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Der Hexer von Hymal, Buch XVI – Kein Weg zurück

Den seltsamen Jüngern kann Nikko gerade so entkommen, doch scheint hinter dem Kult mehr zu stecken als zunächst angenommen. Viel Zeit, sich darum zu kümmern, bleibt dem jungen Zauberer allerdings nicht. Es gibt schließlich Wichtigeres zu tun! Nikko muss endlich den Eisdrachen finden und in die Schlacht um Hymal führen. Die Reise in den hohen Norden stellt sich jedoch als beschwerlich heraus. Wenigstens kann sich der Magier dabei auf einen alten Freund verlassen.

Den seltsamen Jüngern kann Nikko gerade so entkommen, doch scheint hinter dem Kult mehr zu stecken als zunächst angenommen. Viel Zeit, sich darum zu kümmern, bleibt dem jungen Zauberer allerdings nicht. Es gibt schließlich Wichtigeres zu tun!

Nikko muss endlich den Eisdrachen finden und in die Schlacht um Hymal führen. Die Reise in den hohen Norden stellt sich jedoch als beschwerlich heraus. Wenigstens kann sich der Magier dabei auf einen alten Freund verlassen.

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Niels Bernhardt<br />

<strong>Der</strong> <strong>Hexer</strong> <strong>von</strong> <strong>Hymal</strong><br />

<strong>Buch</strong> <strong>XVI</strong>: <strong>Kein</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zurück</strong>


Niels Bernhardt<br />

<strong>Der</strong> <strong>Hexer</strong> <strong>von</strong> <strong>Hymal</strong><br />

<strong>Buch</strong> <strong>XVI</strong>: <strong>Kein</strong> <strong>Weg</strong> <strong>zurück</strong><br />

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Umschlaggestaltung: Sven Ballenthin<br />

Published by Null Papier Verlag, Deutschland<br />

Copyright © 2015 by Null Papier Verlag<br />

1. Auflage, ISBN 978-3-95418-678-5<br />

p<br />

www.null-papier.de/335


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Den seltsamen Jüngern kann Nikko gerade so entkommen, doch<br />

scheint hinter dem Kult mehr zu stecken als zunächst angenommen.<br />

Viel Zeit, sich darum zu kümmern, bleibt dem jungen Zauberer allerdings<br />

nicht. Es gibt schließlich Wichtigeres zu tun!<br />

Nikko muss endlich den Eisdrachen finden und in die Schlacht um<br />

<strong>Hymal</strong> führen. Die Reise in den hohen Norden stellt sich jedoch als<br />

beschwerlich heraus. Wenigstens kann sich der Magier dabei auf<br />

einen alten Freund verlassen.<br />

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Weitere Informationen zur Reihe und zum Autor finden Sie unter:<br />

http://hymal.info/<br />

5


Neu! <strong>–</strong> Jetzt auf Englisch<br />

Teil 1 gratis <strong>–</strong> null-papier.de/326<br />

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Inhalt<br />

ERSTES KAPITEL: ENTKOMMEN, ABER WEM?............................8<br />

ZWEITES KAPITEL: WISSEN UND OHNMACHT........................24<br />

DRITTES KAPITEL: ENDLICH KONKRETE PLÄNE.....................40<br />

VIERTES KAPITEL: EIN NEUER VERBÜNDETER?......................59<br />

FÜNFTES KAPITEL: DIE KARAWANE NACH DHOBAR................75<br />

SECHSTES KAPITEL: ZU FUSS NACH NORDEN........................92<br />

SIEBTES KAPITEL: DIE STADT IM EIS......................................117<br />

AUSBLICK.................................................................................136<br />

DANKE......................................................................................138<br />

AUTOR......................................................................................139<br />

7


Erstes Kapitel:<br />

Entkommen, aber wem?<br />

Wieder einmal hatte ein Sprung in die blaue Dimension<br />

Nikko gerettet, obwohl er wohl noch nie in so großer Gefahr<br />

geschwebt hatte. Jedenfalls fürs Erste war er nun sicher.<br />

Hoffentlich würde sich daran so schnell nichts ändern.<br />

Ohne lange nachzudenken, hatte der Zauberer sich in diese skurrile<br />

Welt versetzt, sobald er erkannt hatte, dass sein Feuerball nicht<br />

alle Kultanhänger vernichtet hatte. Es war allzu offensichtlich, dass<br />

die in Rot gekleideten Kultisten nicht etwa nur Glück gehabt hatten,<br />

sondern auf irgendeine Art und Weise vor dem Feuer und der Explosion<br />

seines Zaubers geschützt wurden.<br />

Nikko hatte jedoch keine Zeit gehabt, länger darüber nachzudenken,<br />

wie die Häscher den Flammen hatten entkommen können. Auch<br />

jetzt, als er durch die im blauen Licht dieser Welt wabernden Gänge<br />

des Ordenskapitels eilte und wieder einmal <strong>von</strong> den hier heimischen<br />

