VDV Das Magazin Ausgabe November 2015
Das Verbandsmagazin des VDV ist die redaktionelle Plattform für Unternehmen des Öffentlichen Personen- und Schienengüterverkehrs in Deutschland. Konzept und Realisierung: AD HOC PR, Gütersloh.
Das Verbandsmagazin des VDV ist die redaktionelle Plattform für Unternehmen des Öffentlichen Personen- und Schienengüterverkehrs in Deutschland.
Konzept und Realisierung: AD HOC PR, Gütersloh.
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Was uns bewegt. Wen wir bewegen. <strong>Ausgabe</strong> <strong>November</strong> <strong>2015</strong><br />
Die Mutter aller<br />
Verkehrsverbünde<br />
HVV macht Hamburg<br />
seit 50 Jahren mobil Seite 6<br />
Schutzgebühr: 3,20 Euro<br />
Vom Schwarzwald bis nach<br />
Straßburg mit der S-Bahn<br />
Seite 16<br />
Frankfurter Trams erhalten<br />
Fahrer-Assistenzsystem<br />
Seite 20<br />
Freche Werbekampagne<br />
nimmt Nahverkehr aufs Korn<br />
Seite 26
INHALT<br />
6 Jubiläum: Der Hamburger<br />
Verkehrsverbund wird 50.<br />
22 Auf die Schulbank: Reportage über<br />
den neuen Fachwirt-Lehrgang<br />
14 Erfolgsgesetz: Fördermittel<br />
nach dem SGFFG sind gefragt.<br />
20 Bremshilfe: Die VGF stattet ihre<br />
Bahnen mit Assistenzsystem aus.<br />
16 Eine echte Marke: Die Offenburger<br />
OSB fährt bis Straßburg.<br />
3 Editorial<br />
Die Puzzleteile<br />
richtig zusammensetzen<br />
4 <strong>VDV</strong> im Bild<br />
Die Üstra zeigt Bein.<br />
6 Titelstory<br />
HVV: Einer für alle – alle für einen<br />
Seite 10: HVV-Geschäftsführer<br />
Aigner und Hartmann im Gespräch<br />
12 Aktuell<br />
Deutschland-Tag des Nahverkehrs:<br />
Provokante Fragen an die Politik<br />
14 Aus dem Verband<br />
Die Mittel aus dem SGFFG reichen<br />
den NE-Bahnen nicht mehr aus.<br />
15 Aus dem Verband<br />
Nachrichten aus dem <strong>VDV</strong><br />
2 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>
EDITORIAL<br />
Die<br />
Puzzleteile<br />
richtig<br />
zusammensetzen<br />
Der Zustrom von Flüchtenden und Schutzsuchenden<br />
bleibt eine Kraftanstrengung. Während die<br />
Bundespolitik unter hohem Entscheidungsdruck<br />
agiert, lasten auf den Ländern und vor allem den<br />
Kommunen enorme Organisationsaufgaben. Vor<br />
diesem Hintergrund wissen wir es zu schätzen, dass<br />
sich Bund und Länder kürzlich nicht nur in den<br />
drängenden Fragen der Asyl- und Flüchtlingspolitik<br />
geeinigt haben, sondern ebenfalls bei der Zukunft<br />
der Nahverkehrsfinanzierung. Ein wichtiges Ergebnis<br />
ist die Aufstockung der Regionalisierungsmittel,<br />
die vielen Verkehrsunternehmen und Verbünden<br />
finanzielle Planungssicherheit bis zum Jahr 2031<br />
gibt. Weiterhin wurde beschlossen, die Mittel aus<br />
dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz (GVFG)<br />
über 2019 hinaus fortzuführen, um große Bauvorhaben<br />
für den ÖPNV ermöglichen zu können.<br />
<strong>Das</strong> alles ist immens wichtig, aber nur ein Teilstück<br />
auf dem Weg zu einer praktikablen Lösung.<br />
Denn zum einen ist, das zeigte die letzte Sitzung<br />
des Vermittlungsausschusses, die Verteilung der<br />
Regionalisierungsmittel unter den Ländern noch<br />
immer strittig. Hier muss es zeitnah zu einer<br />
einvernehmlichen Lösung kommen, die sich<br />
am tatsächlichen Bedarf vor Ort orientiert. Zum<br />
anderen werden die GVFG-Mittel alleine nicht<br />
ausreichen, um den Sanierungsstau von mehr als<br />
vier Milliarden Euro beim kommunalen ÖPNV<br />
aufzulösen. Im nächsten Schritt müssen Bund<br />
und Länder auch die Entflechtungsmittel bedarfsgerecht<br />
erhöhen und über 2019 hinaus zweckgebunden<br />
weiterlaufen lassen. Dieses Geld wird<br />
vor allem von den Kommunen dringend benötigt –<br />
etwa für den barrierefreien Ausbau von Stationen.<br />
Von unseren jährlich zehn Milliarden Fahrgästen<br />
nutzen acht Milliarden die Busse sowie die Straßen-,<br />
Stadt- und U-Bahnen in den Städten und<br />
Gemeinden. Aber nach jetzigem Stand fehlt mit<br />
den Entflechtungsmitteln künftig ein zentrales<br />
Finanzierungsinstrument. Der ÖPNV ist Gemeinschaftsaufgabe<br />
von Bund, Ländern und Kommunen:<br />
Nur mit einer wirklich ausreichenden Finanzausstattung<br />
können wir ihn flächendeckend ausbauen<br />
und instand halten. Wäre die Finanzierung<br />
des deutschen Nahverkehrs ein Puzzle, wäre jetzt<br />
der Zeitpunkt, wo alle Teile auf dem Tisch liegen.<br />
Bund und Länder müssten sie nur noch vollständig<br />
zusammensetzen. Dabei darf kein entscheidendes<br />
Stück fehlen, sonst hat das Gesamtbild eine Lücke.<br />
Herzlichst Ihr<br />
Jürgen Fenske<br />
16 Unterwegs im Netz<br />
Mit der S-Bahn vom Schwarzwald<br />
bis nach Straßburg<br />
20 Hintergrund<br />
Die Assistenz für Straßenbahnen<br />
22 Reportage<br />
Zweiter Teil der Serie<br />
„Auf zum Fachwirt“<br />
26 Aktuell<br />
Webserie wirbt für den Nahverkehr.<br />
28 Blick von außen<br />
Design Thinking: Neue Wege in<br />
der Ideenfindung<br />
30 Abgefahren<br />
Busse kommen ohne Fahrer<br />
zum Ziel.<br />
„<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>“ finden<br />
Sie auch im Internet als<br />
E-Paper unter:<br />
www.vdv.de/das-magazin<br />
<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 3
<strong>VDV</strong> IM BILD<br />
4 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>
Die Üstra zeigt Bein<br />
In Hannovers Nahverkehr<br />
haben derzeit einige Männer<br />
definitiv nicht die Hosen an:<br />
Für die Marketingaktion „Üstra<br />
rockt“ tragen zehn Bus- und<br />
Stadtbahnfahrer vorerst einen<br />
blauen Kilt. Damit will das Verkehrsunternehmen<br />
vor allem<br />
mehr Frauen auf die Berufe im<br />
ÖPNV aufmerksam machen.<br />
„Diese Zielgruppe ist bislang im<br />
Fahrdienst und im technischen<br />
Bereich deutlich unterrepräsentiert“,<br />
erläutert Personalvorstand<br />
Wilhelm Lindenberg.<br />
Aufmerksamkeit ist der Üstra<br />
durch diese Aktion gewiss:<br />
Sogar aus Taiwan kamen<br />
Anfragen – und ein französischer<br />
Verein rocktragender<br />
Männer habe seine Solidarität<br />
bekundet, berichtete Wilhelm<br />
Lindenberg im Rahmen des<br />
<strong>VDV</strong>-Personalkongresses im<br />
Oktober in Hamburg. Dort ließen<br />
sich Üstra-Vorstandschef<br />
André Neiß und er (Foto u., v.l.)<br />
übrigens nicht lumpen – und<br />
kombinierten ebenfalls das<br />
Sakko mutig zum Männerrock.<br />
<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 5
Einer für<br />
alle – alle<br />
für einen<br />
In Hamburg und Umgebung ist der HVV der Inbegriff des öffentlichen Personenverkehrs: 2,4 Millionen Fahrgäste nutzen ihn an jedem Werktag.
Er war weltweit der erste seiner Art, und seine<br />
Gründung stellte eine richtungsweisende Innovation<br />
für den ÖPNV dar: Ende <strong>November</strong> feiert der<br />
Ham burger Verkehrsverbund (HVV) seinen<br />
50. Geburtstag. Der Verbund managt mit seinen<br />
30 Verkehrsunternehmen die Mobilität von täglich<br />
2,4 Millionen Fahrgästen in der Metropolregion.<br />
Gründung des HVV mit<br />
feierlicher Vertragsunterzeichnung<br />
im Rathaus<br />
am 29. <strong>November</strong>.<br />
1965<br />
Der 29. <strong>November</strong> wird für Hamburg ein Tag sein, an dem Weichen<br />
gestellt werden: Dann entscheiden die Bürger, ob sich die<br />
Hansestadt für die Olympischen Spiele 2024 bewerben soll.<br />
Mit Spannung wird das Ergebnis auch beim Hamburger Verkehrsverbund<br />
erwartet, für den dieser Sonntag unabhängig<br />
vom Ausgang des Referendums ein Feiertag wird. Denn am<br />
29. <strong>November</strong> 1965 schlossen sich die Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein,<br />
die Hamburger Hochbahn, die Deutsche Bundesbahn<br />
und die Hafen-Dampfschiffahrt-Actien-Gesellschaft<br />
– die heutige Hadag Seetouristik und Fährdienst – zusammen:<br />
Es war die Geburtsstunde des HVV. Parallelverkehre auf der<br />
Schiene sowie unterschiedliche Tarife und Fahrpläne sollten<br />
damit der Vergangenheit angehören.<br />
Der HVV-Tarif tritt in<br />
Kraft, der erste Verbundfahrplan<br />
erscheint.<br />
Erweiterung der U 3 bis<br />
Horner Rennbahn und<br />
der S 3 bis Pinneberg.<br />
1966<br />
1967<br />
Eine Karte für alle<br />
Verkehrsmittel: Der<br />
Gemeinschaftstarif<br />
für Einzelfahrkarten<br />
wird eingeführt.<br />
Was heute vielerorts selbstverständlich ist, fand damals als<br />
Innovation weltweit Beachtung: ein Tarif, eine Fahrkarte, ein<br />
Fahrplan. <strong>Das</strong> Rezept gegen den wachsenden Autoverkehr<br />
erwies sich anfangs als wagemutiges Unterfangen, dem langwierige<br />
Verhandlungen zwischen der Freien und Hansestadt<br />
Hamburg und den vier Gründungsunternehmen vorausgegangen<br />
waren. „Die Idee fanden alle gut. Aber die Umsetzung war<br />
schwierig, weil alle Interessen unter einen Hut gebracht werden<br />
mussten“, erinnert sich Helmuth Kern, der den Start des HVV als<br />
Verkehrsausschuss-Vorsitzender der Bürgerschaft miterlebt<br />
und später als Senator für Wirtschaft, Verkehr und Innovation<br />
begleitet hat. Aus Konkurrenten sollten Partner werden. „Die<br />
größte Herausforderung für mich war, das gegenseitige Misstrauen<br />
zwischen der Hamburger Hochbahn und der Deutschen<br />
Bahn auszutarieren“, berichtet er im aktuellen HVV-Ver-<br />
Die ersten<br />
Busfahrerinnen<br />
übernehmen<br />
das Steuer.<br />
1970<br />
1972<br />
1973<br />
Einführung des HVV-<br />
Abos: 20.000 Abo-<br />
Kunden im ersten Jahr.<br />
Lückenschluss der<br />
innerstädtischen ÖPNV-<br />
Anbindung mit den<br />
U-Bahn-Haltestellen<br />
Messehallen, Gänsemarkt,<br />
Hauptbahnhof Nord und<br />
der erweiterten Haltestelle<br />
Jungfernstieg.<br />
Letzte Fahrt der<br />
Straßenbahnlinie 2<br />
zwischen Rathausmarkt<br />
und Schnelsen.<br />
