01/2015

Fritz + Fränzi Fritz + Fränzi

10.11.2015 Aufrufe

Fr. 7.50 1 /Februar 2015 OMA, OPA, KIND Was die Beziehung zwischen Grosseltern und Enkelkindern so besonders macht. JUGEND-SUIZID Wie Eltern merken, dass ihr Kind gefährdet ist. Und was sie dann tun können. WOCHENEND-PAPA Wie das Leben zwischen Abschied, Sehnsucht und Vorfreude gelingen kann. Alles, was Eltern zum Thema Schlaf wissen müssen – 16 Seiten Wie viel Schlaf braucht mein Kind?

Fr. 7.50 1 /Februar 2<strong>01</strong>5<br />

OMA, OPA, KIND<br />

Was die Beziehung zwischen<br />

Grosseltern und Enkelkindern<br />

so besonders macht.<br />

JUGEND-SUIZID<br />

Wie Eltern merken, dass ihr<br />

Kind gefährdet ist. Und was<br />

sie dann tun können.<br />

WOCHENEND-PAPA<br />

Wie das Leben zwischen<br />

Abschied, Sehnsucht und<br />

Vorfreude gelingen kann.<br />

Alles, was Eltern zum Thema Schlaf<br />

wissen müssen – 16 Seiten<br />

Wie viel<br />

Schlaf<br />

braucht<br />

mein Kind?


Immer da, wo Zahlen sind.<br />

Reden Sie mit uns über<br />

Ihre Vorsorge.<br />

Wir machen den Weg frei


Editorial<br />

Foto: Geri Born<br />

Nik Niethammer<br />

Liebe Leserin, lieber Leser<br />

Neulich sagte mein fünfjähriger Sohn: «Du, Papi, wir kennen uns ja noch nicht so<br />

lange.Was hast du eigentlich gemacht, als ich noch nicht auf der Welt war?» Was für<br />

eine Frage! Ich nahm meinen Sohn in den Arm und knuddelte ihn lange. Dann<br />

haben wir uns hingesetzt. Und ich begann zu erzählen. Von meiner Kindheit,<br />

meiner Schulzeit. Dass ich Astronaut werden wollte. Und Seiltänzer.<br />

Mein Sohn liebt diese Momente. Allein mit dem Papi. Kein Handy, das klingelt,<br />

keine Schwester, die nervt. Ich versuche so viel Zeit wie möglich mit meinen Kindern<br />

zu verbringen. Sie an meinem Leben teilhaben zu lassen. Nicht immer gelingt das<br />

so, wie ich es mir wünsche. Wenn wir zusammen sind, achte ich auf das, was sie<br />

sagen. Und wie sie es sagen. Ich erfahre von ihren Wünschen und Freuden und<br />

Sorgen und auch Ängsten.<br />

«90 Prozent der Erziehung geschieht dadurch, dass sich Kinder intuitiv an Vater<br />

und Mutter orientieren», sagt der dänische Familientherapeut Jesper Juul. Das ist<br />

beruhigend zu wissen: Es braucht also vielleicht gar keine ausgeklügelten Erziehungsmethoden.<br />

Aber Juuls Aussage beinhaltet auch grosse Verantwortung: Was<br />

wir als Eltern vorleben, wird übernommen. Kinder zu kritisieren, sie sollen nicht<br />

ständig vor der Flimmerkiste sitzen, und selbst stundenlang fernsehen, geht nicht.<br />

«Eltern müssen zulassen, dass<br />

Kinder ihr Leben bereichern,<br />

auch wenn es wehtut.»<br />

Jesper Juul, dänischer Familientherapeut<br />

Das Schweizer ElternMagazin Fritz+Fränzi will Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser,<br />

auch im 15. Jahr seines Bestehens Wegbegleiter sein. Als neuer Chefredaktor möchte<br />

ich Sie, wenn Sie mögen, an die Hand nehmen. Ihnen in nicht immer einfachen<br />

Zeiten mit Rat und Tipps Entscheidungen erleichtern, auch mal Trost spenden.<br />

Ihnen aufzeigen, dass andere Eltern sich mit den gleichen Fragen beschäftigen. Sie<br />

sind nicht allein! Einer der häufigsten Sätze unseres Kinderarztes war: Das ist völlig<br />

normal. Das Kind weint? Ist völlig normal. Durchlebt eine<br />

Trotzphase nach der andern. Völlig normal. Kann Dinge<br />

besser und andere Dinge weniger gut als gleichaltrige<br />

Kinder: auch völlig normal.<br />

Ich glaube – und ich schreibe dies aus eigener Erfahrung:<br />

Eltern machen sich heute zu viele Sorgen. Nichts raubt<br />

Heranwachsenden so gründlich das Selbtbewusstsein<br />

wie die ständige Sorge der Eltern. Entspannen wir uns also. Trauen wir unseren<br />

Kindern mehr zu. Lassen wir sie gefährliche Dinge tun und versuchen nicht,<br />

sie überzubehüten. Treffen wir Entscheidungen mit ihnen, nicht ohne sie.<br />

Ich plädiere für mehr Gelassenheit im familiären Miteinander. Auch wenn die Aufgaben<br />

und Herausforderungen an uns Eltern grösser geworden sind: Wie kann<br />

das Nebeneinander von Beruf und Familie gelingen? Wie gestalten wir die Mediennutzung<br />

unserer Kinder? Wie entkrampfen wir das Verhältnis zu ihren Lehrern?<br />

Es sind diese und andere grosse Themen, mit denen sich Familien heute beschäftigen.<br />

Ich freue mich darauf, mit Ihnen zusammen Antworten zu finden.<br />

Ihr Nik Niethammer<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 3


Inhalt<br />

Ausgabe 1 / Februar 2<strong>01</strong>5<br />

ar<br />

Augmented Reality<br />

Überall, wo Sie dieses Zeichen sehen, erhalten Sie digitalen<br />

Mehrwert im Heft. Auf Seite 57 beschreiben wir Ihnen, was Augmented<br />

Reality ist und wie Sie diese mit Fritz+Fränzi nutzen können.<br />

Hier verraten wir schon einmal so viel: Hinter dem ar-Logo<br />

verbergen sich Videos und Zusatzinformationen zu den Artikeln.<br />

Psychologie & Gesellschaft<br />

26 Wenn Jugendliche an Suizid denken<br />

Selbstmord ist die zweithäufigste<br />

Todesursache bei Jugendlichen:<br />

wie Eltern merken, dass ihre Kinder<br />

gefährdet sind. Und was sie dann tun<br />

können.<br />

35 Modell Jugendlohn<br />

Wie Teenager lernen, richtig mit<br />

Geld umzugehen.<br />

38 Familie auf Distanz<br />

Wenn Väter zwischen Familie und<br />

Arbeit pendeln. Eine Reportage.<br />

10<br />

Dossier: Schlafen<br />

16 Was tun, wenn Kinder nachts<br />

nicht durchschlafen? Tipps von<br />

Schla forscher Peter Hunkeler.<br />

20 Nachtwanderung: Wenn Kinder<br />

das Ehe- zum Familienbett<br />

machen.<br />

24 Wie gesunder Schlaf Schüler<br />

schlau macht.<br />

Foto: Gabi Vogt / 13Photo<br />

Cover<br />

Schüler John (11)<br />

hat keine<br />

Schlafprobleme.<br />

Zum Glück. Die<br />

Szene ist gestellt.<br />

Fotos: Gabi Vogt / 13Photo, Désirée Good / 13Photo, Raffael Waldner / 13Photo, Mint Images<br />

4 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


30 38 64<br />

Herr Professor Guyer, wie sehr dürfen<br />

Grosseltern ihre Enkelkinder verwöhnen?<br />

Trend mobile Familie: Marc Wittwer sieht<br />

seine Familie nur am Wochenende.<br />

Chat-Dienste sind bei Teenagern<br />

beliebt, unbedenklich sind sie nicht.<br />

Erziehung & Schule<br />

44 Eine Schule für alle<br />

Jugendliche aus 50 Nationen lernen<br />

am United World College in Swasiland<br />

gemeinsam. Ein Schulbesuch.<br />

48 Bettnässer<br />

Wenn noch im Schulalter morgens<br />

das Bett nass ist, schämen sich<br />

Kinder und Eltern. Das muss nicht<br />

sein.<br />

52 Die magische Welt des Zauberns<br />

Hokuspokus ... Beim Zaubern lernen<br />

Kinder konzentrierter.<br />

54 Schulentwicklung<br />

Was es für den schulischen Erfolg<br />

braucht? Gute Lehrer.<br />

Ernährung & Gesundheit<br />

58 Zu früh geboren<br />

Frühgeborene sind in der Schule nicht<br />

selten in ihrer Gedächtnisleistung<br />

beeinträchtigt. Intensives Üben hilft.<br />

62 Stark in den Tag<br />

ar Ein gesundes Frühstück macht<br />

leistungsfähig.<br />

63 Vorsicht Nebenwirkungen!<br />

Über den richtigen Umgang mit<br />

Medikamenten bei Kindern und<br />

Jugendlichen.<br />

Digital & Medial<br />

64 Messenger-Programme<br />

Was Eltern über WhatsApp und Co.<br />

wissen und mit ihren Kindern<br />

besprechen sollten.<br />

66 Angst, etwas zu verpassen?<br />

Warum Jugendliche so schnell auf<br />

Kurznachrichten antworten.<br />

68 Suchtgefahr Online-Games<br />

Gamen macht Spass. Aber wann wird<br />

das Spielen im Internet bedenklich?<br />

70 Mädchen am Drücker<br />

ar Videospiele sind nicht nur<br />

«Bubensache», Mädchen spielen<br />

auch, nur anders.<br />

71 Mixed Media<br />

Service<br />

69 Abo<br />

ar<br />

76 Freizeit-Tipps<br />

78 Impressum/Sponsoren<br />

79 Buchtipps<br />

80 Bonbons<br />

81 10<strong>01</strong> Adressen<br />

Rubriken<br />

03 Editorial<br />

06 Entdecken<br />

30 Monatsinterview<br />

Der Paar- und Familienberater<br />

Jean-Luc Guyer über das Verhältnis<br />

zwischen Grosseltern und Enkeln.<br />

36 Abgedruckt<br />

Beruf und Familie sind nicht<br />

vereinbar, sagen zwei Journalistinnen.<br />

Ein Auszug aus ihrem Buch.<br />

43 Stiftung Elternsein<br />

Ellen Ringier über die Notwendigkeit,<br />

unsere Werte zu erhalten.<br />

50 Aufgeklärt<br />

Selbstbefriedigung.<br />

56 Kolumne<br />

Michèle Binswanger über Trennung.<br />

73 Pro & Kontra<br />

Soll man Kindern das Fernsehen<br />

verbieten? Zwei Väter – zwei<br />

Meinungen.<br />

74 Leserbriefe<br />

82 Im Mittelpunkt<br />

Hobby-Schauspielerin Sophie liebt<br />

die Bretter, die die Welt bedeuten.<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 5


[<br />

[<br />

Entdecken<br />

Jahren Dank Erasmus das Licht der Welt erblickt.<br />

Mit dem EU-Austauschprogramm fahren Studierende ins Ausland, um dort die Sprache zu lernen – und offenbar auch die Liebe zu finden.<br />

1000 000 27 Babys haben in den letzten<br />

Die Wahrheit über die Liebe<br />

Frauen, die Männer verführen wollen, sollen Rot tragen. So zu tun,<br />

als sei man nicht interessiert, bringt beim Flirten nichts. Und<br />

Männer sagen – statistisch betrachtet – zuerst «Ich liebe dich».<br />

Das sind drei der Erkenntnisse aus dem Buch von Jule Specht. Die<br />

Psychologin und Professorin schreibt neben ihrer Forschung in<br />

einem Blog (www.jule-schreibt.de) über Studien, die im Alltag von<br />

Nutzen sein könnten. Aus dem Blog ist nun ein Buch entstanden.<br />

Jule Specht: Suche kochenden Betthasen – Was wir aus<br />

wissenschaftlichen Studien für die Liebe lernen können,<br />

Rowohlt, 2<strong>01</strong>4, 208 Seiten, Fr. 14.90.<br />

Fotos: ZVG, rowohlt Verlag, Gabi Vogt / 13 Photo<br />

«Grosseltern wollen Enkel<br />

bewusst begleiten»<br />

Spezielle Grosselternreisen? Barbara Tonn (Foto) war<br />

schon drei Mal dabei und erklärt, worauf es für sie als<br />

Kinderbetreuerin ankommt, wenn sie mit Kindern und ihren<br />

Grosseltern unterwegs ist. Interview: Evelin Hartmann<br />

Erziehung heute –<br />

Mut zur Gelassenheit<br />

Wie umgehen mit Geschwisterstreit?<br />

Diagnose AD(H)S: was tun? Antworten<br />

auf diese und viele weitere Fragen<br />

finden Eltern am Kantonalen Elternbildungstag<br />

der Bildungsdirektion des<br />

Kantons Zürich am 28. März in<br />

Winterthur. Neben acht Workshops zu<br />

unterschiedlichen Erziehungsthemen<br />

wie Pubertät, Sexualität und Schule<br />

referiert der Ethnologe Rolf Gollob zum<br />

Thema «Lebenskompetenz – was<br />

braucht es zum Erwachsenwerden?».<br />

Kosten pro Person: 50 Franken, Paare<br />

90 Franken. Anmeldungen bis zum 28.<br />

Februar unter www.elternbildung.zh.ch/<br />

elternbildungstag.<br />

Frau Tonn, was ist Ihre Aufgabe als Kinderbetreuerin bei<br />

einer Grosseltern-/Enkelreise?<br />

Ich stelle ein Programm zusammen, das sich hauptsächlich<br />

an den Kindern orientiert, aber auch den Grosseltern etwas<br />

bietet. Viele Grosseltern wollen kein getrenntes Programm,<br />

da sie es geniessen, ihre Enkel zum ersten Mal Kanu fahren<br />

oder klettern zu sehen. Andere brauchen mehr Zeit für sich,<br />

zur Erholung, so dass sie froh sind, wenn ihre Enkel mit den<br />

anderen Kindern mal mehrere Stunden einen Ausflug<br />

unternehmen. Die meisten Grosseltern sind es, anders als<br />

die Eltern, nicht gewohnt, 24 Stunden mit den Kindern<br />

zusammen zu sein. Da bin ich gefordert.<br />

Die Reisen richten sich an Kinder zwischen 6 und<br />

14 Jahren. Hat ein 14-Jähriger noch Lust, mit einem<br />

6-Jährigen im Wattenmeer auf Schatzsuche zu gehen?<br />

Oh ja! Zumindest jene, die sich zu diesen Reisen anmelden.<br />

Natürlich wissen die Älteren, dass ich den Schatz versteckt<br />

habe, aber ich mache sie sozusagen zu meinen Komplizen,<br />

gehe mit ihnen die Strecke vorher ab, zeichne mit ihnen die<br />

Schatzkarte. Das macht den meisten Spass.<br />

Was machen Grosseltern anders als vor 20, 30 Jahren?<br />

Grosseltern sind aktiver, sie wollen etwas mit den Kindern<br />

unternehmen, sie bewusst begleiten. Deshalb bieten wir die<br />

Reisen erst für Kinder ab 6 Jahren an. Ein 3-Jähriger kann<br />

beispielsweise noch keine lange Velostrecke zurücklegen.<br />

www.baumeler.ch/familienreisen<br />

6 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Rubrik<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 7


[<br />

Entdecken<br />

[<br />

«Um die Gefahr wirklich zu mindern, müssten Autofahrer die Geschwindigkeit reduzieren,<br />

das zeigen Untersuchungen», sagt Thomas Schweizer, Geschäftsleiter des Vereins Fussverkehr Schweiz,<br />

in der Diskussion um die Wirksamkeit von Leuchtwesten für Fussgänger.<br />

Kostenlos Deutsch lernen<br />

«Ich lerne, du lernst, sie lernen, wir lernen» – in Basel können<br />

Migranten neu kostenlos Deutschkurse belegen. Das Angebot des<br />

Kantons Basel-Stadt ist freiwillig – und es ist bisher einmalig in<br />

der Schweiz. Bisher belegen nur etwa 7 Prozent der Zuzüger<br />

einen Deutschkurs. «Einfach aus dem Grund, weil sich viele<br />

Migranten einen Deutschkurs nicht leisten können», erklärt<br />

SP-Präsidentin Brigitte Hollinger die geringe Nachfrage. Mit dem<br />

neuen Angebot soll das anders werden. Auch gut verdienende<br />

Expats, die mit ihren Familien in der Regel nur für kurze Zeit in<br />

Basel arbeiten, sollen angesprochen werden. Als Vorbild für die<br />

kostenlosen Sprachkurse dienen übrigens ähnliche Modelle in<br />

Skandinavien. In Schweden lernen zugezogene Schweizer somit<br />

schon länger kostenlos, dass «ich lerne» «jag lär mig» heisst.<br />

Gebildete Maulwürfe<br />

Ob es am ständigen Starren auf Bildschirme liegt? Forscher<br />

der Universität Mainz in Deutschland fanden in einer aktuellen<br />

Studie heraus, dass Kurzsichtigkeit häufiger auftritt, je höher<br />

der Bildungsgrad ist. Nur 24 Prozent der kurzsichtigen<br />

Probanden verfügen über keine höhere Schulbildung. Von den<br />

Personen mit Abitur oder Berufsabschluss waren laut Studie 35<br />

Prozent kurzsichtig. Von den Hochschulabsolventen sogar ganze<br />

53 Prozent. Mit jedem absolvierten Schuljahr steigt die Chance,<br />

kurzsichtig zu werden – was aber natürlich keinen vom Lernen<br />

abhalten sollte.<br />

Stress und Glück im Schulzimmer<br />

Depression, Burnout, Überforderung: Eine Nationalfondsstudie<br />

der Fachhochschule Nordwestschweiz hat<br />

erstmals schweizweit die Arbeitsleistung von Lehrern<br />

untersucht – mit dem Ergebnis, dass sich jeder fünfte<br />

Pädagoge «ständig überfordert» fühlt. Jeder dritte<br />

Pädagoge leidet sogar mindestens einmal pro Monat<br />

unter depressiven Beschwerden, ebenso viele sind<br />

Burnout-gefährdet. Gründe für die hohe Belastung: ein<br />

hohes Arbeitspensum, Konflikte mit den Eltern,<br />

schwierige Schüler und der sogenannte Präsentismus,<br />

so bleiben Lehrpersonen oft auch bei Krankheit nicht<br />

zu Hause. Die Studie kommt aber auch zu positiven<br />

Ergebnissen: Immerhin 87,2 Prozent der Befragten<br />

gaben an, dass ihnen ihre Arbeit Spass macht.<br />

Fotos: Markus Forte / Ex-Press, Shutterstock, Gaëtan Bally / Keystone<br />

Ferien<br />

Jetzt Sommerferien<br />

buchen! Auf kidstravel.ch<br />

gibt es besonders<br />

familienfreundliche<br />

Unterkünfte.<br />

8 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Acrobat.<br />

Damit Ihr Kind<br />

nach der Genesung<br />

wieder mitten<br />

im Leben steht.<br />

Grosser Wettbewerb !<br />

www.acrobat2<strong>01</strong>5.ch<br />

MISSION RUNDUM GESCHÜTZT<br />

Dank Schutz vor bleibenden Folgen eines Unfalls. Wir sorgen dafür, dass Ihr<br />

Kind nach einem Unfall keine sichtbaren Erinnerungen behält und decken deshalb auch Leistungen wie<br />

ästhetische Chirurgie. Kosten für den Nachhilfeunterricht bei langer Absenz und die Pflege zuhause<br />

werden ebenfalls übernommen. Acrobat ist die ideale Ergänzung zur Grundversicherung SanaTel.<br />

Jetzt Offerte bestellen: www.rundumgeschützt.ch oder 0800 808 1<strong>01</strong>.<br />

Ihre Mitgliedsversicherer der<br />

In Kooperation mit:<br />

LernErlebnisKurse<br />

sind Ferienspaß hoch 3!<br />

Ferien an besonderen Orten<br />

An außergewöhnlichen Orten gibt es<br />

spannende Outdoor-Aktivitäten und<br />

zahlreiche Kreativangebote. Freunde aus<br />

aller Welt sind dabei schnell gefunden!<br />

Ferien mit Erlebnis-Faktor<br />

Praxisnah und eindrucksvoll: Exklusive<br />

Ausflüge führen hinter die Kulissen von<br />

Sport, Kunst und Kultur.<br />

Ferien mit Köpfchen<br />

Ergänzend zum Freizeitprogramm, gibt es<br />

Methodik- und Fächertrainings. Erfahrene<br />

Pädagogen unterrichten anschaulich und<br />

geben individuelle Lerntipps.<br />

Kursübersicht und mehr Informationen:<br />

+49(0) 6341/96 90 845<br />

www.zeit-schuelercampus.de<br />

Für Schüler von 8 bis 18 Jahren<br />

Jetzt<br />

Katalog 2<strong>01</strong>5<br />

bestellen!<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 9<br />

© Brand X/F1 ONLINE; Anbieter: Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, Buceriusstraße, Hamburg


Dossier<br />

Schlaf!<br />

Kindlein!<br />

Schlaf!<br />

Mit zunehmendem Alter des Kindes verblassen die Augenringe der Eltern.<br />

Tage sind wieder Tage und Nächte sind wieder Nächte. Doch dann kommt<br />

ein Entwicklungssprung und alles geht von vorne los. Was tun, wenn<br />

die schlaflosen Nächte zurückkehren? Text: Claudia Landolt Fotos: Gabi Vogt / 13Photo<br />