Silberschlangen verfolgt wurde, hatte er keine allzu große Muße<br />

dazu.<br />

8


Verfluchte Biester! Noch hielten seine Schilde den bösartigen Bissen<br />

der Schlangen stand, die ohne Unterlass nach ihm schnappten.<br />

Es mussten bereits Hunderte sein, doch kamen aus allen Richtungen<br />

mehr und mehr der lästigen Viecher hinzu!<br />

Nikko erinnerte sich nun wieder daran, warum er nur so selten in<br />

die blaue Dimension reiste. Dennoch, <strong>von</strong> seinen menschlichen Verfolgern<br />

war hier nichts mehr zu sehen. Die Tortur hatte sich also gelohnt.<br />

Es wurden immer mehr Schlangen und seine Schilde würden vielleicht<br />

nicht mehr lange halten. Es war also höchste Zeit, seine Flucht<br />

zu vollenden. Aber wohin sollte er nun gehen?<br />

Am besten wäre es wohl, direkt zum Teleportraum des Ordens zu<br />

eilen und sich <strong>von</strong> dort aus sofort <strong>zurück</strong> nach Halfuár zu teleportieren.<br />

Aber würden seine Verfolger diesen Schritt nicht erwarten?<br />

Würden sie ihm im Teleportraum etwa schon auflauern?<br />

Verdammt! Nikko war <strong>von</strong> den Ereignissen noch immer viel zu<br />

verwirrt, um einen klaren Gedanken fassen zu können. Was war hier<br />

nur los? Das konnte doch alles nicht wahr sein!<br />

Nein, nein. <strong>Der</strong> Teleportraum war viel zu unsicher, zumal dort<br />

auch die Gefahr bestand, dass die Kultisten ihn heimlich beobachten<br />

und dabei vielleicht sogar das Teleportmuster für Halfuár mitbekommen<br />

könnten. Dann wäre er zukünftig sogar in seiner Heimat nicht<br />

mehr sicher.<br />

Unsinn! Die Typen waren doch keine Zauberer. Wie sollten sie als<br />

Laien die komplizierten Muster einer Teleportation erkennen können<br />

und dann auch noch verstehen? Das ergab doch alles gar keinen<br />

Sinn!<br />

9


Oh je, der junge Magier musste sich eingestehen, dass er mit der<br />

Lage völlig überfordert war. Seine Verfolger konnte er nicht ansatzweise<br />

gut genug einschätzen, um in all der Hektik entscheiden zu<br />

können, wie er am klügsten vorgehen sollte. Nur eines war klar, je<br />

mehr Vorsicht er walten ließ, desto besser!<br />

Da wäre es wohl doch am schlausten, einen weiten Bogen um den<br />

Teleportraum zu machen - nur so zur Sicherheit. Nikko konnte sich<br />

bestimmt auch <strong>von</strong> hier aus direkt nach Halfuár teleportieren. Das<br />

hieße zwar, einen Feldteleport mit gleichzeitigem Dimensionssprung<br />

zu verbinden, aber warum eigentlich nicht?<br />

Viel mehr Zeit zum Nachdenken blieb dem jungen Meister ohnehin<br />

nicht. Mittlerweile waren es vermutlich schon Tausende <strong>von</strong><br />

Schlangen, die <strong>von</strong> allen Seiten gierig nach ihm schnappten und seine<br />

Schilde mit jedem Biss schwächten. Es war nur noch eine Frage der<br />

Zeit, bis diese aufgebraucht wären. Was dann passieren würde, wollte<br />

Nikko sich lieber gar nicht erst ausmalen.<br />

Es war gar nicht so leicht, sich in dieser Situation auf den Feldteleport<br />

zu konzentrieren. Die Schlangen waren ja schon lästig genug,<br />

doch die große Ungewissheit wegen seiner anderen Verfolger<br />

machte die Sache nicht unbedingt leichter, auch wenn <strong>von</strong> denen<br />

noch immer nichts zu sehen war. Trotzdem gelang es Nikko letztlich,<br />

den Teleport zu vollenden. Die paar Dutzend Silberschlangen, die er<br />

aus Versehen mit sich teleportiert hatte, überlebten die Reise nicht<br />

lange. Wie damals, als er die Bewohner der blauen Dimension zum<br />

Zwecke des Studiums in die Wirklichkeit beschworen hatte, vergingen<br />

sie auch diesmal binnen weniger Augenblicke, ohne dass der Magier<br />

auch nur das geringste Mitleid für sie empfand.<br />

Nach einigen tiefen Atemzügen wurde sich Nikko schließlich bewusst,<br />

dass er es endlich geschafft hatte. Er war <strong>zurück</strong> im Telepor-<br />

