20 Jahre VW Sachsen - AufgeHorcht
20 Jahre VW Sachsen - AufgeHorcht
20 Jahre VW Sachsen - AufgeHorcht
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Editorial<br />
Weichenstellung<br />
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Am 17. Februar <strong>20</strong>11 wurde in einer feierlichen Veranstaltung im August Horch<br />
Museum der Nachbau des Auto Union-Rennwagens Typ C an exponierter Stelle<br />
der Dauerausstellung übergeben. In einem außergewöhnlichen Gemeinschaftswerk<br />
ist es unter Regie des Fördervereins in Zusammenarbeit mit 44<br />
Unternehmen und Institutionen sowie 31 ehrenamtlich mitwirkenden Personen in<br />
siebenjähriger Arbeit gelungen, den wohl historisch spektakulärsten der<br />
„Silberpfeile“ der Auto Union wiedererstehen zu lassen und der Öffentlichkeit dauerhaft<br />
zugängig zu machen. Die Veranstaltung stand folglich im Zeichen der<br />
Danksagung an die Mitwirkenden, die in einer Übersicht in dieser Ausgabe von<br />
„<strong>AufgeHorcht</strong>“ eine weitere öffentliche Würdigung erfahren sollen. Mit der Übergabe<br />
des Rennwagens Typ C an das Museum ist dieses Projekt offiziell abgeschlossen.<br />
Jetzt nehmen Pläne zur Erweiterung des August Horch Museums Gestalt an. Wie<br />
schon bei Umbau und Neugestaltung bis zum Jahr <strong>20</strong>04 ist es erneut die Audi AG,<br />
die an den Wurzeln ihrer Herkunft eine großartige finanzielle Unterstützung zur<br />
Erweiterung zugesagt hat. Eine außerordentliche Referenz für das Museum und die Stadt<br />
Zwickau. Die derzeit genutzte Fläche des Museums beträgt ca. 3000 Quadratmeter. Der Plan<br />
der Erweiterung sieht den Zugewinn einer etwa 6500 Quadratmeter großen Grundstücksfläche<br />
in angrenzender Nachbarschaft vor, von der ca. 3000 Quadratmeter als Ausstellungsfläche nutzbar<br />
würden – eine Verdoppelung der heutigen Fläche. Das verdeutlicht gleichermaßen die<br />
Größenordnung der damit verbundenen Herausforderungen an die Bauumfänge, an das künftige<br />
Ausstellungsprofil und seiner Gestaltung sowie die daraus erwachsenden Aufgaben für alle an der<br />
Realisierung Beteiligten. Am 24. März <strong>20</strong>11 gab der Stadtrat von Zwickau einmütig seine<br />
Zustimmung zur Realisierung dieses Vorhabens. Der Förderverein des August Horch Museums<br />
wird das Projekt mit den ihm gegebenen Möglichkeiten tatkräftig unterstützen.<br />
Nach Bekanntwerden der Erweiterungspläne im Präsidium des Fördervereins unterbreitete<br />
Rainer Mosig, Leiter des gerade vollendeten Typ C-Projektes den Vorschlag, die Idee von Bernd<br />
Göpfert – alias „August Horch“ – aus dem Jahr <strong>20</strong>06 aufzugreifen und einen detailgetreuen fahrfähigen<br />
Nachbau des „HORCH 14-17 PS Tonneau“ von 1904 zu realisieren. Zu diesem möglichen<br />
neuen Projekt haben bereits Akteure des Rennwagen-Nachbaus ihre Bereitschaft zur<br />
Mitarbeit signalisiert. Mit der Replika des HORCH 14-17 PS würde jenes Fahrzeug wiedererstehen,<br />
das dem Beginn des Automobilbaus in Zwickau und dem Wirken von August Horch ab 1904<br />
historisch ein würdiges und attraktives Denkmal setzt.<br />
Weitere Ziele des Fördervereins sind die Erstellung eines virtuellen Modells für das Trabant-<br />
Nachfolgefahrzeug P 603 und die Rückführung der funktionsfähigen Trabant-Kunststoff-<br />
Fertigungsanlage in das Museum.<br />
Diese Ausgabe von „<strong>AufgeHorcht</strong>“ hebt in ausgewählten Beiträgen das Jubiläum „125 <strong>Jahre</strong><br />
Automobil“ hervor. Neben den Automobilpionieren Carl Benz, Gottlieb Daimler, Wilhelm<br />
Maybach und August Horch stehen dabei die oft vergessenen Männer der ersten Stunde mit<br />
ihren Fahrzeugen im Mittelpunkt. Eine diesem Thema gewidmete Sonderausstellung ist seit Ende<br />
März <strong>20</strong>11 im August Horch Museum zu sehen.<br />
Dr. Rainer Albrecht<br />
Gemeinnütziger Förderverein August Horch Museum Zwickau e.V.<br />
01/<strong>20</strong>11 3
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Aus dem Inhalt<br />
Internationales Trabant-Fahrer-Treffen lebt wieder auf 6<br />
Horch Museum fördert wichtige Etappe<br />
der Zwickauer Automobilbaugeschichte<br />
Der Neue in der Ausstellung 7<br />
Eleganter Horch 430 ist einzig<br />
noch existierender Wagen dieser Modellreihe<br />
Neue Heimat in der alten Heimat 8<br />
Einzigartige DKW-Sammlung von<br />
Jörgen Skafte Rasmussen<br />
als Dauerleihgabe im Industriemuseum Chemnitz<br />
Vom Porsche bis zum<br />
<strong>VW</strong>-Bus alles kreativer Eigenbau 9<br />
Museum für Sächsische Fahrzeuge Chemnitz<br />
zeigt Sonderschau zu DDR-Pkw-Umbauten<br />
Gibt es schon brauchbare Wagen mit Motoren? 14–15<br />
Wie August Horch zu Carl Benz kam<br />
Ein großes Dankeschön<br />
an alle Helfer, Förderer und Sponsoren 16–19<br />
Mit vielfältiger Unterstützung<br />
kam der Silberpfeil Typ C wieder zurück nach Zwickau<br />
Geben und Nehmen für die Region <strong>20</strong>–21<br />
BORSIG ZM Meerane unterstützte<br />
Typ C-Nachbau für das Horch Museum<br />
4<br />
01/<strong>20</strong>11
Das Sammlerstück<br />
DKW Front Rennwagen<br />
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Silberpfeil-Triumpf in Übersee 27–31<br />
Aus dem Tagebuch eines Rennmechanikers<br />
der Auto Union – Teil 11 und Schluss<br />
Vielfalt bestimmt die automobile Zukunft 32–35<br />
Antriebs- und Energiemanagementkonzepte<br />
für verschiedene Szenarien gefragt<br />
Was gibt es denn noch zu VERSUCHen? 36–37<br />
Ein „Autoleben“ im Zeitraffer – Versuchsaufgaben in der<br />
Fahrzeugentwicklung gestern und heute<br />
Mit Vorsprung durchgestartet und in der Erfolgsspur geblieben 38–39<br />
Horch Museum würdigte mit „<strong>20</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>VW</strong> <strong>Sachsen</strong>“<br />
die „einzig lebende Marke“ in der Schau<br />
Awtowelo 650 zurück in Chemnitz 40<br />
Restauriertes Rolling Chassis im Industriemuseum<br />
Vom aerodynamisch optimalen Steilheck<br />
und dem Konzept des „Miteinander“ 41<br />
„OST-FORM“ – Vortrag von<br />
Prof. Clauss Dietel zu Fahrzeugformen in der DDR<br />
Ein Leben für den Karosseriekunststoff 44–45<br />
Der Erfinder der Trabant-Verkleidung wurde 90<br />
01/<strong>20</strong>11 5
6<br />
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Das Internationale<br />
Trabant-Fahrer-Treffen lebt wieder auf<br />
Horch Museum fördert wichtige Etappe der Zwickauer Automobilbaugeschichte<br />
Veranstaltung vom 24. bis 26. Juni <strong>20</strong>11 auf dem Platz der Völkerfreundschaft<br />
Das August Horch Museum lässt das<br />
Internationale Trabant-Fahrer-Treffen<br />
(ITT) wieder aufleben. Mit Unterstützung<br />
der Zwickauer Vereine Intertrab<br />
e. V., MC Zwickau e. V. und<br />
Motorsport <strong>Sachsen</strong> Zwickau e. V. führt<br />
es diese für Zwickau und den Trabant<br />
wichtige Veranstaltung, die <strong>20</strong>10 abgesagt<br />
wurde, ab diesem Jahr wieder<br />
durch. Termin ist das Wochenende vom<br />
24. bis 26. Juni <strong>20</strong>11. Die Schirmherrschaft<br />
übernimmt die Zwickauer<br />
Oberbürgermeisterin Dr. Pia Findeiß.<br />
Eine Einladung mit Ausschreibung ist an<br />
über 400 Clubs versendet worden.<br />
Der Trabant als ein in Zwickau produziertes<br />
Fahrzeug besitzt weltweiten<br />
Bekanntheitsgrad. Das Horch Museum<br />
ist angetreten, das automobile Erbe der<br />
Region zu bewahren und sieht es<br />
deshalb als seine Aufgabe, neben den<br />
anderen Marken der Zwickauer<br />
01/<strong>20</strong>11<br />
Automobilbaugeschichte auch den<br />
Trabant zu fördern.<br />
Allerdings soll sich der Charakter des<br />
Treffens ändern. Das wird schon<br />
daran deutlich, dass das 16. ITT <strong>20</strong>11<br />
vom Flugplatz auf den Platz der<br />
Völkerfreundschaft umziehen wird.<br />
Neben Spaß, Unterhaltung und<br />
Gemeinschaftserlebnis für die Teilnehmer<br />
soll der Trabant als echter Oldtimer<br />
in den Mittelpunkt gestellt werden.<br />
Entsprechend wird die Programmgestaltung<br />
sein, die natürlich auch einen<br />
Wettbewerb in verschiedenen Kategorien<br />
für die Trabis beinhaltet.<br />
Campingmöglichkeiten bestehen in<br />
begrenzter Anzahl auf der Rosenwiese<br />
gleich neben dem Platz der Völkerfreundschaft<br />
in Zwickau. Für Trabis mit<br />
Dachzelt, Wohnanhänger und Wohnmobile<br />
steht eine Fläche auf dem Platz<br />
der Völkerfreundschaft zur Verfügung.<br />
Im Juni <strong>20</strong>11 gibt es nach einjähriger Unterbrechung<br />
wieder das Trabi-Treffen in Zwickau, auch mit einem<br />
Corso durch die Innenstadt.<br />
Fotos: Horch Museum<br />
Hotels der verschiedenen Kategorien<br />
können über die zentrale Zimmervermittlung<br />
der Tourist Information<br />
Zwickau (www.zwickautourist.de) oder<br />
direkt bei den Hotels gebucht werden.<br />
Anmeldeschluss ist der 31. Mai <strong>20</strong>11.<br />
Die Teilnehmergebühr beträgt 12 Euro<br />
pro Person. Darin enthalten sind ein<br />
Begrüßungsgeschenk sowie der unentgeltliche<br />
Besuch des August Horch<br />
Museums und der Ausstellung von<br />
Intertrab. Zu diesem Zweck wird ein<br />
kostenloser Shuttlebus vom Platz der<br />
Völkerfreundschaft zu den Museen<br />
eingesetzt werden.<br />
PM<br />
Ausschreibung und<br />
weitere Informationen unter:<br />
www.horch-museum.de
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Der Neue in der Ausstellung<br />
Eleganter Horch 430 ist einzig noch existierender Wagen dieser Modellreihe<br />
Seit Ende <strong>20</strong>10 bereichert<br />
ein weiteres automobiles<br />
Schmuckstück<br />
die Ausstellung im August<br />
Horch Museum Zwickau.<br />
Auf dem Messestand<br />
der 1930er <strong>Jahre</strong> wird<br />
der hell- und mittelgrau<br />
lackierte, elegante Horch<br />
430 aus dem Jahr 1932<br />
präsentiert. Nach dreijährigerRestaurationszeit<br />
steht dieser bequeme,<br />
solide und repräsentative<br />
Geschäfts- und<br />
Familienwagen aus der<br />
Zeit vor der Auto Union-<br />
Gründung zum Bestaunen<br />
parat.<br />
Mit dem Übergang der<br />
Triebwerksentwicklung<br />
von Paul Daimler auf Fritz Fiedler entstand auch eine neue<br />
Motorengeneration, die erstmals in der Modellreihe 400 ab<br />
dem Typ 410 zur Auslieferung kam. Zugleich zwang die Welt-<br />
Der Horch 430 ist neu in der Ausstellung des Zwickauer Museums.<br />
Foto: Horch Museum<br />
wirtschaftskrise zu drastischen<br />
Sparmaßnahmen.<br />
Die künftige Strategie<br />
prägte eine starke Auffächerung<br />
des Produktionsprogrammes<br />
durch<br />
unterschiedliche Radstände<br />
und Motorgrößen.<br />
Auf diese Weise<br />
war aus einem Grundtyp<br />
eine Modellreihe geworden,<br />
woraus der Käufer<br />
Untertypen mit zwei<br />
Radständen und vier Motoren<br />
wählen konnte.<br />
Bereits im September<br />
1931 erschien ein 3-Litermodell<br />
mit 8 Zylindern<br />
und drei Aufbauten von<br />
Horch, Baur und Deutsch<br />
mit deutlich geringeren<br />
Steuer- und Unterhaltungskosten. Die auch in Details aufwändig<br />
restaurierte Limousine ist der einzige noch existierende<br />
Wagen dieser Modellreihe.<br />
01/<strong>20</strong>11 7
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Neue Heimat in der alten Heimat<br />
Einzigartige DKW-Sammlung von Jörgen Skafte Rasmussen<br />
als Dauerleihgabe im Industriemuseum Chemnitz<br />
Seit dem 23. Oktober <strong>20</strong>10 hat die einzigartige DKW-Automobilsammlung von Jörgen Skafte Rasmussen, Enkel des<br />
gleichnamigen DKW-Gründers, eine neue Heimat gefunden. Und zwar in der alten Heimat. Die wertvollen Oldtimer<br />
sind zurück in <strong>Sachsen</strong> und bereichern als Dauerleihgabe die Ausstellung des Industriemuseums Chemnitz.<br />
Der Enkel und die DKW. Jörgen Skafte Rasmussen hat die Autoleidenschaft<br />
von seinem berühmten gleichnamigen Großvater geerbt. Im<br />
Industriemuseum Chemnitz haben die sächsischen Fahrzeuge einen<br />
würdigen Platz gefunden.<br />
Fotos: Frank Reichel<br />
Das Sesselrad Golem.<br />
Großes Foto:<br />
Blick in die Ausstellung.<br />
8<br />
01/<strong>20</strong>11<br />
Der Leihgeber ließ es sich nicht nehmen, mit seiner Frau<br />
Helga von Frankfurt am Main selbst zur Ausstellungseröffnung<br />
nach Chemnitz zu kommen. Er fühle sich sehr wohl, die Fahrzeuge<br />
an diesem öffentlichen Ort zu wissen. Es habe noch<br />
einen anderen Bewerber gegeben, doch dort wären die Autos<br />
im Depot verschwunden und nur zu bestimmten Anlässen<br />
gezeigt worden, verriet er. Dass er die Sammlung überhaupt<br />
weggebe, habe mit seinem Alter zu tun, so der über 70-<br />
Jährige, und auch ein Stück weit mit seiner Tochter, die nicht<br />
so sehr interessiert sei, sich um die Sammlung zu kümmern.<br />
Das kann sich ändern, wenn der dreijährige Enkel seine Liebe<br />
für die Oldies entdeckt. Er erbt in <strong>20</strong> <strong>Jahre</strong>n die komplette<br />
Sammlung und entscheidet dann, was damit wird.<br />
Doch bis dahin bleibt Muse zum Betrachten und Bestaunen.<br />
18 Pkw und Lieferwagen sowie diverse Motoren hat Jörgen<br />
Skafte Rasmussen mit nach Chemnitz gebracht. Darunter<br />
befindet sich ein Slaby-Beringer-Elektrowagen von 19<strong>20</strong>. Er<br />
gilt als das einzige noch erhaltene Modell dieses Typs. Der<br />
erste serienmäßig produzierte Frontantrieb DKW F1, eine<br />
Roadster-Einzelanfertigung für Rasmussens Onkel Hans auf<br />
F2-Fahrgestell, ein F5-Luxus-Cabrio sowie der Schweizer<br />
Lizenzbau des DKW F8 namens Holka F8 sind weitere von<br />
vielen Schmuckstücken. Auch die von Rasmussen produzierten<br />
Framo-Lieferwagen sind vertreten. Das Porträt des DKW-<br />
Gründers und Unternehmers Rasmussen runden DKW-<br />
Motorräder, DKW-Kühlschränke, DKW-Werbefilme und weitere<br />
Unterlagen aus der Produktion ab. Ina Reichel
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Motorradsammlung erstrahlt in neuem Glanz<br />
Augustusburger Motorradmuseum nach umfangreicher Rekonstruktion wiedereröffnet<br />
Blick auf einige Exponate des Museums.<br />
Nach umfangreichen Umbau- und Rekonstruktionsmaßnahmen<br />
über drei <strong>Jahre</strong> öffnete das Motorradmuseum<br />
Augustusburg am 22. Januar dieses <strong>Jahre</strong>s in den ehemaligen<br />
Räumen der Schlossküche wieder seine Türen. Eine größere<br />
Ausstellungsfläche, zusätzliche thematische Inhalte und modernste<br />
Ausstellungstechnik locken die Besucher.<br />
Die Ausstellung gehört zu den umfangreichsten Zweiradsammlungen<br />
Europas. Ihre Schwerpunkte liegen in der Motorradgeschichte,<br />
dem Motorradsport und dem Zschopauer<br />
Motorradbau. Auf 1<strong>20</strong>0 Quadratmetern wird anhand von 175<br />
interessanten Exponaten die technische Entwicklung des<br />
Motorrades von 1885 bis heute eindrucksvoll veranschau-<br />
licht. Fast alle bedeutenden Konstruktionen sind im Original<br />
vorhanden. Darunter befinden sich viele Unikate, wie eine<br />
Hildebrand & Wolfmüller (erstes Serienmotorrad, 1894),<br />
zwei Megola mit Fünfzylinder Sternmotor (1922) und zwei<br />
Böhmerland (längstes Serienmotorrad, 1928).<br />
Mit dem größten Bestand an DKW- und MZ-Exponaten in der<br />
Welt würdigt die Schau insbesondere die großen Leistungen<br />
der Zschopauer Motorradbauer.<br />
Das Motorradmuseum ist mit rund sieben Millionen<br />
Besuchern zwischen 1961 und <strong>20</strong>10 eines der erfolgreichsten<br />
Technikmuseen <strong>Sachsen</strong>s.<br />
www.die-sehenswerten-drei.de<br />
01/<strong>20</strong>11 9
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Vom Porsche bis<br />
zum <strong>VW</strong>-Bus alles kreativer Eigenbau<br />
Museum für Sächsische Fahrzeuge Chemnitz zeigt Sonderschau zu DDR-Pkw-Umbauten<br />
Das Museum für Sächsische Fahrzeuge in Chemnitz weiß mit seinen Sonderausstellungen immer wieder zu überraschen.<br />
Nach der Schau „Sowjetische Motorräder – zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ zeigt es noch bis<br />
30. Juni <strong>20</strong>11 „Marke Eigenbau II – DDR-Pkw-Umbauten“. Dem Team um Dirk Schmerschneider ist es erneut<br />
gelungen, eine kleine, aber außergewöhnliche Exposition auf die Räder zu stellen.<br />
Foto rechts: Echt <strong>VW</strong> sind hier nur Motor,<br />
Fahrgestell und Lampen. Die Karosserie ist Eigenbau.<br />
Grundgerüst und Boden bestehen aus Holz.<br />
Die Zahl Zwei im Ausstellungstitel erinnert<br />
daran, dass es bereits am alten<br />
Museumsstandort im Wasserschloss<br />
Klaffenbach eine Schau zu DDR-Motorradumbauten<br />
gab. Diese fiel in den<br />
Augusttagen des <strong>Jahre</strong>s <strong>20</strong>02 leider dem<br />
Jahrhunderthochwasser in <strong>Sachsen</strong> zum<br />
Opfer.<br />
Die aktuelle Ausstellung widmet sich<br />
Pkw, die auf Namen wie „Der Hans“<br />
oder „Der Schmoz“ getauft wurden und<br />
damit wahrscheinlich ihre Erbauer meinen.<br />
Im Falle des „Hans“, der auf einem<br />
<strong>VW</strong>-Kübel-Fahrgestell ruht und von der<br />
Front her an einen 356er Porsche erinnert,<br />
lässt sich das leider nicht mehr<br />
nachvollziehen. Der Erbauer ist unbekannt.<br />
Beim „Schmoz“ weiß man, dass<br />
es sich um einen Eigenbau von Rudolf<br />
10<br />
01/<strong>20</strong>11<br />
Schmoz aus Roßlau handelt, einem Mann,<br />
der aus dem Segelflugzeugbau kam und<br />
Käfer-Kotflügel bauen konnte. Mit dem<br />
Wagen scheint er sich den Traum von einem<br />
Sportwagen im italienischen Design<br />
erfüllt zu haben. Fahrgestell und Motor<br />