Müde in Vollzeit:<br />

Diesen Zustand<br />

kennen alle, die<br />

ihr Leben mit<br />

einem oder mehreren<br />

Kindern teilen. Am Anfang ist<br />

es die Tagundnachtgleiche, die alle<br />

elterlichen Kräfte raubt. Später ist es<br />

ein Entwicklungssprung, der in der<br />

Nacht verarbeitet werden muss. Die<br />

finsteren Monster, die sich in die<br />

Träume der Kleinen schleichen.<br />

Oder der erste Tag im Kindergarten<br />

oder die Angst vor der Schule.<br />

Schlafstörungen sind Alpträume<br />

für Eltern und Kinder, die beide<br />

immer wieder ereilt. Die Folge: Das<br />

Kind schläft im Elternbett. Die<br />

Eltern auf den Elternbettkanten, das<br />

Mantra aller übernächtigten Eltern<br />

flüsternd: «Es ist eine Phase. Nur<br />

eine Phase.»<br />

Doch bei manchen Kindern dauert<br />

diese Phase lange, sehr lange. Bei<br />

Sina zum Beispiel. Die Neunjährige<br />

schlief, so erinnert sich ihre Mutter<br />

Doris, von Geburt an tagsüber praktisch<br />

nie und nachts auch nicht.<br />

Zehnmal zwischen 22 Uhr abends<br />

und 6 Uhr morgens hiess es für<br />

Mama: Alarm! Nach einem Jahr<br />

wurden die Abstände grösser. Aber<br />

noch heute braucht die Tochter ab<br />

und zu die Nähe ihrer Eltern. Diese<br />

über Jahre ertragenen zerstückelten<br />

Nächte blieben nicht ohne Fol- >>><br />

10 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Rubrik<br />

Wenn ein Kind unter<br />

Schlafstörungen<br />

leidet, leidet meist<br />

die ganze Familie.<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 11


Dossier<br />

Machen gern die<br />

Nacht zum Tag:<br />

Lisa (11) und<br />

Sina (7).<br />

>>> gen. «Mein Schlaf ist nicht<br />

mehr der, der er einmal war. Wache<br />

ich in der Nacht auf, kann ich nur<br />

schwer wieder einschlafen», erklärt<br />

Sinas Mutter.<br />

Schlaf ist unverzichtbar und<br />

lebensnotwendig. Dabei hat die<br />

Wissenschaft noch immer nicht herausgefunden,<br />

warum wir schlafen.<br />

Es gibt kein sogenannt<br />

normales Schlafverhalten,<br />

sagt der Schlafforscher.<br />

Dennoch wissen wir: Der Mensch<br />

muss schlafen. Versuche, Wachrekorde<br />

zu brechen, endeten in<br />

Zusammenbrüchen oder Psychosen.<br />

Erklärungen, warum Schlaf zwingend<br />

notwendig ist, gibt es viele.<br />

Schlaf diene der körperlichen Erholung,<br />

der Gedächtnisbildung, dem<br />

Lernen und weil unsere Sinnesfunktionen<br />

nachts sowieso eingeschränkt<br />

sind. Ein populärwissenschaftlicher<br />

Ansatz, der seinen Beweis jedoch<br />

schuldig bleibt, ist derjenige nach<br />

der Gehirnentwicklung.<br />

Warum Schlaf und Gehirnreife<br />

zusammenhängen<br />

Weil ein Kind stetig lernt und seine<br />

Gehirnentwicklung in Dauerbetrieb<br />

läuft, müsste es auch viel schlafen.<br />

Das denken die meisten Eltern. Aus<br />

der Notwendigkeit des Schlafens<br />

aber eine bestimmte Dauer abzuleiten,<br />

ist problematisch. Denn der<br />

Schlafbedarf unter gleichaltrigen<br />

Kindern ist sehr unterschiedlich. Es<br />

gibt grosse und kleine Schläfer, solche,<br />

die sich rasch erholen, andere,<br />

die eine lange Schlafphase brauchen,<br />

um wieder auf die Beine zu kommen.<br />

Jedes Kind braucht also eine individuelle<br />

Zahl von Schlafstunden. Diese<br />

im Rahmen der jeweiligen Lebensund<br />

Entwicklungsphase zu erkennen<br />

vermögen: Darin liegt die wahre<br />

Herausforderung eines Elternlebens.<br />

Wie viel Schlaf braucht mein Kind?<br />

Wie viel ist normal? Und ab wann<br />

ist etwas nicht mehr normal?<br />

Eine tröstliche Antwort für die<br />

Eltern hat der Entwicklungspädiater<br />

Peter Hunkeler vom Schlafzentrum<br />

des Kinderspitals in Zürich zur<br />

Hand. Er sagt nämlich: «Es gibt kein<br />

sogenannt normales Schlafverhalten.»<br />

Bei gleichaltrigen Kindern<br />

könne die Differenz bis zu 6 Stunden<br />

12 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


ausmachen. Kenntnisse der normalen<br />

Entwicklung des kindlichen<br />

Schlafs seien für Eltern aber hilfreich,<br />

damit sie das Schlafverhalten<br />

ihres Kindes besser verstünden, sagt<br />

der Kinderarzt. «Kinder sind nicht<br />

einfach kleine Erwachsene, die<br />

etwas länger schlafen, sich aber<br />

sonst im Schlafverhalten von dem<br />

der Erwachsenen nicht unterscheiden»,<br />

so Hunkeler. Kinder schliefen<br />

anders. Sie müssen das Schlafen und<br />

vor allem das Durchschlafen erst<br />

erlernen: Die Schlafstruktur widerspiegelt<br />

immer den Reifungsprozess<br />

des Gehirns.<br />

Geheimnisvoller Schlaf<br />

Der Schlaf ist ein kompliziertes<br />

Gebilde. Bei Neugeborenen dauert<br />

ein Schlafzyklus nur eine Stunde. Je<br />

älter Kinder werden, desto weniger<br />

Schlaf brauchen sie. Wie viel, kann<br />

wie bei den Erwachsenen sehr verschieden<br />

sein. Zweijährige brauchen<br />

10 bis 16 Stunden täglich, Zehnjährige<br />

nur noch 8 bis 12 Stunden, Teenager<br />

wiederum 9 bis 10.<br />

Der Schlaf selbst besteht zu<br />

einem Grossteil aus leichtem Traumschlaf<br />

und nur zu einem kleinen Teil<br />

aus Tiefschlaf. Nach der Tiefschlafphase<br />

tauchen wir nach ungefähr<br />

60 Minuten auf, um am Ende des<br />

Zyklus für etwa 20 Minuten einen<br />

leichteren Traumschlaf zu durchleben,<br />

den sogenannten REM-Schlaf<br />

(Rapid Eye Movement). Dabei<br />

bewegen sich die Augen in dieser<br />

Phase schnell. Das Gehirn ist dann<br />

ähnlich aktiv wie im Wachzustand,<br />

wir zucken im Schlaf, atmen unregelmässig<br />

und sind leichter weckbar.<br />

Der REM-Schlaf wird anschliessend<br />

wieder vom Tiefschlaf abgelöst. Je<br />

näher der Morgen rückt, desto kürzer<br />

dauert der Tiefschlaf.<br />

Je jünger das Kind, desto länger<br />

dauern die REM-Phasen an, in der<br />

das Kind unregelmässig atmet, das<br />

Gesicht Grimassen schneidet und<br />

Arme und Beine zucken. Deshalb<br />

wachen gerade junge Kinder auch<br />

immer wieder auf, manchmal stündlich,<br />

so wie Sina: Sie hat noch nicht<br />

gelernt, zwischen den Schlafzyklen<br />

wieder einzuschlafen, wie das ältere<br />

Kinder und Erwachsene gelernt<br />

haben. Je älter ein Kind wird, desto<br />

mehr lernt es schlaftechnisch dazu.<br />

Die Unterschiedlichkeit von Tag<br />

und Nacht etwa, dass tagsüber<br />

Leben herrscht und nachts Ruhe.<br />

Allerdings ist auch hier individuell,<br />

wie sich das Gehirn entwickelt.<br />

Mit 24 Jahren, bei abgeschlossener<br />

Gehirnreifung also, dauert ein<br />

Schlafzyklus etwa 90 Minuten.<br />

Dabei wechseln sich leichtere Phasen<br />

mit Traumschlaf mit sol- >>><br />

Tipps gegen Schlafprobleme<br />

für Kinder zwischen 6 und 12 Jahren<br />

Kinder dieses Alters schlafen in der Regel schnell und<br />

mühelos ein, haben einen gesunden Schlaf und sind am<br />

Tag wach und ausgeschlafen. Schlafprobleme in diesem<br />

Lebensalter manifestieren sich eher in den Schlafenszeiten<br />

als im Schlaf selbst. Manche Kinder verschieben gerne die<br />

Zeit zum Schlafengehen, um fernzusehen, zu lesen oder<br />

Hausaufgaben zu machen. Es gibt keine allgemeingültige,<br />

optimale Schlafdauer, d. h., manche Kinder benötigen –<br />

ebenso wie Erwachsene – weniger Schlaf als andere. Es<br />

ist falsch, Kinder ins Bett zu schicken, obwohl sie nicht im<br />

Geringsten müde sind. Ein müdes Kind ist allerdings ein<br />

Anlass zur Sorge.<br />

Die vier grössten<br />

Mythen zum Schlaf<br />

1. Der Schlaf vor Mitternacht ist der beste.<br />

Stimmt nicht. Für das Erholungsgefühl am<br />

Morgen scheint zwar die erste Hälfte des<br />

Nachtschlafes am wichtigsten zu sein, denn da<br />

hat man besonders viele Tiefschlafanteile. Ob<br />

diese erste Hälfte allerdings vor oder nach<br />

Mitternacht liegt, sei egal, sagt Oskar Jenni vom<br />

Kinderspital Zürich.<br />

2. Man schläft die Nacht durch, ohne zu<br />

erwachen.<br />

Falsch. Durchschlafen ist auch für gute Schläfer<br />

nicht zwingend. Das nächtliche Aufwachen ist<br />

vielmehr ein ganz normales Phänomen und<br />

nicht krankhaft. Ohnehin erleben die meisten<br />

Schlafenden viel mehr Unterbrechungen, als sie<br />

glauben: Bis zu 10 Mal pro Stunde erwachen<br />

manche für einige Sekunden, bis zu 23 Mal pro<br />

Nacht sind sie länger als eine Minute munter.<br />

Alles, was unter 1 bis 2 Minuten bleibt, wird gar<br />

nicht bemerkt, und man kann sich am Morgen<br />

nicht daran erinnern. Erst wenn die Wachphase<br />

länger als 5 Minuten anhält, wird der Mensch<br />

sich dessen bewusst und ist tatsächlich wach.<br />

Dies passiert etwa 1 bis 4 Mal pro Nacht. Wer<br />

noch häufiger 5 Minuten oder länger wach liegt,<br />

empfindet seinen Schlaf als gestört.<br />

3. Frühaufsteher sind intelligenter als<br />

Langschläfer.<br />

Jein. Ein Frühaufsteher kann im Prinzip auch ein<br />

Langschläfer sein, wenn er schon frühabends<br />

ins Bett geht. Laut Oskar Jenni vom Kinderspital<br />

Zürich gibt es in der Literatur gewisse Hinweise,<br />

dass Kurzschläfer intelligenter sind.<br />

4. Kinder wachsen im Schlaf.<br />

Stimmt. In Studien stellte man tatsächlich fest,<br />

dass die Schlafdauer mit dem Wachstum<br />

zusammenhängt. Je länger das Kind schläft,<br />

desto eher gibt es Wachstumssprünge. In der<br />

Nacht werden jeweils Wachstumshormone<br />

ausgeschüttet, gerade während des Tiefschlafs.<br />

Die exakten Zusammenhänge zwischen<br />

Knochenwachstum und Schlaf sind jedoch noch<br />

unklar.<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 13


Rubrik<br />

Kinder schlafen anders<br />

als Erwachsene. Sie<br />

müssen das Schlafen<br />

und vor allem das<br />

Durchschlafen erst<br />

erlernen.<br />

14 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Dossier<br />

>>> chen mit festerem Tiefschaf<br />

ab. Dann beginnt ein neuer Zyklus.<br />

Schlafen wir ein, sinken wir zu<br />

Beginn der Nacht ziemlich schnell<br />

in eine tiefe Ruhe, aus der wir nur<br />

schwer zu wecken sind: Die Muskeln<br />

sind entspannt, und die Frequenz<br />

der Gehirnströme nimmt ab, je tiefer<br />

wir schlafen.<br />

20 bis 30 Prozent aller<br />

Kinder unter 6 Jahren<br />

haben Schlafstörungen.<br />

Nächtliche Karawanen sind total<br />

normal<br />

Viele Kinder haben irgendwann<br />

ihren Schlafrhythmus entwickelt. Es<br />

gibt aber auch Kinder, die Schwierigkeiten<br />

haben, selbst einen eigenen<br />

Rhythmus aufzubauen. Bei ihnen<br />

versagt das Sandmännchen, und die<br />

Eltern geraten in Unruhe. Dabei hätten<br />

sie keinen Grund dazu, sagt die<br />

moderne Schlafmedizin.<br />

Es gibt viele Gründe, warum ein<br />

Kind nachts aufwacht (obwohl es<br />

möglicherweise zuvor immer tief<br />

durchgeschlafen hat). «Nur in den<br />

seltensten Fällen steckt eine Entwicklungsstörung<br />

dahinter», sagt<br />

Kinderarzt Peter Hunkeler. Zahlen<br />

beweisen es. Schlafstörungen kennen<br />

fast alle Kinder. 20 bis 30 Prozent<br />

aller Kinder unter 6 Jahren haben<br />

Einschlaf- oder Durchschlafstörungen.<br />

10 Prozent der Kinder zwischen<br />

6 und 12 Jahren und 15 bis 20 Prozent<br />

der Jugendlichen klagen über<br />

Schwierigkeiten, einzuschlafen, oder<br />

über nächtliche Wachphasen.<br />

Gewiss, die Aussage des Mediziners<br />

beruhigt. Dennoch: Ein Kind,<br />

das regelmässig in der Nacht angetapst<br />

kommt und später hartknochig<br />

und schnaufend im Elternbett liegt,<br />

kann gehörig nerven. Schlafmangel<br />

lässt bekanntlich auch die liebevollsten<br />

Eltern zu Zombies werden –<br />

Entwicklungsphase hin, Mantra her.<br />

Obwohl dadurch die ganze Familie<br />

in Mitleidenschaft gezogen werden<br />

kann, sind diese Verhaltensstörungen<br />

nicht schädlich für das Kind<br />

und bedürfen keiner grossen medizinischen<br />

Abklärung, sagen die<br />

Mediziner. Oft reiche ein aufklärendes<br />

Gespräch und eine persönliche<br />

Beratung, so Hunkeler. Denn: Ein<br />

Kind kann nur so viel schlafen, wie<br />

es seinem persönlichen Bedarf entspricht.<br />

Muss es mehr Zeit im Bett<br />

verbringen, kommt es je nach Alter<br />

des Kinds zu Einschlaf- oder Durchschlafstörungen.<br />

Im Schlaf auftretende Störungen<br />

Eine häufige Version sind die sogenannten<br />

Aufwachstörungen. Dabei<br />

handelt es sich um ein unvollständiges<br />

Erwachen aus dem Tiefschlaf. Sie<br />

treten typischerweise in den ersten<br />

Stunden nach dem Einschlafen auf<br />

und sind häufige und an sich harmlose<br />

Schlafphänomene im Kleinkind-<br />

und Schulalter. Oft findet sich<br />

eine familiäre Häufung.<br />

Zu den Aufwachstörungen<br />

gehört der Pavor nocturnus, der<br />

sogenannte Nachtschreck im Kleinkindalter<br />

und das Schlafwan­ >>><br />

Schlafprobleme bei Jugendlichen<br />

Der Abschnitt zwischen dem 12. und 20. Lebensjahr<br />

ist eine Phase raschen Wachstums und<br />

rasanter Entwicklungen, die in ihrer Schnelligkeit<br />

nur in der Kindheit übertroffen wird. Studien<br />

haben belegt, dass Teenager durchschnittlich<br />

eine Stunde mehr Schlaf benötigen als in den<br />

Jahren davor. Wenn sie so lange schlafen könnten,<br />

wie sie wollten, würden sie durchschnittlich etwa<br />

9 bis 10 Stunden schlafen. Gewöhnlich schlafen<br />

Teenager aber 1 bis 2 Stunden weniger. Wegen<br />

Schlafmangel dösen sie im Unterricht ein und<br />

schlafen am Wochenende sehr lange, um die<br />

Schlafdefizite zu kompensieren.<br />

Sina (9) darf ab und<br />

zu im Elternbett<br />

übernachten.<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 15


Dossier<br />

6 Fragen an den Schlafforscher<br />

Herr Hunkeler, können Kinder zu wenig schlafen?<br />

Nein. Ein gesundes Kind nimmt sich den<br />

Schlaf, den es braucht.<br />

Kinder können Schlafdefizite gut wegstecken?<br />

Kurzzeitige Defizite auf jeden Fall. Bei einer<br />

Studie unter Jugendlichen zeigte sich beispielsweise<br />

kein Einfluss auf die Gedächtnisleistung<br />

und Aufmerksamkeit, ob sie während vier<br />

Nächten fünf oder neun Stunden schliefen. Die<br />

Tiefschlafdauer blieb bei allen Teilnehmern<br />

konstant.<br />

Manchmal will der Nachwuchs einfach nicht ins<br />

Bett, was zu unschönen Szenen führt.<br />

Das ist eine Frage der Normvorstellungen. Wir<br />

stellen fest, dass Eltern generell eine bestimmte<br />

Erwartungshaltung an ihr Kind haben, sei es<br />

in Bezug auf deren Verhalten, auf die schulischen<br />

Leistungen oder eben an deren Schlafbedürfnis.<br />

Was heisst das konkret?<br />

Sie beharren beispielsweise auf einer festen<br />

Schlafdauer und überschätzen nicht selten den<br />

kindlichen Schlafbedarf. Kinder sind aber sehr<br />

verschieden.<br />

Was bedeutet das für die Praxis?<br />

Man muss die Bettzeit an das individuelle<br />

Schlafbedürfnis anpassen, sonst kommt es zu<br />

den unschönen Szenen. Die Fehlinterpretation<br />

des kindlichen Schlafbedarfs, fehlende Tagesstrukturen<br />

sowie falsche Einschlafgewohnheiten<br />

sind die häufigsten Ursachen für Schlafstörungen<br />

im Kindesalter.<br />

Fast jedes dritte Kind hat Mühe, ein- oder durchzuschlafen.<br />

Warum sorgen sich die Eltern so?<br />

Wenige Eltern sprechen über die Schlafprobleme<br />

ihrer Kinder, weil sie denken, dass es sich<br />

um ein erzieherisches Problem handelt. Sie<br />

denken, sie seien der Fehler im System. Das<br />

kann zu grosser Verunsicherung und vielen<br />

Sorgen führen.<br />

Dr. Peter Hunkeler<br />

ist Kinderarzt FMH mit Schwerpunkt Entwicklungspädiatrie<br />

und Oberarzt an der Abteilung Entwicklungspädiatrie<br />

am Kinderspital Zürich.<br />

>>> deln im Schulalter. Der Nachtschreck<br />

tritt bei etwa 5 Prozent aller<br />

Kinder auf, beginnt meist mit 2 bis<br />

3 Jahren und erreicht eine Häufung<br />

um 6 bis 7 Jahren. Beim Nachtschreck<br />

ist das Kind ausser sich, es<br />

schreit, schwitzt; es ist nicht<br />

ansprechbar und kann auch nicht<br />

geweckt werden. Nach fünf Minuten<br />

ist die Episode vorbei, das Kind<br />

schläft sofort wieder ein und erinnert<br />

sich am Morgen danach auch<br />

nicht mehr daran.<br />

Beim Schlafwandeln sind die<br />

Kinder ruhig, stehen aber plötzlich<br />

auf und gehen herum. Sie können<br />

dabei Türen und sogar Fenster öffnen.<br />

In beiden Fällen raten Kinderärzte<br />

Eltern, beim Kind zu sein, es<br />

aber nicht zu wecken, sondern es vor<br />

Verletzungen oder ungesicherten<br />

Türen zu schützen.<br />

Auch Angstträume sind sogenannte<br />

Aufwachstörungen. Sie treten<br />

in der zweiten Nachthälfte und<br />

im REM-Schlaf auf. Das Kind ist<br />

wach, weint oder schreit und ruft<br />

nach den Eltern, weil es getröstet<br />

werden will. Auslöser ist ein Angsttraum,<br />

an den sich das Kind auch<br />

erinnert. Auch die neunjährige Sina<br />

kennt sie. «Wenn ich böse Träume<br />

habe, träume ich von Räubern oder<br />

Einbrechern», erzählt sie. Dann geht<br />

sie zu Mama und Papa ins Bett. Dort<br />

ist dann alles gut.<br />

Schlafstörungen mit organischer<br />

Ursache<br />

Daneben gibt es zahlreiche Störungen<br />

des Schlafes, von denen auch<br />

Kinder betroffen sind, die aber weit<br />

seltener als die oben beschriebenen<br />

Formen sind. Das obstruktive<br />

Schlafapnoe-Syndrom (OSAS) etwa<br />

gehört dazu. Es ist eine Störung der<br />

Atmung während des Schlafs, die auf<br />

einer Verengung der oberen Atemwege<br />

beruht. Betroffene Kinder<br />

schnarchen, haben wiederholt Atempausen,<br />

schwitzen und schlafen<br />

unruhig. Etwa 10 Prozent aller Kinder<br />

schnarchen im Schlaf, aber nur<br />

1 Prozent davon hat ein Schlafapnoe-Syndrom.<br />

Begleiterscheinungen<br />

können Tagesmüdigkeit oder Hyperaktivität<br />

sein. Die Atempausen können<br />

zu Sauerstoffmangel mit Auswirkungen<br />

auf das Gehirn und das<br />

Herz führen. Die Diagnose zur OSAS<br />

erfolgt deshalb im Schlaflabor durch<br />

eine apparative Überwachung.<br />

Eine andere sehr seltene Erkrankung<br />

– nur 0,1 Prozent der Bevölkerung<br />

ist davon betroffen – ist die<br />

Narkolepsie. Narkoleptische Kinder<br />

können beim Sprechen, Essen oder<br />

sogar auf dem Fahrrad plötzlich einschlafen.<br />

Die Dauer solcher Schlafattacken<br />

reicht von wenigen Sekunden bis zu<br />

einer halben Stunde. Im frühen Stadium<br />

der Narkolepsie haben Kinder<br />

oftmals enorme Schwierigkeiten,<br />

morgens aus dem Bett zu kommen.<br />

Kurz nach dem Aufstehen sind sie<br />

verwirrt, aggressiv und werden<br />

leicht ausfallend.<br />

«Es ist sehr wichtig, Narkolepsie<br />

frühzeitig zu erkennen, da Tagesschläfrigkeit<br />

die Leistungsfähigkeit<br />

in der Schule stark beeinträchtigen<br />

kann und Lehrer wie Schüler bei<br />

mangelnder Aufklärung die Symptome<br />

oft fälschlicherweise als Faulheit<br />

und Lustlosigkeit werten», sagt<br />

Peter Hunkeler. Klagt das (Schul-)<br />

Kind über grössere Müdigkeit tagsüber,<br />

braucht es nach der Schule<br />

einen Mittagsschlaf oder schläft<br />

beim Lesen oder Fernsehen immer<br />

wieder ein, kann es sich um eine<br />

Tagesschläfrigkeit handeln.<br />

Tagesmüdigkeit kann viele Ursachen<br />

haben, beispielsweise eine<br />

inadäquate Schlafhygiene, neurologische<br />

und psychiatrische Störungen,<br />

schlafbezogene Atmungsstörungen<br />

oder auch die Einnahme<br />

bestimmter Medikamente. Bekommt<br />

das Kind nicht genug erholsamen<br />

Schlaf, können Stimmungsschwankungen,<br />

Aufmerksamkeits- und<br />

Gedächtnisstörungen sowie eine<br />

Beeinträchtigung komplexer und<br />

kreativer Denkvorgänge resultieren.<br />

Besonders Teenager kennen das<br />

verzögerte Schlafphasensyndrom.<br />

16 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Sie klagen darüber, dass sie erst kurz<br />

vor Mitternacht einschlafen können<br />

und grosse Mühe haben, rechtzeitig<br />

zur Schule aufzustehen. Dadurch<br />

ergeben sich auch für die Eltern Probleme,<br />

die sich oft darüber beschweren,<br />

dass sie ihr Kind jeden Morgen<br />

regelrecht aus dem Bett zerren müssen.<br />

Dieses Syndrom muss nicht<br />

bedenklich sein.<br />

Für Eltern ist wichtig zu wissen,<br />

dass das schlafinduzierende Melatonin<br />

bei Jugendlichen später ausgeschüttet<br />

wird als bei Kindern vor der<br />

Pubertät. Deshalb können Teenager<br />

erst gegen 22 Uhr oder später einschlafen.<br />

«Bei vielen Teenagern<br />

wirkt eine Radikalkur über ein oder<br />

zwei Wochen», sagt Peter Hunkeler.<br />

Während dieser sogenannten<br />

Schlafrestriktion schläft der Teenager<br />

so wenig, dass er beispielsweise<br />

am Freitagabend so müde ist, dass<br />

er von selbst einschläft, meist vor<br />

Mitternacht. Am Sonntag sollte er<br />

dann zu der an Schultagen üblichen<br />

Zeit aufstehen respektive geweckt<br />

werden. Aber auch hier gelte es, so<br />

Hunkeler, die Variabilität der Schlafdauer<br />

zu beachten. Ein 16-Jähriger<br />

benötigt zwischen 6,5 und 9,5 Stunden<br />

Schlaf pro Nacht. Ein Kurzschläfer<br />

also kann dann nicht um<br />

22 Uhr ins Bett geschickt werden,<br />

weil er sonst zu allzu früher Stunde<br />

erwacht.<br />

Die Schlaf-Wach-Zeiten sollten<br />

von nun an regelmässig – also auch<br />

am Wochenende –<br />

eingehalten werden.<br />

Diesem Teenager<br />

hilft eine von<br />

den Eltern vorgegebe<br />

Tagesstruktur<br />

mit festgelegten<br />

Zeiten, damit das Kind seine innere<br />

Uhr einstellen kann, sagt der Schlafexperte.<br />

Lerche oder Eule?<br />

Und dann gibt es ja noch die Lerchen<br />

und die Eulen. Leon (11) ist eines<br />

dieser Morgenkinder. Schon als<br />

Baby bereitete ihm Aufstehen >>><br />

Um sechs Uhr in<br />

der Früh schon<br />

fit: Leon (11) ist<br />

eine typische<br />

Lerche. Ein<br />

Morgenkind.<br />

Die meisten<br />

Schlafstörungen lassen sich<br />

erfolgreich therapieren.<br />

Tipps für Jugendliche<br />

(Schlafhygiene)<br />

Verzichte auf Nikotin und geh erst<br />

zu Bett, wenn du dich müde fühlst.<br />

Körperliche Anstrengungen, Mahlzeiten<br />

und Koffeinkonsum sollten<br />

zwei Stunden vor dem Zubettgehen<br />

vermieden werden, weil sie das<br />

Einschlafen erschweren können.<br />

Widme dich vor dem Schlafengehen<br />

einer ruhigen Tätigkeit und<br />

verzichte auf Radio, Fernsehen,<br />

Computer und Telefon.<br />

Im Schlafzimmer sollte es nachts<br />

dunkel sein; auf der Toilette nur<br />

gedämpftes Licht verwenden.<br />

Versuche, immer zur gleichen Zeit<br />

aufzustehen – auch am Wochenende.<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 17


Dossier<br />

>>> um 6 Uhr keine Schwierigkeit.<br />

Ein typisches Morgenkind, das seine<br />

beste Zeit vor Mittag hat. Selbst bei<br />

Übernachtungspartys ist er der erste,<br />

der morgens aufsteht. Er kann<br />

einfach nicht anders – und findet das<br />

auch nicht schlimm: «Dann habe ich<br />

doch viel mehr vom Tag», sagt er. Er<br />

würde zwar gerne einmal am Morgen<br />

länger schlafen, weil das seine<br />

Kollegen auch tun, gesteht er. «Doch<br />

das ist nicht so einfach.»<br />

Seine Schulkollegin Lisa und<br />

auch deren kleine Schwester Sina<br />

sind das pure Gegenteil. Beide<br />

machen gern die Nacht zum Tag.<br />

Sogar die Siebenjährige geht selten<br />

vor halb zehn ins Bett, erzählt ihre<br />

Mutter Brigitte. «Sie ist eine totale<br />

Nachtrakete.» Ein Kind beispielsweise,<br />

das erst gegen den späteren<br />

Abend müde wird, sollte nicht<br />

bereits um 19 Uhr ins Bett gelegt<br />

werden, stellt auch eine neue Studie<br />

des Kinderspitals Zürich zur Schlafphysiologie<br />

fest.<br />

Überhaupt hätte sie Kinder, die<br />

sich rein gar nichts aus Schlaf<br />

machen würden. «Nach fast elf Jahren<br />

habe ich mich daran gewöhnt»,<br />

meint Brigitte lakonisch. Besonders<br />

schlimm war aber der Satz: «Was?<br />

Dein Kind schläft immer noch nicht<br />

durch?» Damit könne man eine<br />

Mutter so richtig fertigmachen.<br />

Das unterschreibt auch Kinderarzt<br />

Peter Hunkeler. In Zeiten, in<br />

denen schon Kleinkinder immer<br />

mehr normiert werden, in dem sie<br />

sich in eine ganz bestimmte Richtung<br />

entwickeln sollen, gewinnt die<br />

Schlafentwicklung noch mehr an<br />

Bedeutung. «Die gesellschaftliche<br />

Erwartung, dass ein Kind spätestens<br />

mit sechs Monaten alleine und<br />

durchschlafen sollte, setzt viele Eltern<br />

unter grossen Druck», erzählt er.<br />

Der finale Rat des Mediziners:<br />

Mehr auf ihren Instinkt zu hören.<br />

Weniger Ratgeberbücher lesen. Und<br />

einen gelassenen Spruch parat<br />

haben, wenn auf dem Spielplatz, am<br />

Elternabend auf zu kleinen Stühlen<br />

oder beim Essen mit Freunden einer<br />

der vielen Elternbluffs zu hören ist.<br />

Denn der hemmungslose Drang<br />

zum (meist weiblichen) Kräftemessen<br />

mit dem heranwachsenden Kind<br />

hört ja bekanntlich auch nicht auf,<br />

wenn das Kind 1,90 Meter gross ist<br />

und türbreite Schultern hat.


Was Sie über Schlaf wissen müssen<br />

Schlafdauer, Depressionen<br />

und Suizidgedanken bei<br />

Jugendlichen zwischen<br />

13 und 18 Jahren<br />

Anteil der befragten Jugendlichen<br />

25%<br />

20%<br />

15%<br />

10%<br />

5%<br />

0%<br />

5h 6h 7h 8h 9h 10h<br />

Schlafdauer an Wochentagen<br />

Erhöhte<br />

Depressivität<br />

Suizidgedanken<br />

in den letzten<br />

12 Monaten<br />

Quelle: Gangwisch, J. E., Babiss, L. A., Malaspina, D., Turner, J. B., Zammit,<br />

G. K., & Posner K. (2<strong>01</strong>0). Earlier parental set bedtimes as a protective<br />

factor against depression and suicidal ideation. Sleep, 33, 97–106.<br />

Gründe, warum Jugendliche zu Bett gehen<br />

Meine Eltern wollen das …<br />

Müdigkeit<br />

Fertig mit den Hausaufgaben<br />

Nichts Spannendes im TV<br />

Geschwister gehen auch schlafen<br />

Zurück von den Freunden<br />

Zurück vom Hobby<br />

Zurück vom Sport<br />

Andere Gründe<br />

Meine Eltern wollen das …<br />

Müdigkeit<br />

Fertig mit den Hausaufgaben<br />

Nichts Spannendes im TV<br />

Geschwister gehen auch schlafen<br />

Zurück von den Freunden<br />

Zurück vom Hobby<br />

Zurück vom Sport<br />

Andere Gründe<br />

Meine Eltern wollen das …<br />

Müdigkeit<br />

Fertig mit den Hausaufgaben<br />

Nichts Spannendes im TV<br />

Geschwister gehen auch schlafen<br />

Zurück von den Freunden<br />

Zurück vom Hobby<br />

Zurück vom Sport<br />

Andere Gründe<br />

12 – 13 Jahre<br />

14 – 15 Jahre<br />

> 16 Jahre<br />

0% 20% 40% 60% 80% 100%<br />

Quelle: Leiden Jugendliche an chronischem Schlafentzug? Studie des University Medical Center Universität Freiburg und des<br />

Central Institute of Mental Health Mannheim, 2008.<br />

9 Stunden<br />

Schlaf brauchen Jugendliche nach ihrer Selbsteinschätzung<br />

pro Nacht, das geht aus einer Studie der<br />

Universität Freiburg und dem Central Institute of Mental<br />

Health Mannheim hervor. Faktisch schlafen aber während<br />

der Woche weniger als 90 Prozent 9 Stunden, den fehlenden<br />

Schlaf holen sie in der Regel am Wochenende nach.<br />

«1 Stunde vor dem Zubettgehen sollten<br />

Jugendliche mit Einschlaf problemen<br />

das Handy ausschalten beziehungsweise<br />

ganz auf den Gebrauch von<br />

elektronischen Medien verzichten.»<br />

Kinder im Elternbett<br />

Kinder in Prozent<br />

40<br />

Alle Häufigkeiten<br />

35<br />

Jede Nacht<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

0<br />

0,5 1 1,5 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15<br />

Dr. Sakari Lemola, Entwicklungs- und<br />

Persönlichkeitspsychologe sowie Assistenzprofessor<br />

an der Universität Basel.<br />

Quelle: Remo Largo, «Babyjahre».<br />

Alter in Jahren<br />

Noch mehr Infografiken finden Sie online unter www.fritzundfraenzi.ch.<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 19


Dossier<br />

Kampfzone Familienbett?<br />

Für die einen sind sie selbstverständlich, für die anderen ein grosses Übel:<br />

die Nächte, in denen ganze Karawanen von Kindern unterwegs sind,<br />

um unter die elterliche Decke zu kriechen. Dabei haben die nächtlichen<br />

Wanderungen wenig mit verwöhnten Kindern zu tun. Text: Claudia Landolt<br />

Es ist völlig normal, dass<br />

viele Kinder plötzlich nicht<br />

mehr allein schlafen wollen.<br />

Wer kennt es nicht: das<br />

Buch «Jedes Kind<br />

kann schlafen lernen»<br />

der Psychologin<br />

Annette Kast-Zahn. Es ist 2006<br />

erschienen und der meistverkaufte<br />

deutsche Elternratgeber aller Zeiten<br />

– und wohl der umstrittenste. In den<br />

Amazon-Bewertungen beispielsweise<br />

dankt eine Gruppe Leser der<br />

Autorin aus tiefstem Herzen. Für<br />

andere wiederum ist das Buch das<br />

Feindbild schlechthin. Dazwischen<br />

gibt es wenig.<br />

Während Säuglinge im Elternbett<br />

noch einen gewissen Toleranzwert<br />

geniessen, reagieren viele Eltern<br />

(und deren Umfeld) bei älteren Kindern,<br />

die – plötzlich oder immer<br />

wieder – nicht alleine nächtigen<br />

wollen, kritisch. Offen thematisiert<br />

wird die Karawanserei ab Mitternacht<br />

dementsprechend selten. Entsprechend<br />

hoch ist die Dunkelziffer<br />

jener Zahl von Müttern und Vätern,<br />

die ihre Kinder immer wieder ins<br />

eigene Bett lassen, weil ihnen die<br />

Energie fehlt, minutenlang im abgedunkelten<br />

Kinderzimmer zu liegen,<br />

das schwitzige Händchen zu<br />

halten oder auf das Sandmännchen<br />

zu hoffen.<br />

Experten für den kindlichen<br />

Schlaf geben nun Entwarnung. Es<br />

sei ein vollkommen natürlicher<br />

Zustand, dass Kinder ab dem zweiten<br />

Lebensjahr plötzlich nicht mehr<br />

allein schlafen wollen, heisst es aus<br />

dem Zürcher Kinderspital. Es sei das<br />

Alter, in welchem sie sich langsam<br />

von ihren Eltern ablösen, ihre Autonomie<br />

entwickeln und sich als eigene<br />

Person wahrnehmen.<br />

Dabei kommt es nachts manchmal<br />

zu Verlassenheitsgefühlen.<br />

«Zwischen zwei und vier Jahren tritt<br />

unter anderem das magische Denken<br />

ein», sagt Dr. Peter Hunkeler,<br />

Oberarzt Entwicklungspädiatrie des<br />

Kinderspitals Zürich. «Eine sehr<br />

bildhafte, reale Fantasie kann dazu<br />

führen, dass sich ein Kind einsam<br />

fühlt.»<br />

Schlaf ist eine kulturelle<br />

Angelegenheit<br />

Anhänger des Familienbettes stützen<br />

sich in ihrer Argumentation gerne<br />

auf die Kulturgeschichte des Schlafes.<br />

Es sei keineswegs Zufall, wie wir<br />

schlafen, mit wem wir den Schlafplatz<br />

teilen und wo wir schlafen wür-<br />

den. «Während des grössten Teils der<br />

Menschheitsgeschichte schliefen<br />

Babys und Kinder bei ihren Müttern<br />

oder bei beiden Eltern», sagt die<br />

US-Anthropologin Meredith<br />

F. Small, eine berühmte Verfechterin<br />

des Familienbetts.<br />

Noch heute ist in afrikanischen<br />

und lateinamerikanischen Ländern<br />

der gemeinsame Schlafplatz üblich.<br />

Aber auch in asiatischen Ländern<br />

wie Japan ist es selbstverständlich,<br />

dass das kleine Kind nicht allein<br />

schläft. Und so schlafen dort 60 Prozent<br />

der Kinder bei den Eltern. Im<br />

Familienbett lernt es, so die Philosophie,<br />

sich in eine Gemeinschaft<br />

einzufügen.<br />

In Indonesien wiederum gilt die<br />

Praxis, ein Kind in einem eigenen<br />

Zimmer in seinem eigenen Bett<br />

allein schlafen zu lassen, als eine<br />

Form der Kindesvernachlässigung.<br />

Die Ausnahme Europa<br />

In den westlichen Industrienationen<br />

dominiert ein anderes Schlafkonzept.<br />

In Ländern wie der Schweiz,<br />

Deutschland oder auch Frankreich<br />

wurde eine frühe Selbständigkeit<br />

und Unabhängigkeit, auch nächtens,<br />

als Tugend angesehen.<br />

Ein Blick auf Zahlen illustriert<br />

dies. In den USA schlafen 66 Pro-<br />

20 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


zent der kleineren Kinder nicht im<br />

Elternbett, in Grossbritannien sind<br />

es 46 Prozent. Je älter das Kind wird,<br />

desto grösser wird dieser Anteil.<br />

Ein ähnliches Bild zeigt sich in<br />

der Schweiz. Nur etwa 5 Prozent der<br />

Einjährigen verbringen die Nacht<br />

bei den Eltern, bei den Vierjährigen<br />

sind es immerhin schon 13 Prozent.<br />

Danach flacht das Familienbett wieder<br />

etwas ab. Nur 2 Prozent aller<br />

Zehnjährigen tapsen nächtens regelmässig<br />

zum Bett von Mama und<br />

Papa – sagt die offizielle Statistik.<br />

Die Zahl jener Kinder, die in unregelmässigen<br />

Abständen die Nähe zu<br />

den Eltern suchen, ist jedoch viel<br />

höher, wie eine Langzeitstudie des<br />

Kinderspitals Zürich zeigt.<br />

Familienbett als Entwicklungsvorteil?<br />

Ein anderes, oft platziertes Argument<br />

für das Familienbett ist die<br />

Kindesentwicklung. Zahlreiche Verfechter<br />

des Co-Sleepings weisen<br />

darauf hin, wie positiv sich der<br />

gemeinsame Schlaf auf die emotionale<br />

und psychologische Entwicklung<br />

des Kindes auswirke.<br />

Der bekannte US-Kinderarzt James<br />

McKenna gehört dazu. Sein Fazit<br />

verschiedener Untersuchungen lautet:<br />

Kinder, die gemeinsam mit ihren<br />

Eltern schlafen, sind glücklicher,<br />

ausgeglichener und weniger ängstlich<br />

und hatten als Erwachsene ein<br />

höheres Mass an Selbstbewusstsein<br />

und waren beziehungsfähiger als<br />

Menschen, die als Kind durchwegs<br />

allein schliefen.<br />

Tote Hose im Familienbett?<br />

Argumente, die es vielen Eltern<br />

schwermachen, das Elternschicksal<br />

von zerstückelten Nächten im<br />

gemeinsamen Bett grundsätzlich in<br />

Frage zustellen. Die Frage, wo Familie<br />

anfängt und wo sie aufhört,<br />

beschäftigt früher oder später jedoch<br />

alle Mütter und Väter. Im Fokus steht<br />

dabei oft die Sexualität. Nicht wenige<br />

sind der Ansicht, der Familienschlaf<br />

beeinflusse die ohnehin durch<br />

Kinder bereits strapazierte Sexualität<br />

der Eltern noch mehr. Ganz nach<br />

dem Motto: Das Kind in der Besucherritze<br />

verunmögliche die Erotik.<br />

Eltern seien deshalb gut beraten,<br />

offen und ehrlich darüber zu sprechen,<br />

ob ein Familienbett für beide<br />

akzeptabel sein könnte – und das<br />

auch noch nach einigen Wochen<br />

Praxis.<br />

«Ein Elternpaar muss sich klar<br />

darüber werden, wie und wo es seinen<br />

intimen Raum bewahren möchte,<br />

in dem persönliche Entspannung,<br />

aber auch Sexualität Platz hat»,<br />

erklärt Catherine Bernhart, Fachpsychologin<br />

FSP für Kinder- und<br />

Jugendpsychologie und Psychotherapie.<br />

Kinder, die gemeinsam mit<br />

ihren Eltern schlafen, sind<br />

glücklicher, ausgeglichener<br />

und weniger ängstlich.<br />

Familienbett in der<br />

Kritik: Das Kind in<br />

der Besucherritze<br />

verhindert<br />

spontanen Sex.<br />

Foto: Gabi Vogt / 13Photo<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 21


Dossier<br />

Ist das Handy an den<br />

Schlafstörungen schuld?<br />

Der zunehmende Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen hat<br />

Auswirkungen auf das Schlafverhalten. Der Grund liegt am blauen Licht.<br />

Es gaukelt dem Körper vor, dass Tag ist. Text: Claudia Landolt<br />

Regel Nummer 1:<br />

Das Bett ist handyfreie<br />

Zone. Ein normaler<br />

Wecker tut es auch.<br />

Eine Umfrage der USamerikanischen<br />

Schlafstiftung<br />

(National Sleep<br />

Foundation) ergab 2<strong>01</strong>4,<br />

dass Kinder schlechter<br />

schlafen, wenn sie Handys, Computer<br />

oder Fernseher in ihren Zimmern<br />

haben. Fast drei Viertel der<br />

befragten Kinder zwischen sechs<br />

und siebzehn Jahren besassen mindestens<br />

ein elektronisches Gerät,<br />

wobei die Spanne von Fernseher,<br />

Computer und Spielkonsolen bis hin<br />

zu Tablets und Smartphones reicht.<br />

Die Untersuchung ergab, dass diese<br />

Schulkinder insgesamt schlechter<br />

schliefen als jene, die kein Gadget<br />

in ihren Zimmern hatten. Schlafstörungen<br />

kamen fast täglich vor.<br />

Eine andere Untersuchung der<br />

Stony Brook University, NY um Dr.<br />

Jill Creighton ergab, dass Kinder<br />

und Jugendliche, die ein Smartphone<br />

besitzen, bis zu einer Stunde<br />

Foto: Gabi Vogt / 13Photo<br />

22 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


weniger schliefen als ihre Altersgenossen.<br />

Besonders Jugendliche<br />

überprüfen auf iPhone und Co. die<br />

Uhrzeit, wenn sie nachts wach werden.<br />

Das Licht des Displays unterbricht<br />

jedoch den Schlafzyklus und<br />

man schläft wesentlich schlechter<br />

ein. Schuld daran ist das blaue LED-<br />

Licht des Displays. Dieses Kunstlicht<br />

ist ein kurzwelliges Licht mit erhöhtem<br />

Blauanteil im Lichtspektrum,<br />

wie es sich in Beleuchtungen mit<br />

LED oder Leuchtdioden findet. Die<br />

Spektralfarbe Blau wiederum senkt<br />

den Melatoninspiegel und hält das<br />

Gehirn wach – ein Effekt, der am<br />

Abend vor allem bei Schulkindern<br />

wohl eher unerwünscht ist.<br />

Mit einer Blaulicht-Dusche ins Bett<br />

«Wer um Mitternacht noch seine<br />

E-Mails oder SMS checkt, bringt<br />

seine innere Uhr durcheinander»,<br />

sagt Christian Cajochen, der Leiter<br />

des Zentrums für Chronobiologie an<br />

den Psychiatrischen Universitären<br />

Kliniken Basel. In jüngster Zeit habe<br />

es sich gezeigt, dass die Menschen<br />

spezielle Sinneszellen im Auge<br />

haben, die auf blaues Licht reagieren<br />

und dem Hirn mitteilen, ob es den<br />

Körper wach oder schlafbereit halten<br />

soll. Bisher gab es aber nur wenige<br />

valide Daten, die der Frage nachgingen,<br />

ob das Licht der LED-Monitore<br />

tatsächlich ausreicht, um den Tag-<br />

Wach-Rhythmus zu stören und den<br />

Schlaf zu verzögern.<br />

In einem weiteren Experiment<br />

wählten die Forscher einen anderen<br />

Ansatz. Sie testeten direkt die Auswirkungen<br />

auf den Schlaf bei<br />

Jugendlichen. Umfrageergebnissen<br />

zufolge verbringen diese knapp viereinhalb<br />

Stunden am Tag vor dem<br />

Fernseher, am Computer oder<br />

Smartphone. 95 Prozent checken<br />

noch regelmässig vor dem Schlafengehen<br />

ihre Social-Media-Seite oder<br />

ihre Chats. «Viele gehen mit einer<br />

richtigen Blaulicht-Dusche ins<br />

Bett», sagt Cajochen. Die Forscher<br />

gaben nun Jugendlichen Brillen mit<br />

oder ohne Blaulichtfilter und unter-<br />

suchten den Schlaf am Freitagabend<br />

nach einer Schulwoche. Nach einer<br />

Woche fanden die Forscher bei den<br />

Teilnehmern mit Brillen mit Filter<br />

deutlich höhere Melatoninwerte als<br />

bei den Probanden mit Brillen ohne<br />

Filter. «Je länger man abends am<br />

Licht ist, auch am Computerschirm,<br />

desto länger meint die innere Uhr,<br />

es sei Tag», so Cajochen.<br />

Wer also zu Schlafproblemen<br />

tendiert, sollte das Leuchten solcher<br />

Geräte in der Zeit nach Sonnenuntergang<br />

und vor dem Zu-Bett-<br />

Gehen möglichst meiden, raten die<br />

Schlafforscher.<br />

Go offline – und fünf weitere Tipps<br />

von Jill Creighton für Eltern<br />

1 Entwickeln Sie eine Zu-Bett-Geh-Routine, egal wie<br />

alt ihr Kind ist. Das kann ein Bad sein, ein Buch<br />

lesen oder ruhige (!) Musik hören.<br />

2 Go offline! Die Stunde vor dem Schlafengehen ist<br />

elektronikfreie Zone. Die Kinder sollten an einem<br />

definierten Ort in der Wohnung – beispielsweise<br />

in der Küche oder im Wohnzimmer – ihre Gadgets<br />

einstecken und über Nacht dort lassen.<br />

3 Das Bett ist handyfreie Zone. Ein normaler<br />

Wecker tut es auch.<br />

4 Falls das Kind sein Smartphone nicht ausschaltet,<br />

sollte man die Screening-Zeit runterhandeln.<br />

30 Minuten pro Woche weniger online sind ein<br />

guter Anfang. Idealerweise limitieren Eltern die<br />

Online-Zeit auf 60 Minuten pro Tag. So viele<br />

Minuten, wie das Kind am Handy hängt, sollte<br />

es sich auch bewegen.<br />

5 Das pubertierende Kind vom Sofa oder aus dem<br />

Zimmer zu kriegen, kann zur elterlichen Herausforderung<br />

werden. Sport oder Bewegung wird<br />

gerne als langweilige Pflichtübung empfunden.<br />

Creighton rät zur Kreativität. Ein 20-minütiger<br />

Spaziergang, 30 Minuten Basketball, aber auch<br />

Ämtli und Hausarbeit wie Staubsaugen, Schneeschaufeln<br />

oder Rasenmähen zählen zu entsprechender<br />

Aktivität, die je nachdem monetär<br />

entschädigt werden.<br />

6 Gute Gewohnheiten etablieren. Am Esstisch vom<br />

Smartphone oder Fernsehen abgelenkt zu sein,<br />

führt zu eigenartigen Tischmanieren. Die Eltern<br />

müssen hier mit gutem Beispiel vorangehen.<br />

Sommersaison 2<strong>01</strong>5:<br />

17. Juni bis 18. Oktober<br />

Tel +41 (0)81 838 51 00<br />

www.waldhaus-sils.ch<br />

Auch diesen<br />

Sommer möchten<br />

wir eure Ferien<br />

zum Abenteuer<br />

machen!<br />

Für die Kids:<br />

Schnitzen, Piratenfest,<br />

Basteln, Kochen.<br />

Für die Teens:<br />

Klettern im Hochseilpark,<br />

Tennis, Graffiti-<br />

Workshop, Film und<br />

Comic, Stand up Paddle<br />

Kurs, Windsurfing und<br />

vieles mehr!<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5<br />

<br />

15<strong>01</strong>08_Waldhaus_Fritz & Fränzi.indd 1 08.<strong>01</strong>.15 15:46


Dossier<br />

Wie Schulkinder sich<br />

schlauschlafen<br />

Es ist für die Lernleistung wichtig, dass sich Kinder während<br />

der Nacht erholen. Denn im Schlaf regeneriert sich die<br />

Hirnfunktionalität, und Gedächtnisinhalte werden gefestigt.<br />

Text: Kerstin Hödlmoser<br />

«Ein Mittagsschlaf bei<br />

Kindern unterstützt<br />

das Speichern von<br />

neu Gelerntem.»<br />

Dr. Kerstin Hödlmoser ist Assistenzprofessorin,<br />

Schlafforscherin und<br />

Co-Leiterin des Labors für Schlaf-,<br />

Kognitions- und Bewusstseinsforschung<br />

an der Universität Salzburg.<br />

Umfragen zeigen, dass<br />

viele Kinder bereits<br />

im Volksschulalter<br />

ein grosses Schlafdefizit<br />

aufweisen und<br />

eine bemerkenswerte Anzahl von<br />

ihnen unter Schlafproblemen leidet.<br />

Eine wesentliche Voraussetzung der<br />

individuellen Lerneffizienz eines<br />

Kindes ist seine Tagesbefindlichkeit.<br />

Und diese steht wiederum in engem<br />

Zusammenhang mit der Erholsamkeit<br />

des Schlafes. Zudem erfüllt der<br />

Schlaf zwei für das Lernen wichtige<br />

Funktionen: die Regeneration der<br />

Hirnfunktionalität nach den Tagesbelastungen<br />

und die Festigung von<br />

neu gelernten Gedächtnisinhalten.<br />

Lerninhalte speichern im Schlaf<br />

Lernen ist ein stufenweiser Prozess.<br />

Zunächst wird neues Material aktiv<br />

trainiert. Anschliessend werden neu<br />

gelernte Inhalte eingespeichert, was<br />

unter anderem im Schlaf passiert. Zu<br />

einem späteren Zeitpunkt können<br />

diese neuen, erfolgreich gespeicherten<br />

Informationen dann abgerufen<br />

werden.<br />

Forschungsergebnisse zeigen,<br />

dass prozedurales Lernen – also das<br />

Erlernen und Einprägen von Fertigkeiten,<br />

Bewegungsmustern und körperlichen<br />

Abläufen wie Radfahren<br />

– vor allem im Rapid-Eye-Movement-<br />

oder REM-Schlaf stattfindet.<br />

Das deklarative Gedächtnis, also das<br />

Erinnern von Fakten und Episoden,<br />

geschieht im sogenannten Non-<br />

REM-Schlaf, in welchem Inhalte des<br />

deklarativen Gedächtnissystems<br />

reaktiviert und dadurch vom Kurzzeitspeicher<br />

(Hippocampus) in den<br />

Langzeitspeicher (Neokortex) des<br />

Gehirns transferiert werden.<br />

Während dieses Prozesses treten<br />

spezielle Gehirnstrommuster, sogenannte<br />

Schlafspindeln, auf. Wir wissen<br />

heute, dass Anzahl und Stärke<br />

dieser Schlafspindeln die Gedächtnisleistung<br />

beeinflussen. Dieser<br />

Zusammenhang wurde bisher<br />

anhand von Untersuchungen mit<br />

Erwachsenen belegt. Wir konnten<br />

ähnliche Ergebnisse nun auch bei<br />

Schulkindern feststellen.<br />

In einer Untersuchung mit 54<br />

Salzburger Viertklässlern im Alter<br />

von acht bis elf Jahren forschten wir<br />

nach Zusammenhängen zwischen<br />

Schlafqualität und kognitiven Leistungen.<br />

Hierfür haben wir zuerst<br />

nach den Schlafgewohnheiten der<br />

Kinder gefragt, um mögliche den<br />

Schlaf störende Umweltfaktoren wie<br />

Licht, Lärm, Hitze oder Kälte auszuschliessen.<br />

Dann haben die Kinder<br />

an einem allgemeinen Test zu Intelligenz<br />

und emotionalen Fähigkeiten<br />

teilgenommen. Schliesslich haben<br />

wir ihre Schlafgewohnheiten eine<br />

Woche lang aufgezeichnet.<br />

Die Kinder führten ein Schlaftagebuch<br />

und trugen einen sogenannten<br />

Aktigrafen, ein Messgerät<br />

24 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Jacobs Foundation<br />

Als eine der weltweit führenden<br />

gemeinnützigen Stiftungen<br />

verpflichtet sich die Jacobs<br />

Foundation seit 25 Jahren der<br />

Forschungsförderung im Bereich<br />

der Kinder- und Jugendentwicklung.<br />

Die Stiftung möchte<br />

künftige Generationen durch die<br />

Verbesserung ihrer Entwicklungsmöglichkeiten<br />

nachhaltig unterstützen.<br />

Foto: Gabi Vogt / 13Photo, Portrait: Anton Stefan<br />

Ein erholsamer<br />

Schlaf steht am<br />

Anfang eines<br />

erfolgreichen<br />

Lernalltags.<br />

von der Grösse einer Armbanduhr,<br />

das Daten über Bewegungsaktivitäten<br />

speichert. Während zwei Nächten<br />

wurde der Schlaf der Kinder mit<br />

einem mobilen Elektroenzephalografen<br />

zu Hause aufgezeichnet.<br />

Sinnvolles Power-Napping<br />

Die Messungen der ersten Nacht<br />

dienten als Ausgangswerte. Vor der<br />

zweiten Nacht haben wir den Kindern<br />

zur Feststellung der Gedächtnisleistung<br />

50 Wortpaare präsentiert,<br />

die sie sich merken sollten. Am Morgen<br />

haben wir die Aufgabe wiederholt.<br />

Im Schnitt hatten die Kinder<br />

am Vorabend 50,81 Prozent aller<br />

Wortpaare richtig ergänzt, am Morgen<br />

nur noch 48,65 Prozent. Dafür<br />

war die Reaktionszeit für korrekte<br />

Antworten am Morgen durchschnittlich<br />

besser als am Vorabend.<br />

Aufgrund der erwähnten Zusammenhänge<br />

zwischen Schlafspindelaktivität<br />

und Gedächtnisleistung<br />

bei Erwachsenen unterteilten wir<br />

die Probanden dann in zwei Gruppen:<br />

Kinder mit gesteigerter und<br />

Kinder ohne gesteigerte Schlafspindelaktivität.<br />

Dabei stellten wir fest:<br />

Obwohl die Gedächtnisleistung beider<br />

Gruppen am Vorabend besser<br />

war als am Morgen, zeigten Kinder<br />

mit mehr Schlafspindeln bessere<br />

Gedächtnisleistungen. Und nicht<br />

nur die Gedächtnisleistung hängt<br />

mit der Häufigkeit der Schlafspindeln<br />

zusammen, sondern auch der<br />

Intelligenzquotient. Wir können<br />

also folgern, dass intelligente Kinder<br />

bessere Gedächtnisleistungen und<br />

im Schlaf-EEG mehr Schlafspindeln<br />

aufweisen als weniger intelligente.<br />

Auch für das motorische Lernen<br />

spielt Schlafen eine Rolle. Die bisherige<br />

Forschung zeigt, dass unser<br />

Gedächtnis im Schlaf motorische<br />

Aufgaben verarbeitet. Kürzlich<br />

konnte Ines Wilhelm vom Universitätskinderspital<br />

Zürich für feinmo-<br />

torische Aufgaben belegen, dass<br />

Kinder im Schlaf unbewusst gelernte<br />

Gedächtnisinhalte so verfestigen,<br />

dass daraus bewusstes Wissen wird.<br />

Zudem scheinen Kinder anders als<br />

Erwachsene auch verstärkt tagsüber,<br />

also im Wachzustand, Lerninhalte<br />

zu verfestigen.<br />

Das heisst nun nicht, dass der<br />

Schlaf bei Kindern für das Lernen<br />

weniger wichtig wäre. Im Gegenteil:<br />

Laura Kurdziel von der University<br />

of Massachusetts Amherst konnte<br />

gemeinsam mit ihren Kolleginnen<br />

und Kollegen zeigen, dass ein Mittagsschlaf<br />

bei Kindergartenkindern<br />

die Speicherung von neu gelernten<br />

Inhalten massiv unterstützt. Die bessere<br />

Gedächtnisleistung hielt auch<br />

nach 24 Stunden an. Ein Mittagsschläfchen<br />

ist nicht nur für Kinder<br />

gut. Das sogenannte Power-Napping<br />

– idealerweise 10 bis 20 Minuten –<br />

ist aus Sicht der Forschung auch für<br />

Erwachsene positiv zu beurteilen.<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 25