10


traum <strong>von</strong> Halfuár, in der Sicherheit seines eigenen Heims. Mit einiger<br />

Erleichterung stellte er fest, dass hier tatsächlich noch keine Kultisten<br />

auf ihn lauerten.<br />

Erst einige Augenblicke später erkannte er, wie abwegig dieser<br />

Gedanke war. Woher hätten die Jünger des Gesalbten denn so<br />

schnell kommen sollen? Trotzdem war er froh, der Gefahr erst einmal<br />

entronnen zu sein. Egal was nun käme, jetzt hatte er mehr Zeit,<br />

um über alles genauer nachzudenken. Irgendeine sinnvolle Erklärung<br />

musste es für die mehr als seltsamen Geschehnisse in Zundaj doch<br />

geben!<br />

Bevor der Zauberer sich darüber Gedanken machen würde, wollte<br />

er jedoch erst einmal den Schlaf der gestrigen Nacht nachholen. Diese<br />

hatte er ja nicht nur mit seiner aufregenden Flucht verbracht, sondern<br />

vorher auch damit, wieder einmal die Bibliothek des Ordens zu<br />

plündern. Die Bibliothek? Verflucht! Er hatte die ausgewählten Bücher<br />

doch in irgendeiner Ecke deponiert, um schneller nachzuschauen<br />

zu können, woher der plötzliche Lärm kam. In dem anschließenden<br />

Durcheinander hatte er dann völlig vergessen, sie wieder aufzulesen.<br />

Naja, wer konnte ihm das schon verübeln?<br />

Mit einem langen Seufzen schlich Nikko kopfschüttelnd die Wendeltreppe<br />

hinauf, um sich in sein Bett zu verkriechen. Jetzt brauchte<br />

er erst einmal eine gehörige Portion Schlaf.<br />

Bereits nach kurzer Zeit hatte Nikko es aufgegeben, in seinem Bett<br />

zur Ruhe zu kommen. Er war <strong>von</strong> den Geschehnissen der vergangenen<br />

Stunden wohl doch noch viel zu aufgewühlt, um Schlaf finden zu<br />

können. So hatte der Zauberer seine Müdigkeit mit einer ausgiebigen<br />

Meditation in der Kraft bekämpft. Durchaus erfolgreich.<br />

11


Nach dem stundenlange Bad in der Kraft war es nun bereits Vormittag.<br />

Hunger hatte Nikko trotzdem keinen, da die lange Meditation<br />

ihn bis in die Zehenspitzen mit Energie geladen hatte. In diesem Zustand<br />

noch anhaltender Beunruhigung hätte er aber ohnehin kaum<br />

einen Bissen hinunterbekommen.<br />

Nach einigen tiefen Atemzügen begann sich das bisheriges Gefühl<br />

einer diffusen Bedrohung langsam in konkrete Befürchtungen zu<br />

wandeln, zu denen sich bald auch viele verschiedene Fragen gesellten.<br />

Was war eigentlich aus Peryndor geworden, und was aus diesem<br />

Meister Makûl? Hatten die sogenannten Jünger die beiden Magier<br />

etwa erwischt? Makûl war ihm dabei im Grunde egal, obwohl er dem<br />

abgesetzten Hofzauberer natürlich kein übles Ende wünschte. Peryndors<br />

Tod wäre für den Magier hingegen ein herber Verlust.<br />

Es war darüber hinaus ein großes Rätsel, wie die in Rot gekleideten<br />

Kerle seinen Feuerbällen hatten widerstehen können. Es sei denn<br />

… Ja, sie mussten wohl selbst über magische Schutzschilde verfügen,<br />

die ihnen vermutlich diese Wesenheit verliehen hatte, damit sie es<br />

mit den Zauberern aufnehmen konnten.<br />

Ein lautes »Wo seid Ihr denn?« dröhnte plötzlich in Nikkos Kopf<br />

und riss ihn aus seinen Gedanken. Das konnte doch nur der Großmeister<br />

sein. Hatte er also überlebt?<br />

»In Halfuár«, antwortete Nikko telepathisch, bevor er überhaupt<br />

darüber nachdenken konnte, ob er dem Alten nicht lieber eine Ausrede<br />

auftischen sollte.<br />

»Kommt schnell zum Teleportraum des Ordens«, erwiderte Peryndor.<br />

»Wir sollten alsbald abreisen.«<br />

»Ist Meister Makûl denn auch da?«, wollte Nikko wissen.<br />

12


»Noch nicht«, antwortete der Alte. »Ich konnte ihn bisher nicht<br />

erreichen.«<br />

»Vielleicht haben sie ihn ja doch erwischt?«, sorgte sich der junge<br />

Zauberer.<br />

»Wer soll ihn denn erwischt haben?«, dröhnte es <strong>zurück</strong>.<br />

»Diese Jünger haben heute Morgen den Ordenssitz angegriffen«,<br />

erklärte Nikko. »Ich selbst bin ihnen nur mit knapper Not entkommen.«<br />

»Wie bitte?«, erwiderte der Großmeister und schnauzte: »Warum<br />

erfahre ich erst jetzt da<strong>von</strong>?« Bevor Nikko sich eine Antwort zurecht<br />