sind von <strong>VW</strong>, Lampen von Skoda und<br />
Dacia, Türgriffe und Blinklichter von Lada.<br />
Ein Sammelsurium, das an vielen Fahrzeugen<br />
zu finden ist und dem markentreuen<br />
Oldtimerliebhaber wahrscheinlich Schauer<br />
über den Rücken treibt. Es steht aber für<br />
die Kreativität, den Erfindungsreichtum<br />
und die Besessenheit der vielen DDR-<br />
Bastler und -Tüftler, die sich aus dem<br />
Mangel heraus „ihr“ Auto bauten. Das<br />
Thema zieht nicht nur ausgemachte<br />
Autofans an, denn mit dem Mangel zu<br />
leben, galt eigentlich für jeden Bereich in<br />
der DDR. „Wir scheinen damit einen Nerv<br />
getroffen zu haben. Es kommen deutlich<br />
mehr Besucher als bei anderen Sonderschauen“,<br />
sagt Museumschef Dirk<br />
Schmerschneider.<br />
Es fällt auf, dass alle Fahrzeuge auf einem<br />
Käfer- oder Kübelgestell von <strong>VW</strong> aufbauen.<br />
Ob Zufall oder nicht, lässt sich<br />
nur mutmaßen. Wahrscheinlich wurden<br />
Wehrmachtskübel dafür ausgeschlachtet.<br />
Foto links: Der von Prof. Dieter Millner gebaute<br />
Porsche besaß u. a. einen Gitterrohrrahmen<br />
zum Insassenschutz.<br />
In den 1950er und 1960er <strong>Jahre</strong>n gab es<br />
außerdem relativ viele <strong>VW</strong>-Käfer im<br />
DDR-Straßenbild. Eine Aufnahme vom<br />
Berliner Alexanderplatz zeugt davon.<br />
Ein echter Höhepunkt der Ausstellung ist<br />
der silbergraue Millner-Porsche, in fünf <strong>Jahre</strong>n<br />
gebaut von Professor Dieter Millner<br />
aus Chemnitz. Seine Motivation: Er brauchte<br />
ein schnelles, günstiges und sicheres<br />
Auto, um mobil für viele Dienstreisen zu<br />
sein. Für die Sicherheit sorgte ein Gitterrohrrahmen.<br />
Damit lief ein Zusammenstoß<br />
mit einer Kuh sehr glimpflich ab.<br />
Weder ihr noch den Insassen ist bei dem<br />
Unfall etwas passiert. Das Auto musste<br />
eine kaputte Scheibe und einen kleinen<br />
Riss in der Karosserie verkraften.<br />
Sehenswert ist ebenso ein <strong>VW</strong>-Bus mit<br />
komplett selbstgebauter Karosserie.<br />
Grundgerüst und Boden bestehen aus<br />
Holz. Die Außenflächen sind mit Blech<br />
beplankt. Lenkrad und Felgen stammen<br />
von verschiedenen Wartburg-Modellen.<br />
Text und Fotos: Ina Reichel
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Der Wettlauf der Antriebe ist ein alter Hut<br />
August Horch Museum würdigt mit 1. Automobilhistorischem<br />
Kolloquium und einer Sonderausstellung 125 <strong>Jahre</strong> Automobilbau<br />
Dass der Benz-Patent-Motorwagen<br />
Nr. 1 von 1886 nicht der erste Selbstfahrer<br />
war, gilt als unbestritten.<br />
Dass mit ihm das automobile Zeitalter<br />
begann, ebenso. Auf dem 1.<br />
Automobilhistorischen Kolloquium<br />
im August Horch Museum Zwickau<br />
am 25. März begaben sich Historiker<br />
auf eine höchst interessante und<br />
unterhaltsame Reise ins automobile<br />
Geschehen vor, während und nach<br />
Benz, Daimler, Maybach und Horch.<br />
Tagungsleiter Prof. Dr. Peter Kirchberg<br />
erinnerte an den nahezu vergessenen<br />
Wiener Mechaniker Siegfried Marcus,<br />
der bereits 1875 mit einer eigenen<br />
Konstruktion gefahren sein soll.<br />
Tatsächlich tauchte dieser Wagen erst<br />
1898 bei einer Ausstellung in Wien auf.<br />
Beweise für eine frühere Fahrt wurden<br />
bis heute nicht gefunden. Ähnlich erging<br />
es dem Erzgebirger Louis Tuchscherer,<br />
Daimler-Stahlradwagen von 1889. Der Wagen des Wiener Mechanikers Siegfried<br />
Marcus, dessen Bau auf 1888/89 datiert wird.<br />
Ob er, wie in einigen Quellen behauptet wird,<br />
bereits 1875 fuhr, gilt nicht als belegt.<br />
dem 1880 erste Fahrten in Chemnitz<br />
mit einem Kraftfahrzeug zugeschrieben<br />
werden, angetrieben von einem<br />
Zweitaktmotor. Er soll auch Carl Benz<br />
zum Einsatz des Zweitaktmotors inspi-<br />
riert haben. Es gibt zwar Abbildungen<br />
von Tuchscherers „Kutsche ohne<br />
Pferde“, aber keine verlässlichen zeitgenössischen<br />
Quellen, mit denen sich<br />
eine exakte historische Einordnung vor-<br />
Blick in die Sonderausstellung zu den Pionieren<br />
der Kraftfahrt mit einem Nachbau des Benz-<br />
Patent-Motorwagens Nr. 1 auf dem Podest.<br />
nehmen ließe. Die Leistungen von<br />
Marcus, Tuchscherer & Co. sind mangels<br />
bestätigten Wissens in den Hintergrund<br />
gerückt. Ihnen wohnt im Gegensatz zum<br />
Schaffen von Benz, Daimler, Maybach<br />
und Horch keine Nachhaltigkeit inne.<br />
Deshalb ist es umso verdienstvoller, dass<br />
sich das Kolloquium hauptsächlich diesen<br />
vergessenen Pionieren der ersten<br />
Stunde zuwandte, die lange vor 1886<br />
zuerst Dampf, dann Strom sowie später<br />
Benzin und Diesel als Treibstoffe nutzten.<br />
Um 1900, so Prof. Kirchberg, war<br />
keineswegs klar, dass der Verbrennungsmotor<br />
zum Favoriten avancieren werde.<br />
Doch zehn <strong>Jahre</strong> später hatte er sich<br />
durchgesetzt. Der Anlasser, der das<br />
Ankurbeln ersetzte, und günstiges Öl<br />
sorgten wesentlich für den Durchbruch.<br />
Der erste bezeugte selbstbewegte<br />
Wagen wurde bereits vor knapp 250<br />
01/<strong>20</strong>11 11
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Der Stanley fährt und hinterlässt nur eine Wolke reinen Wasserdampfs.<br />
<strong>Jahre</strong>n in Fahrt gebracht und geht auf<br />
Nicolas-Joseph Cugnot zurück. Daran<br />
erinnerten die Automobilhistoriker<br />
Dr. Harry Niemann und Erik Eckermann.<br />
Cugnot erhielt vom französischen<br />
Kriegsministerium den Auftrag, ein<br />
Transportmittel für die Artillerie zu<br />
entwickeln. Dieser Dampfwagen wurde<br />
1769 in Paris vorgestellt. Das Gefährt<br />
hatte zwei Zylinder, deren<br />
Kolbenstangen das Vorderrad über eine<br />
Art Freilaufgetriebe drehten. Der<br />
Wagen erreichte verschiedenen<br />
Angaben zufolge eine Geschwindigkeit<br />
zwischen 3 und 4,5 km/h. Er war jedoch<br />
wegen des hohen Gewichtes des über<br />
der Vorderachse hängenden Wasserkessels<br />
nur schwer zu lenken und<br />
beendete eine seiner ersten Vorführfahrten<br />
in einer Kasernenmauer.<br />
1813 hat sich ein von Isaac de Rivaz<br />
geschaffener Wagen mit Wasserstoffmotor<br />
in Bocksprüngen vorwärts<br />
bewegt. Der Effekt entstand, weil jede<br />
Zündung einzeln von Hand ausgelöst<br />
werden musste. Auf 1881 datiert ist das<br />
erste praxisreife Elektroauto mit wiederaufladbarer<br />
Batterie, dass Gustave<br />
Trouvé als dreirädriges Mobil auf der<br />
Internationalen Elektrizitätsausstellung<br />
in Paris zeigte. Viele Tüftler und Bastler<br />
12<br />
01/<strong>20</strong>11<br />
haben mit ihren Konstruktionen und<br />
Erfindungen den Weg zum heutigen<br />
Auto geebnet und vorbereitet, aber der<br />
entscheidende Schritt blieb zwei<br />
Deutschen vorbehalten – Carl Benz und<br />
Gottlieb Daimler. Unabhängig voneinander<br />
bauten sie in Mannheim und Bad<br />
Canstatt die ersten Fahrzeuge mit<br />
Benzinmotor, die den Kriterien entsprachen,<br />
nach denen ein Automobil<br />
definiert und bewertet wurde. Gottlieb<br />
Daimler und sein Chefkonstrukteur<br />
Wilhelm Maybach arbeiteten vor allem<br />
an einem leistungsfähigen Motor. Die<br />
erste Schöpfung der beiden war 1885<br />
ein Motorrad (Daimler Reitwagen),<br />
angetrieben von einem Einzylinder-<br />
Viertakt-Verbrennungsmotor, der “Standuhr“.<br />
Ihr Verdienst ist es vor allem, den<br />
Viertakt-Ottomotor für die automobile<br />
Verwendung miniaturisiert zu haben.<br />
Als Geburtsstunde des wirklichen Automobils<br />
gilt der 29. Januar 1886, als Carl<br />
Benz das Reichspatent Nr. 37 435 für<br />
seinen Motorwagen einreichte. Die<br />
technische Eigenständigkeit des Benz<br />
Patent Motorwagens Nr. 1 machte ihn<br />
zum ersten „Auto“ der Welt. Andere<br />
Erfinder haben lediglich einen Verbrennungsmotor<br />
in ein vorhandenes Kutschenfahrgestell<br />
eingebaut. Benz hin-<br />
gegen war sich bewusst, dass ein<br />
solches Gefährt anderen technischen<br />
Gesetzen folgt als eine Pferdekutsche<br />
und hat die Konstruktion dementsprechend<br />
angepasst. Bereits 1893<br />
folgte der vierrädrige „Benz Victoria“,<br />
der eine Reihe von Innovationen<br />
aufwies, darunter die Achsschenkellenkung.<br />
Das moderne Automobil war<br />
geboren. Der „Benz Velo“, der zwischen<br />
1893 und 1900 in 1<strong>20</strong>0 Exemplaren<br />
gebaut wurde, gilt als erstes Serienfahrzeug.<br />
Dessen Fertigung erfolgte<br />
unter Leitung von August Horch.<br />
Einen Exkurs in die Geschichte des<br />
Elektroantriebs bei Audi unternahm Ralf<br />
Friese von der Audi Tradition. Diese<br />
begann mit dem Slaby-Beringer Elektrowagen<br />
(SB) von 1919. DKW-Gründer<br />
Jörgen Skafte Rasmussen begeisterte<br />
sich für dieses Mobil, kam durch einen<br />
nicht zufriedenstellend realisierten<br />
Auftrag über die Lieferung von 100 SB-<br />
Wagen zu einer Beteiligung und verkaufte<br />
ab 19<strong>20</strong> SB-Wagen mit DKW-Elektromotor<br />
vorwiegend nach Japan. Inflationsbedingt<br />
stand es trotz des exoti-<br />
schen Exportgeschäfts finanziell schlecht<br />
um die Firma. Nach einem verheerenden<br />
Erdbeben in Japan 1923, dem eine<br />
größere Lieferung von Fahrzeugen und
Ein Blick unter die „Dampfhaube” des Stanley. Heiner Rössler erläutert das Funktionsprinzip.<br />
Pioniere der Kraftfahrt<br />
Im Zeichen des 125-jährigen Automobilbaujubiläums<br />
steht die bis<br />
23. Oktober <strong>20</strong>11 laufende Sonderausstellung<br />
des Horch Museums. Zu<br />
sehen sind acht seltene Fahrzeuge<br />
aus der Jahrhundertwendezeit, wie<br />
der Benz-Patent-Motorwagen Nr. 1<br />
von 1886, der Patent Motorwagen<br />
Benz „Victoria“ von 1896, der<br />
Daimler Stahlradwagen von 1889,<br />
der Leon Bollee Voiturette von 1896,<br />
der Lutzmann-Patent-Motorwagen<br />
Nr. 3 Pfeil von 1896, der Marcus-<br />
Wagen von 1888/89, sowie der<br />
Panhard & Levassor Phaeton-Tonneau<br />
von 1894 und viele kleinere<br />
Exponate.<br />
der japanische Importeur zum Opfer fielen,<br />
brach das Geschäft weg. 1924 wurde<br />
die Produktion stillgelegt. Zwischen<br />
1926 und 1928 entstanden etwa 500<br />
Elektrowagen auf DKW P15-Basis, als<br />
Kleinkraftkutschen für die Stadt. Ab<br />
1954 wurde an dieses Konzept mit dem<br />
F89 Lieferwagen angeknüpft. Der<br />
Schnelllaster wurde zwischen 1956 und<br />
1961 etwas 100 Mal gebaut und war u. a.<br />
auf Nordseeinseln sowie für Energieversorger<br />
unterwegs. 1975/76 wurde<br />
ein Audi 100 zum Elektrofahrzeug<br />
umgebaut. Eine Serie scheiterte an den<br />
Kosten. Nach rein elektrischen Versuchen<br />
kam 1989 mit dem Audi duo ein<br />
Hybrid, der bis 1997 über den duo 2 bis<br />
zum duo 3 auf Basis des A4 Avant mit<br />
TDI- und Elektromotor fortentwickelt<br />
wurde.<br />
Die aktuellen Audi-Wege zu nachhaltiger<br />
Mobilität stellte Stefan Keller, Leiter<br />
Strategie und Unternehmensentwicklung<br />
Elektromobilität, vor. Diese<br />
werden bestimmt von der weiteren<br />
Verbesserung der Verbrennungsmotoren,<br />
von Biokraftstoffen, Hybridisierung<br />
und dem Elektromobilitätskonzept<br />
e-tron. Mit dem neuen A1<br />
werden dazu u. a. Flottenversuche<br />
gefahren.<br />
Die Entwicklung der Kfz-Elektronik<br />
beleuchtete Prof. Dr. Matthias Richter<br />
von der Westsächsischen Hochschule<br />
Zwickau. Obwohl Lampen und weitere<br />
elektrische Elemente bereits früh am<br />
Auto zu finden waren, hielt die<br />
Elektronik ab den 1950er <strong>Jahre</strong>n<br />
verstärkt Einzug. Ein Meilenstein war die<br />
Nutzung von Mikroprozessoren. Heute<br />
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
werden rund 90 Prozent der<br />
Innovationen am Kfz durch die Software<br />
bestimmt.<br />
Einen Höhepunkt zum Schluss des<br />
Kolloquiums präsentierte Heiner<br />
Rössler vom Automuseum Melle. Er<br />
führte die Teilnehmer mit einem<br />
Streifzug durch die Geschichte deutscher<br />
Dampfautomobile wieder an den<br />
Ausgangspunkt der selbstbewegten<br />
Wagen zurück und präsentierte einen<br />
Stanley 735 B von 1919. Das Dampfauto<br />
ist voll fahrfähig, was Heiner Rössler auf<br />
dem Museumshof unter Beweis stellte.<br />
Nach der Devise „Um Dinge für die<br />
Zukunft zu erhalten, sollte man sie<br />
benutzen“ zeigt das Museum in Melle<br />
bei Osnabrück nicht nur fahrbereite<br />
Fahrzeuge in wechselnden Ausstellungen,<br />
sondern veranstaltet jährlich<br />
die Deutsche Dampfautomobiltour, bei<br />
der in fünf Tagen täglich rund 100<br />
Kilometer mit diesen Oldtimern zurückgelegt<br />
werden. Mittlerweile kommen<br />
die Dampfautofahrer aus ganz Europa.<br />
Text und Fotos:<br />
Ina Reichel<br />
01/<strong>20</strong>11 13
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
„Gibt es schon brauchbare<br />
Wagen mit Motoren?“<br />
Wie August Horch mit dieser „entscheidenden Frage<br />
meiner ganzen Zukunft“ zu Carl Benz kam<br />
Mit August Horch stieg <strong>Sachsen</strong> zu einem der bedeutendsten Zentren des<br />
Automobilbaus empor. Wie der Kfz-Pionier selbst den Weg vom<br />
Schmiedegesellen zum Autoindustriellen erlebte, schilderte er 1937 in<br />
seiner Autobiographie „Ich baute Autos!“. Nachfolgend die Episode, wie<br />
Horch zu Carl Benz nach Mannheim kam.<br />
Es kam ein ereignisreicher Tag für mich,<br />
der die Wende brachte. Um die Mitte<br />
des <strong>Jahre</strong>s 1896 wurde in einer Leipziger<br />
Zeitung bekanntgemacht, dass am nächsten<br />
Sonntag auf der Rennbahn ein<br />
Motorrad der Firma Hildebrand und<br />
Wolfmüller vorgeführt werden würde.<br />
Hildebrand machte bereits 1889 die<br />
ersten Versuche in Gemeinschaft mit<br />
seinem Bruder, eine kleine Dampfmaschine<br />
in ein Niederrad einzukonstruieren.<br />
Das gelang ihm aber wohl<br />
nicht richtig. Er hat dann 1892 mit<br />
Wolfmüller und seinem Assistenten<br />
Geisenhof einen Zweitakt-Benzinmotor<br />
in ein Zweirad eingebaut; aber erst im<br />
<strong>Jahre</strong> 1893 hatte er den ersten<br />
Viertaktmotor fertig, und diesen baute<br />
er dann in ein extra gebautes Fahrradgestell<br />
ein.<br />
Diese Type ist auch diejenige gewesen,<br />
die ich in Leipzig gesehen hatte. Sie ließen<br />
sich den von ihnen erfundenen<br />
Namen „Motorrad“ schützen, bauten<br />
solche Maschinen, hatten 1894 schon<br />
tausend Arbeiter... und dann gerieten sie<br />
unter die unaufhaltsam weiterrollenden<br />
Räder der Technik: der Dion-Bouton-<br />
Motor überflügelte ihre Erzeugnisse,<br />
und sie mussten die Fabrikation einstellen.<br />
Nun, ich brannte natürlich wieder einmal<br />
lichterloh vor Neugierde und ging<br />
am nächsten Sonntag auf die Rennbahn,<br />
um mir die neue Sache anzusehen. Ich<br />
14<br />
01/<strong>20</strong>11<br />
war verblüfft über dieses technisch<br />
großartig und sehr praktisch gebaute<br />
Motorrad.<br />
Ich wanderte ruhelos um die Maschinen<br />
herum, und dann ging ich zu den<br />
Herren, die sie vorgeführt hatten, und<br />
erkundigte mich, ob auch schon brauchbare<br />
Wagen mit Motoren gebaut würden.<br />
Ich wusste nicht, dass ich die entscheidende<br />
Frage meiner ganzen<br />
Zukunft damit gestellt hatte. Ja, sagten<br />
sie, natürlich, die Firma Benz & Co. in<br />
Mannheim bauten solche Wagen. Sie<br />
fügten aber lachend hinzu, der Sache sei<br />
noch nicht zu trauen, es steckte alles<br />
noch in allerersten Anfängen, man wüsste<br />
noch nicht, ob etwas Rechtes daraus<br />
werden könne, und jedenfalls hätte man<br />
von zuverlässigen Fahrten mit diesen<br />
Wagen weit und breit noch nichts<br />
gehört. – Ich ging, in tiefes Nachdenken<br />
versunken, nach Hause. Und als ich<br />
daheim war, setzte ich mich hin und<br />
schrieb an die Firma Benz & Co. nach<br />
Mannheim einen langen Brief. Darin<br />
berichtete ich, was ich bisher im Leben<br />
gemacht hatte, dass ich im Bau von<br />
Explosionsmotoren Erfahrung hätte,<br />
und sprach die Bitte aus, sich meine<br />
Anschrift für den Fall zu merken, dass sie<br />
einen Herrn für den Betrieb im<br />
Motorenwagenbau nötig hätten.<br />
Umgehend erhielt ich Antwort von der<br />
Firma Benz und zwar schrieb sie mir,<br />
dass sie nicht abgeneigt wäre, mich zu<br />
Die Autobiographie von August Horch ist unter<br />
anderem im Horch Museum in Zwickau<br />
erhältlich.<br />
engagieren. Darauf antwortete ich, dass<br />
ich die Stelle annehme und nun kam eine<br />
Depesche von der Firma, dass sie mich<br />
engagieren und baten mich, möglichst<br />
die Stellung anzutreten. Ich eilte zu meinen<br />
Chefs. Legte die Depesche auf den<br />
Tisch. Dann begann eine etwas stürmische<br />
Auseinandersetzung. Ich beendete<br />
sie mit der Bemerkung, es hätte keinen<br />
Zweck, mich festzuhalten, weil ich entschlossen<br />
sei, das Mannheimer Angebot<br />
anzunehmen. So haben sie mich dann<br />
Anfang Juni freigegeben. Ich fuhr wie ein<br />
geschwellter Viermaster stolz nach<br />
Mannheim.<br />
Als ich mich bei Herrn Benz meldete,<br />
teilte er mir mit, ich sei zunächst<br />
Assistent vom Betriebsleiter im Motorenbau.<br />
Ich wurde dem Betriebsleiter<br />
vorgestellt und empfing von ihm meine<br />
ersten Anweisungen. Die Fabrik von<br />
Benz und Co. war damals wahrhaftig<br />
nicht groß. Sie lag an der Waldhofstraße<br />
in der Neckarvorstadt. Da war zunächst<br />
ein kleines Bürogebäude, unten waren<br />
vier Zimmer, und oben wohnte Herr<br />
Benz mit seiner Familie.