1978<br />
1979<br />
Fertigstellung der City-S-<br />
Bahn zwischen Landungsbrücken<br />
und Altona.<br />
Die HVV-Verkehrsunternehmen – wie hier Metronom – verbinden drei<br />
Bundesländer und sieben Landkreise im Hamburger Umland.<br />
Start der HVV-<br />
Information per<br />
Telefon – der heutigen<br />
HVV-Infoline.<br />
1980<br />
<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 7
TITELSTORY<br />
Auf der Straße, auf der Schiene und auf dem Wasser: Im HVV verkehren<br />
Busse, Bahnen und Fähren auf 700 miteinander vertakteten Linien.<br />
bundbericht: „Dazu waren viele Vier- und Sechs-Augen-Gespräche<br />
notwendig, in denen wir die Konflikte<br />
gelöst und Kompromisse gefunden haben.“<br />
50 Jahre – 50 Tage – 50 Gewinne<br />
Zu seinem Jubiläum hat der HVV eine Vielzahl von Aktionen<br />
vorbereitet. 50 Tage vor dem 29. <strong>November</strong> <strong>2015</strong> startete ein<br />
Online-Geburtstagskalender, bei dem jeden Tag attraktive<br />
Preise wie Freifahrten, Falträder, Werkstattbesuche oder<br />
Tickets für Veranstaltungen verlost werden. Zudem gibt es<br />
Rabatte auf Fahrkarten und Einkäufe im Online-Shop. Vom<br />
6. bis zum 21. <strong>November</strong> zeigt eine Ausstellung im Einkaufszentrum<br />
„Europa Passage“ die Geschichte, Gegenwart und<br />
Zukunft des Verbunds sowie seine Bedeutung für die Metropolregion.<br />
Eine ÖPNV-Fachtagung für geladene Gäste rundet<br />
am 1. Dezember das Jubiläumsprogramm ab.<br />
www.hvv.de<br />
Intensiv miteinander reden und Lösungen finden:<br />
Für den Verbund, die Aufgabenträger und die mittlerweile<br />
30 Unternehmen ist das fünf Jahrzehnte<br />
später immer noch ein Erfolgsrezept. Heute gilt der<br />
HVV als Inbegriff des öffentlichen Personenverkehrs<br />
in der Metropolregion Hamburg. 2,4 Millionen<br />
Fahrgäste nutzen ihn an jedem Werktag. Aufeinander<br />
abgestimmt sind die Fahrpläne von 700 Linien:<br />
S- und U-Bahnen, Züge des Regionalverkehrs, Busse<br />
und Schiffe. In Hamburg und Umgebung wissen die<br />
Menschen das zu schätzen. Seit Jahren wachsen die<br />
Fahrgastzahlen; der allgemeine Zufriedenheitswert<br />
im ÖPNV-Kundenbarometer erreichte 2014 die<br />
Bestmarke. Ein hoher Kostendeckungsgrad bestätigt<br />
die Arbeit des HVV-Managements und der Verkehrsunternehmen.<br />
Im Jubiläumsjahr stehe der HVV<br />
gut da, bilanzieren die beiden Geschäftsführer Lutz<br />
Aigner und Dietrich Hartmann, eben weil die Aufgabenträger<br />
und die Verkehrsunternehmen eng und<br />
vertrauensvoll zusammenarbeiten (siehe Interview<br />
Seiten 10/11). Gesellschafter des HVV sind die Bundesländer<br />
Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen<br />
sowie die sieben Landkreise im Umland<br />
der Hansestadt.<br />
Zu den Besonderheiten des HVV zählt, dass nicht<br />
nur die Beförderung der Fahrgäste zum Tagesgeschäft<br />
einzelner Verkehrsunternehmen gehört.<br />
Stellvertretend für alle Partner übernehmen sie auch<br />
zentrale Verbundaufgaben – und treten dabei nach<br />
außen hinter den HVV zurück. Beispielsweise kümmert<br />
sich die Hamburger Hochbahn um die zentrale<br />
Kundeninformation. Die Fahrgäste werden an der<br />
Hotline vom HVV begrüßt – durch die Mitarbeiter<br />
der Hamburger Hochbahn. Einen weiteren wichtigen<br />
Bereich deckt die S-Bahn Hamburg ab: Sie betreut<br />
die Großkundenabos, das Semesterticket und die<br />
Kombitickets. Unter der Flagge des HVV verhandelt<br />
das selbstständige Tochterunternehmen der DB die<br />
Verträge und schließt sie ab. Zu den zentralen Aufgaben<br />
zählt auch die Schulberatung: Seit 1992 zeigen<br />
Mitarbeiter der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein<br />
Kindern und Jugendlichen, wie sie sich am besten<br />
8 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>
1984<br />
Die in den Jahren zuvor<br />
erbaute S-Bahn-Strecke<br />
südlich der Elbe führt<br />
jetzt bis Neugraben.<br />
Einführung des<br />
Kombitickets für<br />
Konzertveranstaltungen<br />
in der Sporthalle<br />
Hamburg und im Stadtpark.<br />
Inbetriebnahme<br />
der U 2-Verlängerung<br />
bis Niendorf Markt.<br />
1985<br />
Fürsorge als Leitbild: Mit seiner aktuellen Kampagne<br />
spricht der HVV seine Kunden emotional an.<br />
1988<br />
1989<br />
Gründung einer<br />
Arbeitsgruppe mit<br />
Behindertenvertretern<br />
zum Thema<br />
„Barrierfreier ÖPNV“.<br />
Senatsbeschluss zum<br />
barrierefreien Ausbau<br />
des Hamburger<br />
Schnellbahnnetzes.<br />
mit Bussen, Bahnen und Schiffen bewegen – ein<br />
wichtiger Beitrag, um Kunden schon früh zu binden.<br />
Auf Kundenbindung setzt der HVV auch im Umfeld<br />
seines runden Geburtstags, der mit zahlreichen Aktionen<br />
gefeiert wird (siehe Infokasten). Zum Jubiläum<br />
frischt er zudem sein Erscheinungsbild auf. Den bisherigen<br />
Werbeauftritt machen der neue Claim „Komm<br />
gut nach Hause“ und eine persönlichere Bildsprache<br />
wesentlich emotionaler. Finanziert wird die Kampagne<br />
vor allem von den Verbundunternehmen.<br />
Einführung des Großkunden-Abos.<br />
Die U 2<br />
fährt bis Niendorf Nord.<br />
Inbetriebnahme<br />
der elektronischen<br />
Fahrplanauskunft<br />
Geofox.<br />
1991<br />
1994 Auftakt des<br />
Semestertickets.<br />
1995<br />
Egal, ob Olympia kommt oder nicht – Hamburg rüstet<br />
sich für den Verkehr der Zukunft. Derzeit laufen<br />
die Planungen für die Elektrifizierung der S 21 nach<br />
Kaltenkirchen und den Bau der S 4 nach Bad Oldesloe.<br />
Innerstädtisch soll das U-Bahn-Netz in naher Zukunft<br />
auf der U 4 und später durch eine Unterquerung<br />
der City (U 5) verbessert werden. Ein Dauerthema<br />
bleibt das Nadelöhr Hauptbahnhof. Im Hintergrund<br />
wird der Verkehr in den nächsten Jahrzehnten durch<br />
Mobilitätsplattformen mit geprägt. Mit „Switchh“<br />
hat die Hamburger Hochbahn eine lokale Plattform<br />
entwickelt, über die HVV-Abokunden einen preiswerten<br />
Zugang zu Carsharing und Leihfahrrädern<br />
haben. Ohnehin sollen die Hamburger stärker aufs Rad<br />
umsteigen. In den 2020er-Jahren soll der Anteil des<br />
Fahrradverkehrs am Modal Split auf 25 Prozent steigen<br />
– ein Trend, der sich bereits abzeichnet.<br />
Die HVV-Internetseite<br />
geht online. Gründung<br />
des Fahrgastbeirats.<br />
1996<br />
1997<br />
Die Umstrukturierung<br />
des HVV vom Unternehmens-<br />
zum Aufgabenträgerverbund<br />
tritt in Kraft.<br />
2001 Start der Metrobusse.<br />
Garantierter<br />
10-Minuten-Takt bis<br />
mindestens 21 Uhr. Mit<br />
dem Start des HVV-<br />
Onlineshops beginnt<br />
der Fahrkartenverkauf<br />
im Internet.<br />
<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 9
TITELSTORY<br />
Wie Aufgabenträger, Verkehrsunternehmen und Verbund in der Praxis zusammenarbeiten,<br />
erläutern die beiden HVV-Geschäftsführer Lutz Aigner (Foto, l.) und Dietrich Hartmann (r.).<br />
» Herr Aigner, Herr Hartmann, als Verkehrsregisseur agiert<br />
der HVV zwischen zehn Aufgabenträgern und 30 Verkehrsunternehmen.<br />
Sicherlich keine leichte Aufgabe für Sie, oder?<br />
Lutz Aigner: Wir sind wie ein großes Unternehmen. Es<br />
ist nicht etwa so, dass wir als Verbund nur die Einnahmeaufteilung<br />
machen. Wir planen mit den Unternehmen,<br />
wir analysieren den Markt zusammen, wir organisieren<br />
gemeinsam die Tarifentwicklung. <strong>Das</strong> Besondere ist, dass<br />
wir als HVV ein integraler Teil der Wertschöpfungskette<br />
im ÖPNV sind – und zwar im gesamten Verbundraum.<br />
Natürlich gibt es berechtigte Selbstdarstellungsbedürfnisse<br />
bei den Unternehmen, sich gegenüber den Kunden<br />
als leistungsfähig zu präsentieren. <strong>Das</strong> soll auch so sein.<br />
Aber wenn es gegenüber den Kunden um das Produkt geht,<br />
treten alle hinter den HVV zurück, weil das einheitliche Erscheinungsbild<br />
einen hohen Wert hat. Letztendlich ist das<br />
ein nüchternes Kalkül. Denn wir erreichen nur dann eine<br />
Steigerung der Fahrgastzahlen, wenn wir nicht gegeneinander<br />
arbeiten, sondern an einem Strang ziehen.<br />
Dietrich Hartmann: <strong>Das</strong> gleiche gilt für die zehn Aufgabenträger<br />
– davon drei Bundesländer und sieben Landkreise.<br />
Dort fühlen sich alle in erster Linie über den HVV<br />
miteinander verbunden. Auch die Kollegen aus Stade,<br />
Lüneburg und Bad Segeberg sagen: Wir gehören zum HVV.<br />
Es gibt zwar immer wieder unterschiedliche Interessen –<br />
etwa wenn es darum geht, Buslinien zwischen der Stadt<br />
Hamburg und dem Umland durchzubinden und die Kosten<br />
zu teilen. Aber wir reden darüber intensiv miteinander<br />
und kommen fast immer zu vernünftigen Lösungen. Ich<br />
glaube, das Erfolgsgeheimnis ist, dass wir alle – der Verbund,<br />
die Aufgabenträger und die Unternehmen – sehr<br />
intensiv miteinander reden.<br />
Die hohe Pünktlichkeit von Hamburger Hochbahn und S-Bahn bringt<br />
dem gesamten Verbund Bestnoten der Kunden.<br />
» Woher kommt bei den Verkehrsunternehmen die große<br />
Verbundenheit mit dem Verbund?<br />
Lutz Aigner: <strong>Das</strong> ist historisch gewachsen. Die Unternehmen<br />
haben den Verbund gegründet und ihn 30 Jahre lang<br />
als ihre Gestaltungseinheit genutzt. Dann gab es 1996 den<br />
Wechsel vom Unternehmens- zum Aufgabenträgerverbund.<br />
Damals wurde der Verbund stark eingedampft, und<br />
viele Mitarbeiter sind zu den Verkehrsunternehmen gegangen.<br />
Dadurch, dass die Verkehrsunternehmen seitdem<br />
operative Verbundaufgaben wahrnehmen, sind sie auch<br />
ein kleines bisschen Verbund. <strong>Das</strong> führt dazu, dass von<br />
der Grundeinstellung her immer eine gewisse Gewogenheit<br />
da ist.<br />
» Mehr als gewogen sind Ihnen Ihre Kunden, deren<br />
Zufriedenheit 2014 einen neuen Spitzenwert erreichte.<br />
