der WirTschAfTsführer - Richard Boorberg Verlag
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62 gESEtzgEBung<br />
Der Wirtschaftsführer 1.2013<br />
Dr. Rainer Riggert<br />
neue Perspektiven für insolvente unternehmen<br />
Die finanzielle Krise <strong>der</strong> Drogeriemarktkette<br />
Schlecker hat jüngst das Thema<br />
Insolvenz wie<strong>der</strong> in alle Munde gebracht.<br />
Solche Insolvenzverfahren werden von<br />
großem Medieninteresse begleitet und<br />
bis auf die politische Ebene hinein diskutiert.<br />
Fast je<strong>der</strong> Bürger hatte nach <strong>der</strong><br />
wochenlangen Medienberichterstattung<br />
schließlich zu <strong>der</strong> Frage, ob Arbeitsplätze<br />
mit staatlichen Finanzmitteln erhalten<br />
werden sollten, eine Meinung. Doch<br />
nicht nur bei den großen, spektakulären<br />
Insolvenzverfahren, son<strong>der</strong>n bei jedem<br />
Insolvenzverfahren stellt sich die Frage,<br />
ob das angeschlagene Unternehmen gerettet<br />
werden kann, und wenn ja, in welchem<br />
Umfang und auf welchem Weg.<br />
Jährlich melden über 30.000 Betriebe in<br />
Deutschland Insolvenz an 1 . Ein Teil von<br />
ihnen verschwindet fast unbemerkt, ein<br />
an<strong>der</strong>er Teil versucht nach <strong>der</strong> Umsetzung<br />
von Restrukturierungsmaßnahmen<br />
erneut, sich am Markt zu behaupten. Mit<br />
jedem Unternehmen, das stirbt, werden<br />
unternehmerischer Geist, wirtschaftliche<br />
Triebkraft und Arbeitsplätze vernichtet.<br />
Die Bundesregierung will daher die Sanierung<br />
und damit den Erhalt von Unternehmen<br />
för<strong>der</strong>n und hat deshalb die Insolvenzordnung<br />
umfangreich reformiert. Der<br />
überwiegende Teil <strong>der</strong> Än<strong>der</strong>ungen ist am<br />
1. März 2012 in Kraft getreten. Es handelt<br />
sich, nachdem es im Jahr 2009 bereits<br />
kleinere, wegen <strong>der</strong> Finanzkrise eilig umgesetzte<br />
Anpassungen gab, um die zweite<br />
Stufe <strong>der</strong> Insolvenzrechtsreform. Eine dritte<br />
Stufe wird in Bezug auf das Verbraucherinsolvenzverfahren<br />
noch folgen.<br />
Kernelemente <strong>der</strong> Reform sind die erweiterten<br />
Möglichkeiten <strong>der</strong> Gläubiger, am<br />
Insolvenzverfahren mitzuwirken, sowie<br />
die gestärkte Position des Schuldners,<br />
<strong>der</strong> das Insolvenzverfahren jetzt in <strong>der</strong><br />
Regel in Eigenregie durchführen kann.<br />
Das in die Krise geratene Unternehmen<br />
wie auch seine Gläubiger haben seit <strong>der</strong><br />
ablauf eines Insolvenzverfahrens<br />
Ist ein Unternehmen zahlungsunfähig (bzw. droht die Zahlungsunfähigkeit) o<strong>der</strong><br />
ist es überschuldet, so muss es einen Insolvenzantrag stellen. Der Insolvenzantrag<br />
kann aber auch durch einen Gläubiger des Unternehmens gestellt werden. Der<br />
Insolvenzantrag muss beim Amtsgericht (= Insolvenzgericht) gestellt werden.<br />
Nach <strong>der</strong> Antragstellung prüft das Gericht, ob das Insolvenzverfahren eröffnet<br />
werden kann. Der Zeitraum bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nennt sich<br />
Insolvenzeröffnungsverfahren (o<strong>der</strong> vorläufiges Insolvenzverfahren), es dauert<br />
in <strong>der</strong> Regel drei Monate. Eines <strong>der</strong> maßgeblichen Kriterien bei <strong>der</strong> Frage, ob das<br />