Hinter dem Haus waren die Räume, in<br />
denen die Automobile gebaut wurden.<br />
Im Erdgeschoss stellte man die Motoren<br />
her, und im ersten Stock waren die<br />
Werkzeugmaschinen aufgestellt.<br />
In einem anderen kleinen Gebäude wurden<br />
die kleinen Velo-Wagen montiert.<br />
Links im Gelände, abgetrennt, war noch<br />
Platz für den stationären Gasmotorenbau.<br />
Dieser war aber schon ziemlich<br />
bedeutend. Es waren, als ich hinkam, im<br />
Wagenbau ungefähr siebzig Mann beschäftigt.<br />
Es wurden schon viele kleine<br />
Wagen gebaut, sie wurden „Velo“<br />
genannt.<br />
Schon am ersten Tage passierte mir<br />
etwas sehr Eigenartiges. In der Mittagsstunde<br />
fiel mir ein, daß ich mir doch einmal<br />
den Betrieb im Motorenwagenbau<br />
ansehen könnte. Ich ging an das Tor,<br />
drückte auf den Griff, und siehe da, es<br />
war verschlossen. Ich klopfte, die Tür<br />
ging etwas auf und ein Mann erschien im<br />
Spalt der Tür. Der Mann frug mich mit<br />
misstrauischem Gesicht was ich wollte.<br />
Ich antwortete: „Sie sind wohl hier<br />
Meister?“ „Jawohl, ich bin Meister<br />
Spittler.“ – „Schließen sie denn immer<br />
hier zu?“ sagte ich. „Kann ich mir den<br />
Betrieb einmal ansehen?“ Meister<br />
Spittler musterte mich wie einen<br />
Einbrecher. Dann zog er missbilligend<br />
die Augenbrauen hoch und sagte kurz,<br />
daran sei nicht zu denken. Erst müsse<br />
Herr Benz seine Erlaubnis dazu geben.<br />
Ich war vollkommen verdutzt. „Aber<br />
hören sie doch Herr Spittler... ich bin<br />
doch hier in der Firma angestellt! Und<br />
vielleicht bin ich über kurz oder<br />
lang...sogar Ihr Vorgesetzter!“ Ich sah,<br />
wie es in Meister Spittlers Gesicht zu<br />
wühlen begann, anscheinend war er dieser<br />
Lage doch nicht ganz gewachsen.<br />
Schließlich, nach einiger Überlegung<br />
rang er sich zu einem schweren<br />
Entschluss durch. „Also komme sie<br />
rein“, knurrte er, „aber weiter geht mich<br />
die Sach nichts an. Die Folge müsse Sie<br />
allein auf sich nehme.“ Ich habe Herr<br />
Spittler das fest versprochen und durfte<br />
jetzt eintreten. Und weil es mir im<br />
Leben immer so gegangen ist, dass ich<br />
Räume, die für gewöhnliche Sterbliche<br />
sonst unzugänglich waren, immer mit<br />
einer ebenso großen respektvollen<br />
Scheu wie schweigenden Andacht betrat,<br />
so ging ich auch jetzt durch die<br />
geheiligten Stätten des Motorwagenbaus<br />
innerlich absolut und äußerlich beinahe<br />
auf Zehenspitzen. Dazu kam, dass ich<br />
zum erstenmal eine Anlage sehen durfte,<br />
in der die höchsten technischen<br />
Träume für mich verwirklicht wurden.<br />
Trotz seiner Großzügigkeit, mit der er<br />
mich eingelassen hatte, ließ mich Herr<br />
Spittler nicht aus den Augen und nicht<br />
von seiner Seite. Aber es dauerte nicht<br />
lange, da tauchte, veranlasst durch<br />
meine wahrscheinlich sehr ehrfürchtigen<br />
Fragen, ein Schimmer des Vertrauens in<br />
seinem verschlossenen Gesicht auf. Er<br />
begann lebhafter zu werden und zeigte<br />
mir den Motoren- und Getriebebau. Ich<br />
konnte sehen, wie die Aggregate in die<br />
Wagen eingebaut wurden und ich<br />
erkannte bald, dass die Firma Benz alles,<br />
was sie brauchte, selber herstellte. Von<br />
den Arbeitern, die ich hier am Werke<br />
sah, erhielt ich einen geradezu großartigen<br />
Eindruck. Sie bildeten eine Auslese<br />
dessen, was ich bisher an Spezialarbeitern<br />
erlebt hatte, es waren lauter außerordentlich<br />
intelligente Leute. Über eine<br />
Stunde wanderte ich umher, und je länger<br />
ich verweilte, je genauer ich erkannte,<br />
was hier im Werden war, desto stolzer<br />
wurde ich auf meine neue Firma,<br />
und desto zuversichtlicher war ich. Es<br />
erschien mir nicht im geringsten mehr<br />
zweifelhaft, dass ich einmal gerade hier,<br />
in diesen geheimnisvollen Werkstätten<br />
mitarbeiten würde. Ich reckte mich<br />
unwillkürlich um sämtliche Zentimeter,<br />
deren ich fähig war, in die Höhe. Der<br />
Gedanke kam mir, das durfte hier mein<br />
Aufstieg in meinem Leben bedeuten.<br />
Und als das Tor sich wieder hinter mir<br />
schloss, ging ich hoch aufgerichtet und<br />
angefüllt von Ehrgeiz, Energie und<br />
Zukunftsfreude weiter...und prallte auf<br />
Papa Benz.<br />
„Wo komme Sie denn her? Was habe Sie<br />
denn da drinne gemacht?“ „Ich habe mir<br />
den Betrieb angesehen, Herr Benz,<br />
schließlich...“ „Was schließlich!“ fuhr mir<br />
Papa Benz über den Mund. „Schließlich<br />
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
habe Sie sich da drinne gar nix anzusehe.<br />
Lasse Sie das gefälligst in Zukunft sei und<br />
warte Sie ab, bis Sie dazu gerufe werde!“<br />
Ich habe mir diesen Anpfiff gemerkt.<br />
Niemals mehr bin ich in den Wagenbau<br />
gegangen. Und wenn einmal ein Wagen<br />
im Hof stand, bin ich, ohne überhaupt<br />
hinzusehen, an ihm vorbeistolziert, als<br />
wäre er aus Luft. Das dauerte ungefähr<br />
vier Monate. Während dieser Zeit lernte<br />
ich den sehr fortgeschrittenen Gasmotorenbau<br />
bei Benz gründlich kennen.<br />
Eines Tages wurde ich ins Chefbüro<br />
gerufen. Dort saßen Herr Benz und<br />
seine beiden Teilhaber, die Herrn Ganß<br />
und von Fischer. Papa Benz sah mich<br />
ruhig an, dann sagte er kurz „So... von<br />
morge ab übernehme Sie den Betrieb<br />
von dem Motorenwagenbau!“ Ich muss<br />
gestehen, dass ich etwas erstaut war.<br />
„Herr Benz...das ist ja heiter! Jetzt soll<br />
ich auf einmal den Betrieb übernehmen<br />
und habe keine Ahnung davon! Sie selber<br />
haben mir verboten, den Betrieb<br />
überhaupt anzusehen, und ich habe<br />
mich auch nicht mehr darum gekümmert.<br />
Ich habe im Gegenteil alles<br />
vermieden, um auch nur eine Kleinigkeit<br />
vom Wagenbau zu lernen... das ist ja<br />
heiter...“<br />
Papa Benz fuhr auf: „Was soll denn da<br />
heiter sein, möchte ich wisse! Ich hab Sie<br />
die ganze Zeit beobachtet, Herr Horch!<br />
Und ich bin der Meinung, dass Sie den<br />
Betrieb übernehme werde! Und wenn<br />
Sie meine, Sie verstehe noch nicht genug<br />
davon, dann bin ich noch da, um Sie zu<br />
instruiere! Sage Sie mir lieber, wer jetzt<br />
bei den Gasmotore Ihre Stelle übernehme<br />
kann, wisse Sie jemand?“ Ich erinnerte<br />
mich sofort an Herrmann Lange<br />
bei Grob & Co. in Leipzig. Nach fünf<br />
Wochen schon traf Herr Lange in<br />
Mannheim ein, und er bewährte sich im<br />
Laufe der Zeit so, dass Papa Benz mir<br />
später sagte: „Für den Mann bin ich Ihne<br />
dankbar. Einen tüchtigeren Ingenieur<br />
habe ich selten gehabt.“<br />
Auszug aus:<br />
August Horch. Ich baute Autos!<br />
Ausgabe <strong>20</strong>03.<br />
Herausgeber: August Horch<br />
MuseumZwickau gGmbH<br />
01/<strong>20</strong>11 15
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Ein großes Dankeschön<br />
an alle Helfer, Förderer und Sponsoren<br />
Mit vielfältiger Unterstützung kam der Silberpfeil Typ C wieder zurück nach Zwickau<br />
Projektleiter Rainer Mosig erhielt für sein Engagement die Ehrennadel der Auto Union-Rennabteilung.<br />
Seit dem 17. Februar <strong>20</strong>11 hat das August Horch Museum Zwickau eine wesentliche Lücke bei der Präsentation<br />
sächsischer Fahrzeuggeschichte geschlossen. An exponierter Stelle thront der legendäre Auto Union-Rennwagen<br />
Typ C von 1936 in der Dauerausstellung. Dieser vom Förderverein des Museums initiierte originalgetreue<br />
Nachbau war nur möglich, weil ein Team ehrenamtlicher automobilerfahrener Enthusiasten in sieben <strong>Jahre</strong>n<br />
nicht locker ließ und das Fahrzeug auf die Räder stellte.<br />
Die Ersten, die das Meisterwerk sächsischer<br />
Automobilbaukunst in Augenschein<br />
nehmen konnten, waren die zahlreichen<br />
Helfer, Förderer und Sponsoren des<br />
anspruchsvollen Projekts. Ihnen gebührt<br />
ein großes Dankeschön, allen voran<br />
Projektleiter Rainer Mosig, der mit seinem<br />
Team erfahrener Automobilbauer und<br />
junger Ingenieurstudenten immer wieder<br />
Mittel und Wege fand, um scheinbar<br />
unüberwindliche Hürden zu nehmen.<br />
Besonders engagiert haben sich die<br />
Zwickauer Fahrzeugentwickler FES<br />
GmbH Fahrzeug-Entwicklung <strong>Sachsen</strong><br />
16<br />
01/<strong>20</strong>11<br />
und Auto-Entwicklungsring <strong>Sachsen</strong><br />
GmbH. Deren Unterstützung von der<br />
Konstruktion bis zum Bau hat wesentlich<br />
zum Gelingen beigetragen. Ihnen sowie<br />
allen weiteren Partnern des Rennwagen-<br />
Nachbaus sagte Museumsdirektor Rudolf<br />
Vollnhals herzlichen Dank. Die Zwickauer<br />
hätten nicht verlernt, Spitzenleistungen<br />
zu erbringen so wie ihre Vorfahren in<br />
den 1930er <strong>Jahre</strong>n, betonte er.<br />
Dr. Rainer Albrecht, zum damaligen<br />
Zeitpunkt Präsident des Museums-<br />
Fördervereins, übergab den Rennwagen<br />
offiziell als Dauerleihgabe des Vereins an<br />
Das Meisterstück ist enthüllt.<br />
das Museum. Er erinnerte an die glorreiche<br />
Geschichte der in Zwickau gebauten Silberpfeile,<br />
die in den 1930er <strong>Jahre</strong>n auf den<br />
Rennstrecken der Welt führend waren.<br />
Vor allem der Typ C von 1936 gehörte<br />
zu den erfolgreichsten Fahrzeugen jener<br />
Epoche. Mit ihm gewann die Auto Union<br />
drei der fünf Großen Preise, die Hälfte<br />
der Rundstreckenrennen und alle Bergrennen,<br />
an denen sich das Unternehmen<br />
in der Saison beteiligte. Da ein solcher<br />
Wagen bei der Museumsneueröffnung<br />
<strong>20</strong>04 nicht für die Ausstellung zur Verfügung<br />
stand, ohne ihn aber die Ge-
schichte des Zwickauer Automobilbaus<br />
unvollständig bleibt, hat der Förderverein<br />
dieses ehrgeizige Vorhaben gestartet.<br />
Projektleiter Rainer Mosig war sich von<br />
Anbeginn sicher, dass es möglich ist, an<br />
der Wiege jener herausragenden Rennfahrzeuge<br />
den Boliden wieder entstehen<br />
zu lassen. „Was unsere Vorfahren schafften,<br />
wird uns auch heute gelingen“, so<br />
seine feste Überzeugung. In Kurzfassung<br />
rekapitulierte er den komplizierten<br />
Nachbau, der bei Punkt Null begann.<br />
Weder verwertbare technische Unterlagen<br />
noch ein Fahrzeug als Demontageobjekt<br />
waren vorhanden. Ein von Audi<br />
leihweise zur Vermessung zur Verfügung<br />
gestellter Typ C, die Besichtigung eines<br />
weitgehend original erhaltenen Fahr-<br />
zeugs im Deutschen Museum München,<br />
ein Klopfmodell sowie Beiträge in Fachbüchern<br />
und historische Fotografien<br />
bildeten die Ausgangsbasis für eine<br />
Dank an die vielen Helfer, Förderer und Sponsoren...<br />
Nachkonstruktion in 2D und 3D. Diese<br />
gewaltige Leistung lässt sich für<br />
Außenstehende kaum ermessen: Bisher<br />
ist kein vergleichbares Projekt bekannt,<br />
bei dem ein Fahrzeug auf dem technischen<br />
Stand der 1930er <strong>Jahre</strong> mit modernen<br />
Konstruktionsmethoden erfasst<br />
und dokumentiert wurde.<br />
Zum 75. <strong>Jahre</strong>stag der Gründung der<br />
Auto Union am 29. Juni <strong>20</strong>07 konnte<br />
der Nachbau in seiner ersten Baustufe<br />
der Öffentlichkeit vorgestellt werden.<br />
Er bildete einen Höhepunkt in der Sonderausstellung<br />
„Rennen, Siege und<br />
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Rekorde“ im August Horch Museum.<br />
Zu diesem Zeitpunkt waren die Karosserie<br />
mit Chassisrahmen, Cockpit mit<br />
Instrumententafel und Sitz, Lenksäule<br />
sowie Wasser- und Ölkühler entstanden.<br />
Die zwischenzeitliche Ausstellung auf<br />
einem Hilfsgestell ermöglichte die Weiterführung<br />
durch Montage des Fahrwerkes<br />
in einer zweiten Baustufe. Diese<br />
umfasste Konstruktion, Bau und Montage<br />
des Fahrwerkes mit Vorder- und<br />
Hinterachse, Lenk- und Bremssystem,<br />
äußerer Getriebeschaltung, Gas- und<br />
Kupplungsbetätigung, Kraftstoff-, Wasserund<br />
Ölkühlsystem. 465 mechanisch zu<br />
bearbeitende Teilen, davon 38 Gussteile<br />
mit 18 Gießformen, sowie 1517 Norm-<br />
01/<strong>20</strong>11 17
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
und Kaufteile waren für die Bewältigung<br />
dieser Etappe notwendig.<br />
Eine ursprünglich angedachte Weiterführung<br />
des Projektes mit dem Bau eines<br />
Triebwerkes für den Fahreinsatz wird<br />
nicht erfolgen, weil die erforderlichen<br />
Mittel in Höhe von mindestens 1,2<br />
Millionen Euro nicht gesichert werden<br />
können und auch der finanzielle Aufwand<br />
für jeden Fahreinsatz in Höhe von<br />
50.000 bis 80.000 Euro vom August<br />
Horch Museum nicht abzudecken ist.<br />
Damit kann kein Effekt aus dem Nutzen<br />
zum Aufwand abgeleitet werden.<br />
In der Dauerausstellung des Museums<br />
wird jedoch der erste gefertigte 16-<br />
Zylinder-Rennmotor vom Typ A gezeigt,<br />
der in seinem Aufbau und seiner Form<br />
dem Aggregat des Typ C entspricht. Er<br />
veranschaulicht eindrucksvoll, aus welchem<br />
Antriebssatz die Fahrzeuge ihre<br />
Leistung bezogen.<br />
Den Motorensound müssen die Fans<br />
dennoch nicht missen. Die Enthüllung des<br />
Nachbaus durch Rainer Mosig, Dr. Rainer<br />
Albrecht und die Zwickauer Oberbürgermeisterin<br />
Dr. Pia Findeiß offenbarte nicht<br />
nur einen optischen, sondern auch einen<br />
akustischen Leckerbissen. Denn Technik<br />
macht das Anlassen, Losfahren, Wegfahren<br />
und Wiederkommen mit dem 16-<br />
Zylinder-Rennmotor für die Ohren erlebbar.<br />
Ina Reichel<br />
18<br />
01/<strong>20</strong>11<br />
Wie ein Rennwagen-Nachbau Gestalt annimmt...<br />
Ehrenamtliche Helfer für das Projekt<br />
Nachbau Rennwagen Auto Union Typ C<br />
Dr.-Ing. Rainer Albrecht<br />
Rolf Alscher<br />
Lutz Böhme<br />
Jens Conrad<br />
Dr.-Ing. Bernd Czekalla<br />
Heinz Dräger<br />
Rene Drechsel<br />
Rainer Fickert<br />
Friedhold Günther<br />
Daniel Kessler<br />
Christian Kühn<br />
Dr.-Ing. Wolfram Melzer<br />
Falk Michel<br />
Rainer Mosig<br />
Jochen Müller<br />
Wolfgang Neef<br />
Dr.-Ing. Klaus Pischel<br />
Jürgen Pönisch<br />
Klaus Riedel<br />
Kurt Schmidt<br />
Tino Schmidt<br />
Bernd Schob<br />
Roland Schulze<br />
Werner Seidel<br />
Walter Siepmann<br />
Bernd Simon<br />
Klaus Striese<br />
Daniel Thorand<br />
Jens Winkler<br />
Bernd Wirker<br />
Mario Zschiegner<br />
Förderverein August Horch Museum<br />
Förderverein August Horch Museum<br />
FES GmbH<br />
Auto-Entwicklungsring GmbH<br />
Projektteam<br />
Projektteam<br />
WHZ, Praktikant<br />
Projektteam<br />
Projektteam<br />
WHZ, Praktikant<br />
WHZ, Praktikant<br />
Förderverein August Horch Museum<br />
Gießerei-Ingenieur<br />
Projektleiter<br />
Projektteam<br />
Förderverein August Horch Museum<br />
Projektteam<br />
Förderverein August Horch Museum<br />
Projektteam<br />
Förderverein August Horch Museum<br />
WHZ, Praktikant<br />
WHZ, Praktikant<br />
Förderverein August Horch Museum<br />
Förderverein August Horch Museum<br />
Förderverein Industriemuseum Chemnitz<br />
Projektteam<br />
Projektteam<br />
WHZ, Praktikant<br />
Auto-Entwicklungsring GmbH<br />
Auto-Entwicklungsring GmbH<br />
WHZ, Praktikant
Sponsorenleistungen für den Nachbau des Auto Union-Rennwagens Typ C<br />
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Firma Leistungsumfang<br />
ADAC <strong>Sachsen</strong> Geldspenden<br />
AMR-Hydraulik Zwickau Beratung und Bereitstellung von Komponenten für Brems-,<br />
Öl-, Wasser- und Kraftstoffkreisläufe<br />
ATC Autotechnik-Center GmbH Glauchau Lackierung der Karosserie und diverser Einzelteile<br />
Audi AG/Audi Tradition Ingolstadt Bereitstellung eines Rennwagennachbaus Typ C,<br />
einer Klopfmodelllehre und Daten<br />
der Triebwerkskonstruktion<br />
Auto-Entwicklungsring <strong>Sachsen</strong> GmbH Zwickau Projekt- und Konstruktionsunterstützung;<br />
FES GmbH Fahrzeug-Entwicklung <strong>Sachsen</strong> Chassis-Rahmen, Cockpit sowie Dokumentation<br />
Autohaus Müller GmbH Zwickau Fertigung und Montage von Karosserie,<br />
Autolackiererei/Oldtimer-Restauration Lackierarbeiten<br />
Frank Riedel, Kirchberg, OT Cunersdorf Oberflächenbeschichtungen<br />
AWEBA Aue Bearbeitung von Schaltgehäuse und -kulisse<br />
für äußere Getriebeschaltung<br />
BIC Zwickau GmbH Laserzentrum Teilefertigung<br />
Borsig ZM COMPRESSION GmbH Meerane Teile für Fahrwerk, Normteilebereitstellung<br />
Bremsen-Schnütgen, Gaimersburg Lieferung von Haupt- und Radbremszylindern<br />
bsw Bildungswerk der sächsischen Wirtschaft gGmbH, Kleinteilefertigung für Fahrwerk<br />
Werdau<br />
Eurocom Systems KG, Gottmadingen Fertigung von Gießmodellen, Gussteilen<br />
und deren mechanische Bearbeitung<br />
FAW Ausbildungszentrum Zwickau Mechanische Fertigung von Fahrzeugteilen<br />
H&T Produktions Technologie Crimmitschau Fertigung der Radnabendeckel für die Hinterachse<br />
IAV Chemnitz Herstellung diverser Fahrwerksteile<br />
IHK Zwickau Geldspende<br />
Indikar Individual Karosseriebau GmbH, Wilkau-Haßlau Bereitstellung von Fahrwerksteilen<br />
KOKI Technik Transmission Systems Geldspende und mechanische Fertigung<br />
GmbH Niederwürschnitz von Fahrwerksteilen<br />
Lackiererei Vogel Karosseriefachbetrieb Zwickau Lackierarbeiten<br />
Maschinenbau Thomas Hofmann Drebach Herstellung der Hypogloboidschnecke für Lenkgetriebe<br />
und Kerbschiebeverzahnungen für Hinterachse<br />
Meeraner Dampfkesselbau GmbH Biegen der Chassisrohre<br />
Metallverarbeitung Tröger Bernsdorf Metalldrückarbeiten, Deckelfertigung und Verchromung<br />
Metallveredlung GmbH Bernsdorf Verchromung von Karosserie- und Fahrwerksteilen<br />
Mittelsächsische Kunststoff- und Metallveredlung Verchromung von Karosserie- und Fahrwerksteilen<br />
GmbH Oberlungwitz<br />
M-K-B Misselbeck Konstruktions- und Betriebs- CNC–Fräsarbeiten an Fahrwerksteilen<br />
Mittelbau GmbH & Co. KG Zwickau<br />
pro-beam AG & Co. KGaA Neukirchen Kathodenstrahlschweißen der Hinterachsstützrohre<br />
SAM GmbH Metallveredlung Glauchau Oberflächenbeschichtungen<br />
Scherdel Marienberg GmbH Herstellung diverser Flächenfedern<br />
Sattlerei Dietrich Werdau Sitzpolsterung und Lenkradummantelung<br />
Schmiede Trültzsch Mülsen, OT Ortmannsdorf Fertigung von Schmiedeteilen für Schaltung und Drehstäbe<br />
Schnellecke Group <strong>Sachsen</strong> Geldspende<br />
Scholz Recycling Zwickau Geldspende<br />
Siebenwurst Werkzeugbau Zwickau Mechanische Fertigung von Fahrwerksteilen<br />
SIEMENS Professional Education Chemnitz Mechanische Fertigung von Fahrwerksteilen<br />
Sparkasse Zwickau Geldspende<br />
Technische Restaurationen Werner Zinke GmbH Zwönitz Fertigung der Instrumente, des Öl- und Wasserkühlers<br />
Theo Förch GmbH & Co. KG Zwickau Geldspende<br />
Volkswagen Bildungsinstitut GmbH Anfertigung diverser Kleinteile<br />
<strong>VW</strong> <strong>Sachsen</strong> GmbH Zwickau Vermittlung zur Fertigung von Fahrwerksteilen<br />
Werkzeug Adler Werdau Bereitstellung von Normteilen und Werkzeugen<br />
Westsächsische Hochschule Zwickau; Praktikumstätigkeit bei Auto-Entwicklungsring <strong>Sachsen</strong><br />
Fachbereiche Kfz-Technik; Fertigung/Technologie und Teilefertigung<br />
ZIS Industrietechnik GmbH Meerane Lieferung der Chassisrohre<br />
Zwickauer Energieversorgung GmbH Geldspende<br />
01/<strong>20</strong>11 19
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Geben und Nehmen für die Region<br />
BORSIG ZM Meerane unterstützte Typ C-Nachbau für das Horch Museum<br />
Blick auf das Gelände von BORSIG ZM in Meerane. Foto: BORSIG ZM<br />
Dass ein originalgetreuer Nachbau des Auto Union-Rennwagens Typ C heute einen festen Platz in der<br />
Dauerausstellung des August Horch Museums Zwickau inne hat, war nur möglich dank der breiten<br />
Unterstützung durch ehrenamtliche Helfer und die Wirtschaft für dieses ehrgeizige Projekt. Zu den Firmen, die<br />
mit materiellen und finanziellen Leistungen aktiv wurden, gehört die BORSIG ZM Compression GmbH Meerane.<br />
Innovation und Tradition, betriebswirtschaftlicher Erfolg und Engagement über Unternehmensgrenzen hinaus<br />
sind hier keine Gegensätze, sondern bedingen einander.<br />
Bereits von der Autobahn A4 weist<br />
