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Inklusion – Gemeinsamer Unterricht für alle. - NDS-Verlag

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sonderpädagogische Förderung notwendig<br />

zur Unterstützung der Entwicklungsprozesse<br />

in den Schulen. Die notwendigen strukturellen<br />

Veränderungen werden Jahre brauchen.<br />

Sie sind nicht nur schulpolitische, sondern zu<br />

<strong>alle</strong>rerst einmal gesellschaftliche Prozesse.<br />

nds: Kolleginnen und Kollegen aus Förderschulen<br />

fühlen sich durch solche Forderungen<br />

in ihrer bisherigen Arbeit diskreditiert.<br />

Über all diesem steht jedoch die Besorgnis,<br />

wie in einem anders gestalteten Schulsystem<br />

den Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen<br />

mit sonderpädagogischem Förderbedarf<br />

entsprochen werden kann.<br />

Marielies Froelich: Diese Reaktionen sind<br />

verständlich. Durch eine undifferenzierte Berichterstattung<br />

über die Arbeit in Förderschulen<br />

konnte ein solches Bild entstehen. Ich<br />

muss hier noch einmal ganz deutlich sagen,<br />

dass die Kolleginnen und Kollegen vor Ort in<br />

dem bestehenden System sehr engagiert und<br />

auch erfolgreich ihre Arbeit leisten. In jahrelanger<br />

Arbeit haben sie Entwicklungen angestoßen<br />

und sonderpädagogische Förderung<br />

weiter entwickelt. Es hat sich ein qualitativ<br />

hochwertiges aber auch sehr differenziertes<br />

Förderschulsystem entwickelt. Nur vor diesem<br />

Hintergrund ist es uns heute möglich über eine<br />

Integration oder die <strong>Inklusion</strong> der sonderpädagogischen<br />

Förderung zu sprechen.<br />

Wir müssen lernen zwischen dem pädagogischen<br />

Engagement sowie der fachlichen Kompetenz<br />

der Kolleginnen und Kollegen und den<br />

gesellschaftlichen Effekten eines separierenden<br />

Schulsystems zu trennen. Wir müssen ehrlich<br />

und couragiert darüber nachdenken, wie<br />

unser aussonderndes Schulwesen unsere professionellen<br />

Einstellungen, Haltungen und<br />

Fähigkeiten formt. <strong>Inklusion</strong>sbe<strong>für</strong>worter maßen<br />

sich nicht an, die Qualität der Arbeit der Kolleginnen<br />

und Kollegen zu beurteilen. Sie legen<br />

<strong>alle</strong>rdings den Finger in eine Wunde, die nicht<br />

<strong>alle</strong>in behinderte Menschen, sondern auch weitere<br />

benachteiligte Gruppen in unserer Gesellschaft<br />

trifft: Unser gegliedertes Schulsystem.<br />

nds: Eltern sagen, dass durch die Separierung<br />

in Förderschulen wesentliche Impulse<br />

<strong>für</strong> die Entwicklung ihrer Kinder verloren<br />

gehen, z.B. alltägliche Lebenserfahrungen,<br />

Anbindung an ihr soziales Umfeld.<br />

Geht mit dem Schritt zur <strong>Inklusion</strong> automatisch<br />

die Verbesserung der sonderpädagogischen<br />

Förderung einher?<br />

Marielies Froelich: Wichtig ist, die Betroffenen<br />

ernst zu nehmen. Eltern wünschen <strong>für</strong> sich<br />

und ihre Kinder gesellschaftlich akzeptiert zu<br />

sein und die Teilhabe an der schulischen Ausbildung<br />

ohne Separierung. Das zu erreichen ist<br />

ihr Interesse. Unsere Aufgabe als Fachleute <strong>für</strong><br />

Pädagogik ist es, sie darin zu unterstützen und<br />

<strong>für</strong> eine fachlich qualifizierte Förderung einzutreten.<br />

Separierung verhindert Teilhabe.<br />

Professor Wocken hat deutlich gemacht, dass<br />

die <strong>Inklusion</strong> eine neue höherwertige Qualitätsstufe<br />

in der sonderpädagogischen Förderung<br />

ist. Sonderpädagogen haben gemeinsam mit<br />

Eltern schon immer <strong>für</strong> eine Verbesserung der<br />

Förderung Behinderter gekämpft.<br />

nds: <strong>Inklusion</strong> <strong>–</strong> gesellschaftlich längst überfällig<br />

<strong>–</strong> kann als Sparmodell auf Kosten der behinderten<br />

Kinder und Jugendlichen missbraucht<br />

werden. Wie ist das zu verhindern?<br />

Gerd Weidemann: Die Weiterentwicklung<br />

zur <strong>Inklusion</strong> ist ein Menschenrecht. Die bildungspolitische<br />

