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VIER SCHMUCKSTÜCKE VON ELISABETH ... - Kunstlexikon Saar

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<strong>VIER</strong> <strong>SCHMUCKSTÜCKE</strong> <strong>VON</strong> <strong>ELISABETH</strong> TRESKOW<br />

von Rüdiger Joppien<br />

Die Erforschung der Schmuckgeschichte des 20. Jahrhunderts weist trotz zahlreicher Publikationen<br />

gerade der letzten Jahre noch immer große Lücken auf. Einer der dafür verantwortlichen Gründe ist<br />

sicherlich, daß nur die wenigsten Stücke in Museen gelangt sind; die große Mehrheit befindet sich<br />

noch immer, häufig unerkannt, in Privatbesitz.<br />

Letzteres gilt auch für den Schmuck von Elisabeth Treskow (1898-1992). Lediglich das Kölner<br />

Museum für Angewandte Kunst und das Schmuckmuseum Pforzheim können einen nennenswerten<br />

Bestand ihrer Arbeiten aufweisen. Die Retrospektive der Künstlerin, die 1990 im Kölner Museum<br />

und im Deutschen Goldschmiedehaus Hanau abgehalten wurde (1), konnte zwar viele Stücke in<br />

Privatbesitz ermitteln, doch sind die meisten von ihnen wieder von der Bildfläche verschwunden.<br />

Gelegentlich kommt das Glück zu Hilfe, und es tauchen neue völlig unbekannte Stücke auf, wie<br />

jetzt, da vier frühe Arbeiten der Künstlerin in Münchener Privatbesitz bekannt geworden sind.<br />

Dabei handelt es sich um einen goldenen Ring, ein goldenes Armband, eine goldene Fibel und<br />

einen Weißgoldring mit Onyxplatte, alle aus der Zeit von ca. 1924 bis 1933, eine der wichtigsten<br />

Werkphasen der Künstlerin.<br />

Elisabeth Treskow ist heute vor allem als Wiederentdeckerin der antiken Granulationstechnik<br />

bekannt, fast unberechtigterweise, möchte man hinzufügen, denn das Primat, bereits zu Anfang der<br />

20er Jahre das metallurgische Geheimnis der Etrusker gelüftet zu haben, gebührt dem Münchner<br />

Goldschmied Johann Michael Wilm. Tatsächlich aber hat Elisabeth Treskow um 1930, unabhängig<br />

von Wilm, die Granulation ebenfalls entdeckt und in dieser Technik spektakulär schöne Werke<br />

geschaffen. Anders als Wilm hat sie häufig über die Technik referiert und publiziert und damit<br />

ihren Namen mit ihr verbunden.<br />

Elisabeth Treskow war in ihrem Beruf eine Pionierin; sie gehört zur ersten Generation von Frauen<br />

in Deutschland, die den Goldschmiedeberuf professionell ausübten. Sie gewann zahlreiche Preise<br />

und Ehrungen und trat auf Ausstellungen hervor; als wohl erste Goldschmiedin bekleidete sie seit<br />

1956 an den Kölner Werkschulen den Titel einer Professorin. Elisabeth Treskow arbeitete als Goldund<br />

Silberschmiedin und schuf neben Schmuck auch weltliches und kirchliches Gerät. Für den<br />

Kölner Dreikönigenschrein übernahm sie nach Kriegsende Restaurierungsarbeiten. In den 50er<br />

Jahren erschloss sie sich das Gebiet antiker geschnittener Steine, die sie hinfort sammelte und in


ihre Schmuckarbeiten integrierte. Auch noch nach dem Ausscheiden aus dem Lehramt, 1964,<br />

entwarf die Künstlerin Schmuckstücke für eine zunehmend große rheinische Klientel, die sie von<br />

ihren Schülern ausführen ließ. 1977 vermachte Elisabeth Treskow dem Museum für Angewandte<br />

Kunst Köln (vorm. Kunstgewerbemuseum) ihre Gemmensammlung, in späteren Jahren auch die<br />

Entwürfe ihrer Schmuckstücke auf Papier (2).<br />

Nach einer ersten Ausbildung in Hagen, Essen und Schwäbisch-Gmünd absolvierte Elisabeth<br />

Treskow 1917-19 eine Lehre bei dem Münchner Juwelier Karl Rothmüller, bevor sie sich 1919, 21jährig,<br />

in Bochum selbständig machte. 1923 bezog sie ein Atelier auf die Margarethenhöhe in<br />