Psychologie & Gesellschaft<br />

Wenn Jugendliche<br />

an Suizid denken<br />

Jede Woche nehmen sich in der Schweiz zwei bis drei Jugendliche und junge<br />

Erwachsene das Leben. Somit ist Suizid die zweithäufigste Todesursache<br />

in dieser Altersphase. Wie Warnzeichen rechtzeitig erkannt werden und was<br />

Eltern, Lehrpersonen und andere Menschen aus dem Umfeld tun können.<br />

Text: Gregor Berger<br />

Serie Psychische Störungen<br />

Teil 1<br />

Teil 2<br />

Teil 3<br />

Teil 4<br />

Teil 5<br />

Teil 6<br />

Teil 7<br />

Teil 8<br />

Teil 9<br />

Einführung<br />

Essstörungen<br />

Suchtverhalten<br />

Depressionen bei Kindern<br />

Psychosen<br />

Borderline<br />

Game-Sucht<br />

Gestörtes Sozialverhalten<br />

Asperger-Syndrom<br />

Teil 10 Suizid<br />

Teil 11<br />

Psychosomatische Störungen<br />

Diese Ausgaben können unter<br />

www.fritzundfraenzi.ch nachbestellt<br />

werden oder telefonisch beim<br />

Leserservice unter 0800 814 813.<br />

Sie sind längst keine Kinder<br />

mehr, aber auch noch<br />

nicht richtig erwachsen: In<br />

der Schweiz leben etwa<br />

eine Million junge Menschen<br />

zwischen 15 und 24 Jahren.<br />

Mit der Pubertät, die heute zwei bis<br />

drei Jahre früher einsetzt als noch<br />

vor 100 Jahren, beginnt eine Phase<br />

der Veränderungen auf biologischer,<br />

psychologischer und sozialer Ebene.<br />

Immer mehr Adoleszente sind überfordert<br />

von den vielen Weichenstellungen<br />

in dieser Lebensphase wie<br />

etwa dem Einstieg in die Berufswelt,<br />

der Ablösung von zu Hause, dem<br />

Umgang mit Sexualität und der Entwicklung<br />

einer eigenen Identität.<br />

Jugendliche müssen sich heute<br />

mit einer Vielfalt von Möglichkeiten<br />

auseinandersetzen, die es vor wenigen<br />

Generationen noch gar nicht<br />

gab. Die persönlichen und sozialen<br />

Entwicklungsaufgaben, die Heranwachsende<br />

meistern müssen, sind<br />

komplexer geworden. Es fehlen<br />

eigentliche Rollenvorbilder oder<br />

Werte, die den Adoleszenten in dieser<br />

wichtigen Lebensphase eine Orientierungshilfe<br />

sein könnten.<br />

Auch Eltern sind mit den schulischen<br />

und sozialen Anforderungen,<br />

die an ihre heranwachsenden Kinder<br />

gestellt werden, häufig überfordert.<br />

Besonders alleinerziehende<br />

Eltern – eine Situation, die heute<br />

keine Ausnahme mehr ist – kommen<br />

nicht selten an ihre Grenzen.<br />

Die Suche nach ihrem Platz in dieser<br />

Gesellschaft, die immer komplexer<br />

wird, scheint für eine zunehmende<br />

Zahl von Jugendlichen eine Überforderung<br />

dazustellen. Besonders<br />

Heranwachsende mit wenig persönlichen<br />

oder familiären Ressourcen<br />

geraten daher nicht selten in eine<br />

Situation, in der sie überfordert sind<br />

und die im schlechtesten Fall in<br />

einem Suizid enden kann.<br />

Depression und Suizid<br />

Ein Suizidversuch in der eigenen<br />

Vorgeschichte erhöht das Risiko,<br />

einen Suizid zu vollenden. Im Jahr<br />

26 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


vor dem Suizid sind in bis zu<br />

90 Prozent der Fälle die Kriterien<br />

einer psychischen Störung erfüllt.<br />

Etwa die Hälfte der Betroffenen leidet<br />

dabei zum Zeitpunkt des vollendeten<br />

Suizides an einer depressiven<br />

Erkrankung.<br />

Die Schwierigkeit bei jungen<br />

Menschen ist jedoch, dass sich das<br />

depressive Zustandsbild oft anders<br />

präsentiert als bei Erwachsenen,<br />

besonders bei männlichen Jugendlichen.<br />

Häufig ist es nicht die Trauer,<br />

die dominiert, sondern eher Gereiztheit,<br />

eingeengtes Denken, Antriebslosigkeit,<br />

sozialer Rückzug und eine<br />

erhöhte Bereitschaft, übermässige<br />

Risiken einzugehen. Depressive<br />

Jugendliche sprechen eher von einer<br />

«Nullbockstimmung», ziehen sich<br />

zurück, klagen darüber, sich nicht<br />

verstanden zu fühlen, sind aggressiver<br />

als sonst oder zeigen ein für die<br />

Betroffenen atypisches überbordendes<br />

Verhalten.<br />

Verkannte Not<br />

Schlafstörungen bei Jugendlichen<br />

werden häufig verkannt und auf den<br />

schlechten Lebensstil zurückgeführt.<br />

Auch ein verstärkter Medienkonsum<br />

oder Drogenexzesse werden bei<br />

Adoleszenten viel zu schnell verharmlost.<br />

Nicht selten werden<br />

Jugendliche oder junge Erwachsene<br />

nach solchen Zwischenfällen exzessiven<br />

Drogenkonsums ohne psychiatrische<br />

Abklärung von der Hausarzt-,<br />

der Kinderarztpraxis oder der<br />

Notfallstation nach Hause geschickt.<br />

Die Möglichkeit, dass eine depressive<br />

Grunderkrankung hinter solchen<br />

Verhaltensveränderungen stehen<br />

könnte, wird von Angehörigen, aber<br />

auch von Ärzten oft viel zu lange<br />

nicht in Erwägung gezogen.<br />

Es ist zwar nachvollziehbar, dass<br />

Betroffene oder deren Angehörige<br />

solche Probleme nicht zu früh psychiatrisieren<br />

möchten. Doch das<br />

Verkennen der unerträglichen Not<br />

von Jugendlichen in einer suizidalen<br />

Krise birgt grosse Gefahren.<br />

Suizidgefährdete beschreiben<br />

den Zustand vor einer suizidalen<br />

Verhaltensweise u. a. als unerträglichen<br />

seelischen Schmerz und leiden<br />

sehr. Sie befinden sich folglich in<br />

einem Zustand von akutem Stress,<br />

sozusagen in einer das Denken und<br />

Fühlen einengenden Sackgasse mit<br />

einem einzigen Notausgang – dem<br />

Suizid. Die Türe dieses Notausgangs<br />

wird zu einem Zeitpunkt äusserster<br />

Not mit dem Wunsch geöffnet, das<br />

unerträgliche Leiden zu beenden,<br />

und nicht wie häufig angenommen<br />

mit dem Wunsch zu sterben.<br />

In der Regel bringt sich niemand<br />

gerne um, und es ist sehr unwahrscheinlich,<br />

dass Jugendliche und<br />

junge Erwachsene dem Leben wohlüberlegt<br />

ein Ende setzen wollen,<br />

wenn sie bei klarem Bewusstsein<br />

sind.<br />

Rausch als Risiko<br />

Studien konnten auch zeigen, dass<br />

die Wahrscheinlichkeit eines vollendeten<br />

Suizids unter Drogeneinfluss<br />

höher ist als wenn Jugendliche und<br />

junge Erwachsene nicht Alkohol,<br />

Cannabis oder andere Drogen konsumieren.<br />

Es wird zudem wahrscheinlich,<br />

dass die unerträglichen<br />

traumatischen Erlebnisse, die<br />

Jugendliche im suizidalen Modus<br />

erleiden, in ihren Köpfen bleibende<br />

Spuren hinterlassen und unter<br />

Berücksichtigung der ausgeprägten<br />

Hirnplastizität hirnorganische Veränderungen<br />

nach sich ziehen.<br />

Diese Spuren oder besser Narben<br />

bleiben ein Leben lang bestehen und<br />

erklären zumindest teilweise das<br />

massiv erhöhte Suizidrisiko nach<br />

einem Suizidversuch bzw. nach dem<br />

Durchleben dieses Modus, der in<br />

jeder suizidalen Krise erneut reaktiviert<br />

werden kann.<br />

Das Leben wird zu einer<br />

Sackgasse mit einem einzigen<br />

Notausgang – dem Suizid.<br />

Hotspots und Schusswaffen<br />

Länder wie die Schweiz oder die<br />

USA weisen eine vergleichsweise<br />

hohe Rate von Suiziden durch<br />

Schusswaffen auf. Trotzdem glaubt<br />

immer noch eine Vielzahl von Bürgern,<br />

dass es keinen Zusammenhang<br />

zwischen der Verfügbarkeit von<br />

Schusswaffen und Suizid gibt.<br />

Doch nicht nur die Schusswaffen,<br />

auch nicht abgesicherte Brücken<br />

oder ungesicherte Bahngleise sind<br />

ein Problem. Die Suizidexperten<br />

sprechen hierbei von Hotspots. In<br />

Regionen, in denen diese abge siche rt<br />

wurden, ging die Suizidrate zurück.<br />

Überlebende eines schweren Suizidversuches,<br />

zum Beispiel eines<br />

Sprungs von der Golden Gate<br />

Bridge, sterben in 93 Prozent der<br />

Fälle nicht durch eine Wiederholung<br />

des schweren Suizidversuches >>><br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 27


Psychologie & Gesellschaft<br />

>>> und sind glücklich, gerettet<br />

worden zu sein. Daher ist es wichtig,<br />

sich dafür einzusetzen, dass der<br />

Zugang zu solchen Methoden des<br />

Suizides minimiert wird.<br />

In der Schweiz bedeutet dies auch<br />

einen zeitgemässen und vernünftigen<br />

Umgang mit der Dienstwaffe.<br />

Besonders auch deshalb, weil Schusswaffen<br />

die Möglichkeit des erweiterten<br />

Suizids, bei dem zuerst andere<br />

Personen getötet werden, in einem<br />

grossen Mass vereinfachen – eine<br />

besonders tragische Form des Suizides,<br />

die in der Schweiz jedes Jahr<br />

mehrmals vorkommt.<br />

Dementsprechend ist es bei psychisch<br />

kranken Jugendlichen oder<br />

jungen Erwachsenen, besonders bei<br />

Männern, wichtig zu fragen, ob sie<br />

zu Hause Zugang zu Waffen haben,<br />

oder im Zweifelsfall entsprechende<br />

Massnahmen einzuleiten. Dabei<br />

genügt in aller Regel eine Gefährdungsmeldung<br />

durch eine Fachperson<br />

an die Polizei.<br />

Persönlichkeitsfaktoren<br />

Bei Heranwachsenden kommt es<br />

häufig zu Phasen von selbstverletzendem<br />

Verhalten, Suizidhandlungen<br />

oder Suiziddrohungen. Falls<br />

solche Verhaltensweisen bei Adoleszenten<br />

immer wieder vorkommen,<br />

ist es wahrscheinlich, dass eine psychische<br />

Störung vorhanden ist.<br />

Konkret darf nicht vergessen<br />

werden, dass bei Patienten mit einer<br />

emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung<br />

chronische Suizidalität<br />

ein häufiges Symptom ist. Und etwa<br />

10 bis 15 Prozent dieser Patienten<br />

nehmen sich im Verlauf ihrer<br />

Erkrankung auch tatsächlich das<br />

Leben.<br />

Schwierig ist, dass viele Adoleszente<br />

ähnliche Verhaltensweisen<br />

zeigen, die jedoch nicht bis ins<br />

Erwachsenenalter überdauern und<br />

daher schwer von der normalen<br />

adoleszentären Entwicklung abgegrenzt<br />

werden können. Nur ein<br />

Bruchteil der Betroffenen beansprucht<br />

tatsächlich professionelle<br />

Hilfe.<br />

Dennoch ist es äusserst wichtig,<br />

dass auch bei Jugendlichen die<br />

zugrunde liegende Störung – sei es<br />

eine Depression, eine Angststörung,<br />

eine Psychose oder eine Suchterkrankung<br />

– erstens frühzeitig<br />

erkannt und zweitens mit allen zur<br />

Verfügung stehenden Mitteln effektiv<br />

behandelt werden sollte, gegebenenfalls<br />

auch mit Medikamenten.<br />

Die Not der Angehörigen<br />

Die mit einem vollendeten Suizid<br />

verbundene Not bei Angehörigen,<br />

Freunden, Lehrern und Helfern wie<br />

Psychologen und Ärzten ist gross.<br />

Pro Suizid sind etwa sechs nächste<br />

Angehörige und nahe Bezugspersonen<br />

betroffen. Bei jungen Menschen<br />

sind es sogar meist mehr Menschen,<br />

teilweise ganze Schulklassen und<br />

Ausbildungsbetriebe.<br />

Möglichkeiten der Prävention<br />

und Hilfe<br />

Die Sicherung von sogenannten Suizid-Hotspots<br />

ist eine effektive Massnahme,<br />

damit Jugendliche in grosser<br />

Not nicht an Orte gehen, von denen<br />

bekannt ist, dass sich Menschen<br />

bereits erfolgreich suizidierten.<br />

Dabei kann es sich um bauliche<br />

Massnahmen wie das Aufspannen<br />

von Netzen handeln oder das Aufstellen<br />

von Überwachungskameras<br />

oder Notrufsäulen, die den Leiden-<br />

Risikofaktoren für einen Suizid<br />

Suizidversuch in der eigenen Vorgeschichte<br />

psychische Störungen wie z. B. Depressionen, die sich in<br />

Gereiztheit, eingeengtem Denken, Antriebslosigkeit,<br />

sozialem Rückzug und einer erhöhten Bereitschaft,<br />

übermässige Risiken einzugehen, oder auch<br />

Schlafstörungen äussern kann<br />

selbstverletzendes Verhalten<br />

Suiziddrohungen<br />

Drogenkonsum<br />

Hotspots: nicht abgesicherte Brücken oder<br />

ungesicherte Bahngleise<br />

Zugang zu Schusswaffen<br />

Hier finden Betroffene und Angehörige Hilfe<br />

niederschwellige Angebote wie «Hilfe + Beratung 147»<br />

der Pro Juventute Schweiz, Tel. 147, «Die Dargebotene<br />

Hand», Tel. 143, oder der «Elternnotruf»,<br />

Tel. 0848 35 45 55<br />

«Bündnis gegen Depression» (kantonal)<br />

Kriseninterventionszentren in Winterthur, Zürich,<br />

Basel, Bern und an weiteren Standorten<br />

Kinder- und Jugendpsychiatrischer Dienst (KJPD)<br />

Organisationen wie Trialog Schweiz, wo Betroffene,<br />

Angehörige und Experten zusammenkommen<br />

(u. a. durch Schulbesuche)<br />

private Anbieter wie z. B. die Krisenintervention<br />

Schweiz der Clienia Schlössli AG, die Betriebe und<br />

Schulen beraten, mit psychischen Krisen umzugehen<br />

28 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Eine psychische Erkrankung<br />

erhöht das Risiko, an<br />

einem Suizid zu sterben,<br />

etwa um den Faktor 10.<br />

den noch die Möglichkeit geben,<br />

Hilfe zu holen. Die bauliche Absicherung<br />

von besonders exponierten<br />

Bahn gleisen verringert nicht nur die<br />

Suizidrate, sondern wirkt auch präventiv<br />

gegen die Traumatisierung<br />

von Lokomotivführern.<br />

Präventionskampagnen können<br />

wirksam sein<br />

Eine Reihe von Untersuchungen von<br />

präventiven Kampagnen in Schulen<br />

und der Allgemeinbevölkerung hat<br />

gezeigt, dass bereits generelle und<br />

sorgfältig durchgeführte Präventionskampagnen<br />

die Suizidrate reduzieren<br />

können. Die anfängliche<br />

Angst, dass solche Kampagnen suizidgefährdete<br />

Jugendliche oder junge<br />

Erwachsene zur Nachahmung im<br />

Sinne des «Werther-Effektes» animieren<br />

könnten, liess sich nicht<br />

bestätigen. Die sachgemässe Auseinandersetzung<br />

mit der Suizidalität<br />

per se bewirkt noch keinen Suizid.<br />

Bei über mehrere Tage nicht<br />

erklärbarer Veränderung im Verhalten<br />

eines Jugendlichen, unerklärbarer<br />

andauernder Gereiztheit oder<br />

sozialem Rückzug sollte dies ernst<br />

genommen werden und der Jugendliche<br />

oder junge Erwachsene motiviert<br />

werden, professionelle Hilfe<br />

anzunehmen. Dies, weil das Vorhandensein<br />

einer psychischen<br />

Erkrankung das Risiko, an einem<br />

Suizid zu sterben, etwa um den Faktor<br />

10 erhöht. Wesentlich für Fachpersonen<br />

wie auch Angehörige und<br />

Bezugspersonen ist das direkte und<br />

offene Ansprechen bei einem Verdacht<br />

erhöhter Suizidalität.<br />

Menschen in seelischer Not<br />

Raum und Zeit bieten<br />

Suizidale Menschen stossen mit<br />

ihrer leider immer noch tabuisierten<br />

Problematik sehr häufig auf Ablehnung<br />

und fühlen sich in ihrer Not<br />

weder ernst genommen noch verstanden.<br />

Wenn eine Vertrauensperson<br />

jungen Menschen Raum und<br />

Zeit bietet, ihre seelische Not, ihren<br />

unerträglichen psychischen<br />

Schmerz, auszudrücken, fühlen diese<br />

sich markant entlastet und in ihrer<br />

suizidalen Krise nicht mehr alleine.<br />

Suizidprävention und -hilfe ist<br />

ein komplexes Unterfangen. Zentral<br />

ist die Aufrechterhaltung oder Etablierung<br />

tragfähiger Beziehungen<br />

mit dem Betroffenen. Suizidversuche<br />

sollten immer ernst genommen<br />

werden, auch wenn diese im Rahmen<br />

von Persönlichkeitsstörungen<br />

oder von situationsbedingten Problemen<br />

auftreten. Die Früherkennung<br />

von psychischen Störungen<br />

wie Depression, Angst, manischdepressivem<br />

Kranksein oder psychotischen<br />

Erkrankungen wie der<br />

Schizophrenie sind im Zusammenhang<br />

mit der Suizidprävention von<br />

grosser Wichtigkeit.<br />

Eine frühzeitige Erkennung und<br />

effektive Behandlung der zugrunde<br />

liegenden Probleme birgt die grösste<br />

Chance für eine Reduktion der<br />

Suizidhäufigkeit. Wenn jedoch<br />

Eltern oder Helfernetz merken, dass<br />

eine Beziehungsaufnahme immer<br />

schwieriger wird und der Betroffene<br />

sich zunehmend zurückzieht, ist es<br />

empfehlenswert, frühzeitig professionelle<br />

Hilfe in Anspruch zu nehmen,<br />

gegebenenfalls als letzte Option<br />

auch die Einweisung in eine<br />

psychiatrische Klinik in Erwägung<br />

zu ziehen.<br />

>>><br />

Dr. Gregor Berger<br />

ist Oberarzt und Leiter zentraler Notfalldienst<br />

beim Kinder- und Jugendpsychiatrischen<br />

Dienst des Kantons Zürich (KJPD).<br />

Dieser Artikel ist eine gekürzte Fassung<br />

von: Gregor Berger, Gregor Harbauer, Rudi<br />

Schweizer, Antoinette Engel, Sebastian Haas,<br />

Andreas Andreae: «Suizidalität in<br />

der Adoleszenz», Pädiatrie Heft 3, 2<strong>01</strong>2.<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 29


30 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Monatsinterview<br />

Grosseltern<br />

Wenn sich Grosseltern ungefragt in die Erziehung ihrer<br />

Enkelkinder einmischen, kommt es häufig zum Streit.<br />

Wie Konflikte vermieden werden, was beide Seiten voneinander<br />

lernen können und warum es nicht schlimm ist,<br />

wenn Oma und Opa ihre Enkel verwöhnen, erklärt<br />

der Zürcher Paar- und Familienberater Jean-Luc Guyer<br />

Interview: Nik Niethammer und Eveline von Arx Fotos: Désirée Good / 13 Photo<br />

Der erfahrene Paarberater<br />

Jean-Luc Guyer weiss, was<br />

Eltern bewegt – auch wenn<br />

es um Konflikte zwischen<br />

den Generationen geht.<br />

Das Toni-Areal in Zürich. Hochschulcampus<br />

für 5000 Studenten, Dozenten,<br />

Mitarbeiter. Der 8. Stock hat den<br />

Charme eines Zivilschutzkellers. Kahle<br />

Wände, Betonverputz, Kabelstränge an<br />

den Decken, Kunstlicht. Das Büro von<br />

Jean-Luc Guyer liegt am Ende des Flurs.<br />

Klein und hell und freundlich. Mit atemberaubendem<br />

Ausblick. Ein Schreibtisch,<br />

drei Stühle, eine schwarze Couch.<br />

Guyer trägt Jeans und Pullover. Fester<br />

Händedruck, angenehme Stimme, die<br />

Augen schauen wach und neugierig hinter<br />

der Brille hervor.<br />

Herr Guyer, welche Erinnerungen<br />

haben Sie an Ihre Grosseltern?<br />

Zwei ganz unterschiedliche: Bei meinen<br />

Grosseltern mütterlicherseits,<br />

die im Welschland zu Hause waren,<br />

ging es jeweils sehr unkompliziert<br />

zu, wie in einer Grossfamilie, mit<br />

vielen Cousins. Es herrschte eine<br />

lockere Atmosphäre, und es war<br />

immer etwas los. In der Uhrmacher-<br />

Familie meines Vaters im Tösstal<br />

hingegen standen Ordnung und<br />

Genauigkeit an erster Stelle. Für<br />

mich als Kind war es spannend, mich<br />

in beiden Welten zurechtzufinden.<br />

Wie war das Verhältnis zwischen Ihren<br />

Grosseltern und Ihren Eltern? Erinnern<br />

Sie sich an Konfliktsituationen?<br />

Ja – in erster Linie zwischen meiner<br />

Mutter und meiner Grossmutter<br />

väterlicherseits. Ihre Erziehungsvorstellungen,<br />

etwa auch davon, wie<br />

man sich zu kleiden hatte, deckten<br />

sich nicht mit den Ansichten meiner<br />

Mutter.<br />

Wie ist sie damit umgegangen?<br />

Sie suchte Unterstützung bei meinem<br />

Vater, und wenn sie diese nicht<br />

erhielt, kam es schon einmal zu einer<br />

Auseinandersetzung zwischen der<br />

Mutter und der Grossmutter. Mir<br />

und meinen Geschwistern gab sie zu<br />

verstehen, dass wir die etwas veralteten<br />

Vorstellungen unserer Grossmutter<br />

nicht so ernst nehmen sollten.<br />

Heute kommen Eltern zu Ihnen, wenn<br />

sie Schwierigkeiten mit den Grosseltern<br />

haben. Was sind die häufigsten<br />

Gründe, warum jemand dann Ihre Hilfe<br />

sucht?<br />

Ich kann Ihnen ein paar Beispiele<br />

schildern: Da kommen junge Eltern<br />

mit dem Problem, dass sich ihre<br />

Eltern oder Schwiegereltern zu sehr<br />

>>><br />

in die Kindererziehung oder<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 31


Monatsinterview<br />

>>> auch in die Partnerschaft einmischen.<br />

Die Grosseltern möchten<br />

etwa bestimmen, welche Spielgruppe<br />

oder Freizeitgestaltung die beste<br />

für die Enkelkinder ist. Oder die<br />

Eltern stören sich daran, weil die<br />

Gross-eltern die Enkel zu sehr verwöhnen,<br />

vor allem auch in materieller<br />

Hinsicht, sie damit sozusagen<br />

«kaufen». Die meisten Eltern suchen<br />

dann Hilfe, weil dieser Konflikt auch<br />

ihre Partnerschaft beeinträchtigt.<br />

Die Schwiegertochter oder der<br />

Schwiegersohn wünscht sich mehr<br />

Loyalität vom Partner, während dieser<br />

sich vielleicht den eigenen Eltern<br />

gegenüber zu wenig abgrenzen oder<br />

durchsetzen kann.<br />

Rühren Konflikte zwischen Grosseltern<br />

und Eltern auch häufig daher,<br />

dass man sich beim Erlauben und<br />

Verbieten widerspricht?<br />

Mir fällt in diesem Zusammenhang<br />

auf, dass die Beziehung der Ratsuchenden<br />

zu ihren Eltern oft als sehr<br />

freundschaftlich empfunden und<br />

beschrieben wird. Die eigene Mutter<br />

ist quasi die beste Freundin, und nun<br />

macht sie plötzlich Dinge im<br />

Umgang mit den Enkelkindern, die<br />

man selber oder vor allem auch der<br />

Partner nicht gutheisst. Dabei kann<br />

es durchaus auch darum gehen, dass<br />

die Grosseltern den Enkeln etwas<br />

erlauben, dem die Eltern widersprechen.<br />

Es ist für die Tochter dann<br />

jedoch schwierig, sich gegenüber der<br />

eigenen Mutter zu behaupten, weil<br />

sie ambivalent ist: Sie hat einerseits<br />

das Bedürfnis nach Abgrenzung,<br />

verspürt aber auch den Wunsch nach<br />

Bestätigung und Unterstützung<br />

durch die eigene Mutter. Deshalb<br />

werde ich jeweils hellhörig, wenn es<br />

heisst, die Beziehung zu den eigenen<br />

Eltern sei sehr freundschaftlich.<br />

Das heisst, die Generationengrenze ist<br />

heute weniger ausgeprägt.<br />

Ganz klar, ja. Doch sie ist wichtig für<br />

die Eigenständigkeit der Eltern, auch<br />

in ihrer Rolle als Erziehende. So wird<br />

der Ablösungsprozess – notgedrungen<br />

– oft erst spät in Gang gesetzt,<br />

dann, wenn man eigene Kinder hat.<br />

Wie helfen Sie, wenn ein Paar unter<br />

der Dominanz der Eltern oder Schwiegereltern<br />

– gerade auch in Bezug auf<br />

die Erziehung der Kinder – leidet?<br />

Zuerst einmal möchte ich hervorheben,<br />

dass es eine Illusion ist, davon<br />

auszugehen, die Beziehung zwischen<br />

dem Paar und den Eltern bzw.<br />

Schwiegereltern müsse konfliktfrei<br />

sein. Spannungen zwischen den<br />

Generationen sind nichts Aussergewöhnliches<br />

– und es ist eine grosse<br />

Herausforderung, immer wieder<br />

gemeinsam herauszufinden, was für<br />

beide stimmt. In meiner Beratungstätigkeit<br />

ist es in solchen Situationen<br />

auf jeden Fall zentral, das<br />

Elternpaar zu stärken. Denn sie<br />

haben die Verantwortung für ihre<br />

«Manche Eltern<br />

fallen in jene<br />

Erziehungsmuster<br />

zurück, unter<br />

denen sie als Kind<br />

gelitten haben.»<br />

Kinder und sollten auch entscheiden,<br />

wie sie diese erziehen möchten.<br />

Je bewusster sie sich dessen sind,<br />

desto klarer können sie ihre Vorstellungen<br />

auch nach aussen, gegenüber<br />

den eigenen Eltern oder Schwiegereltern,<br />

vertreten. Wichtig ist dabei<br />

natürlich, dass das Paar gemeinsam<br />

nach Lösungen sucht und am selben<br />

Strick zieht.<br />

Wenn man Mutter oder Vater wird, verändert<br />

sich auch die Beziehung zu den<br />

eigenen Eltern. Einerseits kann das<br />

bedeuten, dass man eine grosse Wertschätzung<br />

dafür verspürt, was die<br />

eigenen Eltern alles mit einem durchgemacht<br />

und für einen geleistet<br />

haben. Oder es kann auch heissen,<br />

dass einem bewusst wird, was man<br />

mit dem eigenen Kind nicht so<br />

machen möchte, wie man es selbst<br />

erfahren hat.<br />

Ja – und meist erleben Eltern ein<br />

Entweder-oder, selten beides. Einerseits<br />

wäre es ja schön, diese erwähnte<br />

Wertschätzung zu empfinden,<br />

aber auch zu merken, was man nun<br />

als Mutter oder Vater anders, auf die<br />

eigene Art, machen möchte. Manche<br />

Eltern fallen jedoch, besonders in<br />

Stresssituationen, genau in die Erziehungsmuster<br />

zurück, unter denen<br />

sie selbst als Kind gelitten hatten.<br />

Dann ist es sicher sinnvoll, genauer<br />

hinzuschauen und diese vergangenen<br />

Erfahrungen aufzuarbeiten.<br />

Oma und Opa sind nach Eltern und<br />

Erziehenden im Kindergarten die<br />

wichtigsten Bezugspersonen für Kinder<br />

unter sechs Jahren. Was macht die<br />

Beziehung zwischen Enkeln und<br />

Grosseltern so besonders?<br />

Grosseltern müssen in der Regel<br />

nicht täglich mit dem Nachwuchs<br />

zusammen sein. Sie können mit den<br />

Enkeln etwas unternehmen, sie aber<br />

nach einer gewissen Zeit wieder<br />

«abgeben» – ohne dieselbe Verantwortung<br />

zu haben, die man als Mutter<br />

oder Vater trägt. Ich spreche aus<br />

eigener Erfahrung, da ich selber vier<br />

Enkelkinder habe.<br />

Enkel vermitteln ihren Grosseltern oftmals<br />

das Gefühl, jung zu bleiben,<br />

gebraucht zu werden, ein sinnvolles<br />

Leben zu führen.<br />

Das ist richtig. Ich persönlich staune<br />

immer wieder, wie sehr sich meine<br />

Enkelkinder für meine Eltern und<br />

meine Grosseltern interessieren, für<br />

die Familiengeschichte also. Und es<br />

ist schön, dass ich ihnen Dinge, die<br />

ich gerne mag und die mir wichtig<br />

sind, weitergeben kann. Ich bin und<br />

war zum Beispiel schon immer sehr<br />

gerne auf dem Wasser unterwegs: als<br />

Ruderer, Segler, im Kanu. Und diese<br />

Aktivitäten bringe ich nun auch meinen<br />

Enkelkindern näher.<br />

Und was können Grosseltern von ihren<br />

Enkeln lernen?<br />

Vieles! Ich erlebe die Neugierde, die<br />

die Enkelkinder mitbringen, als sehr<br />

inspirierend. Zudem finde ich es<br />

heutzutage bemerkenswert, wie<br />

schon kleine Kinder mit den neuen<br />

Technologien umgehen, wie schnell<br />

sie das alles kapieren. Man ist als<br />

32 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Grosseltern oft entspannter im<br />

Umgang mit den Enkeln, als man es<br />

vielleicht mit den eigenen Kindern<br />

war. Viele sind nun weniger im<br />

Stress, besonders wenn sie als Eltern<br />

damals auch beruflich sehr eingespannt<br />

waren und nicht so viel Zeit<br />

für die Kinder aufwenden konnten.<br />

Wie unterscheidet sich die Beziehung<br />

Grosseltern – Kind von der Beziehung<br />

Eltern – Kind?<br />

Ein wesentlicher Unterschied besteht<br />

darin, dass die Hauptverantwortung<br />

und -kompetenz für die Erziehung<br />

bei den Eltern liegt. Erziehung ist<br />

Elternsache. Die Grosseltern sind<br />

eine wichtige Ergänzung und Be-<br />

reicherung. Sie betreuen die Enkel,<br />

aber sie erziehen sie nicht. Konflikte<br />

entstehen dort, wo Grosseltern massgeblich<br />

in die Erziehung<br />

der<br />

Enkelkinder einwirken.<br />

Ich empfehle<br />

manchmal,<br />

dass das Paar<br />

zusammen mit<br />

den Grosseltern<br />

in die Beratung<br />

kommt.<br />

Ein oft gehörter Satz von Kindern lautet:<br />

«Bei den Grosseltern gibt es mehr<br />

Süsses, mehr Fernsehen, mehr Aufmerksamkeit.»<br />

Ist es wirklich<br />

«Grosseltern sind<br />

mit den Enkeln oft<br />

entspannter, als sie<br />

es mit den eigenen<br />

Kindern waren.»<br />


Monatsinterview<br />

«Jugendlichen fällt<br />

es oft leichter, sich<br />

statt den Eltern<br />

den Grosseltern<br />

anzuvertrauen.»<br />

>>> so schlimm, wenn die Grosseltern<br />

ihre Enkel verwöhnen?<br />

Im gesunden Mass sicher nicht. Ich<br />

erinnere mich gerne daran zurück,<br />

wie wir zu unserer Grossmutter ins<br />

Bett durften, wenn wir bei ihr in den<br />

Ferien waren, und sie uns mit bunten<br />

Bonbons fütterte. Das gab es bei meinen<br />

Eltern nicht. Anders sieht es, um<br />

beim Beispiel zu bleiben, aus, wenn<br />

Kinder übergewichtig sind, und sie<br />

von den Grosseltern<br />

entgegen<br />

dem Willen der<br />

Eltern immer<br />

wieder viele<br />

Süssigkeiten<br />

bekommen. Das<br />

ist sicher problematisch.<br />

Haben Sie schon<br />

erlebt, dass ein Time-out, also ein<br />

Kontaktstopp oder -unterbruch zwischen<br />

Grosseltern und Enkeln, notwendig<br />

wurde?<br />

Selten. Aber wenn die Dominanz der<br />

Grosseltern so überhandnimmt, dass<br />

die Konflikte zwischen dem Elternpaar<br />

zunehmen, kann es allenfalls<br />

sinnvoll sein, zu einer solchen Beziehungspause<br />

zu raten, in welcher der<br />

Kontakt zu den Grosseltern dann<br />

eben nicht stattfindet.<br />

Um mehr als die Hälfte der Kinder im<br />

Vorschulalter, die fremdbetreut sind,<br />

kümmern sich die Grosseltern. Eltern<br />

sind also auch angewiesen auf diese<br />

Unterstützung. Was aber geschieht,<br />

wenn die Kinder grösser sind und die<br />

Grosseltern nicht mehr so<br />

«gebraucht» werden?<br />

Ich beobachte oft, dass genau darüber<br />

im Vorfeld viel zu wenig<br />

gesprochen wird. Man ist als Eltern<br />

zwar für eine bestimmte Zeit oft sehr<br />

abhängig von dieser grosselterlichen<br />

Hilfe, doch wenn die Enkel dann<br />

selbständiger sind, haben die Grosseltern<br />

manchmal fast das Gefühl,<br />

überflüssig zu sein und keine grosse<br />

Rolle mehr zu spielen. Das ist nicht<br />

einfach, für beide Seiten, und ich<br />

empfehle deshalb, rechtzeitig auch<br />

über solche bevorstehenden Verän-<br />

derungen zu sprechen und zu klären,<br />

wie sich die Beziehung zwischen den<br />

Grosseltern und den Enkelkindern<br />

zukünftig gestalten könnte.<br />

Wie könnte sich denn die Beziehung<br />

zwischen Grosseltern und Enkeln sinnvollerweise<br />

verändern, wenn die Kinder<br />

älter werden?<br />

Gelingt es den Grosseltern, sich auf<br />

die gewandelten Bedürfnisse der<br />

heranwachsenden Enkel einzustellen,<br />

kann eine vertrauensvolle Beziehung<br />

mit neuen Qualitäten daraus<br />

hervorgehen: Dann können die<br />

Enkel mit den Grosseltern zum Beispiel<br />

auch Themen besprechen, über<br />

die sie mit den Eltern nicht unbedingt<br />

reden möchten, wie Liebeskummer<br />

oder schlechte Noten.<br />

Manchmal sind Grosseltern auch<br />

hilfreich, wenn es um die Unterstützung<br />

bei den Schulaufgaben geht. Im<br />

Idealfall kann eine Beziehung auch<br />

daran wachsen, indem sie zunehmend<br />

auf Gegenseitigkeit beruht;<br />

wenn zum Beispiel das Enkelkind<br />

Aufgaben im Haus oder im Garten<br />

übernimmt, die für die Grosseltern<br />

beschwerlich geworden sind.<br />

Grosseltern sind nicht selten Vertrauenspersonen<br />

der Enkel. Wie geht man<br />

als Grossmutter oder Grossvater<br />

damit um, wenn einem das Enkelkind<br />

ein Geheimnis oder auch Problem<br />

anvertraut, von dem die Eltern des<br />

Kindes nichts wissen?<br />

Das kommt sicher auf den Inhalt des<br />

Geheimnisses an: Wenn es etwas<br />

sehr Schwerwiegendes ist, das eine<br />

grosse Bedeutung im Leben des Kindes<br />

hat, kann es angebracht sein, mit<br />

dem Enkel zusammen zu schauen,<br />

ob man die Eltern nicht doch involvieren<br />

möchte. Manchen Kindern<br />

und insbesondere Jugendlichen fällt<br />

es tatsächlich leichter, sich dem Opa<br />

oder der Oma anzuvertrauen, weil<br />

die Beziehung zu ihnen weniger eng<br />

und somit auch weniger konfliktanfällig<br />

ist als zu den eigenen Eltern.<br />

Und das ist oft viel wert.


