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stadtteilmagazin - INsülz & klettenberg

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mit seiner Familie in einem Zirkuswagen<br />

durch Deutschland. „Nach dieser Wanderschaft<br />

habe ich versucht, wieder einen<br />

Platz in meiner Heimatstadt Köln zu fi nden“,<br />

erzählt er. Zunächst tingelte er mit<br />

seiner Familie von Stadtteil zu Stadtteil,<br />

denn nicht überall war ihr Zirkuswagen<br />

willkommen.<br />

Auf der Brache am Eifelwall ließ er sich<br />

nieder, als sein Leben 2005 an einen persönlichen<br />

Wendepunkt geriet. Seitdem<br />

lebt er von dem, was Freunde ihm bringen<br />

oder was andere wegwerfen. „Weniger<br />

Materialismus, mehr Miteinander“, bringt<br />

er seine Lebensform auf einen einfachen<br />

Nenner. „Ich lebe ohne Einkommen, aber<br />

mein Leben ist unglaublich reich“, sagt<br />

KeTaN. Das Gelände ist ein Ort der Begegnung,<br />

ein kultureller Ort, hier wird Musik<br />

gemacht, getanzt, gelacht, gespielt,<br />

gewerkelt, gepfl anzt – und vor allem gelebt.<br />

Acht Menschen und zwei Katzen<br />

sind derzeit auf dem Gelände zu Hause.<br />

Faszinierend, was hier geschaffen wurde<br />

– ein Besuch reicht nicht aus, um alle liebevollen,<br />

originellen, kreativen und fantasievollen<br />

Details zu erfassen. Aus einem<br />

städtischen Brachland, das 25 Jahre ungenutzt<br />

vor sich hin schlummerte, entstand<br />

ein „ParaDiesKultUrGarten“, wie<br />

KeTaN das Gesamtkunstwerk nennt. „Hier<br />

darf ein Mensch wieder sein, in allen seinen<br />

kreativen Möglichkeiten.“<br />

Das gesamte Gelände am Eifelwall ist als<br />

Standort für das neue Stadtarchiv vorgesehen.<br />

Dann könnte mit dem Paradies,<br />

von dem KeTaN sagt, es wäre ohnehin auf<br />

Zeit angelegt, Schluss sein. Für ihn geht<br />

am 1. Mai 2012 die Wanderschaft weiter,<br />

er möchte nach Kassel aufbrechen, um in<br />

der documenta-Stadt seine Ideen zu verwirklichen.<br />

Aber im Moment hat er noch viel vor am<br />

Kölner Eifelwall. Ein Theater, ein Kino<br />

und ein Badeteich sind in Planung. Ein<br />

mehrstöckiger Kletterturm nimmt gerade<br />

Gestalt an. „Wenn wir das Gelände richtig<br />

in Betrieb nehmen, werden hier die<br />

Besucher empfangen“, sagt KeTaN und<br />

zeigt uns den Empfangsbereich. Neben<br />

Theateraufführungen, Konzerten und so<br />

weiter soll an diesem Ort gemeinsam mit<br />

interessierten Mitstreitern an einer friedlichen<br />

Zukunft gestaltet werden. Auch Politiker<br />

sind eingeladen, sich die Ideen und<br />

Konzepte anzuhören. „Köln macht oft nur<br />

so halbe Sachen. Die Stadt braucht aber<br />

ein ganzes Herz“, sagt KeTaN, der daran<br />

verzweifelt, dass die alte Kulturstadt am<br />

Rhein vielen Dingen oft so gleichgültig gegenübersteht.<br />

Während wir über die Zukunft, sein früheres<br />

Leben und die Entstehung des Paradieses<br />

reden, kommt eine alte Freundin zu<br />

Besuch. Ingeborg Bergk ist 83 Jahre alt<br />

und hat KeTaN vor vielen Jahren auf einer<br />

Veranstaltung kennengelernt. Seitdem hat<br />

sie ihn oft hier besucht. „Schreiben Sie,<br />

dass er ein außergewöhnlicher Mensch<br />

ist“, sagt sie zu uns. Sie habe seine Lebenseinstellung<br />

schätzen gelernt und<br />

liebe seine Musik. Gemeinsam haben sie<br />

ehrenamtlich Lesungen mit Musik in Altersheimen<br />

veranstaltet. Heute fällt ihr das<br />

Gehen schwer, aber ihr Herz und ihr Kopf<br />

seien offen. „Das Alter ist ein ganz besonderer<br />

Lebensabschnitt, der mir noch so<br />

viel gegeben und so viele Türen geöffnet<br />

hat. Ich fi nde es schade, wenn Menschen<br />

nicht spüren, wie schön das Alter ist“,<br />

sagt sie. „Ja, man muss in jeder Stufe des<br />

Lebens intensiv leben, sonst öffnen sich<br />

die Türen nicht“, sagt KeTaN und drückt<br />

Ingeborg zum Abschied.<br />

Rolf KeTaN Tepel hat keine offi zielle Erlaubnis<br />

für sein Paradies, er wird von der<br />

Stadt Köln geduldet. „Ich bin der illegalste<br />

Kölner“, sagt er. Ob ihn die ungewisse<br />

Situation belaste, fragen wir. „Wenn man<br />

eine so erfüllte Kreativität mitten in der<br />

Stadt leben darf, überwiegt die Freude<br />

an diesem reichen, persönlichen Leben.“<br />

Nachdenklich verlassen wir das Paradies,<br />

gehen zurück in unsere bürgerlichen Welten.<br />

Eine Botschaft bleibt hängen: Nämlich<br />

die, dass sich unsere Lebensformen<br />

oft sehr auf den Einzelnen oder auf sehr<br />

kleine Lebensgemeinschaften fi xieren, da<br />

könnte ein Mehr an Gemeinschaft manchmal<br />

sehr bereichernd sein.<br />

Übrigens steht Besuchern das Eingangstor<br />

zum Paradies am Eifelwall 5 jederzeit<br />

offen. Die Bewohner freuen sich über<br />

Trinkwasser als Gastgeschenk.<br />

www.stein-des-anstosses.de<br />

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