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der WirTschAfTsführer - Richard Boorberg Verlag

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herrschen<strong>der</strong> Meinung eine Internetrecherche<br />

über Bewerberdaten nicht unter<br />

diese Vorschrift. Greift die lex specialis<br />

Vorschrift des § 32 BDSG nicht mehr, ist<br />

regelmäßig § 28 BDSG anwendbar. Allerdings<br />

herrscht in <strong>der</strong> Literatur nach wie<br />

vor Rechtsunsicherheit hinsichtlich des<br />

Verhältnisses von § 32 zu § 28 BDSG, woraus<br />

sich Probleme in <strong>der</strong> Abgrenzung<br />

und Auslegung ergeben.<br />

Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 BDSG ist regelmäßig<br />

<strong>der</strong> Grundsatz <strong>der</strong> Direkterhebung<br />

anzuwenden. Ausnahmsweise können<br />

Daten auch ohne Mitwirkung des Betroffenen<br />

erhoben werden, wenn eine<br />

Rechtsvorschrift dies vorsieht (§ 4 Abs. 2<br />

Satz 2 Nr. 1 BDSG). Solch eine Rechtsvorschrift<br />

enthält § 28 Abs. 1 Nr. 3 BDSG<br />

in Bezug auf öffentlich zugängliche Daten<br />

im Internet. In <strong>der</strong> Rechtsprechung<br />

finden sich zu dieser Problematik bisher<br />

keine Urteile, da eine Internetrecherche<br />

durch den Arbeitgeber kaum nachweisbar<br />

ist. Daher gilt „nullo actore nullus<br />

iudex“ (lat.: „wo kein Kläger, da kein<br />

Richter“).<br />

Nach § 28 Abs. 1 Nr. 3 BDSG darf <strong>der</strong><br />

Arbeitgeber öffentlich zugängliche Daten<br />

berücksichtigen, soweit das schutzwürdige<br />

Interesse des Betroffenen nicht<br />

das des Arbeitgebers überwiegt. Daraus<br />

folgt, dass <strong>der</strong> Arbeitgeber Daten, die<br />

ein Bewerber öffentlich ins Internet gestellt<br />

hat, berücksichtigen darf. Indem<br />

ein Netz werk nutzer seine personenbezogenen<br />

Daten öffentlich macht, verzichtet<br />

er insoweit auf seine Privatsphäre, die<br />

grundrechtlich geschützt wird. Dieser<br />

Grundrechtsverzicht entspricht einer Einwilligung.<br />

Im Rahmen einer Interessenabwägung<br />

werden grundsätzlich keine<br />

überwiegenden Interessen des Bewerbers<br />

entgegenstehen, da dieser seine Daten<br />

selbst in das Internet eingestellt hat. Ein<br />

Ausnahmefall wäre allerdings denkbar,<br />

wenn Dritte Informationen über den Bewerber<br />

im Internet platzieren und es für<br />

den Arbeitgeber offensichtlich erkennbar<br />

ist, dass es sich bei den Äußerungen um<br />

eine Persönlichkeitsrechtsverletzung handelt.<br />

Dies ist z. B. <strong>der</strong> Fall bei Schmähkritik,<br />

die sich dadurch kennzeichnet, dass<br />

das sachliche Anliegen von <strong>der</strong> persönlichen<br />

Kränkung in den Hintergrund gedrängt<br />

wird. Überwiegende schutzwürdige<br />

Interessen können sich darüber hinaus<br />

auch ergeben, wenn die Veröffentlichung<br />

<strong>der</strong> Daten im Internet alt o<strong>der</strong> es erkennbar<br />