Dietrich Hartmann: <strong>Das</strong> liegt an der Qualität, wie die<br />
Verkehrsunternehmen ihre Leistungen erbringen. Die<br />
Hochbahn wird in allen Rankings mit einer Pünktlichkeit<br />
von 98 Prozent bestens bewertet, mit einer Pünktlichkeit<br />
von 95 bis 96 Prozent ist die S-Bahn nicht weit davon<br />
entfernt. Die Verkehrsunternehmen liefern wirklich eine<br />
gute Arbeit ab. Außerdem geben wir uns sehr viel Mühe,<br />
dass die Stationen sauber sind. Dafür geben Aufgabenträger<br />
und Verkehrsunternehmen viel Geld aus. <strong>Das</strong>s die<br />
Zufriedenheit bei Fahrgästen und auch Mitarbeitern so<br />
hoch ist, kann man auf alle Verkehrsunternehmen im<br />
HVV beziehen – auch bei schwierigen Themen wie dem<br />
Buseinstieg vorne. <strong>Das</strong> hat sich durchgesetzt und wird<br />
vom Fahrpersonal unterstützt. Diese Zufriedenheit mit<br />
den Verkehrsunternehmen, ihre gute Arbeit und die<br />
Zusammenarbeit mit den Aufgabenträgern führen dazu,<br />
dass der HVV heute gut dasteht.<br />
» Welche Punkte sind noch ausbaufähig?<br />
Lutz Aigner: Beim Vertrieb gibt es noch viel zu tun. Wir<br />
sind dabei, über den elektronischen Vertrieb – über eine<br />
Smartphone-App und das E-Ticketing – die Verkaufsprozesse<br />
wesentlich einfacher und transparenter zu ma-<br />
10 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>
2002<br />
Ausweitung des<br />
Verbundgebiets auf<br />
die gesamte Fläche<br />
der Kreise Pinneberg,<br />
Segeberg, Stormarn<br />
und Herzogtum Lauenburg.<br />
Zu den bisher elf<br />
Verkehrsunternehmen<br />
kommen 17 hinzu.<br />
Die Plattform „Switchh“ bietet HVV-Kunden einen preiswerten<br />
Zugang zu Carsharing und Leihfahrrädern.<br />
chen. <strong>Das</strong> geht in Richtung „be in – be out“. Die Technik<br />
könnte nicht nur uns, sondern der gesamten Branche<br />
helfen, die Unübersichtlichkeit, die durch die Komplexität<br />
des Systems entsteht, aufzulösen.<br />
Dietrich Hartmann: Ein weiteres Thema ist die Echtzeitinformation.<br />
Mit der Information bei Störungen sind die<br />
Kunden des HVV nicht immer glücklich. Auch das ist<br />
ein bundesweites Thema. Wir haben im letzten Jahr mit<br />
der Echtzeitinformation auf der Schiene angefangen.<br />
Hier geben uns die Kunden mit einer „3“ nur eine durchschnittliche<br />
Note – und das nicht zu Unrecht. Wir hoffen,<br />
über die Echtzeitinformation per Smartphone einen weiteren<br />
Schritt zu machen. Aber das ist ein Thema, wo wir<br />
noch eine Menge Feinarbeit zu leisten haben.<br />
» Wo sehen Sie das größte Risiko für die weitere<br />
erfolgreiche Arbeit des Verbunds?<br />
Lutz Aigner: Wir haben das Glück, dass wir von den Aufgabenträgern<br />
das Bekenntnis zu einem weiteren Ausbau<br />
des ÖPNV haben. Schleswig-Holstein und Hamburg arbeiten<br />
gemeinsam an der S 4 und der S 21, auch der Weiterbau<br />
der U 4 ist eingetütet. Der Bau der U 5 ist wichtig,<br />
um die Buslinien zu entlasten. Die Gebietskörperschaften<br />
müssen in der Lage sein, die dafür notwendigen Mittel<br />
bereitzustellen.<br />
Dietrich Hartmann: Wenn wir einen etwas weiteren Blick<br />
in die Zukunft werfen, scheint mir das Thema „autonomes<br />
Fahren“ von erheblicher Relevanz, mit Risiken, aber auch<br />
mit Chancen. Dabei werden die Vorteile des Nahverkehrs,<br />
nämlich chauffiert zu werden, mit denen des Individualverkehrs,<br />
direkt zum Zielort zu kommen, kombiniert. Ob<br />
die Straßenkapazitäten ausreichen werden, um deutlich<br />
mehr Menschen als heute mit dem Pkw zu befördern,<br />
weiß wohl noch niemand so richtig. Auf der anderen Seite<br />
bietet das autonome Fahren natürlich die Chance, auf<br />
dem Lande deutlich bessere Verbindungen anzubieten als<br />
heute. Und auch für die Innenstädte könnte es ein Gewinn<br />
sein, wenn zukünftig Parkplätze für andere Zwecke<br />
genutzt werden können.<br />
Zum HVV-Gebiet gehören<br />
nun auch die<br />
Landkreise Harburg,<br />
Lüneburg und Stade. 38<br />
Verkehrsunternehmen<br />
fahren jetzt im Verbund.<br />
Einweihung der<br />
Flughafen-S-Bahn.<br />
Einführung der HVV-<br />
App und des Mobiltickets.<br />
Eröffnung der<br />
U 4. Start von „Switchh“.<br />
Erweiterung des HVV-<br />
Angebotes um Carsharing<br />
und Leihwagen.<br />
Neugestaltung des<br />
Werbeauftritts.<br />
Claim „Komm gut<br />
nach Hause“.<br />
2004<br />
2007 Einführung des Handytickets<br />
Deutschland<br />
für Einzel- und Tageskarten.<br />
Eröffnung der<br />
S-Bahn-Strecke nach<br />
Stade. Erstmals Zwei-<br />
System-Fahrzeuge bei<br />
der S-Bahn.<br />
2008<br />
2010 Die Fahrkarte zum<br />
Selbstausdrucken ist im<br />
HVV-Onlineshop erhältlich.<br />
<strong>Das</strong> Handy ticket<br />
gibt es jetzt auch für<br />
Smartphones über mobiles<br />
Web und per kostenloser<br />
iPhone-App.<br />
2012<br />
2014 Echtzeitdaten auf den<br />
Schienenstrecken<br />
von DB Regio, Erixx,<br />
EVB, Metronom,<br />
S-Bahn und U-Bahn.<br />
<strong>2015</strong><br />
<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 11
AKTUELL<br />
Provokante<br />
Fragen an die<br />
Politik<br />
Ist der Öffentliche Personenverkehr (ÖPNV) „ab 2019 außer<br />
Betrieb“? Diese provokante Frage haben sich Verkehrsunternehmen<br />
bundesweit anlässlich des dritten Deutschland-Tags des<br />
Nahverkehrs gestellt. Der Aktionstag am 17. September sollte auf<br />
die Finanzierungssituation des ÖPNV aufmerksam machen.<br />
Nahverkehr erhält mehr Geld<br />
Bund und Länder haben sich darauf geeinigt, wie sie in<br />
Zukunft den Nahverkehr finanzieren wollen. Demnach<br />
werden die Regionalisierungsmittel für den Schienenpersonennahverkehr<br />
(SPNV) von derzeit 7,4 Milliarden<br />
auf acht Milliarden Euro pro Jahr erhöht. Die jährliche<br />
Dynamisierung der Mittel steigt von 1,5 auf 1,8 Prozent.<br />
Weiterhin sollen für größere ÖPNV-Bauvorhaben pro<br />
Jahr 330 Millionen Euro aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz<br />
(GVFG) auch nach 2019 fließen.<br />
Offen bleibt die Zukunft der Entflechtungsmittel, die die<br />
Kommunen etwa für den barrierefreien Ausbau von<br />
Stationen benötigen. „In den anstehenden Bund-Länder-Gesprächen<br />
zum Finanzausgleich müssen nun auch<br />
die Entflechtungsmittel bedarfsgerecht erhöht werden<br />
und über 2019 zweckgebunden weiterlaufen“, fordert<br />
<strong>VDV</strong>-Präsident Jürgen Fenske.<br />
Birgit Münster-Rendel, Geschäftsführerin der<br />
Magdeburger Verkehrsbetriebe, und Dr. Dieter<br />
Scheidemann, Baubeigeordneter der Stadt sowie<br />
MVB-Aufsichtsratsvorsitzender<br />
Im Vorfeld der Bund-Länder-Verhandlungen<br />
forderten die Verkehrsunternehmen<br />
eine verlässliche Finanzierung des<br />
kommunalen Nahverkehrs. In 13 Städten<br />
nutzten sie den Aktionstag als Gelegenheit,<br />
um auf ihre Situation aufmerksam zu machen.<br />
Dazu hatten sie unter anderem Busse<br />
und Bahnen mit dem Kampagnenlogo<br />
sowie dem Motto des dritten Deutschland-Tags<br />
beklebt. Initiiert worden war<br />
der Tag vom <strong>VDV</strong> sowie der Infrastrukturinitiative<br />
„Damit Deutschland vorne<br />
bleibt“. Zeichnete sich bei der Diskussion<br />
um das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz<br />
(GVFG) wenige Tage nach dem<br />
Deutschland-Tag des Nahverkehrs eine<br />
Lösung ab, so steht die Entscheidung über<br />
die Entflechtungsmittel noch aus (siehe<br />
Infokasten).<br />
In Darmstadt hatte das örtliche Verkehrsunternehmen<br />
Heag Mobilo gemeinsam<br />
mit der Stadt zum Pressetermin an<br />
einer Großbaustelle eingeladen, um die<br />
Verwendung der Fördergelder zu demonstrieren:<br />
Dort wird derzeit eine wichtige<br />
Ost-West-Achse mit GVFG-Mitteln<br />
saniert. Auch in Stuttgart luden die Stuttgarter<br />
Straßenbahnen (SSB), der Verkehrsund<br />
Tarifverbund Stuttgart, Verdi sowie<br />
die <strong>VDV</strong>-Landesgruppe Baden-Württemberg<br />
zu einer Pressekonferenz ein.<br />
SSB-Personalvorstand Reinhold<br />
Bauer hob die Folgen für<br />
die Stadt hervor, sollten Mittel<br />
ab 2019 ausbleiben: „Den Plan,<br />
die Stadtbahnlinie U 1 nach<br />
Fellbach für 80-Meter-Fahrzeuge<br />
auszubauen, können wir<br />
ohne Zuschüsse nicht umsetzen.“<br />
<strong>Das</strong> Projekt werde bis zu<br />
15 Millionen Euro kosten.<br />
In Rheinland-Pfalz nutzten<br />
Busunternehmen den Tag<br />
des Nahverkehrs, um darauf<br />
aufmerksam zu machen, dass<br />
in dem Bundesland die älteste<br />
Busflotte Deutschlands fährt.<br />
<strong>Das</strong> Durchschnittsalter beträgt 11,2 Jahre<br />
– gegenüber 8,9 Jahren bundesweit. Die<br />
beteiligten Unternehmen brachten deswegen<br />
ihre ältesten Fahrzeuge zum Mainzer<br />
Messegelände, um dort gemeinsam eine<br />
Wiedereinführung der 2001 in Rheinland-Pfalz<br />
abgeschafften Fahrzeugförderung<br />
zu fordern. „Diese Busse sind alle<br />
noch täglich im Einsatz“, erklärte Christian<br />
Hoffmann, Geschäftsführer der <strong>VDV</strong>-Landesgruppe<br />
Südwest, die die Aktion mit organisiert<br />
hatte. „Der älteste war von 1988.<br />
Für die Schiene wurde in den vergangenen<br />
Jahren viel gemacht – doch den Busverkehr<br />
hat man aus den Augen verloren.“<br />
www.damit-deutschland-vorne-bleibt.de<br />
Auch die Stadtwerke Osnabrück beteiligten sich (v.l.): Azubi<br />
Tony Wodzicka, Betriebsrat Joschi Schriewer, Vorstand<br />
Dr. Stephan Rolfes sowie Azubi Marcel Schielke<br />
12 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />
Auf dem Messegelände Mainz präsentierten Verkehrsunternehmen<br />
die ältesten Fahrzeuge ihrer Busflotte.
Ein Standard setzt neue Maßstäbe.<br />
Der Überlandbus MAN Lion’s Intercity. MAN kann.<br />
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Rechnung haben sollten. Mehr unter: www.man.de/bus<br />
MAN kann.