lügen konnte, meinte er schließlich: »Bleibt in Halfuár. Ich komme<br />

sofort dorthin, dann bereden wir die Sache in aller Ruhe.«<br />

Viel Zeit darüber nachzudenken, was er <strong>von</strong> dem plötzlichen Besuch<br />

des Alten in Halfuár halten sollte, war Nikko nicht vergönnt gewesen,<br />

denn schon wenige Minuten nach der Ankündigung des Großmeisters,<br />

hörte der junge Zauberer diesen schnaufend die Wendeltreppen<br />

emporsteigen. Von den vielen Ausreden und Erklärungen, die er<br />

für das drohende Gespräch wohl brauchen würde, hatte er auch<br />

noch keine parat.<br />

Als Peryndor die Stufen letztlich erklommen hatte und grimmig<br />

schauend in die Bibliothek trat, war sich Nikko auf einmal sicher,<br />

dass er den Alten alsbald wieder loswerden sollte. Nicht nur hatte er<br />

eigene Pläne, bei denen ihm der Großmeister wohl nur im <strong>Weg</strong> wäre,<br />

außerdem bestand ja auch die Möglichkeit, dass gerade Peryndor unter<br />

jenen Zauberern war, auf die es die Kultisten am meisten abgesehen<br />

hatten. Im Gegensatz zu Nikko war das Gesicht des Alten in Zundaj<br />

wohlbekannt, vermutlich sogar im ganzen Reich. Peryndors An-<br />

13


wesenheit auf Halfuár könnte also auch Nikko in große Gefahr bringen.<br />

»Also Meister, dann erklärt mir doch einmal, was Ihr da vorhin gemeint<br />

habt«, keuchte der Alte, der die vergangene Nacht offenbar<br />

nicht im Ordenskapitel sondern in seiner Residenz verbracht hatte.<br />

»Ich hatte bis in die frühen Morgenstunden in der Bibliothek …<br />

gelesen«, berichtete Nikko. »Irgendwann hörte ich ein verdächtiges<br />

Geräusch, was mich letztlich zur Empfangshalle führte. Dort haben<br />

sie … also diese Jünger offensichtlich versucht, die Tür aufzubrechen,<br />

was ihnen letztlich auch gelang.«<br />

»Es waren Dutzende«, fuhr er fort. »Einige in Rot gekleidete Männer<br />

und auch normales Volk, darunter sogar ein paar Frauen. Als sie<br />

mich entdeckt haben und wild schrien, sah ich mich gezwungen …«<br />

Nikko musste erst einmal schlucken. Immerhin hatte er mit seinem<br />

Feuerball vielen Menschen den Tod gebracht. So richtig klar<br />

wurde ihm das allerdings erst jetzt.<br />

»Ja was denn?«, drängte Peryndor. »Wozu saht Ihr Euch gezwungen?«<br />

»Nun, sie wollten … mich … immerhin angreifen«, stammelte der<br />

junge Zauberer. »Da musste ich mich doch … verteidigen … mit einem<br />

Feuerball.«<br />

»Natürlich«, zuckte der Großmeister die Schultern. »Macht Ihr<br />

Euch etwa Vorwürfe deswegen?«<br />

»Ich weiß es nicht«, keuchte Nikko und stellte dann klar: »Das ist<br />

auch nicht so wichtig! Viel wichtiger ist doch, dass mein Feuerball<br />

gegen einige der Angreifer völlig wirkungslos war.« Kopfschüttelnd<br />

fügte er hinzu: »Die Kerle grinsten mich sogar noch hämisch an.«<br />

14


»Wie bitte?«, wurde Peryndor kreidebleich. »Jetzt ganz langsam!<br />

Erzählt mir bitte alles in Ruhe und der Reihe nach, Meister.«<br />

»Das habe ich doch«, antwortete Nikko. »Mein Feuerball hat das<br />

zwar das normale Volk vernichtet, nicht aber die in Rot gekleideten<br />

Männer.«<br />

»Das kann doch gar nicht sein!«, protestierte Peryndor und murmelte<br />