der blau-grüne Schriftzug BORSIG ZM<br />
den Weg zum Unternehmen im<br />
Gewerbegebiet Meerane. BORSIG<br />
steht für die Verankerung in der auf<br />
das Jahr 1837 zurückgehenden gleichnamigen<br />
Berliner Firmengruppe, die<br />
anfangs Dampfloks baute und sich<br />
später auf Kolben- und Turboverdichter<br />
sowie komplette Anlagen für die chemi-<br />
<strong>20</strong><br />
01/<strong>20</strong>11<br />
sche Industrie konzentrierte. ZM ist<br />
das Kürzel für die 1842 gegründete<br />
Zwickauer Maschinenfabrik, die für<br />
den Steinkohlenbergbau in der Region<br />
Dampfmaschinen und Pumpen produzierte.<br />
Sie wurde <strong>20</strong>04 von der<br />
BORSIG-Gruppe übernommen, die<br />
seit <strong>20</strong>08 selbst wiederum zur KNM<br />
Group Malaysia gehört. BORSIG ZM<br />
konstruiert, projektiert und fertigt<br />
Kolben- und Turboverdichter für die<br />
Großchemie und nimmt die Anlagen<br />
direkt beim Kunden in Betrieb.<br />
<strong>20</strong>06 hat das Unternehmen seinen Sitz<br />
von Zwickau nach Meerane verlegt<br />
und im Gewerbegebiet neu gebaut.<br />
Mittlerweile sind schon mehrere<br />
Erweiterungen erfolgt. „Wir fühlen<br />
uns sehr wohl hier, denn wir erhalten<br />
eine ausgezeichnete, unbürokratische
Kolbenverdichter für eine Mineralölraffinerie.<br />
Foto: BORSIG ZM<br />
Turboverdichter von BORSIG ZM Meerane.<br />
Foto: BORSIG ZM<br />
Unterstützung durch die Kommune<br />
und können von einer sehr guten<br />
Infrastruktur profitieren. Deshalb<br />
geben wir auch gern etwas an die<br />
Region zurück“, betont Geschäftsführer<br />
Joachim Schulz und verweist<br />
auf verschiedene Engagements, u. a.<br />
für das Kinderheim in Meerane, für<br />
den Eishockeysport in Crimmitschau<br />
und eben auch für das Rennwagen-<br />
Projekt des Fördervereins vom Horch<br />
Museum Zwickau.<br />
Über Roland Müller, Handlungsbevollmächtigter<br />
Einkauf bei BORSIG<br />
ZM und langjähriger „<strong>Sachsen</strong>ringer“,<br />
kam der Kontakt zum Projektteam<br />
zustande. „Wir haben uns vor Ort<br />
deren Arbeit angeschaut und waren<br />
sehr angetan von dem unglaublichen<br />
Enthusiasmus und dem Können der<br />
ehrenamtlichen Akteure, ein Kulturgut<br />
der Region wieder entstehen zu lassen.<br />
Da haben wir gern auch unseren<br />
Teil zum Gelingen beigetragen“, sagen<br />
Joachim Schulz und Roland Müller.<br />
Dieser Teil war nicht unbeträchtlich.<br />
In der modernen mechanischen Bearbeitung<br />
sind beispielsweise Bremstrommeln,<br />
Trägerplatten für Achskörper<br />
und weitere Fahrwerksteile entstanden.<br />
Auch mit weiteren Materialien<br />
leistete BORSIG ZM Unterstützung.<br />
Die Elemente für den Typ C waren<br />
sicher mit Abstand die kleinsten, die<br />
jemals die Hallen in Meerane verlassen<br />
haben. Denn statt in Kilogramm und<br />
Zentimeter wird im Tagesgeschäft<br />
meist in Tonnen und Metern gemessen.<br />
Die Kolben- und Turboverdichter<br />
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
kommen zumeist in großen Erdöl und<br />
Erdgas verarbeitenden Chemieanlagen<br />
zum Einsatz. Sie sind in Leuna genauso<br />
zu finden wie im Mittleren und Nahen<br />
Osten sowie in den ehemaligen GUS-<br />
Staaten. Die Exportquote liegt bei fast<br />
Ein Dankeschön von Rennwagen-Projektleiter<br />
Rainer Mosig (r.) an Roland Müller für die<br />
Projektunterstützung durch die BORSIG ZM<br />
Compression GmbH Meerane.<br />
Foto: Frank Reichel<br />
90 Prozent. „Wir sind einer von wenigen<br />
Herstellern weltweit, die sowohl<br />
Kolben- als auch Turboverdichter<br />
produzieren. Diese Alleinstellung am<br />
Markt bauen wir aus, indem wir<br />
unsere Produkte kontinuierlich weiterentwickeln<br />
und immer leistungsfähiger<br />
gestalten. Eine höhere Verdichtung<br />
trägt bei, Ressourcen wie Erdgas besser<br />
zu nutzen. Bei der Intensivierung<br />
chemischer Prozesse gibt es noch viel<br />
für uns zu tun“, so Geschäftsführer<br />
Joachim Schulz.<br />
Das sehen auch die Kunden von<br />
BORSIG ZM so, denn das Unter-<br />
Gute Partnerschaft zwischen Wirtschaft und<br />
Kommune: Prof. Dr. Lothar Ungerer, Bürgermeister<br />
von Meerane, mit Konrad Nassauer,<br />
Geschäftsführer der BORSIG GmbH Berlin,<br />
und Joachim Schulz, Geschäftsführer der<br />
BORSIG ZM Compression GmbH Meerane<br />
(v. l.).<br />
Foto: Kathrin Buschmann<br />
nehmen kann auf einen guten<br />
Auftragsvorlauf verweisen. Damit ist<br />
viel Perspektive für die rund 150<br />
Mitarbeiter sowie aktuell neun<br />
Auszubildenden in Meerane verbunden.<br />
Und auch die Region kann<br />
weiter auf das Engagement von<br />
BORSIG ZM bauen.<br />
Ina Reichel<br />
01/<strong>20</strong>11 21
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Rollende<br />
Werbung<br />
<strong>Sachsen</strong>trans unterstützt<br />
Horch Museum<br />
Museumsdirektor Rudolf Vollnhals (l.) bedankt<br />
sich bei <strong>Sachsen</strong>trans-Geschäftsführer<br />
Klaus Werner für diese besondere Werbung.<br />
Foto: Horch Museum<br />
Die <strong>Sachsen</strong>trans Spedition und Logistik<br />
GmbH unterstützt das Horch<br />
Museum auf sehr augenfällige Weise.<br />
Das Unternehmen der Schnellecke<br />
Gruppe hat drei Megatrailer mit großflächiger<br />
Werbung für das Museum<br />
versehen. Die Fahrzeuge sind auf deutschen<br />
Autobahnen und Fernstraßen<br />
sowie in weiteren europäischen Ländern<br />
unterwegs. <strong>Sachsen</strong>trans-Geschäftsführer<br />
Klaus Werner verbindet<br />
mit diesem Fahrzeugeinsatz deutlich<br />
emotionale Bezüge: „Nicht zuletzt wird<br />
damit auf die beeindruckende, über<br />
100-jährige Tradition des sächsischen<br />
Automobilbaus aufmerksam gemacht.<br />
Gleichzeitig ergibt sich ein eindrucksvoller<br />
Bezug zur Gegenwart in der<br />
Region, wo der Automobilbau inzwischen<br />
wieder voll etabliert ist.“<br />
22<br />
01/<strong>20</strong>11<br />
Im Zeichen<br />
von 125 <strong>Jahre</strong>n Mobilität<br />
Fünfte Auflage der Chemnitzer<br />
Oldtimer Messe am 10. und 11. September <strong>20</strong>11<br />
„125 <strong>Jahre</strong> Mobilität“ stehen im Mittelpunkt<br />
der fünften Chemnitzer Oldtimer<br />
Messe, die am 10. und 11. September<br />
dieses <strong>Jahre</strong>s in der Messe Chemnitz<br />
stattfindet. Dazu zeigt das Autohaus<br />
Schloz & Wöllenstein einen Querschnitt<br />
von Mercedes-Benz-Fahrzeugen verschiedener<br />
Epochen. Eine Sonderschau<br />
lädt in ein spezielles Kino ein, in dem<br />
Autos die Filmstars sind. Auf dem Außengelände<br />
werden Fahrzeuge bewegt.<br />
Die Starter im Jugendkart ermitteln den<br />
Pokalgewinner der Chemnitzer Oldtimer<br />
Messe. Darüber hinaus gibt es jede<br />
Menge historischer Automobile, Motorund<br />
Fahrräder nebst Modellfahrzeugen,<br />
Accessoires und Literatur. Auch der<br />
Teilemarkt steht wieder auf dem<br />
Programm.<br />
Interessenten, die von weiter her zur<br />
Oldtimer Messe kommen, können den<br />
Besuch mit einem Wochenendaufenthalt<br />
in Chemnitz verbinden und von<br />
einem attraktiven Reisepaket profitieren.<br />
Dazu gehören eine Übernachtung<br />
im 4-Sterne-Hotel Chemnitzer Hof mit<br />
3-Gang-Abendmenü, der Tageseintritt<br />
zur Oldtimer Messe sowie der Eintritt<br />
in die nahe gelegenen technikhistorischen<br />
Einrichtungen Sächsisches Industriemuseum<br />
und Museum für Sächsische<br />
Fahrzeuge.<br />
Mehr Informationen für interessierte<br />
Aussteller und Besucher unter:<br />
www.oldtimermesse-chemnitz.de<br />
Zweite Historic Rallye Erzgebirge<br />
Eine Woche vor der Messe, am 2. und<br />
3. September <strong>20</strong>11, gibt es die zweite<br />
Historic Rallye Erzgebirge mit sportlichem<br />
und touristischem Teil. Start und<br />
Ziel für jede Tagesetappe sowie das<br />
Fahrlager befinden sich in der Messe<br />
Chemnitz.<br />
Mehr Informationen, Nennformulare<br />
und Ausschreibung unter:<br />
www.historic-rallye-erzgebirge.de<br />
Eine Schau von Fahrzeugen, die in den 1940er bzw. 1950er <strong>Jahre</strong>n in der Sowjetischen Besatzungszone<br />
bzw. der DDR gebaut wurden, gehörte zu den Höhepunkten der Chemnitzer Oldtimer<br />
Messe <strong>20</strong>10. Ein besonderes Schmuckstück war der Wartburg Sport im Vordergrund. Rund 6500<br />
Gäste besuchten die Vorjahresveranstaltung, bei der 160 Raritäten auf vier und zwei Rädern zu<br />
sehen waren. Foto: Frank Reichel
✃<br />
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
01/<strong>20</strong>11
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
01/<strong>20</strong>10 ✁
✃<br />
DKW Front Rennwagen<br />
Baujahr 1931<br />
Gesamtfahrzeug<br />
Technische Beschreibung<br />
Bauart: Monoposto-Rennwagen in Rahmenbauweise<br />
Antrieb: Frontantrieb durch quer im Fahrzeugbug hinter der<br />
Vorderachse eingebauten 2-Zylinder 2-Taktmotor und<br />
Schaltgetriebe mit angebautem Stirnraddifferential<br />
Karosserie: Monoposto-Rennwagen-Karosserie<br />
Hersteller Firma Hornig Meerane<br />
Abmessung und Gewicht:<br />
Radstand: 2100 mm<br />
Spurweite vorn: 1100 mm<br />
Spurweite hinten: 1100 mm<br />
Gesamtlänge: 3140 mm<br />
Gesamtbreite: 1250 mm<br />
Gesamthöhe: 1080 mm<br />
Leergewicht: 390 kg<br />
Bereifung: 3.50 x 19<br />
Höchstgeschwindigkeit: 130 km/h<br />
Kraftstoffverbrauch: 12–15 l/100 km<br />
Triebwerk<br />
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Motor:<br />
Bauart: wassergekühlter 2-Zylinder-Reihenmotor<br />
Arbeitsverfahren: 2-Takt-Ottomotor mit doppelt wirkender Ladepumpe<br />
unterhalb des Kurbelgehäuses<br />
Bohrung: 68 mm<br />
Hub: 68 mm<br />
Hubraum: 494 cm³<br />
max. Leistung: 36 PS bei 5500 U/min<br />
Schmierung: Frischölschmierung durch Öl-Kraftstoffgemisch 1:<strong>20</strong><br />
Kühlung: Wasserumlaufkühlung (Thermosyphon)<br />
Anordnung des Kühlers: über der Vorderachse<br />
Kupplung: Mehrscheibenkupplung im Ölbad<br />
Getriebe und Ausgleichgetriebe: Blockgetriebe mit angebautem Stirnraddifferential, drei Vorwärtsgänge<br />
Schaltung: Krückstockschaltung in Mitte Armaturenbrett<br />
Kraftübertragung zum Getriebe: über Zahnräder<br />
01/<strong>20</strong>11
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Elektrische Anlage<br />
Zündung: Batteriezündung<br />
Bordspannung: 6 Volt<br />
Lichtmaschine: Dynastartanlage<br />
Anlasser: Dynastartanlage<br />
Batterie: Anordnung im Motorraum rechts vor der Stirnwand<br />
Fahrgestell<br />
Vorderachse: Einzelradaufhängung an zwei übereinander angeordneten<br />
Querblattfedern, ohne Stoßdämpfer<br />
Radantrieb: über Gelenkwellen mit inneren Hardy-Scheiben<br />
und äußeren Tracta-Gelenken<br />
Lenkung: Schneckenlenkgetriebe hinter der<br />
Vorderachse am Rahmenquerträger befestigt<br />
Hinterachse: Einzelradaufhängung an zwei übereinander angeordneten<br />
Querblattfedern, ohne Stoßdämpfer<br />
Rahmen: Rahmen aus zwei eng beisammenliegenden U-Profillängsträgern<br />
durch angenietete Flacheisen verbunden<br />
Bremsen:<br />
Bauart: Innenbackentrommelbremse<br />
Fußbremse: mechanische Vierradbremse mit Seilzugbetätigung<br />
Handbremse: mechanisch mittels Seilzug auf die Hinterräder wirkend<br />
Kraftstoffbehälter:<br />
Anordnung: im Motorraum auf Stirnwandvorbau<br />
Inhalt: ca. 30 Liter<br />
Hintergründe zur Entstehung des Fahrzeuges<br />
Zur internationalen Automobilausstellung im Februar 1931 in Berlin stellten die Zschopauer Motorenwerke mit<br />
dem DKW Front F1 das damals mit 1685 Reichsmark preiswerteste deutsche Auto vor.<br />
Die technische Neuerunge dieses Pkw war der erstmals in Großserie gebaute Frontantrieb, der damit den<br />
Siegeszug des Frontantriebes im Pkw-Bau einleitete.<br />
Um die Leistungsfähigkeit dieses kleinen Pkw zusätzlich unter Beweis zu stellen, wurden fünf Fahrgestelle mit<br />
Monoposto-Rennwagen-Karosserien ausgerüstet, die von der Firma Hornig Meerane gefertigt wurden. Der erste<br />
Renneinsatz erfolgte im Juni 1931 beim Eifelrennen auf dem Nürburgring. Später sah man diese Rennwagen auch<br />
zu den damals beliebten Bergrennen, so zum Beispiel am Kesselberg, am Schauinsland/Freiburg und anderen.<br />
Die wichtigsten Rennfahrer im DKW F1 waren Gerhard Macher, Toni Bauhofer, Hans Simons, Walter Oestreicher,<br />
Fritz Theißen, Gustav Meinz und Kurt May.<br />
Mit der Neuorientierung des deutschen Motorsports nach 1933 verlegte sich DKW mit den 2-Takt-Automobilen<br />
verstärkt auf Zuverlässigkeits- und Geländesport, sodass eine Weiterentwicklung der Monoposti nicht erfolgte.<br />
Quellen:<br />
Technische Daten und Beschreibungen aus Unterlagen des Automobilmuseums August Horch Zwickau und von Audi Tradition Ingolstadt<br />
Fotos: FES GmbH vom Austellungsfahrzeug des Automobilmuseums August Horch in Zwickau<br />
Zusammenstellung: Dipl. Ing. K.-H. Brückner, Förderverein August Horch Museum Zwickau e. V.<br />
01/<strong>20</strong>11<br />
✁
Silberpfeil-Triumpf<br />
in Übersee<br />
Rund 1.500.000 Mark hatte der Vorstand der Auto-Union<br />
für das Rennjahr 1937 genehmigt. Zehn neue Rennwagen für<br />
680.000 Mark sollten gebaut werden. Vier Trainingswagen und<br />
Bergwagen aus alten Beständen kosteten 98.000 Mark. Ersatzteile,<br />
Reparaturen, Versuche, Spezialwerkzeuge und Vorrichtungen<br />
304.000 Mark, Löhne und Gehälter 160.000 Mark.<br />
Fast auf allen Rennstrecken der Welt hatten die starken Super-<br />
Rennwagen der beiden größten deutschen Autounternehmen<br />
(Auto Union und Mercedes-Benz – Anm. d. Red.) drei <strong>Jahre</strong> lang<br />
die ersten Preise gewonnen, nun sollten dem sensationslüsternen<br />
amerikanischen Publikum die brüllenden Silberleiber mit<br />
den 500-PS-Motoren vorgeführt werden. Der „Vanderbilt-<br />
Pokal“ in den USA lockte.<br />
Viele Beratungen gingen diesem Rennen voraus. In Berlin fand<br />
im April 1937 in Anwesenheit des NSKK-Stabführers von Bayer-<br />
Teil 11<br />
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Aus dem Tagebuch<br />
eines Rennmechanikers der Auto Union<br />
und Schluss<br />
Rudolf Friedrich hat als Rennmechaniker der Auto Union die großen Erfolge der Silberpfeile in den 1930er <strong>Jahre</strong>n<br />
miterlebt und genauso die Schattenseiten des Rennsports kennengelernt. In der Betriebszeitung des ehemaligen<br />
VEB <strong>Sachsen</strong>ring Zwickau berichtete er Ende der 1950er <strong>Jahre</strong> über seine Zeit an der Seite von Stuck,<br />
Rosemeyer & Co. „<strong>AufgeHorcht</strong>“ veröffentlicht Auszüge aus diesem hochinteressanten Tatsachenbericht in der<br />
Serie „Aus dem Tagebuch eines Rennmechanikers der Auto Union“. Der elfte Teil greift das Geschehen zum<br />
Vanderbilt-Cup in den USA 1937 auf. Damit endet diese Serie. Die Redaktion bedankt sich herzlich bei Jürgen<br />
Pönisch, der aus seinem Archiv Fotos für die Illustration der Serie zur Verfügung stellte.<br />
Mit dem Schnelldampfer „Bremen“, hier am Columbuskai<br />
in Bremerhaven, ging es zum Vanderbilt-Cup nach Amerika.<br />
Ehrenberg (NSKK = Nationalsozialistisches Kraftfahrkorps –<br />
Anm. d. Red.), den beiden Rennleitern Dr. Feuereisen und<br />
Neubauer sowie eines Dolmetschers eine Verhandlung statt.<br />
Rennleiter Dr. Feuereisen legte in dieser Verhandlung Wert<br />
darauf, dass mit den Amerikanern geklärt werden müsse, ob<br />
gegen die deutsche Rennmannschaft Unfreundlichkeiten zu erwarten<br />
wären und ob die amerikanischen Veranstalter die Garantie<br />
übernehmen würden, dass die Deutschen nicht in Schmutz<br />
gezogen würden, ob es weiterhin in ihrer Macht stünde, eine<br />
Hetze gegen die Deutschen, soweit sie nicht jüdischer Abstammung<br />
wären, zu verhindern und ob sie gute Aufnahme<br />
finden würden. Man hatte also Angst vor einer Provokation des<br />
amerikanischen Publikums gegen die deutschen Faschisten.<br />
Die amerikanischen Veranstalter zahlten auch kein festes<br />
Startgeld, wie es in Europa üblich war, erklärten sich aber<br />
bereit, jeder deutschen Firma 10.000 Dollar Garantie zu zahlen,<br />
die aber auf die Preise angerechnet wurden.<br />
Mit der „Bremen“ zum Vanderbilt-Cup<br />
Und wieder fuhr eines der modernsten und schnellsten Schiffe<br />
der Welt, die 51.660 Brutto-Register-Tonnen große, mit<br />
125.000-PS-Maschinenstärke ausgerüstete „Bremen“ unter den<br />
Klängen der Bordkapelle mit dem Lied: „Muss i denn, muss i<br />
denn ...“ aus dem Bremer Freihafen. Mit 29 Knoten (53,6 km)<br />
Geschwindigkeit in der Stunde, trug das 217 Meter lange Schiff<br />
die beiden deutschen Rennmannschaften mit vier Rennwagen<br />
und 2500 Liter Rennkraftstoff über den Atlantischen Ozean<br />
zum großen „Vanderbilt Cup“ nach Amerika.<br />
Am 22. Juni, 12 Uhr, hatte die „Bremen“ das offene Meer<br />
erreicht, und die Rennmechaniker begannen das stolze weiße,<br />
von deutschen Werftarbeitern erbaute Luxusschiff zu besichtigen.<br />
01/<strong>20</strong>11 27
28<br />
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Alfred Neubauer, Richard Seaman, Bernd Rosemeyer, Elly<br />
Beinhorn, Commodore Ahrens (Kapitän der „Bremen“), Ernst von<br />
Delius, Dr. Karl Feuereisen im Salon der „Bremen“ bei der Überfahrt<br />
nach New York.<br />
Dr. Karl Feuereisen, Ernst von Delius, Robert Eberan, Elly<br />
Beinhorn und Bernd Rosemeyer im Schwimmbad der „Bremen“.<br />
Ernst von Delius, Bernd Rosemeyer, Elly Beinhorn, Richard Seaman,<br />
Rudolf Caracciola und Alfred Neubauer an Bord der „Bremen“ .<br />
01/<strong>20</strong>11<br />
Schon nach einigen Stunden waren unsere Rennfahrer und wir<br />
Rennmechaniker die Sensation an Bord der „Bremen“, und<br />
viele der Passagiere knüpften mit uns die freundschaftlichsten<br />
Gespräche an. Die Helden an Bord der „Bremen“ waren<br />
Rosemeyer und Caracciola, beide mit ihren Frauen. Kino,<br />
Schwimmbad, Schießbude, Gymnastikraum und vieles andere<br />
war auf dem Schiff. Nach dem Abendessen wurde Billard<br />
gespielt, und um Mitternacht tanzten die Rennfahrer mit ihren<br />
Frauen auf dem Sonnendeck.<br />
Am 28. Juni morgens, am sechsten Tag der Seefahrt, tauchten<br />
in der Ferne aus dem Morgennebel die gigantischen Wolkenkratzer<br />
Neuyorks auf. Schemenhaft ragten diese Steinklötze<br />
wie Schatten in den Himmel. Das Schiff näherte sich der USA-<br />
Küste. Langsam führ die „Bremen“ Long Island entlang. Die<br />
ersten Hochhäuser des weltbekannten Vergnügungsparkes<br />
von Coney Island tauchten auf.<br />
Dann stoppte die „Bremen“. Ein Lotse kam an Bord und mit<br />
ihm einige Dutzend Sportreporter und Fotografen. Wie die<br />
Wilden fielen sie über Rosemeyer und Elly Beinhorn her. Jeder<br />
Reporter wollte seiner Zeitung das erste Interview mit<br />
Rosemeyer bringen.<br />
Während die „Bremen“ im Neuyorker Hafen einlief und Rosemeyer<br />
sich vor Fotografen auf dem Schiff kaum retten konnte, schaukelte<br />
der italienische Rennfahrer Nuvolari auf der „Normandie“ noch<br />
auf dem Ozean und erhielt einen für ihn erschütternden Funkspruch.<br />
Sein Sohn war in der Heimat an einem längeren schweren<br />
Herzleiden gestorben. Und unter dieser psychischen Belastung<br />
sollte er einen im Vorjahr gewonnenen Vanderbilt-Pokal verteidigen.<br />
Als unsere Rennwagen mit großen Kränen von der „Bremen“<br />
heruntergeholt wurden, staunten selbst die Amerikaner im<br />
Hafen. Rosemeyer musste wohl hundertmal fotografiert worden<br />
sein, bevor er den ersten Fuß auf amerikanischen Boden<br />
setzte. Und nun hatte unser verrückter Bernd Rosemeyer –<br />
wie immer – nichts Eiligeres im Kopf, als mit Dr. Feuereisen<br />
und Ernst Delius sofort hinaus zur Roosevelt-Bahn zu rasen<br />
und die Rennstrecke abzufahren.<br />
Enge Kurven, lange Wagen, finstere Gesichter<br />
Als sie die Bahn im Privatwagen langsam abfuhren, wurde<br />
Rosemeyers Gesicht immer länger und finsterer. Von Kurve zu<br />
Kurve begann er an einem Sieg zu zweifeln. Die Roosevelt-<br />
Bahn war eine einfache, auf flachem Feld angelegte, kurvenreiche,<br />
schmale Straße, die rechts und links mit einer 30 cm<br />
hohen Bretterwand versehen war. Es war unmöglich, eine<br />
Training zum Vanderbilt-Cup auf dem<br />
Roosevelt Raceway in Long Island.