Psychologie & Gesellschaft<br />

Geld selber verwalten<br />

und einteilen<br />

Mit dem Jugendlohn erhalten Kinder nicht einfach Geld. Es werden ihnen<br />

damit vor allem Kompetenzen und Verantwortung übertragen.<br />

Dadurch verringert sich die Gefahr, später in der Schuldenfalle zu landen.<br />

Text: Susan Edthofer<br />

Oftmals sind sich Kinder gar nicht bewusst,<br />

wie viel alles kostet. Denn die meisten<br />

Bedürfnisse sind gedeckt, und viele Alltagswünsche<br />

werden von Mama und<br />

Papa erfüllt. Dass eine Wohnung, ein<br />

gefüllter Kühlschrank, Kleider, Ferien und Freizeitaktivitäten<br />

Geld kosten, geht leicht unter. Nicht selten gibt<br />

es ein böses Erwachen, wenn junge Erwachsene plötzlich<br />

finanziell auf eigenen Füssen stehen sollen. Zu<br />

Beginn des Erwerbslebens ist der Lohn noch klein und<br />

steht unter Umständen in einem krassen Missverhältnis<br />

zu dem von Haus aus gewohnten Lebensstandard. Wer<br />

schon in der Jugend lernt, Geld selber zu verwalten,<br />

kommt mit den eigenen Finanzen später besser klar.<br />

Bestimmte Auslagen selber bestreiten<br />

Älterwerden bedeutet mehr Verantwortung übernehmen.<br />

Diese Tatsache liegt dem Modell Jugendlohn<br />

zugrunde. Der gleichnamige Verein (www.jugendlohn.<br />

ch), dem auch Pro Juventute angehört, propagiert dieses<br />

Modell: Das Taschengeld ist für nicht zwingend Nötiges<br />

bestimmt, mit dem Jugendlohn hingegen werden echte<br />

Lebenskosten bestritten, die im Voraus mit dem Kind<br />

festgelegt werden.<br />

Ein fiktives, aber realistisches Beispiel: Zu Beginn des<br />

neuen Jahres hat Familie Müller beschlossen, für ihre<br />

zwölfjährige Tochter das Modell Jugendlohn einzuführen.<br />

Die Eltern haben Sara darauf vorbereitet. Nachdem<br />

sie ein eigenes Bankkonto eröffnet hat, überweisen ihr<br />

die Eltern monatlich einen Betrag. Mit diesem Geld<br />

muss Sara gemäss Absprache für Kleider, Schuhe, ÖV-<br />

Tickets, auswärtiges Essen und Freizeitvergnügen aufkommen.<br />

So lernt sie, mit einem bestimmten Budget<br />

auszukommen. Damit dieser Schritt in die finanzielle<br />

Selbständigkeit gelingt, braucht es offene Gespräche,<br />

gemeinsame Planung und Fingerspitzengefühl bei der<br />

Begleitung. Frau und Herr Müller unterstützen ihr Kind,<br />

lassen es jedoch auch eigene Erfahrungen<br />

machen. Als sich Sara von einem ersten Jugendlohn<br />

ein Paar schicke, doch nicht so wintertaugliche<br />

Stiefel kauft, lassen die Eltern sie<br />

gewähren. Kurz darauf wurde in der Schule ein<br />

Schlittelausflug angesagt. Da nun die passenden<br />

Schuhe fehlten, ergab sich eine natürliche<br />

Gelegenheit für ein Gespräch über notwendige<br />

und nicht notwendige Anschaffungen.<br />

Übungsfeld Alltag<br />

Der zwölfte Geburtstag ist laut Experten ein idealer<br />

Zeitpunkt, den Jugendlohn einzuführen: Das Kind ist<br />

bereits in der Lage, seine Bedürfnisse abzuwägen, und<br />

für elterlichen Rat noch empfänglich. Bis es ganz auf<br />

eigenen Füssen steht, bleibt genug Zeit, den Umgang<br />

mit Geld im Alltag zu üben. Heranwachsende erhalten<br />

neue Verpflichtungen, aber auch neue Freiheiten. Der<br />

Betrag kann beliebig angepasst, Kompetenzen und Verantwortung<br />

können erhöht werden. Auch für Familien<br />

mit knappem Budget ist der Jugendlohn meist weniger<br />

belastend als das Taschengeld oder die Ansprüche, die<br />

stetig gestellt werden. Dieses Modell eignet sich also für<br />

Familien aller Einkommensklassen.<br />

«Der Jugendlohn<br />

ist meist weniger<br />

belastend als<br />

das Taschengeld<br />

oder die Ansprüche,<br />

die stetig gestellt<br />

werden.»<br />

Susan Edthofer ist<br />

Redaktorin im Bereich<br />

Kommunikation<br />

von Pro Juventute.<br />

Pro Juventute Elternberatung<br />

Die Elternberatung ist ein Angebot von Pro Juventute für alle Eltern und<br />

Bezugs personen von Kindern und Jugendlichen. Fragen zum Familienalltag wie zu<br />

schwierigen Situationen können jederzeit telefonisch unter 058 261 61 61 oder<br />

per Mail auf www.projuventute-elternberatung.ch gestellt werden, ebenso<br />

Erziehungsfragen oder Fragen zum Umgang mit Konsum. Ausser den normalen<br />

Telefongebühren fallen keine Kosten an.<br />

Zum Thema Finanzkompetenz erhalten Eltern zudem an Elternabenden und<br />

Workshops von Pro Juventute Unterstützung bei ihrer Erziehungsaufgabe.<br />

Mehr Infos www.projuventute.ch<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 35


Die Alles-ist-möglich-Lüge<br />

Über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie<br />

Zwei Journalistinnen waren überzeugt, dass Karriere und Elternsein problemlos unter einen<br />

Hut passen, bis sie erfahren mussten: Das ist eine Lüge. Ein Abdruck aus ihrem Buch.<br />

36 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Abgedruckt<br />

Illustration: P&P, Portraits: Susanne Garsoffky © Gudrun Senger<br />

Sonntagabend an<br />

einem Küchentisch in<br />

Hamburg-Eimsbüttel.<br />

Auf dem Tisch zwei<br />

Kalender, ein Laptop,<br />

der Familienplaner.<br />

«Morgen ist Elternabend<br />

in der Ballettschule, ich<br />

habe um sieben noch ein Treffen<br />

mit einem Kunden», sagt sie. «Kein<br />

Problem», sagt er und wirft einen<br />

Blick in seinen Computer. «Ich<br />

muss am Donnerstag für zwei Tage<br />

nach Madrid, bestellst du die Babysitterin?<br />

Du bist ja Freitagabend<br />

beim Schulverein.» – «Vergiss<br />

nicht, dass am Samstag Kita-Fest<br />

ist.» – «Oh Mann, wird das wieder<br />

eine Woche.»<br />

Eine Szene, wie sie sich Sonntag<br />

für Sonntag in vielen Familien<br />

abspielt. Es wird gefeilscht und<br />

gestritten, verteilt und verhandelt<br />

wie sonst nur im Büro: Wer macht<br />

was wann? Von der Antwort auf<br />

diese zentrale Frage hängt das<br />

Wohlergehen einer ganzen Familie<br />

ab. Die Kinder erfahren beim<br />

Frühstück, wie die Woche läuft.<br />

Wann die Ersatzoma kommt,<br />

welche andere Mutter sie in die<br />

Schule bringt, welcher Nachbar sie<br />

zum Fussball mitnimmt und dass<br />

Mama und Papa die Aufführung<br />

beim Schulfest leider verpassen<br />

werden. Aber nächstes Mal ganz<br />

bestimmt kommen.<br />

Der Alltag als ewiger Kraftakt.<br />

Für viele Paare ist das Normalität.<br />

Vor allem für solche, die gleichberechtigter<br />

leben wollen als die<br />

Generation ihrer Eltern. Bei denen<br />

beide im Beruf stehen und sich<br />

versprochen haben, die Familienaufgaben<br />

zu teilen. Die man gemeinhin<br />

als «moderne» Familie<br />

bezeichnet. Aber was ist das, eine<br />

«moderne» Familie? Ist es modern,<br />

wenn man nach getaner Arbeit,<br />

nach Abwasch und Abendbrot vor<br />

Erschöpfung kaum noch seinen<br />

Namen sagen kann? (...)<br />

Wir haben das eine Zeit lang<br />

auch so gemacht. Weil wir dachten,<br />

das müsse so sein. Auch wir haben lange geglaubt:<br />

Das ist alles nur eine Frage der Organisation. Wer<br />

will, der kann auch! Der einzige Haken war: Unvorhergesehenes<br />

durfte nicht passieren, denn wenn doch,<br />

dann führte das direkt in die Orga-Katastrophe. Das<br />

Kind den Arm gebrochen, die Kinderfrau krank, die<br />

Grosseltern 500 Kilometer entfernt, sie auf Dienstreise,<br />

er in einer vermeintlich wichtigen Konferenz.<br />

Wenn das geschah, brach alles zusammen, war<br />

Schluss mit «modern». Zum Glück passierte das nicht<br />

allzu häufig. Und irgendwie ging es dann am Ende<br />

ja doch immer. Ja, es ging. Aber es ging, ohne dass<br />

wir es merkten, auch immer ein klein wenig in uns<br />

kaputt. Irgendwann kamen die ersten Zweifel. Ein<br />

gemeinsames Wochenende wäre schön. Zeit, in der<br />

alle vier zusammen sein können, und nicht wieder ein<br />

zerstückeltes, weil er am Samstag und sie am Sonntag<br />

arbeitet. (...)<br />

Wir verboten uns unsere Zweifel. Romantische<br />

Träumereien waren das, die in der modernen Arbeitswelt<br />

keinen Platz haben. Hatten wir nicht eben noch<br />

gepredigt, dass jede Leistung bringen müsse, um<br />

genug Geld zum Leben zu verdienen, um unabhängig<br />

zu sein, auch vom Partner? Also weiter wie bisher:<br />

Eltern-Netzwerke schaffen, Freunde einspannen, die<br />

Oma in den Zug setzen. Doch die Zweifel blieben, sie<br />

wuchsen sogar. Zum Beispiel an jenem Tag, als der<br />

Erstgeborene mit gut einem Jahr seinen ersten Fünf-<br />

Wort-Satz sagte. Er lautete: «Mama da. Papa auch da?»<br />

Es war der erstaunte Unterton, der aufhorchen liess.<br />

Was sollte das, was wollte dieses Kind? Wuchs es nicht<br />

in einer «modernen» Familie auf? In einer, die beinahe<br />

perfekt organisiert war. So perfekt, dass zumindest<br />

in den ersten Lebensjahren des Kleinen oft einer der<br />

Eltern da war – und einer von ihnen weg. Irgendwann<br />

wurde die Frage unausweichlich: Wie lange wollen<br />

wir dieses Klinke-in-die-Hand-Leben noch betreiben?<br />

Wollen wir wirklich so leben?<br />

Als wir uns auf das Abenteuer Familie einliessen,<br />

war uns nichts fremder als der Gedanke, ein «klassisches<br />

Familienleben» zu führen, (...) bei dem er<br />

das Geld verdient und sie mit den Kindern zu Hause<br />

bleibt – wir fanden es nicht nur abwegig, sondern beinahe<br />

anstössig. Bis wir nach ein paar Jahren merkten,<br />

dass wir uns verrechnet hatten. Verkalkuliert. Unser<br />

modernes Familienbild kollidierte immer öfter und<br />

immer heftiger mit dem bismarckschen Gerüst. Denn<br />

wenn beide verdienen, wird es schnell teuer. Plötzlich<br />

müssen er und sie sich getrennt krankenversichern.<br />

Der Kindergarten verlangt den Höchstbeitrag. Die<br />

Kosten für die Kinderbetreuung steigen und steigen.<br />

Und die Steuerrückerstattung fällt aus, weil der Vorteil<br />

durch das Ehegattensplitting dahinschmilzt. Am<br />

Ende arbeitet der, der weniger verdient – meist ist es<br />

die Frau – nur gegen diese Kostenlawine<br />

an. Übrig bleibt fast nichts<br />

– ausser Stress. Absurd.<br />

In der Diskussion darüber,<br />

wie wir leben wollen, wie wir uns<br />

innerhalb unserer Familien organisieren<br />

und wer letztlich das Geld<br />

in welchem Umfang verdient, ist<br />

uns jede Gelassenheit abhandengekommen.<br />

(...)<br />

Wie viel wäre gewonnen, wenn<br />

wir, statt uns in Grabenkämpfen zu<br />

verlieren, daran arbeiten würden,<br />

bessere Bedingungen für alle zu<br />

schaffen. (...)<br />

Schon die nächste Generation<br />

könnte es leichter haben. Wenn<br />

wir jetzt die richtigen Schlüsse aus<br />

unseren Erfahrungen ziehen. Und<br />

dabei das Wichtigste nicht aus den<br />

Augen verlieren – unsere Kinder.<br />

Susanne Garsoffky<br />

und Britta Sembach:<br />

«Die Alles-ist-möglich-Lüge.<br />

Wieso<br />

Familie und Beruf<br />

nicht zu vereinbaren<br />

sind»<br />

Pantheon Verlag<br />

2<strong>01</strong>4, 256 Seiten,<br />

Fr. 27.90<br />

Susanne Garsoffky<br />

Jahrgang 1968, studierte Geschichte und<br />

Politikwissenschaften. Sie ist Journalistin,<br />

verheiratet und Mutter zweier Söhne.<br />

Britta Sembach<br />

Jahrgang 1968, studierte Politikwissenschaft,<br />

Geografie und Portugiesisch. Sie ist<br />

als Journalistin und Kommunikationstrainerin<br />

tätig, verheiratet und hat zwei Söhne.<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 37


Alexander Volz wohnt in<br />

Burgdorf BE, seine drei<br />

Kinder aus erster Ehe in<br />

Glückstadt bei Hamburg.<br />

Besonders die zwei Buben<br />

kommen den Vater gerne<br />

besuchen. Dann wird<br />

nachgeholt, was sonst<br />

nicht möglich ist: Zeit<br />

gemeinsam verbringen,<br />

wie hier in Wengen<br />

im Berner Oberland.<br />

38 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Familie auf Distanz<br />

Am Wochenende Familienleben, während der Woche in der Single-Wohnung. Immer<br />

mehr Väter arbeiten weit weg von Frau und Kindern und führen ein Leben zwischen<br />

Abschied, Sehnsucht und der Vorfreude auf das nächste Wiedersehen. Kann so<br />

Familie gelingen? Zwei Väter ziehen Bilanz.<br />

Text: Evelin Hartmann Fotos: Raffael Waldner / 13 Photo<br />

>>><br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 39


Psychologie & Gesellschaft<br />

Marc Wittwer fährt seinen Computer<br />

runter und schaltet das Licht seiner<br />

Schreibtischlampe aus. Die Welt vor<br />

den grossen Fensterscheiben des<br />

Büro-Hochhauses in Rotkreuz ZG<br />

liegt im Dunklen. Es ist 19 Uhr, der Produktmanager<br />

macht sich auf den Weg nach Hause.<br />

350 Kilometer weiter nordöstlich deckt seine Frau<br />

gerade den Tisch, seine Zwillinge Lara (9) und Mario<br />

(9) waschen sich die Hände, setzen sich an den Esszimmertisch.<br />

Von Montag bis Freitagmittag bleibt der Stuhl<br />

ihres Vaters leer. Marc Wittwers Familie wohnt in München,<br />

er in Sattel, Schwyz.<br />

Am Wochenende Familienleben, während der<br />

Woche leben und arbeiten in einer anderen Stadt oder<br />

einem anderen Land: Immer mehr Familien führen ein<br />

Leben auf Distanz, meistens sind es die Väter, die pendeln,<br />

weil sie von ihrer Firma versetzt werden, in ihrer<br />

Umgebung keinen vergleichbaren Job finden. Umarmungen,<br />

herumtollen, gemeinsam einschlafen, aufwachen,<br />

Sex, all das, was Partnerschaft und Familie<br />

ausmacht, wird dann in 48 Stunden gepackt.<br />

Bei Marc Wittwer (42) war es anders geplant. «Im<br />

Januar 2<strong>01</strong>4 habe ich in Rotkreuz angefangen, weil mich<br />

das Jobangebot gereizt hat», erinnert er sich. In den<br />

Sommerferien sollte die Familie nachkommen. Aber<br />

einige seiner Projekte liefen nicht optimal, es gab viele<br />

Wechsel im Team. «Die Kinder aus der Schule nehmen,<br />

der grosse Umzug – und mich dann nach einem halben<br />

«Die Qualität des Wochenendes entscheidet sich während der Woche»<br />

Der Familien- und Paartherapeut Peter Wendl über das Phänomen «mobile Familie» und warum<br />

es so wichtig ist, schon während der Woche immer wieder zu Hause anzurufen.<br />

Herr Wendl, wir leben und arbeiten in<br />

einer zunehmend globalisierten Welt.<br />

Nimmt die Zahl an Familien, die eine<br />

Fernbeziehung leben, zu?<br />

Konkrete Zahlen gibt es nicht, was aber<br />

definitiv zugenommen hat, ist die<br />

Bereitschaft zu pendeln, da die digitalen<br />

Kommunikationsmedien, wie Skype oder<br />

FaceTime, es ermöglichen, auch über eine<br />

grosse Distanz hinweg am Alltag des<br />

anderen teilzunehmen, ihn in Echtzeit zu<br />

sehen. Es ist heute also eine Selbstverständlichkeit,<br />

bilokal leben zu können und<br />

trotzdem eine Familie zu haben.<br />

Was würden Sie Eltern, die diese<br />

Lebensform wählen, raten?<br />

Es gibt drei Grundregeln zu beachten. Zum<br />

einen sollte das Paar klären, ob es für beide<br />

Sinn macht, während der Woche an zwei<br />

verschiedenen Orten zu leben. Wenn sich<br />

dem Vater beispielsweise zurzeit nur in<br />

Zürich ein Jobangebot mit einer solch<br />

interessanten Stellenbeschreibung bietet<br />

und die Mutter der Kinder wegen die Nähe<br />

zu ihren Eltern in Stuttgart nicht missen<br />

will, macht dieses Modell für beide Sinn,<br />

und sie können die Belastungen einer Fernbeziehung<br />

leichter aushalten. Ausserdem<br />

sollte der Zeithorizont spätestens nach<br />

zwei Jahren geklärt werden: Wie geht es<br />

uns? Wie lange wollen wir so leben und<br />

arbeiten? Und nicht zuletzt müssen es<br />

beide Partner schaffen, während der<br />

Woche auch alleine einen erfüllenden<br />

Alltag zu leben. Wenn sich einer dauerhaft<br />

als Verlierer fühlt, ist dieses Lebensmodell<br />

40 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Auf die Plätze, fertig, Schnee! Bettina Wittwer und die<br />

Zwillinge Lara und Mario zu Besuch in Sattel SZ. Beim Vater<br />

gibt es coole Wintersportgebiete, finden die beiden.<br />

Die Kinder aus der Schule<br />

nehmen, den grossen Umzug,<br />

das wollte Marc Wittwer nicht.<br />

Jahr möglicherweise wieder umorientieren zu müssen,<br />

das wollte ich auf keinen Fall», erinnert er sich.<br />

Dafür sind Wittwers in München zu verwurzelt,<br />

seine Eltern wohnen ganz in der Nähe, die Schwiegereltern<br />

nur 40 Kilometer entfernt, betreuen an zwei<br />

Nachmittagen die Kinder, wenn seine Frau als Augenoptikerin<br />

arbeitet. «Also haben wir die Entscheidung<br />

um ein weiteres halbes Jahr vertagt.»<br />

Alexander Volz (43) schaut aus dem Zugfenster. Um<br />

5.30 Uhr ist er in Burgdorf BE losgefahren, sein Ziel: der<br />

Bahnhof in Kassel-Wilhelmshöhe, Deutschland. Dort<br />

holt er seine drei Kinder ab. Anders als Marc Wittwer<br />

ist der Kommunikationsexperte mit der Mutter seiner<br />

Kinder nicht mehr zusammen. Die Buben aus erster Ehe<br />

sind 12 und 14, die Tochter 16. Alle drei Monate sind<br />

Dennis, Matti und Caro* bei ihm, wenn möglich eine<br />

Woche und jedes zweite Weihnachtsfest.<br />

Zurück in Burgdorf gibt es ein grosses Wiedersehen<br />

mit den beiden kleinen Halbgeschwistern – und >>><br />

sehr wahrscheinlich zum Scheitern<br />

verurteilt.<br />

Das leuchtet ein, betrifft aber auch<br />

kinderlose Paare in einer Fernbeziehung.<br />

Was ist bei Familien so speziell?<br />

Das Konstrukt wird um ein Vielfaches<br />

komplexer. Bei kinderlosen Paaren ist das<br />

Ziel, trotz Distanz und wenig Zeit zu zweit<br />

das Bestmögliche aus dieser Situation zu<br />

machen. Kommen Kinder hinzu, geht es<br />

hauptsächlich um Schadensbegrenzung.<br />

Das hört sich dramatisch an.<br />

Wie dramatisch das ist, ist von Fall zu Fall<br />

verschieden. Es gibt keine wissenschaftlichen<br />

Belege dafür, dass die Beziehung<br />

zwischen Vater und Kindern zwangsläufig<br />

leidet. Sicher ist aber, dass Väter gut daran<br />

tun, sich auch während der Woche via<br />

Telefon oder Skype aktiv am Familienalltag<br />

zu beteiligen. Wer sich schon Dienstagabend<br />

die Zeit und Ruhe nimmt, sich bei<br />

seinem Sohn nach dem Ausgang der<br />

Klassenarbeit zu erkundigen, hat am<br />

Samstag Zeit für andere Themen. Je älter<br />

die Kinder sind, desto leichter ist dieser<br />

Austausch natürlich. Die Qualität des<br />

Wochenendes entscheidet sich demnach<br />

nicht am Wochenende selbst, sondern<br />

während der Woche – ebenso wie die<br />

Qualität der Beziehung zwischen Vater und<br />

Kindern.<br />

Trotzdem stellt man sich in diesen<br />

Familien die Erwartung an das<br />

Wochenende extrem hoch vor.<br />

Sicher. Da sind die Erwartungen an die Zeit<br />

als Paar, die Bedürfnisse der Kinder, und<br />

nicht zuletzt braucht es auch Zeit, die man<br />

nur für sich gestaltet. Kein leichter Spagat.<br />

Darüber sollte man reden: Wer braucht was,<br />

und wie viel davon kann ich geben? Auch<br />

Kinder haben Verständnis dafür, dass die<br />

Eltern auch mal Zeit zu zweit verbringen<br />

möchten, wenn sie dann wieder an der<br />

Reihe sind. Alle brauchen das Wochenende<br />

als Kernzeit der Familie, als Qualitime,<br />

in der Papa wirklich da ist.<br />

Dr. Peter Wendl<br />

ist wissenschaftlicher Projektleiter an der<br />

Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt<br />

und erforscht, wie sich Mobilitätsanforderungen<br />

auf die Familie auswirken.<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 41


Psychologie & Gesellschaft<br />

>>> überbackene Nachos. «Die sind obligatorisch»,<br />

sagt der gebürtige Norddeutsche und lacht.<br />

Dass das Leben manchmal anders spielt, als man es<br />

von seinen Eltern kennt, weiss er spätestens seit 2007.<br />

Damals trennte er sich von seiner Frau. Nach der Scheidung<br />

lernte er eine Schweizerin kennen. Der Schritt in<br />

die Schweiz sei ihm nicht schwergefallen. «Meine Ex-<br />

Frau ist mit den Kindern oft umgezogen, so dass ich<br />

immer pendeln musste», erinnert er sich. Zwischen den<br />

Besuchen skypen sie.<br />

Marc Wittwer telefoniert lieber mit seiner Familie.<br />

«Hallo Lara, wie geht’s, habt ihr schon gegessen?»<br />

Am anderen Ende berichtet eine Mädchenstimme<br />

von der Schule, darüber, dass ihre beste Freundin übermorgen<br />

neun wird. Marc Wittwer lächelt. Dass abends<br />

keiner auf einen wartet, verleitet schon dazu, mehr zu<br />

arbeiten, sagt er. Zumindest die ersten Monate. Mittlerweile<br />

bemüht er sich um eine gute Balance, sitzt an<br />

Sommerabenden auf seinem Balkon, geht biken.<br />

Manchmal lädt er Kollegen zum Kochen ein. «Ansonsten<br />

führe ich hier das Leben eines Einsiedlers», sagt der<br />

Familienvater und lacht. Wirklich witzig findet er das<br />

aber nicht.<br />

Natürlich freuen sich die Kinder, wenn er freitagnachmittags<br />

die Wohnungstür in München aufsperrt<br />

– wenn sie da sind. «Fussballtraining, Tanzen, sie haben<br />

mittlerweile auch ihr eigenes Programm.» Und dass die<br />

Mutter jetzt in vielen Dingen die erste Ansprechperson<br />

ist, sei für ihn nur verständlich. Daher fragt er auch<br />

beim Abendessen oft gar nicht ab, wie es in der Schule<br />

war. Marc Wittwer: «Wir machen lieber Pläne für die<br />

gemeinsame Zeit am Wochenende – alles andere ergibt<br />

sich in den nächsten Tagen.» Er weiss, dass es wichtiger<br />

ist, am Samstag kein Fussballmatch seines Sohnes zu<br />

verpassen und dass danach seine Tochter dran ist, denn<br />

die Kinder führen gedanklich genau Buch. Manchmal<br />

bleibt auch Zeit für ein Abendessen zu zweit. Die<br />

Gespräche mit seiner Frau Bettina (44) fehlen ihm.<br />

Nähe geht verloren.<br />

Alexander Volz lädt mit seinen Söhnen die Einkaufstaschen<br />

ins Auto. Alltag leben, das ist ihm wichtig mit<br />

seinen Kindern, neben Ausflügen in den Zoo oder in<br />

die Berge. Für die Buben muss es nicht das grosse Unterhaltungsprogramm<br />

sein, sie sind einfach gern beim<br />

Vater und umso trauriger, wenn sie sich wieder trennen<br />

müssen. «Zu Hause denke ich jeden Tag an Papa», sagt<br />

Dennis. Dann schaut er sich Fotos an und wird trotzdem<br />

traurig, wenn er beim Blick in den Kalender sieht,<br />

wie viele Tage noch vergehen müssen bis zum nächsten<br />

Wiedersehen.<br />

Deshalb hat sich Alexander Volz etwas überlegt, eine<br />

Geschichte erfunden, in der drei Jugendliche in der<br />

Schweiz Abenteuer bestehen. «Es ist unschwer zu erkennen,<br />

wer diese drei sind», sagt er und schmunzelt. Bisher<br />

ist eine dieser Geschichten als Buch erschienen (Alexander<br />

Volz, «Rustico Vecchio – das Erbe Andrins»,<br />

Band I, Spick Verlag, 2<strong>01</strong>4, 29 Franken). Fünf Bände<br />

sollen es insgesamt werden, für jedes seiner Kinder<br />

einer. Das hilft auch ihm, mit der Distanz umzugehen<br />

und über sie hinweg seinen Kindern nah zu sein.<br />

Wie Marc Wittwers Zwillinge mit der räumlichen<br />

Trennung umgehen, bewertet er unterschiedlich.<br />

«Lara macht das gut, sie erzählt gerne, ihr macht es<br />

Spass zu telefonieren. Bei Mario ist das anders, er<br />

braucht die gemeinsame Aktion, um sich seinem Vater<br />

nah zu fühlen», sagt er. Er sei leichter reizbar geworden,<br />

gerät schneller in Streit. «Dem Buben fehlt der Vater»,<br />

sagt seine Lehrerin. Im März soll daher endgültig eine<br />

Entscheidung fallen: Wer zieht zu wem?<br />

«Ich habe das Pendeln unterschätzt», gesteht auch<br />

Bettina Wittwer sich selbst und ihrer Familie ein. «Mir<br />

fehlt die Nähe meines Mannes vor Ort.» Hausaufgaben<br />

abfragen, die Kinder zum Sport oder zu den Freunden<br />

fahren, Elternsprechtage, Arztbesuche, Einkaufen, Putzen,<br />

ihre Tage sind randvoll. Unterstützung holt sie sich<br />

bei den Eltern und Schwiegereltern. «Aber es gibt Dinge,<br />

die kann ich nicht allein entscheiden», sagt sie. Diese<br />

Dinge schreibt sie auf einen Zettel. Ihre To-do-Liste<br />

fürs Wochenende.<br />

«Mario, gegen wen spielt ihr am Samstag? ... Oh toll,<br />

ich freu mich schon!», sagt Marc Wittwer und nimmt<br />

sich vor, seine Tasche fürs Wochenende schon heute<br />

Abend zu packen. Dann ist er am Freitag schneller<br />

daheim.<br />

>>><br />

* Namen von der Redaktion geändert<br />

Evelin Hartmann<br />

Wenn Dennis an seinen<br />

Vater denkt, schaut er sich<br />

zum Trost Fotos an.<br />

ist der Liebe wegen in die Schweiz gezogen. Sie wollte keine Familie<br />

auf Distanz – aber wissen, wie es anderen in diesem Modell ergeht.<br />

Buchtipp<br />

Dr. Peter Wendl:<br />

«Gelingende Fern-Beziehung.<br />

Entfernt zusammen wachsen»<br />

Herder Verlag, 6., erweiterte Auflage,<br />

2<strong>01</strong>3. 144 Seiten, Fr. 19.90<br />

42 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Stiftung Elternsein<br />

2<strong>01</strong>5 gibt es viel zu tun!<br />

Ellen Ringier über die Auswirkungen materialistischer und egonzentrischer Ziele<br />

Foto: Vera Hartmann / 13Photo<br />

Dr. Ellen Ringier präsidiert<br />

die Stiftung Elternsein.<br />

Sie ist Mutter zweier Töchter.<br />

Ich bin eigentlich eine Optimistin. Ja,<br />

mein Glas ist halbvoll und Unangenehmes<br />

gehe ich meist unternehmungslustig,<br />

frontal und unverzüglich an: Was<br />

sein muss, muss sein! Meine Umgebung<br />

schätzt mich als resilient ein.<br />

Doch dieses Jahr ist etwas anders<br />

als all die Jahre davor ... Statt von der<br />

lebendigen Stadt Marseille, in der ich<br />

ein warmherziges, fröhliches Neujahr feierte, zu<br />

schwärmen, fällt mir zum Neujahr nur ein Wort ein:<br />

«mistral»! Der Mistral ist laut Wikipedia «ein kalter,<br />

oft starker Fallwind aus nordwestlicher Richtung, der<br />

sich im unteren Rhônetal (und darüber hinaus)<br />

bemerkbar macht.» Ich fürchte, in meiner Erinnerung<br />

an Neujahr 2<strong>01</strong>5 wird nur eines bleiben: In Marseille<br />

habe ich vier Tage lang grenzenlos gefroren.<br />

Da passt es gut, dass ich Mario Vargas Llosas Buch<br />

«Alles Boulevard» im Gepäck mit dabei hatte, Tenor:<br />

Die globale Zerstreuungskultur, die Dreistigkeit der<br />

Politik, die frivole Banalisierung nahezu aller Lebensbereiche<br />

seien der Feind jeglichen Wertebewusstseins:<br />

«Was einmal Kultur war, ist heute Spektakel!» Dabei<br />

fällt mir ein, dass der Papst in seiner Rede vor dem<br />

EU-Parlament in Strassburg Ende November vom<br />

wachsenden Partikularismus der einzelnen Länder<br />

gesprochen hat, vom Verlust der politischen Kultur.<br />

Nach dem westlichen Wertekodex leben<br />

Liebe Leserinnen und Leser, ich muss gestehen, dass<br />

der literarische Nobelpreisträger und der Stellvertreter<br />

Gottes auf Erden, wie ich finde, für uns alle wichtige<br />

Feststellungen gemacht haben: Wenn wir unser Leben<br />

nicht mehr nach dem westlichen Wertekodex ausrichten,<br />

sondern an überwiegend materialistischen<br />

und egozentrischen Zielen orientieren, verlieren wir<br />

die wichtigste Errungenschaft der westlichen Philosophie,<br />

den Wertekodex judäo-christlicher Religionen,<br />

die allen Menschen garantierten Grundrechte,<br />

die tatsächliche Eigenverantwortlichkeit der Bürger in<br />

demokratischen Systemen und vieles mehr.<br />

Wenn wir unseren Politikern, unseren Wirtschaftsführern,<br />

allen für die Gestaltung des Systems<br />

«Schweiz» Verantwortlichen weiterhin gestatten,<br />

immer mehr eine Politik der Eigen- und Partikularinteressen<br />

zu betreiben, statt das übergeordnete Interesse<br />

des Landes und seiner Bürger im Fokus zu haben,<br />

kommt das System aus der Balance. Wenn wir es nicht<br />

schaffen, alle Bürger, auch die weniger Tüchtigen, die<br />

weniger Begüterten und die Minderheiten, mitzunehmen,<br />

verlieren wir an demokratischer Kultur. Dann<br />

brauchen wir uns auch nicht zu wundern, wenn asiatische,<br />

aber auch orientalische Essayisten weltweit zusehends<br />

Gehör finden mit der Behauptung, «der Westen»<br />

habe mit dem Kollaps des Kommunismus<br />

jegliche Schranke zum rein Materiellen verloren und<br />

damit habe die westliche Kultur auch jeglichen sinnstiftenden<br />

Modellcharakter verspielt. Trotz scheinbarem<br />

wirtschaftlichem Erfolg.<br />

Ich für meinen Teil schätze mich überglücklich,<br />

nicht im kommunistischen China oder im kastenregierten<br />

hinduistischen Indien oder im islamischen<br />

Einflussgebiet geboren worden zu sein! Persönlich<br />

glaube ich, «der Westen» hat für die Freiheit des Einzelnen<br />

so lange gekämpft und über Jahrhunderte so<br />

viel Blut vergossen, dass es für uns existenziell ist, uns<br />

für unsere kulturellen Werte mit allen Freiheitsrechten<br />

und der demokratischen Partizipation an der Gesellschaft<br />

intensiver als bisher einzusetzen!<br />

Und ja, ich will auch, dass unsere Kinder von uns<br />

Eltern lernen, dass den Rechten des Einzelnen die<br />

Verpflichtung gegenübersteht, für diese kulturellen<br />

Errungenschaften zu kämpfen!<br />

Im 2<strong>01</strong>5 gibt es viel zu tun. Ich wünsche Ihnen, uns<br />

allen von Herzen gutes Gelingen!<br />

STIFTUNG ELTERNSEIN<br />

«Eltern werden ist nicht schwer,<br />

Eltern sein dagegen sehr.» Frei nach Wilhelm Busch<br />

Oft fühlen sich Eltern alleingelassen in ihren Unsicherheiten,<br />

Fragen, Sorgen. Hier setzt die Stiftung Elternsein<br />

an. Sie richtet sich an Eltern von schulpflichtigen Kindern<br />

und Jugendlichen. Sie fördert den Dialog zwischen Eltern,<br />

Kindern, Lehrern und die Vernetzung der eltern- und<br />

erziehungsrelevanten Organisationen in der deutschsprachigen<br />

Schweiz. Die Stiftung Elternsein gibt das Schweizer<br />

ElternMagazin Fritz+Fränzi heraus. www.elternsein.ch<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 43