dann: »Es sei denn …«<br />

»Es sei denn, sie verfügten über einen Schutzschild«, erahnte<br />

Nikko die Gedanken des Großmeisters.<br />

»Genau«, nickte dieser. »Doch wie sind sie an diesen magischen<br />

Schild gekommen?«<br />

»Durch dieselbe Wesenheit, die ihnen auch sonst die Kraft gibt?«,<br />

erwiderte der junge Zauberer.<br />

»Möglich«, nickte der Alte. »In der Tat. Wenn diese Entität ihnen<br />

schon zauberähnliche Fähigkeiten verleiht, warum dann nicht auch<br />

Schutzschilde gegen unsere magischen Attacken.«<br />

»Das kann doch nicht wahr sein«, schüttelte er einige Augenblicke<br />

später seinen Kopf und seufzte laut: »Wo soll das alles nur noch hinführen?«<br />

»Zu unserer Vernichtung«, wollte Nikko scherzen, doch erschien<br />

ihm diese Aussage dann selbst zu nah an der Wirklichkeit zu sein, als<br />

dass man darüber lachen konnte.<br />

»Das ist wohl der Plan«, pflichtete Peryndor ihm bei und rätselte:<br />

»Wer oder was kann denn bloß so sehr an unserem Ende interessiert<br />

sein?«<br />

Meinte der Großmeister diese Frage etwa ernst? Nikko erinnerte<br />

sich noch zu gut daran, wie die Dämonen ihn dazu gebracht hatten,<br />

15


den Nekromanten zu vernichten - egal, ob der es nun verdient hatte<br />

oder nicht. Jedenfalls hatte sich allein dieser Magier schon unzählige<br />

Feinde unter den Dämonen gemacht und aller Wahrscheinlichkeit<br />

nach auch noch unter vielen anderen Wesen.<br />

Die meisten Zauberer arbeiteten mit irgendwelchen Entitäten,<br />

wobei diese nicht selten unterworfen und bezwungen wurden. <strong>Kein</strong><br />

Wunder also, dass vermutlich die Bewohner ganzer Dimensionen<br />

einen Groll gegen die Magier hegten. Ja sogar in ihrer eigenen Welt<br />

fürchtete man die Zauberer und empfand insgeheim bestimmt auch<br />

Neid und Missgunst gegen sie.<br />

»Die Frage ist wohl eher, wer oder was mächtig genug ist, unser<br />

Ende herbeizuführen«, grinste Nikko und kam sich besonders schlau<br />

vor.<br />

»Da habt Ihr wohl recht«, nickte Peryndor mit einem Blick voll<br />

seltener Anerkennung und lachte dann bitter: »Das jedoch ist eine<br />

Frage, die sehr schwer zu beantworten sein dürfte.«<br />

Moment mal, schoss es Nikko durch den Kopf, der komische Geist<br />

der Orks gewährte diesen doch auch ein wenig Magie. Zumindest<br />

teilte er sein Wissen um die Zukunft mit ihnen. Den Teleportstein<br />

dürften die Orks schließlich kaum selbst hergestellt haben - jedenfalls<br />

nicht selbst verzaubert. Obwohl, vielleicht hatte der Geist diesen<br />

Grâkh ja mit den dafür nötigen Fähigkeiten ausgestattet. Gab es etwa<br />

einen Zusammenhang zwischen dem Geist der Orks und der Wesenheit,<br />

die den Kultisten die Kraft verlieh? Dumm nur, dass Nikko mit<br />

Peryndor nicht offen darüber reden konnte. Nicht jedenfalls, ohne<br />

ihm <strong>von</strong> den Orks zu erzählen, was jedoch keine allzu gute Idee sein<br />

dürfte. Denn, um dem Alten diese Geschichte plausible zu machen,<br />

hatte nicht einmal Nikko genügend Phantasie.<br />

16


»Ist es denn so ungewöhnlich, dass eine Wesenheit ihren Anhängern<br />

zauberähnliche Kräfte verleiht?«, wollte der Zauberer dann <strong>von</strong><br />