Kurve und den Grad ihrer Krümmung zu erkennen oder einen<br />
Anhaltspunkt zum Bremsen zu finden. Keine Kurve war da, die der<br />
Fahrer, wie auf dem Nürburgring, schnell und zügig durchfahren<br />
konnte. Im Gegenteil, die Kurven waren so eng, dass die Fahrer<br />
zu kämpfen hatten, unsere langen Wagen einigermaßen schnell<br />
hindurchzubringen. Und dazu kann noch, dass die Fahrer im<br />
Rennen beliebig rechts oder links überholen durften.<br />
Wenn man die Roosevelt-Rennbahn betrachtete, konnte man<br />
feststellen, dass sie den kurzen amerikanischen Rennwagen,<br />
die sich die Fahrer zum Teil selbst bauten, angepasst war.<br />
Unsere längeren Rennwagen waren für die engen Kurven<br />
weniger geeignet.<br />
Rosemeyer fuhr nun mit einer Versessenheit, unter Anwendung<br />
seiner bewährten Kurventechnik, bis er einen neuen Streckenrekord<br />
aufstellte. Als die deutschen Rennwagen auf den beiden<br />
einzigen Geraden von einem Kilometer Länge 260 Kilometer<br />
fuhren, staunten die Amerikaner. Als sie aber nach dem<br />
Training davon hörten, dass Rosemeyer auf den europäischen<br />
Rennstrecken 395 Kilometer fuhr, blieb selbst den abgebrühten<br />
Amerikanern der Mund offen. Rundenzeiten, die amerikanische<br />
Rennfahrer durch wochenlanges Training herausholten, fuhren<br />
Rosemeyer und Caracciola schon am zweiten Trainingstag.<br />
Kein Start bei Regen<br />
Für die deutsche Rennmannschaft war vieles neu an diesem<br />
amerikanischen Rennen, das die Besitzer der „Roosevelt<br />
Raceway“ veranstalteten und auch die Einnahmen kassierten.<br />
So wie Platz war und die Fahrer Lust hatten, konnten sie<br />
rechts oder links überholen. Jeder Rennfahrer musste zwar<br />
vor dem Rennen dreimal drei aufeinanderfolgende Qualifikationsrunden<br />
fahren, zu denen er besonders gestartet war, und<br />
worauf er seinen Startplatz erhielt. Für jeden Fahrer wurde<br />
ein Rundenzähler eingestellt, der auf seinem Rücken die<br />
Startnummer eines Fahrers trug. Regnete es am Start oder<br />
fing es an zu regnen, so wurde das Rennen abgesagt oder<br />
abgebrochen, was es in Europa nicht gab.<br />
Da kommt doch Rosemeyer mit seinem grünen Hut und einer<br />
Feder darauf, in kurzen Hosen mit Trachtenhosenträgern und<br />
weißen Wadenstrümpfen, quietschvergnügt einen Schlager<br />
pfeifend, zum Training. Großes Aufsehen unter den<br />
Neugierigen, die hinausgewandert waren zur Rennstrecke.<br />
Hunderte Kameras wurden hochgerissen, eingestellt, und<br />
ohne Rücksicht auf die Zuschauer begann eine wilde<br />
Knipserei. In solch einer Aufmachung hatten die Amerikaner<br />
Bernd Rosemeyer auf dem Roosevelt Raceway.<br />
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
von dem berühmten, jungen Rennfahrer Bernd Rosemeyer<br />
noch kein Foto gesehen. Neben der Boxe standen vier platinund<br />
wasserstoffblonde Girls und verdrehten sich fast die Hälse<br />
nach Rosemeyer. So wurde auch ein Foto – neben vielen anderen<br />
von Rosemeyer und Caracciola – in einer Zeitung groß<br />
abgebildet. Rosemeyer wurde über Nacht zum Liebling des<br />
amerikanischen Publikums.<br />
Heiße Julihitze lag über Neuyork. Die Rennmannschaft hatte<br />
kaum Zeit, sich die 7-Millionen-Weltstadt, mit den neun<br />
Wolkenkratzern von <strong>20</strong>8 bis 380 Metern Höhe, anzusehen.<br />
Frühzeitig fuhren die Mechaniker an Hunderten Wolkenkratzern<br />
vorbei nach der 30 Kilometer entfernten<br />
Rennstrecke. Den ganzen Tag ließen die riesigen Steingiganten<br />
keinen Sonnenstrahl auf die Straßen fallen. Spät nachmittags<br />
kam dann die Rennmannschaft in die Werkstatt zurück, und es<br />
gab noch sehr viel Arbeit. Weil die Amerikaner sonntags alle<br />
auf Wochenendfahrt waren, wurde das Rennen am Sonnabend<br />
gestartet.<br />
Am 3. Juli, 13 Uhr, standen 32 Rennwagen am Start. Die ganze<br />
Rennstrecke und die Tribünen waren voller Zuschauer. Es fehlten<br />
nur noch einige Minuten bis zum Start. Die Motoren liefen<br />
abwechselnd auf vollen Touren. Da fielen die ersten<br />
Regentropfen, und immer stärker wurde der Regen.<br />
Rennleiter und Organisatoren traten zusammen, und es<br />
wurde mit den amerikanischen Veranstaltern hin und her<br />
geredet. Dann gaben die Lautsprecher bekannt, dass das<br />
Rennen auf Montag verlegt wird. Rings um den Startplatz<br />
wurde nun gepfiffen und gejohlt. Rowdys schossen<br />
Schreckschüsse und Handraketen in die Luft. Wieso die<br />
Amerikaner als Zuschauer Schreckschusspistolen und<br />
Handraketen mitführten, war uns Europäern unerklärlich.<br />
Typisch amerikanisch, immer Sensation. Die Rennfahrer stiegen<br />
nun wieder aus ihren Rennwagen, und die Mechaniker<br />
schoben die Rennwagen zurück in die Boxen. Unsere<br />
Rennfahrer waren einesteils froh, denn die amerikanischen<br />
Wagen hatten keine gesommerten Reifen zur Verfügung, und<br />
das hätte den deutschen Fahrern, die gesommerte Reifen mitführten,<br />
bei regennasser Bahn gefährlich werden können.<br />
Durch die Verlegung des Rennens wurde der Abreisetermin<br />
der beiden deutschen Rennmannschaften sehr knapp. Die<br />
ganze Rennexpedition musste spätestens am 7. Juli mit dem<br />
Dampfer „Europa“ Neuyork verlassen. Am 13. Juli sollte die<br />
„Europa“ in Bremerhaven einlaufen, und acht Tage danach<br />
musste die Rennmannschaft wieder zum Nürburgring fahren.<br />
Der „Große Preis von Deutschland“ sollte am 25. Juli mit acht<br />
deutschen Rennwagen ausgetragen werden.<br />
01/<strong>20</strong>11 29
30<br />
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Der Kampf um den silbernen Riesenpokal<br />
Der „Vanderbilt Cup“ war ein 1,10 Meter großer Silberpokal<br />
und ein Wanderpreis. Um ihn endgültig zu besitzen, musste er<br />
dreimal gewonnen werden. Jeder einzelne Sieger erhielt<br />
davon eine Nachbildung in 35 Zentimeter Größe und <strong>20</strong>.000<br />
Doller. 1936 trug ihn der Italiener Nuvolari nach Europa.<br />
1937 wurde der Kampf um den Wanderpreis unter 31<br />
Rennfahrer auf der 5,3 km Rennstrecke über 90 Runden – 480<br />
km, in Long Island vor New York ausgetragen. Beim zweiten<br />
Start fielen wieder einige Regentropfen, als die Rennmechaniker<br />
die Rennwagen an den Start schoben, und wir hatten<br />
Bedenken, dass das Rennen wieder abgesagt würde. Elf<br />
Reihen zu je drei Rennwagen standen auf dem Startplatz. Die<br />
sechs Europäer, als die schnellsten im Training, standen in den<br />
vordersten Reihen.<br />
13.28 Uhr. Der Lärm der Zuschauer auf den drei Haupttribünen<br />
vor den beiden Geraden wurde von dem Brüllen,<br />
Heulen und Brummen der Rennmotoren mit den Kompressoren<br />
übertönt. In letzter Minute rannten noch einige<br />
Mechaniker zur Seite, und mit höchster Konzentration aller<br />
Nerven saßen die Fahrer startbereit am Steuer, den Gashebel<br />
durchzudrücken.<br />
Bernd Rosemeyer mit Pokal nach der Siegerehrung<br />
zum Vanderbilt-Cup am 3. Juli 1937.<br />
01/<strong>20</strong>11<br />
Da schossen auch schon die ersten Fahrer wie ein Rudel<br />
Windhunde in die erste Kurve hinein.<br />
Auf dieser Rennbahn konnte man die Fahrer vom Start weg<br />
während des ganzen Rennens sehen. Rosemeyer führte vor<br />
Caracciola die ersten beiden Runden. In der dritten Runde<br />
hing sich Rosemeyer an Caracciolas Hinterrad. Als er ihm aber<br />
zu langsam fuhr, schoss Rosemeyer in der zehnten Runde an<br />
Caracciola vorbei und davon. Einige Runden danach hatte er<br />
schon acht Sekunden Vorsprung. Jetzt begann Caracciola,<br />
Rosemeyer nachzujagen, der Kompressor seines Motors heulte<br />
auf und wurde in der 17. Runde sauer. Wieder ging einer<br />
der dramatischen Zweikämpfe zwischen Rosemeyer und<br />
Caracciola zugunsten des „blonden Boys“ aus.<br />
Stichflammen aus Nuvolaris Wagen<br />
Kaum war dieser Zweikampf zu Ende, gab es eine neue<br />
Sensation. Stichflammen schossen aus Nuvolaris Rennwagen.<br />
Auf den Tribünen ging ein wildes Schreien los und alle Augen<br />
waren nur noch auf den hell brennenden Rennwagen von<br />
Nuvolari gerichtet. Wenn bloß nicht der Benzintank platzte –<br />
das hätte eine Katastrophe gegeben. Der rote Teufel aus<br />
Modena – einige europäische Zuschauer nannten Nuvolari so,
wegen der roten Lederweste und der roten Kopfhaube, die er<br />
bei vielen Rennen trug und weil er oft einer der todesmutigsten<br />
Fahrer war – kletterte bei noch 80 km Geschwindigkeit<br />
aus seinem engen Sitz. Um die anderen Fahrer auf der<br />
Rennstrecke nicht zu gefährden, steuerte er stehend und geistesgegenwärtig<br />
den brennenden Rennwagen aus der Bahn auf<br />
eine seitlich gelegene Wiese. Er sprang erst ab, als der Wagen<br />
stand. Das war der Sportskamerad und allen Gefahren<br />
gewachsene, italienische Rennfahrer Tazio Nuvolari. Er sah<br />
nicht nur sein Leben in Gefahr, sondern auch das der anderen<br />
Rennfahrer. Zwei der aussichtsreichsten Pokalanwärter waren<br />
nun nicht mehr im Rennen. Rosemeyer führte mit 38<br />
Sekunden vor dem letzten Mercedesfahrer Seaman und dem<br />
stärksten Amerikaner Mays auf einem italienischen Alfa<br />
Romeo. Doch schon in der 38. Runde musste Rosemeyer<br />
tanken und Reifenwechseln. Wie in Tripolis trat auch in New<br />
York ein unvorhergesehener, hoher Benzinverbrauch auf. Nun<br />
traten die Rennmechaniker in Aktion. <strong>20</strong>0 Liter Kraftstoff und<br />
zwei Hinterräder wurden in 28,6 Sekunden getankt und<br />
gewechselt. Vielen Amerikanern stand der Mund noch offen,<br />
als der Rennwagen schon weg war. Ein lang anhaltender und<br />
starker Beifall, wie noch nie, rauschte zu unserer Box herüber.<br />
So eine Blitzaktion an einem Rennwagen hatten die<br />
Amerikaner noch nicht gesehen. Bravo, bravo riefen einige<br />
Deutschsprechende immer wieder zu uns herüber.<br />
Mit Falschinformationen zum Sieg<br />
Sechs Runden lang lag nun Seaman an der Spitze, musste aber<br />
in der 45. Runde auch tanken. Seaman fuhr also sieben Runden<br />
mehr mit seinem Kraftstoff als Rosemeyer. Für unsere Rennleitung<br />
stand nun fest, dass Seman auch die zweite Hälfte des<br />
Rennens ohne zu tanken durchfahren würde, während<br />
Rosemeyer ein zweites Mal tanken musste. Aus diesem<br />
Grunde erhielt nun Rosemeyer von der Boxe aus<br />
falsche, zu kurze Abstandszeiten zu Seaman. Damit sein<br />
Vorsprung zu einem zweiten Tanken reichen würde, sollte er<br />
schneller fahren.<br />
Trotzdem seine Kupplung rutschte, drehte er auf und<br />
erhöhte seinen Vorsprung auf 31 Sekunden. In der 79. Runde<br />
hatte er schon einige Wagen überrundet und kam an die Box<br />
gerollt zum Auftanken. In der 80. Runde hatte er bereits<br />
wieder 11 Sekunden vor Seaman und eine Runde vor Mays.<br />
Doch wir hatten Rosemeyer umsonst gejagt. In der vorletzten<br />
Runde blieb eingangs der Zielgeraden dem Mercedesfahrer<br />
Seaman der Motor stehen und er kam gerade noch rollend bis<br />
zur Box zum Auftanken. Anscheinend war ihm der Tank beim<br />
ersten Auftanken nicht voll gefüllt worden. Eine Runde noch<br />
und Rosemeyer war der Sieger um den „Vanderbilt Cup“. Mit<br />
51 Sekunden Vorsprung gewann er das Rennen vor Seaman<br />
und Mays. Mit 132,8 km Durchschnitt gewann Rosemeyer<br />
zum ersten Mal diesen Pokal. Er hatte dabei 7<strong>20</strong> Kurven<br />
durchfahren und 560mal die Bremse getreten. Seine Hände<br />
wiesen einige Blasen auf und sein Körper hatte fünf Pfund<br />
abgenommen. Von den 91 Runden führte er allein 76 Runden<br />
und holte sich 14 Rundenprämien von je <strong>20</strong> bis 100 Dollar<br />
sowie eine Armbanduhr.<br />
Nach dem Rennen musste er mit seinem Rennwagen hinter<br />
der Großtribüne A in einem mit Draht abgesperrten Raum<br />
fahren. Dort wurde er von der Presse empfangen und ausgequetscht.<br />
Was sich dort um den abgekämpften Rosemeyer<br />
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
abspielte, war toll. Fotografen und Reporter stürmten auf ihn<br />
ein und riefen wild durcheinander: „Schauen Sie hierher. Nein,<br />
bitte dorthin. Lächeln Sie, lächeln, mehr lächeln, bitte.“ Alle<br />
Sekunden zuckte ein Blitz in sein vom Rennen verdrecktes<br />
Gesicht.<br />
Als später die Hinterachse mit Getriebe vom Motor des<br />
Rennwagens gelöst wurde, kam der Kupplungsbelag in mehreren<br />
Stücken gefallen. Rosemeyer hätte dieses Rennen keine<br />
Runde länger fahren können.<br />
Geselliges Beisammensein an Bord der „Bremen“.<br />
Empfang von Rudolf Hasse, Dr. Karl Feuereisen,<br />
Bernd Rosemeyer und Ernst von Delius am 13. Juli<br />
1937 am Bahnhof Zoo in Berlin.<br />
Fotos: Archiv Jürgen Pönisch<br />
Empfang der Auto Union Mannschaft (Ernst von Delius,<br />
Bernd Rosemeyer, Dr. Karl Feuereisen, August Jacob) am<br />
13. Juli 1937 in Bremerhaven.<br />
01/<strong>20</strong>11 31
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Vielfalt bestimmt die automobile Zukunft<br />
Antriebs- und Energiemanagementkonzepte für verschiedene Szenarien gefragt<br />
Was treibt das Auto von morgen an? Welche Szenarien<br />
werden die Mobilität der Zukunft prägen? Antworten<br />
auf diese Fragen gibt in diesem Beitrag der ausgewiesene<br />
Motorenexperte Prof. Dr.-Ing. habil. Prof. E. h. Dr. h. c.<br />
Cornel Stan von der Westsächsischen Hochschule<br />
Zwickau. Professor Stan ist Vorstand des Forschungsund<br />
Transferzentrums an der Hochschule. Er lehrt<br />
Technische Thermodynamik, Verbrennungsmotoren<br />
und Alternative Antriebssysteme in Zwickau sowie an<br />
den Universitäten Paris, Pisa, Perugia, Kronstadt/<br />
Rumänien und Berkeley/USA. Die Forschungsgebiete<br />
umfassen die Kraftfahrzeug-Antriebssysteme, die Direkteinspritzverfahren,<br />
die Simulation thermodynamischer<br />
Vorgänge, die Verbrennungsprozesse, die alternativen Kraftstoffe<br />
und das Energiemanagement im Kraftfahrzeug.<br />
Die Anzahl der Mega-Metropolen mit mehr als zehn Millionen<br />
Einwohnern – derzeit sind es weltweit <strong>20</strong> – nimmt rasant zu.<br />
Die Polarisierung der Mobilität in solchem Ausmaß führt zur<br />
untragbaren Zunahme der Verkehrsdichte, aber auch der<br />
lokalen Konzentrationswerte der Abgasprodukte aus Verbrennungsmotoren<br />
– Kohlendioxid, Schadstoffe, Partikel – und<br />
nicht zuletzt der Geräuschemission. Die Elektromobilität –<br />
kompakte, dynamische geräuschlose Wagen ohne lokale<br />
Emissionen – stellt aus dieser Perspektive ein ideales Szenario<br />
dar. Und noch mehr: die Integration der Antriebs-Elektromotoren<br />
in die Räder – die gegenwärtig in Prototypfahrzeugen<br />
Einzug findet – nach dem sie bereits 1889 von Ferdinand<br />
Porsche realisiert wurde – könnte die Fahrkinematik und<br />
-dynamik und daraus folgend den Verkehrsfluss in Städten<br />
revolutionieren: Jedes Rad als intelligenter Roboter mit unbegrenzter<br />
Richtungsfreiheit trägt zu neuen Bewegungsformen<br />
des Automobils bei – seitliches Parken, Drehen um die Achse,<br />
Kurvenfahrt mit anpassungsfähiger Vierradlenkung.<br />
Der Lohner-Porsche mit in den Vorderrädern integrierten Elektromotoren<br />
erregte Aufmerksamkeit zur Weltausstellung 1900 in Paris.<br />
Foto: Porsche<br />
32<br />
01/<strong>20</strong>11<br />
Elektrofahrzeug mit integrierten Radnabenmotoren.<br />
Noch fehlt die ausreichende<br />
Elektroenergie an Bord<br />
Das grundsätzliche Problem dieses Szenarios ist die Verfügbarkeit<br />
ausreichender elektrischer Energie an Bord. Der elektrische Antrieb<br />
mit gespeicherter Elektroenergie (Batterien und Supercaps) oder<br />
der an Bord aus Wasserstoff umgewandelten Energie (Brennstoffzellen)<br />
werden in nationalen Entwicklungsprogrammen intensiv<br />
verfolgt. Die um Größenordnungen geringere Energiedichte<br />
(Wh/kg) in Batterien und in Wasserstofftanks im Vergleich zu jener<br />
von Benzin oder Dieselkraftstoff, aber auch die Systemkomplexität<br />
und -zuverlässigkeit begrenzen erheblich die Reichweite und führen<br />
andererseits zu unannehmbaren Kosten, Gewicht und<br />
Volumen des Energiespeichers. Das Problem der Kohlendioxidemission<br />
wird bei der Speicherung von Elektroenergie<br />
oder von Wasserstoff an Bord eines Automobils nicht gelöst,<br />
sondern nur verschoben – Elektroenergie entsteht weltweit<br />
überwiegend in Kohlekraftwerken (in den USA, in Frankreich,<br />
Japan zum größten Teil in Kernkraftwerken), Wasserstoff wird<br />
– bis auf Pilotprojekte – aus Erdgas produziert, in beiden<br />
Fällen entsteht Kohlendioxid am Produktionsort.<br />
Die Polarisierung idealer Szenarien um den (Elektro)Antrieb selbst<br />
führt andererseits sehr oft zur Betrachtung des eigentlichen<br />
Automobils als eine Struktur um den Antrieb herum, die in Bezug<br />
auf diesen optimiert werden soll – also klein, leicht, kompakt. Die<br />
Energiedichte der derzeit fortschrittlichsten Batterien beträgt<br />
100 Wh/kg: die Energie in einer Lithium-Ionen-Batterie von<br />
100 Kilogramm entspricht jener, die ein Liter Dieselkraftstoff<br />
beinhaltet. Die Folgen: ein leichtes, sehr kompaktes Fahrzeug mit<br />
großer und schwerer Batterie, dennoch geringe Reichweite.<br />
Sicherheit, Komfort, Heizung und Klimatisierung bleiben dabei<br />
offene Probleme. Statistische Argumente über weltweit durchschnittliche<br />
Tagesfahrleistungen unter 50 Kilometer, deren Schlussfolgerung<br />
ein kompakter Universalwagen ist, gehen an der Realität
Energieform Elektroenergie aus<br />
Kraftwerken Wind-/<br />
Photovoltanische<br />
Anlagen<br />
Energiespeicherung<br />
oder<br />
Energieumwandlung<br />
in<br />
Elektroenergie<br />
Wasserstoff,<br />
Kohlenwasserstoffe,<br />
(Alkohole, Pflanzenöle)<br />
Batterie Brennstoffzelle Wärmekraft-Maschine<br />
in stationärem Betrieb<br />
als Stromgenerator<br />
(Otto, Diesel, Wankel,<br />
Stirling, Gasturbine)<br />
+ Generator<br />
vorbei: ein Einheitswagen mit Einheitsantrieb würde den natürlichen,<br />
wirtschaftlichen, technischen und sozialen Umgebungsbedingungen<br />
widersprechen. Die automobile Zukunft ist Vielfalt<br />
auf modularer Basis – von der Kompaktklasse zur Oberklasse,<br />
vom preiswerten PickUp in Indien zum Luxus-Elektromobil für<br />
Null-Emission-Zonen in Berlin und London, von Sport Utility<br />
Vehicle (SUV), Limousine, Coupé und Kombi zum Cabriolet.<br />
Diese Vielfalt spiegelt sich in geeigneten Energiemanagementkonzepten<br />
wider, wobei neben dem eigentlichen Antrieb auch die<br />
Energieversorgung an Bord – für Klima-, Heizungs-, Sicherheits-,<br />
Komfort- und Kommunikationssysteme – abzusichern ist.<br />
Zahlreiche Entwicklungsszenarien der Automobilhersteller<br />
weltweit sind zum Teil kontrovers: Hybridantriebe auf Basis von<br />
Benzinmotoren (wegen Marktakzeptanz in USA oder Japan) zeigen<br />
keine Vorteile gegenüber modernen Dieselmotoren, insbesondere<br />
im europäischem Fahrzyklus, auf der Autobahn sind sie<br />
eindeutig im Nachteil. Ein Diesel-Hybrid ist keine Verbesserung<br />
per se – aufgrund der ähnlichen Drehmomentcharakteristika<br />
des Diesels und des Elektromotors. Die doppelte Aufladung<br />
des Dieselmotors (Kompressor mit Elektromotorantrieb und Turboaufladung)<br />
erscheint technisch und wirtschaftlich als vorteilhafter.<br />