Essen, ein Jahr später legte sie in Düsseldorf ihre Meisterprüfung ab.<br />

Im selben Jahr entstand ein goldener Ring mit rundem Reif und betont langer, rechteckiger und<br />

leicht gewölbter Ringplatte, mit durchbrochenem, vergittertem Inneren aus senkrechten,<br />

waagerechten, und diagonalen Stäben, zargengefaßten Edelsteinen und goldenen Kügelchen<br />

(Abb.1). In Privatbesitz erhaltene Entwurfszeichnungen, die diesem Ring stilistisch sehr nahe<br />

stehen, tragen das Datum "(19)24" (3).<br />

Der hier erstmals vorgestellte Ring aus Münchner Privatbesitz (Abb.2,3) ähnelt den erwähnten<br />

Exemplaren in auffälliger Weise. Auch bei diesem besteht das Gerüst der offenen Ringplatte aus<br />

waagerechten, senkrechten und diagonalen Drähten. Diese bilden eine Art Spalier, zwischen das<br />

goldene Blätter, Blüten und Früchte, wie die aus Goldkügelchen gebildete Weintraube, und<br />

Brillanten gesetzt sind. Geriefte Fassungen, gravierte Blätter und kleine, auf runder Frucht<br />

abstehende "Stacheln" geben der Komposition einen naturhaften, "botanischen" Charakter.<br />

Bemerkenswert ist auch, daß der Reif im rechten Winkel zur Laufrichtung der Schmuckplatte<br />

montiert ist, d.h. daß die Platte im getragenen Zustand den größten Teil des Fingers bedeckt. Ringe<br />

mit großen Schmuckplatten, häufig von elipsoider Form, wie sie etwa schon das späte 18.<br />

Jahrhundert kannte, müssen, um nicht überzustehen, so konzipiert sein, daß der Ring sich dem<br />

Finger anpaßt. Ein weiterer, unten zu besprechender Ring folgt dem selben Prinzip.<br />

Laut Überlieferung hat Elisabeth Treskow den Ring für die Gartenarchitektin Elisabeth Renner<br />

geschaffen, die für ein von Otto Bartning 1924 entworfenes Haus im niederrheinischen Wyler bei<br />

Kleve eine Gartenlandschaft konzipierte. Auftraggeberin von Haus und Garten war die Witwe eines<br />

hohen Regierungsbeamten, die kulturell sehr aufgeschlossene, auf dem Gebiet der Kunst<br />

mäzenatisch engagierte Marie Schuster. Sie war es auch, die den für Elisabeth Renner passenden<br />

Ring mit seinen Blumen- und Obstmotiven in Auftrag gab. Die Empfängerin konnte sich aber<br />

damit nicht anfreunden, und so gelangte der Ring in den Besitz von Cornelie Hiby, der Schwägerin<br />

Marie Schusters, und von dieser zu dem heutigen Besitzer. Cornelie Hiby gefiel der Ring so gut,<br />

daß sie bei Elisabeth Treskow zusätzlich ein goldenes Armband in Auftrag gab. Bei diesem handelt


es sich um das hier vorgestellte Exemplar, das etwas später als der Ring, um 1925/27 entstanden<br />

sein dürfte (Abb. 4,5).<br />

Sechs der insgesamt sieben Glieder des Armbands sind, wie der Ring, als offene gewölbte Platten<br />

in kräftiger Rahmenkonstruktion ausgeführt, nur das Schließenteil ist rückseitig mit einer dünnen<br />

Goldblechfolie verschlossen. Alle Glieder besitzen einen ähnlichen Aufbau, mit einem Brillanten in<br />

der Mitte sowie zwei weiteren, von links unten nach rechts oben bzw. von links oben nach rechts<br />

unten diagonal angeordneten Brillanten, die die Assoziation von Sternbildern hervorrufen. Um den<br />

zentralen Stein kreist, in jeweils unterschiedlicher Position, eine aus Goldblech ausgesägte Sichel.<br />

In fünf Fällen sind um den mittleren Stein drei strahlenartige Runddrähte gruppiert, deren Ende<br />

kleine Goldkügelchen halten; zweimal gehen die Strahlen von asymmetrisch positionierten Steinen<br />

aus, die ebenfalls an "Gestirne" erinnern. Die Zwischenräume zwischen den gefaßten Steinen und<br />

Strahlen füllen geschweifte, S-förmige Drähte, die zusammen mit den anderen Stäben ein<br />

unregelmäßiges Gitterwerk bilden. Mag der erste Eindruck der Glieder noch unübersichtlich sein,<br />

so verrät die nähere Betrachtung eine phantasievolle, wohldurchdachte Komposition aus gleichen<br />