Peryndor wissen. Vielleicht könnte er so die Diskussion in die richtige<br />

Richtung lenken, ohne dabei seine eigenen Machenschaften preisgeben<br />

zu müssen.<br />

»Natürlich ist das ungewöhnlich«, schnaufte der Alte. »Nicht unmöglich,<br />

aber sehr ungewöhnlich.«<br />

»Seht Ihr, junger Meister«, begann er dann zu erklären, »kaum<br />

eine Wesenheit teilt doch freiwillig ihre Kräfte mit anderen Wesen.<br />

Die meisten muss man schon als Zauberer dazu zwingen oder aber<br />

fürstlich entlohnen. Die Schläfer hingegen haben nichts, was ein Wesen<br />

dazu veranlassen könnte, seine Kraft auf sie zu übertragen.<br />

Warum sollte es so etwas also freiwillig tun?«<br />

»Es sei denn …«, stockte der Alte und schüttelte den Kopf. »Nein,<br />

das kann nicht sein.«<br />

»Was denn?«, wollte Nikko wissen.<br />

»Ein Demiurg«, nickte Peryndor, schüttelte dann aber wieder seinen<br />

Kopf.<br />

»Ein was?«<br />

»Einer der Demiurgen«, antwortete der Großmeister. »Sie sind<br />

die Schöpfer und Lenker der Welt. Mit ihnen und ähnlichen Wesenheiten<br />

befasst sich die Schule der Theurgie.« Mit gereizter Stimme<br />

fügte er hinzu: »Hatte ich Euch nicht angeraten, Euch mit diesem<br />

Thema genauer zu beschäftigen?«<br />

»Ja, aber ich bin noch nicht dazu gekommen«, verdrehte Nikko<br />

die Augen.<br />

17


»Wie dem auch sei«, brummte Peryndor, »die Demiurgen verfügen<br />

natürlich über unendlich viel Macht, sodass sie ohne Weiteres<br />

einen Teil auf andere übertragen können. Manch einer sagt, dass sogar<br />

wir Zauberer auf genau diese Weise entstanden sind.«<br />

»Soll das heißen, dass einer dieser Demiurgen uns die Fähigkeit<br />

der Zauberei verleiht?«, wunderte sich Nikko und spürte dabei ein<br />

plötzliches Gefühl des Unbehagens.<br />

»Verliehen hat, wenn überhaupt«, korrigierte der Alte. »Die Anfänge<br />

unserer Zunft liegen leider im Dunkeln, zumal es den Orden ja<br />

erst seit dem Ende der magischen Kriege gibt. Unsere Geschichte<br />

dürfte jedoch viele Jahrhunderte weiter <strong>zurück</strong> reichen, wenn nicht<br />

gar Jahrtausende.«<br />

»Seht Ihr, einige sagen, die Demiurgen hätten uns mit der Zauberei<br />

beglückt, auf dass wir in dieser Welt statt ihrer für Ordnung sorgen«,<br />

dozierte er weiter. »Sie selbst hätten dann weniger Arbeit und<br />

könnten sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern. Ich weiß<br />

jedoch nicht, inwieweit diese Theorie der Wirklichkeit entspricht.«<br />

»Heißt das, dass diese Demiurgen mit uns nun nicht mehr zufrieden<br />

sind?«, war Nikko verwirrt. »Wollen sie uns jetzt etwa loswerden?«<br />

»Das ist durchaus möglich«, kraulte sich der Alte den Bart. »Doch<br />

könnten sie uns wohl viel einfacher und schneller vernichten, wenn<br />

sie es denn wollten. Vielleicht aber herrscht in ihren Reihen ja Uneinigkeit.<br />

Vielleicht will nur einer der Demiurgen uns vernichten. Vielleicht<br />

geht es auch nicht um uns an sich, sondern nur um die Macht<br />

in dieser Welt.«<br />

War dieser Geist der Orks denn auch ein Demiurg? Zu gern hätte<br />

Nikko den Großmeister danach gefragt, unterließ es aber doch lie-<br />

18


er. Allerdings würde diese Möglichkeit wohl dafür sprechen, dass<br />

unter den Schöpfern Uneinigkeit herrschte, wenn nicht gar offener<br />

Streit. Scheinbar förderte einer der Demiurgen die Orks, ein anderer<br />

hingegen wollte die Zauberer vernichten. Oder ging es einfach nur<br />

darum, diesen Kult zu stärken? Obwohl - all diese Ziele mussten sich<br />

ja nicht unbedingt widersprechen. Es konnte sich also letztlich<br />

durchaus um ein und denselben Demiurgen handeln.<br />

Verflucht! Wo war Nikko da bloß wieder hineingeraten? Als ob<br />

sein Leben nicht auch so schon schwer genug zu meistern war,<br />

trachtete ihm nun vielleicht noch ein Wesen <strong>von</strong> unendlicher Macht<br />

danach. Das waren ja mal wieder schöne Aussichten!<br />

»Ich hoffe, es wird sich eine andere Erklärung finden«, seufzte<br />

Peryndor. »Eine bessere. Wenn wir tatsächlich einen Demiurgen gegen<br />

uns hätten, dann wären unsere Tage nämlich gezählt. Obwohl,<br />

ohne Nachwuchs ist unser Ende ohnehin nur eine Frage der Zeit.«<br />

»Habt Ihr eigentlich noch immer keine Nachricht <strong>von</strong> Meister<br />