AUS DEM VERBAND<br />
<strong>Das</strong> SGFFG<br />
reicht nicht mehr<br />
In den zwei Jahren seit seinem Inkrafttreten im August 2013 hat sich das Schienengüterfernverkehrsnetzförderungsgesetz<br />
(SGFFG) zu einem Erfolg gemausert. Immer mehr nichtbundeseigene<br />
Eisenbahnen stellen Förderanträge für Ersatzinvestitionen in ihre Infrastruktur. Jetzt<br />
befürchtet die Branche, dass die Mittel ab 2016 nicht mehr ausreichen. Auch die Schwachstellen<br />
des Gesetzes treten mittlerweile deutlicher zutage.<br />
Oberbauarbeiten auf einer Strecke der Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser bei<br />
Gnarrenburg: Maßnahmen wie diese können mit Mitteln aus dem SGFFG gefördert werden.<br />
<strong>Das</strong> SGFFG stellte seinerzeit den Einstieg in die<br />
Infrastrukturfinanzierung der nichtbundeseigenen<br />
Eisenbahnen dar – ein Reformschritt, für den sich<br />
der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (<strong>VDV</strong>)<br />
eingesetzt hatte. Viele Unternehmen erhielten erstmals<br />
eine Finanzierungsperspektive zur Sicherung<br />
ihrer bestehenden Infrastruktur. Kein Wunder also,<br />
dass die Fördermittel mittlerweile stark nachgefragt<br />
werden. „<strong>Das</strong> Gesetz kommt sehr gut an“, bilanziert<br />
Dr. Martin Henke, <strong>VDV</strong>-Geschäftsführer für den<br />
Bereich Eisenbahnverkehr: „Gerade dort, wo es wie in<br />
Niedersachsen zusätzlich eine Co-Finanzierung der<br />
Länder gibt, wird an vielen Stellen gebaut.“ Deutschlandweit<br />
wurden in den vergangenen zwei Jahren<br />
134 Anträge bewilligt. Und diese Zahl<br />
werde weiter ansteigen, ist Martin Henke<br />
überzeugt. <strong>Das</strong> zeigen Rückmeldungen<br />
aus den Güterverkehrsunternehmen.<br />
Der <strong>VDV</strong> befürchtet deswegen, dass die<br />
Mittel im SGFFG nicht mehr ausreichen.<br />
Ihre Aufstockung von 25 auf 35 Millionen<br />
Euro sei also zwingend notwendig,<br />
forderte der Verband jetzt in einem<br />
Schreiben an die Bundestagsfraktionen<br />
sowie an Verkehrspolitiker.<br />
Für das Haushaltsjahr 2016 könnten<br />
noch alternativ die nicht verbrauchten<br />
Mittel aus 2014 und <strong>2015</strong> übertragen<br />
werden – das wären rund elf Millionen<br />
Euro zusätzlich, erläutert Steffen Kerth,<br />
Fachbereichsleiter und Koordinator der<br />
Sparte Schienengüterverkehr beim <strong>VDV</strong>.<br />
Doch spätestens ab 2017 drohe ohne<br />
Erhöhung ein Finanzierungsengpass,<br />
mahnt er. <strong>Das</strong> habe neben der steigenden Antragszahl<br />
weitere Gründe: „Ein Problem ist die Antragsfrist<br />
zum 1. Februar jedes Jahres“, erklärt er. Bis Förderanträge<br />
bewilligt werden, vergehe oft mehr Zeit als<br />
geplant – sodass sich womöglich auch der Start des zu<br />
fördernden Bauprojektes verzögert. „Wenn ich dann<br />
in einem Jahr statt der geplanten zwei Millionen Euro<br />
nur noch eine Million Euro in mein Projekt investieren<br />
kann, müsste ich den Restbetrag aus den für das<br />
Folgejahr reservierten Mitteln entnehmen. <strong>Das</strong> ist die<br />
sogenannte Verpflichtungsermächtigung. <strong>Das</strong> geht<br />
aber nur, wenn für dieses Jahr noch nicht alle Mittel<br />
verplant sind.“ Ein weiteres Problem: Für 2016 seien<br />
bereits 9,6 Millionen Euro für mehrjährige Vorhaben<br />
24 14 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>
35<br />
Millionen Euro<br />
Auf diese Summe sollten die<br />
Fördermittel im SGFFG aufgestockt<br />
werden, fordert der <strong>VDV</strong> von den<br />
Bundestagsfraktionen.<br />
Prof. Knut Ringat als <strong>VDV</strong>-Vizepräsident wiedergewählt<br />
Vertreter der rund 50 im Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (<strong>VDV</strong>) organisierten<br />
Verbund- und Aufgabenträgerorganisationen haben auf ihrer turnusmäßigen<br />
Herbstsitzung einstimmig Prof. Knut Ringat (Foto) als ihren Vorsitzenden<br />
wiedergewählt. Damit bleibt Ringat zugleich einer von fünf Vizepräsidenten des<br />
<strong>VDV</strong> und tritt in dieser Funktion seine dritte Amtszeit im<br />
Verband an. Der Sprecher der Geschäftsführung des<br />
Rhein-Main-Verkehrsverbunds (RMV) vertritt<br />
seit 2009 als <strong>VDV</strong>-Vizepräsident die Verbund-<br />
und Aufgabenträgerorganisationen im<br />
Vorstand und im Präsidium des Verbandes.<br />
<strong>VDV</strong>-Präsident Jürgen Fenske begrüßt die<br />
Wiederwahl Ringats: „Gerade in den noch<br />
nicht final entschiedenen Verhandlungen<br />
zu den Regionalisierungsmitteln und bei den<br />
künftigen Herausforderungen in Sachen Digitalisierung<br />
und Wettbewerb spielt Knut Ringat<br />
eine wichtige Rolle in der Branche und im Verband.“<br />
gebunden. Für Neuanträge verblieben<br />
somit nur noch 15 Millionen Euro.<br />
Zusätzlich zur Aufstockung der Mittel<br />
im Haushalt 2016 strebt der <strong>VDV</strong> zudem<br />
eine Weiterentwicklung des SGFFG<br />
an. „Es gibt eine Reihe von kritischen<br />
Punkten“, erklärt Steffen Kerth. Als<br />
Beispiel nennt er die Vorhalteverpflichtungen<br />
über die technische Nutzungszeit<br />
der Strecken von bis zu 75 Jahren.<br />
„Kein Verkehrsunternehmen weiß, ob<br />
auf einer Strecke in 20 Jahren noch<br />
Verkehr fahren wird“, so Steffen Kerth.<br />
Auch bei der Priorisierung der Mittel<br />
sieht er Verbesserungsbedarf. „Aktuell<br />
haben Projekte, die zwar wichtig sind,<br />
aber nur einen kleinen Streckenumfang<br />
haben, das Nachsehen“, erklärt er.<br />
Erste Gespräche mit dem Verkehrsministerium<br />
haben bereits stattgefunden.<br />
„<strong>Das</strong> Problem wurde gesehen<br />
und unsere Meinung geteilt“, gibt<br />
sich Steffen Kerth zuversichtlich. Für<br />
Änderungen am SGFFG ist indes eine<br />
Gesetzesnovellierung erforderlich.<br />
„<strong>Das</strong> wird sicherlich nicht mehr in<br />
dieser Legislaturperiode passieren.“<br />
<strong>Das</strong> Bundesamt für Statistik hat<br />
das SGFFG in <strong>2015</strong> evaluiert.<br />
Der Bericht ist erhältlich unter:<br />
www.bit.ly/SGFFG<br />
Infrastrukturgipfel: <strong>Das</strong> Geld für Bus und Bahn bleibt knapp<br />
Grundsätzliche Fragen der ÖPNV-Finanzierung sind immer noch ungelöst. <strong>Das</strong><br />
zeigte sich auf dem dritten „Infrastrukturgipfel“ der Zeitung „Die Welt“ und der Initiative<br />
„Damit Deutschland vorne bleibt“ im September in Berlin. Wer investiert in<br />
die Verkehrswege unserer Städte? So lautete die Frage des Gipfels. <strong>VDV</strong>-Präsident<br />
Jürgen Fenske machte die Bedeutung des Themas klar: Der ÖPNV gewinnt immer<br />
mehr Fahrgäste, er hat mehr als zehn Milliarden Kunden im Jahr. Doch die Kapazitäten<br />
seien weithin ausgelastet. „Wir brauchen den Ausbau der physischen Infrastruktur.“<br />
Dafür seien die Kommunen weiter auf die finanzielle Unterstützung des<br />
Bundes aus dem GVFG sowie aus den Entflechtungsmitteln angewiesen.<br />
Martin Lange, Präsident des Verbandes der Bahnindustrie, begrüßte die jüngsten<br />
Entscheidungen der Politik (s. Seite 12). <strong>Das</strong> biete die Chance, „nicht nur die Bauwerke<br />
zu erneuern, sondern die technische Ausrüstung, etwa über Automatisierungen,<br />
intelligent zu machen“. Doch noch fehlt es an Planungssicherheit. So stellte sich<br />
der CDU-Haushaltspolitiker Norbert Brackmann auf den Standpunkt, zwischen<br />
Bund und Ländern sei ausgemacht, dass nach 2019 keine Entflechtungsmittel mehr<br />
fließen. Der Bund habe zwar zurzeit eine „wunderbare Kassenlage“, doch die Erwartung,<br />
er finanziere alles, „geht nicht auf<br />
Dauer“, betonte SPD-Haushälter Johannes<br />
Kahrs. Vor dem Hintergrund der Flüchtlingswelle<br />
mahnte Jens Spahn, Parlamentarischer<br />
Staatssekretär im Bundesfinanzministerium,<br />
dass Finanzierungswünsche nur bei wirtschaftlichem<br />
Wachstum zu erfüllen seien.<br />
Er räumte aber ein, dass Infrastruktur-Investitionen<br />
wirtschaftliche Impulse setzen<br />
könnten. Roland Claus, Linken-Haushaltspolitiker,<br />
regte an, Verkehrsinfrastruktur<br />
über eine Besteuerung der höheren Einkommen<br />
zu finanzieren. Sven-Christian<br />
ti tionen in städtische Verkehrswege.<br />
Die Teilnehmer diskutierten über Inves-<br />
Kindler, Haushaltspolitischer Sprecher der<br />
Grünen, kritisierte die Politik der Bundesverkehrsminister mit Vorliebe für öffentlichkeitswirksame<br />
Neubau-Projekte statt Erhaltungsinvestitionen. <strong>Das</strong> bekräftigte<br />
Uwe Zimmermann vom Deutschen Städte- und Gemeindebund: Seit über 20 Jahren<br />
sei die kommunale Verkehrsinfrastruktur unterfinanziert. Ohne Echo blieben die<br />
Vorschläge aus dem Vortrag von Busso Grabow, Geschäftsführer des Deutschen<br />
Instituts für Urbanistik: darüber nachzudenken, nicht „mehr“, sondern „anders“ in<br />
Verkehrsinfrastruktur zu investieren.<br />
<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 15
UNTERWEGS IM NETZ<br />
Mit der S-Bahn vom<br />
Schwarzwald<br />
Straßburg<br />
bis nach<br />
Einst nahm sie den Betrieb auf, um den Schienenverkehr in ländlichen<br />
Regionen Badens zu retten. Heute erfüllt die Ortenau-S-Bahn in und rund<br />
um Offenburg noch ganz andere Aufgaben: Sie ist beliebte Touristenbahn<br />
ins nahe gelegene Straßburg und dort Anschluss an die TGV-Schnellzüge<br />
nach Paris. Wachsende Verkehrsleistungen und Passagierzahlen haben<br />
derzeit die Rückführung der eigenständigen GmbH in den Mutterkonzern<br />
der Südwestdeutschen Verkehrs-Aktiengesellschaft (SWEG) zur Folge.<br />
Jürgen Behringer brauchte neue Visitenkarten.<br />
Der langjährige Geschäftsführer der Ortenau-S-Bahn<br />
bleibt zwar weiter für die in Offenburg ansässige<br />
OSB verantwortlich, doch nunmehr als Prokurist und<br />
Kaufmännischer Leiter bei der SWEG am Stammsitz<br />
in Lahr. Behringer und seine 49 Mitarbeiter erhielten<br />
neue Arbeitsverträge, „aber sonst ändert sich nicht<br />
viel“, betont der 56-Jährige. Jedenfalls nicht für die<br />
Kunden, die „ihre“ OSB seit 1998 schätzen gelernt<br />
haben. 18 Regioshuttle-Triebwagen fuhren damals<br />
1,1 Millionen Zugkilometer. Heute leisten 29 Zugeinheiten<br />
mit knapp 2,1 Millionen Zugkilometern pro Jahr<br />
fast das Doppelte – auf einem Streckennetz von über<br />
170 Kilometern mit sechs Linien. In diesem Jahr peilt<br />
Ortenau-S-Bahn im neuen SWEG-Look: <strong>Das</strong> „Baden-Württemberg-Gelb“ bestimmt<br />