Die Brennstoffzelle mit Wasserstoff erlebt derzeit eine wahre<br />
Renaissance, genau wie die Batterie. Wasserstoff im Kolben- oder<br />
Wankelmotor wiederum bleibt ein sehr aktuelles Thema, genau<br />
wie Alkohole, pflanzliche Öle und Autogas. Das zeigt keineswegs<br />
Konzeptlosigkeit oder Unsicherheit, vielmehr ist die Tendenz<br />
erkennbar, den Antrieb bzw. das Energiemanagement an Bord an<br />
die Vielfalt zukünftiger Automobile technisch und wirtschaftlich<br />
anzupassen. Mehr noch, die Konzepte polarisieren sich nach Energieträgern,<br />
Energiewandlern und Energiespeichern sowie Antriebsart.<br />
Daraus sind vielfältige Kombinationen ableitbar. Wesentliche<br />
Kolbenmotor als<br />
Stromgenerator<br />
(Otto-/Diesel)<br />
+ Generator<br />
Antrieb Elektromotor(-en) Elektromotor(-en) Elektromotor(-en) Elektromotor(-en)<br />
+ Kolbenmotor<br />
Antriebsszenarien für zukünftige Automobile.<br />
Zum Teil kontroverse Entwicklungsszenarien<br />
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Brennstoffzelle<br />
(gleicher Kraftstoff<br />
wie Antriebsmotor)<br />
Kolbenmotor<br />
(elektrische Steuerung<br />
von Ventiltrieb,<br />
Einspritzung, Wasserpumpe,<br />
Lüfter)<br />
Antriebsszenarien, die derzeit intensiv untersucht werden, sind in<br />
obenstehender Tabelle zusammengefasst.<br />
Das Potenzial der Wärmekraftmaschinen als Antrieb, aber auch<br />
als Stromgenerator lässt nicht erwarten, dass in den nächsten Jahrzehnten<br />
ihre eindeutige Dominanz in Antriebssystemen in Automobilen<br />
von Elektromotoren im Zusammenspiel mit Batterien<br />
oder Brennstoffzellen relativiert werden kann. Dafür sprechen<br />
Vorteile bezüglich Energieverbrauch, gesamte Schadstoffemission,<br />
technische Komplexität, Abmessungen, Gewicht, bei der Betrachtung<br />
von der Energiequelle bis zum Rad des Fahrzeugs.<br />
Konvergenz von Otto- und Dieselmotoren<br />
Die konsequente Verbesserung der thermodynamischen Prozesse<br />
in Verbrennungsmotoren – von Ladungswechsel, Gemischbildung<br />
und Verbrennung bis zur Wärmeübertragung – lassen eine weitere<br />
Senkung des spezifischen Kraftstoffverbrauchs um mehr als 30<br />
Prozent zu. Die Schadstoffemssion wird durch Prozessgestaltung,<br />
katalitische Nachbehandlung und Einsatz neuer Kraftstoffe<br />
beachtlich gesenkt.<br />
Die zukünftigen Kolbenmotoren werden durch folgende Funktionen<br />
geprägt sein: vollvariable Ventilsteuerung, doppelte Aufladung,<br />
Kraftstoffdirekteinspritzung, kontrollierte Selbstzündung, Management<br />
der Kühlung. Durch Plattformlösungen bezüglich Ladungswechsel<br />
(Aufladesysteme, Ventilsteuerung), Kraftstoffzufuhr<br />
(Direkteinspritzsysteme), Gemischbildung im Brennraum (Mehrfacheinspritzung)<br />
und Verbrennung (kontrollierte Selbstzündung)<br />
wird es teilweise zu einer Konvergenz von Otto- und Dieselmotoren<br />
kommen, insbesondere für den Einsatz in Mittelklassewagen.<br />
Ein solcher Motor mit 3 bis 4 Zylindern bei einem Hubraum<br />
von 0,8–1,4 dm³ wird bei Fahrzeug-Teillast in seinem Volllastbereich<br />
arbeiten, um stets einen hohen Wirkungsgrad zu erreichen.<br />
Bei hoher Leistungsanforderung des Fahrzeugs wird mittels<br />
zuschaltbarer Aufladesysteme (elektrisch angetriebener<br />
01/<strong>20</strong>11 33
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Übersicht der Antriebssysteme, Energiespeicherformen und Energieumwandlungskonzepte<br />
für Fahrzeugantriebe.<br />
Funktionsmodule eines Verbrennungsmotors mit Aktivierungsenergie<br />
von einer stationär arbeitenden Brennstoffzelle an Bord (gleicher<br />
Kraftstoff für Verbrennungsmotor und Brennstoffzelle).<br />
Range Extender: Citroen Saxo Dynavolt mit Elektroantrieb und<br />
Zweitaktmotor mit Direkteinspritzung als Stromgenerator.<br />
34<br />
01/<strong>20</strong>11<br />
Kompressor und zusätzliche Turboaufladung) die Ladung mit Luft-/<br />
Kraftstoffgemisch erhöht, wodurch die Leistung zunimmt.<br />
Grundsätzliche Unterschiede zwischen Otto- und Dieselmotoren,<br />
insbesondere der Drehmomentverlauf und der Herstellungspreis,<br />
werden jedoch eine allgemeine Verschmelzung<br />
dämpfen: für kompakte, preiswerte Automobile haben kleine,<br />
effiziente Ottomotoren eindeutig Vorteile, für leistungsstarke<br />
Oberklassewagen sind Dieselmotoren die bessere Alternative.<br />
Zwischen Konkurrenz und Partnerschaft<br />
Der Hybridantrieb mittels Elektro- und Kolbenmotor wird seit<br />
Ende der 1990er <strong>Jahre</strong> von Toyota erfolgreich produziert. Diese<br />
Antriebsform war zuvor bei AUDI bereits in Serienproduktion<br />
(A4 duo – 1997) nachdem alternative Antriebskonzepte<br />
(AUDI 100 duo – 1989; AUDI 100 duo – 1991) erprobt wurden.<br />
Der prinzipielle Vorteil solcher Lösungen besteht in der günstigen<br />
Kombination des Drehmomentverlaufes eines Elektromotors<br />
(mit dem Maximum im niedrigen Drehzahlbereich,<br />
von der Drehzahl Null an) mit jenem eines Kolbenmotors (mit dem<br />
Maximum im höheren Drehzahlbereich). Dieser Vorteil kommt<br />
insbesondere beim Anfahren bzw. bei niedrigen Geschwindigkeiten<br />
zum Tragen. Zwei günstige Einsatzgebiete sind demzufolge<br />
schwere Fahrzeuge bzw. Fahrzeuge im Stadtverkehr. Es wurden<br />
bereits unterschiedliche Varianten zur Kombination beider<br />
Antriebe realisiert.Ein anderes Konzept geht davon aus, dass<br />
beide Antriebsanteile nicht mechanisch angekoppelt sein müssen:<br />
der Verbrennungsmotor treibt beispielsweise die Vorderachse<br />
des Fahrzeuges an, der Elektromotor die Hinterachse (Lexus<br />
RX 400 h, Citroen – wie bei AUDI 100 – 1989).<br />
Statt der Kombination des Antriebs-Verbrennungsmotors mit<br />
Antriebs-Elektromotor(en) kann jedoch ein alleiniger Antriebs-<br />
Verbrennungsmotor eingesetzt werden, der je nach Drehmomentbedarf<br />
ein- oder zweimal aufgeladen wird, beispielsweise<br />
mittels Kompressor und Turboaufladung. Der Kompressor kann<br />
dabei günstigerweise elektrisch angetrieben werden, wobei<br />
ein solcher Elektromotor weitaus kompakter und preiswerter<br />
als ein Antriebs-Elektromotor ist. Im niedrigen Lastbereich<br />
des Fahrzeugs arbeitet der kompakte Verbrennungsmotor bei<br />
seiner Volllast, damit bei optimalem Wirkungsgrad, d. h. mit<br />
niedrigem spezifischem Kraftstoffverbrauch. Im höheren<br />
Lastbereich des Fahrzeugs arbeitet der Verbrennungsmotor<br />
nach wie vor in seinem Volllastbereich, jedoch bei zugeschalteter<br />
Aufladung mit mehr Gemischmasse (was einem Motor<br />
mit größerem Hubvolumen gleich kommt). Dadurch funktioniert<br />
der Motor stets in seinem effizientesten Betriebsbereich.<br />
Die Erweiterung der letzt erwähnten Lösung mit einer stationär<br />
arbeitenden Brennstoffzelle (APU – Auxiliary Power Unit)<br />
auf Basis des gleichen Kraftstoffes an Bord wie für einen<br />
Kolbenmotor zur Absicherung der elektrischen Funktionen<br />
nicht nur des Fahrzeugs, sondern auch des Kolbenmotors<br />
selbst, ist ein weiterer Schritt zur deutlichen Verbesserung der<br />
Gesamtenergiebilanz an Bord.<br />
Die Funktion einer Wärmekraftmaschine als Stromgenerator<br />
ist dadurch gekennzeichnet, dass der Last- und Drehzahlbereich<br />
gegenüber einem Antriebsmotor extrem eingegrenzt<br />
ist. Dadurch kann der Verbrennungsprozess nahezu optimal<br />
gestaltet werden – wodurch Verbrauch und Emissionen weitaus<br />
unter denen eines Antriebsmotors sind.<br />
Bereits vor zwölf <strong>Jahre</strong>n wurden bei PSA Prototypfahrzeuge<br />
(Citroen Saxo) innerhalb eines Forschungsprojektes mit dem
Forschungs- und Transferzentrum e. V. an der Westsächsischen<br />
Hochschule Zwickau auf Basis eines neu entwickelten<br />
Boxer-Zweizylinder-Zweitaktmotors mit Benzindirekteinspritzung<br />
als Stromgenerator (10 kW bei 6000 U/min, Motormasse 8 kg,<br />
Motorabmessungen 35x25x25 cm) entwickelt. Der Benzinverbrauch<br />
von 2,4l/100 km im Stadtzyklus und die Reichweite<br />
von 4<strong>20</strong> Kilometer mit einem 15-Liter-Benzin-Tank empfehlen<br />
eine solche Lösung.<br />
Der Chevrolet Volt, der vor dem Serienstart steht, verfügt in<br />
ähnlicher Weise für den Antrieb über einen Elektromotor von<br />
1<strong>20</strong> kW/3<strong>20</strong> Nm und nutzt als Stromgenerator bei einer Leistung<br />
von 53 kW einen 3-Zylinder-Ottomotor mit Benzindirekteinspritzung<br />
und Turboaufladung. Renault hat bereits vor einem<br />
Jahrzehnt Prototypfahrzeuge mit Elektromotorantrieb mit<br />
Gasturbine als Stromgenerator erfolgreich erprobt. Mazda<br />
kündigte eine weitere Variante innerhalb des Konzeptes<br />
Elektroantrieb und Stromerzeugung an Bord mittels<br />
Wärmekraftmaschine an: Die Wärmekraftmaschine besteht in<br />
diesem Fall aus einem Wankelmotor mit Wasserstoffeinspritzung.<br />
Bei weitgehend stationärem Betrieb treten die<br />
Nachteile des Wankel-Verfahrens im Zusammenhang mit<br />
Ladungswechsel, Gemischbildung und Verbrennung bei einem<br />
stark gespreizten Drehzahlbereich nicht auf.<br />
Was treibt uns morgen an?<br />
Universallösung oder Vielfalt?<br />
Oberklassewagen, SUV: In Anbetracht der Fahrzeugmasse, der<br />
Fahrzeugeigenschaften und der repräsentativen Fahrprofile in<br />
dieser Klasse erscheinen dafür Voll-Hybrid-Lösungen bestehend<br />
aus einem Kolbenmotor und ein/zwei Elektromotoren als vorteilhaft.<br />
Mehr Gewicht und mehr Kosten (4000 bis 8000 Euro<br />
im Vergleich mit dem Antrieb mittels alleinigen Kolbenmotor)<br />
wird durch den Fahrzeuggesamtpreis in dieser Klasse relativiert.<br />
Mittelklassewagen: Kompakte Kolbenmotoren (3 Zylinder,<br />
etwa 1 Liter Hubraum) nach kombinierten Otto-/Dieselverfahren<br />
als Antrieb, mit stufenweise zuschaltbarer Aufladung,<br />
mit einem Stromgenerator auf Basis einer Brennstoffzelle – wobei<br />
Kolbenmotor und Brennstoffzelle von einem pflanzlichen Kraftstoff<br />
angetrieben werden – haben eindeutige Vorteile gegenüber<br />
anderer Lösungen für diese Fahrzeugklasse.<br />
Kompakte Stadtwagen: Reiner Elektromotorantrieb mittels<br />
Radnabenmotoren, Batterien mit hoher Energiedichte (Lithium-<br />
Ionen, Zink-Luft). Für Stadtverkehr, in Anbetracht der dringend<br />
erforderlichen Null-Emission von Kohlendioxid, Partikel, Schadstoffe<br />
und Lärm, bei einer moderaten Reichweite, ist diese Lösung<br />
unumgänglich, trotz des erheblichen Preises. Die Zunahme<br />
der Reichweite, aber auch die Abnahme der Batteriemasse,<br />
-abmessungen und Kosten durch eine stationär, als Stromgenerator<br />
arbeitende Wärmekraftmaschine (Wankel-, Stirling-,<br />
Zweitaktmotor oder Gasturbine) außerhalb der Null-Emission-<br />
Zonen hat als vorteilhaftes Konzept eine beachtliche Zukunft.<br />
Fazit: Die Vielfalt der zukünftigen Automobile bedingt die<br />
Diversifizierung ihrer Antriebe, deren modulare Auslegung,<br />
aber auch deren verknüpfte Funktion.<br />
Prof. Dr. Cornel Stan<br />
Zum Thema „Das Automobil der Zukunft – strategische<br />
Entwicklung zwischen Fahrzeugfunktionen, alternativen<br />
Antrieben, Fahreranpassung und globalisierter<br />
Auslegung“ spricht Prof. Cornel Stan am 1. Dezember<br />
<strong>20</strong>11, 16.30 Uhr im Vortragssaal des Horch Museums.<br />
Strong Hybrid.<br />
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Antrieb durch Verbrennungsmotor, Elektroenergie an Bord mittels<br />
Brennstoffzelle.<br />
Elektroantrieb mittels Wärmekraftmaschine (Otto-, Diesel-, Stirlingoder<br />
Joule-Kreisprozess).<br />
01/<strong>20</strong>11 35
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Was gibt es denn noch zu VERSUCHen?<br />
Ein „Autoleben“ im Zeitraffer – Versuchsaufgaben<br />
in der Fahrzeugentwicklung gestern und heute<br />
Im Entwicklungsprozess eines Fahrzeuges steht der Versuch hinter Design, Konstruktion und Prototypenbau an<br />
letzter Stelle (was natürlich keinerlei Wertung darstellt). Dementsprechend wird der Entwicklungsabschnitt<br />
Versuch auch als Absicherung bezeichnet.<br />
Außenstehende fragen sich sicherlich<br />
manchmal: Was gibt es denn noch zu<br />
versuchen? Das Auto existiert seit mehr<br />
als 100 <strong>Jahre</strong>n!<br />
Prinzipiell soll durch die Versuche ein<br />
„Autoleben“ nachvollzogen werden.<br />
Alle Einflüsse und Belastungen, die ein<br />
Fahrzeug während seiner Nutzungsdauer<br />
überstehen muss, werden während<br />
der Entwicklung im Zeitraffer bestmöglich<br />
nachgestellt. Ziel ist natürlich ein<br />
über die Lebensdauer funktionierendes<br />
Auto und damit zufriedene Kunden.<br />
Bereits aus dem meist weltweiten<br />
Einsatz der Fahrzeuge ergibt sich ein<br />
breites Spektrum an Anforderungen<br />
durch verschiedenste Klimabedingungen<br />
und Fahrbahnverhältnisse bzw. -zustände<br />
in den einzelnen Ländern. Diese Anforderungen<br />
werden größtenteils anhand<br />
spezifischer Erprobungsvorschriften der<br />
einzelnen Automobilhersteller überprüft.<br />
Ein weiterer Bestandteil der Erprobung<br />
ist der Nachweis der Erfüllung gesetzlicher<br />
Vorgaben und Regelungen, deren<br />
Hauptinhalt die Themen Sicherheit und<br />
Umwelt darstellen. Da keine weltweit<br />
einheitlichen Standards vorliegen, gibt es<br />
auch hier eine Vielzahl durchzuführender<br />
Versuche, z. B. in den Bereichen<br />
Crash, Fußgängerschutz oder Abgasuntersuchungen.<br />
Ein dritter und nicht zu unterschätzender<br />
Grund Versuche durchzuführen, ist<br />
das ständige Streben nach Neuentwicklungen<br />
und Verbesserungen. Egal,<br />
ob neue Antriebssysteme, Materialien,<br />
Fügeverbindungen (z. B. Kleben statt<br />
Schweißen), Funktionsprinzipien, Herstellungsverfahren<br />
oder auch Materialeinsparungen<br />
– alle Neuerungen müssen<br />
die entsprechenden Vorgaben erfüllen.<br />
So werden im Entwicklungsprozess<br />
eines Autos mehrere Baustufen bzw.<br />
Schleifen durchlaufen, um am Ende ein<br />
optimales Fahrzeug auf den Markt zu<br />
bringen.<br />
Besteht ein Bauteil in einer Baustufe<br />
36<br />
01/<strong>20</strong>11<br />
eine Prüfung nicht, ist es die Aufgabe der<br />
Versuchsmitarbeiter, die Ursache zu<br />
finden und zu analysieren, um den<br />
Konstrukteuren entsprechende Optimierungsmaßnahmen<br />
vorzuschlagen. In<br />
den letzten Schleifen werden dann<br />
Fahrzeuge erprobt, die schon unter den<br />
künftigen Serienbedingungen gefertigt<br />
wurden, um auch fertigungs- und mon-<br />
tagebedingte Fehlereinflüsse zu prüfen<br />
und erforderlichenfalls abzustellen.<br />
Im Bereich Karosserie liegen die Erprobungsschwerpunkte<br />
bei der Dauer- und<br />
Betriebsfestigkeit sowie statischen Steifigkeit<br />
und dynamischen Festigkeit.<br />
Dabei ist nicht nur die Karosserie an sich<br />
von Interesse, sondern auch Türen und<br />
Klappen (Front-, Heck- oder Tank-)<br />
sowie Kotflügel.<br />
Bei der Dauer- und Betriebsfestigkeit<br />
werden z. B. die Türen und Klappen<br />
oder auch Schlösser, Schiebedächer,<br />
Fensterheber etc. durch entsprechende<br />
Prüfstände tausende Mal geöffnet und<br />
geschlossen. Gegenüber der Vergangenheit,<br />
wo diese Versuche nur bei<br />
Raumtemperatur (23°C) stattfanden,<br />
werden diese sogenannten Dauerläufe<br />
mittlerweile bei unterschiedlichsten<br />
Temperatur- und Feuchtebedingungen<br />
in Klimakammern durchgeführt. Damit<br />
wird einerseits natürlich die Sicherheit<br />
Prüfung der Torsionssteifigkeit (Verdrehung) bei der Trabant-Karosserie.<br />
Foto: Archiv FES GmbH<br />
gegenüber Bauteilversagen im Einsatz in<br />
der gesamten Welt verringert und andererseits<br />
dem immer größer werdenden<br />
Anteil an Kunststoffen im Automobilbau<br />
Rechnung getragen – Kunststoffe sind<br />
nun mal anfälliger auf Temperaturänderungen<br />
als Stahl.<br />
Auf dem Gebiet der statischen Steifigkeit<br />
werden von Karosserien oder Komponenten<br />
Biege-, Torsions- und Flächensteifigkeiten<br />
ermittelt. Warum? So führt<br />
z. B. Fahren in unebenen Geländen auch<br />
zu Verformungen der Karosserie, die<br />
natürlich nur so gering sein sollten, dass
eispielsweise jederzeit ein problemloses<br />
Öffnen der Türen möglich ist.<br />
Diesen Belastungen werden Karosserien<br />
statisch im Versuch ausgesetzt und die<br />
Verformungen (Verdrehungen) messtechnisch<br />
ermittelt. Schon die Trabant-<br />
Karosserie wurde in den 1970er <strong>Jahre</strong>n<br />
dieser Prozedur unterzogen. Im Unterschied<br />
zu damals ist allerdings durch den<br />
Fortschritt in der Messtechnik der Aufwand<br />
wesentlich verringert worden.<br />
Mussten damals die analogen Messuhren<br />
der über 60 Messstellen abgelesen<br />
werden, erfolgt die Messung jetzt per<br />
„Knopfdruck“ mittels verschiedenster<br />
Wegmesstechnik, beispielsweise mit<br />
Laserdistanz-Sensoren.<br />
Auch bei der Ermittlung von Flächensteifigkeiten<br />
hat im Vergleich zu den<br />
1990er <strong>Jahre</strong>n moderne Messtechnik<br />
Einzug gehalten. Eine gewisse Flächensteifigkeit<br />
vermittelt dem Kunden spür-<br />
bare Solidität, wenn z. B. durch Polieren<br />
oder vielleicht auch Schieben des Fahrzeuges<br />
keine Beule entsteht. Wurde<br />
noch vor 15 <strong>Jahre</strong>n dafür ein Gewicht<br />
auf die entsprechende Messstelle aufgelegt<br />
und danach mittels Messuhr die<br />
bleibende Verformung gemessen, steht<br />
bei der FES GmbH Fahrzeug-Entwicklung<br />
<strong>Sachsen</strong> heute dafür eine Beulsteifigkeitsprüfvorrichtung<br />
zur Verfügung.<br />
Mittels dieser Vorrichtung ist man in der<br />
Lage, kontinuierlich aufgebrachte Kraft<br />
und entstandene Verformung (elastisch<br />
oder bleibend) aufzuzeichnen und somit<br />
wesentlich konkretere Aussagen über<br />
die Steifigkeit der Fläche zu treffen.<br />
Bei der dynamischen Festigkeit werden<br />
einzelne Bauteile bis hin zu gesamten<br />
Fahrzeugen Schwingungsbelastungen ausgesetzt<br />
und auf Schadenfreiheit (Risse,<br />
Brüche o. ä.) untersucht. Im Gegensatz<br />
zur Vergangenheit werden auch hier<br />
immer mehr Versuche mit verschiedenen<br />
Temperatur- oder Feuchtebedingungen<br />
sowie dem Einsatz von korrosiven<br />
Medien (z. B. Salzlauge) gekoppelt.<br />
In den letzten <strong>Jahre</strong>n hat sich verstärkt<br />
die Berechnung und Computersimulation<br />
als zweites Standbein der Absicherung,<br />
neben dem (Hardware-)Versuch,<br />
herausgebildet. Besonders im Bereich<br />
der statischen Belastungen sind wesentliche<br />
Fortschritte erzielt worden, sodass<br />
einige Versuche nicht mehr in jeder<br />
Baustufe der Fahrzeugentwicklung<br />
durchgeführt werden müssen. Vor dem<br />
Beulsteifigkeitsprüfvorrichtung auf dem Messe-Stand der FES GmbH bei der Testing Expo in<br />
Stuttgart.<br />
Foto: FES GmbH<br />
Hintergrund immer kürzer werdender<br />
Entwicklungszeiten und doch z. T. großen<br />
Aufwandes (zeitlich und monetär)<br />
für die Versuche wird diese Entwicklung<br />
weiter in alle Bereiche der „altehrwürdigen“<br />
Versuchsdurchführung eindringen.<br />
Vielleicht heißt es irgendwann: Was gibt<br />
es denn noch zu VERSUCHen?<br />
Ronald Preussler<br />
Versuch – Teamleiter<br />
Karosserie/Exterieur<br />
FES GmbH Fahrzeug-Entwicklung <strong>Sachsen</strong>/<br />
