Einspeisung<br />

von maximal 6 GW erscheinen kann.<br />

Die zahlreichen WEA bilden ein weiträumiges<br />

Team. Falls der Wind überall kräftig pustet, können<br />

bis zu 30 GW eingespeist werden, aber bei<br />

ruhiger Wetterlage und Flaute sind viele WEA<br />

gemeinsam betroffen.<br />

Große Windparks bedingen so hohe Anschlussleistungen<br />

wie ein Kraftwerk und werden an das<br />

Hochspannungsnetz oder sogar direkt an das<br />

Übertragungsnetz angeschlossen.<br />

Sonnenstrom<br />

Die meisten Photovoltaik-Anlagen sind relativ<br />

kleine Dachanlagen, die nur einige kW an elektrischer<br />

Leistung abgeben können. Die Photovoltaik<br />

(PV) hat in Deutschland einen unglaublichen<br />

Boom erlebt. In den Jahren 2010 bis 2012<br />

wurden jeweils über 7,5 GW an neuen Anlagen<br />

hinzugebaut. Deshalb können nun bei landesweit<br />

schönem Wetter über 33 GW an Solarstrom<br />

eingespeist werden. In der maximal möglichen<br />

Leistung entspricht das 33 Großkraftwerken.<br />

In der Summe bedeckten die Paneelen der<br />

deutschen PV-Anlagen im Januar 2013 bereits<br />

die Fläche einer Großstadt, nämlich über 200 km²,<br />

also beispielsweise 10 km x 20 km.<br />

Sie sind überwiegend weit verstreut und deshalb<br />

meistens in das Niederspannungsnetz<br />

eingebunden. In den Verteilungsnetzen ergibt<br />

sich inzwischen tagsüber oft die oben erwähnte<br />

Lastumkehr, denn der eingespeiste PV-Strom<br />

kann an sonnigen Tagen nicht in der Umgebung<br />

der Produzenten abgenommen werden. Stattdessen<br />

wird er aus dem Niederspannungsnetz<br />

in das Mittelspannungsnetz oder sogar ins<br />

Hochspannungsnetz zurückgespeist. Eine<br />

solche Lastumkehr bewirkt keine prinzipiellen<br />

Probleme, sofern die Technik ausgebaut wird.<br />

Eine wesentlich größere Herausforderung<br />

stellen die starken und bisweilen sehr schnellen<br />

Schwankungen der Produktion dar. Auch die<br />

weit verteilten PV-Anlagen bilden ein gemeinsames<br />

Team. Bei Dunkelheit fällt der PV-Strom<br />

aus, bei niedrigem Sonnenstand im Winter oder<br />

bei starker Bewölkung ist er nur schwach. Deswegen<br />

steht der PV-Strom noch viel ungleichmäßiger<br />

als die Windenergie zur Verfügung.<br />

Eine nach Süden ausgerichtete Dachanlage von<br />

100 m² Fläche kann bei voller Einstrahlung 10<br />

bis 15 kW elektrische Leistung abgeben. Das<br />

ist die so genannte Peak-Leistung. Die über ein<br />

Jahr aufsummierte Gesamtenergie entspricht<br />

aber nur einer fiktiven Dauerleistung von 1 bis<br />

1,5 kW bei ununterbrochener, gleichmäßiger<br />

Stromabgabe (etwa 10% des Maximalwerts).<br />

Dabei ist die Ausbeute in Süddeutschland<br />

günstiger als im Norden und im sonnigen<br />

Mittelmeerraum kann man sogar mit etwa 20%<br />

rechnen.<br />

Die Windenergie wird ausführlich im Kapitel 4.2<br />

dargestellt, die Photovoltaik in Kapitel 4.3.<br />

Fehlende Speicherung<br />

Eine Zwischenspeicherung von elektrischer<br />

Energie im Stromnetz ist nicht möglich. Nur in<br />

