Waterkant 2015 Heft 3
Magazin für Umwelt+Mensch+Arbeit in der NORDSEEREGION
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| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche | WATERKANT Verbreitung | 3-15 | erlaubt © www.waterkant.info |<br />
die Bundesrepublik die Abgabefrist bereits verpasst,<br />
weil die Unterliegerländer Niedersachsen<br />
und Nordrhein-Westfalen nicht mit dem „Vierphasenplan“<br />
einverstanden waren. Erst im April<br />
dieses Jahres wurde ein Entwurf vorgelegt, der<br />
sich bis Ende September in der Offenlegungsphase<br />
befand. Auch dieser Bewirtschaftungsplan<br />
sieht aber nicht vor, die WRRL zielkonform<br />
umzusetzen: Auch er ignoriert, dass eine Minderung<br />
der Umweltziele keine Grundlage hätte,<br />
und ist daher schon vor Inkrafttreten als rechtswidrig<br />
anzusehen.<br />
Darüberhinaus hat die FGG Weser in keinem<br />
Einzelfall nachgewiesen, wie die Ziele<br />
dieses Bewirtschaftungsplans mit den benannten<br />
Maßnahmen erreicht werden können. Das<br />
bedeutet, dass seine Ziele der Kali-Industrie<br />
nicht verbindlich vorgegeben werden<br />
können, somit verfehlt er jede Wirkung. Es<br />
ist nicht anzunehmen, dass dieser Plan für<br />
<strong>2015</strong>‐21 der EU‐Kommission genügen wird, um<br />
einer Aussetzung der Umsetzungsfristen und<br />
einer Minderung der Umweltziele der WRRL<br />
zuzustimmen.<br />
Der „Vierphasenplan“ ließe sich nur umsetzen,<br />
wenn die von der K+S AG beantragte Fortführung<br />
der Laugenverpressung, die weitere<br />
Aufhaldung von Salzrückständen, die Einleitung<br />
von Abwässern in die Werra sowie die Schaffung<br />
einer weiteren Verklappungsstelle an der<br />
Oberweser (mittels so genannter „Oberweserpipeline“)<br />
genehmigt werden könnten. Das<br />
erscheint nach Stand der Dinge unwahrscheinlich.<br />
Die ebenfalls umstrittene Option einer<br />
„Nordseepipeline“ zur Einleitung der Abwässer<br />
in Jade und Nordsee ist nicht Teil des K+S‐Hessen-Plans<br />
und somit vorerst vom Tisch.<br />
Besonders kritisch ist die Verpressung der<br />
Abwässer in den Untergrund zu beurteilen. Das<br />
Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie<br />
(HLUG) hat nachgewiesen, dass durch die<br />
Laugenverpressung Grundwasser und Trinkwasser<br />
nachteilig beeinflusst worden sind und<br />
dass der Ausfall von weiteren Trinkwassergewinnungsanlagen<br />
nicht auszuschließen ist. Vor<br />
dem Hintergrund des Wasserhaushaltsgesetzes<br />
wäre die Laugenverpressung als rechtswidrig<br />
einzustufen. Von der K+S AG ist verlangt worden,<br />
die Unbedenklichkeit einer fortgesetzten<br />
Laugenverpressung durch ein so genanntes<br />
kalibriertes Grundwassermodell nachzuweisen.<br />
Das vom Konzern vorgelegte Ergebnis haben die<br />
HLUG‐Experten allerdings als nicht aussagekräftig<br />
beurteilt – sowohl die K+S AG als auch<br />
die hessische Umweltministerin versuchten daraufhin,<br />
die Stellungnahme des HLUG und weiterer<br />
Gutachter geheim zu halten: Die Vorlage<br />
dieser Akten musste erst gerichtlich erzwungen<br />
werden.<br />
Mit seinem Urteil vom 1. Juli dieses Jahres<br />
zur Weservertiefung (2) hat der EuGH derweil<br />
Kali-Abraumhalde des Werks Hattorf an der Werra bei Philippsthal: Der „Vierphasenplan“ sieht nicht vor, die<br />
Ewigkeitslasten dieser Salzhalden zu beenden – im Gegenteil.<br />
Foto: Stephan Gunkel<br />
auch die Handlungsfreiheit sowohl der K+S AG<br />
als Verursacher der Werra-Weser-Versalzung<br />
als auch der hessischen Behörden weiter eingeengt.<br />
Denn die in diesem Urteil enthaltene Auslegung<br />
des Verschlechterungsverbots der WRRL<br />