Erziehung & Schule<br />

Die Welt auf<br />

einem Fleck<br />

Jugendliche aus über 50 Nationen lernen am United<br />

World College in Swasiland gemeinsam. Wie funktioniert<br />

das? Ein Schulbesuch im südlichen Afrika.<br />

Text: Jeannette Otto Fotos: Marc Shoul<br />

Viele Kulturen auf<br />

kleinem Raum –<br />

der Diskussionsstoff<br />

geht nie aus. In der<br />

Mitte Leonie aus<br />

Deutschland.<br />

44 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Laurence Nodder,<br />

13 Jahre Schulleiter<br />

in Swasiland, jetzt<br />

für UWC in<br />

Deutschland tätig.<br />

Vom Hausberg<br />

aus können die<br />

Schüler ihren<br />

Campus und die<br />

Hauptstadt<br />

Mbabane sehen.<br />

Der weisse Schulbus kriecht die Serpentinen<br />

hinauf, vorbei an Wellblechhütten.<br />

Auf 1600 Metern hat man für junge Idealisten<br />

eine besondere Schule gebaut. 600<br />

Schüler aus 54 Nationen lernen in Waterford<br />

Kamhlaba, einem von weltweit zwölf United World<br />

Colleges. Tezzy aus Swasiland will Mädchen helfen,<br />

ihrem vorbestimmten Lebensweg<br />

zu entkommen. Fanele ist hier,<br />

weil er einmal UN-Generalsekretär<br />

werden will. Lerato kommt aus<br />

einer Township in Südafrika, Jenny<br />

aus Norwegen. Der 17-jährigen<br />

Leonie aus Deutschland schien<br />

die UWC-Werbung im Internet<br />

ziemlich dick aufgetragen: eine<br />

Schule für alle Hautfarben, Ethnien,<br />

Religionen, für mehr Völkerverständigung,<br />

Frieden, Toleranz und Gerechtigkeit.<br />

«Ich wollte wissen, ob das funktionieren kann.» Jetzt<br />

sitzt sie im Unterricht, mitten in Swasiland. Verrückt<br />

kommt ihr das immer noch vor.<br />

«Theory of Knowledge» heisst das Fach, das alles<br />

infrage stellt – zur Schulung des kritischen Denkens.<br />

Leonie fällt mit den blonden Haaren zwischen ihren<br />

schwarzen Mitschülern auf. 22 Fragen werden aufgeregt<br />

diskutiert: Ist es gut oder schlecht, jemanden als Soldat<br />

im Krieg zu töten? Oder aus Wut? Ist es gut oder<br />

schlecht, Fleisch zu essen? Sexuelle Beziehungen zu seinen<br />

Geschwistern zu haben, zu einem gleichgeschlecht-<br />

«Einige meiner<br />

Mitschüler sind<br />

so homophob, da<br />

kann man nicht still<br />

danebensitzen.»<br />

Leonie (17) Deutschland<br />

lichen Partner, zu seinem Lehrer? Leonie gefällt es, wenn<br />

die Weltbilder aufeinanderprallen. In ihrer Klasse in<br />

Deutschland wäre man sich sicher schnell einig geworden,<br />

aber hier? Keine Antwort ist ausgeschlossen. Sex<br />

mit dem Lehrer? Warum nicht, sagt einer ihrer afrikanischen<br />

Mitschüler. Aber mit einem gleichgeschlechtlichen<br />

Partner? Niemals! «Einige meiner Mitschüler sind<br />

so homophob», sagt Leonie, «da kann man nicht still<br />

danebensitzen.» Aber eines hat sie in Waterford gelernt:<br />

Es hilft nichts, beleidigt wegzurennen. «Ich hör mir das<br />

an, will wissen, warum sie so denken, und erwarte, dass<br />

man auch nach meiner Meinung fragt.»<br />

Sind Respekt und Toleranz am Ende wirklich nur<br />

eine Frage von Bildung und Reflexionsvermögen? «Entscheidend<br />

ist der Moment, in dem es plötzlich unwichtig<br />

wird, ob einer aus Deutschland, Mosambik, Ruanda,<br />

Iran oder Nordkorea kommt. Wenn die Persönlichkeiten<br />

spannender werden als die Nationalitäten», sagt<br />

Laurence Nodder. Seit 13 Jahren leitet der weisse Südafrikaner<br />

das Waterford College.<br />

Die Schule in Swasiland gehört<br />

vor allem bei westlichen Eltern<br />

nicht gerade zu den ersten Adressen<br />

auf der Landkarte der UWCs.<br />

Das Königreich am Rand von<br />

Südafrika hat die höchste HIV-<br />

Rate der Welt. Ein Viertel der<br />

Erwachsenen ist mit dem Virus<br />

infiziert. Die durchschnittliche<br />

Lebenserwartung liegt bei 31 Jahren.<br />

Eine offene Aufklärung ist in der meist christlichen<br />

Bevölkerung eine heikle Angelegenheit.<br />

Laurence Nodder kennt die Ängste der Eltern und<br />

weiss, dass der Ruf seiner Schule an der Sicherheit hängt,<br />

die er hier gewährleisten kann. Keinen Sex, keine Drogen,<br />

keinen Alkohol – das sind die Regeln, die unter den<br />

Schülern für Diskussionsstoff sorgen. Innerhalb der<br />

United World Colleges hat Waterford den Ruf, die konservativste<br />

und strengste Schule zu sein. Für die afrikanischen<br />

Jugendlichen ist sie dagegen die liberalste, die<br />

sie je besucht haben. Für Nodder ist es ein permanenter<br />

Balanceakt, den Freiheitsdrang seiner europäi- >>><br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 45


«Man wird sehr<br />

bescheiden, wenn man<br />

sieht, worüber sich die<br />

Kinder hier freuen.»<br />

Jenny (18), Norwegen<br />

>>> schen Schüler nicht zu stark einzuschränken,<br />

gleichzeitig aber die religiösen Befindlichkeiten der afrikanischen<br />

Familien nicht zu verletzen.<br />

«Wir werden für eine Woche von der Schule suspendiert,<br />

wenn wir nachts bei den Jungs entdeckt werden»,<br />

erzählt Leonie und verdreht dabei die Augen. Sie sitzt<br />

im Gemeinschaftsraum ihres<br />

Wohnheims. Hier werden Pläne<br />

für das Wochenende geschmiedet,<br />

Gerüchte gestreut, Liebesgeschichten<br />

erzählt und Musik<br />

getauscht. Es war ein schönes<br />

Gefühl, als Leonie gemerkt hat,<br />

dass sie sich mit ihren Mitschülern<br />

aus aller Welt vertraut fühlt<br />

wie mit ihrer Familie. Ihre Eltern<br />

zahlen 9000 Euro für die zwei Jahre am United World<br />

College. 29 000 würde der Schulplatz in Swasiland eigentlich<br />

kosten. Die Familien sollen aber nur das zahlen, was<br />

sie wirklich aufbringen können. Den Rest deckt die<br />

Deutsche Stiftung UWC über Spendengelder.<br />

Die Erwartungen der Eltern sind hoch. Aufgeschlossene<br />

Weltbürger sollen ihre Kinder werden und sich auf<br />

das International Baccalaureate vorbereiten, einen Schulabschluss,<br />

mit dem sie danach an jeder Universität der<br />

Welt studieren können. Es kann anstrengend sein, zwei<br />

Jahre lang allem und jedem gerecht werden zu müssen,<br />

Leonie Regina Twerte kam aus<br />

Dortmund nach Swasiland.<br />

immer offen und verständnisvoll zu sein, gleichzeitig<br />

für Prüfungen zu lernen und Essays zu schreiben.<br />

Am Anfang hat sich der 18-jährige Sebastian aus<br />

Deutschland darüber gewundert, dass viele afrikanische<br />

Schüler über externe Programme nach Waterford kommen,<br />

ohne sich mit den Idealen der UWCs so stark verbunden<br />

zu fühlen wie er selbst. «Für sie ist die Schule<br />

vor allem ein Sprungbrett in eine vielversprechende<br />

Karriere», sagt er. Inzwischen aber weiss er, dass er gerade<br />

durch diese Mitschüler viel gelernt hat über das wirkliche<br />

Afrika. Tezzy aus Swasiland etwa hat ihm gezeigt,<br />

dass so eine Schule nicht nur Haltung und Einstellung<br />

verändern kann, sondern ganze Lebenswege.<br />

Das UWC war in Tezzys Wahrnehmung eine Art<br />

fremde Galaxie, obwohl es nur eine Autostunde von<br />

ihrem Zuhause entfernt lag. Sie hätte nie gewagt, sich<br />

für ein Stipendium zu bewerben, hätte ihre Lehrerin<br />

nicht so hartnäckig darauf bestanden. Heute steht Tezzy<br />

an der Spitze der Schülervertretung, sie fährt auf<br />

internationale UWC-Kongresse, nimmt an Wettbewerben<br />

im Debattieren teil. Wie sehr sie sich verändert hat,<br />

spürt sie vor allem, wenn sie nach Hause zu ihren Grosseltern<br />

und der alleinerziehenden Mutter kommt. «Dann<br />

werde ich ganz still, weil ich Angst habe, arrogant und<br />

Tengetile «Tezzy»<br />

Nhlengethwa möchte<br />

die Rolle der Frauen<br />

in ihrem Heimatland<br />

Swasiland verändern.<br />

46 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Erziehung & Schule<br />

intellektuell zu wirken.» Sie hat in Waterford gelernt,<br />

Fragen zu stellen, das ist an den Schulen und in den<br />

Familien in Swasiland nicht üblich. Sie weiss nun Dinge,<br />

die andere nicht wissen. «Wenn mir meine Freunde zu<br />

Hause erzählen, dass man HIV heilen kann, wenn man<br />

mit einer Jungfrau schläft, dann wird mir ganz schlecht»,<br />

sagt Tezzy. Sie versuche zwar, mit ihnen zu diskutieren,<br />

gebe aber auf, wenn sie spüre,<br />

«Mir wird schlecht,<br />

wenn Freunde sagen,<br />

man könne HIV<br />

durch Sex mit<br />

Jungfrauen heilen.»<br />

dass sie gegen die Macht der<br />

traditionellen Weltbilder keine<br />

Chance habe.<br />

Rund 30 Prozent der afrikanischen<br />

Schüler kommen<br />

mit einem Stipendium nach<br />

Waterford. Laurence Nodder<br />

ist stolz auf diese Zahl, weil<br />

sich durch diese Jugendlichen,<br />

die oft aus Townships und<br />

Waisenhäusern stammen, die soziale Zusammensetzung<br />

der Schule verändert. Er hofft, dass es ihnen später<br />

gelingt, ihr Land zum Besseren zu verändern.<br />

Der Auseinandersetzung mit einer anderen als der<br />

eigenen Realität entkommt in Waterford niemand.<br />

Jeden Dienstag steht der Dienst an der Gemeinschaft<br />

auf dem Stundenplan. In Waisenhäusern, Flüchtlingslagern,<br />

öffentlichen Schulen. «Jenny, Jenny», rufen die<br />

Kinder im Sandra Lees Orphanage, einem Waisenhaus,<br />

wenn sie das norwegische Mädchen entdecken. «Für<br />

mich sind das die schönsten Stunden der Woche», sagt<br />

Jenny. «Man wird sehr bescheiden, wenn man sieht, wie<br />

wenig diese Kinder brauchen, um sich zu freuen.»<br />

Abends um halb elf müssen alle im Wohnheim sein.<br />

Zwei Lehrer haken jeden Namen auf einer Liste ab. Eine<br />

Tezzy (17), Swasiland<br />

schnelle Umarmung, dann gehen die Jungs nach rechts,<br />

die Mädchen nach links. Bis zum Morgen werden die<br />

Türen verschlossen sein. Dahinter beginnt jetzt die zweite<br />

Hälfte des Tages. Zu spannend ist es, auf dem Flur<br />

oder in der kleinen Küchen zusammenzustehen und in<br />

die Nacht hinein zu reden. Leonie hofft, dass ihre Eltern<br />

ihr verzeihen, dass sie nur einmal im Monat mit ihnen<br />

skypt. Der Tag hat auch in Afrika nur 24 Stunden – das<br />

ist an einer Schule wie Waterford schlimm.<br />

>>><br />

Dieser Beitrag ist in «Schule & Familie» erschienen.<br />

Gekürzt von der Redaktion Fritz+Fränzi. Abdruck mit<br />

freundlicher Genehmigung des ZEIT-Verlags.<br />

United World Colleges –<br />

ein weltweites Netz junger Menschen<br />

Weltweit gibt es zwölf United World Colleges (UWCs) auf<br />

fünf Kontinenten. Die Bewerber werden von 126 UWC-<br />

National komitees ausschliesslich nach Eignung und<br />

Begabung aus gewählt. Stipendien sollen sicherstellen,<br />

dass jeder ausgewählte Schüler das zweijährige Oberstufenprogramm<br />

absolvieren kann, selbst wenn sich die<br />

Eltern nur minimal oder nicht am Schulgeld beteiligen<br />

können. Die UWCs gehen auf den deutschen Reformpädagogen<br />

Kurt Hahn zurück, der nach der Erfahrung zweier<br />

Weltkriege junge Menschen international vernetzen<br />

wollte. 1962 gründete er das erste UWC in Wales, weitere<br />

gibt es zum Beispiel in Norwegen, Kanada, Singapur und<br />

Indien, das jüngste seit 2<strong>01</strong>4 in Freiburg im Breisgau.<br />

Weitere Informationen unter www.uwc.de.<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 47


Erziehung & Schule<br />

Wenn am Morgen<br />

das Bett nass ist<br />

Obwohl es unter Schulkindern mehr Bettnässer gibt, als man denken würde, verheimlichen<br />

die meisten Eltern dieses nächtliche Problem ihres Kindes – aus Scham- und Schuldgefühlen.<br />

Und so leiden viele für sich alleine im Stillen. Dabei kann man das Bettnässen relativ einfach<br />

in den Griff bekommen. Text: Susanne Kurz<br />

«Zeigen Sie Verständnis<br />

und Geduld. Das Problem<br />

des Bettnässens belastet<br />

Ihr Kind schon genug.»<br />

Susanne Kurz, Master of Science (MSc), ist Psychologin am<br />

Institut für Familienforschung und -beratung der Universität<br />

Freiburg und arbeitet dort in der Fachstelle Triple P.<br />

Macht ein Kind nach Erreichen des<br />

fünften Lebensjahres mindestens<br />

einmal pro Woche und während<br />

mindestens drei Monaten regelmässig<br />

nachts das Bett nass, spricht<br />

man von Bettnässen. In der Fachsprache heisst das<br />

Enuresis nocturna.<br />

Am Anfang der Grundschule hat immer noch eines<br />

von zehn Kindern Schwierigkeiten mit der Kontrolle<br />

seiner Blasenfunktion. In der Gruppe der Zehnjährigen<br />

macht ungefähr noch eines von 20 Kindern das<br />

Bett nass, bei den 12- bis 15-Jährigen leidet noch ein<br />

Jugendlicher unter 50 Altersgenossen unter Bettnässer-Problemen.<br />

Diese Zahlen verdeutlichen zwei Dinge:<br />

Erstens ist Bettnässen ein verbreitetes Phänomen,<br />

und zweitens verschwindet dieses Problem in den<br />

meisten Fällen nach einiger Zeit von alleine.<br />

Trotzdem ist Bettnässen etwas Unangenehmes für<br />

die ganze Familie – insbesondere für das betroffene<br />

Kind. Es schämt sich für sein vermeintliches Versagen.<br />

Klassenfahrten oder Übernachtungen auswärts<br />

werden zur Tortur, und deshalb versucht das Kind,<br />

sich vor solchen Unternehmungen zu drücken. Zu<br />

Hause kann es dadurch zu Spannungen und Streitereien<br />

kommen.<br />

Bettnässen kann unterschiedliche Ursachen haben.<br />

Wenn das Kind noch nie einige Monate lang trocken<br />

war, hat es wahrscheinlich einfach noch nicht gelernt,<br />

seine Blasenfunktion zu kontrollieren. Es kann aber<br />

auch organische oder hormonelle Gründe geben.Vielleicht<br />

hat die Blase kein ausreichendes Fassungsvermögen,<br />

oder es mangelt am antidiuretischen Hormon<br />

ADH, das nachts die Harnproduktion reduziert. Manche<br />

Kinder sind auch einfach Tiefschläfer, die trotz<br />

starkem Harndrang nicht aufwachen.<br />

Die Gründe herausfinden<br />

Wenn das Kind bereits trocken war und plötzlich<br />

wieder einnässt, können auch psychische Ursachen<br />

wie akuter Stress oder Ärger vorliegen, zum Beispiel<br />

durch Ereignisse wie eine Scheidung der Eltern, ein<br />

Schulwechsel oder ein traumatisches Erlebnis. Keinesfalls<br />

sollte man vermuten, dass bei einem Bettnässer<br />

ein Mangel an Hygieneerziehung oder ein Hang zur<br />

Faulheit besteht.<br />

Um die Therapie individuell anzupassen, muss also<br />

zunächst die Ursache des Bettnässens herausgefunden<br />

48 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Foto: Jan David Günther / Sodapix<br />

Bettnässen ist<br />

kein Vergehen –<br />

bleiben Sie<br />

geduldig und<br />

optimistisch!<br />

werden. Dabei hilft der Kinderarzt, der eventuell das<br />

Kind an einen Spezialisten weiterverweisen wird.<br />

Nur so lassen sich auch ernsthafte organische Erkrankungen<br />

ausschliessen.<br />

Kleine Tricks<br />

Ist eine zu kleine Blase oder ein ADH-Mangel die<br />

Ursache für das Bettnässen, kann eine medikamentöse<br />

Behandlung helfen. Bei ausgeprägter und starker<br />

Schlafintensität können sogenannte Klingelhosen<br />

oder Klingelmatten auf mechanischem Weg Abhilfe<br />

schaffen. Diese Geräte erzeugen einen Signalton,<br />

sobald das Einnässen einsetzt. Das Signal ist sozusagen<br />

ein Trainingsinstrument, mit dem sich das Kind<br />

angewöhnen kann, rechtzeitig zur Toilette zu gehen.<br />

Eltern sollten zudem auf äussere Umstände achten,<br />

die es dem Kind erschweren könnten, nachts trocken<br />

zu bleiben. Falls es tagsüber etwa zu wenig trinkt und<br />

zum Ausgleich am Abend viel Flüssigkeit zu sich<br />

nimmt, ist diese Ursache leicht zu beheben: Die Eltern<br />

können darauf hinwirken, dass das Kind sein Wasser<br />

über den Tag verteilt zu sich nimmt. Und: Bevor man<br />

ins Bett steigt, geht es noch einmal zur Toilette.<br />

Bloss nicht strafen<br />

Sind es momentane Stress- oder Angstzustände, die<br />

das Kind belasten, hilft nur eines: liebevoll auf die<br />

Anliegen des Kindes eingehen. Eltern sollten sich Zeit<br />

nehmen, zuhören, Teilnahme zeigen und ihre Unterstützung<br />

anbieten.<br />

Grundsätzlich braucht das Kind ganz gewiss keinen<br />

zusätzlichen, durch Strafen oder Beschimpfungen verursachten<br />

Stress. Sein Bettnässer-Problem ist schon<br />

belastend genug. Massregelungen oder Druck bringen<br />

keine positive Veränderung, sondern eher eine Verschlimmerung<br />

des Zustandes. Zeigen Sie stattdessen<br />

Verständnis und bleiben Sie geduldig.<br />

Wenn das Kind nachts eingenässt hat, reagieren Sie<br />

so ruhig und gelassen wie nur möglich, wechseln Sie<br />

die Bettwäsche, und lassen Sie das Kind gleich mithelfen.<br />

So spürt es, dass es sich nützlich machen kann<br />

und fähig ist, die Auswirkungen seines Problems teilweise<br />

selber zu lösen. Eine Gummimatte unter dem<br />

Bettlaken oder speziell saugfähige Bettauflagen sind<br />

auf jeden Fall hilfreich. Nicht zu vergessen: Hat das<br />

Kind eine Nacht «trocken» hinter sich gebracht, verdient<br />

es Lob und Ermutigung.<br />

Eltern erweisen dem Kind einen Dienst, wenn sie<br />

das Bettnässen weder als Krankheit noch als schlimmes<br />

Vergehen bewerten, sondern möglichst optimistisch,<br />

gelassen und geduldig bleiben. Das Kind<br />

braucht Zuversicht und Selbstvertrauen: Das sind die<br />

besten Voraussetzungen für die erfolgreiche Bewältigung<br />

der unliebsamen Bettnässer-Phase.<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 49


Aufgeklärt<br />

HILFE!<br />

Ich mach’s mir<br />

gerne selbst …<br />

Zur Sexualität gehört auch die Selbst befriedigung –<br />

auch bei Jugendlichen. Warum die Lust mit sich<br />

selbst Vorteile bringt. Text: Eveline von Arx<br />

Eveline von Arx<br />

Dr. phil. Pädagogin<br />

Foto: Geri Born, Illustration: AdÃo Iturrusgarai<br />

In der Adoleszenz – der Zeit also, in<br />

der Jugendliche körperlich und seelisch<br />

zu einem erwachsenen Menschen<br />

heranwachsen und «reifen»<br />

– stellt sich mitunter eine wichtige<br />

Entwicklungsaufgabe: der Umgang<br />

mit der Sexualität. Die Veränderungen<br />

in der Pubertät zu akzeptieren, insbesondere<br />

wenn es um das eigene Äussere geht, und<br />

sich mit dem gewandelten Körper anzufreunden,<br />

ist dabei zentral und bestimmt keine<br />

leichte Anforderung.<br />

Der Körper muss quasi neu «bewohnt»<br />

werden, und er wird auch neu entdeckt. Fast<br />

alle Jugendlichen befriedigen sich dabei selbst<br />

und probieren aus, was gefällt. Bei Jungs<br />

geschieht dies oft mit mehr Selbstverständlichkeit<br />

als bei Mädchen, da diese nicht immer<br />

auf Anhieb wissen, wie sie sich selber anfassen<br />

können.<br />

Besetzt von Scham und Tabus<br />

Als ehemalige Leiterin des «Dr.-Sommer-<br />

Teams» bei der Zeitschrift «Bravo» kann ich<br />

bestätigen, dass sich viele Fragen der jugendlichen<br />

Leserinnen und Leser um das Thema<br />

Selbstbefriedigung drehen. Auch wenn wir<br />

heute in einer Gesellschaft leben, in der Sexualität<br />

omnipräsent ist, sind die Fragen dazu<br />

nicht selten scham- und tabubesetzt. Die<br />

Angst, bei der Selbstbefriedigung etwas<br />

Schändliches, Schädliches oder sogar Ungesundes<br />

zu tun, kommt oft zum Ausdruck. Ich<br />

erinnere mich zum Beispiel an ein Mädchen,<br />

das unter Menstruationsbeschwerden litt und<br />

das Gefühl hatte, diese hingen damit zusammen,<br />

dass sie sich selbst befriedige.<br />

Aufklärung tut not, und in manchen Fällen<br />

ist es besonders wichtig, den Jugendlichen eine<br />

entlastende Antwort mit auf den Weg zu<br />

geben, mit dem Hinweis, dass man sich bei<br />

der Selbstbefriedigung sowohl angenehme<br />

Was spricht dagegen, es sich<br />

öfters gut gehen zu lassen?<br />

Gefühle verschaffe als auch lerne, welche<br />

Berührungen einem besonders guttun. Wer<br />

nämlich das weiss, kann dies dann auch seiner<br />

Partnerin oder seinem Partner mitteilen, was<br />

viel zu einer erfüllenden Sexualität beiträgt.<br />

Die Befürchtung, «es» zu häufig zu tun,<br />

bewegt ebenfalls viele Jugendliche. Doch auch<br />

da gilt: Was sollte schon dagegen sprechen, es<br />

sich des Öfteren – mit sich selbst – gut gehen<br />

zu lassen?<br />

50 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Hilft Ihrem Kind sich...<br />

GRossartig<br />

Rubrik<br />

Rund um die uhr<br />

zu fühlen!<br />

Unübertroffener<br />

Schutz bei<br />

Bettnässen<br />

bestellen Sie jetzt<br />

ihr Gratismuster<br />

auf drynites.ch<br />

Nachthöschen<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 51<br />

® Registered trademark Kimberly-Clark Worldwide, Inc. © 2<strong>01</strong>4 KCWW


Erziehung & Schule<br />

Beim Zaubern<br />

lernt sich’s leichter<br />

Genaue Reihenfolgen einhalten, fleissig üben und Misserfolge<br />

überwinden. Die Rede ist hier nicht vom Erlernen des Einmaleins,<br />

sondern vom Zaubern. Mit Hilfe des Zauberns üben<br />

Kinder vieles, das ihnen auch beim Lernen hilft. Die magische<br />

Welt des Zauberns ist den Kindern oft viel näher als die Welt der<br />

Zahlen und Buchstaben. Text: Franziska Peterhans<br />

«Bei einem Zaubertrick<br />

gelingt es auch leicht<br />

ablenkbaren Kindern,<br />

konzentriert zu arbeiten.»<br />

Franziska Peterhans ist Zentralsekretärin<br />

des Dachverbandes Lehrerinnen<br />

und Lehrer Schweiz LCH und Mitglied<br />

der Geschäftsleitung.<br />

Zaubern fasziniert Kinder.<br />

Ein spezieller<br />

Lichteffekt, ein Zauberstab,<br />

der richtige Zauberspruch<br />

– und schon<br />

tauchen sie ein in die magische Welt.<br />

Dass Zauberei viel Arbeit bedeutet<br />

und Übung braucht, stört die Kinder<br />

nicht. Über das Zaubern lernen sie,<br />

in Strukturen zu arbeiten, Reihenfolgen<br />

einzuhalten und ihr Handeln<br />

zu kommentieren.<br />

Diese Kompetenzen kommen<br />

den Kindern auch im normalen<br />

Schulalltag zugute. Schwierigkeiten<br />

in der Sprache, in der Grob- oder<br />

Feinmotorik, in der Mathematik<br />

oder im sozialen Umgang können<br />

über die hohe Motivation der Kinder<br />

für das Zaubern erfolgreich<br />

angegangen werden. Denn beim<br />

Zaubern merken die Kinder gar<br />

nicht, dass sie lernen, und genau das<br />

ist der Trick, mit dem die Zauberpädagogik<br />

arbeitet.<br />

Zauberpädagogik<br />

Kindern ist die magische Welt noch<br />

sehr nahe. Sie lassen sich gerne verzaubern<br />

und interessieren sich brennend<br />

für den Trick. Sobald sie wissen,<br />

wie er funktioniert, beginnen<br />

sie zu üben und lassen nicht mehr<br />

locker, bis sie ihn beherrschen. Voll<br />

Stolz schlüpfen sie dann in die Rolle<br />

der Zauberkünstlerin oder des Zauberkünstlers<br />

und führen ihrem Publikum<br />

den Trick vor.<br />

Im Rahmen eines Zaubertricks<br />

gelingt es auch leicht ablenkbaren<br />

Kindern, konzentriert zu arbeiten.<br />

Die vorlauten und aufgeweckten<br />

Kinder bekommen eine Bühne, auf<br />

der sie moderierend das Publikum<br />

durch das Zauberkunststück führen.<br />

Da können Fähigkeiten und Talente,<br />

die im normalen Unterricht oft als<br />

störend empfunden werden, zentrale<br />

Elemente sein.<br />

In der Zauberpädagogik geht es<br />

nicht darum, die Schwächen eines<br />

Kindes zu erkennen und es entsprechend<br />

zu fördern. Im Vordergrund<br />

steht die Freude am Tun. Da spielen<br />

sprachliche, soziale oder motorische<br />

Defizite keine Rolle. Jedoch steckt<br />

viel Lernpotenzial in der Zauberei.<br />

Kinder stärken damit ohne Druck<br />

ihre Konzentration, ihre Wahrnehmung,<br />

ihr Körper- und Selbstwertgefühl<br />

und erweitern ihre sozialen<br />

und sprachlichen Kompetenzen.<br />

Damit aus einem Trick ein wirkliches<br />

Zauberkunststück werden<br />

52 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


kann, braucht es auch schauspielerische<br />

Fähigkeiten. In der Form des<br />

darstellenden Spiels oder der «Jeux<br />

Dramatiques» können Kinder diese<br />

üben. Beides sind wertfreie, einfache,<br />

nonverbale und prozessorientierte<br />

Formen des Theaterspiels.<br />

Fantasie ist gefragt<br />

Die Lehrperson gibt eine Situation<br />

vor, in die sich die Kinder hineindenken<br />

und -fühlen. So sind sie etwa<br />

als mürrische Zauberin unterwegs,<br />

die schlecht geschlafen hat und alles<br />

verzaubert, was ihr nicht in den<br />

Kram passt. Oder sie sind der weltbeste<br />

Zauberer, dem alles gelingt und<br />

den alle bewundern. Oder: Wie ist<br />

es, ein schüchterner, junger Zauberlehrling<br />

zu sein?<br />

In einer zweiten Stufe kommt die<br />

Sprache ins Spiel. Beim Zaubern<br />

werden nicht nur Zaubersprüche<br />

aufgesagt, sondern oft auch das eigene<br />

Handeln kommentiert. Manchmal<br />

werden die Rollen auch aufgeteilt:<br />

Ein Kind übernimmt die Rolle<br />

des Moderators, das andere zaubert.<br />

Auch sprachlich dürfen die Kinder<br />

ihrer Fantasie freien Lauf lassen.<br />

Mit grossem Spass erfinden sie sinnige<br />

und unsinnige Zaubersprüche<br />

oder freuen sich über selbst erfundene<br />

Wörter. Der Zauberspruch für<br />

ihren Trick lautet dann vielleicht so:<br />

«Spinnenbein und Rattenschwanz,<br />

zaubere das Papier nun ganz!»<br />

Zaubern im Unterricht<br />

Das Praxisbuch «Hokus, Pokus, Fidibus»<br />

greift das Lernpotenzial des<br />

Zauberns im Unterricht auf. Es zeigt,<br />

wie Zaubern anschaulich und nachhaltig<br />

in den Unterricht mit Vier- bis<br />

Achtjährigen einfliessen kann.<br />

Geschrieben hat es Andrea-Katja<br />

Blondeau. Die ausgebildete Kindergärtnerin,<br />

Lehrerin für Deutsch als<br />

Zweitsprache und Erwachsenenbildnerin<br />

lernte das Zaubern bei ihrem<br />

Vater, mit dem sie schon früh auf der<br />

Bühne stand.<br />

Das Zauberhafte und Magische<br />

versuchte sie als Lehrerin immer<br />

wieder in den Unterricht einzubauen.<br />

Der besondere Wert der Zauberpädagogik<br />

wurde ihr als Lehrerin<br />

für Deutsch als Zweitsprache<br />

bewusst. Sie brachte den Kindern im<br />

Unterricht ab und zu einen Trick<br />

bei. So erhielten diese besonderes<br />

Ansehen in ihrer Klasse. Da war<br />

Medina nicht mehr das Mädchen,<br />

das nicht so gut Deutsch spricht,<br />

sondern das Mädchen, das einen<br />

Zaubertrick vorführen kann.<br />

Wer zaubert, zieht Menschen in<br />

den Bann. Das gilt auf einem Familienfest<br />

ebenso wie im Schulzimmer.<br />

Eine Lehrerin oder ein Lehrer, der<br />

zwischendrin mit einem Zaubertrick<br />

aufwartet, gewinnt die Herzen<br />

der Kinder im Flug.<br />

Wie begeistert Lehrerinnen und<br />

Lehrer vom Zaubern sind, war im<br />

Herbst 2<strong>01</strong>4 an der Didacta in Basel<br />

zu erleben. An dieser Bildungsmesse<br />

hatte sich der LCH ganz dem Zaubern<br />

verschrieben. An zwei Tagen<br />

war auch Andrea-Katja Blondeau<br />

vor Ort und verzauberte mit ihrer<br />

Vorführung das Publikum.<br />

Zwischen den Vorführungen<br />

waren die Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter des LCH-Zentralsekretariats<br />

mit den Standbesuchern am<br />

Zaubern. Sie zeigten ihnen beispielsweise,<br />

wie sie – dank einer selbstgebastelten<br />

Zaubertüte – eine Feder<br />

verschwinden lassen und wieder<br />

hervorzaubern können.<br />

Den «Gwunder» wecken<br />

Am Beispiel des Zauberns kann einmal<br />

mehr wunderschön aufgezeigt<br />

werden, dass Lehrpersonen im<br />

Schulalltag für die Kinder viel mehr<br />

bereithalten als nur Zahlen und<br />

Buchstaben. Sobald das Lernen mit<br />

Musik, mit Bewegung, mit Improvisation<br />

oder Experimenten verbunden<br />

ist, fällt es den Kindern oft leichter.<br />

Das Ziel jeder Lehrerin und jedes<br />

Lehrers ist es darum, immer wieder<br />

die Neugier oder eben den «Gwunder»<br />

der Kinder zu wecken. Wie<br />

könnte dies einfacher gelingen als<br />

mit einem tollen Zaubertrick?<br />

Zum Praxisbuch<br />

«Hokus, Pokus, Fidibus»<br />

Bekannt ist Andrea-Katja Blondeau<br />

als Zauberkünstlerin Andy Mayno. Für<br />

den Verlag LCH – Lehrmittel 4bis8 hat<br />

sie das Praxisbuch «Hokus, Pokus,<br />

Fidibus» geschrieben. Die Leserinnen<br />

und Leser erfahren viel Wissenswertes<br />

rund ums Zaubern. Es gibt einen Blick<br />

zurück in die Geschichte der<br />

Zauberkunst, aber auch die magischen<br />

Grundeffekte und die verschiedenen<br />

Sparten der Magie werden<br />

erklärt. Ein Praxisteil mit 19 Zaubertricks<br />

sowie Anleitungen zum Basteln<br />

von Requisiten und Utensilien runden<br />

das Buch ab.<br />

«Hokus, Pokus, Fidibus» ist als<br />

Lehrmittel für Lehrpersonen<br />

geschrieben. Es eignet sich aber<br />

durchaus auch für Eltern, die mit<br />

ihren Kindern zaubern möchten.<br />

Andrea-Katja<br />

Blondeau: Hokus,<br />

Pokus, Fidibus,<br />

Zaubern mit<br />

Kindern im Alter<br />

von 4 bis 8 Jahren.<br />

Verlag LCH – Lehrmittel<br />

4bis8, 2<strong>01</strong>4.<br />

120 Seiten, Fr. 49.–, LCH-Mitglieder<br />

Fr. 44.10. Zu bestellen unter<br />

www.lehrmittel4bis8.ch<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 53


Erziehung & Schule<br />

Über pädagogische<br />

Beziehungen<br />

Kleine Klassen bringen nichts, offener Unterricht auch nicht.<br />

Entscheidend ist: der Lehrer, die Lehrerin. Das sagt John Hattie,<br />

Superstar der internationalen Bildungsforschung.<br />

Aber was macht einen guten Lehrer aus?<br />

Es ist eine Tatsache, dass<br />

wir laufend Beziehungen<br />

zu anderen Menschen<br />

gestalten, von<br />

Beziehungen zu anderen<br />

Menschen abhängig sind und ohne<br />

Beziehungen nicht leben könnten.<br />

Das zeigt sich eindrücklich in der<br />

Metapher des Tanzes: Bewegungen<br />

werden ausgeführt, aber nie ganz<br />

gleich, es ist ein ständiges Nehmen<br />

und Geben, man geht aufeinander<br />

ein, spürt den anderen, nimmt<br />

Impulse auf. Tanzen ist performativ,<br />

Tanzen soll Freude bereiten.<br />

Auch zwischen pädagogisch tätigen<br />

Erwachsenen und Kindern oder<br />

Jugendlichen, die sie erziehen und<br />

unterrichten, bestehen Beziehungen.<br />

Arbeitsbeziehungen, die aus<br />

Gesprächen und Handlungen in<br />

pädagogischen Situationen entstehen.<br />

Der Begriff pädagogische<br />

Beziehung bezeichnet diese Arbeitsbeziehung.<br />

In allen Kulturen werden Beziehungen<br />

anders gestaltet und im Laufe<br />

der Zeit verändert. Über die Qualität<br />

der pädagogischen Beziehungen<br />

wird weltweit debattiert, denn das,<br />

was als gelingende Entwicklung<br />

oder als Ungerechtigkeit empfunden<br />

wird, beruht wiederum auf eigenen<br />

Erfahrungen. Doch drei Bereiche<br />

bilden den kleinsten gemeinsamen<br />

Nenner aller pädagogischen Beziehungstheorien:<br />

Anerkennung, Fürsorge<br />

und Scham.<br />

Kinder brauchen von Anfang an<br />

persönliche Bindungen, um sich zu<br />

entwickeln. Die Qualität der frühen<br />

Bindungen prägt die Entwicklung<br />

der inneren Strukturen und ist entscheidend<br />

dafür, was wir von anderen<br />

Menschen erwarten und wie wir<br />

uns ihnen und den Umweltanforderungen<br />

annähern. Bindungsmuster<br />

sind das Resultat aus Beziehungserfahrungen,<br />

die das Kind mit seinen<br />

primären Bezugspersonen macht.<br />

Das unsichtbare Band<br />

Eine Theorie des britischen Psychoanalytikers<br />

und Kinderpsychiaters<br />

John Bowlby (1907–1990) besagt:<br />

Zwischen einem Kind und einem<br />

ihm vertrauten Menschen besteht<br />

ein unsichtbares, enges, gefühlvolles<br />

Band. Dieses hat eine grundlegende<br />

Bedeutung für die Entwicklung des<br />

Kindes und besteht über Raum und<br />

Zeit hinweg.<br />

Derart sicher gebundene Kinder<br />

sind besser fähig, affektive Stressmomente<br />

zu bewältigen und Probleme<br />

zu lösen, sie wenden sich aufmerksamer<br />

Aufgaben zu und besitzen ein<br />

stärkeres Selbstwertgefühl als unsicher<br />

gebundene Kinder. Je mehr ein<br />

Kind sich auf seine Fürsorgeperson<br />

verlassen kann, desto mehr kann es<br />

sich Neugierde, Erkundungsdrang<br />

und dem Spiel hingeben.<br />

Daniel wurde 1997 geboren. Er<br />

absolviert eine Anlehre als Maler,<br />

ich unterrichte ihn im ersten Ausbildungsjahr<br />

in der Allgemeinbildung.<br />

Daniel ist motiviert, will gute<br />

Leistungen erbringen, aber nichts<br />

gelingt. Er wirkt verunsichert und<br />

traut sich nichts zu. In der Lernberatung<br />

sprechen wir über seine<br />

Schulerfahrungen.<br />

Daniel schreibt: «Ich kann mir<br />

Mühe geben, wie ich will, aber nichts<br />

wird anerkannt. Bei Rückmeldungen<br />

wurde mir nie etwas Positives<br />

gesagt oder geschrieben, ich konnte<br />

es niemandem recht machen.» –<br />

«Ich bin sehr enttäuscht wegen der<br />

Beurteilung meiner Sachkompetenzen<br />

und überfachlichen Kompetenzen.<br />

Ich kann mir nicht vorstellen,<br />

dass ich in keinem Fach etwas geleistet<br />

habe, das kann doch nicht sein!»<br />

Weitere Gespräche ergeben, dass<br />

er den Ansprüchen seines Vaters<br />

und seiner Lehrpersonen nie entsprechen<br />

konnte. Zudem provozierte<br />

sein «schlaksiges» Äusseres erste<br />

Mobbingerfahrungen.<br />

Text: Urs Meier<br />

54 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Fehlende Anerkennung, Beschämungen<br />

und verletzende Beziehungen<br />

haben in ihm Abwehrmechanismen<br />

ausgelöst, er begann sich zu<br />

schützen: Er war zunehmend demotiviert,<br />

überhaupt noch eine Leistung<br />

zu erbringen, in den Pausen und in<br />

der freien Zeit grenzte er sich aus; er<br />

klagt über Herzprobleme und psychische<br />

Leiden. Er traut sich überhaupt<br />

nichts mehr zu.<br />

Meine Aufgabe ist es, in ihm wieder<br />

das Vertrauen aufzubauen, dass<br />

er an seiner Zukunft arbeiten kann.<br />

Und ich frage mich: Wie muss ich<br />

meinen Unterricht gestalten, um<br />

Daniel zu motivieren und zum Mitdenken<br />

anzuregen? Wie muss ich<br />

mich verhalten, damit er wieder<br />

Selbstwirksamkeit entwickeln kann?<br />

den, dass sie die Lernenden zum<br />

Nachdenken, also zur aktiven<br />

mentalen Auseinandersetzung<br />

mit dem behandelten Thema<br />

führt.<br />

Konstruktive Unterstützung: Eine<br />

Lehrperson gibt den Lernenden<br />

regelmässige und individuelle<br />

Rückmeldungen zum Lernfortschritt.<br />

Und was kann ich nun als Lehrer<br />

tun? Hattie unterscheidet sechs<br />

Merkmale einer guten Lehrperson:<br />

Eine gute Lehrperson versteht es,<br />

ein Arbeitsbündnis mit ihren<br />

Schülern herzustellen, eine Übereinkunft<br />

über gegenseitig akzeptierte<br />

Rechte und Pflichten.<br />

Sie weiss, dass einige ihrer Aufgaben<br />

in sich und zueinander in<br />

Widerspruch geraten können<br />

(z.B. die Fürsorgepflicht gegenüber<br />

dem Einzelnen im Gegensatz<br />

zur gerechten Behandlung aller).<br />

Aber sie versteht es, die Widersprüche<br />

auszubalancieren.<br />

Sie hat breites und tiefes Fachwissen<br />

und beherrscht ihr didaktisches<br />

und methodisches Handwerkszeug.<br />

Anzeige<br />

22<br />

Feb<br />

2<strong>01</strong>5<br />

10–17 Uhr<br />

Sie begegnet jedem Schüler mit<br />

Respekt und versucht, im Klassenzimmer<br />

eine demokratische<br />

Unterrichtskultur zu entwickeln.<br />

Sie kann ihr eigenes Handeln und<br />

seine Wirkungen gründlich überdenken<br />

und es auf Basis der Reflexion<br />

stetig weiterentwickeln.<br />

Sie arbeitet gern im Team und<br />

versteht sich als Mitglied einer<br />

professionellen Gemeinschaft.<br />

Kurz, das Gegebene, die Lernenden,<br />

sind das uns Aufgegebene: das persönliche<br />

Engagement für die Lernenden,<br />

das unbedingte Ja ihnen gegenüber,<br />

die Anerkennung ihrer Stärken<br />

und Schwächen, die Fürsorge für<br />

ihre Entwicklung und der Humor,<br />

wenn es einmal nicht passt.<br />

Urs Meier<br />

Was den guten Unterricht ausmacht<br />

John Hattie ist ein Superstar der<br />

internationalen Bildungsforschung.<br />

Der Neuseeländer publizierte 2009<br />

ein Buch, in dem er die Ergebnisse<br />

von über 50 000 weltweit veröffentlichten<br />

empirischen Studien zur Frage<br />

«Wie gelingt erfolgreiches Lernen<br />

in der Schule?» zusammengetragen<br />

hat. Hatties Credo auf der Basis der<br />

vielen Befunde ist: Es kommt auf die<br />

Lehrkraft und die von ihr verantwortete<br />

Unterrichtsqualität an. Macht<br />

sie guten Unterricht, so lernen die<br />

Schüler auch viel.<br />

Gut ist ein Unterricht dann, so<br />

Hattie, wenn er die folgenden drei<br />

Bedingungen erfüllt:<br />

Effiziente Klassenführung: Sie<br />

trägt dazu bei, einen hohen Anteil<br />

an echter Lernzeit herbeizuführen.<br />

Kognitive Aktivierung: Die Aufgabenstellung<br />

soll so ausgewählt<br />

und so geschickt präsentiert werist<br />

Lehrbeauftragter an der Interkantonalen<br />

Hochschule für Heilpädagogik Zürich (HfH)<br />

und Dozent an der Hochschule für Gestaltung<br />

und Kunst Zürich (ZHdK).<br />

Familiensonntag in der Ausstellung GELD<br />

Wie lernen Kinder einen<br />

verantwortungsvollen<br />

Umgang mit Geld?<br />

Für Kinder Spiel und Spass, für Eltern Tipps und Tricks<br />

Anmeldung und weitere Infos: www.stapferhaus.ch<br />

«GELD. Jenseits von Gut und Böse» Eine Ausstellung des<br />

Stapferhauses Lenzburg bis 29.11.2<strong>01</strong>5 im Zeughaus Lenzburg<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5<br />