Insolvenzverfahren eröffnet werden kann, ist zum Beispiel, ob das schuldnerische<br />
Unternehmen über ausreichende finanzielle Mittel verfügt, um für die Verfahrenskosten<br />
aufzukommen. Für die Insolvenzeröffnungsphase bestellt das Gericht<br />
einen vorläufigen Insolvenzverwalter, <strong>der</strong> vorbereitende Maßnahmen im Hinblick<br />
auf das sich anschließende Insolvenzverfahren vornimmt, insbeson<strong>der</strong>e prüft er die<br />
Möglichkeit, ob und wie das Unternehmen ggf. saniert werden kann.<br />
Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, dann beginnt das eigentliche Insolvenzverfahren,<br />
in dem die Sanierungsmaßnahmen umgesetzt werden, o<strong>der</strong>, wenn<br />
eine Rettung des Unternehmens nicht möglich ist, es abgewickelt wird. Die<br />
Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis liegt beim Insolvenzverwalter, sofern das<br />
Insolvenzverfahren nicht als Eigenverwaltungsverfahren geführt wird und damit<br />
eigenständig vom schuldnerischen Unternehmen – unter Aufsicht eines Sachwalters<br />
– geleitet wird. Anstatt des regulären Verfahrensgangs (= Regelinsolvenzverfahren)<br />
gibt es auch noch die Möglichkeit, ein Insolvenzplanverfahren durchzuführen.<br />
Bei einem Insolvenzplanverfahren einigt sich das Unternehmen mit<br />
seinen Gläubigern über einen Unternehmenserhalt und dessen Konditionen. Die<br />
Vereinbarung wird in einem sogenannten Insolvenzplan zusammengefasst, über<br />
dessen Annahme die Gläubiger dann abstimmen. Mit einem Insolvenzplan kann<br />
ein Insolvenzverfahren innerhalb weniger Monate beendet werden.<br />
www.fotolia.com © Winne<br />
Reform hinsichtlich des Ablaufs eines<br />
Insolvenzverfahrens größere Planungssicherheit,<br />
außerdem wurde Blockadepotential<br />
abgebaut. Dadurch soll die<br />
frühzeitige Stellung von Insolvenzanträgen<br />
geför<strong>der</strong>t und die Aussichten auf<br />
eine erfolgreiche Restrukturierung des<br />
Unternehmens verbessert werden. Die<br />
Än<strong>der</strong>ungen betreffen im Wesentlichen<br />
drei zentrale Bereiche des Insolvenzverfahrens:<br />
das Insolvenzeröffnungsverfahren,<br />
das Insolvenzplanverfahren und die<br />
Eigenverwaltung. Sowohl das insolvente<br />
Unternehmen als auch seine Gläubiger<br />
haben in diesen Bereichen mehr Entscheidungs-<br />
und Handlungsspielraum.<br />
<strong>der</strong> vorläufige gläubigerausschuss<br />
Eine <strong>der</strong> wichtigsten Neuerungen ist,<br />
dass das Insolvenzgericht im Insolvenzeröff<br />
nungs ver fahren einen sogenannten<br />
vorläufigen Gläubigerausschuss bestellen<br />
kann, <strong>der</strong> dann bereits in diesem frühen<br />
Stadium das Insolvenzverfahren maßgeblich<br />
mit lenkt. Der vorläufige Gläu bigeraus<br />
schuss hat unter an<strong>der</strong>em Einfluss<br />
auf die Auswahl des Insolvenzverwalters,<br />
indem er einen Insolvenzverwalter vorschlagen<br />
o<strong>der</strong> auch ablehnen kann.<br />
<strong>der</strong> gläubiger wird zum unternehmer<br />
Im Bereich des Insolvenzplanverfahrens<br />
ist jetzt <strong>der</strong> Eingriff in Anteilsrechte möglich,<br />
so dass For<strong>der</strong>ungen in Eigenkapital<br />
umgewandelt werden können. Die Gläubiger<br />
verfügen damit zum einen über die