Auto-Entwicklungsring <strong>Sachsen</strong> GmbH<br />
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
01/<strong>20</strong>11 37
Mit Vorsprung durchgestartet<br />
und in der Erfolgsspur geblieben<br />
Horch Museum würdigte mit<br />
„<strong>20</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>VW</strong> <strong>Sachsen</strong>“ die „einzig lebende Marke“ in der Schau<br />
Der „einzig lebenden Marke“ im August Horch Museum, so dessen Direktor Rudolf Vollnhals, widmete die<br />
Einrichtung von Dezember <strong>20</strong>10 bis März <strong>20</strong>11 eine Sonderschau. Der Anlass dafür war mehr als gerechtfertigt:<br />
<strong>20</strong> <strong>Jahre</strong> Volkswagen in <strong>Sachsen</strong>. Traditionell steht vor solchen Ausstellungseröffnungen eine Einführung. Für<br />
diesen besonderen Anlass waren besondere Gesprächspartner zu einer Podiumsdiskussion gekommen: Prof. Dr.<br />
Carl H. Hahn, der das <strong>VW</strong>-Engagement in <strong>Sachsen</strong> begründete, Dr. Gerd G. Heuß, der die Standorte in Zwickau<br />
und Chemnitz aufbaute, und Hans-Joachim Rothenpieler, der die Zukunft für <strong>VW</strong> Zwickau, Chemnitz und jetzt<br />
auch Dresden gestaltet. Moderiert wurde die Runde von Automobilhistoriker Prof. Dr. Peter Kirchberg.<br />
Würde die sächsische Autotradition reichen,<br />
um 1990 hier völlig neu durchzustarten?<br />
Mit dieser Frage eröffnete<br />
Prof. Kirchberg die Diskussion. Für den<br />
gebürtigen <strong>Sachsen</strong> Prof. Hahn leitet<br />
sich die Antwort bereits aus seiner Zeit<br />
38<br />
01/<strong>20</strong>11<br />
als Lehrling bzw. Hilfskraft bei der Auto<br />
Union Anfang der 1940er <strong>Jahre</strong> ab. „Ich<br />
habe das Pflichtbewusstsein der Menschen<br />
in der Region kennengelernt. Dieser<br />
Eindruck begleitet mich mein ganzes<br />
Leben lang.“ Als er zur Wende als <strong>VW</strong>-<br />
Blick in die Sonderausstellung „<strong>20</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>VW</strong> <strong>Sachsen</strong>“. Auf dem Podest ein Golf II, das erste<br />
Golf-Modell, das in Zwickau gefertigt wurde.<br />
Vorstandsvorsitzender die Entscheidung<br />
für das Engagement in <strong>Sachsen</strong> fällte,<br />
gab es bereits Erfahrungen durch die<br />
Zusammenarbeit im Alpha-Motoren-<br />
Projekt mit Barkas Chemnitz in den<br />
1980er <strong>Jahre</strong>n. „Wir glaubten damals<br />
Prof. Carl Hahn (r.), Dr. Gerd Heuß (l.) und<br />
Hans-Joachim Rothenpieler (2. v. l.) mit dem<br />
letzten Horch-Lehrling Edgar Friedrich vor
zwar nicht an eine nahe Wiedervereinigung,<br />
aber wir wollten den Fuß in der<br />
Tür haben, wenn sich im COMECON<br />
(RGW – die Redaktion) etwas ändert. In<br />
dem Projekt dauerte zwar alles länger<br />
als geplant, aber wir konnten zur Wende<br />
einen fliegenden Start hinlegen, hatten<br />
Motoren und Vorsprung vor anderen.“<br />
Auch in Zwickau gab es keinen Abbruch<br />
der Fertigung. Im neuen <strong>Sachsen</strong>ring-<br />
Werk in Mosel lief am 21. Mai 1990 der<br />
erste <strong>VW</strong> Polo aus <strong>Sachsen</strong> vom Band,<br />
noch mit dem Trabant 1.1.1991 begann<br />
das Golf-Zeitalter.<br />
Für Dr. Gerd G. Heuß, von 1991 bis<br />
<strong>20</strong>00 Geschäftsführer der <strong>VW</strong> <strong>Sachsen</strong><br />
GmbH, war der Aufbau einer modernen<br />
Fahrzeug- und Motorenfertigung eine<br />
Riesenherausforderung. „Von Anfang an<br />
herrschte eine große Offenheit, eine<br />
Herzlichkeit und ein großes Ziel – das<br />
Projekt unbedingt zum Erfolg führen.<br />
Das galt nicht nur für die exzellente<br />
Mannschaft im Werk, sondern auch für<br />
die Zusammenarbeit mit den Behörden<br />
beim Ausbau der Infrastruktur. Vieles<br />
von dem, was damals ging, trauen sich<br />
Regierende heute nicht mehr“, so Heuß.<br />
Entstanden sind leistungsfähige fahr-<br />
einem Bentley, dessen Karosserie ebenfalls in<br />
Zwickau gefertigt wird.<br />
Fotos: Frank Reichel<br />
zeug- und motorenbauende Werke in<br />
<strong>Sachsen</strong>, welche die Konzernspitze mitbestimmen.<br />
Hans-Joachim Rothenpieler,<br />
seit September <strong>20</strong>10 Chef von <strong>VW</strong><br />
<strong>Sachsen</strong>, führt diese Erfolgsgeschichte<br />
mit den aktuell rund 7500 Mitarbeitern<br />
mit forciertem Tempo fort. Nach der<br />
Rekordfertigung von rund 250.000<br />
Fahrzeugen <strong>20</strong>10, kann diese Zahl bis<br />
auf 300.000 gesteigert werden. Neben<br />
Golf und Passat könne er sich ein weiteres<br />
großes Projekt vorstellen, so<br />
Rothenpieler. Was im Dezember <strong>20</strong>10<br />
noch Zukunftsmusik war, ist im April<br />
<strong>20</strong>11 bereits Realität: <strong>VW</strong> Zwickau hat<br />
den Zuschlag für ein drittes Modell<br />
erhalten – den Golf Variant. Auch für<br />
den Phaeton- und Bentley-Karosseriebau<br />
wird <strong>20</strong>11 weiteres Wachstum erwartet.<br />
Das Motorenwerk in Chemnitz,<br />
bekannt für bestes Anlaufmanagement<br />
im Konzern und „Fabrik des <strong>Jahre</strong>s<br />
<strong>20</strong>09“, bereitet sich darauf vor, auch<br />
den Serienanlauf der nächsten Generation<br />
der Vierzylinder-Ottomotoren<br />
zum Erfolg zu führen.<br />
Ina Reichel<br />
Junge Leute für<br />
betagte Autos begeistern<br />
Dr. Bernd Czekalla (l.) überreichte Rudolf<br />
Vollnhals einen Scheck in Höhe von 500 Euro.<br />
Der Golf II in der Sonderschau war ein<br />
in Zwickau/Mosel produziertes Sondermodell<br />
„Function“ aus dem Jahr<br />
1992. Der langjährige <strong>VW</strong> <strong>Sachsen</strong>-Mitarbeiter<br />
Dr. Bernd Czekalla hat ihn gemeinsam<br />
mit Auszubildenden für die<br />
Ausstellung aufbereitet. Um solche Aktivitäten<br />
evtl. mit Fahrzeugen aus dem<br />
Museumsfundus fortzuführen, überreichte<br />
er an Direktor Rudolf Vollnhals<br />
einen Scheck in Höhe von 500 Euro.<br />
Drei Protagonisten für <strong>VW</strong> <strong>Sachsen</strong>: Prof. Dr. Carl H. Hahn (M.) legte den Grundstein für das<br />
<strong>VW</strong>-Engagment, Dr. Gerd G. Heuß (r.) baute die Standorte auf und Hans-Joachim Rothenpieler<br />
gestaltet die Zukunft.<br />
01/<strong>20</strong>11 39
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Awtowelo 650 zurück in Chemnitz<br />
Restauriertes Rolling Chassis im Industriemuseum<br />
Seit Ende März kann das Industriemuseum Chemnitz ein weiteres seltenes Exponat sächsischer<br />
Automobilbaukunst zeigen. Der Rennwagen Awtowelo 650 kehrte als Rolling Chassis zurück nach Hause. Ganze<br />
zwei Stück sind davon zwischen 1948 und 1952 im Automobiltechnischen Büro Chemnitz im Gebäude der ehemaligen<br />
Zentralen Versuchsanstalt der Auto Union an der Kauffahrtei gebaut worden.<br />
Auftraggeber für die Rennwagen war das sowjetische Kombinat<br />
Awtowelo, dass sich hauptsächlich aus dem Automobilwerk<br />
Eisenach sowie der Jagdwaffenschmiede Suhl zusammensetzte<br />
und auch das Büro in Chemnitz unterhielt. Um den<br />
Awtowelo 650 ranken sich manche Legenden. So vermutete<br />
man in ihm Fragmente des letzten Auto Union-Silberpfeils Typ<br />
E. Dem sei nicht so, stellte Eberhard Kreßner vom Förderverein<br />
des Industriemuseums klar, der Geschichte und Restauration<br />
des Fahrzeugs aufzeigte. Im Frühjahr 1952 mussten die<br />
Wagen relativ überstürzt für den Transport in die Sowjetunion<br />
vorbereitet werden. Dort sollten sie unter dem Namen Sokol<br />
(Falke) Rennen bestreiten, kamen aber nie so richtig zum Laufen,<br />
weil den dortigen Akteuren wohl die richtige Treibstoffmischung<br />
nicht gelang. Also wurden die Wagen, für die sich<br />
auch Stalin-Sohn Wassilij interessiert hatte, wieder zerlegt und<br />
nach Berlin geschickt. Die Verbindung zu den Entwicklern in<br />
Chemnitz schien nicht bekannt zu sein, denn es gab keine<br />
Das Rolling Chassis des Awtowelo 650<br />
hat seinen Platz in der Dauerausstellung<br />
des Industriemuseums Chemnitz<br />
gefunden.<br />
40<br />
01/<strong>20</strong>11<br />
Berührung mehr zwischen ihnen und den Fahrzeugen. Die<br />
Wagen kamen zum Rennkollektiv Johannisthal und wurden<br />
nach dessen Auflösung im November 1952 vom Automobilwerk<br />
Eisenach übernommen.<br />
Einen Auftritt erlebten sie noch in dem DEFA-Streifen „Rivalen<br />
am Steuer“ von 1957. Mit Auflösung des Eisenacher<br />
Rennstalls kamen die Wagen, die während der Dreharbeiten<br />
wohl ihre Karosserien eingebüßt hatten, als Rolling<br />
Chassis an die TU Dresden bzw. an die heutige Westsächsische<br />
Hochschule Zwickau (WHZ). Während das Chassis<br />
aus Zwickau lange Zeit verschwand und als Awtowelo mit<br />
vier Ringen im englischen Rennsportmuseum Donington<br />
wieder auftauchte, blieben Fragmente in Dresden erhalten.<br />
Diese Teile wiederum bildeten die Grundlage für die Restauration.<br />
Entstehen sollte ein Rolling Chassis in dem Zustand,<br />
in dem es die TU Dresden aus Eisenach übernommen<br />
hatte.<br />
Nach rund dreijähriger Arbeit haben die Partner Industriemuseum<br />
Chemnitz und dessen Förderverein, TU Dresden<br />
sowie WHZ mit Unterstützung der IAV Chemnitz und weiteren<br />
Firmen dieses Ziel geschafft. Studenten der WHZ<br />
haben Chassis und Karosserie digital rekonstruiert sowie<br />
mittels 3D-Drucker ein Modell im Maßstab 1:24 erstellt.<br />
Nicht mehr vorhandene Teile wurden mit CNC- und<br />
Rapid-Prototyping-Verfahren nachgefertigt.<br />
Ina Reichel
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Vom aerodynamisch optimalen Steilheck<br />
und dem Konzept des „Miteinander“<br />
„OST-FORM“–Vortrag von<br />
Prof. Clauss Dietel zu Fahrzeugformen in der DDR<br />
Fahrzeugformen in der DDR sind meist mit dem Namen Prof. Clauss<br />
Dietel verbunden. Über „OST-FORM“ sprach der Kfz-Techniker und<br />
Formgestalter Anfang November <strong>20</strong>10 im Horch Museum Zwickau.<br />
Zu Beginn seiner Berufstätigkeit Anfang<br />
der 1960er <strong>Jahre</strong> im Zentrum Entwicklung<br />
und Konstruktion für den Fahrzeugbau<br />
Karl-Marx-Stadt sei die Arbeit an den<br />
Maßstäben der Auto Union gemessen<br />
worden. Die F-Reihe von DKW war nach<br />
dem Krieg Anreger für den Fahrzeugbau<br />
in vielen Ländern Europas. Das, so Dietel,<br />
„perfekt gestaltete“ Motorrad RT 125<br />
wurde über 50 Mal kopiert und begründete<br />
den Zweiradbau bei Yamaha in Japan.<br />
Als „plastisch hervorragend ausgebildete<br />
Form“ bewertete er den Horch<br />
930S, der zwischen 1938 und 1948 in nur<br />
wenigen Exemplaren hergestellt wurde.<br />
Das erste Fahrzeug mit Ostidentität sei<br />
der BMW 340 aus Eisenach gewesen. Danach<br />
folgte der <strong>Sachsen</strong>ring P 240, der<br />
unter Mitwirkung des Auto Union-Gestalters<br />
Günther Mickwausch entstand. Die<br />
erste Duroplastkarosserie des P70 und<br />
vor allem der P50 seien damals durchaus<br />
auf der Höhe europäischer Maßstäbe gewesen.<br />
Das Prädikat „aerodynamisch optimal“<br />
gab Dietel dem Wartburg 311 Camping<br />
mit Steilheck, eine Ausführung der<br />
Karosseriewerke Dresden.<br />
Dietel selbst stieg 1961 in seiner Diplomphase<br />
mit Steil-, Voll- und Stufenheckstudien<br />
in die Fahrzeuggestaltung ein. 1962<br />
wurde aus dem Stufenheck-Diplommodell<br />
der Grundentwurf für den Wartburg.<br />
Es folgten 1963 Arbeiten an einem neuen<br />
Lkw, der nie gebaut wurde, sowie von<br />
1964 bis 1968 an einem der wichtigsten<br />
Projekte für die DDR-Pkw-Industrie: dem<br />
P 603. Der Grundentwurf kam von Lothar<br />
Sachse. Modifikationen und Innenraumgestaltung<br />
leisteten Clauss Dietel und<br />
Lutz Rudolph. Der P 603 sollte den Trabant<br />
601 ablösen. Dazu kam es jedoch<br />
nicht, genauso wenig wie zur Einführung<br />
weiter folgender Entwicklungen wie dem<br />
RGW-Auto P 760 oder dem Trabant P 610,<br />
der als Steilheck beste cw-Werte im Windkanal<br />
erzielte. Mit dem P 601 WII wurde<br />
1981/82 versucht, eine Karosserie für<br />
den Übergang zum 4-Takt-Motor zu etablieren.<br />
Als 1984 die Entscheidung fiel,<br />
die neue Motorisierung unter die alte Hülle<br />
zu packen, beendete Clauss Dietel die<br />
Zusammenarbeit mit <strong>Sachsen</strong>ring. Er ar-<br />
Prof. Clauss Dietel in der ihm gewidmeten<br />
Ausstellung „Fahrzeugformen ab<br />
1961“, die Ende <strong>20</strong>04/Anfang <strong>20</strong>05 im<br />
Industriemuseum Chemnitz stattfand.<br />
Foto: Archiv Reichel<br />
beitete weiter für den Lkw L60, für Simson-Mopeds<br />
und MZ-Motorräder sowie<br />
für Robur-Busse und -Lkw.<br />
Dem heutigen Konzept des Wegwerfens,<br />
der Aggressivität des Gegeneinanders<br />
stellt er die Mobilität des Miteinanders<br />
gegenüber. Eine Vision dazu offenbart<br />
die von Prof. Dietel betreute Diplomarbeit<br />
„Der Miteinander“ von Jens Lehmann.<br />
In dem für vier Personen konzipierten<br />
Fahrzeug wird die Position des Fahrzeugführers<br />
neu gemischt. Er kann das Fahrzeug<br />
von hinten aus einer aufrechten, fast<br />
stehenden Haltung steuern und hat seine<br />
Passagiere im Blick. Das 2,10 Meter<br />
hoch gebaute Elektroauto gestattet ein<br />
bequemes Ein- und Aussteigen. Der modulare<br />
Aufbau ermöglicht es außerdem,<br />
immer nur die „Bausätze“ mit zu haben,<br />
die auch gebraucht werden. So kann die<br />
Kofferbox je nach Bedarf mitgeführt oder<br />
entfernt werden. Der „Miteinander“ soll<br />
Beifahrerkomfort und Fahrerdynamik erhöhen<br />
und so zu einer beweglichen<br />
Fahralternative der Zukunft werden.<br />
IR<br />
01/<strong>20</strong>11 41
42<br />
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Oldtimertermine <strong>20</strong>11<br />
Messen<br />
10. bis 11. September:<br />
5. Chemnitzer Oldtimer Messe,<br />
Chemnitz,<br />
www.oldtimermesse-chemnitz.de<br />
16. bis 17. Oktober:<br />
Oldtema, Halle/Saale, www.oldtema.de<br />
26. November bis 4. Dezember:<br />
Motor Show, Essen, www.siha.de<br />
Teilemärkte<br />
8. Mai:<br />
Veteranen- und Teilemarkt,<br />
Oschatz, Tel.: 03435 6<strong>20</strong>493<br />
40. Teilemarkt am Fahrerlager,<br />
Schleiz, www.schleizer-dreieck.de<br />
11. bis 13. Juni:<br />
Teilebasar zum <strong>20</strong>. Kfz-Vetera,<br />
Strahwalde,<br />
www.oldtimertreffen-strahwalde.de<br />
11. September:<br />
Oldtimer-Teilemarkt, Torgau,<br />
Tel.: 03421 774685<br />
25. September:<br />
Veteranen- und Teilemarkt, Oschatz,<br />
Tel.: 03435 6<strong>20</strong>493<br />
8. Oktober:<br />
Herbstteilemarkt, Stolpen,<br />
Tel.: 035975 80746<br />
Herbst Oldtimer-/Teilemarkt,<br />
Reichenbach,<br />
www.oldtimerclub-reichenbach.de<br />
15. bis 16. Oktober:<br />
Oldtema Teilemarkt, Halle,<br />
www.oldtema.de<br />
30. Oktober:<br />
Teilemarkt am Flugplatz, Greiz,<br />
Tel.: 03661 673801<br />
Veranstaltungen<br />
6. bis 8. Mai:<br />
5. Treffen historischer<br />
Militärfahrzeuge, Auerbach,<br />
www.manöver-frühauf.de<br />
7. bis 8. Mai:<br />
Oldtimer- und Ostfahrzeug-Treffen,<br />
Schleizer Dreieck, Tel.: 03663 40061<br />
8. Mai:<br />
Old- und Youngtimerausfahrt,<br />
Flöha, www.mc-floeha.de<br />
Schwanen Klassik, Zwickau,<br />
www.fh-zwickau.de<br />
Oldieausfahrt durchs Zschopautal,<br />
Flöha, www.mc-floeha.de<br />
14. bis 15. Mai:<br />
12. IFA Fahrzeugfestival,<br />
Auerbach Rebesgrün,<br />
www.vogtland-ifa.de<br />
15. Mai:<br />
11. Via Regia Classic, Markranstädt,<br />
www.oldtimerverein.de<br />
01/<strong>20</strong>11<br />
<strong>20</strong>. bis 22. Mai:<br />
Präsentationslauf historischer<br />
Rennfahrzeuge, Käbschütztal,<br />
www.bernds-mopedladen.de<br />
21. Mai:<br />
21. Internationale Hatz auf die Katz,<br />
Saalfeld, www.originalhatz.de<br />
22. Mai:<br />
22. ADAC Fahrertreffen für Oldtimer<br />
und historische Renn- und<br />
Sportfahrzeuge, Greiz,<br />
Tel.: 03661 41216<br />
13. Prinz-Heinrich-Oldtimerausfahrt,<br />
Pausa, Tel.: 037432 <strong>20</strong>607<br />
29. Mai:<br />
26. Oldtimerausfahrt, Greiz,<br />
www.oldtimerfreundegreiz.de<br />
4. Juni:<br />
Kirchberg Classics, Kirchberg,<br />
www.kirchberg-classics.de<br />
11. bis 13. Juni:<br />
Oberlausitzer Kfz-Veteranentreffen,<br />
Strahwalde,<br />
www.oldtimertreffen-strahwalde.de<br />
10. bis 13. Juni:<br />
Phänomen/Robur <strong>Jahre</strong>streffen,<br />
Strahwalde,<br />
www.oldtimertreffen-strahwalde.de<br />
11. Juni:<br />
14. Pöhlberg Preis, Annaberg-Buchholz,<br />
www.amc-annaberg.de<br />
16. bis 18. Juni:<br />
3. European Auto Classic, Leipzig,<br />
www.leipzig-classic.de<br />
17. bis 18. Juni:<br />
13. Oldtimertreffen-Ausfahrt,<br />
Brand Erbisdorf, Tel.: 037322 32410<br />
18. Juni:<br />
<strong>Sachsen</strong>erlebnistour <strong>20</strong>11, Chemnitz,<br />
www.chemnitzer-oldtimerclub.de<br />
23. bis 26. Juni:<br />
23. Dresdener Veteranenfahrt,<br />
Dresden, www.mvd-ev.de<br />
24. bis 26. Juni:<br />
16. Internationales Trabifahrertreffen,<br />
Zwickau, www.horch-museum.de<br />
26. Juni:<br />
Veteranenrallye, Oschatz,<br />
Tel.: 03435 6<strong>20</strong>493<br />
3. Juli:<br />
30. Oldtimerfahrt Thüringen Holzland,<br />
Hermsdorf,<br />
www.mc-hermsdorfer-kreuz.de<br />
7. bis 10. Juli:<br />
9. Alpenfahrt Dresden und Erzgebirge,<br />
Dresden-Pillnitz, Tel.: 08152 999173<br />
9. Juli:<br />
24. Oldietreffen des MC Greiz, Greiz,<br />
www.oldtimerfreundegreiz.de<br />
24. Juli:<br />
1. August Horch Klassik, Zwickau,<br />
www.horch-museum.de<br />
5. August:<br />
Bergrennen, Lückendorf,<br />
www.mc-robur-zittau.de<br />
5. bis 7. August:<br />
5. Ezgebirgs Classic und SommerOldies,<br />
Zwönitz, www.sommeroldies.de<br />
6. August:<br />
21. Internationales Oldtimertreffen,<br />
Stolpen, Tel.: 035975 80746<br />
7. bis 11. August:<br />
Schlösser, Berge und Porzellan<br />
Oldietour, Dresden,<br />
www.classic-event-organisation.eu<br />
13. August:<br />
18. Oldietreffen, Münchenbernsdorf,<br />
Tel.: 036604 80484<br />
14. August:<br />
Oldtimertreffen mit Ausfahrt,<br />
Kohren-Sahlis, Tel.: 034344 62622<br />
<strong>20</strong>. bis 21. August:<br />
ADMV Classic Cup, Reinsdorf,<br />
www.mc-zwickau.de<br />
19. bis 21. August:<br />
12. Saalfelder Feengrotten-Classics,<br />
Saalfeld, www.hatz-auf-die-katz.de<br />
27. August:<br />
Oldtimerausfahrt, Zeulenroda,<br />
www.ocz-online.de<br />
27. bis 28. August:<br />
6. Treffen für RT125 Fahrer,<br />
Dorfchemnitz, Tel.: 0172 9539<strong>20</strong>6<br />
2. bis 3. September:<br />
Historic Rallye Erzgebirge, Chemnitz,<br />
www.historic-rallye-erzgebirge.de<br />
3. bis 4. September:<br />
13. OMMA OstMobile Meeting,<br />
Magdeburg,<br />
www.ifa-freunde-sachsen-anhalt-ev.de<br />
9. bis 11. September:<br />
13. Reichwalder P2M und P3 Treffen,<br />
www.allradgraupner.de<br />
10. September:<br />
3. DKW Motorradtreffen, Greiz,<br />
www.oldtimerfreundegreiz.de<br />
24. bis 25. September:<br />
5. Bergpreis Mühlwald, Reichenbach,<br />
www.oldtimerclub-reichenbach.de<br />
24. bis 25. September:<br />
8. Saalburger Euregio-Egrensis-Classic,<br />
Saalburg, www.adam-iese.classic.de<br />
4. bis 6. September:<br />
12. Internationales Millitärfahrzeug<br />
Treffen, Reichwalde,<br />
www.allradgraupner.de<br />
Änderungen vorbehalten! Alle<br />
Angaben ohne Gewähr!