STH_Geld_Inserat_FritzFraenzi_Familiensonntag_400.indd 1 21.<strong>01</strong>.15<br />

55<br />

16:52


Kolumne<br />

Anatomie einer<br />

Trennung<br />

Text: Michèle Binswanger<br />

Michèle Binswanger<br />

Die studierte Philosophin<br />

ist Journalistin und Buchautorin.<br />

Sie schreibt zu Gesellschaftsthemen,<br />

ist Mutter zweier Kinder<br />

und lebt in Basel.<br />

Niemand weiss, wann der richtige Zeitpunkt zur Trennung<br />

ist. Hat man Kinder, schiebt man diesen Gedanken ohnehin<br />

gern zur Seite. Man erhöht die Schmerzgrenze, schluckt<br />

vieles, nimmt auch das eigene Unglück in Kauf. Und fragt sich<br />

immer: Wie lange noch? Hört es nie auf? Werde ich je<br />

wieder glücklich? Man hält durch für die Kinder. Weil jede andere Lösung<br />

ebenso unbefriedigend wäre. Denn auch getrennt hat man ja die Kinder<br />

zusammen. There’s no easy way out.<br />

Ich habe mich dann trotzdem getrennt, nach langem Leiden. Jahrelanger<br />

Beziehungskrise. Weil ich permanent gestresst und unglücklich war und<br />

dieser Stress mich krank machte. Ich hätte trotzdem nicht aufgegeben –<br />

bis er eines Tages sagte: «Ich ziehe aus.» Ich war erleichtert. Selber hätte ich den<br />

Schritt nie gewagt. Jetzt konnte ich ihm in seiner Entscheidung folgen.<br />

Wir teilten die Kinderbetreuung hälftig, und die Kinder nahmen es gelassen,<br />

freuten sich sogar über den zweiten Wohnsitz. Auch mir ging es die erste<br />

Zeit gut, sogar blendend. Freiheit, süsse, süsse Freiheit. Sie war wie ein frischer<br />

Lufthauch, der in ein seit über zehn Jahren nicht mehr gelüftetes Zimmer dringt.<br />

Nach und nach sank die Realität in meinen magisch verzückten Freiheitsrausch<br />

ein. Es zeigte sich, dass wir keine gütliche Trennung fertigbringen<br />

würden. Wir stritten permanent per E-Mail und Chats. Ich versuchte, das<br />

tägliche Leben zu meistern, meinen Job, meine Kinder, meine Freundschaften<br />

auf die Reihe zu kriegen. Und den Frieden zu wahren. Aber eine Trennung<br />

ohne schlechte Gefühle ist wahrscheinlich so, als wollte man einen Körper<br />

schneiden, ohne dass er blutet. Nur bei einer Leiche möglich.<br />

Meine beiden Kinder waren sehr auf Ausgleich bedacht. Kam die Rede<br />

auf den Vater, betonten sie, sie hätten uns beide genau gleich gern. Aber manchmal<br />

fragte ich mich heimlich, ob sie ihn nicht vielleicht sogar noch lieber<br />

hatten. Zu den Schamgefühlen kam jetzt gelegentlich noch Eifersucht. Wahrscheinlich<br />

war er sogar der bessere Vater, als ich ihnen eine Mutter war. Doch<br />

ich wusste, dass solche Gedanken Gift sind und keinen Sinn machten, und<br />

versuchte tunlichst, mir nichts anmerken zu lassen.<br />

Ich schützte Normalität vor in der Hoffnung, dass sich irgendwann Normalität<br />

einstellen würde. Aber das dauerte. Und es zeigten sich zahlreiche<br />

Probleme: Da die Freunde alle zu ihm hielten, musste ich mir ein neues Umfeld<br />

aufbauen. Mein Sozial-, mein Erwerbs- und mein Leben als Mutter und Single<br />

zu synchronisieren, erwies sich als schwieriger, als ich gedacht hatte.<br />

Der Druck, die Versagensängste, die Scham und die Schuldgefühle – das<br />

alles konnte ich mit der Zeit überwinden. Nur eines nicht: ein fundamentales,<br />

unwiderrufliches Gefühl des Scheiterns. Die Trauer um meine zerbrochene<br />

Familie, die niemals wieder ganz sein wird. War die Trennung richtig? Ich<br />

glaube ja. Es geht mir heute besser als vorher, und zurück möchte ich auch nicht.<br />

Die Kinder sind glücklich und ich auch. Diesen Vorteil immerhin hat eine<br />

Trennung gegenüber einer Beziehung. Beziehungen fangen irgendwann an zu<br />

bröckeln, aber eine Trennung wird immer besser, von Jahr zu Jahr.<br />

Illustration: Petra Dufkova/Die Illustratoren<br />

56 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Schulen<br />

&<br />

Institute<br />

Siewerdtstrasse 7<br />

8050 Zürich<br />

T 044 315 15 75<br />

www.bke.ch<br />

Berufs- und Weiterbildung<br />

Kinderbetreuung<br />

• Berufsvorbereitungsjahr<br />

Kinderbetreuung BVJ<br />

• Fachperson Betreuung FaBeK<br />

3-jährige Grundaus bildung zum EFZ<br />

• Nachholbildung FaBeK<br />

Für Erwachsene (nach Art. 32 BBV)<br />

• Berufliche Weiter bildung<br />

für Fach personen<br />

In familien- und<br />

schul ergänzenden<br />

Kinderbetreuungs -<br />

einrichtungen<br />

SPRACHFERIEN FÜR<br />

JUGENDLICHE<br />

IM SOMMER<br />

2 WOCHEN<br />

AB 1850,-<br />

14 CAMPS Cudrefin,<br />

Malta, Leysin England, Frankreich<br />

INKLUSIVE Unterricht in 6er<br />

Gruppen, Kost & Logis, Ausflüge,<br />

Workshops, Abendprogramm,<br />

Material<br />

www.frilingue.ch<br />

info@frilingue.ch<br />

Das Beste<br />

für Ihr Kind<br />

International Bilingual School<br />

Kindergarten, Primarund<br />

Sekundarstufe in<br />

Küsnacht & Feldmeilen<br />

Tel 044 910 43 00<br />

www.terra-nova.ch<br />

Augmented Reality<br />

in Fritz+Fränzi<br />

ar<br />

1. Herunterladen<br />

Videos, Interviews, Spiele oder Grafiken:<br />

Mit Augmented Reality erleben Sie eine<br />

neue digitale Dimension in Fritz+Fränzi.<br />

Laden Sie die Fritz+Fränzi-App kostenlos herunter:<br />

Dieses Icon steht für<br />

die Fritz+Fränzi-App<br />

2. Aktivieren<br />

Öffnen Sie die Fritz+Fränzi-App.<br />

Die Daten werden aus dem Internet geladen.<br />

ar<br />

3. Scannen<br />

Sie finden den Eltern-Ratgeber<br />

und Augmented Reality in einer App.<br />

Jetzt wird die Kamera Ihres Smartphones benötigt:<br />

Halten Sie diese auf die Seite, die mit unserem ar-Logo<br />

gekennzeichnet ist.<br />

Und schon sehen Sie zum Beispiel<br />

ein Video. Wie das mit unserem Chefredaktor<br />

Nik Niethammer auf unserer<br />

aktuellen Titelseite. Viel Spass damit!<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 57


Ernährung & Gesundheit<br />

Gedächtnistraining für<br />

frühgeborene Schulkinder<br />

Wie wirkt sich eine zu frühe Geburt langfristig auf die geistige<br />

Entwicklung eines Kindes aus? Die Forschung zeigt, dass<br />

bei Frühgeborenen im Schulalter häufig die Gedächtnisleistungen<br />

besonders beeinträchtigt sind. Wie gut, dass sich durch<br />

intensives Üben das Gedächtnis verbessern lässt!<br />

Text: Regula Everts und Barbara Ritter Fotos: Vera Hartmann / 13 Photo<br />

Die Anzahl frühgeborener Kinder<br />

wächst weltweit. Mittlerweile<br />

kommt jedes neunte Kind zu<br />

früh zur Welt. Ein Hauptgrund<br />

für diese Zunahme ist das steigende<br />

Alter der Mütter. Denn<br />

bei älteren Schwangeren kommt<br />

es öfter zu medizinischen Komplikationen. Oder es<br />

werden bei ihnen reproduktionsmedizinische Massnahmen<br />

nötig, wodurch die Wahrscheinlichkeit für<br />

Mehrlinge steigt, welche wiederum häufiger zu früh<br />

zur Welt kommen.<br />

Von Frühgeburt spricht man, wenn ein Kind vor<br />

der 37. Schwangerschaftswoche geboren wird. «Ab der<br />

24. Schwangerschaftswoche ist der Fötus so weit entwickelt,<br />

dass er mithilfe intensivmedizinischer Betreuung<br />

ausserhalb des Mutterbauches überleben kann»,<br />

sagt Dr. Mathias Nelle, Leiter der Neonatologie des<br />

Inselspitals Bern. «Das leichteste Frühgeborene, das<br />

bei uns in Bern zur Welt kam und überlebte, wog bei<br />

der Geburt knapp 400 Gramm», erzählt Nelle. «Dank<br />

des medizinischen Fortschrittes überleben diese Kinder<br />

immer häufiger.»<br />

Kinder, die vor der 32. Schwangerschaftswoche<br />

geboren werden, gelten als «sehr» frühgeboren. Und<br />

ihre Überlebensrate in der Schweiz ist beeindruckend:<br />

Ab der 26. Schwangerschaftswoche überleben rund<br />

82 Prozent, ab der 28. Schwangerschaftswoche sind es<br />

bereits 93 Prozent. Je unreifer aber ein Kind geboren<br />

wird, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit langfristiger<br />

Beeinträchtigungen wie beispielsweise Lernschwierigkeiten,<br />

welche oft auf Probleme im Bereich<br />

des Gedächtnisses, der Sprache oder der Aufmerksamkeit<br />

zurückzuführen sind.<br />

Das Gehirn – plastisch und anpassungsfähig<br />

Das Gehirn der Föten wächst während des letzten<br />

Schwangerschaftsdrittels rasant. Ein Unterbruch dieser<br />

zentralen Entwicklungsphase durch eine zu frühe<br />

Geburt hat oft ein kleineres Hirnvolumen und eine<br />

leicht veränderte Gehirnstruktur zur Folge. Das heisst<br />

nun aber nicht, dass alle Frühgeborenen beeinträchtigt<br />

sind. Die meisten der sehr frühgeborenen Kinder<br />

verfügen trotz kleinerem Hirnvolumen über eine<br />

Intelligenz im durchschnittlichen Bereich und besuchen<br />

die Regelschule. Das Gehirn ist plastisch: Es<br />

kann sich trotz ungünstigen Startbedingungen weiterentwickeln<br />

und an äussere und innere Gegebenheiten<br />

anpassen.<br />

Die Intelligenz alleine ist jedoch noch kein Garant<br />

für den Schulerfolg. In den letzten Jahren ist das sogenannte<br />

Arbeitsgedächtnis in den Fokus der Schulerfolgsforschung<br />

gerückt. Das Arbeitsgedächtnis<br />

erlaubt es uns, über Sekunden bis Minuten Informationen<br />

im Kopf zu behalten und mit diesen zu arbeiten.<br />

Wer sich eine Telefonnummer merken, die >>><br />

58 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Rubrik<br />

In der Schweiz werden<br />

jährlich rund 4500<br />

Kinder zu früh geboren.<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 59


Ernährung & Gesundheit<br />

>>> Position von Memory-Karten behalten oder eine<br />

Rechnung im Kopf lösen will, beansprucht also sein<br />

Arbeitsgedächtnis.<br />

Kinder, welche über ein leistungsstarkes Arbeitsgedächtnis<br />

verfügen, haben deutlich bessere Schulnoten<br />

als jene mit einem leistungsschwachen. Der<br />

enge Zusammenhang zwischen Arbeitsgedächtnis<br />

und Schulnoten verwundert natürlich nicht. Denn<br />

wer sich viele Dinge auf einmal merken kann, dem<br />

fällt das Lernen leichter.<br />

Sehr frühgeborene Kinder zeigen im Schulalter<br />

häufig schlechtere Leistungen im Arbeitsgedächtnis<br />

als ihre termingeborenen Mitschüler – und das unabhängig<br />

von der Intelligenz. Besonders tragisch<br />

dabei ist, dass aufgrund des schlechteren Arbeitsgedächtnisses<br />

viele frühgeborene Kinder nicht zeigen<br />

können, was wirklich in ihnen steckt. Und im ungünstigsten<br />

Falle werden sie vom Umfeld sogar als<br />

weniger intelligent wahrgenommen, als sie eigentlich<br />

sind.<br />

Der Apfel macht «pomme»<br />

Nicht selten stellt sich frühgeborenen Schulkindern<br />

noch eine zweite Hürde vor den Lernerfolg. Denn oft<br />

können sie Informationen nicht nur im Arbeitsgedächtnis,<br />

sondern auch im Langzeitgedächtnis weniger<br />

gut behalten. In diesem speichern wir Informationen<br />

über Stunden, Tage oder gar Jahre. Dank dem<br />

Langzeitgedächtnis sind etwa die kurzfristig auswendig<br />

gelernten Französischwörter auch während der Vokabelprüfung<br />

am nächsten Tag und auch später noch<br />

abrufbar.<br />

Gegen langfristiges Vergessen hilft vor allem eines:<br />

Gedächtnistricks anwenden. Beim Einprägen von<br />

Nummern ist es beispielsweise hilfreich, sich die<br />

Nummern im Geiste zigmal nacheinander aufzusagen.<br />

Ein anderer Trick ist, eine Eselsbrücke zu suchen.<br />

Zum Beispiel beim Französischlernen: Wenn der<br />

Apfel vom Baum fällt, macht es «pomme».<br />

Kurzes Training mit grosser Wirkung<br />

Ob Arbeits- und Langzeitgedächtnis in einem kombinierten<br />

Training verbessert werden können, erforschen<br />

wir am Inselspital in Bern. Während drei Jahren<br />

intensiver Forschungstätigkeit entstand das «MEMO-<br />

Training» (siehe auch Box Seite 61). Das sechswöchige<br />

Training findet mit Bleistift und Papier am Schreibtisch<br />

statt und richtet sich an alle Kinder ab sieben<br />

Jahren, ob frühgeboren oder termingeboren. Die Personen,<br />

die das Training leiten, brauchen keine Ausbildung<br />

und keine wissenschaftlichen Vorkenntnisse –<br />

vorausgesetzt sind einzig ein gutes Gespür für die<br />

Fähigkeiten des Kindes und Freude am Spielen und<br />

Geschichtenerzählen.<br />

Unsere Forschungsgruppe hat die Wirksamkeit des<br />

MEMO-Trainings wissenschaftlich geprüft. Inner-<br />

Ein Frühchen<br />

wiegt im<br />

Durchschnitt<br />

weniger als<br />

2500 Gramm.<br />

60 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Das MEMO-Training<br />

Das MEMO-Training ist ein Instrument, um die Entwicklung<br />

und den Schulerfolg frühgeborener, aber auch termingeborener<br />

Kinder zu begünstigen. Es richtet sich an Eltern,<br />

Lehrpersonen und Therapeuten und kann zu Hause, in der<br />

Schule oder während einer Therapie durchgeführt werden.<br />

Es vermittelt Kindern Gedächtnistricks, die beim Lernen<br />

und beim Wiedergeben von Gelerntem hilfreich sind und<br />

in der Schule und bei den Hausaufgaben angewendet<br />

werden können. Das MEMO-Training gibt es in Buchform.<br />

Alle Übungen werden im Buch sowie online zur Verfügung<br />

gestellt (www.verlag-hanshuber.com > Suchbegriff: Memo).<br />

«Memo, der vergessliche Elefant. Mit Gedächtnistraining<br />

spielerisch zum Lernerfolg», Regula Everts, Barbara<br />

Ritter; Huber-Verlag Bern. 283 Seiten, reich illustriert,<br />

Fr. 39.90<br />

halb dieser Studie kamen die Kinder während vier<br />

Wochen einmal wöchentlich zu einem begleiteten<br />

Training an die Kinderklinik in Bern. Dazwischen<br />

übten sie zu Hause mit ihren Eltern. Vor und nach<br />

dieser Phase wurden die Kinder in verschiedenen<br />

kognitiven Bereichen getestet, und im Magnetresonanztomografen<br />

wurde eine Aufnahme des Gehirns<br />

während einer Gedächtnisaufgabe gemacht.<br />

Das Lernklima entspannen<br />

Nach Abschluss des Trainings zeigten die Kinder im<br />

Vergleich zu einer Kontrollgruppe, welche kein Training<br />

bekommen hatte, bedeutsame Verbesserungen<br />

sowohl im Arbeitsgedächtnis als auch im Langzeitgedächtnis.<br />

Interessanterweise verbesserten sich auch<br />

Hirnfunktionen, welche im Training gar nicht direkt<br />

trainiert wurden, wie etwa die Aufmerksamkeit und<br />

das Kopfrechnen – zwei äusserst wichtige Bereiche für<br />

schulische Leistungen. Ausserdem verkleinerte sich<br />

bei den Kindern, welche das MEMO-Training durchführten,<br />

das Gedächtnisnetzwerk deutlich, bei den<br />

Kontrollkindern jedoch nicht.<br />

Eine solche Verkleinerung des Gedächtnisnetzwerkes<br />

kann für eine erhöhte Effizienz dieses Gehirnbereiches<br />

sprechen. Diese Resultate zeigen also, dass<br />

bereits ein kurzes Gedächtnistraining einige Leistungsbereiche<br />

zu verbessern vermag und Veränderungen<br />

im Gehirn auslöst.<br />

Für Eltern und Lehrpersonen von sehr frühge-borenen<br />

Kindern klingen diese Resultate wie Musik<br />

in den Ohren. Natürlich richtet sich das MEMO-Training<br />

nicht nur an frühgeborene Kinder, sondern an<br />

sämtliche Kinder mit schwacher Gedächtnisleistung<br />

und überhaupt alle Kinder, die ihr Gedächtnis trainieren<br />

wollen. Natürlich kann das Training bestehende<br />

Lernschwierigkeiten nicht immer komplett in Luft<br />

auflösen. Aber es ermöglicht den betroffenen Kindern,<br />

die Hilflosigkeit beim Lernen zu überwinden. Wenn<br />

ein Kind weiss, dass es mithilfe von Gedächtnistricks<br />

den Lernerfolg beeinflussen kann, hat es das Gefühl<br />

der Kontrolle und dadurch weniger Angst vor dem<br />

Lernen und mehr Spass am Lernen – und damit ist<br />

viel gewonnen.<br />

>>><br />

Dr. Regula Everts<br />

ist Neuropsychologin an der Universitäts-<br />

Kinderklinik des Inselspitals Bern und leitet<br />

eine Forschungsgruppe.<br />

Dr. Barbara Ritter<br />

arbeitete in der Forschungsgruppe Everts,<br />

ist heute Kinderneuropsychologin am<br />

Ostschweizer Kinderspital St. Gallen.<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 61


Ernährung & Gesundheit<br />

Morgens gut starten<br />

Über Nacht leeren sich die Energiespeicher des Körpers. Sie müssen am Morgen wieder<br />

aufgefüllt werden, um mit Schwung in den Vormittag zu starten. Text: Regula Thut Borner<br />

Die nahrungsfreie<br />

Zeit während der<br />

Nacht liegt bei zehn<br />

bis vierzehn Stunden.<br />

Das Frühstück<br />

beendet diese längste Fastenperiode<br />

des Tages. Fällt es aus, verlängert<br />

sich dementsprechend die<br />

Fastenzeit. Dies ist vor allem für<br />

Kinder kritisch, da sie über weniger<br />

und kleinere Energiespeicher<br />

verfügen als Erwachsene. Für Kinder<br />

und Jugendliche ist das Frühstück<br />

deshalb die wichtigste Mahlzeit<br />

des Tages.<br />

Auch Erholung kostet Kalorien<br />

Die nächtliche Ruhe ist für den<br />

Körper lebenswichtig, dann laufen<br />

zahlreiche Stoffwechselprozesse<br />

ab. Das Immunsystem arbeitet<br />

ebenso auf Hochtouren wie die<br />

Zellerneuerung. Schlafen fördert<br />

bei Kindern das Wachstum. Die<br />

Schlafforschung zeigt zudem, dass<br />

die Nachtruhe offenbar der Wiederherstellung<br />

der Energiereserven<br />

des Gehirns dient. Im Schlaf<br />

verbraucht der Körper zwar weniger<br />

Energie für seine Körperfunktionen<br />

als im Wachzustand – allerdings<br />

nur minimal.<br />

Reserven wiederherstellen<br />

Die erste Mahlzeit des Tages, sei es<br />

das Frühstück oder ein reichhaltiges<br />

Znüni, hat vor allem die Aufgabe,<br />

die über Nacht verbrauchten<br />

Energiereserven wieder aufzufüllen<br />

und die Leistungsfähigkeit am<br />

Vormittag zu unterstützen. Frühstück<br />

und Znüni machen idealerweise<br />

rund ein Drittel der täglich<br />

benötigten Kalorienmenge aus.<br />

Die Basis bilden Obst und Gemüse<br />

sowie ein Milchprodukt. Je nach<br />

Gewohnheit und Appetit kommen<br />

Vollkornbrot oder -flocken, Nüsse,<br />

Butter, Konfitüre oder Honig dazu.<br />

Einheimische, saisonale und möglichst<br />

wenig verarbeitete Lebensmittel<br />

sichern eine gute Nährstoffzusammensetzung.<br />

Teenager ticken anders<br />

Viele Jugendliche kommen frühmorgens<br />

kaum in die Gänge. Sie<br />

haben keinen Hunger und zeitweise<br />

ist ihnen übel. Sie sind wortkarg<br />

und verweigern das Familienfrühstück.<br />

Das gilt es zu respektieren.<br />

Mit etwas Toleranz und zwei<br />

Regeln können Eltern für Entspannung<br />

sorgen:<br />

– Kein Familienmitglied geht mit<br />

leerem Bauch aus dem Haus. Wer<br />

nichts essen mag, trinkt ein Glas<br />

Milch.<br />

– Wer nicht frühstückt, nimmt ein<br />

gesundes Znüni mit in die Schule<br />

oder an den Arbeitsplatz.<br />

Regula<br />

Thut Borner<br />

ist dipl. Ernährungsberaterin<br />

HF und<br />

Projektleiterin<br />

Fachbereich<br />

Ernährung<br />

bei Swissmilk.<br />

ernaehrungsberatung@<br />

swissmilk.ch<br />

www.swissmilk.ch<br />

ar<br />

So frühstückt Laura.<br />

Starten Sie die<br />

Fritz+Fränzi-App, scannen<br />

Sie diese Seite und<br />

schauen Sie sich<br />

den Video-Clip an.<br />

62 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Ernährung & Gesundheit<br />

Medikamente –<br />

wenn wirklich nötig<br />

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Das ist besonders auch dann zu beachten,<br />

wenn man ihnen ein Arzneimittel geben möchte. Problematisch ist, dass zahlreiche<br />

Arzneimittel nur an Erwachsenen getestet werden. Text: Petra Seeburger<br />

Schreiende, wild um sich<br />

schlagende Kinder, die den<br />

Hustensaft ausspucken:<br />

Dem Sprössling Medikamente<br />

zu geben, kann für<br />

die Eltern zur Tortur werden. «Für<br />

Medikamente bei Kindern gilt: So<br />

wenig wie möglich, so viel wie nötig.<br />

Ganz besonders für Schmerzmittel<br />

und Antibiotika», sagt die Churer<br />

Kinderärztin Heidi Zinggeler Fuhrer.<br />

«Vor allem bei unter Zwölfjährigen<br />

sind korrekte Einnahme und<br />

dem Alter und Gewicht angepasste<br />

Dosierung wichtig.»<br />

Eine längere Medikamententherapie<br />

bei Kindern sollte ärztlich<br />

überwacht werden. Deshalb stellt<br />

Heidi Zinggeler keine Jahresrezepte<br />

aus: «Kinder mit einer länger dauernden<br />

Therapie, etwa mit Asthmamedikamenten<br />

oder Kortisonsalben,<br />

kontrolliere ich regelmässig.»<br />

Und: Medikamente sollten unter<br />

Verschluss, sicher vor Kinderhand<br />

aufbewahrt werden.<br />

Medikamentenmissbrauch bei<br />

Kindern und Jugendlichen sei selten,<br />

sagt Dr. Markus Lampert, Spitalapotheker<br />

im Basler Bruderholzspital.<br />

«Problematisch hingegen<br />

kann die Indikation sein.» Etwa die<br />

Verschreibung von Ritalin. Lampert<br />

erwähnt noch einen Aspekt: «Kranke<br />

Kinder haben keinen Platz in der<br />

Gesellschaft, weil die Eltern dann<br />

nicht arbeiten können.» So seien<br />

berufstätige Eltern manchmal dazu<br />

gezwungen, ihrem Kind schon bei<br />

banalen Erkältungen schneller einmal<br />

ein Medikament zu geben, statt<br />

es zu Hause zu behalten.<br />

Andere Wirkung bei Kindern<br />

Ein grosses Problem sieht Lampert<br />

bei der Forschung, «weil viele Medikamente<br />

nicht an Kindern getestet<br />

oder nicht speziell für diese Altersgruppen<br />

zugelassen sind. 80 Prozent<br />

aller hospitalisierten Kinder bekommen<br />

solche Medikamente.» Im Fachjargon<br />

spricht man dabei von Off-<br />

Label-Use. Das bedeutet, dass ein<br />

Medikament anders eingesetzt wird,<br />

als es dessen Zulassung vorsah.<br />

Laut einer Studie des «British<br />

Medical Journal» können Off-Label-<br />

Anwendungen bei Kindern zu<br />

unvorhergesehenen Nebenwirkungen<br />

führen. Professor Johannes van<br />

den Anker vom Universitäts-Kinderspital<br />

beider Basel bestätigt Wissensdefizite<br />

in der Kinderpharmakologie:<br />

«Dies weil Medikamente<br />

meist nur an Erwachsenen getestet<br />

werden.» Nicht nur seien aber die<br />

Stoffwechselprozesse bei Kindern<br />

anders, es gebe auch wenige Daten<br />

von gesunden Kindern. Studien<br />

erfolgten nur an kranken Kindern,<br />

was die Resultate verändern könne.<br />

«Es geht um ethische Fragen,<br />

inwieweit Medikamente überhaupt<br />

an Kindern getestet werden dürfen<br />

und wer die Einwilligung dazu gibt»,<br />

sagt der Kinderarzt und Pharmakologe<br />

van den Anker, der mit seinem<br />

Institut auf diesem Gebiet forscht.<br />

Hausapotheke für Kinder<br />

Fiebersenkendes und schmerzstillendes<br />

Mittel als Sirup oder<br />

Zäpfchen<br />

Nasentropfen, z. B. auf<br />

Kochsalzbasis<br />

Fieberthermometer<br />

Desinfektionsmittel (auf<br />

Wasserbasis, das brennt kaum)<br />

Verbandmaterial für kleine<br />

Verletzungen<br />

Liste mit den wichtigsten<br />

Notfallnummern (Kinderarzt,<br />

nächstes Spital, nächste<br />

Apotheke, Tox-Zentrum)<br />

Was tun bei Verdacht auf<br />

Medikamentenvergiftung?<br />

Bei komatösen Zuständen und/<br />

oder Atemstillstand:<br />

Sanität-Notruf 144<br />

In anderen Fällen oder zusätzlich:<br />

Schweizer Tox-Zentrum:<br />

24-Stunden-Notfallnummer 145;<br />

www.toxi.ch<br />

Notfallstation des nächsten<br />

Spitals oder nächste Notfallpraxis<br />

anrufen<br />

Hausarzt kontaktieren<br />

Petra Seeburger<br />

ist Intensivpflegefachfrau, Journalistin und<br />

Kommunikationsspezialistin. Sie arbeitet<br />

seit 30 Jahren im Gesundheitswesen.<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 63