die Frontpartie. Der vertraute Schriftzug der OSB fällt etwas kleiner aus als bisher.<br />
Klein zu sein, bringt im<br />
komplexen Geschäft des<br />
SPNV keine Kostenvorteile<br />
mehr.<br />
Jürgen Behringer,<br />
Prokurist und Kaufmännischer Leiter SWEG<br />
die OSB einen Fahrgastrekord von fast acht Millionen<br />
Passagieren an; angefangen hatte sie mit 2,5 Millionen.<br />
Die weißen Triebwagen der OSB mit dem auffälligen<br />
Großbuchstaben-Schriftzug „Ortenau-S-Bahn“ über<br />
den Fenstern sind die Platzhirsche an den hinteren<br />
Bahnsteigen des ICE-Bahnhofs Offenburg. Sie werden<br />
auch weiterhin im Einsatz sein. Allerdings werden sie<br />
nach und nach ins Design und in die Innenausstattung<br />
der SWEG überführt: Fahrzeuge der Landeseisenbahn<br />
sind im „Baden-Württemberg-Gelb“ gehalten, und<br />
sie bieten einen modernen Standard im Inneren.<br />
Die Rückkehr in die Konzernstruktur ist das Mittel der<br />
Wahl, um den Schienenverkehr im Ortenaukreis weiter<br />
zu sichern. „Es hat sich herausgestellt, dass die Idee, die<br />
Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs<br />
kleinen, effizienten Betriebseinheiten zu überlassen,<br />
im komplexen Bahngeschäft auf Dauer nicht funktioniert“,<br />
sagt Behringer: „Klein zu sein, bringt keine<br />
Kostenvorteile. Ein gut funktionierendes Eisenbahnverkehrsunternehmen<br />
(EVU) braucht eine gewisse<br />
Größe mit entsprechenden Managementsystemen.<br />
24 16 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>
Ein Regioshuttle-Doppel – hier noch in den alten OSB-Farben – auf dem Lauterbad-<br />
Viadukt auf der Strecke Hausach – Freudenstadt: Mit ihren Linien erhält die Bahn<br />
weiten Teilen der Region den Nahverkehr auf der Schiene.<br />
<strong>Das</strong> kann ein Konzern einfach besser als ein mittelständisches<br />
Unternehmen.“ Hinzu komme, dass<br />
die Anforderungen im Zusammenspiel der Bahn<br />
mit dem Land als Aufgabenträger und Besteller<br />
von der Ausschreibung bis zum täglichen Betrieb<br />
ständig wachsen und immer mehr Personalkapazitäten<br />
fordern. „Als wir anfingen, hatte ein<br />
Verkehrsvertrag vielleicht zehn Seiten. Heute<br />
füllt er alles in allem zwei dicke Aktenordner.“<br />
Die OSB werde aber als beliebte und eingeführte<br />
Marke in der Ortenau erhalten bleiben. Auch ihr<br />
Schriftzug wird weiterhin – wenn auch kleiner – an<br />
den Fahrzeugen prangen. Die Bahn bedient ihre sechs<br />
Linien im Tarifverbund Ortenau (TGO) mit neuem<br />
Verkehrsvertrag aus dem vergangenen Jahr, zunächst<br />
bis 2021. Besteller aller Verkehre ist das Land. Zuvor<br />
war die SWEG zwei Strecken auf eigene Rechnung,<br />
also eigenwirtschaftlich gefahren. „Eisenbahninfrastruktur<br />
übersteigt auf die Dauer die finanziellen<br />
Möglichkeiten eines EVUs“, erläutert Behringer.<br />
„Wir sind froh, dass mit der Aufnahme des gesamten<br />
Angebots in den Verkehrsvertrag nun alle Strecken<br />
langfristig gesichert sind.“ Der Ortenaukreis<br />
ist flächenmäßig der größte in Baden-Württemberg<br />
und mit 410.000 Einwohnern vergleichsweise dicht<br />
besiedelt – und damit interessant für den Nahverkehr<br />
auf der Schiene. Aber: 80 Prozent der Menschen<br />
leben im Rheintal, doch die Schienenwege führen<br />
SWEG-Konzern<br />
Die SWEG Südwestdeutsche Verkehrs-Aktiengesellschaft ist sowohl<br />
Omnibusunternehmen wie auch Eisenbahnverkehrs- und Eisenbahninfrastrukturunternehmen.<br />
Zum Konzern mit rund 770 Mitarbeitern<br />
gehören außer der Muttergesellschaft und der Ortenau-S-Bahn GmbH<br />
fünf weitere Gesellschaften. Hauptsitz ist Lahr/Schwarzwald. Daneben<br />
gibt es in erster Linie entlang des Oberrheins 15 Niederlassungen in<br />
Weil am Rhein, Müllheim, Hartheim, Staufen, Endingen, Ettenheim,<br />
Schutterwald, Offenburg, Kehl, Ottenhöfen, Schwarzach, Kuppenheim,<br />
Wiesloch, Sinsheim, Dörzbach.<br />
<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 17
UNTERWEGS IM NETZ<br />
auch in die stilleren Schwarzwald-Täler. Und über<br />
diese Strecken werden neue Verkehrsverbindungen<br />
erschlossen. Wer von Offenburg mit der OSB durchs<br />
Kinzigtal nach Freudenstadt fährt, kommt nach einmaligem<br />
Umsteigen von dort in den Raum Stuttgart – zu<br />
akzeptablen Reisezeiten und vor allem preisgünstig:<br />
In allen Zügen gilt das landesweite Baden-Württemberg-Ticket.<br />
Und Touristen mit der Konus-Karte, dem<br />
ÖPNV-Angebot für Feriengäste, fahren umsonst.<br />
Preiswert geht es mit der OSB auch in die elsässische<br />
Metropole Straßburg: <strong>Das</strong> ist ein Angebot des „Euro-<br />
Passes“, der sich in verschiedenen Angebotsversionen<br />
– auch als Pendler-Monatskarte – wachsender<br />
Beliebtheit erfreut: <strong>Das</strong> 24-Stunden-Ticket für derzeit<br />
neun Euro beziehungsweise 13,50 Euro für Familien<br />
gilt im gesamten Ortenau-Verbundgebiet sowie grenzüberschreitend<br />
bei Tram und Bus in Straßburg. „<strong>Das</strong><br />
war gar nicht so einfach hinzubekommen“, erinnert<br />
sich der OSB-Chef: „Für unsere französischen Kollegen<br />
war der Verbundgedanke völliges Neuland.“ Doch<br />
es funktioniert auch im Betrieb: Im Wechsel mit der<br />
französischen Staatsbahn SNCF bietet die OSB einen<br />
Halbstunden-Takt über Appenweier und Kehl auf<br />
die andere Rheinseite in einer halben Stunde Fahrzeit<br />
an. Ein Angebot, das Schwarzwald-Urlauber und<br />
die Badener gleichermaßen erfreut. Behringer: „Zum<br />
Straßburger Weihnachtsmarkt etwa oder an sommerlichen<br />
Wochenenden und Feiertagen laufen uns<br />
die Züge in den Spitzenzeiten immer wieder über.“<br />
durchgehenden TGV-Verbindungen von München<br />
und Stuttgart nach Paris eine steigende Nachfrage im<br />
Fernverkehr gibt“, so Behringer. Fünf SWEG-Züge<br />
sind für den Einsatz im französischen Signalsystem<br />
ausgerüstet, zwei SNCF-Triebwagen des TER-Nahverkehrs<br />
der Region „Alsace“ können im deutschen<br />
Netz fahren. Behringer überlegt, bei künftigen Fahrzeugbeschaffungen<br />
die Zahl der Mehrsystemfahrzeuge<br />
zu erhöhen. Die Nachfrage sei da. Insbesondere<br />
auch aus den Schwarzwald-Urlaubsorten werden<br />
Direktverbindungen gefordert. Immerhin: Auf den<br />
28 Kilometern zwischen Offenburg und Straßburg fährt<br />
die OSB rund ein Fünftel ihrer gesamten Verkehrsleistung.<br />
Neu im Angebot seit dem letzten Fahrplanwechsel<br />
Ende 2014 ist die Linie von Hausach nach<br />
Hornberg im Kinzigtal, auf einem Teilabschnitt der<br />
Schwarzwaldbahn. Für sie wurde eigens ein neuer<br />
Haltepunkt eingerichtet – „Gutach Freilichtmuseum“,<br />
unmittelbar vor dem Eingang der Touristenattraktion<br />
Vogtsbauernhof. Der Weg vom neuen Bahnsteig<br />
zur Kasse ist erheblich kürzer als der vom Parkplatz.<br />
Mehr Informationen über die Offenburger OSB<br />
finden Sie online unter:<br />
www.ortenau-s-bahn.de<br />
Auch Fernverkehrskunden nehmen die OSB: Umsteigen<br />
in Offenburg aus dem ICE, weiter ab Straßburg mit<br />
dem TGV nach Paris. „Wir stellen fest, dass es trotz der<br />
Neues Innenleben: Der Fahrgastraum eines OSB-Triebwagens im Konzern-Design<br />
(Foto o.). Ankunft in „Gutach Freilichtmuseum“ (Foto r.): Vom eigens angelegten Haltepunkt<br />
aus geht es schneller auf das Gelände der Touristenattraktion als vom Parkplatz.<br />
18 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>
<strong>Das</strong> Bedienkonzept<br />
Stammstrecke der OSB ist die Linie Freudenstadt<br />
– Schiltach – Hausach – Offenburg<br />
– Appenweier – Bad Griesbach. Auf einem<br />
Dreiviertelkreis aus dem Schwarzwald heraus<br />
durch das Kinzigtal in die badische Rhein-<br />
Ebene und wieder zurück auf der Renchtalbahn<br />
in den Schwarzwald erbringt sie auf 110<br />
Kilometern mit rund 1,3 Mio. Zugkilometern<br />
(1.316 tkm) etwa zwei Drittel der gesamten<br />
Verkehrsleistung. Von Offenburg werden über<br />
Appenweier zusätzlich die Strecken nach<br />
Achern (20,3 km, 20 tkm) und Straßburg<br />
(28,4 km, 455 tkm) bedient. Lokale Verkehre<br />
gibt es zudem zwischen Achern und Ottenhöfen<br />
(10,4 km, 122 tkm), wo die SWEG eine<br />
Werkstatt betreibt, und im Kinzigtal von Biberach<br />
nach Oberharmersbach (10,6 km,<br />
108 tkm) sowie von Hausach nach Hornberg<br />
(9,4 km, 72 tkm). Letztere Strecke mit dem<br />
neuen Haltepunkt am Freilichtmuseum soll<br />
künftig durchgehend bis und ab Offenburg bedient<br />
werden – mit einem Flügelzug-Konzept.<br />
Die Züge Offenburg – Freudenstadt werden bis<br />
Hausach in Doppeltraktion gefahren und dort<br />
geteilt. Dafür müssen aber noch technische<br />
Vorbereitungen abgeschlossen werden.<br />
Strasbourg<br />
Offenburg<br />
Richtung<br />
703<br />
Freiburg<br />
Krimmeri-Meinau<br />
719<br />
Kehl<br />
Kork<br />
Appenweier<br />
Offenburg<br />
Kreisschulzentrum<br />
720<br />
Legelshurst<br />
Biberach<br />
(Baden)<br />
= Bahnhof /Haltestelle<br />
= Schienenstrecke<br />
mit Linien-Nr.<br />
= Buslinie 722<br />
= Buslinie Fa. Schnurr<br />
Renchen<br />
Klausenbach<br />
Gengenbach<br />
Steinach<br />
(Baden)<br />
Haslach<br />
Hausach<br />
Achern<br />
702<br />
Zusenhofen<br />
718<br />
Fa. Schnurr<br />
Nordrach<br />
Gutach<br />
Freilichtmuseum<br />
Richtung<br />
Richtung<br />
Donaueschingen<br />
Karlsruhe<br />
Oberkirch<br />
Achern Stadt<br />
Zell (Harmersbach)<br />
Birach<br />
Unterharmersbach<br />
Unterentersbach<br />
Hornberg<br />
721<br />
720<br />
Kirnbach-Grün<br />
Oberachern<br />
717<br />
Oberkirch<br />
Koehlersiedlung<br />
Oberachern Bindfadenfabrik<br />
Kappelrodeck<br />
Kappelrodeck Ost<br />
Furschenbach<br />
722<br />
Oberharmersbach-Dorf<br />
722<br />
Wolfach<br />
Lautenbach (Baden)<br />
Hubacker<br />
Löcherberg<br />
Halbmeil<br />
Schiltach<br />
Oberharmersbach-<br />
Riersbach<br />
721<br />
Ottenhöfen West<br />
Ottenhöfen<br />
Ramsbach Höfle<br />
Ramsbach Birkhof<br />
Oppenau Bad<br />
Griesbach<br />
Ibach (Schwarzwald)<br />
Bad<br />
Peterstal<br />
Freudenstadt<br />
Alpirsbach<br />
Schenkenzell<br />
Schiltach Mitte<br />
Loßburg-<br />
Rodt<br />
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<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 19
HINTERGRUND<br />
Die Assistenz<br />
im Straßenbahn-Cockpit<br />
Was sich bei Autos längst etabliert hat, schafft es<br />
im ÖPNV nun auch auf die Schiene: Die Stadtwerke<br />
Verkehrsgesellschaft Frankfurt (VGF) führt<br />