Elementen.<br />

Die im einzelnen beschriebenen Stilelemente, Gitterwerk, spiralig geschweifte Drähte,<br />

mondsichelartige Goldblechstreifen etc. sind auch auf anderen Schmuckstücken Elisabeth<br />

Treskows aus der Mitte der 20er Jahre anzutreffen (4). Sie repräsentieren eine deutsche,<br />

expressionistische Variante des Art Déco, die in diesen Jahren für Elisabeth Treskow aber auch für<br />

andere Goldschmiede charakteristisch ist (5) und sprechen für eine Entstehung während der Jahre<br />

1925-27.<br />

Das dritte Schmuckstück, eine goldene Nadel mit einer zargengefaßten Diamantrose, erscheint<br />

dagegen vergleichsweise schlicht (Abb.6,7); an die Stelle kleinteiliger Schmuckelemente treten ein<br />

boutonartiger, ovaler Schmuckkopf und ein länglich geschweifter, zungenförmiger Bügel. Der<br />

Dekor ist auffällig sparsam: drei Goldkügelchen flankieren den Kopf, und ein aufgelöteter Draht<br />

teilt die Oberfläche des Bügels in zwei gleiche Hälften. Auch diese Arbeit ist für Cornelie Hiby<br />

entstanden, was wohl als Hinweis darauf zu verstehen ist, daß die Auftraggeberin bereit war, der<br />

Goldschmiedin in ihrer stilistischen Weiterentwicklung zu folgen. Eine Absprache zwischen<br />

Auftraggeberin und Goldschmiedin fand in jedem Fall statt, da die bereits in Familienbesitz<br />

befindliche Diamantrose in die Ausführung integriert werden sollte.<br />

Allem Anschein nach war es im Jahr 1927, daß Elisabeth Treskow eine Reise nach Paris<br />

unternahm, wo sie im Cluny Museum Schmuckstücke der Völkerwanderungszeit, fränkische und<br />

merowingische Arbeiten des 5. bis 8. Jahrhunderts, kennenlernte. Sie war fasziniert von den<br />

archaischen Formen, die ihr einen neuen, bis dahin kaum rezipierten Blick auf die Tradition


europäischer Schmuckkunst eröffneten. Die empfangenen Eindrücke führten zu einem Stilwandel<br />

in ihrem Werk, wie Entwurfszeichnungen und überlieferte Arbeiten belegen (6).<br />

Elisabeth Treskows Interesse an Schmuck der Völkerwanderungszeit hielt die nächsten Jahre an,<br />

wie eine von ihr 1931 datierte (und zu diesem Zeitpunkt wohl erworbene) Publikation des British<br />

Museum "A Guide to the Anglo-Saxon and Foreign Teutonic Antiquities" (London 1923) belegen<br />

kann. Diese enthält in großer Zahl Abbildungen von Fibeln und anderen Schmuckstücken<br />

germanischer Stämme aus Skandinavien, Mitteleuropa, Frankreich und Südrussland und dürfte für<br />

die Künstlerin von großer Anregung gewesen sein. Doch sie vermied es, die alten Formen einfach<br />

zu kopieren, vielmehr übersetzte sie diese in einen modernen Stil. Bei der hier besprochenen Nadel<br />

ist das Vorbild einer Bügelfibel noch erkennbar, wobei die drei Goldkügelchen als Zitate der radial<br />

abstehenden Zierknöpfe alter Rundkopffibeln zu interpretieren sind (Abb.8). Die Fibeln der<br />

Völkerwanderungszeit waren in der Regel mit Kerbschnittdekor versehen, Diamanten kamen in<br />

ihnen natürlich nicht vor, allenfalls Almandine. Auch besaßen die historischen Vorbilder einen<br />

weitaus höheren, gekrümmten Bügel. Elisabeth Treskow dagegen längt die Form und betont diese<br />

durch eine elegante Mittellinie. Bei allem Interesse am historischen Modell zielt die Künstlerin<br />

darauf ab, das Schmuckstück seiner ursprünglichen Ornamentik zu entkleiden und formal zu<br />

vereinfachen. Was ihr vermutlich gefiel, war die Einheit von Form und Funktion, folgt doch das<br />

Schmuckstück dem Verlauf der eigentlichen Nadel, die mit Scharnier und Nadelrast auf der<br />