Makûl?«, wechselte Nikko das Thema.<br />

»Ach ja«, erinnerte sich der Alte. »Den guten Meister hätte ich<br />

fast vergessen. Lasst es mich noch einmal in Ruhe versuchen, ihn telepathisch<br />

zu erreichen.«<br />

Während der Großmeister mit geschlossenen Augen da saß und<br />

sich konzentrierte, dachte Nikko darüber nach, wie es nun weitergehen<br />

sollte. Die Möglichkeit, dass hinter dem Gesalbten und seinen<br />

Jüngern ein Demiurg stehen könnte, beunruhigte den jungen Zauberer<br />

schon ungemein. Dass dies aber auch für den Geist der Orks zutreffen<br />

könnte, beruhigte ihn hingegen wieder ein wenig, obwohl er<br />

nicht so genau wusste, warum eigentlich.<br />

19


Nun ja, der Geist der Orks schien Nikko immerhin nicht offen<br />

feindselig gesinnt zu sein. Solange der Zauberer dem Geist nicht in<br />

die Quere käme, würde sich daran hoffentlich auch nichts ändern.<br />

Vielleicht würde der Demiurg ja sogar seine schützende Hand über<br />

ihn halten.<br />

Verdammt! Nikko musste endlich Genaueres darüber erfahren. Er<br />

musste einfach wissen, woran er war und womit er es zu tun hatte.<br />

Ohne dieses Wissen, könnte schließlich ein jeder seiner Fehltritte die<br />

Vernichtung bedeuten.<br />

Woher aber sollte er das Wissen bekommen? <strong>Der</strong> Zauberer hatte<br />

es ja geschafft, die Bücher über die Theurgie in Zundaj <strong>zurück</strong> zu lassen,<br />

wie auch das ganze Kartenmaterial, das ihn nach Tûma führen<br />

sollte, wo irgendwo der Eisdrache zu finden sein sollte.<br />

Eisdrache! Das war überhaupt das Stichwort. Solange Nikko es<br />

nicht besser wusste, musste er mit allen Mitteln dafür sorgen, dass<br />

sich die Schau über die Schlacht und den Drachen auch genau so zutragen<br />

würde. Solange er nicht sicher sein konnte, dass der Orkgeist<br />

für ihn keine Gefahr darstellte, durfte er es auf keinen Fall riskieren,<br />

ihn zu enttäuschen oder gar zu verärgern!<br />

»<strong>Kein</strong> Glück«, riss Peryndor den jungen Zauberer aus seinen Gedanken<br />

und seufzte: »Ich fürchte, wir müssen da<strong>von</strong> ausgehen, dass<br />

Meister Makûl es nicht geschafft hat.«<br />

»Hat er denn im Ordenskapitel übernachtet?«, wollte Nikko wissen.<br />

»Das weiß ich nicht genau«, zuckte der Alte mit den Schultern.<br />

»Aber wo sonst? Seine opulenten Gemächer in der Königsburg stehen<br />

ihm jetzt ja nicht mehr zur Verfügung. Soweit ich weiß, besitzt er<br />

zwar noch ein großes Anwesen irgendwo im Westen des Reichs. Ich<br />

20


ezweifle jedoch, dass er sich so kurz vor der geplanten Reise in den<br />

Süden extra dorthin teleportiert hat, nur um dort die Nacht zu verbringen.«<br />

»Da habt Ihr wohl recht«, pflichtete ihm Nikko bei. »Sicherlich haben<br />

sie ihn in seinen Zimmer im Ordenssitz überrascht und überwältigt.«<br />

»Wahrscheinlich«, nickte der Großmeister und fragte dann: »Wie<br />

seid Ihr diesen schrecklichen Jüngern eigentlich entkommen, nachdem<br />

Eure Feuerbälle sie nicht zu stoppen vermochten?«<br />

»Die blaue Dimension«, lächelte Nikko.<br />

»Ach ja«, grinste der Alte. »Wie gut, dass ich Euch einst diese Welt<br />

gezeigt habe.«<br />

»Ja, jeder Aufenthalt dort ist stets ein großes Vergnügen«, scherzte<br />

Nikko. »Besonders die so gastfreundlichen Bewohner sind für mich<br />

immer wieder die reinste Wonne.«<br />

»Nun, ich hoffe, die Meister des Südens werden uns mit nicht geringerer<br />

Gastfreundschaft empfangen«, verstand Peryndor Nikkos<br />

Anspielung falsch. Einige Augenblicke später drängte er: »Es ist<br />

höchste Zeit, dass wir dorthin aufbrechen.«<br />

Oh je, das hätte Nikko eigentlich voraussehen können. Natürlich<br />

würde der Alte seine Pläne, sich im Süden zu verkriechen, nicht ohne<br />

Weiteres ändern wollen. Nun, nach den Geschehnissen im Ordenssitz,<br />

wohl erst recht nicht. <strong>Der</strong> junge Zauberer sah hingegen noch<br />