gemeinsam mit ihrem Partner Bombardier Transportation<br />
ein Fahrerassistenzsystem (FAS) im<br />
Straßenbahn-Betrieb ein – als erstes Verkehrsunternehmen<br />
weltweit.<br />
Voll ist es, als Patrick Keil an diesem Nachmittag seine<br />
Straßenbahn durch die Frankfurter Innenstadt fährt.<br />
Passanten kreuzen die Gleise, ein Lieferant schiebt einen<br />
mit Kartons beladenen Palettenwagen über die Straße. Als<br />
sich Keil der Szene nähert, tönt ein lauter Signalton durch<br />
die Fahrerkabine: <strong>Das</strong> Assistenzsystem schlägt Alarm – und<br />
warnt vor der möglichen Kollision. Keil zieht den Steuerhebel<br />
zurück. Die Bahn bremst, der Ton erlischt. „Gerade wenn<br />
viel Verkehr ist, kann das FAS schon hilfreich sein“, sagt der<br />
VGF-Ausbilder für das Fahrpersonal. Ein bisschen sensibel<br />
sei es noch – manchmal reagiert es auch auf Warnbarken am<br />
Straßenrand. An diesen Punkten feilen Bombardier Transportation<br />
und VGF noch. Deswegen wird das FAS derzeit<br />
nur in dem Fahrschulwagen eingesetzt, mit dem Patrick Keil<br />
unterwegs ist. Denn die ersten Fahrer werden bereits in das<br />
neue System eingewiesen. Doch schon bald – sukzessive bis<br />
spätestens Ende 2016 – sollen alle 74 Wagen vom Typ „S“,<br />
dem Herzstück der VGF-Flotte, mit dem FAS unterwegs sein.<br />
Dem gingen fast drei Jahre Entwicklungsarbeit voraus –<br />
zunächst durch den Fahrzeughersteller Bombardier Transportation<br />
und seinen Technologiepartner, dem Austrian<br />
Institute of Technology (AIT). Sie verfolgten ein Stereovisionskonzept<br />
(siehe Infokasten). Als Entwicklungspartner<br />
für die Bedienung und praktische Erprobung kam 2013 die<br />
VGF mit ins Boot. „Ende 2013 haben wir den ersten Prototypen<br />
eingebaut. Damals ging es erstmal nur darum, Daten<br />
zu sammeln“, erinnert sich Lothar Wolf, der bei der VGF die<br />
Einführung des FAS betreut. Im Herbst <strong>2015</strong> fehlt nun nur<br />
noch die Feinjustierung. „Der Rest des Jahres wird noch<br />
20 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>
Patrick Keil, Lothar Wolf und VGF-Sprecherin Karola Brack (Foto o., v.l.) demonstrieren die<br />
Funktionsweise des FAS. Ein Plakat mit Smart simuliert dabei ein Hindernis. Als Fahrlehrer<br />
steuert Patrick Keil die Bahn mit installiertem FAS ohnehin regelmäßig durch die Stadt (Foto<br />
l.). Kameras an der Frontscheibe scannen das Umfeld auf mögliche Risikosituationen. Über den<br />
Steuerknüppel kann der Fahrer dem FAS dabei etwa einen Fehlalarm signalisieren (Fotos M.).<br />
Sicher unterwegs durch Stereovision<br />
einmal spannend“, so Wolf: „Wir müssen sehen, wie das FAS<br />
auf umherwirbelndes Laub oder auch Schnee reagiert.“ Hier<br />
müsse die Software gegebenenfalls noch angepasst werden.<br />
Bis das System in den Regelbetrieb geht, steuert in erster<br />
Linie nur Patrick Keil im Fahrschulbetrieb mit FAS. Wieder<br />
ertönt bei seiner Tour durch die Frankfurter Innenstadt<br />
das Signal, das vor einer möglichen Kollision warnt. Ein<br />
Auto am Straßenrand hat halb auf den Schienen geparkt –<br />
für die Bahn ist kein Vorbeikommen. Dieses Mal reagiert<br />
der VGF-Mitarbeiter bewusst nicht auf den Signalton,<br />
und die Bahn leitet nach zwei Sekunden den Bremsvorgang<br />
ein. <strong>Das</strong> ist die Lösung für den Notfall – und soll die<br />
Bahn zum Stehen bringen, falls der Fahrer beispielsweise<br />
ohnmächtig werden sollte. „Am Ende ist aber immer der<br />
Fahrer die letzte Instanz“, erklärt Wolf: „Er verantwortet<br />
das, was er macht. <strong>Das</strong> System greift nur indirekt ein.“<br />
Kernstück bleibt deswegen das akustische Warnsignal. Es<br />
hilft vor allem in unübersichtlichen Situationen, in denen<br />
der Fahrer seine Augen überall haben muss. An der Haltestelle<br />
zum Beispiel, wo Nachzügler noch über die Fahrbahn<br />
zur Bahn sprinten, zahlreiche Fahrgäste ein- und aussteigen<br />
und manchmal auch Autos auf dem Gleiskörper unterwegs<br />
sind. „Hier kann der Fahrer schon einmal abgelenkt sein und<br />
zu spät reagieren. In diesen Fällen unterstützt das System,<br />
indem es den Fahrer rechtzeitig warnt“, sagt VGF-Sprecherin<br />
Karola Brack. Dabei kann es auch zu Fehlalarmen kommen<br />
– durch fliegende Einkaufstüten oder ähnliches. „Dann<br />
reicht es, wenn der Fahrer den Steuerhebel kurz nach unten<br />
drückt“, so Wolf. So signalisiere er, dass alles in Ordnung ist.<br />
Kernstück des Stereovision-Fahrerassistenzsystems von Bombardier<br />
Transportation und VGF sind drei an der Frontscheibe befestigte Kameras.<br />
Sie nehmen zehn Bilder pro Sekunde auf. Diese Daten werden<br />
an die Analyseeinheit weitergeleitet. Durch den Vergleich der Bilder<br />
erkennt diese, wo sich Objekte befinden und ob beziehungsweise wie<br />
sie sich bewegen. Stellen sie ein Risiko dar, erfolgt die akustische Gefahrenmeldung.<br />
Die linke Masterkamera nimmt fortlaufend Bilder auf.<br />
Kamera Nummer zwei fokussiert auf den Nahbereich bis sieben Meter,<br />
Kamera drei auf Entfernungen zwischen sieben und 150 Metern. Durch<br />
Kombination der Bilder erkennt das System Räume in ihrer Tiefe.<br />
www.vgf-ffm.de<br />
Fahrer<br />
Bremsvorgang,<br />
Warnsignal ...<br />
Fahrzeug/<br />
Fahrzeugsteuerung<br />
Energieversorgung<br />
Gefahrenmeldung<br />
(Warnung)<br />
Fahrzeuginformation,<br />
Fahrtrichtung<br />
Stereokameras<br />
1 2 3<br />
Bilddaten<br />
Computer<br />
(Analyse/<br />
Auswertung)<br />
Grafik: Bombardier Inc.<br />
<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 21
Teil 2:<br />
Der Weg zum fertigen<br />
ÖPNV-Produkt<br />
Datenerhebung,<br />
Verkehrsanalyse,<br />
Prognose<br />
Städtebauliche<br />
Rahmenbedingungen<br />
Startpunkt<br />
Fahrzeugplanung<br />
Angebotsplanung<br />
Fahr- und<br />
Umlaufplanung<br />
Dienst- und<br />
Turnusplanung<br />
Die Angebotsplanung im ÖPNV ist komplex: Um vom sinnbildlichen Startpunkt<br />
bis zur „Endhaltestelle Öffentlicher Verkehr“ zu kommen, müssen mehrere, teils<br />
aufeinander aufbauende Stationen passiert werden.<br />
22 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>
REPORTAGE<br />
2013 hat der „Fachwirt für Personenverkehr und Mobilität“ den alten Verkehrsfachwirt bei der Ausbildung<br />
im ÖPNV abgelöst. In einem Vorbereitungslehrgang der <strong>VDV</strong>-Akademie bereiten sich seit dem Frühjahr<br />
erstmals 19 Teilnehmer auf die Prüfung vor. „<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>“ begleitet drei von ihnen während des Kurses.<br />
Teil zwei der Serie.<br />
Millimeterpapier liegt auf den Tischen<br />
der Kursteilnehmer, Geodreiecke und<br />
Lineale. Rüdiger Schild holt zusätzlich<br />
noch einen dicken Wälzer aus seiner<br />
Tasche. „Arbeitsgesetze“ lautet der Titel<br />
des Buches – Hintergrundmaterial für<br />
die heutige Vorlesung im Betrieb der<br />
Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen<br />
AG (Bogestra). Der Mitarbeiter der<br />
Rheinbahn ist einer der 19 Männer und<br />
Frauen, die sich hier bis zum Herbst 2016<br />
auf die IHK-Prüfung zum Fachwirt vorbereiten.<br />
Und aus seiner Sicht hat es sich<br />
schon gelohnt: Der 45-jährige Familienvater<br />
ist kürzlich vom Fahrbetrieb in die<br />
Rheinbahn-Verwaltung gewechselt. „Ich<br />
hatte mich intern als Sachbearbeiter für<br />
Linienkonzessionen und Tarifanwendungen<br />
beworben“, berichtet er. „<strong>Das</strong>s ich<br />
die Stelle bekommen habe, lag auch an<br />
meinen Weiterbildungen. Erst im März<br />
dieses Jahres hatte ich die Ausbildung<br />
zur Fachkraft im Fahrbetrieb (FIF) abgeschlossen<br />
und jetzt arbeite ich auf den<br />
Fachwirt hin.“<br />
Ein weiterer Vorteil: „Teilweise überschneiden<br />
sich Fachwirt- und FIF-Seminare<br />
schon – davon profitiere ich jetzt<br />
beim Lernaufwand“, sagt Rüdiger Schild<br />
lachend. Zumindest bei dem Thema, das<br />
aktuell auf dem Stundenplan steht. Nach<br />
Direktvergabe, Mitarbeitergewinnung<br />
und Marktforschung geht es dieses Mal<br />
nämlich um die Angebotsplanung im<br />
ÖPNV. Die Fachkräfte im Fahrbetrieb<br />
(FIF) hatten sich damit schon einmal beschäftigen<br />
müssen.<br />
Wie ermittelt ein Verkehrsunternehmen<br />
den Bedarf, welche Linien und welche<br />
Taktung will es anbieten? Und was heißt<br />
das unter anderem mit Blick auf die Personal-<br />
und Umlaufplanung (siehe auch<br />
Endhaltestelle<br />
Öffentlicher Öffentlicher Verkehr Verkehr<br />
7. <strong>VDV</strong>-Personalkongress<br />
„Gute Führung, Unternehmenskultur und Beschäftigungsfähigkeit in der<br />
Arbeitswelt 4.0“: Unter diesem Motto begrüßten die <strong>VDV</strong>-Akademie sowie<br />
die Hamburger Hochbahn im Oktober rund 200 Teilnehmer zum 7. <strong>VDV</strong>-<br />
Personalkongress in Hamburg. Die Personaler diskutierten darüber, wie<br />
eine gute Personalführung in der vernetzten Welt aussehen kann und sollte:<br />
nämlich kooperativ und unter Einbindung der Mitarbeiter. <strong>Das</strong> betonten<br />
viele der Referenten in ihren Vorträgen. Auch die Herausforderungen des<br />
demografischen Wandels waren ein Thema. Mehr zum Personalkongress<br />
lesen Sie in der Dezember-<strong>Ausgabe</strong> von „<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>“.<br />
www.vdv-akademie.de<br />
<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 23
Dozent Friedrich Pieper (Foto o.l., im Uhrzeigersinn) erläutert den Teilnehmern die<br />
Grundzüge der Angebotsplanung. In Gruppen bearbeiten Marc Hilterhaus, Rüdiger<br />
Schild und Katharina Windisch gemeinsam mit anderen Teilnehmern die gestellten<br />
Aufgaben und präsentieren die Ergebnisse.<br />
Grafik, Seite 22)? „<strong>Das</strong> sind alles Überlegungen,<br />
die ich bei diesem Thema erst<br />
einmal anstellen muss“, erklärt Friedrich<br />
Pieper, der als Dozent ein Heimspiel hat:<br />
Er ist ehemaliger Betriebsleiter BOStrab<br />
und BOKraft der Bogestra, hat lange<br />
Jahre für das Unternehmen gearbeitet. In<br />
vier teils mehrtägigen Seminarblöcken<br />
wird er den Teilnehmern des Vorbereitungslehrgangs<br />
nun beibringen, wie das<br />
Angebot im ÖPNV abläuft – und welcher<br />
organisatorische und rechtliche Rahmen<br />
dahintersteckt.<br />
Friedrich Pieper, früher ebenfalls<br />
Mitglied in verschiedenen <strong>VDV</strong>-Ausschüssen,<br />
startet mit der Theorie – und<br />
zunächst mit der Planungsmethodik: von<br />