Umsetzung erfordert Investitionen<br />

des Landes. Entscheidend da<strong>für</strong> ist <strong>alle</strong>in<br />

der politische Wille der Regierungsparteien.<br />

Auch in Zeiten der Wirtschaftskrise dürfen<br />

wir weder eine Billigvariante der Integration,<br />

noch eine <strong>Inklusion</strong> zum Nulltarif zulassen.<br />

nds: Wie können Beschäftigte in diese Veränderungsprozesse<br />

einbezogen und Entwicklungen<br />

positiv beeinflusst werden? Welche<br />

Aufgabe hat hierbei die Gewerkschaft?<br />

Gerd Weidemann: <strong>Inklusion</strong> ist vor <strong>alle</strong>m ein<br />

Auftrag an die Allgemeinen Schulen und ein gesamtbildungspolitisches<br />

Thema. Perspektivisch<br />

gesehen werden sich nicht nur das Arbeitsfeld<br />

und der Arbeitsplatz von Sonderpädagoginnen<br />

und -pädagogen verändern, sondern das Arbeitsfeld<br />

<strong>alle</strong>r Lehrerinnen und Lehrer.<br />

Eine Beteiligung der Lehrkräfte an den Entwicklungsprozessen<br />

ist unabdingbar notwendig.<br />

Sie müssen <strong>für</strong> die Neuorganisation gewonnen<br />

werden. Sie <strong>alle</strong>in haben die fachlichen<br />

Kompetenzen und sind der Garant da<strong>für</strong>,<br />

dass die Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen<br />

die ihnen zustehende Unterstützung,<br />

sächliche Hilfsmittel und eine qualitativ hochwertige<br />

Förderung erhalten. Wir müssen in diesen<br />

Prozess auch das professionelle Selbstverständnis<br />

der beteiligten Lehrergruppen bezogen<br />

auf <strong>Inklusion</strong> herausfinden und <strong>für</strong> die Förderung<br />

in ‘einer Schule <strong>für</strong> <strong>alle</strong>’ nutzen.<br />

Die Lehrkräfte müssen die notwendige Vorbereitung,<br />

Fort- und Weiterbildung erhalten.<br />

<strong>Inklusion</strong> muss zum Bestandteil der Ausbil-<br />

nds 8-2009<br />

Marielies Froelich<br />

Mitglied im Arbeitskreis<br />

Integration der GEW NRW<br />

Gerd Weidemann<br />

15<br />

„Integration bedeutet, dass sich die Schülerinnen<br />

und Schüler an die Schule anpassen müssen,<br />

während <strong>Inklusion</strong> die Anpassung der<br />

Schule an die Bedürfnisse der Schülerinnen<br />

und Schüler meint. Integration bedeutet, die<br />

physische Anwesenheit der Schülerinnen und<br />

Schüler mit Behinderungen in der Regelschule,<br />

aber nicht notwendigerweise ihre Beteiligung<br />

an <strong>alle</strong>n Aktivitäten, an denen die übrigen<br />

Schülerinnen und Schüler teilnehmen. <strong>Inklusion</strong><br />

bedeutet ein Lernen, in dem die Menschen<br />

sich in einem gemeinsamen Bildungsprozess<br />

befinden.” Prof. Verñor Muñoz<br />

UN-Sonderberichterstatter <strong>für</strong> das Recht auf<br />

Bildung am 7. Juni 2009 in Oldenburg<br />

dung <strong>alle</strong>r Lehrerinnen und Lehrer werden.<br />

Schulentwicklung gehört in die Hand der Beschäftigten.<br />

Sie braucht ausreichend Zeit, auch<br />

Arbeitszeit. Bei der Entwicklung des Transformationskonzeptes<br />

werden die Gewerkschaft<br />

und der Personalrat beteiligt. Sie vertreten die<br />

Interessen der Beschäftigten. Die Lehrkräfte<br />

brauchen gute und geregelte Arbeitsbedingungen,<br />

wenn die Veränderungen gelingen sollen.<br />

nds: Nicht nur die Beschäftigten an Förderschulen,<br />

sondern an <strong>alle</strong>n Schulformen <strong>–</strong> und<br />

in ganz besonderer Weise unsere Gewerkschaft<br />

werden sich mit den neuen Gegebenheiten<br />

auseinandersetzen müssen. Ministerpräsident<br />

Rüttgers hat mit der Entscheidung,<br />

die Kompetenzzentren <strong>für</strong> sonderpädagogische<br />

Förderung kurzfristig auf 50<br />

auszuweiten, eine bildungspolitische Richtungswahl<br />

getroffen. Wie ist das zu bewerten?<br />

Marielies Froelich: Vor dem Hintergrund der<br />

UN-Konvention ist bei den Kompetenzzentren<br />

<strong>für</strong> sonderpädagogische Förderung kritisch zu<br />

überprüfen, ob die eingeleiteten Prozesse in der<br />

Zielsetzung und Struktur so angelegt sind, dass<br />

sie zu Fachzentren ohne Schüler werden können.<br />

Mitglied im Leitungsteam<br />

des Fachgruppenausschusses<br />

sonderpädagogische Berufe<br />

und des AK Integration<br />

GEW NRW

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