immer keinen Sinn darin, den Großmeister dorthin zu begleiten. Wie<br />

aber sollte Nikko ihm das schonend beibringen?<br />

»Geht lieber erst einmal ohne mich«, fing er einfach an und dachte<br />

dabei noch immer über eine gute Ausrede nach. »Wie bitte?«, war<br />

21


Peryndor ganz erstaunt. »Warum wollt Ihr mich denn auf einmal<br />

nicht mehr begleiten?«<br />

Auf einmal? Da<strong>von</strong> konnte nun wirklich keine Rede sein! Nun aber<br />

war es höchste Zeit, sich eine überzeugende Ausrede einfallen zu lassen.<br />

»Ich muss gestehen, dass …«, stammelte Nikko und hatte dann<br />

eine Idee: »Nun, Ihr wisst doch, dass es zwischen mir und Meister<br />

Nibegu …«<br />

»Meister Nikko«, wiegelte der Alte gleich ab. »Was auch immer<br />

zwischen Euch und dem Fürstmagier <strong>von</strong> Ghalla-Umbua vorgefallen<br />

ist, hat nun an Bedeutung verloren. In diesem Augenblick sind alle<br />

Zauberer in großer Gefahr und müssen fest zusammenhalten.«<br />

<strong>Der</strong> Großmeister übertraf sich mit seinem leeren Geschwafel<br />

wieder einmal selbst. Was sollte Nikko denn darauf bloß antworten?<br />

Er wollte es ja nicht riskieren, den Alten zu verärgern.<br />

»Ist nicht Asra auch ein Demiurg?«, fragte er dann und hatte eine<br />

Idee.<br />

»Natürlich«, antwortete Peryndor. »Aber was hat das denn damit<br />

zu tun?«<br />

»Na immerhin habe ich den magischen Angriff Meister Nibegus<br />

mit Hilfe eines Demiurgen abgewehrt«, versuchte Nikko, eine Ausrede<br />

zu konstruieren. »Jetzt, da wir … vermutlich <strong>von</strong> einem Demiurgen<br />

bedroht werden, könnte er mich vielleicht dafür … verantwortlich<br />

machen.«<br />

Schon als der Zauberer diese Worte formte, kam ihm der ungute<br />

Gedanke, dass daran durchaus etwas Wahres sein konnte. Immerhin<br />

schien Asra nichts <strong>von</strong> der dunklen Magie zu halten. War sie viel-<br />

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leicht gar so angewidert, dass sie nun alle Zauberer vernichten wollte?<br />

»Hm«, knurrte der Großmeister. »Ich bezweifle zwar, dass Asra<br />

hinter diesem Gesalbten und seinen Jüngern steckt, aber ich verstehe<br />

dennoch Eure Befürchtungen.«<br />

»Ja«, nickte er einen Augenblick später. »Es ist wohl in der Tat<br />

besser, wenn Ihr erst einmal hier bleibt. Sollte Meister Nibegu Euch<br />

etwas an der Situation anlasten, dann könnte Euer Anblick ihn unnötig<br />

provozieren.«<br />

Na wenigstens hatte der Großmeister den Köder geschluckt. Seine<br />

… Analyse war jedoch eine Zumutung. Immerhin hatte Nibegu den<br />

jungen Zauberer angegriffen, nicht umgekehrt. Es hätte aber wenig<br />

Sinn, das jetzt richtigzustellen. Viel wichtiger war doch, dass der Alte<br />

schnell wieder verschwand. Immerhin hatte Nikko Wichtigeres zu<br />

tun, als den Großmeister zu unterhalten.<br />

»In Anbetracht dessen, dass wir fürs Erste außer Gefahr sind«,<br />

dachte Peryndor dann laut, ȟberlege ich, ob nicht auch ich meine<br />

Reise in den Süden ein paar Tage verschieben sollte.« Er kraulte sich<br />

den Bart und brummte: »Vielleicht sollte ich die Lage ja zunächst<br />

selbst genauer analysieren, bevor ich vor die Meister des Südens trete.<br />

Je mehr ich bis dahin über die Bedrohung herausgefunden habe,<br />

desto besser können wir unsere gemeinsamen Schritte dann planen.«<br />

Bitte nicht! Je schneller der Alte in den Süden verschwand, desto<br />

besser. Aber vielleicht würde es Nikko ja gelingen, ihn dazu zu überreden,<br />

die Reise doch noch heute anzutreten.<br />

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null-papier.de/335<br />

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