der Ermittlung des Bedarfs per Kundenbefragung<br />
oder -zählung über die Zieldefinition<br />
bis hin zur Planung des optimalen<br />
Vorgehens. Am Nachmittag sollen die<br />
Teilnehmer dann auch selbst Pläne erstellen<br />
und Berechnungen durchführen<br />
– deswegen das Millimeterpapier.<br />
Spätestens als es an die ersten Berechnungen<br />
von Taktung und Personalbedarf<br />
geht, wird klar, dass Angebotsplanung<br />
eine komplexe Angelegenheit ist – auch<br />
wenn diese in den Verkehrsunternehmen<br />
mittlerweile anders vonstattengeht als<br />
früher. „Damals bei der Bogestra hieß die<br />
entsprechende Abteilung noch ‚Die Chirurgie‘“,<br />
erinnert sich Friedrich Pieper.<br />
„Da haben die Fahrplaner tatsächlich in<br />
weißen Kitteln an großen Reißbrettern<br />
gezeichnet.“<br />
<strong>Das</strong> geschieht heute am Computer –<br />
gerechnet werden muss dennoch, mit<br />
komplizierten Formeln. Für die meisten<br />
im Kurs erst einmal eine Umgewöhnung.<br />
„In so etwas müssen wir uns schon mehr<br />
hineinknien als in anderes“, erklärt<br />
Katharina Windisch, Verkehrsmeisterin<br />
im Außendienst bei den Kölner Verkehrs-Betrieben<br />
(KVB). Glück haben da<br />
die Kollegen, die zuvor bereits besagte<br />
FIF-Ausbildung absolviert haben. Doch<br />
trotz des Lernaufwands hat Katharina<br />
Windisch ihre Entscheidung bisher<br />
nicht bereut. „Man muss sich auch etwas<br />
freischaufeln und plant viel mehr“,<br />
berichtet sie über das erste halbe Jahr<br />
im Kurs: „Die Arbeit und der Lehrgang<br />
haben Vorrang, alles andere wie der Urlaub<br />
wird dann dazwischen geschoben.<br />
Aber ich würde meine Entscheidung<br />
nicht rückgängig machen wollen.“ <strong>Das</strong><br />
findet auch Marc Hilterhaus, stellvertretender<br />
Standortleiter Verkehrslenkung<br />
Mülheim der Via Verkehrsgesellschaft.<br />
„Es ist schon viel zu lernen“, sagt er, „aber<br />
wir haben noch Luft für Freizeit. Und das<br />
braucht man auch.“<br />
24 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>
Unsere Protagonisten<br />
Früher wurden die Fahrpläne<br />
an großen Reißbrettern<br />
gezeichnet.“<br />
Friedrich Pieper, Dozent<br />
Katharina<br />
Windisch, 34<br />
Verkehrsmeisterin<br />
im Außendienst bei<br />
der Kölner Verkehrs-<br />
Betriebe AG (KVB)<br />
Rüdiger<br />
Schild, 45<br />
Fachkraft im Fahrbetrieb<br />
bei der Rheinbahn AG –<br />
jetzt in der Verwaltung<br />
Marc<br />
Hilterhaus, 46<br />
Stellvertretender Standortleiter<br />
Verkehrslenkung<br />
Mülheim bei der Via Verkehrsgesellschaft<br />
mbH<br />
Mit der Umstellung auf den „Fachwirt für Personenverkehr<br />
und Mobilität“ zum 1. Oktober 2013<br />
hat sich die Weiterbildung in der Branche verändert.<br />
Der Verkehrsfachwirt wurde durch den<br />
„Fachwirt für Personenverkehr und Mobilität“<br />
beziehungsweise den „Fachwirt für Güterverkehr<br />
und Logistik“ ersetzt. Die <strong>VDV</strong>-Akademie<br />
entwickelte hierfür mit der ÖPNV-Akademie<br />
Nürnberg den Vorbereitungslehrgang. „<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong><br />
<strong>Magazin</strong>“ will seine Leser an dieser Entwicklung<br />
teilhaben lassen. 18 Monate lang, bis Oktober<br />
2016, begleiten wir deswegen drei Teilnehmer<br />
des Kurses: Marc Hilterhaus, Rüdiger Schild und<br />
Katharina Windisch. Bevor es in den kommenden<br />
Seminaren um Themen wie Fahrgastrechte und<br />
Beförderungsbedingungen geht, widmen sie sich<br />
im Herbst <strong>2015</strong> der Angebotsplanung. In dieser<br />
<strong>Ausgabe</strong> erscheint der zweite Teil der Serie.<br />
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Neue Standards festgelegt<br />
Schneller, einfacher und reibungsloser<br />
soll künftig der Schienengüterverkehr<br />
zwischen Deutschland<br />
und Frankreich rollen. <strong>Das</strong> haben<br />
die Französische Eisenbahnsicherheitsbehörde<br />
(EPSF) und der <strong>VDV</strong><br />
vereinbart. „Wenn in Deutschland<br />
und Frankreich dieselben Regeln<br />
für Zugbildung, Traktion, Bremsbedingungen<br />
und die zulässigen<br />
Geschwindigkeiten für internationale<br />
Güterzüge gelten, dann können<br />
künftig die Halte dieser Güterzüge an<br />
den Grenzbahnhöfen minimiert werden<br />
beziehungsweise ganz entfallen“,<br />
erläutert <strong>VDV</strong>-Hauptgeschäftsführer<br />
Oliver Wolff. Die von EPSF und <strong>VDV</strong><br />
unterzeichnete Vereinbarung richtet<br />
Beim Auftaktevent feierten Initiatoren, Schauspieler, Unterstützer und<br />
natürlich der Regisseur (v.l.): Rouven David Israel, VRS-Geschäftsführer<br />
Dr. Wilhelm Schmidt-Freitag, KVB-Vorstandsmitglied Jörn Schwarze,<br />
Inga Lessmann, Karin Paulsmeyer vom NRW-Verkehrsministerium,<br />
Heinrich Brüggemann, Vorsitzender der Geschäftsleitung von DB Regio<br />
NRW, David Zieglmaier, Peter Thorwarth und Kais Setti.<br />
Florence Rousse, EPSF-Generaldirektorin,<br />
und Götz Walther, <strong>VDV</strong>-Fachbereichsleiter<br />
Eisenbahnbetrieb, unterzeichneten die<br />
Vereinbarung.<br />
sich direkt an die Eisenbahnverkehrsunternehmen<br />
(EVU), die darauf<br />
aufbauend betriebliche Anweisungen<br />
für ihr Personal erstellen. In beiden<br />
Staaten liegt die Verantwortung<br />
für die sichere Durchführung des<br />
Eisenbahnbetriebs bei den Eisenbahnunternehmen.<br />
Der fachliche<br />
Teil der Vereinbarung war in einer<br />
Expertenrunde aus Deutschland und<br />
Frankreich erarbeitet worden. Der<br />
deutsch-französische Austausch<br />
auf Fachebene soll auch zu anderen<br />
eisenbahnbetrieblichen Themen<br />
fortgesetzt werden.<br />
Dreharbeiten auf dem<br />
Bahnsteig (l.): 18 Episoden<br />
der Webserie wurden bisher<br />
abgedreht.<br />
26 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>
aus der<br />
Schönes und<br />
Skurriles<br />
Bahn<br />
Eine Fahrt mit angeschickerten Frauen-Gruppen,<br />
das nervende Funkloch zwischen zwei Bahnhöfen<br />
oder der erwischte Schwarzfahrer: Die eine oder<br />
andere Situation haben viele ÖPNV-Nutzer so oder<br />
so ähnlich bestimmt schon einmal erlebt. Im Rahmen<br />
einer Imagekampagne für den Nahverkehr<br />
in NRW wurde aus solchen Geschichten nun eine<br />
Webserie gemacht: „Pendler und andere Helden“.<br />
AKTUELL<br />
Die Initiatoren<br />
„Pendler und andere Helden“ ist Teil der<br />
landesweiten Dachkampagne „Busse<br />
& Bahnen NRW“, die vom NRW-Verkehrsministerium<br />
gefördert wird. Geschäftsstelle<br />
der Kampagne ist das beim<br />
Verkehrsverbund Rhein-Sieg GmbH<br />
angesiedelte Kompetenzcenter Marketing<br />
NRW. Für die Idee und Umsetzung der<br />
Kampagne ist die Essener Kommunikationsagentur<br />
CP/Compartner verantwortlich.<br />
Neben DB Regio NRW, die als Partner<br />
die Produktion maßgeblich unterstützt<br />
hat, haben mittlerweile auch viele weitere<br />
Verkehrsunternehmen und Verkehrsverbünde<br />
in NRW die Serie in ihre Online-<br />
Angebote eingebettet und werden damit<br />
dem Gemeinschaftsgedanken der Dachkampagne<br />
gerecht.<br />
Da sind Sarah, die vegane, manchmal aber spaßbefreite<br />
Politikstudentin, und der chauvinistische<br />
Chris, Autonarr und vorübergehend ohne Führerschein.<br />
Der schüchterne Computernerd Yannick und<br />
der zuvorkommende BWL-Student Serkan ergänzen<br />
das Quartett. Was diese vier im Zug erleben, ist Gegenstand<br />
der Serie „Pendler und andere Helden“. Die<br />
leicht überdrehte Verfilmung des Nahverkehrs soll<br />
nun vor allem Gelegenheitsnutzer des ÖPNV zwischen<br />
20 und 35 Jahren ansprechen. Diese stünden<br />
im Leben zwischen Studium und Beruf, so die Macher,<br />
und damit auch vor der Entscheidung zwischen<br />
eigenem Auto und ÖPNV-Monatsticket. Die Serie<br />
soll den Nahverkehr deswegen als attraktive Alternative<br />
zum Individualverkehr vermarkten. Aktuell<br />
ist sie auf 18 Folgen angelegt, von denen noch bis<br />
Mitte <strong>November</strong> jeden Mittwoch eine neue Episode<br />
online gestellt wird. Ob weitere folgen, sei derzeit<br />
noch offen, aber vorstellbar.<br />
Mit ihrem Ansatz gehen die Partner für die Branche<br />
gänzlich neue Wege im Kundenmarketing. Nicht nur,<br />
weil Alltagsgeschichten aus dem ÖPNV erstmals als<br />
freche Serie verfilmt wurden, sondern auch, weil die<br />
eigentliche Ansprache in erster Linie online stattfindet<br />
– flankiert von klassischen Werbemaßnahmen.<br />
Die nur rund drei Minuten langen Clips werden auf<br />
Youtube eingestellt und können dort sowie über<br />
die eigene Serienwebsite angeschaut werden.<br />
Auf Plattformen wie Facebook oder Google+<br />
wird die Serie zusätzlich beworben.<br />
Schließlich zählen die 20- bis 35-Jährigen<br />
bereits zu den Digital Natives,<br />
die mit dem Internet aufgewachsen<br />
und dort zu Hause sind.<br />
Für das Projekt konnten die Macher<br />
einige namhafte Mitwirkende ver-<br />
pflichten – allen voran Regisseur Peter Thorwarth.<br />
Der 44-Jährige hat sich durch Filme wie „Bang Boom<br />
Bang“ oder zuletzt „Nicht mein Tag“ einen Namen<br />
gemacht. „Für mich war dieses Projekt eine ganz<br />
spannende Erfahrung, weil der Ansatz gerade für<br />
die Branche neu und mutig ist“, sagt er über „Pendler<br />
und andere Helden“: „Wenn man sich mit der Welt<br />
des Nahverkehrs auseinandersetzt, dann findet man<br />
genau diese schönen, menschelnden, manchmal auch<br />
skurrilen oder lustigen Geschichten und Momente,<br />
mit denen wir in der Webserie spielen.“<br />
Diese Geschichten werden zudem auf der Serienwebsite<br />
weitergestrickt: Dort findet sich der fiktive<br />
Blog von Studentin Sarah, in dem sie vor allem über<br />
das schreibt, was sie im Regionalzug erlebt hat. Links<br />
verweisen auf informative und witzige externe Inhalte<br />
rund ums Thema ÖPNV. Info-Filme der Deutschen<br />
Bahn sind genauso dabei wie beispielsweise<br />
ein Link zur WDR-Wissenssendung Quarks & Co.<br />
Die hat im September einen Kostenvergleich zwischen<br />
Bahn und Auto aufgestellt. ÖPNV-Fans dürfte<br />
das Ergebnis nicht überraschen: Der Nahverkehr<br />
fällt deutlich günstiger aus. Wer schon als junger<br />
Mensch aufs Auto verzichtet, spart bis zur Rente<br />
demnach 126.104 Euro – zuzüglich Zinsen.<br />
657.170<br />
Aufrufe<br />
verzeichnet der Youtube-Kanal von „Pendler und<br />
andere Helden“ bisher (Stand 20.10.<strong>2015</strong>).<br />
<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 27