Unterseite des Schmuckstücks befestigt ist.<br />

Zu welchem Zeitpunkt genau unsere Nadel entstanden ist, ist nicht belegt. Angesichts der<br />

stimmigen, eleganten Formgebung der Nadel, die eine fast antike Anmutung besitzt, möchte man<br />

die Ausführung eher zu Beginn der 30er Jahre als gegen Ende der 20er Jahre vermuten. Als<br />

Elisabeth Treskow in der ersten Hälfte der 30er Jahre dazu überging, Schmuckstücke zu<br />

granulieren, übertrug sie diese Technik auch auf rechteckige, geschweifte Nadeln oder<br />

wimpelartige Fähnchen, die ein ähnliches, vereinfachendes Formverständnis zeigen wie unsere<br />

Nadel (7).<br />

Das vierte Objekt, das hier vorgestellt werden soll, ist ein Ring in Weißgold mit einer Ringplatte<br />

aus tiefschwarzem Onyx (Abb.9,10). Das Schmuckstück gibt sich erst auf den zweiten Blick als<br />

Arbeit der Goldschmiedin zu erkennen, denn Onyx war ein Material, das die Künstlerin wenig<br />

verwendete. Der Stein war häufig Bestandteil von Modeschmuck des Art Déco, besaß aber, im<br />

Unterschied zu Edelsteinen, kein Farbspiel und von daher keine Eigenart. Zudem eignete er sich<br />

nicht dazu, in Gelbgold gefaßt zu werden, die Ausführung mußte, schon wegen des Kontrastes, in<br />

Weißgold erfolgen. Daß er verwandt wurde, war sicherlich der Tatsache zu verdanken, daß er sich<br />

schon im Besitz der Familie befand und vorher eine Brosche gewesen war.


Der Ringkopf besteht aus einer länglichen, auf der Oberseite konkav gemuldeten Linse und wird<br />

von einer Unterkonstruktion in Weißgold und einem runden Reif gehalten. Der Reif gabelt sich an<br />

den Schultern und trägt so zur Halterung des Ringkopfs bei. Wie bei dem ersten, oben betrachteten<br />

Ring ist der Reif im rechten Winkel zum Ringkopf angesetzt; damit kann der Ring so über den<br />

Finger geschoben werden, daß dieser in Längsrichtung aufliegt und beim Getragenwerden nicht<br />

anstößt. Seinen besonderen Charakter erfährt der Ring durch einen Altschliffdiamanten, der im<br />

Zentrum der Onyxlinse eingelassen ist; offenbar wurde die (nicht allzu wertvolle) Onyxplatte<br />

durchbohrt, um die nach unten hin offene Fassung für den Stein aufzunehmen.<br />

Daß es sich hierbei um eine Auftragsarbeit handelte, ist in der Familie überliefert. Der Ring<br />

entstand für eine junge, damals 19-jährige Frau, eine Vorfahrin des heutigen Besitzers, die am 1.<br />

September 1928 zum Studium nach Florenz ging. Das für sie geschaffene Schmuckstück sollte mit<br />

dem Diamanten die Erinnerung an die Familie wach halten und gleichzeitig eine "Huldigung" an<br />

den vorherrschenden Art-Déco-Geschmack sein. Beide Funktionen wurden offenbar zur<br />

Zufriedenheit der Trägerin erfüllt, die den Ring ein Leben lang bewahrte.<br />

Elisabeth Treskow hat es trotz ihrer bedeutenden Position als international bekannte Goldschmiedin<br />

immer geschätzt, Auftragsarbeiten durchzuführen und mit einem Kunden oder einer Kundin<br />

gemeinsam einen Entwurf zu erarbeiten. Sie sah dieses Eingehen auf die Wünsche des<br />

Auftraggebers als Kernaufgabe ihres Berufes an, und wahrscheinlich liebte sie auch die damit<br />

verbundene Kommunikation. Aus dieser Zusammenarbeit entstanden viele Freundschaften mit<br />

Kundinnen, die sie ein Leben lang pflegte. Daß sich noch heute überproportional viele ihrer<br />

Schmuckstücke in Privatbesitz befinden und inzwischen in den Familien vererbt wurden, ist häufig<br />

auf eine solche frühe persönliche Beziehung zurückzuführen.<br />

Der Ring, der entsprechend seiner Entstehungsgeschichte im Sommer 1928 entstanden ist, hat<br />

darüber hinaus auch eine formgeschichtliche Bedeutung. Er ist vermutlich das erste Mal, daß<br />