einem sehr geringen Umfang ergibt sich ein<br />

selbststabilisierender Effekt: Steigt der Bedarf<br />

plötzlich an, sinkt die Netzspannung und in der<br />

Folge geht auch die Drehzahl der Generatoren<br />

in den Kraftwerken etwas zurück, weil sie sich<br />

„mehr anstrengen müssen“. Entsprechend sinkt<br />

die Netzfrequenz etwas unter 50 Hertz ab. Beide<br />

Effekte führen dazu, dass die Verbraucher<br />

weniger Leistung entnehmen und ihre Motoren<br />

geringfügig langsamer laufen. Weil dieser Effekt<br />

unerwünscht ist, haben die Stromproduzenten<br />

und Netzbetreiber ihre Anlagen so ausgelegt,<br />

dass sie Laständerungen möglichst schnell<br />

ausregeln können. Mehr dazu erfahren wir<br />

von den Mitarbeitern der Überwachungs- und<br />

Schaltzentralen (Kap.4.4 und 4.5).<br />

27<br />

0,1 kW


Abb. 1.3: Aufteilung der Stromproduktion 2012 (vereinfacht)<br />

Der Zauber<br />

der Netze<br />

Was sind ein silbernes Handy ohne Empfang,<br />

ein goldener Wasserhahn ohne Rohranschluss,<br />

ein grünes WC ohne Anschluss an das Abwassernetz<br />

und ein schneeweißer ICE ohne<br />

Oberleitung? Nutzlos!<br />

Wir alle sind von zahlreichen Netzen umgeben,<br />

und in ihrer Vielfalt eröffnen sie erstaunliche<br />

Möglichkeiten.<br />

den zahlreichen dezentralen Erzeugern über das<br />

Niederspannungs- und Mittelspannungsnetz,<br />

sogar bis in das Hoch- und Höchstspannungsnetz.<br />

Die Netze sind damit zu einem ausgleichenden<br />

Vermittler in einem weit ausgedehnten räumlichen<br />

und komplizierten zeitlichen Puzzle von<br />

Anbietern und Abnehmern geworden.<br />

Kernkraftwerke<br />

16,0 %<br />

Steinkohlekraftwerke<br />

19,1 %<br />

Erdgaskraftwerke<br />

11,3 %<br />

Braunkohlekraftwerke<br />

25,6 %<br />

Windkraftanlagen<br />

7,3 %<br />

Biomasse und Müll<br />

6,6 %<br />

Heizöl und sonstige<br />

6,2 %<br />

Photovoltaik<br />

4,6 %<br />

Wasserkraftwerke<br />

3,3 %<br />

Jahresproduktion ca. 620 TWh<br />

28<br />

Sie ermöglichen Informationsfluss, Energieströme,<br />

Warentransport, persönliche Verbindungen und<br />

soziale Kontakte. Denken wir an Telefon und<br />

Internet, aber auch an das Straßennetz und die<br />

anderen Verkehrsnetze für Schiffe, Bahnen und<br />

Flugzeuge.<br />

Die technischen Versorgungsnetze spielen in<br />

unserem Alltag eine große Rolle: Sie liefern<br />

uns Wasser, Erdgas und Strom, aber auch die<br />

neuesten Nachrichten über das Sendernetz<br />

von Radio und Fernsehen. Solche „Verteilnetze“<br />

sind für eine Transportrichtung erstellt: vom<br />

Lieferanten zum Kunden, vom Sender zum<br />

Radio oder zum Fernseher.<br />

Übrigens ist jeder von uns auch persönlich von<br />

Netzen durchzogen. Das Netz der Blutgefäße ist<br />

ähnlich hierarchisch aufgebaut wie ein technisches<br />

Versorgungsnetz. Die Länge der großen<br />

Arterien und Venen ist überschaubar und<br />

beträgt insgesamt nur einige Meter. Dagegen ist<br />

die Gesamtlänge aller Blutgefäße total überwältigend.<br />

Weil die feinen Kapillaren nur noch<br />