Digital & Medial<br />

Chatroom<br />

im Hosensack<br />

Die beliebteste Smartphone-App der Jugendlichen heisst WhatsApp.<br />

91 von 100 Messenger-Nutzern chatten in der Schweiz mit diesem<br />

Dienst. Was Eltern über Chat-Programme wissen und mit ihren<br />

Kindern besprechen sollten. Text: Bianca Fritz<br />

Das Handy vibriert<br />

nonstop. Bis zu 300<br />

Nachrichten tummeln<br />

auf Anina<br />

Merz Handy, wenn<br />

die 17-Jährige einmal eine Stunde<br />

lang nicht auf den Bildschirm<br />

schaut. Besonders wenn in Gruppenchats<br />

Bilder und Witze verschickt<br />

werden, kommt diese Zahl<br />

schnell zusammen.<br />

«Für Jugendliche gilt: raus aus<br />

dem Schulbus, rein in den Chat.<br />

Unterhaltungen, die im realen<br />

Leben begonnen wurden, werden<br />

nun mit Messenger-Diensten fortgesetzt»,<br />

sagt der Vater von Anina,<br />

Professor Thomas Merz, Medien -<br />

pädagoge an der Pädagogischen<br />

Hochschule Thurgau.<br />

Dass Messenger-Programme wie<br />

WhatsApp, Threema und Snapchat<br />

so beliebt sind, ist nicht verwunderlich:<br />

Flugs wie eine SMS landen die<br />

Kurznachrichten auf dem Handy<br />

des gewünschten Empfängers – aber<br />

ohne die hohe Gebühr für jede einzelne<br />

Nachricht. Ein Foto oder eine<br />

Sprachnachricht werden kinderleicht<br />

mitangehängt. Und da diese<br />

Form der Datenübertragung häufig<br />

über eine Internetflat abgedeckt ist,<br />

denken viele gar nicht mehr nach,<br />

bevor sie auf «Senden» drücken.<br />

Besonders für Jugendliche geht es<br />

bei WhatsApp und anderen Messenger-Programmen<br />

längst nicht mehr<br />

darum, Informationen auszutauschen<br />

– sondern einfach darum, zu<br />

plaudern – in Kontakt zu bleiben. Das<br />

moderne Chatten eben.<br />

WhatsApp? Frei ab 16 Jahren!<br />

«Wir nutzen neue Medien so, wie es<br />

unseren Alltagsgewohnheiten entspricht<br />

– gleichzeitig prägen die<br />

Medien durch ihre Möglichkeiten<br />

natürlich auch unser Nutzverhalten»,<br />

sagt Thomas Merz. Den Chat-Programmen<br />

kann er viel Positives<br />

abgewinnen: «Es findet wertvolle<br />

Kommunikation statt – Freundschaftspflege.<br />

Und die schliesst auch<br />

jene mit ein, die weiter weg wohnen.»<br />

Gleichzeitig seien aber Ausgrenzung<br />

und Belästigung ein Thema.<br />

«Was viele Eltern und Jugendliche<br />

nicht wissen oder gern wieder vergessen:<br />

Der beliebteste Messenger<br />

WhatsApp wird laut den eigenen<br />

Geschäftsbedingungen erst ab 16<br />

Jahren empfohlen. Und das nicht zu<br />

Unrecht: Denn die Messenger-Programme<br />

sind, was die Nutzer mit<br />

ihnen machen. Es gibt keine eingebauten<br />

Filter, die beispielsweise das<br />

Verschicken von pornografischem<br />

oder gewaltverherrlichendem<br />

Material verhindern. Es gibt niemanden,<br />

der kontrolliert, wie, wie<br />

viel oder über was kommuniziert<br />

wird.<br />

Die Jugendlichen sollten also<br />

bereits über eine sehr hohe Kommunikationskompetenz<br />

verfügen,<br />

bevor sie drauflostippen. «Wenn ich<br />

weiss, wie ich menschliche Beziehungen<br />

führe und pflege, kann ich<br />

neue Medien als Hilfsmittel nutzen<br />

und auch erkennen, wann sie mich<br />

mehr am Leben hindern, statt mich<br />

zu unterstützen», sagt Merz.<br />

Er plädiert dafür, dass es für<br />

Eltern wichtiger ist, die Kommuni-<br />

64 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Wenn das Handy<br />

ständig vibriert,<br />

pflegt Ihr Kind<br />

Kontakte. Das<br />

kann aber auch<br />

Stress auslösen.<br />

richten. Fotos, Audiodateien und<br />

Videos sind nach wie vor nicht verschlüsselt<br />

und können beim Anbieter<br />

gespeichert werden. Und da bei<br />

den meisten Anbietern, Threema<br />

und iO einmal ausgenommen, die<br />

Server nicht in der Schweiz liegen,<br />

unterliegen die Fotos von Kater Ruedi<br />

und der betrunkenen Kollegin<br />

auch nicht dem strengen Schweizer<br />

Datenschutzgesetz.<br />

Sicherheitsexperten bemängeln<br />

zudem, dass nur wenige Messenger<br />

ihre Programmcodes offenlegen. So<br />

ganz sicher kann man sich also nicht<br />

sein, dass das Programm nicht doch<br />

auch filmt und fotografiert, ohne<br />

dass ich es will.<br />

Klare Sicherheitsregeln für Familien<br />

Bei Kindern und Jugendlichen muss<br />

abgewogen werden: «Die sicherste<br />

Messenger-App hilft nichts, wenn sie<br />

ausser mir niemand benutzt», sagt<br />

Seitz. Ein Verbot von beliebten Apps<br />

bringe überhaupt nichts. «Und Kinder<br />

kationsfähigkeit ihrer Kinder<br />

grundsätzlich zu stärken, als sich<br />

mit jeder einzelnen neuen Technik<br />

auszukennen. Dazu gehörten eine<br />

gute, offene Gesprächsatmosphäre<br />

zu Hause und das Interesse der<br />

Eltern für Erlebnisse und Gedanken<br />

ihrer Kinder. Grundsätzlich sei es<br />

natürlich gut, wenn Eltern ebenfalls<br />

Erfahrung mit Messengern sammelten.<br />

Merz: «Damit erlebe ich Faszination<br />

wie auch Fragen und Herausforderungen<br />

direkt und kann meine<br />

Kinder auch viel besser begleiten.»<br />

verschicken. «Ein sicherer Messengerdienst<br />

hat eine End-to-End-Verschlüsselung»,<br />

sagt Medienpädagoge<br />

und Sicherheitsexperte Daniel<br />

Seitz.<br />

Das, heisst: Die Daten werden für<br />

den Übertragungsweg von Smartphone<br />

zu Smartphone verschlüsselt<br />

– selbst der Betreiber der App hat<br />

keinen Zugriff auf die Daten. Mit<br />

End-to-End-Verschlüsselung kann<br />

zum Beispiel verhindert werden,<br />

dass ein Dritter die privaten Unterhaltungen<br />

über ein Crack-Programm<br />

verschicken ja im Normalfall<br />

auch keine Staatsgeheimnisse.»<br />

Eltern sollten mit ihnen aber über<br />

mögliche Sicherheitslücken sprechen,<br />

damit sie ein Bewusstsein<br />

dafür entwickeln, dass die Kommunikation<br />

von Handy zu Handy eben<br />

nicht immer privat bleibt.<br />

Intime Bilder oder Fotos, die den<br />

Aufenthaltsort erkennen lassen, sollten<br />

nie mit Messenger-Programmen<br />

verschickt werden. Zudem empfiehlt<br />

Seitz, immer zu prüfen, ob man den<br />

Absender einer Nachricht wirklich<br />

Die Unterhaltung ist nicht privat<br />

ausliest – zum Beispiel der kennt. «So oft wie junge Menschen<br />

WG-Mitbewohner oder sonst die Handynummer wechseln, kann<br />

Zudem herrscht bei Messenger-Programmen<br />

eine grosse Unsicherheit<br />

darüber, wie sicher verschickte Texte,<br />

Bilder und Videos sind. Und das<br />

nicht erst, seit Facebook im vergangenen<br />

jemand, der im selben WLAN eingeloggt<br />

ist. «Das ist unter Jugendlichen<br />

durchaus ein Thema», sagt<br />

Seitz. Einfache Anleitungen, wie<br />

man eine Unterhaltung crackt, gebe<br />

es gut einmal sein, dass plötzlich ein<br />

anderer behauptet, mein Freund XY<br />

zu sein. Und schon hat man einem<br />

Fremden etwas gezeigt oder erzählt,<br />

was ihn gar nichts angeht.»<br />

Jahr WhatsApp erworben hat. es sogar bei YouTube.<br />

«Es wird eine Privatheit der Nachrichten<br />

Dass der Wunsch nach einer solchen<br />

Auch Schulklassen chatten<br />

suggeriert, die so nicht<br />

stimmt», sagt Merz. Um sicherzugehen,<br />

dass Verschicktes wirklich nur<br />

den Empfänger erreicht, sollte man<br />

wissen, wie Messenger die Daten<br />

Verschlüsselung gross ist, hat<br />

nun auch Marktführer WhatsApp<br />

erkannt und Ende 2<strong>01</strong>4 eine Endto-End-Verschlüsselung<br />

eingeführt.<br />

Allerdings bisher nur für Textnach-<br />

Ausserdem kann durch die ständige<br />

Berieselung mit Nachrichten bei<br />

Jugendlichen das Gefühl entstehen,<br />

dass sie immer erreichbar sein müssten.<br />

Insbesondere wenn nicht >>><br />

Foto: Mint Images<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 65


Digital & Medial<br />

>>> nur Freunde untereinander<br />

Nachrichten austauschen, sondern<br />

per WhatsApp auch Klassenchats<br />

geführt werden. Mit und ohne die<br />

Lehrperson diskutieren die Schüler<br />

via Messenger zum Beispiel die<br />

Hausaufgaben. «Gruppen zu bilden<br />

ist bei WhatsApp noch leichter als<br />

bei Facebook – daher bietet sich diese<br />

Kommunikationsform geradezu<br />

an», meint Merz.<br />

Unter Experten wird die Angst,<br />

etwas zu verpassen, FOMO genannt,<br />

kurz für «Fear of missing out». Merz<br />

relativiert: «Man nutzt etwas, man<br />

findet es spannend und schliesslich<br />

entsteht ein Druck – aber langfristig<br />

bemerken das viele Jugendliche<br />

selbst und diskutieren darüber, wie<br />

schnell und worauf man antworten<br />

muss.» Seine Tochter sehe das inzwischen<br />

recht locker. Selbst 300 Nachrichten<br />

pro Stunde stressen Anina<br />

nicht mehr, weil sie gut entscheiden<br />

kann, wann sie offline ist und was sie<br />

danach beantworten muss.<br />

Bianca Fritz<br />

>>><br />

hat ihre SMS-Flat abbestellt und dafür ihr<br />

monatliches Smartphone-Datenvolumen<br />

hochgeschraubt – für WhatsApp und Co.<br />

Warum<br />

Alle reden von FOMO – der<br />

jugendlichen Angst, etwas<br />

zu verpassen. Alles Blödsinn,<br />

sagt die 17-jährige Tina Zeinlinger.<br />

Dass Jugendliche so<br />

schnell auf Kurznachrichten<br />

antworten, hat einen<br />

anderen Grund.<br />

Text: Tina Zeinlinger<br />

Messenger-Apps:<br />

WhatsApp: Nach wie<br />

vor der beliebteste<br />

Messenger hierzulande.<br />

Jugendlichen ist<br />

WhatsApp sogar wichtiger als die<br />

Facebook-App. Weltweit über 500<br />

Millionen Nutzer. Seit Kurzem eine<br />

End-to-End-Datenverschlüsselung<br />

– aber nur für den Text. Die Server<br />

stehen in den USA und gehören zu<br />

Facebook. Preis: kostenlos.<br />

Textsecure: Von Sicherheitsexperten<br />

empfohlen,<br />

da der Programmiercode<br />

öffentlich ist<br />

und eine sehr sichere End-to-End-Verschlüsselungsmethode<br />

gewählt wurde.<br />

Das Programm steht allerdings nicht<br />

für das iOS-Betriebssystem zur Verfügung.<br />

Preis: kostenlos.<br />

Threema: Bei Threema<br />

sind die Sicherheitslevel<br />

verschiedener User einsehbar<br />

und man muss<br />

keine Handynummer angeben. Zudem<br />

liegen die Daten auf Schweizer Servern<br />

und werden verschlüsselt versendet.<br />

Nur Einblick in den Quellcode gibt es<br />

nicht. Preis: 2 Franken.<br />

Snapchat: Verschickte<br />

Fotos erscheinen nur<br />

für wenige Sekunden<br />

auf dem Handy des<br />

Empfängers. Das gaukelt Nutzern<br />

falsche Sicherheit vor: Die Fotos<br />

werden unverschlüsselt verschickt<br />

und der Empfänger kann sie sehr wohl<br />

speichern – z. B. als Screenshot.<br />

Preis: kostenlos.<br />

Swisscom iO: Telefonieren,<br />

Daten verschicken<br />

und Livechat – all das<br />

funktioniert mit iO<br />

verschlüsselt und über die Server der<br />

Swisscom in der Schweiz. Zwei Haken<br />

gibt es: die noch geringe Nutzerzahl<br />

(unter einer Million) und der verborgene<br />

Programmcode. Preis: kostenlos.<br />

Surftipp, um noch mehr Messenger<br />

auf Sicherheit zu testen:<br />

www.eff.org/secure-messagingscorecard<br />

Je mehr grüne Häkchen bei einer<br />

App angezeigt werden, umso sicherer<br />

sind die verschickten Daten.<br />

Fear of missing out» – die<br />

«Angst, etwas zu verpassen»,<br />

sobald eine Nachricht<br />

über einen längeren<br />

Zeitraum – aus jugendlicher<br />

Sicht sind das etwa zehn Minuten<br />

– ungelesen bleibt, ist ohne<br />

Zweifel vorhanden. Doch ernsthaft:<br />

Was sollte man denn da fürchten zu<br />

verpassen? Zumindest, wenn man<br />

bedenkt, dass der typische Chatverlauf<br />

wie folgt aussieht:<br />

17:53<br />

17:53<br />

17:54<br />

17:57<br />

hey:)<br />

gut dir<br />

wm?<br />

g N8<br />

hey:)<br />

wg?<br />

auch<br />

nix<br />

17:52<br />

17:53<br />

17:53<br />

17:54<br />

Im Normalfall endet hier die Konversation.<br />

Zumindest für eine Stunde,<br />

dann wiederholt sich der ganze<br />

Vorgang. Chatfrei hat man für diese<br />

Stunde natürlich nicht. Denn ist die<br />

66 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Alles klar. Du kannst mich mal.<br />

20:15<br />

man sofort antworten muss<br />

eine Unterhaltung beendet, leuchtet<br />

schon das nächste «hey:)» am Bildschirm<br />

auf. Konversationshungrig<br />

wird dann tiefgründig bis zum finalen<br />

«gn8» (Gute Nacht) gechattet, bis<br />

man von dem vertrauten Whats-<br />

App-Ton und einem «Moagn» (Morgen)<br />

sanft aus dem Schlaf geholt<br />

wird.<br />

Der Begriff FOMO hinkt also<br />

etwas. Es geht gar nicht darum, dass<br />

man «etwas» verpassen könnte, sondern<br />

eher «jemanden». FOMF<br />

bringt es schon eher auf den Punkt.<br />

Die «Fear of missing friends» steckt<br />

tatsächlich hinter dem jugendlichen<br />

Drang, im Minutentakt auf Nachrichten<br />

zu antworten. Die Angst, die<br />

Freunde zu verpassen.<br />

Bleibt eine Nachricht für mehrere<br />

Minuten unbeantwortet, löst das<br />

eine Kettenreaktion mit verheerenden<br />

Konsequenzen aus. Engere<br />

Freunde werden erst einmal fragen<br />

«Haaalloooo?!!», «Alles ok?!!!» oder<br />

«Was los?!!!!». Bleibt die Antwort<br />

weitere Minuten aus, beginnen sich<br />

Selbstzweifel beim Konversationspartner<br />

breitzumachen. «Bist böse<br />

auf mich?», «Nerv ich dich?», «Hab<br />

ich was falsch gemacht?» werden zu<br />

zentralen Fragen. Die Situation<br />

spitzt sich zu, wenn noch immer<br />

jegliche Reaktion ausbleibt, denn<br />

dann fühlt sich der Gesprächspartner<br />

bestätigt in seiner Annahme,<br />

selbst schuld zu sein. Auf Enttäuschung<br />

folgt bekanntlich Wut – so<br />

auch in der Welt von WhatsApp:<br />

Alles klar. Du kannst mich mal.<br />

Ignorier mich ruhig, kommt alles zurück.<br />

Hast wohl wen Besseren zum Schreiben.<br />

Glaubst du bist wer oder was?<br />

Sry, dass ich der Dame nicht<br />

gut genug bin.<br />

20:15<br />

Man sieht, es kann aus dem Vollen<br />

geschöpft werden, auf welche Art<br />

man seiner Empörung Platz machen<br />

will. Übrigens: Entfernte Bekannte<br />

überspringen gerne die Phase des<br />

Selbstzweifels und kommen gleich<br />

zum Wut-Part.<br />

Ist man nun selbst unglücklicher<br />

Empfänger von Wut-Nachrichten,<br />

ist jede Ausrede sinnlos. Und in<br />

solch einem Fall gibt es aus Fremdsicht<br />

nur Ausreden. Beantwortet<br />

man Nachrichten für mehrere<br />

Minuten oder sogar Stunden nicht,<br />

rasselt man auf sozialer Ebene in<br />

den Keller. Man gilt als eingebildet,<br />

egoistisch, eitel, selbstverliebt, asozial<br />

und kann sich schon mal an die<br />

Arbeit machen, neue Freundschaftsanfragen<br />

zu verschicken.<br />

Das grundlegende Problem<br />

dahinter ist womöglich, dass unsere<br />

Welt durch das Internet aus kommunikationstechnischer<br />

Sicht immer<br />

mehr zusammenschrumpft. «The<br />

world is a village» – das erkannte der<br />

Medientheoretiker Marshall<br />

McLuhan schon in den frühen<br />

1960er-Jahren. Und genauso verhält<br />

es sich auch mit WhatsApp: Die<br />

Kommunikationsplattform gleicht<br />

einer Live-Übertragung, einer<br />

Unterhaltung in Echtzeit. Die Chatpartner<br />

sitzen sich quasi wie im echten<br />

Leben gegenüber und können<br />

sogar mitverfolgen, wann der<br />

Gesprächspartner online ist – also<br />

im übertragenen Sinne anwesend.<br />

Klingt seltsam für Sie? Wie würden<br />

Sie sich aber fühlen, wenn Sie<br />

Ihre Arbeitskollegen grüssen, und<br />

keiner grüsst zurück? Oder Sie sich<br />

beim gemeinsamen Mittagessen<br />

nach dem Befinden erkundigen, und<br />

Ihr Gegenüber zeigt nicht die<br />

geringste Reaktion?<br />

Vermutlich würden Sie zuerst<br />

einmal die Stimme heben – in<br />

WhatsApp geschieht das mit vielen<br />

Ausrufezeichen. Im nächsten Schritt<br />

würden Sie sich ignoriert fühlen und<br />

sich fragen, ob Ihr Bekannter vielleicht<br />

Gründe hat, böse auf Sie zu<br />

sein. Und letzten Endes würden<br />

auch Sie es aufgeben und sich denken:<br />

«Du kannst mich mal». Und<br />

der Person in Zukunft aus dem Weg<br />

gehen. Auch das funktioniert in<br />

WhatsApp prima. Dafür gibt es die<br />

Funktion: «Kontakt blockieren».<br />

Ersichtlich wird, dass die Dimension<br />

Zeit in unserer digitalen Welt<br />

eine andere ist, und sich dadurch<br />

auch die Erwartungshaltung auf<br />

Kommunikationsplattformen verändert.<br />

Wir sind so ungeduldig, wie<br />

es vor einigen Jahren noch nicht<br />

möglich gewesen wäre.<br />

Deswegen mein eigens kreiertes<br />

Akronym FOMF. Und weil Abkürzungen<br />

und Wortneuschöpfungen<br />

auf Plattformen wie WhatsApp boomen,<br />

schliesse ich mit WISP: Whats-<br />

App is social pressure. Und das dürfen<br />

Sie jetzt selber übersetzen.<br />

Tina Zeinlinger<br />

ist Schülerin (17) und schaut oft auf ihr<br />

Handy. Und wenn sie mal aufblickt, sieht sie,<br />

dass andere kaum besser sind als sie.<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 21:02<br />

67<br />

egoistic hoch 10<br />

20:23<br />

20:35<br />

21:02<br />

21:15<br />

Ignorier mich ruhig, kommt alles zurück.<br />

Hast wohl wen Besseren zum Schreiben.<br />

Glaubst du bist wer oder was?<br />

Sry, dass ich der Dame nicht<br />

gut genug bin.<br />

egoistic hoch 10<br />

20:23<br />

20:35<br />

21:02<br />

21:02<br />

21:15


Digital & Medial<br />

Süchtig nach<br />

Online-Games?<br />

Bei vielen Jungs sind Online-Games sehr beliebt – vor<br />

allem Rollenspiele wie etwa «League of Legends», bei<br />

denen sie in Gruppen spielen. Aber wann ist es zu<br />

viel? Und was dann? Ein Gespräch mit Isabel<br />

Willemse, Psychologin und Onlinesucht-Beraterin.<br />

Interview: Michael In Albon<br />

Frau Willemse, Eltern kennen die<br />

Situation: Zigmal haben sie ihren Teenager<br />

aufgefordert, das Online-Game zu<br />

beenden. Aber es nützt nichts, der Sohn<br />

spielt und spielt. Das ärgert einen mit<br />

der Zeit ganz gewaltig und man möchte<br />

am liebsten den Stecker ziehen.<br />

Ich verstehe zwar die Not der Eltern,<br />

aber so einzugreifen ist eine schlechte<br />

Lösung. Das endet meist in Streit<br />

und Aggression. Viele Jugendliche<br />

spielen sogenannte Multiplayer-Games,<br />

das heisst, sie schliessen sich<br />

mit anderen zu einer Gruppe zusammen<br />

und erledigen die Spielaufträge<br />

gemeinsam. Dabei übernimmt jeder<br />

bestimmte Rollen, die mit Verpflichtungen<br />

verbunden sind. Wer sich<br />

plötzlich aus dem Spiel verabschiedet,<br />

macht eine Aufgabe zunichte,<br />

welche die Gruppe vielleicht während<br />

längerer Zeit aufgebaut hat. Die<br />

Spielkollegen fühlen sich verraten,<br />

im Stich gelassen. Eltern ist diese<br />

Wirkung oft nicht bewusst.<br />

Was empfehlen Sie stattdessen?<br />

Sinnvoll ist es zu verstehen: Was<br />

spielt mein Kind, wie funktioniert<br />

das Spiel? Und einen Zeitpunkt<br />

zu vereinbaren, ab wann kein<br />

Durchgang mehr gestartet werden<br />

darf. Bei meinen Klienten ist im<br />

Moment «League of Legends» das<br />

meistgespielte Game, hier dauert ein<br />

Durchgang 40 bis 60 Minuten. Wenn<br />

also um 22 Uhr Medienschluss sein<br />

soll, heisst das: Ihr Kind darf nach<br />

21 Uhr kein Spiel mehr starten.<br />

Und das akzeptieren Jugendliche?<br />

Es ist wichtig, die Rollen zu klären:<br />

Wer macht was, wie wird kontrolliert?<br />

In der Beratung investiere ich<br />

dafür viel Zeit: Eltern und Jugendliche<br />

sollen zusammen Regeln<br />

aufstellen; definieren, wer sie durchsetzt<br />

und wie; Folgen bei Nichteinhalten<br />

festlegen. Viele Jugendliche<br />

sind froh, wenn ihnen jemand<br />

Grenzen setzt. Und wenn sie die<br />

Grenzen selber vorschlagen und<br />

mitgestalten, nehmen sie diese besser<br />

an.<br />

Hilft Gamen nicht auch, Druck ab zu -<br />

bauen und sich zu entspannen?<br />

Doch. Aber es darf keine Flucht sein.<br />

Fast jeder Jugendliche kennt Stress:<br />

in der Schule oder mit Kollegen,<br />

Lehrstellensuche, Prüfungen, Eltern,<br />

die viel fordern. Beim Gamen erleben<br />

Teenager ein Gruppengefühl,<br />

sind erfolgreich, erhalten Anerkennung.<br />

Sie vergessen dabei den Druck.<br />

Das hilft, gibt positive Gefühle. Aber<br />

eben nur für kurze Zeit. Denn gleichsam<br />

steigt der Druck, je häufiger sie<br />

in die Spielwelt flüchten. Und das<br />

wiederum lässt sie noch häufiger<br />

flüchten. Es ist ein Teufelskreis.<br />

Wie helfe ich als Mutter oder Vater<br />

meinem Kind da heraus?<br />

Indem Sie genau hinsehen und wenn<br />

nötig helfen, Alternativen zu schaffen.<br />

Es ist einfacher, andere Interessen zu<br />

stärken, damit Mediennutzung an<br />

Gewicht verliert. Unterstützen Sie Ihr<br />

Kind, ein Hobby wiederaufzunehmen,<br />

Kollegen wieder zu treffen –<br />

so bauen Sie die Stellung des Gamens<br />

langsam ab.<br />

Michael in Albon<br />

ist Jugendmedienschutz-Beauftragter von Swisscom<br />

Isabel Willemse<br />

ist Psychotherapeutin und Beraterin für Onlinesucht<br />

am IAP und an der ZHAW, Zürcher Hochschule<br />

für Angewandte Wissenschaften unter anderem<br />

Mit autorin der JAMES-Studie.<br />

Neu finden Sie auf der Onlineplattform Medienstark<br />

auch das Thema «Gamesucht» mit weiteren Aspekten<br />

und Tipps, wie Sie im Familienalltag damit umgehen<br />

können. swisscom.ch/medienstark<br />

68 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Service<br />

Abonnieren Sie Das Schweizer<br />

ElternMagazin Fritz+Fränzi<br />

Sichern Sie sich jetzt Ihre Abonnenten-Vorteile:<br />

Hefte im Abonnement günstiger als im Einzelverkauf!<br />

Lieferung bequem und pünktlich frei Haus!<br />

Sparen Sie<br />

17 %<br />

1 Jahr (10 Ausgaben) 62 Franken<br />

Sparen Sie<br />

35 %<br />

2 Jahre (20 Ausgaben) 98 Franken<br />

Bestellen Sie unter:<br />

www.fritzundfraenzi.ch<br />

Telefon: 0800 814 813<br />

Sparen Sie<br />

47 %<br />

Gratis <br />

Schnupperabo (5 Ausgaben) 20 Franken<br />

1 Ausgabe zum Kennenlernen


Digital & Medial<br />

Auch Girls mögen Games<br />

Lange Zeit waren Videospiele «Bubensache», doch nun<br />

sind auch die jungen Damen am Drücker – und diese<br />

haben ihre eigenen Vorlieben. Text: Marc Bodmer<br />

Sims 4<br />

In den letzten Jahren habe ich<br />

über den Daumen gepeilt mit<br />

über 1200 Schülerinnen und<br />

Schülern in Medienkompetenz-Workshops<br />

gesprochen.<br />

Wenn ich ihnen die Frage stellte:<br />

«Wer von euch ist ein Gamer?»,<br />

schnellten die Hände der Jungs in<br />

die Höhe, während die Mädels die<br />

Schultern zuckten. Keine Gamerinnen?<br />

Kaum zu glauben, denn laut<br />

der US-Entertainment Software<br />

Association kommen auf 52 spielende<br />

Herren nun 48 Damen.<br />

Schiebt man nach, dass nicht nur<br />

«Fifa» und «Call of Duty» Videospiele<br />

sind, sondern alle interaktiven<br />

Unterhaltungsinhalte, die auf einem<br />

Bildschirm gespielt werden – also<br />

auch Handygames zum Beispiel –,<br />

sieht es plötzlich anders aus. Dann<br />

fallen Namen wie «2048», «Temple<br />

Run», «Hay Day» und «Sims».<br />

Hätscheln am Handy<br />

Letztgenannter Titel, der vornehmlich<br />

auf PC gespielt wird, hat viele<br />

Jahre die Auszeichnung «meist verkaufte<br />

Spielserie» innegehabt – und<br />

das bei einer damals noch unüblichen<br />

Spielerdemografie: Das interaktive<br />

Puppenhaus wird zu über 60<br />

Prozent von Spielerinnen gestaltet.<br />

Bei «Sims» gilt es, Beziehungen<br />

anzubahnen oder Jobs zu bewältigen<br />

– Dinge des Alltags eben. «Sims 4»<br />

bietet Spieltiefe. Man verweilt im<br />

Szenario und probiert Lebensentwürfe<br />

aus. Das letzte Kapitel der<br />

«Sims»-Reihe wurde mit dem Prädikat<br />

«pädagogisch wertvoll» ausgezeichnet.<br />

Mädchen-Games müssen keineswegs<br />

pink sein. Doch so klischeehaft<br />

es klingen mag: Viele Mädchen<br />

mögen soziale Aspekte in einem<br />

Spiel. Sie mögen es, ihre Figuren zu<br />

hegen. Während Jungs ihre Kriegsbasen<br />

in «Clash of Clans» hochrüsten,<br />

schätzen Mädchen die ländliche<br />

Variante und bewirtschaften in «Hay<br />

Day» einen Bauernhof. Die Kräfte im<br />

Wettbewerb zu messen, ist für viele<br />

weibliche Gamer eher zweitrangig.<br />

Während Jungen sich gerne im Konsolenspiel<br />

profilieren, nutzen junge<br />

Damen vorzugsweise ihr Handy als<br />

Plattform. Dort lösen sie gerne knifflige<br />

Zahlenrätsel wie «2048».<br />

Aber selbstverständlich gibt<br />

es auch Spiele, die von beiden<br />

Geschlechtern gern gespielt werden.<br />

Bei «Temple Run» ist auf der Flucht<br />

vor einem Monster schnelle Reaktionsfähigkeit<br />

gefragt. Das macht Jungen<br />

wie Mädchen Spass und sorgt für<br />

den gemeinsamen Gesprächsstoff in<br />

der grossen Pause.<br />

Marc Bodmer<br />

schreibt seit über 20 Jahren über Videospiele<br />

und ist Vater eines zehnjährigen<br />

Sohnes. Mehr unter www.marcbodmer.com<br />

Fotos: ZVG<br />

Spassfaktor<br />

Sims hat sich über die Jahre zur<br />

interaktiven Soap-Opera gemausert,<br />

in der auf witzige Weise verschiedene<br />

Lebenssituationen<br />

ausprobiert werden können.<br />

Entwickler<br />

Electronic Arts<br />

Altersempfehlung<br />

ab 12 Jahren<br />

Plattform<br />

PC<br />

Preis<br />

ab 70 Franken<br />

2048<br />

Spassfaktor<br />

Die Grundidee des Puzzlespiels ist<br />

einfach: Auf einem Gittermuster<br />

müssen Vielfache der Zahl 2 miteinander<br />

kombiniert werden, bis<br />

die Endsumme 2048 entsteht. Die<br />

Lösung: schwierig.<br />

Entwickler<br />

Ketchapp<br />

Altersempfehlung<br />

ab 4 Jahren<br />

Plattform<br />

iOS/Android<br />

Preis<br />

kostenlos<br />

70 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Digital & Medial<br />

Patenkind (7): «Hmm, du riechst so gut!»<br />

«Oh, danke. Wonach?» «Pommes.»<br />

Tweet von @tussirella<br />

«Die Schweizer sind offener für<br />

digitales Lernen» Interview: Bianca Fritz<br />

Stephan Bayer (31) ist Gründer und Geschäftsführer<br />

der Online-Lernhilfeplattform sofatutor.com<br />

mit mehr als 11 000 Videos. Diese hat nun auch<br />

einen Schweizer Auftritt.<br />

Fotos: ZVG<br />

Herr Bayer, wie kommen die in Deutschland<br />

produzierten Lernvideos in der Schweiz an?<br />

Sehr gut! Schon auf der deutschen Website<br />

hatten wir fünf bis zehn Prozent Kundschaft aus<br />

der Schweiz. Aber sie mussten sich die Videos<br />

mühsam zusammensuchen. Jetzt haben wir die<br />

Schweizer Lehrpläne studiert und die Videos so<br />

sortiert, dass jede Klassenstufe das findet, was<br />

sie wirklich gerade braucht. Seither haben wir<br />

etwa 7500 Abos in der Schweiz. Da wir auch Nachhilfesessions<br />

anbieten – mit Lehrpersonen in Deutschland und deutschen<br />

Preisen –, sind wir eine günstige Alternative zum Nachhilfeangebot<br />

in der Schweiz.<br />

Die Videos und Lehrpersonen aus Deutschland können<br />

doch sicher nicht alles vermitteln, was an hiesigen Schulen<br />

wichtig ist ...<br />

Sofatutor kümmert sich vor allem um die Fächer, bei denen es<br />

die grössten Probleme in der Schule gibt: Das sind Mathematik,<br />

Englisch, Deutsch und die Naturwissenschaften.<br />

Diese sind in Deutschland und der Schweiz gleich. Fächer, die<br />

von den Diskussionen in der Klasse leben, wie Politik und auch<br />

Geografie, behandeln wir mit unseren Videos noch nicht. Weder<br />

in Deutschland noch in der Schweiz. Insgesamt erlebe ich, was<br />

das digitale Lernen angeht, die Schweizer als viel offener als die<br />

Deutschen.<br />

Kann digitales Lernen den Nachhilfelehrer ersetzen?<br />

Ich sehe uns nicht in erster Linie als Nachhilfeplattform,<br />

sondern vor allem als Wissensportal. Wer sich verbessern<br />

will, etwas nachsehen oder in den Expertenchats nachfragen,<br />

oder wer nur ein geringes Budget hat, ist auf einer digitalen<br />

Lernplattform gut aufgehoben. Schwierig ist das digitale Lernen<br />

für die, die sich leicht ablenken lassen. Denn da ist die Gefahr<br />

im Internet natürlich gross. Mit den digitalen Nachhilfestunden<br />

kann man sich tatsächlich verbessern und kontinuierlich mit<br />

einer Lehrperson an einer Schwierigkeit arbeiten. Grundvoraussetzung<br />

dafür ist natürlich ein schneller Internetanschluss.<br />

www.sofatutor.ch<br />

ar<br />

Filmtipp: Dora oder die<br />

sexuellen Neurosen unserer<br />

Eltern<br />

Am 19. Februar startet der Film «Dora oder<br />

die sexuellen Neurosen unserer Eltern» der<br />

Schweizer Regisseurin Stina Werenfels. Die<br />

Geschichte: Die junge, geistig behinderte Frau<br />

Dora blüht sexuell auf, doch ihr neuer Freund<br />

Peter (Lars Eidinger) ist ein zwielichtiger Typ.<br />

Das stellt die Beziehung von Dora zu ihrer<br />

Mutter auf eine harte Probe. Vor allem, als<br />

Dora schwanger wird. Wird ihre Mutter Dora<br />

die Chance geben, ein Kind selbständig zu<br />

erziehen? Es ist der erste Film der Regisseurin<br />

Stina Werenfels nach dem Erfolg ihres<br />

Spielfilmdebuts «Nachbeben» 2006 auf der<br />

Berlinale. «Dora oder die sexuellen Neurosen<br />

unserer Eltern» beruht auf<br />

einem Theaterstück von<br />

Starten Sie die<br />

aktuelle<br />

Fritz+Fränzi-App,<br />

scannen Sie diese<br />

Seite und sehen Sie<br />

Dora im Trailer des<br />

Kinofilms.<br />

Lukas Bärfuss. Ein<br />

bewegender Film für<br />

Eltern über die<br />

Liebe und das<br />

Beschützen der<br />

Kinder.<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 71


Digital & Medial<br />

70 %<br />

der Eltern kennen die Passwörter, die ihre Teenager<br />

auf dem Mobiltelefon benutzen – und können somit einsehen,<br />

was ihre Kinder auf dem Handy und im Internet tun.<br />

Das ergab eine aktuelle Umfrage der Sicherheitssoftware- Firma AVG unter knapp 4000 Jugendlichen<br />

zwischen 11 und 16 Jahren in neun Ländern.<br />

Fotos: ZVG<br />

Schattenmonster entdecken<br />

Auf der ersten Seite klebt eine echte kleine Taschenlampe.<br />

Sie ist das wichtigste Utensil, um in diesem<br />

Buch gruselige Monster aufzustöbern. Seite für Seite<br />

zeigen sich dann unterschiedliche Zimmer eines<br />

Hauses: Schränke und Spülbecken stellen sich auf. All<br />

das sieht ganz harmlos aus, bis man die Möbelstücke<br />

– am besten im Dunkeln – mit der Taschenlampe<br />

beleuchtet. Dann tauchen plötzlich die Schatten auf<br />

von Theo mit den Riesenfüssen oder Esmeralda, der<br />

Möchtegernsängerin. Sie alle wirken monströs im<br />

Dunkeln. Aber schon nicht mehr so sehr, wenn sie<br />

hinterher im Buch von Kindern gemalt und vorgestellt<br />

werden. Eine tolle Methode, um spielerisch die Angst<br />

vor dem Dunkeln zu verlieren. Die Schattenspiele<br />

machen aber auch mutigeren, älteren Kindern Spass.<br />

Johannes Vogt und Felicitas Horstschäfer:<br />

Schattenmonster. Ein Such-Pop-Up.<br />

Beltz & Gelberg, 2<strong>01</strong>4. Fr. 28.90, ab 5 Jahren<br />

Schatzkiste<br />

mit viel «Sch»<br />

Der «Sch»-Laut ist kein ganz einfacher<br />

im Spracherwerb – besonders<br />

schwer tun sich lispelnde Kinder<br />

damit. Medienpädagogen und<br />

eine Kinderlogopädin haben daher<br />

die App «Schatzkiste» entwickelt,<br />

die es kostenlos für iOS- und<br />

Android-Geräte gibt. Mit Schlange,<br />

Frosch und Schmetterling sowie<br />

vielen weiteren liebevoll gezeichneten<br />

Figuren mit einem «Sch» im<br />

Namen wird gelesen, gepuzzelt<br />

und gesucht. Die App wurde von<br />

verschiedenen deutschen Ministerien<br />

gefördert und soll den Spass<br />

am kreativen Umgang mit der<br />

Sprache fördern.<br />

Mehr unter www.edulingu.de<br />

ar<br />

Direkt zum<br />

aktuellen Film?<br />

Fritz+Fränzi-App<br />

laden, diese Seite<br />

scannen und den<br />

Film über Angst<br />

starten.<br />

Der neue<br />

Film: Angst mit Mut<br />

begegnen<br />

Das neue Video der Serie «Lebensmutig<br />

und einfühlsam» von Psychologe Fabian<br />

Grolimund und Fritz+Fränzi beschäftigt<br />

sich mit der Angst. Welche gut gemeinten<br />

Reaktionen können Ängste verschlimmern?<br />

Warum hilft gutes Zureden<br />

nicht? Und wie können Eltern ihre Kinder<br />

unterstützen? Der kleine Biber hat im<br />

Film schreckliche Angst vor seinem<br />

Vortrag in der Schule. Die Eltern sind<br />

ratlos. Zum Glück ist seine Tante Biberberaterin<br />

und hat einige hilfreiche Tipps<br />

auf Lager. Diesen und alle bisherigen<br />

Filme der Serie finden Sie auf der<br />

Website www.fritzundfraenzi.ch unter<br />

Eltern-Info > Podcasts.<br />

72 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Pro & Kontra<br />

Soll man Kindern das<br />

Fernsehen verbieten?<br />

Foto: Vera Hartmann / 13 Photo<br />

Nik Niethammer (53),<br />

Vater eines Sohnes (5)<br />

und einer Tochter (3)<br />

Pro<br />

Der Held meiner Kindheit hiess Cowboy Jim. Die<br />

Trickfilmfigur aus dem Guetnachtgschichtli gehört<br />

zu meinen frühesten TV-Erinnerungen. Ich war vier<br />

und wusste: Zimmer aufräumen, Zähne putzen, rein<br />

ins Tigerpyjama – dann durfte ich vor die Flimmerkiste.<br />

Bei guter Führung gabs Lassie, Flipper, Fury.<br />

Ungebührliches Benehmen wurde sanktioniert: eine<br />

Woche ohne Raumschiff Enterprise, Daktari, Familie<br />

Feuerstein. Mit sieben sah ich die Mondlandung,<br />

mit neun Ali gegen Frazier boxen: «Fight of the<br />

Century». Nach meinem Empfinden blieb der frühkindliche<br />

TV-Konsum ohne Folgeschäden. Trotzdem:<br />

Für unseren fünfjährigen Sohn und unsere<br />

dreijährige Tochter gilt heute die 0,0-Konsum-<br />

Grenze. Kein Smartphone. Kein TV. Spiele auf dem<br />

Tablet? Fehlanzeige. Warum? Weil meine Frau und<br />

ich davon überzeugt sind: Eine Kindheit ohne elektronische<br />

Berieselung ist möglich. Und sinnvoll. Frei<br />

nach dem Motto: mehr Matsch, weniger Medien.<br />

Unsere Kinder sollen springen, balancieren, auf<br />

Bäume klettern. Die eigene Fantasie entwickeln,<br />

eigene Köpererfahrungen machen. Die holen sie<br />

nicht vor dem Bildschirm. Ich halte es mit dem<br />

deutschen Neurobiologen Gerald Hüther, der sagt:<br />

«Fernsehen ist gestohlene Körperlernzeit.»<br />

Marc Bodmer (51),<br />

Vater eines Sohnes<br />

(10½ Jahre)<br />

Kontra<br />

Unsere Familie hatte den ersten Farbfernseher im<br />

Quartier. Man konnte ihn sogar abschliessen. Das<br />

kam zum Glück nie vor, aber das Schlüsselchen<br />

diente als Mahnmal. Unsere TV-Zeit hielt sich<br />

sowieso in Grenzen, war doch das Angebot auf 4,5<br />

Sender beschränkt: die drei Schweizer Kanäle und<br />

ARD. Beim ZDF gabs visuelles Schneegestöber.<br />

Diese spärliche Auswahl aber hinderte meine Schulfreunde<br />

nicht, sich beim schönsten Wetter vor die<br />

Glotze zu setzen. Da wurde einfach alles geschaut:<br />

Telekolleg, Werbung, Basteln mit Gerda Conzetti …<br />

Damals war es noch etwas Besonderes, heute sind<br />

Bildschirmmedien alltäglich. Wer Abstinenz predigt,<br />

schafft die gleiche Begehrlichkeit wie vor 40<br />

Jahren und weist TV und Games eine besondere<br />

Rolle zu, die sie längst nicht mehr haben. Mein<br />

Sohn, inzwischen 10 Jahre alt, konnte sich stets mit<br />

altersgerechten Inhalten beschäftigen. Nach Möglichkeit<br />

teilten wir dieses Erlebnis, so wussten meine<br />

Frau und ich immer, wie er darauf reagiert. Wir<br />

haben ihm auch keine Medienzeit vorgeschrieben,<br />

sondern auf seinen Tag geachtet: War er draussen?<br />

Hat er sich bewegt? Hat er seine Schularbeiten<br />

erledigt? … In einem ausgeglichenen Alltag haben<br />

Medien Platz – in jedem Alter.<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 73


Leserbriefe<br />

«Aggressivere Kinder brauchen<br />

nicht engere Grenzen»<br />

Realitätsferner Tipp<br />

(Marc Bodmer: Gefahr aus der Spielkonsole? Heft 9/14)<br />

Als Medienpädagogin war ich entsetzt<br />

über diesen Artikel! Dieses hochaktuelle<br />

Thema auf so niedrigem Niveau bearbeitet<br />

zu sehen, ist wirklich schade! Der<br />

Artikel suggeriert, dass keine Bedenken<br />

anzubringen sind bei First Person Shooter<br />

– ohne seriösen Nachweis. Die Empfehlung,<br />

während einer Game-Pause<br />

das Gespräch mit den Kindern über<br />

Lösungsmöglichkeiten zu suchen, ist<br />

nichts wert und genauso realitätsfern<br />

wie die Welt, in der die Jugendlichen sich<br />

beim Gamen bewegen. Der Thrill besteht<br />

darin, sich beim Gamen zu konditionieren,<br />

bis die vorprogrammierte<br />

Lösung gefunden ist.<br />

Zu allen bislang publizierten Studien,<br />

die dem Gamen einen Mehrwert attestieren,<br />

muss gesagt werden, dass die<br />

Nachweise nur auf computergestützten<br />

Ergebnissen beruhen. Ob Aggressivität,<br />

die mittels Gewalt-Game abgebaut wird,<br />

auch in der «Offline-Welt» abgebaut ist,<br />

bleibt noch nachzuweisen.<br />

Ihre Empfehlung, die Inhalte der Games<br />

an den ethischen Normen des Elternhauses<br />

zu messen, würde nur zu einem<br />

führen: Games löschen, Gerät abschalten<br />

und mit der ganzen Familie einen<br />

Outdoor-Event machen oder ein gutes<br />

Essen kochen und gemütlich zusammensitzen<br />

(Gesprächskompetenz!).<br />

Katinka Penert (per E-Mail)<br />

Kinder wollen kooperieren<br />

(Ronnie Gundelfinger: Asperger-Syndrom. Heft 10/14)<br />

Mit der Aussage, dass Kinder nicht als<br />

soziale Wesen auf die Welt kommen, bin<br />

ich überhaupt nicht einverstanden!<br />

Kinder kommen sehr wohl als soziale<br />

Wesen auf die Welt. Kinder wollen<br />

kooperieren! Manchmal können sie dies<br />

nicht mehr, und das hat Gründe. Im<br />

Artikel steht, dass «wilde» Kinder davon<br />

profitieren, wenn sie in einer Umgebung<br />

mit klaren Regeln und Grenzen aufwachsen<br />

und dass gerade bei diesen<br />

Kindern auf die Einhaltung der Regeln<br />

geachtet werden muss. Zurück zum<br />

Gehorsam?<br />

Ich finde, dass aggressive Kinder nicht<br />

engere Grenzen benötigen. Sie benötigen<br />

gute Beziehungen mit empathischen<br />

Erwachsenen, die ihre eigenen<br />

Grenzen kennen, jene der Kinder achten<br />

und mit den Kindern und Jugendlichen<br />

darüber sprechen. Eltern und Lehrpersonen,<br />

die mit den Kindern Wege finden,<br />

wie sie mit ihren Gefühlen so umgehen<br />

können, dass es die andern mit ihnen<br />

aushalten. Die Kinder haben ihre Integrität,<br />

die es zu achten gilt. Aber stattdessen<br />

gilt es laut dem Artikel, möglichst<br />

früh auf «Alarmzeichen» zu achten, um<br />

intervenieren zu können, bevor ein Verhalten<br />

sich verfestigt und die Kinder im<br />

Jugendalter zunehmend auf die «schiefe<br />

Bahn» geraten.<br />

Hört und spürt man die ganze Kindheit,<br />

wie falsch und schwierig man sei,<br />

welche Regeln man nicht eingehalten,<br />

welchen Blödsinn man nun wieder gemacht<br />

habe, welche Therapien jetzt<br />

nötig seien …, da entwickelt man als junger<br />

Mensch tatsächlich ein «gestörtes<br />

Sozialverhalten»!<br />

Tonia von Gunten (per E-Mail)<br />

Illustration: P&P<br />

74 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Keine Religionsdiktatur<br />