BLICK VON AUSSEN<br />
Neu denken<br />
Weg von der allgemein definierten Zielgruppe hin zum individuellen<br />
Nutzer und seinen konkreten Bedürfnissen: Bei einer vom <strong>VDV</strong>-Marketingausschuss<br />
initiierten Projektwoche gingen 20 junge Mitarbeiter aus<br />
den Verkehrsunternehmen neue Wege bei der Ideenfindung. Mittels des<br />
sogenannten Design Thinkings versuchten sie, Ideen für innovative<br />
Produkte und Lösungen zu entwickeln.<br />
Den Außenstehenden mag der Begriff Design Thinking<br />
zunächst eher an Brainstorming erinnern: Denken in<br />
alle Richtungen, ohne selbst auferlegte Tabus. Dabei orientieren<br />
sich die Anwender dieses Konzepts jedoch an<br />
Vorgehensweisen aus dem – stark nutzerorientierten<br />
– Designbereich. Immer wieder gehen sie dabei zudem<br />
einen Schritt zurück, um eine Lösung oder ein Produkt<br />
zu kreieren, das den Bedürfnissen des Nutzers noch ein<br />
Stück näher kommt (siehe Grafik).<br />
Mit der Projektwoche Mitte September in Berlin wollte<br />
der <strong>VDV</strong>-Ausschuss für Marketing und Kommunikation<br />
(AMK) jungen Mitarbeitern neue Perspektiven eröffnen –<br />
abseits von festen Unternehmensstrukturen. „Sie sollten<br />
eine Plattform erhalten, um frei, kreativ und innovationsorientiert<br />
zu arbeiten“, erklärt Ulf Middelberg, stellvertretender<br />
Vorsitzender des AMK. „Deswegen arbeiteten sie<br />
auch interdisziplinär: Die Teilnehmer kamen nicht nur<br />
aus dem Marketing, sondern auch aus Unternehmensbereichen<br />
wie Strategie und Planung.“ Unter Anleitung<br />
der Agentur „Dark Horse“ widmeten sich die Teilnehmer<br />
in vier Teams je einer ÖPNV-bezogenen Fragestellung.<br />
„Wie können wir den ÖPNV so gestalten, dass die Qualität<br />
der Fahrzeit größer ist als bei Wettbewerbern wie dem<br />
Individualverkehr?“, war beispielsweise eine davon. <strong>Das</strong><br />
Ziel: Bis zum Ende des Workshops passende Produktideen<br />
zu entwickeln. Finanziert wurde die Projektwoche von<br />
Unternehmen aus dem AMK: Berliner Verkehrsbetriebe,<br />
Bogestra, DB Regio, Hamburger Hochbahn, Kölner Verkehrs-Betriebe,<br />
Leipziger Verkehrsbetriebe, Münchner<br />
Verkehrsgesellschaft, Stadtwerke Bonn, Üstra sowie Verkehrs-Aktiengesellschaft<br />
Nürnberg.<br />
ihrem Verhalten sowie Wünschen in Sachen ÖPNV. Im<br />
Anschluss formulierten sie auf einzelne Interviewpartner<br />
gemünzte Fragestellungen – passend zur nutzerorientierten<br />
Herangehensweise des Design Thinkings. Eine<br />
junge Frau beschwerte sich beispielsweise über zu volle<br />
Busse und Bahnen. „Wie können wir Franzi helfen, ein<br />
nicht überfülltes Verkehrsmittel zu finden, ohne dass sie<br />
erst einsteigen muss?“, lautete die sich daraus ergebende<br />
Aufgabe.<br />
Am Ende gab je eine Fragestellung pro Gruppe die Richtung<br />
für die restlichen zwei Tage vor. Innerhalb der Teams<br />
versuchten die Teilnehmer, Antworten zu finden – bis<br />
letztlich jeder Frage eine auf den Nutzer zugeschnittene<br />
Produktidee gegenüberstand.<br />
Zu dieser Idee baute<br />
die jeweilige<br />
Gruppe aus<br />
VERSTEHEN<br />
BEOBACHTEN<br />
Nachdem zunächst theoretische Grundlagen sowie eine<br />
Tour durch Berliner Start-ups auf dem Stundenplan gestanden<br />
hatten, hieß es für die Teilnehmer am dritten Tag:<br />
hinaus auf die Straße. Dort befragten sie Passanten zu<br />
28 <strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>
Bei der Abschlusspräsentation<br />
stellten<br />
die Teilnehmer<br />
den AMK-Mitgliedern<br />
ihre App-<br />
Ideen vor (l.). Ein<br />
Grafiker hatte diese<br />
zuvor großformatig<br />
illustriert (r.).<br />
Materialien wie Pappe oder Styropor dreidimensionale<br />
Prototypen – zur Veranschaulichung. Damit<br />
ging es wieder hinaus auf die Straße. Was hielten<br />
Passanten von der Idee? Kam sie nicht an, hieß es für<br />
das Team: einen Schritt zurück und noch einmal von<br />
vorn anfangen.<br />
Am letzten Tag der Projektwoche folgte die Abschlusspräsentation<br />
der vier Ideen vor den Mitgliedern<br />
des AMK, die als Investoren für die Umsetzung<br />
entsprechender Pilotprojekte in den Unternehmen<br />
gewonnen werden sollten. Mit Erfolg: Für jede Idee<br />
fanden sich Interessenten. Bleibt für Außenstehende<br />
am Ende die Frage, wie diese Ideen nun im Detail<br />
aussehen. Doch noch machen die Beteiligten es<br />
spannend und verraten nichts. Erst sollen innerhalb<br />
der Unternehmen die Pilotprojekte starten.<br />
So funktioniert Design Thinking<br />
Am Anfang steht das Verstehen (siehe Grafik): Worum geht es? Wer ist der<br />
Nutzer? Wie gehen wir vor? Dem folgt das Beobachten und Recherchieren.<br />
Während der AMK-Projektwoche entsprach dieser Schritt den Passanteninterviews.<br />
So sollen neue Bedürfnisse des Nutzers entdeckt werden. In der<br />
Synthese werden die Ergebnisse des zweiten Schritts analysiert und die zentralen<br />
Bedürfnisse des Nutzers konkretisiert. Danach folgen die Entwicklung<br />
der Ideen sowie von ersten Prototypen. Die Ideen werden damit greifbar, ohne<br />
bereits zu viel Geld zu investieren. Am Ende steht der Test: Die Prototypen<br />
werden möglichen Nutzern präsentiert und bei Nichtgefallen solange weiterentwickelt,<br />
bis sie dem Kundenbedürfnis entsprechen. <strong>Das</strong> Wiederholen<br />
einzelner Schritte, um die Lösung zu verbessern, ist ein zentrales Element des<br />
Design Thinkings (iterativer Prozess).<br />
SYNTHESE IDEEN PROTOTYPEN TESTEN<br />
Die verschiedenen<br />
Phasen des Design-<br />
Thinkings<br />
<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong> 29
ABGEFAHREN<br />
Ohne Fahrer zum Ziel<br />
Zum ersten Mal weltweit werden im niederländischen Wageningen ab <strong>November</strong><br />
zwei fahrerlose Busse im öffentlichen Verkehr getestet. Bis zu sechs Fahrgäste<br />
können einen der „WEpods“ per App zu festgelegten Abholstellen zwischen der<br />
dortigen Universität und der Nachbargemeinde Ede bestellen. Mit maximal<br />
25 Stundenkilometern geht es dann zum gewünschten Ziel auf der sieben<br />
Kilometer langen Route. Um die Sicherheit der Passagiere zu gewährleisten, hat<br />
die französische Betreiberfirma Easysmile ihre Kleinstbusse mit ausgefeilten<br />
Sensoren und Kameras ausgestattet. Bei starkem Verkehr, schlechtem Wetter oder<br />
nachts bleiben sie in der Garage. Verläuft der Test erfolgreich, sollen die „WEpods“<br />
in weiteren Städten eingesetzt werden. Auch in Berlin ist man in der Zwischenzeit<br />
nicht untätig. Dort hat die US-Firma Local Motors bei einem Ideen-Wettbewerb<br />
das Konzept „Berlino 3.0“ vorgestellt (siehe Foto): Der selbstfahrende Bus für vier<br />
Fahrgäste soll direkt aus dem 3D-Drucker kommen.<br />
Termin<br />
25. bis 26.<br />
<strong>November</strong> <strong>2015</strong><br />
6. Bundesweites Forum<br />
der Nahverkehrsverbünde<br />
in Leipzig<br />
Die Zukunft der Mobilität für die Stadt<br />
und den ländlichen Raum ist Thema des<br />
Forums. Was ist nötig auf dem Weg zum<br />
innovativen Mobilitätsverbund?<br />
www.vdv.de/termine.aspx<br />
Termin<br />
26. bis 27.<br />
Januar 2016<br />
9. BME/<strong>VDV</strong>-Forum<br />
Schienengüterverkehr<br />
in Bonn<br />
Die Veranstaltung dreht sich um Themen<br />
wie die Verkehrsinfrastruktur und die<br />
Reduzierung des Schienenlärms. Erfolgreiche<br />
Projekte zur Verkehrsverlagerung<br />
auf die Schiene werden vorgestellt.<br />
www.vdv.de/termine.aspx<br />
Die nächste <strong>Ausgabe</strong> von<br />
„<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>“<br />
erscheint Mitte Dezember <strong>2015</strong>.<br />
Impressum<br />
<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong><br />
Herausgeber:<br />
Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (<strong>VDV</strong>),<br />
Kamekestraße 37-39, 50672 Köln,<br />
Tel. 02 21/5 79 79-0,<br />
E-Mail: info@vdv.de,<br />
Internet: www.vdv.de<br />
Redaktion <strong>VDV</strong>:<br />
Lars Wagner (V.i.S.d.P.),<br />
Pressesprecher und Leiter Presse- und<br />
Öffentlichkeitsarbeit<br />
Anschrift der Redaktion:<br />
Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (<strong>VDV</strong>),<br />
Redaktion „<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>“,<br />
Leipziger Platz 8, 10117 Berlin,<br />
magazin@vdv.de<br />
Realisierung, Text und Redaktion:<br />
AD HOC PR, Gütersloh: Stefan Temme (Lt.),<br />
Elena Grawe, Tobias Thiele, Ulla Rettig<br />
Mitarbeit:<br />
Eberhard Krummheuer<br />
Gesamtleitung und Anzeigen:<br />
Christian Horn (AD HOC PR),<br />
Tel. 0 52 41/90 39-33 | horn@adhocpr.de<br />
Grafik-Design:<br />
Volker Kespohl (Volker.Kespohl ı Werbung Münster)<br />
Lars Haberl (AD HOC PR, Gütersloh)<br />
Produktion und Druck:<br />
Druckhaus Rihn, Blomberg<br />
Anzeigenpreise:<br />
Laut Mediadaten <strong>2015</strong><br />
Für Anregungen, Themenvorschläge, Lob und Kritik erreichen Sie uns unter magazin@vdv.de<br />
Bildnachweise:<br />
Titelmotiv: Marc-Oliver Schulz, Hamburger Hochbahn<br />
Rahime Algan (28, 29); Bombardier (21); CP/Compartner<br />
(26); Dark Horse (28/29); dpa/Bodo Marks (2, 6); dpa/<br />
picture alliance/Arco Images/J.T.Werner (9); Eisenbahnen<br />
und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser GmbH (2, 14, 15); Elena<br />
Grawe (2, 20, 21, 24, 25); Fotolia/Jörg Hackemann (30);<br />
Fotolia/industrieblick (30); Fotolia/Jane Kelly/narak0m/<br />
neyro (22); Fotolia/neyro (23); Fotolia/Jane Kelly (25);<br />
HVV (7, 8, 9, 10, 11); Hamburger Hochbahn (8, 10); Volker<br />
Kespohl/Fotolia (22); Eberhard Krummheuer (16, 18); Local<br />
Motors (30); Magdeburger Verkehrsbetriebe/Peter Gercke<br />
(12); RMV/Jana Kay (15); Stadtwerke Osnabrück (12); SWEG<br />
(2, 16, 17, 18, 19); Üstra (4/5, 5); <strong>VDV</strong> (3, 26); <strong>VDV</strong> Südwest<br />
(12); Mathias Wodrich | mediawork.berlin (15)<br />
„<strong>VDV</strong> <strong>Das</strong> <strong>Magazin</strong>“ erscheint alle zwei Monate (sechsmal<br />
im Jahr). Alle im <strong>Magazin</strong> erscheinenden Beiträge und<br />
Bilder sind urheberrechtlich geschützt. Außerhalb der<br />
Grenzen des Urheberrechts ist die Verwertung ohne die<br />
Zustimmung des Herausgebers nicht zulässig. <strong>Das</strong> gilt vor<br />
allem für Vervielfältigungen, Übersetzungen sowie die elektronische<br />
Speicherung und Verarbeitung.<br />
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