gilt selbstverständlich nicht nur für Unter- und<br />
Außenweser oder Unterelbe, sondern für alle<br />
der WRRL unterworfenen Gewässer, also auch<br />
für die Werra-Weser-Region. Vom Urteil des<br />
EuGH sind alle bisherigen Entsorgungswege<br />
der Kali‐Industrie im Werrarevier betroffen.<br />
Der chemische Zustand des von der Laugenverpressung<br />
betroffenen Grundwassers ist ohne<br />
Zweifel in die schlechteste Qualitätsstufe einzuordnen.<br />
Das HLUG hat nachgewiesen, dass<br />
jeder weitere Eintrag zu einer Verschlechterung<br />
führt. Eine Fortführung der Laugenverpressung<br />
darf also nicht genehmigt werden.<br />
In das Grundwasser gelangen aber auch Haldenlaugen<br />
von den K+S‐Rückstandshalden.<br />
Vor dem Hintergrund des EuGH‐Urteils ist damit<br />
auch der versatzlose Bergbau mit seinen<br />
Rückstandshalden rechtswidrig. Die EU‐Kommission<br />
hatte bereits im Falle des spanischen<br />
Kaliproduzenten Iberpotash durchgesetzt,<br />
dass keine weitere Aufhaldung erfolgen darf<br />
und die vorhandenen Halden zurück gebaut<br />
werden müssen. Und schließlich: Weil auch<br />
der Zustand der Werra längst der schlechtesten<br />
WRRL‐Qualitätsstufe entspricht, verstößt<br />
die weitere Einleitung der K+S‐Abwässer gegen<br />
das Verschlechterungsverbot und ist somit<br />
europarechtswidrig.<br />
Insgesamt kann festgestellt werden, dass<br />
die K+SAG ihre Entsorgungspolitik unter konsequenter<br />
Missachtung europarechtlicher Vorgaben<br />
längst an die Wand gefahren hat. Mehr<br />
noch: Der Versuch des Konzerns, die Übernahme<br />
mit Hilfe von Aktienkauf durch die<br />
bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau<br />
(KfW) abzublocken, wäre eine Milliardenspritze<br />
des Bundes und damit ein weiteres<br />
Beispiel für missglückte Wirtschaftsförderung.<br />
Der Staat hatte dem Konzern bekanntlich schon<br />
die mitteldeutsche Kali-Industrie geschenkt<br />
und noch Geld dazu bezahlt – ohne jede Verpflichtung,<br />
für Umweltschäden aufzukommen.<br />
Mit derartiger Subventionspolitik wird im Konzerndenken<br />
eine der wichtigsten Voraussetzungen<br />
für wirtschaftlichen Erfolg sabotiert – die<br />
Fähigkeit, sich technisch weiter zu entwickeln.<br />
Seit Jahren versichert die K+S AG, an der Werra<br />
einen Stand der Technik nicht umsetzen zu können,<br />
der außerhalb Deutschlands und sogar in<br />
Schwellenländern längst üblich ist.<br />
Die WWA hatte im November 2014 einen<br />
Drei‐Stufen‐Plan vorgestellt, der nicht nur zeigt,<br />
wie in Werra und Weser die Ziele der WRRL<br />
bis zur letzten Frist im Jahre 2027 erreicht<br />
werden könnten, und der somit konform ist<br />
mit dem aktuellen EuGH-Urteil. Dieser Plan<br />
wäre – unter anderem mit der bereits vorgestellten<br />
K‐UTEC‐Technik – auch international<br />
konkurrenzfähig. Und könnte so eine umweltfreundlicher<br />
arbeitende K+S AG vor Betriebsschließungen<br />
durch einen neuen Eigentümer<br />
schützen... <br />
Anmerkungen:<br />
* Dr. Walter Hölzel ist Stadtrat von Witzenhausen und<br />
Sprecher der „Werra-Weser-Anrainerkonferenz e. V.“<br />
(WWA).<br />
1. Das Kürzel „K+S AG“ ist seit 1999 offizieller Firmenname<br />
des Konzerns, der zuvor unter „Kali + Salz“<br />
bekannt wurde und zu dem heute etliche Teilfirmen<br />
gehören – darunter auch die „K+S Kali GmbH“, die die<br />
hiesigen Bergwerke betreibt.<br />
2. siehe Beitrag in diesem <strong>Heft</strong> auf Seite 21.<br />
3. WATERKANT hat mehrfach über die Probleme Werra-<br />
Weser-Region berichtet, eine Übersicht bietet die<br />
Suche http://www.waterkant.info/?s=Werra.