Durchmesser von weniger als 10 µm besitzen,<br />

müssen sie unvorstellbar zahlreich sein. Ihre<br />

Gesamtlänge schätzt man mit mehr als<br />

10.000 Kilometern(!) ab.<br />

Nach diesem ersten Überblick über die Struktur<br />

der Stromversorgung und der Energieströme<br />

(„Lastflüsse“) möchten wir die „durchschnittliche<br />

Stromproduktion“ möglichst einfach statistisch<br />

zusammenfassen. Dabei gehen wir von<br />

der Annahme aus, dass keine Kraftwerksausfälle<br />

und kein Stromhandel mit den Nachbarländern<br />

zu berücksichtigen sind. Die Aufstellung<br />

beruht auf den Jahresmittelwerten von 2012.<br />

Dann teilt sich die Gesamtproduktion statistisch<br />

so auf, wie die Grafik oben zeigt.<br />

Quelle: AG Energiebilanzen<br />

Um den stets notwendigen Ausgleich zwischen<br />

Produktion und Bedarf zu erzielen, müssen die<br />

regelbaren Kraftwerke eine enorme Dynamik<br />

bewältigen.<br />

Wind, Biomasse, Photovoltaik und Wasserkraft<br />

gelten als umweltschonende und unerschöpfliche<br />

„Erneuerbare Energien“ und machen<br />

derzeit ca. 22% der Stromproduktion aus. Es ist<br />

eine der politischen Zielvorgaben, ihren Anteil<br />

bis zum Jahr 2050 auf 80% zu steigern.<br />

29<br />

Nur das Abwassernetz ist als ein „Sammelnetz“<br />

für die Richtung von den Einzelkunden zu<br />

einem gemeinsamen Klärwerk konstruiert.<br />

Telefon, Internet und Wegenetze waren von<br />

Anfang an offen für beide Richtungen.<br />

Unser Stromversorgungssystem befindet sich<br />

derzeit in einem erstaunlichen Wandel. Geplant<br />

und gebaut für einen gerichteten Lastfluss von<br />

den Kraftwerken zum Verbraucher, müssen die<br />

Netze zunehmend ungerichtete Lastflüsse aufnehmen.<br />

Oft fließt die Energie „rückwärts“ von<br />

Im menschlichen Gehirn sind über<br />

100 Milliarden Zellen ohne eine erkennbare<br />

Hierarchie miteinander vernetzt.<br />

Man darf diese Langzeit-Mittelwerte der Stromproduktion<br />

keinesfalls als konstante oder<br />

stabile Betriebsverhältnisse interpretieren. Das<br />

wäre völlig falsch. Im Laufe eines jeden Tages<br />

variieren sowohl der momentane Bedarf als<br />

auch die jeweiligen Einspeisungen sehr stark.<br />

So schwankt die Produktion der Photovoltaik<br />

unregelmäßig zwischen Null und einem Maximalwert,<br />

der im Sommer auf bis zu 33 GW ansteigen<br />

kann. Das führt zu einem „statistischen<br />

Jahresmittel“ von nur 3,3 GW. Entsprechende<br />

Bedingungen ergeben sich auch für den Wind.<br />

Derzeit wird der Bedarf durch installierte Anlagen<br />

mit diesen Maximalleistungen gedeckt<br />

(gerundete Summen):<br />

ca. 125 Gas- und Kohlekraftwerke: 67 GW,<br />

Photovoltaik: 33 GWpeak,<br />

Wind: 30 GWpeak,<br />

9 Kernkraftwerke: 12,6 GW,<br />

ca. 30 größere Wasserkraftwerke: 7,0 GW,<br />

ca. 50 Biomasse-Kraftwerke: 0,4 GW,<br />

über 110 kleinere Wasserkraftwerke und eine<br />

Vielzahl von Müllverbrennungsanlagen und<br />

kleiner dezentraler Erzeuger.

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