(Florian Bissig: Wie viel Religion braucht das Kind? Titelthema Heft 10/14)<br />

Sie greifen ein wichtiges Thema auf. Familie<br />

Feuz hat erkannt, dass sie eines<br />

Tages keinen entscheidenden Einfluss<br />

auf ihre Kinder hat. Sie bietet die Möglichkeit,<br />

in der Gemeinschaft eine «Verwurzelung»<br />

zu finden. Das ist ein Grundbedürfnis<br />

des sozialen Wesens Mensch.<br />

Sie paart dieses Angebot nicht mit der<br />

Drohung: Falls ihr euch nicht für unsere<br />

Religion entscheidet, werdet ihr für uns<br />

geistig tot sein.<br />

Ganz anders verhält sich die Familie<br />

der Zeugen Jehovas. Sie vermittelt den<br />

Kindern, dass es «der Wille Jehovas» ist,<br />

täglich in der Bibel zu lesen. Hier haben<br />

Kinder keine Wahlfreiheit, denn einem<br />

göttlichen Willen kann man sich nicht<br />

widersetzen. Dabei ist Bibel in ihrer<br />

Sprache gleichbedeutend mit den<br />

Schriften der «Wachtturm Bibel- und<br />

Traktat-Gesellschaft». Diese enthalten<br />

eine bedenkliche Fülle an Drohbotschaften,<br />

gerade auch die Kinderbücher, die<br />

den Kindern jeden Mut zu eigenverantwortlichem<br />

Handeln nehmen.<br />

Ein Unterrichtsfach Religionskunde<br />

an den Schulen wäre sehr empfehlenswert,<br />

wenn dabei religionsneutral vermittelt<br />

würde, ob die Grundwerte nur<br />

«christlich» sind oder ob nicht auch<br />

Menschen anderer Kulturen oder religiöser<br />

Orientierung nach ethischen und<br />

moralischen Grundwerten handeln. Aus<br />

meiner persönlichen, leidvollen Erfah-<br />

rung mit fehlgeleitetem Glauben wünsche<br />

ich mir eine trennscharfe Definition der<br />

Bedeutung von Glauben und Spiritualität,<br />

die dem individuellen Bedürfnis des Menschen<br />

nützt, seinen Selbstwert und Mut<br />

zu Eigenverantwortung stärkt.<br />

Der Gegensatz dazu ist die Religionsdiktatur.<br />

Sie basiert auf der Forderung von<br />

Gehorsam, Verzicht auf Eigenverantwortung<br />

unter Androhung der schlimmsten<br />

Strafen und ewiger Verdammnis.<br />

Barbara Kohout (per E-Mail)<br />

Zu neutral dargestellt<br />

Anzeige<br />

Wir schätzen Ihr Elternmagazin sehr<br />

und sind froh, dass es Fritz+Fränzi gibt.<br />

Uns gefiel auch die letzte Nummer über<br />

Religion gut. Allerdings halten wir die<br />

neutrale Darstellung der Zeugen-Jehovas-Familie<br />

für problematisch. Der Glaube,<br />

den die Wachtturm-Gesellschaft<br />

vorgibt, ist für Kinder in vielerlei Hinsicht<br />

mehr als problematisch (siehe<br />

Darstellung auf: www.infosekta.ch/media).<br />

Wir finden es wichtig, dass, bei allem<br />

Bemühen um eine ausgewogene und<br />

neutrale Darstellung, benannt werden<br />

kann, wenn religiöse Vorstellungen<br />

schädlich für Menschen und insbesondere<br />

für Kinder sind.<br />

Regina Spiess, Fachstelle für Sektenfragen<br />

infoSekta (per E-Mail)<br />

« Mein Ausgleich: Bei den PZZ kann<br />

ich meinen ursprünglichen Pflegeberuf<br />

und Familie optimal vereinbaren. »<br />

Schreiben Sie uns!<br />

Ihre Meinung ist uns wichtig. Sie erreichen uns über:<br />

leserbriefe@fritzundfraenzi.ch oder<br />

Redaktion Fritz+Fränzi, Dufourstrasse 97, 8008 Zürich<br />

Bereit für den Wiedereinstieg? Jetzt testen auf:<br />

gerontologieblog.ch/wiedereinsteigerinnen-quiz<br />

Oder kontaktieren Sie uns per Telefon: 044 412 41 56<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 75


Service<br />

2 3<br />

Was tun im Februar?<br />

1 Werde zum Experten<br />

Du willst eine Band gründen, ein kleines Festival auf die Beine<br />

stellen oder gar einen Skatepark eröffnen und weisst nicht,<br />

wie du deine Idee auf den Punkt bringst? Geschweige<br />

denn einen Projektplan erstellst? Wer eine tolle Idee hat,<br />

braucht manchmal Hilfe bei der Umsetzung. Die finden<br />

Jugendliche im Kurs «So wird meine Idee zum Projekt», eine<br />

Initiative der Juniorexperts.ch, und die einmalige Chance für<br />

alle jungen Kreativen, Entdecker und Unternehmer, etwas<br />

Grosses auf die Beine zu stellen und Spass zu haben.<br />

Ort: Passepartout-ch, Sandstrasse 5, Moosseedorf Datum:<br />

24. Februar Zeit: 8.30 Uhr bis 17 Uhr Preis: 25 Franken<br />

Anmeldung: www.infoklick.ch/juniorexperts<br />

3 Solarimpulse: Ohne Treibstoff um die Welt<br />

Ohne einen einzigen Tropfen Treibstoff wollen Bertrand Piccard und André<br />

Broschberg mit einem Solarflugzeug die Welt umrunden – und Sie können dabei<br />

sein! Denn das Verkehrshaus Luzern begleitet ihr Abenteuer mit einer Ausstellung<br />

und einer Live-Übertragung. In der Eingangshalle des Museums wird ein Modell<br />

des Solarflugzeugs im Masstab 1:10 zu bewundern sein und im nachgebauten<br />

Cockpit entdecken Besucher den Arbeitsplatz der Piloten. Dem Lausanner Wissenschaftler<br />

Betrand Piccard ist eine Weltumrundung schon einmal per Heissluftballon<br />

gelungen. Sein Solarflugzeug startet Ende Februar oder Anfang März in Abu<br />

Dhabi – sein zweites grosses Abenteuer. Ort: Verkehrshaus der Schweiz, Lidostrasse<br />

5, Luzern Datum: ab 28. Februar Preis: Kinder bis 6 Jahre gratis, Kinder<br />

und Jugendliche unter 16 Jahre 15 Franken, Erwachsene 30 Franken Informationen<br />

und Übertragungstermin: www.verkehrshaus.ch<br />

2 Der König der Löwen – zum ersten<br />

Mal in der Schweiz!<br />

«Diese Kostüme!» ist der Standardausruf begeisterter<br />

König-der-Löwen-Besucher. Und erst noch der Stoff der<br />

Geschichte: Simba, Sohn von Mufasa, dem König der Löwen,<br />

soll seinem Vater eines Tages auf den Thron folgen. Weil<br />

Mufasas böser Bruder Scar aber auch an die Macht will, sorgt<br />

er für den Tod Mufasas, stellt Simba als Schuldigen hin und<br />

reisst die Herrschaft an sich. Simba flüchtet in den<br />

Dschungel. Als er aber erfährt, wie Scar das Königreich<br />

immer weiter zugrunde richtet, muss er handeln ... Erstmals<br />

kommt Walt Disneys «König der Löwen» in die Schweiz. Ein<br />

fantastisches Bühnenerlebnis für die ganze Familie.<br />

Ort: Musical Theater Basel, Feldbergstrasse 151, Basel<br />

Datum: März 2<strong>01</strong>5 bis August 2<strong>01</strong>5 Preis: 48 Franken bis 148<br />

Franken Informationen und Tickets: www.thelionking.ch<br />

4 Auf in die Schatzkammer der Römer<br />

In den Depots des riesigen Freilichtmuseums Augusta Raurica<br />

ruhen weit über eine Million Objekte wie Tonkrüge, Werkzeuge<br />

und Waffen. Alle stammen aus archäologischen Ausgrabungen<br />

der berühmten Römerstadt am Rhein. Normalerweise<br />

bleiben ihre Türen verschlossen, doch bei<br />

dieser Führung können grosse und kleine<br />

Entdecker einen Blick in die archäologischen<br />

Schatzkammern werfen und sich von<br />

Experten zeigen und erklären lassen, wie sie<br />

gelagert und für Ausstellungen vorbereitet<br />

werden. Eine einmalige Gelegenheit!<br />

Ort: Römerstadt Augusta Raurica,<br />

Giebenacherstrasse 17, Augst Datum: 22. Februar<br />

Zeit: 13.30 Uhr bis 14.15 Uhr Preis: 5 bis 10 Franken<br />

Informationen: www.augustaraurica.ch<br />

1<br />

5 6<br />

2 Basel<br />

4 Augusta R<br />

Moosseedorf<br />

Bern<br />

76 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


4 6<br />

Fotos: © Disney, Chammartin/Rezo/Solar Impulse, Susanne Schenker –<br />

Augusta Raurica, Kindermuseum Creaviva, PR<br />

Ob in der Steppe der Serengeti, im<br />

Solarflugzeug rund um die Welt oder<br />

bei den alten Römern: Im Februar/<br />

März wird viel geboten. Sie stehen<br />

eher auf Blues und Jazz? Na, dann<br />

gehen Sie doch mit Ihren Kindern auf<br />

musikalische Weltreise …<br />

ar<br />

Starten Sie<br />

die aktuelle<br />

Fritz+Fränzi-App,<br />

scannen Sie diese Seite<br />

und erleben Sie die<br />

Arbeit der jungen<br />

Video-Künstler.<br />

5 Videokünstler gesucht!<br />

Wer Interesse an Videos, Web und Animation hat, dem<br />

sei creaTiV! empfohlen. Das Angebot des Kindermuseums<br />

Creaviva richtet sich an Jugendliche zwischen 11 bis 18<br />

Jahren, die ihre Ideen in animierte Bilder verwandeln wollen. Im Kurs kreieren<br />

die Teilnehmer eigene Trickfilme, Videoarbeiten oder Multimedia-Animationen<br />

und lernen verschiedene Gestaltungstechniken kennen. CreaTiV! möchte Kunst<br />

mit Animationstechniken verbinden und die Grenzen zwischen Handgemachtem<br />

und digitaler Kultur erkunden. Die produzierten Werke werden auf YouTube,<br />

im Loft des Creaviva oder auf der CreaTiV-Website präsentiert. Ort: Im Atelier 3<br />

des Kindermuseums Creaviva im Zentrum Paul Klee, Monument im Fruchtland<br />

3, Bern Datum: 14. Februar, 14. März Zeit: 10.30 Uhr bis 16.30 Uhr Preis: 30<br />

Franken Informationen und Anmeldung: www.creaviva-zpk.org<br />

6 Auf musikalischer Weltreise<br />

Serena Fisseau hat eine wunderschöne Stimme und einen<br />

eigenwilligen Stil, beeinflusst von Gospel, Blues, Jazz, Latin<br />

und Rock. Aber sind ihre Konzerte auch für Kinder geeignet?<br />

Auf jeden Fall, wenn der Veranstalter «Bee-Flat im PROGR» zu<br />

einem Nachmittagskonzert für die ganze Familie einlädt: Im<br />

März singt die Französin mit asiatischen Wurzeln traditionelle<br />

Melodien und Wiegenlieder aus fernen Ländern. Preis,<br />

Lautstärke und Verpflegung an der Bar sind bei dieser<br />

musikalischen Weltreise auf Familienbedürfnisse abgestimmt.<br />

Ort: Café-Bar Turnhalle, Speichergasse 4, Bern<br />

Datum: 1. März Zeit: 15:30 Uhr Preis: Kinder 5, Erwachsene<br />

15 Franken Informationen: www.bee-flat.ch<br />

aurica<br />

3 Luzern<br />

Wo ist was? Unsere<br />

Freizeit-Tipps auf der<br />

Schweizer Karte.<br />

Eine Box für deine Talente<br />

«Bist du ein absoluter Teamplayer und zählt Kreativität zu<br />

deinen Stärken? Welche anderen Talente hast du?» Keine<br />

leichten Fragen. Dabei stellen die rasanten Entwicklungen einer<br />

globalisierten Welt hohe Anforderungen an junge Menschen und<br />

ihre individuellen Fähigkeiten und Kompetenzen. Die Initiative<br />

Boostbox hat es sich zur Aufgabe gemacht, über verschiedene<br />

Kanäle die Ideen, die Kreativität und das Potenzial von Jugendlichen<br />

sichtbar zu machen und die Einzigartigkeit jedes<br />

Einzelnen herauszustreichen. Im Zentrum der Initiative steht das<br />

neue Online-Portal boostbox.ch, das sowohl als Reflexionsinstrument<br />

als auch als Schaufenster der eigenen Interessen und<br />

Stärken dient. Ziel ist es, zu zeigen, wie kleine Begebenheiten<br />

des Alltags Grosses bewegen und wie unterschiedlich Biografien<br />

aussehen können. Informationen: www.boostbox.ch<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 77


Service<br />

Vielen Dank der<br />

an die Partner und Sponsoren<br />

Stiftung Elternsein:<br />

Finanzpartner Hauptsponsoren Heftsponsoren<br />

Dr. iur. Ellen Ringier<br />

Walter Haefner Stiftung<br />

Rozalia Stiftung<br />

Credit Suisse AG<br />

UBS AG<br />

Aon Risk Solution Schweiz AG<br />

UBS AG<br />

Impressum<br />

15. Jahrgang. Erscheint 10-mal jährlich<br />

Inhaltspartner<br />

Stiftungspartner<br />

Herausgeber<br />

Stiftung Elternsein,<br />

Seehofstrasse 6, 8008 Zürich<br />

www.elternsein.ch<br />

Präsidentin des Stiftungsrates:<br />

Dr. Ellen Ringier, ellen@ringier.ch,<br />

Tel. 044 400 33 11<br />

(Stiftung Elternsein)<br />

Geschäftsführer: Thomas Schlickenrieder,<br />

ts@fritzundfraenzi.ch, Tel. 044 261 <strong>01</strong> <strong>01</strong><br />

Verlag<br />

Fritz+Fränzi,<br />

Dufourstrasse 97, 8008 Zürich,<br />

Tel. 044 277 72 62,<br />

info@fritzundfraenzi.ch,<br />

verlag@fritzundfraenzi.ch,<br />

www.fritzundfraenzi.ch<br />

Verlagsadministration: Brigitte Guerra,<br />

b.guerra@fritzundfraenzi.ch,<br />

Tel. 044 277 72 62<br />

Verlagsassistentin: Éva Berger,<br />

e.berger@fritzundfraenzi.ch,<br />

Tel. 044 277 72 67<br />

Redaktion<br />

redaktion@fritzundfraenzi.ch<br />

Chefredaktor: Nik Niethammer,<br />

n.niethammer@fritzundfraenzi.ch<br />

Leo Truniger (Stv.),<br />

l.truniger@fritzundfraenzi.ch<br />

Bianca Fritz,<br />

b.fritz@fritzundfraenzi.ch<br />

Evelin Hartmann,<br />

e.hartmann@fritzundfraenzi.ch<br />

Dr. Eveline von Arx (wissenschaftliche Beratung),<br />

e.vonarx@fritzundfraenzi.ch<br />

Onlineredaktion:<br />

Irena Ristic, i.ristic@fritzundfraenzi.ch<br />

Redaktionelle Mitarbeit<br />

Gregor Berger, Michèle Binswanger, Marc<br />

Bodmer, Susan Edthofer, Elisabeth Eggenberger,<br />

Regula Everts, Susanne Garsoffky,<br />

Kerstin Hödlmoser, Michael In Albon, Patrizia<br />

Kilburger, Susanne Kurz, Claudia Landolt,<br />

Jeannette Otto, Franziska Peterhans, Barbara<br />

Ritter, Petra Seeburger, Britta Sembach,<br />

Regula Thut Borner, Tina Zeinlinger<br />

Art Direction/Produktion<br />

Partner & Partner, Winterthur,<br />

www.partner-partner.ch<br />

Bildredaktion<br />

13 Photo AG, Zürich, www.13photo.ch<br />

Korrektorat<br />

Brunner AG, Kriens, www.bag.ch<br />

Anzeigen<br />

Anzeigenverkauf: Brigitte Killias,<br />

b.killias@fritzundfraenzi.ch,<br />

Tel. 044 277 72 60 (vormittags erreichbar)<br />

Jacqueline Zygmont,<br />

j.zygmont@fritzundfraenzi.ch,<br />

Tel. 044 277 72 65<br />

Bettina Müller,<br />

b.mueller@fritzundfraenzi.ch,<br />

Tel. 044 577 06 88<br />

Anzeigenadministration: Brigitte Guerra,<br />

b.guerra@fritzundfraenzi.ch,<br />

Tel. 044 277 72 62<br />

Druck<br />

Oberndorfer Druckerei, Circle Printers,<br />

www.oberndorfer-druckerei.com,<br />

www.circleprinters.eu<br />

Auflage<br />

(WEMF/SW-beglaubigt 2<strong>01</strong>3)<br />

total verbreitet 103 381<br />

davon verkauft 17 206<br />

Preis<br />

Jahresabonnement Fr. 62.–<br />

Einzelausgabe Fr. 7.50<br />

iPad Fr. 3.–<br />

Abo-Service<br />

Galledia Verlag AG Berneck<br />

Karin Schwarz<br />

Tel. 0800 814 813, Fax 058 344 92 54<br />

abo.fritzundfraenzi@galledia.ch<br />

Für Spenden<br />

Stiftung Elternsein, 8008 Zürich<br />

Postkonto 87-447004-3<br />

IBAN: CH40 0900 0000 8744 7004 3<br />

Institut für Familienforschung und -beratung<br />

der Universität Freiburg, www.unifr.ch/iff<br />

Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz,<br />

www.lch.ch<br />

Jacobs Foundation,<br />

www.jacobsfoundation.org<br />

Forum Bildung, www.forumbildung.ch<br />

Elternnotruf, www.elternnotruf.ch<br />

Pro Juventute, www.projuventute.ch<br />

Hochschule für Heilpädagogik, Zürich, www.hfh.ch<br />

Schweizerisches Institut für Kinder- und<br />

Jugendmedien SIKJM, www.sikjm.ch<br />

DIE ZEIT, www.zeit.de<br />

Schweizerische Vereinigung der Elternorganisationen<br />

SVEO, www.sveo.ch<br />

Marie-Meierhofer-Institut für das Kind,<br />

www.mmizuerich.ch<br />

Schule und Elternhaus Schweiz,<br />

www.schule-elternhaus.ch<br />

Pädagogische Hochschule Zürich, www.phzh.ch<br />

Schweizerischer Verband alleinerziehender Mütter<br />

und Väter, SVAMV, www.svamv.ch<br />

Ein ElternForum, www.einelternforum.ch<br />

Pro Familia, www.profamilia.ch<br />

Kinderlobby Schweiz, www.kinderlobby.ch<br />

78 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Buchtipps<br />

Foto/Illustration: Nilsson/Spee, Kommissar Gordon – Der erste Fall,<br />

Moritz Verlag, Frankfurt am Main 2<strong>01</strong>4<br />

Das erfolgreiche<br />

Duo in Ulf Nilssons<br />

Krimi: Kommissar<br />

Gordon und<br />

Assistentin Buffy,<br />

faszinierend<br />

gezeichnet von<br />

Gitte Spee.<br />

Leise Angst<br />

In Severin<br />

Schwendeners<br />

Krimi können<br />

sich für einmal<br />

Jugendliche in<br />

der Schweiz wiederfinden:<br />

Vier<br />

Zürcher Sekschülerinnen und<br />

-schüler machen sich auf die Spur<br />

eines Mörders im Milieu von<br />

Fussball-Hooligans.<br />

Gulliver 2<strong>01</strong>4, Fr. 19.90,<br />

ab 13 Jahren<br />

Spuren sichern und Bösewichte stellen: Kriminalromane<br />

sind auch bei Kindern und Jugendlichen ungemein beliebt.<br />

Dabei muss es nicht immer TKKG und Co. sein.<br />

Krimis für<br />

kleine Detektive<br />

Wer nur hat die Nüsse des Eichhörnchens gestohlen?<br />

Kröten-Kommissar Gordon macht sich auf die Suche.<br />

Geheimsache<br />

Labskaus<br />

Erst ist in der<br />

Geschichte von<br />

Ina Rometsch und<br />

Martin Verg nur ein<br />

wertvoller Pudel<br />

verschwunden,<br />

doch dann nimmt ein rasantes und<br />

ziemlich verrücktes Detektivabenteuer<br />

seinen Lauf mit den zwei<br />

Freunden Oskar und Zack mittendrin.<br />

Residenz 2<strong>01</strong>3, Fr. 18.90,<br />

ab 10 Jahren<br />

Seit Erich Kästners «Emil<br />

und die Detektive» sind<br />

Krimis nicht mehr aus der<br />

Kinderliteratur wegzudenken.<br />

Dabei gelten gewisse<br />

Regeln: Kinder dürfen Diebstähle<br />

oder Einbrüche aufklären – Morde<br />

oder Gewalttaten werden ihnen<br />

bzw. den kindlichen Lesern nicht<br />

zugemutet (anders sieht das inzwischen<br />

im Jugendbuch aus).<br />

Für den Einstieg ins Detektiv-<br />

Genre bietet sich zum Vor- oder<br />

Selbserlesen «Kommissar Gordon<br />

– Der erste Fall» von Ulf Nilsson an.<br />

Hier ist das Verbrechen wirklich<br />

harmlos: Einem Eichhörnchen wurden<br />

Nüsse gestohlen! Die Waldtiere<br />

sind in heller Aufregung. Viel zu<br />

viel Aufregung für Kommissar Gordon.<br />

Die gemütliche Kröte sitzt<br />

meist bei Tee und Muffin in der<br />

Polizeistation und mag am liebsten,<br />

dass gar nichts geschieht. Neu erhält<br />

Gordon Unterstützung von der eifrigen<br />

Maus Buffy, die er flugs zu<br />

seiner Assistentin befördert. Davon<br />

profitieren beide: Buffy klettert<br />

blitzschnell zum Tatort im Baum<br />

hoch, dafür kann sie von Kommissar<br />

Gordons langjähriger Erfahrung<br />

und seiner Weisheit lernen. Und<br />

seine Muffins essen, natürlich. Zum<br />

Schluss gelingt es den beiden so tatsächlich,<br />

den Fall zu lösen, und zwar<br />

ohne dass jemand eingesperrt werden<br />

muss oder gar die Pistole zum<br />

Einsatz kommt – ganz zur Freude<br />

von Kommissar Gordon.<br />

Liebevoll erzählt und von Gitte<br />

Spee illustriert, hat diese Geschichte<br />

eine klare Botschaft: Kriminelle<br />

jagen ist gut, keine Kriminalität ist<br />

besser.<br />

Ulf Nilsson:<br />

«Kommissar<br />

Gordon – Der<br />

erste Fall»,<br />

mit Bildern von<br />

Gitte Spee,<br />

Moritz Verlag<br />

2<strong>01</strong>4, Fr. 18.90,<br />

ab 6 Jahren<br />

Herr und Frau<br />

Hase – die<br />

Superdetektive<br />

Ein Hasenpaar<br />

beschliesst,<br />

Detektive zu<br />

werden, just als<br />

ein Menschenmädchen<br />

dringend Hilfe benötigt,<br />

weil seine Eltern von Füchsen entführt<br />

wurden. Polly Horvath beweist<br />

hier ihren herrlich schrägen Humor.<br />

Aladin 2<strong>01</strong>3, Fr. 19.90, ab 11 Jahren<br />

Verfasst von Elisabeth Eggenberger,<br />

Mitarbeiterin des Schweizerischen<br />

Instituts für Kinder- und Jugendmedien<br />

SIKJM. Auf www.sikjm.ch sind<br />

weitere Buchempfehlungen zu finden.<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 79


Bonbons<br />

Wo sich Kinder und Eltern<br />

wohlfühlen<br />

Fritz+Fränzi verlost 4 Gutscheine* im Wert von je 500 Franken für Reka-Ferien in der Schweiz.<br />

Reka – die Nr. 1 für Familienferien. Auch für Eltern.<br />

Erleben Sie traumhafte Ferien mit der ganzen Familie – mit Reka! Ob Streichelzoo oder Zirkuswelt, Gold waschen<br />

oder Energiespielplatz, jedes der 13 Reka-Feriendörfer entführt Sie in seine eigene Erlebniswelt. In allen Feriendörfern<br />

sorgen Hallenbäder für Badespass, die Kinderspielanlagen für viel Abwechslung und das Rekalino-Kinderprogramm<br />

für unvergessliche Ferienerlebnisse. Neu im Angebot ist das Reka-Feriendorf in Blatten-Belalp. Mitten<br />

in der UNESCO-Weltnaturerbe-Region Jungfrau-Aletsch gelegen, ist es ein idealer Ausgangspunkt für viele<br />

spannende Ausflüge.<br />

Weitere Informationen finden Sie unter: www.reka.ch<br />

* Die Gutscheine sind 2 Jahre ab Ausstelldatum gültig.<br />

Wettbewerbsteilnahme auf www.fritzundfraenzi.ch/bonbons<br />

Teilnahmeschluss: 8. März 2<strong>01</strong>5<br />

Teilnahme per SMS: Stichwort FF REKA an 959 senden (30 Rp./SMS)<br />

80 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Service<br />

10<strong>01</strong> Adressen<br />

Die wichtigsten Institutionen, Stellen und Vereine, die Eltern informieren<br />

und unterstützen – von Kinderbetreuung über Rechtshilfe bis Suchtberatung<br />

TELEFONNUMMERN<br />

FÜR DEN NOTFALL<br />

143<br />

•Die Dargebotene<br />

Hand<br />

agredis.ch –<br />

gewaltberatung<br />

Unterlachenstrasse 12<br />

6005 Luzern<br />

Tel. 041 362 23 33<br />

Hotline 078 744 88 88<br />

Fax 041 361 20 30<br />

gewaltberatung@agredis.ch<br />

www.agredis.ch<br />

Elternnotruf Aargau<br />

Beratungsstelle bei<br />

Erziehungsfragen,<br />

Überforderung<br />

und Kindsmisshandlung<br />

Tel. 0848 35 45 55<br />

24h@elternnotruf.ch<br />

www.elternnotruf.ch<br />

Elternnotruf<br />

Region Zug<br />

Beratungsstelle bei<br />

Erziehungsfragen,<br />

Überforderung<br />

und Kindsmisshandlung<br />

Tel. 0848 35 45 55<br />

24h@elternnotruf.ch<br />

www.elternnotruf.ch<br />

Elternnotruf +<br />

Beratungsstelle<br />

Region Zürich<br />

Beratungsstelle bei<br />

Erziehungsfragen,<br />

Überforderung<br />

und Kindsmisshandlung<br />

Weinbergstrasse 135<br />

8006 Zürich<br />

Tel. 0848 35 45 55<br />

24h@elternnotruf.ch<br />

www.elternnotruf.ch<br />

Internet- und<br />

SMS-Seelsorge<br />

per SMS an 767<br />

per E-Mail an<br />

seelsorge@seelsorge.net<br />

www.seelsorge.net<br />

Kinder- und Jugendnotruf<br />

St. Gallen<br />

Kinderschutzzentrum<br />

St. Gallen<br />

Tel. 071 243 77 77<br />

www.kjn.ch<br />

Pro Juventute<br />

Beratung<br />

+ Hilfe 147<br />

Telefon, SMS, Chat,<br />

Thurgauerstrasse 39<br />

Postfach, 8050 Zürich<br />

Tel. 147, www.147.ch<br />

Schweizerisches<br />

Toxikologisches<br />

Informationszentrum<br />

Tel. 044 251 51 51<br />

Hotline 145<br />

www.toxi.ch<br />

Sorgentelefon<br />

Tel. 044 261 21 21<br />

Verein<br />

Tele-Hilfe Basel<br />

Bruderholzallee 167<br />

4059 Basel<br />

NOTRUF 143<br />

Tel. 061 367 90 90<br />

Fax 061 367 90 95<br />

basel@143.ch<br />

www.basel.143.ch<br />

OPFERHILFESTELLEN<br />

BENEFO-STIFTUNG<br />

•Fachstelle Opferstelle<br />

Thurgau<br />

Zürcherstrasse 149<br />

8500 Frauenfeld<br />

Tel. 052 723 48 26<br />

(Erwachsene)<br />

Tel. 052 723 48 23<br />

(Kinder)<br />

benefo@benefo.ch,<br />

www.benefo.ch<br />

Beratungsstelle<br />

Frauenhaus Region Biel<br />

Für weibliche Opfer von<br />

häuslicher Gewalt<br />

Kontrollstrasse 12<br />

2503 Biel<br />

Tel. 032 322 03 44<br />

info@solfemmes.ch<br />

www.solfemmes.ch<br />

Beratungsstelle<br />

Gewaltbetroffene<br />

Frauen<br />

•Fachstelle der<br />

Stiftung Opferhilfe<br />

SG/AI/AR<br />

Teufenerstrasse 11<br />

90<strong>01</strong> St. Gallen<br />

Tel. 071 227 11 44<br />

beratungsstelle.frauen@<br />

opferhilfe-sg.ch<br />

www.opferhilfe-sg.ch<br />

Beratungsstelle<br />

Nottelefon für<br />

Frauen – gegen<br />

sexuelle Gewalt<br />

Postfach, 8026 Zürich<br />

Tel. 044 291 46 46<br />

Fax 044 242 82 14<br />

info@frauenberatung.ch<br />

www.frauenberatung.ch<br />

Beratungsstelle<br />

Opferhilfe<br />

•Fachstelle der<br />

Stiftung Opferhilfe<br />

SG/AI/AR<br />

Teufenerstrasse 11<br />

90<strong>01</strong> St. Gallen<br />

Tel. 071 227 11 00<br />

Fax 071 227 11 09<br />

beratungsstelle.opfer<br />

hilfe@opferhilfe-sg.ch<br />

www.opferhilfe-sg.ch<br />

Beratungsstelle<br />

für Opfer von<br />

Straftaten<br />

Seftigenstrasse 41,<br />

3007 Bern<br />

Tel. 031 372 30 35<br />

beratungsstelle@opfer<br />

hilfe-bern.ch<br />

www.opferhilfe-bern.ch<br />

bif<br />

•Beratungs- und<br />

Informationsstelle<br />

für Frauen. Gegen<br />

Gewalt in der Ehe<br />

und Partnerschaft<br />

Postfach 9664<br />

8036 Zürich<br />

Tel. 044 278 99 99<br />

info@bif-frauenberatung.ch<br />

www.bif-frauenberatung.ch<br />

Castagna<br />

•Beratungs- und<br />

Informationsstelle<br />

für sexuell ausgebeutete<br />

Kinder,<br />

weibliche Jugendliche<br />

und in der<br />

Kindheit ausgebeutete<br />

Personen<br />

Universitätsstrasse 86<br />

8006 Zürich<br />

Tel. 044 360 90 40<br />

mail@castagna-zh.ch<br />

www.castagna-zh.ch<br />

Fachstelle für<br />

Gewaltbetroffene<br />

•Beratung für<br />

Frauen, Kinder<br />

und Jugendliche<br />

Neustadt 23,<br />

8200 Schaffhausen<br />

Tel. 052 625 25 00<br />

Fax 052 625 60 68<br />

fachstelle@fsgb-sh.ch<br />

www.fsgb-sh.ch<br />

Fachstelle OKey<br />

•Kinderklinik Kantonspital<br />

Winterthur<br />

Opferhilfeberatung<br />

und Kinderschutz<br />

Postfach 834<br />

84<strong>01</strong> Winterthur<br />

Tel. 052 266 41 56<br />

(Bürozeiten)<br />

Tel. 079 780 50 50<br />

(Wochenende)<br />

www.okeywinterthur.ch<br />

Fachstelle OKey<br />

•Jugendsekretariat<br />

Winterthur<br />

Opferhilfeberatung<br />

und Kinderschutz<br />

St. Gallerstrasse 42<br />

8400 Winterthur<br />

Tel. 052 266 90 90<br />

(Bürozeiten)<br />

Tel. 079 780 50 50<br />

(Wochenende)<br />

www.okey-winterthur.ch<br />

Frauen Nottelefon<br />

•Beratungsstelle<br />

für gewaltbetroffene<br />

Frauen<br />

Technikumstrasse 38<br />

Postfach<br />

84<strong>01</strong> Winterthur<br />

Tel. 052 213 61 61<br />

info@frauennottelefon.ch<br />

www.frauennottelefon.ch<br />

Lantana<br />

•Fachstelle Opferhilfe<br />

bei sexueller Gewalt<br />

Information,<br />

Beratung,<br />

Begleitung<br />

Aarbergergasse 36<br />

3<strong>01</strong>1 Bern<br />

Tel. 031 313 14 00<br />

Fax 031 313 14 <strong>01</strong><br />

info@lantana-bern.ch<br />

www.lantana-bern.ch<br />

Sie finden noch<br />

mehr Adressen auf<br />

www.fritzundfraenzi.ch<br />

Gesunde und nachhaltige<br />

Kinderverpflegung…<br />

menuandmore steht als führende Verpflegungsanbieterin<br />

den Mittagstischen kompetent und gerne zur Seite.<br />

• Einzige kindergerechte Anbieterin mit Gold-Zertifizierung<br />

• Kinderspezifische Menüplanung<br />

• Frische und schonende Zubereitung für optimalen Erhalt der Vitalstoffe<br />

• Belieferung mit hauseigener Kühllogistik in die ganze Deutschschweiz<br />

• Umfangreiche Gesundheitsförderung und vielfältige Serviceleistungen<br />

• Allergie-Gütesiegel für besonders allergikerfreundliche Dienstleistungen<br />

• Höchste Verpflegungssicherheit zu günstigen Konditionen<br />

• Nachhaltiges und klimaneutrales Unternehmen<br />

Menu and More AG<br />

Sihlquai 340<br />

8005 Zürich<br />

Tel. 044 448 26 11<br />

info@menuandmore.ch<br />

www.menuandmore.ch<br />

Ein Unternehmen<br />

der Eldora-Gruppe


Im Mittelpunkt<br />

Ganz gross auf<br />

kleiner Bühne<br />

Text: Patrizia Kilburger<br />

Sophie liebt die Bretter, die die Welt bedeuten: Seit<br />

der 1. Klasse steht die 14-Jährige aus Niederhasli<br />

ZH auf der Bühne des Kindertanztheaters Doris<br />

Sturzenegger und spielte beispielsweise schon<br />

den Elefanten Tantor in Tarzan. Für solche<br />

Grossaufführungen probt sie mit über 100<br />

Kindern und Jugendlichen vor den Sommerferien<br />

fast täglich. Und auch sonst trifft sich die<br />

Gymnasiastin jeden Freitagabend mit Gleichgesinnten<br />

zwischen 13 und 18 Jahren im Baräggli in<br />

Bülach zum «Musical Highlights Jugendtheater».<br />

Kurz vor Beginn der Proben werden die Neuigkeiten<br />

der Woche ausgetauscht. Für Sophie ist das<br />

Theater ein wichtiger Brückenbauer und eine<br />

Stütze. Sie fand gute Freunde und profitiert in der<br />

Schule. «Das Theaterspielen und das Improvisieren<br />

erleichtern es mir, vor Leuten zu sprechen.<br />

Man gewöhnt sich daran und wird sicherer», sagt<br />

sie. Sophies Talent beschränkt sich aber nicht nur<br />

auf das Rezitieren, Theaterspielen und Singen. Sie<br />

schreibt auch Tagebuch und liest sehr viel. Obwohl<br />

sie diese Leidenschaft aufgrund des straffen<br />

Lehrplans oft in ihre Ferien vertagen muss, gehen<br />

ihr die Ideen nicht aus. Lesen inspiriert, sagt sie.<br />

Und so hat die Leseratte mit drei Theaterfreundinnen<br />

einen Mundart-Krimi auf Papier gebracht. Er<br />

handelt vom Leben und von der Liebe. Was Sophie<br />

neben der Literatur und dem Theater sonst noch<br />

liebt? Tiere, sagt sie.<br />

www.kindertanztheater.ch<br />

Foto: Cortis & Sonderegger/13Photo<br />

82 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5


Im Mittelpunkt<br />

Komm, wir trinken<br />

noch keins.<br />

Helfen Sie mit!<br />

Senden Sie ein SMS mit<br />

dem Text IOGT an 488<br />

und spenden Sie so<br />

10 Franken.<br />

Dankeschön!<br />

Gewohnheiten lassen sich ändern.<br />

Seit über 120 Jahren helfen wir Menschen<br />

mit einem Alkoholproblem.<br />

www.iogt.ch<br />

FEBRUAR 2<strong>01</strong>5 83


Im Mittelpunkt<br />

Endlich bekomme ich,<br />

was ich von einer<br />

Anlageberatung erwarte.<br />

Credit Suisse Invest – die neue Anlageberatung<br />

Bei unserer Anlageberatung können Sie sich einbringen, wann Sie wollen. Und Sie diskutieren<br />

direkt mit global vernetzten Experten. Dabei profitieren Sie von vielfältigen Anlagevorschlägen –<br />

immer sorgfältig ausgewählt. Dies alles mit tiefen Transaktionsgebühren.<br />

Erfahren Sie mehr über unsere individuellen Anlagelösungen:<br />

credit-suisse.com/invest<br />

Diese Anzeige stellt weder ein Angebot noch eine Empfehlung zum Erwerb oder Verkauf von Finanzinstrumenten oder Bankdienstleistungen dar und entbindet den Empfänger nicht von seiner eigenen Beurteilung.<br />

Copyright © 2<strong>01</strong>5 Credit Suisse Group AG und/oder mit ihr verbundene Unternehmen. Alle Rechte vorbehalten.<br />

84 FEBRUAR 2<strong>01</strong>5

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!