Elisabeth Treskow die Reifschulter mit einer Strebe verstärkte, die die Ringplatte seitlich abstützt.<br />

Die Goldschmiedin hat dieses sinnfällige, geistreiche Element in späteren Ringen wieder<br />

aufgegriffen. Das bekannteste Beispiel dafür ist der 1935 geschaffene sog. "Liebesring", mit dem<br />

die Goldschmiedin 1936 im gleichnamigen Wettbewerb der Gesellschaft für Goldschmiedekunst<br />

den ersten Preis errang (Abb.11,12) (8). Auch bei diesem Ring gabelt sich die Schulter und<br />

bewirkt, daß der Ringkopf über dem Reif zu schweben scheint. Eine weitere Verwandtschaft<br />

besteht in der Konzeption des Ringkopfes. Dessen längsovale Platte ist wie bei dem Onyxring<br />

konkav gemuldet, und ebenso wie bei jenem ist diese mit einem Stein verziert. War es bei dem<br />

Onyxring ein Diamant, ist es beim Liebesring ein Chrysoberyll-Katzenaugen-Cabochon. Dieser<br />

bildet die Pupille eines mit einem aufgelöteten Draht angedeuteten Auges. Auch wenn der Fassung


des Steins nicht, wie beim Onyxring, durch die Ringplatte hindurchführt, so ist die konzeptionelle<br />

Verwandtschaft beider Ringe doch unverkennbar. In der Weiterentwicklung der Idee zeigt sich die<br />

Stärke der Goldschmiedin: besaß der Onyxring ursprünglich "nur" eine modische, im besten Sinne<br />

des Wortes schmückende Funktion, so wird der Liebesring mit seinem "sehenden Auge"<br />

symbolisch zu einem Attribut der Liebe erhöht.<br />

Elisabeth Treskow verstand es, in wirtschaftlich schwieriger Zeit, an einem Ort wie Essen, der<br />

seinerzeit nicht unbedingt als Zentrum deutscher Schmuckkunst gelten konnte, den Weg einer<br />

erfolgreichen Schmuckkünstlerin einzuschlagen. Daß dies gelang, verdankte sie einem großen,<br />

einflußreichen Freundeskreis, der auch viele Künstler, wie den Photographen Albert Renger-<br />

Patzsch, den Bildhauer Will Lammert, die Buchbinderin Frieda Schoy, den Maler Kurt Levy u.v.a.<br />

umfaßte. Überlieferte Photos der Werkstatt- und Atelierräume vermitteln das Bild einer klaren und<br />

geschmackvollen Einrichtung. Als Mitglied des Deutschen Werkbunds hatte Elisabeth Treskow<br />

"die Form" und andere Fachzeitschriften für Gestaltung abonniert, und sie erwarb Kataloge und<br />

kunsthistorische Literatur. Bald war sie bekannt als eine Gestalterin, die sich aktiv mit der<br />

Schmuckgeschichte auseinandersetzte und zusätzlich zu ihrer handwerklichen Meisterschaft auch<br />

Wissen und Bildung einzubringen wußte. Ihre Kunden waren Vertreter des mittleren und<br />

gehobenen Bürgertums, Ärzte und Kaufleute, in den 30er Jahren zunehmend auch ranghohe<br />

Vertreter der Krupp-Stahlwerke oder der RWE, der Direktor des Essener Folkwangmuseums Dr.<br />

Ernst Gosebruch, ebenso wie die Verlegergattin Martha Baedeker. Daß Elisabeth Treskow diese<br />

Klientel, die ihren Schmuck auch in Berlin oder München hätten erwerben können, zufrieden<br />

stellte, lag sicher auch daran, daß sie zusätzlich zu ihrer aparten Gestaltung von Anfang an<br />

ausgesucht schöne Steine zu verarbeiten wußte. Saß sie nicht selbst am Werktisch, zeichnete sie<br />

Entwürfe, die sie von ihren Gesellen und Lehrlingen ausführen ließ. Fertige Arbeiten wurden sofort<br />

photographiert und als Photos in große Ledermappen eingeklebt; so konnte sie ihren Kunden<br />

ständig ein großes Spektrum von Ideen und Gestaltungslösungen vorlegen.<br />

Elisabeth Treskow hat keineswegs nur für Vertreter von Industrie und Wirtschaft gearbeitet;<br />

bekannt ist, daß sie als überzeugte Nicht-Verheiratete gern Entwürfe für Freundinnen ausführte.<br />

Freundschaften mit Gleichgesinnten waren ihr wichtig, wobei Geld nicht allein ausschlaggebend<br />

war; ihre Kundinnen mußten vielmehr Geschmack haben, kunstinteressiert sein und nach<br />

Möglichkeit einen interessanten Beruf ausüben, als Kunsthandwerkerin, Photographin, oder<br />

Architektin. Elisabeth Treskow lag sehr daran, beruflich unabhängige Frauen in ihrer<br />

gesellschaftlichen Stellung zu stärken; sie selbst sah sich an der Spitze einer neuen weiblichen<br />

Kunst und wollte dazu beitragen, diese in breite Kreise der Gesellschaft hineinzutragen.