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Förderverein zieht eindrucksvolle Bilanz für <strong>20</strong>10<br />
Mitgliederversammlung wählte neues Präsidium mit Frank Weidenmüller an der Spitze<br />
Eine eindrucksvolle Bilanz für das Geschäftsjahr<br />
<strong>20</strong>10 konnte der amtierende<br />
Geschäftsführer des Gemeinnützigen Fördervereins<br />
August Horch Museum Zwickau<br />
e. V., Dr. Bernd Czekalla, zur Mitgliederversammlung<br />
am 16. April <strong>20</strong>11 ziehen.<br />
Höhepunkt war zweifellos die Fertigstellung<br />
des Rennwagen-Nachbaus<br />
Auto Union Typ C von 1936, der seit Februar<br />
<strong>20</strong>11 einen repräsentativen Platz in<br />
der Dauerausstellung gefunden hat. Für<br />
die weitere Bereicherung der Rennsportgeschichte<br />
sorgen die Original-Fahrerlizenzen<br />
von Hans Stuck und Achille<br />
Varzi, die Dr. Czekalla an Museumsdirektor<br />
Rudolf Vollnhals übergab. In den<br />
Arbeitsgruppen des Vereins wurden die<br />
Digitalisierung historischer Filmaufnahmen<br />
und die Dokumentierung des aktuellen<br />
Geschehens fortgesetzt, ebenso<br />
die Befragung von Zeitzeugen des westsächsischen<br />
Automobilbaus. Letztere<br />
Dokumente werden mit der Westsächsischen<br />
Hochschule für eine Online-<br />
Präsentation aufbereitet.<br />
Rudolf Vollnhals informierte über die Erweiterungspläne<br />
für das Museum. Mehr<br />
Platz für Sonderausstellungen, für die<br />
Rennsporthistorie, für die Geschichte des<br />
VERANSTALTUNGEN<br />
Donnerstag, 5. Mai <strong>20</strong>11, 16.30 Uhr<br />
Vortrag zum Thema: Logistik in der Automobilindustrie<br />
Vortragender: Prof. Dr. Gerhard Sommerer, TU Dresden<br />
August Horch Museum Zwickau, Audistraße 7, Vortragssaal<br />
Donnerstag, 9. Juni <strong>20</strong>11, 16.30 Uhr<br />
Besichtigung moderner Lehreinrichtungen und<br />
Forschungslabore der Fakultät Wirtschaftswissenschaften<br />
Erläuterungen: Prof. Dr. Tobias Teich<br />
Westsächsische Hochschule Zwickau, Campus Scheffelberg<br />
Freitag, 30. September <strong>20</strong>11<br />
Exkursion für Motorradfans und Bierliebhaber<br />
Besuch des Renaissanceschlosses Augustusburg und<br />
der Traditionsbrauerei Einsiedel<br />
Abfahrt gegen 8.00 Uhr, Rückkehr gegen 18.00Uhr<br />
Kostenbeitrag 48,00 Euro pro Person (Bustransfer, Kombiticket<br />
für Museen, geführter Rundgang, Brauereibesichtigung mit<br />
Verkostung und Sammlerglas, Brotzeit mit Kesselgulasch und<br />
Brauereiplatte)<br />
Nähere Auskünfte zum zeitlichen Ablauf und Teilnahmeregistrierung<br />
in der Geschäftsstelle des Fördervereins:<br />
dienstag und donnerstags, jeweils 9.00 bis 11.00 Uhr unter<br />
Tel./Fax 0375-2706587<br />
Trabant sowie für die „lebende Marke“<br />
Volkswagen heißen hier die Prämissen.<br />
Der Förderverein, der dank der Anstrengungen<br />
in der Mitgliederwerbung seit<br />
Ende <strong>20</strong>09 auf <strong>20</strong>0 natürliche und 89<br />
juristische Personen angewachsen ist,<br />
wählte ein neues Präsidium mit den<br />
Mitgliedern Dr. Rainer Albrecht, Prof.<br />
Dr. Joachim Böhme, Karl-Heinz<br />
Brückner, Dr. Bernd Czekalla, Winfried<br />
Krämer, Dr. Wolfram Melzer, Wolfgang<br />
Neef, Dr. Werner Reichelt, Kurt<br />
Schmidt, Roland Schulze, Rudolf<br />
Vollnhals und Frank Weidenmüller. Zum<br />
neuen Präsidenten wurde Frank Weidenmüller<br />
gewählt. Der bisherige Präsident<br />
Dr. Rainer Albrecht erhielt für seine Verdienste<br />
die Ehrenmitgliedschaft des Vereins.<br />
Aus dem Präsidium auf eigenem<br />
Wunsch ausgeschieden sind Rolf Alscher,<br />
Rainer Mosig, Werner Seidel und Dr.<br />
Winfried Sonntag. Der Verein dankt<br />
ihnen allen herzlich für ihre langjährige<br />
aktive Mitarbeit.<br />
Neben weiteren Satzungsänderungen<br />
beschloss die Mitgliederversammlung,<br />
dass der Verein seinen Namen in „Gemeinnütziger<br />
Förderverein August Horch<br />
Museum Zwickau e. V.“ ändert.<br />
Gemeinnütziger Förderverein August Horch Museum Zwickau e. V.<br />
Dr. Bernd Czekalla (l.) überreicht Rudolf<br />
Vollnhals die Original-Fahrerlizenzen von<br />
Hans Stuck und Achille Varzi.<br />
Frank Weidenmüller ist neuer Präsident des<br />
Fördervereins August Horch Museum<br />
Zwickau. Fotos: Frank Reichel<br />
Veranstaltungen <strong>20</strong>11<br />
Donnerstag, 13. Oktober <strong>20</strong>11, 16.30 Uhr<br />
Besichtigung moderner Lehreinrichtungen und<br />
Forschungslabore der Fakultät Elektrotechnik der<br />
Westsächsischen Hochschule Zwickau<br />
– Das neue EMV-Zentrum für Fahrzeugtechnik –<br />
Erläuterungen: Prof. Dr. Matthias Richter<br />
Westsächsische Hochschule Zwickau, Campus Schneeberger<br />
Straße<br />
Donnerstag, 3. November <strong>20</strong>11,16.30 Uhr<br />
Vortrag zum Thema: Auf den Spuren elektromobiler<br />
Straßenfahrzeuge<br />
Vortragender: Prof. Dr. Heinz Fritzsch, Zwickau<br />
August-Horch-Museum Zwickau, Audistraße 7, Vortragssaal<br />
Donnerstag, 1. Dezember <strong>20</strong>11, 16.30 Uhr<br />
Vortrag zum Thema: Das Automobil der Zukunft – strategische<br />
Entwicklung zwischen Fahrzeugfunktionen, alternativen<br />
Antrieben, Fahreranpassung und globalisierter Auslegung<br />
Vortragender:<br />
Prof. Dr.-Ing. habil Prof. E.h. Dr. h.c. Cornel Stan, Zwickau<br />
August-Horch-Museum Zwickau, Audistraße 7, Vortragssaal<br />
Änderungen vorbehalten!<br />
01/<strong>20</strong>11 43
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Ein Leben für den Karosseriekunststoff<br />
Der Erfinder der Trabant-Verkleidung wurde 90<br />
Der langjährige Leiter der Kunststoffentwicklung<br />
im Werk III des VEB<br />
<strong>Sachsen</strong>ring, Dipl.-Ing. Wolfgang Barthel,<br />
feierte am 4. April dieses <strong>Jahre</strong>s seinen<br />
90. Geburtstag.<br />
Wolfgang Barthel studierte noch vor<br />
dem Krieg Flugzeugbau und nach dem<br />
Krieg Maschinenbau in der damaligen<br />
Ingenieurschule in Chemnitz. Arbeit<br />
fand er in der Zentrale des Fahrzeug-<br />
Der nie gebaute Trabant P 603 mit Kunststoffverkleidung.<br />
baues in Chemnitz und kam bald in die<br />
vom damaligen Hauptverwaltungsleiter<br />
Obering. Kurt Lang gebildete Kunststoffentwicklung.<br />
Leiter dieser Abteilung<br />
war Ing. Wilhelm Ladewig.<br />
Der Automobilbau der DDR brauchte<br />
dringend einen aus eigenen Rohstoffen<br />
herstellbaren Karosseriebaustoff. Karosseriefeinblech<br />
gab es in der DDR nicht.<br />
Die früheren Herstellerwerke lagen im<br />
Westen Deutschlands und das Embargo<br />
Amerikas verbot die Lieferung in den<br />
Osten. In ersten Versuchen kombinierte<br />
Wolfgang Barthel Folien aus Hart-PVC<br />
mit einer Gewebeverstärkung zur Verbesserung<br />
der Festigkeit und Wärmestabilität.<br />
Eine F8-Karosserie wurde mit<br />
diesem Werkstoff gebaut. Man erkannte<br />
schnell die Grenzen dieses Verfahrens.<br />
Durch Hauptverwaltungsleiter Kurt Lang<br />
kam es zu weiteren Versuchen in der<br />
44<br />
01/<strong>20</strong>11<br />
Hartpappenfabrik in Polenz. An Holzschliff<br />
für die Papierherstellung lagerte<br />
Wolfgang Barthel im Nassverfahren 50<br />
Prozent PVC-Emulsion an, saugte Vorkörper<br />
in Siebformen ab und verpresste<br />
diese nach dem Trocknen. Ein weiteres<br />
Erprobungsfahrzeug, ein F9-Kabrio, entstand.<br />
Zur Überführung der Entwicklungsergebnisse<br />
in eine mögliche Serienferti-<br />
gung wurde die Kunststoffentwicklungsabteilung<br />
von Chemnitz in das Werk II<br />
von Audi Zwickau verlegt. Bereits ab<br />
1953 wurden dort, mit dem von Wolfgang<br />
Barthel entwickelten Werkstoff,<br />
Motorhauben für den Pkw F8 sowie<br />
Türen und Rückwandplatten für das<br />
Fahrerhaus des H3A produziert. Dies<br />
führte zu ersten Einsparungen von<br />
Tiefziehblech und brachte wertvolle<br />
Erfahrungen für die Serienproduktion.<br />
Ziel des Initiators der Kunststoffkarosserie,<br />
Obering. Kurt Lang, war jedoch<br />
die Anwendung des neuen Werkstoffes<br />
an dem in der Zwischenzeit von Horch<br />
Zwickau nach Eisenach verlagerten Pkw<br />
F9. Die Karosserieform erwies sich jedoch<br />
als ungeeignet für die Montage von<br />
Kunststoffteilen. Er setzte schließlich die<br />
Entwicklung eines speziell für die Montage<br />
von Kunststoffverkleidungsteilen<br />
Wolfgang Barthel Anfang dieses <strong>Jahre</strong>s.<br />
gestalteten Kleinwagens durch. So entstand<br />
im Forschungswerk des Fahrzeugbaues<br />
in Chemnitz die Urform des<br />
P50. Zum schnelleren Produktionsanlauf<br />
der Kunststoffkarosserie kam es mit den<br />
gleichen Kunststoffteilen und dem F8-<br />
Fahrwerk zum P70.<br />
In dieser Zeit wurde erkannt, dass der<br />
im Nassverfahren produzierte PVC-<br />
Kunststoff für eine Großproduktion von<br />
Pkw-Karosserien nicht ausreicht. Noch<br />
vor dem Anlauf des P70 entwickelte<br />
Wolfgang Barthel ein Trockenverfahren<br />
mit Textilfaservliesen auf üblichen Textilverarbeitungsmaschinen<br />
und einem aushärtbaren,<br />
also duroplastischen Kunstharzpulver.<br />
Das Kunstharz wurde anfangs<br />
auf der Pelztrommel der Krempelmaschine<br />
auf das Vlies gerieselt. Etwa<br />
100 Vlieslagen führten nach dem Pressvorgang<br />
zu drei Millimeter Werkstoffdicke.<br />
Mit diesem neuen Werkstoff begann am<br />
1. Juli 1955 die Serienproduktion des P70.<br />
Die Karosserie wurde im Karosseriewerk<br />
Dresden gebaut und im Werk Audi<br />
Zwickau mit Fahrwerk und Motor komplettiert.<br />
Auf der Herbstmesse 1955 in<br />
Leipzig war der P70 mit seiner serienmäßig<br />
produzierten Kunststoffkarosserie<br />
die Sensation. Es gab schon vorher<br />
Kunststoffteile an einzelnen Fahrzeugen,<br />
aber die komplette Karosserie in Serienfertigung<br />
war neu. Ende 1955 waren<br />
bereits über <strong>20</strong>00 P70 mit der neuen<br />
Kunststoffkarosserie produziert. Das<br />
Vormaterial für die Kunststoffteile wurde<br />
anfangs nach der von Wolfgang Barthel<br />
entwickelten Technologie mit<br />
Krempelmaschine, Pelztrommel und<br />
Streuvorrichtung produziert. Teilweise<br />
erfolgte das in einem Textilbetrieb. Mit
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
Trabant-Gerippe mit zu montierenden Pressteilen aus Kunststoff. Fotos: Archiv Dr. Winfried Sonntag/Wolfgang Barthel<br />
dem Anlauf des P50, dem späteren<br />
Trabant, wurde das Vormaterial auf den<br />
in der Zwischenzeit von Wolfgang<br />
Barthel entwickelten Vliesstraßen im<br />
Werk Audi Zwickau, später <strong>Sachsen</strong>ring,<br />
hergestellt. Mit Legerarmen wurde das<br />
mit dem Phenolharz berieselte Faservlies<br />
auf einem Transportband abgelegt.<br />
Fünf Krempelmaschinen und Leger<br />
bilden eine Vliesstraße. Dazu gehört<br />
noch ein Kalander zur Verdichtung der<br />
Vlieslagen und eine automatische Zuschneideanlage.<br />
Viele Veränderungen und Entwicklungsschritte<br />
waren in der Anfangsphase der<br />
Kunststoffkarosserie noch notwendig.<br />
Das Kunstharz musste an die Bedingungen<br />
der Weiterverarbeitung und Lackierbarkeit<br />
angepasst werden. Daraus entstanden<br />
spezielle Transportprobleme für<br />
das sinternde, zur optimalen Verarbeitung<br />
vorkondensierte Kunstharz. Auch<br />
für die Presstechnik und die Montage<br />
kamen von Wolfgang Barthel patentierte<br />
Lösungen. Viele Patente im In- und Ausland<br />
sind das Ergebnis seiner Arbeit. Er<br />
war auch nach dem Weggang von Ing.<br />
Ladewig ab 1956 Leiter der Kunststoffentwicklungsabteilung<br />
in Zwickau. Viele<br />
Aufgaben für den Industriezweig füllen<br />
sein reiches Arbeitsleben. So war er von<br />
1964 bis 1977 Plastverantwortlicher der<br />
VVB Automobilbau und weiter in der<br />
Funktion bis 1987 im Kombinat Personenkraftwagen.<br />
Leider kamen die für die Weiterentwicklung<br />
des Trabant zum P603 vorgesehenen<br />
technologischen Verbesserungen<br />
der Kunststoffteilefertigung, wie<br />
gekapselte Vliesstraße zur Reduzierung<br />
der Staubbildung und der automatische<br />
Fertigungsablauf in der Vormaterialbildung<br />
und Presstechnik, nicht mehr zum<br />
Anlauf. SED-Wirtschaftssekretär Mittag<br />
hatte die Weiterentwicklung zum P603<br />
verboten. Dadurch musste der P601<br />
über 27 <strong>Jahre</strong>, äußerlich unverändert,<br />
gebaut werden.<br />
Großes Interesse bestand auch im<br />
Ausland an den Verfahren zur Kunststoffteileherstellung<br />
und Verarbeitung.<br />
Firmen in England, in den USA und Japan<br />
zeigten Interesse. Mit der englischen<br />
Firma Formica kam es zum Lizenzvertrag.<br />
Enge Verbindungen bestanden<br />
auch zu dem Automobilentwicklungswerk<br />
NAMI in Moskau.<br />
Mit dem Abbruch des Trabant P603 endete<br />
1968 die Weiterentwicklung der<br />
Kunststoffkarosserie. Nur noch Verbes-<br />
serungen im Fertigungsablauf wurden<br />
bearbeitet und eingeführt. In dieser Zeit<br />
entwickelte Wolfgang Barthel neuartige<br />
wartungsfreie Gleitlager bis zur Serienreife.<br />
Diese Fertigung wurde später von<br />
dem dafür zuständigen Produktionsbetrieb<br />
in Spremberg übernommen.<br />
Wolfgang Barthel erhielt für seine Arbeit<br />
viele Auszeichnungen und Ehrungen.<br />
1953 wurde er mit dem Kunststoffkarosserie-EntwicklungsteamNationalpreisträger<br />
der DDR, 1976 Verdienter<br />
Erfinder, 1981 Verdienter Aktivist. 1984<br />
erhielt er den Orden Banner der Arbeit.<br />
Aus Anlass des 50. <strong>Jahre</strong>stages des Trabantanlaufes<br />
konnte er sich <strong>20</strong>07, mit<br />
den Vätern des Trabant, in das Goldene<br />
Ehrenbuch der Stadt Zwickau eintragen.<br />
Dipl.-Ing. Wolfgang Barthel hat sich für<br />
den Automobilbau in der DDR verdient<br />
gemacht. Wir wünschen ihm Gesundheit<br />
und noch viele schöne <strong>Jahre</strong> mit<br />
seiner lieben Frau Margret.<br />
Dr. Werner Reichelt<br />
Förderverein des<br />
August Horch Museums Zwickau<br />
01/<strong>20</strong>11 45
46<br />
<strong>AufgeHorcht</strong><br />
01/<strong>20</strong>11<br />
Impressum<br />
Herausgeber<br />
Gemeinnütziger Förderverein<br />
August Horch Museum Zwickau e.V.<br />
Audistraße 7<br />
08058 Zwickau<br />
Redaktion<br />
Ina Reichel, Freie Journalistin, Chemnitz<br />
Anzeigenaquise, Layout, Satz<br />
Marketingagentur Reichel<br />
Kleinolbersdorfer Straße 6, 09127 Chemnitz<br />
Tel. 0371-7743510, Fax: 0371-7743511<br />
E-Mail: mareichel@ma-reichel.de<br />
Druck<br />
Druckerei Willy Gröer GmbH & Co.KG,<br />
Chemnitz<br />
Redaktionsschluss dieser Ausgabe:<br />
16. April <strong>20</strong>11<br />
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Information unter Tel. 0371-7743510.