ist, dass <strong>der</strong> Nutzer keine Herrschaft<br />

über die Ver öffent lichung hat.<br />

abgrenzung von öffentlichkeit<br />

und Privatsphäre im Internet<br />

Als öffentliche bzw. allgemein zugängliche<br />

Internetdaten sind regelmäßig Daten<br />

anzusehen, die über eine Suchmaschinenanfrage<br />

erhoben werden. Folglich<br />

ist es auch zulässig, Daten aus sozialen<br />

Netzwerken zu erheben, wenn diese über<br />

eine Suchmaschinenanfrage erhoben<br />

werden können und keine Anmeldung<br />

in dem sozialen Netzwerk bzw. eine<br />

Freigabe <strong>der</strong> Daten durch den Bewerber<br />

notwendig ist. Aber auch Daten aus<br />

Foren o<strong>der</strong> Blogs, die für jeden zugänglich<br />

sind, sind grundsätzlich allgemein<br />

zugänglich.<br />

Zulässig ist außerdem die Internetrecherche<br />

in berufsorientierten Netzwerken wie<br />

Xing o<strong>der</strong> LinkedIn. Die Daten gelten als<br />

allgemein zugänglich, selbst wenn man<br />

sich erst auf <strong>der</strong> Website anmelden muss,<br />

um die Daten des Bewerbers einzusehen.<br />

Eine Anmeldung ist nämlich ohne<br />

erheblichen zeitlichen bzw. administrativen<br />

Aufwand möglich. Eine Interessenabwägung<br />

wird auch in diesem Fall keine<br />

überwiegenden schutzwürdigen Interessen<br />

des Bewerbers feststellen, da ein<br />

Bewerber ein Profil in einem berufsorientierten<br />

Netzwerk gerade für potenzielle<br />

Arbeitgeber einrichtet. Ein Ausnahmefall<br />

wäre denkbar, wenn ein Arbeitgeber auf<br />

Profilen Dritter Daten über den Bewer-<br />

WEItWInKEl<br />

Der Wirtschaftsführer 1.2013<br />

Im Internet wird Privates öffentlich, sobald Internetnutzer ihre Interessen, Freizeitbeschäftigungen<br />

und Urlaubsfotos auf Facebook & Co präsentieren.<br />

ber sucht, z. B. in Gästebüchern, Gruppen<br />

o<strong>der</strong> Fotoalben. Obwohl die Suche in einem<br />

berufsorientierten Netzwerk erfolgt,<br />

muss ein Bewerber nicht damit rechnen,<br />

dass auch solche Daten erhoben werden.<br />

Vor allem ist es dem Bewerber meist<br />

nicht möglich, solche Daten zu kontrollieren.<br />

Hat <strong>der</strong> Bewerber sein Profil nur für<br />

eine eingeschränkte Gruppe („Freunde“)<br />

offen, kann ein potenzieller Arbeitgeber<br />

nur durch eine Freundschaftsanfrage und<br />

durch eine Annahme dieser das Profil des<br />

Bewerbers einsehen. Die Annahme einer<br />

Freundschaftsanfrage kann auf berufsorientierten<br />

Netzwerken grundsätzlich eine<br />

Einwilligung im Sinne <strong>der</strong> §§ 4, 4a BDSG<br />

sein. In <strong>der</strong> Regel wird jedoch verlangt,<br />

dass <strong>der</strong> Arbeitgeber in <strong>der</strong> Anfrage den<br />

Bewerber über den Zweck <strong>der</strong> Datenerhebung<br />

aufklärt.<br />

Die Internetrecherche hinsichtlich Daten,<br />

die in freizeitorientierten Netzwerken<br />

wie Facebook eingestellt werden, wird<br />

in <strong>der</strong> Literatur als unzulässig erachtet.<br />

Die AGB <strong>der</strong> Netzwerkbetreiber weisen<br />

ausdrücklich darauf hin, dass die Nutzung<br />

für private Zwecke vorgesehen ist.<br />

In diesem Fall überwiegen die schutzwürdigen<br />

Interessen des Betroffenen.<br />

Beruflich orientierte Netzwerke enthalten<br />

keine entsprechenden Klauseln. Die<br />

Legitimationsgrundlage nach § 28 Abs. 1<br />

Satz 1 Nr. 3 BDSG kommt dann nicht in<br />

Betracht, da die Daten nicht mehr als all-<br />

www.fotolia.com © Stanke<br />

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