Anmerkungen<br />

1. Ausst. Kat. Elisabeth Treskow. Goldschmiedekunst des 20. Jahrhunderts, bearb. von Rüdiger<br />

Joppien, Museum für Angewandte Kunst, Köln, und Deutsches Goldschmiedehaus, Hanau 1990.<br />

2. Rüdiger Joppien, Elisabeth Treskow als Zeichnerin, in: Weltkunst, 53. Jg, Nr. 16, 1983, S. 2070<br />

- 2071.<br />

3. Ausst. Kat. Elisabeth Treskow (s. Anm.1), S. 137, Kat. Nr. 8.<br />

4. Ebd., S. 56, Kat. Nr. 14; S. 57, Kat. Nr. 20; S. 84, 85, Kat. Nr. 18, 22, 25.<br />

5. Vgl. Christianne Weber, Schmuck der 20er und 30er Jahre in Deutschland, Stuttgart 1990, S. 34,<br />

Abb. 19; S. 47, Abb. 32; S. 118, Abb. 111; S. 229, Nr. 389 (A. Kling); S. 299, Nr. 635<br />

(E.Schempp); S. 333, Nr. 736 (A. Ungerer); S. 341, Nr. 761 (Th. Wende); S. 349, Nr. 786 (J.Wilm<br />

d.J.).<br />

6. Ausst. Kat. Elisabeth Treskow (s. Anm.1), S. 32, 33, S. 86.<br />

7. Ebd., S. 94.<br />

8. Ebd., S. 16, sowie Joppien, Elisabeth Treskow als Zeichnerin (s. Anm. 2), S. 2070.<br />

Abbildungen<br />

1. Ring, Essen, 1924, Gold, Smaragd, Brillanten. Ringplatte 2.3 x 1 cm, Dm (Reif) 1.6 cm.<br />

Ungestempelt. Privatbesitz<br />

2,3. Ring, Essen, um 1924. Gold, Brillanten. Ringplatte 2.1 x 1.2 cm, Dm. (Reif) 1.8 cm.<br />

Ungestempelt. Privatbesitz.<br />

4,5. Siebenteiliges Armband, Essen, um 1925-27. Gold, Brillanten. L. 18. 2 cm, B. 1.8 cm. Auf<br />

dem letzten Glied signiert: ET / 585. Privatbesitz.


6,7. Nadel, Essen, Anfang der 30er Jahre. Gold, Diamantrose.<br />

L. 5.3 cm, B.(Kopf) 1.3 cm. Ungestempelt. Privatbesitz.<br />

8. Fränkische Fibeln von Herpes, Charente, Frankreich, 6. Jh., aus: British Museum, A Guide to the<br />

Anglo-Saxon and Foreign Teutonic Antiquities in the Department of British and Mediaeval<br />

Antiquities, London 1923, gegenüber S. 144.<br />

9,10. Ring, Essen, 1928. Weißgold, Altschliffdiamant, Onyx. Ringplatte 2.4 x 1.2 cm, Dm. (Reif) 2<br />

cm. Ungestempelt. Privatbesitz.<br />

11. Liebesring (Entwurf), Essen, 1936. Aquarell und Deckweiß auf Transparentpapier,<br />

6.3 x 4.6 cm. Museum für Angewandte Kunst, Köln.<br />

12. Liebesring, Essen, 1936. Gold, Chrysoberyll-Katzenauge. Maße unbekannt. Ehemals Leihgabe<br />

der Gesellschaft für Goldschmiedekunst an das Berliner Schloßmuseum, im 2. Weltkrieg<br />

verschollen.


Abb. 1<br />

Abb. 3<br />

Abb. 2


Abb. 4<br />

Abb. 5


Abb. 7<br />

Abb. 6


Abb. 8


Abb. 10<br />

Abb. 9


Abb. 12<br />

Abb. 11

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