HOTELMARKETING FIBEL No.3
Das Jahrbuch der HOTELMARKETING GRUPPE (2014-2015).
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fachbeiträge<br />
fachbeiträge<br />
Zero waste<br />
Es gibt unzählige Labels und Zertifikate,<br />
welche Reisen in jeder Form<br />
als nachhaltig auszeichnen. Etliche Anbieter<br />
ermöglichen heute nachhaltigen Tourismus<br />
und setzen ihr grünes Engagement<br />
werbewirksam ein. Man könnte sagen, der<br />
Nachhaltigkeitsboom hat medial seinen<br />
Zenit im Tourismus erreicht.<br />
Doch wenn man auf Seiten der Kunden<br />
blickt, sind Nachfrage wie Bekanntheitsgrad<br />
eher verhalten. Nur sechs Prozent<br />
der Deutschen haben laut einer Umfrage<br />
von NaturEnergie-Plus bislang eine nachhaltige<br />
Reise gebucht; nicht einmal jeder<br />
Zweite kennt das Prinzip überhaupt. Andererseits<br />
wünschen sich gleichzeitig 40<br />
Prozent der Deutschen einen ökologisch<br />
einwandfreien Urlaub, 46 Prozent möchten<br />
eine sozialverträgliche Reise unternehmen!<br />
Und hier liegt der Schlüssel: Nachhaltigkeit<br />
als Begriff muss neu gedacht werden.<br />
Nachhaltigkeit muss einen Nutzwert für<br />
das „Ich“ bieten, weniger aus Ego-, denn<br />
aus Erlebnisperspektive.<br />
So sind Touristen zukünftig nicht in erster<br />
Linie an CO2-Zertifikaten oder dem grünen<br />
Fußabdruck ihrer Unterkunft interessiert.<br />
Was die Reisenden unter dem Phänomen<br />
derzeit verstehen, hat die UNWTO, die<br />
Organisation der Vereinten Nationen,<br />
die sich mit nachhaltigem Tourismus beschäftigt,<br />
ermittelt. Nachhaltigkeit heißt<br />
für Touristen: regional konsumieren, Kultur<br />
respektieren, Energie sparen, Erbe schützen,<br />
öffentliche Verkehrsmittel nutzen.<br />
Reisende sind in diesem Zusammenhang<br />
auch daran interessiert, neue Lösungen<br />
und Konzepte in diesem Bereich zu erleben.<br />
Umso innovativer, umso besser. Wenn<br />
Komfort und Ästhetik dabei nicht vernachlässigt<br />
werden, dann lässt sich auch<br />
zuhause zum Thema Nachhaltigkeit begeistert<br />
erzählen. ZeroWaste-Konzepte,<br />
die Idee, Müll gar nicht erst entstehen<br />
zu lassen, bieten hierfür spannendes Potenzial.<br />
ZeroWaste stellt viele verschiedene<br />
Branchen derzeit vor große Herausforderungen,<br />
erfordert Umdenken und<br />
Neudenken und bietet dabei jede Menge<br />
Inspiration für innovative Konzepte.<br />
Die Vorreiter kommen aus der Lebensmittelversorgung.<br />
In den USA ist es bereits<br />
durchaus üblich, dass in sogenannten<br />
Bulk Shops, von Mehl bis Reis, Milch bis<br />
Wein und Öl bis Reinigungsmittel, alles<br />
ohne Verpackung zum Selbstabfüllen angeboten<br />
wird. Hierzulande sind solche<br />
Geschäfte, die an Tante-Emma-Zeiten erinnern,<br />
ausgestorben – erleben jetzt aber<br />
im Zuge der ZeroWaste-Idee eine fulminante<br />
Renaissance. „Unpackaged“ (www.<br />
beunpackaged.com) in London war Rolemodel.<br />
Es folgten in Kiel der Erfolgsladen<br />
„Unverpackt“ (www.unverpackt-kiel.de),<br />
in Wien „Lunzers Maß-Greißlerei“ (www.<br />
mass-greisslerei.at) und das über Crowdfunding<br />
finanzierte Projekt „Original Unverpackt“<br />
(www.original-unverpackt.de)<br />
in Berlin, das seit September 2014 geöffnet<br />
hat. Wer selbst keine Gläser oder<br />
Dosen mitbringt, erhält vor Ort die passenden<br />
Behältnisse – natürlich plastikfrei.<br />
„Müll ist dasVersagen<br />
der Fantasie.“<br />
Douglas McMaster<br />
ZeroWaste ist jedoch nicht nur auf Lebensmittel<br />
beschränkt, sondern bietet in<br />
jedem Bereich spannende Ideensprungbretter:<br />
von den Reinigungsmitteln bis<br />
zu den Badezimmerprodukten. Zeichen<br />
setzen, neue Standards setzen. Gerade<br />
in der „temporären Heimat“ eines Hotels<br />
lassen sich Zukunftsvisionen und -hoffnungen<br />
verwirklichen, testen und erleben.<br />
Der ziemlich überstrapazierte Begriff der<br />
Nachhaltigkeit ist somit nach wie vor zentral,<br />
gerade für die Tourismusindustrie. Er<br />
wird allerdings stark transformiert. Nachhaltigkeit<br />
lebt weniger vom Anspruch,<br />
perfekt zu sein, sondern das Work-in-<br />
Progress ist das Spannende: keine Perfektion,<br />
aber auch keine Halbherzigkeit.<br />
best practice<br />
– Restaurant Silo<br />
Douglas McMaster, ein Koch mit 12 Jahren<br />
Erfahrung in internationalen Restaurants,<br />
eröffnete in Großbritannien ein ZeroWaste-<br />
Restaurant in einer monochromen Lagerhalle<br />
in Brighton. Es bietet Platz für 50<br />
Personen und funktioniert nach einem<br />
„vorindustriellen Lebensmittelsystem”,<br />
wie McMaster es beschreibt. Das Restaurant<br />
wird direkt mit den Erzeugern der<br />
streng saisonalen Produkte handeln und<br />
somit komplett auf einen Zwischenhändler<br />
verzichten. Silo wird eigenen<br />
Joghurt herstellen, Essig fermentieren,<br />
Mehl mahlen, Pilze anbauen, Schokolade<br />
von der Bohne zur Tafel produzieren, also<br />
im Prinzip verkehrt rum arbeiten. Das bedeutet:<br />
keine Plastikverpackungen, keine<br />
Essensreste in stinkenden Mülleimern.<br />
Ein 28.000 Euro teures Kompostiergerät,<br />
das erste seiner Art in Großbritannien,<br />
wird dafür sorgen.<br />
Whole World Water<br />
Die Kampagne Whole World Water vereint<br />
120 Luxushotels, die statt abgefülltem Mineralwasser<br />
nur noch gefiltertes lokales<br />
Wasser servieren. Das spart CO2 und in<br />
vielen Ländern auch Plastikmüll. Zwar<br />
streichen die teilnehmenden Häuser der<br />
Sovena Group, Ritz Carlton oder Virgin 90<br />
Prozent der Einnahmen an dem Wasser<br />
ein, doch immerhin 10 Prozent gehen an<br />
Projekte, die weltweit Zugang zu sauberem<br />
Trinkwasser ermöglichen. Die Initiatorin<br />
Karena Albers sieht einen dreifachen<br />
Gewinn: Mensch, Erde und Umsatz.<br />
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