Waterkant 2015 Heft 3
Magazin für Umwelt+Mensch+Arbeit in der NORDSEEREGION
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| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info |<br />
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Gericht habe solche Ausnahmen ja ausdrücklich<br />
in Aussicht gestellt. Insofern müsse nun das<br />
BVerwG in Leipzig schnell den Weg freimachen<br />
für die Bagger.<br />
Irrtum. Es ist richtig, dass der EuGH seine<br />
Auslegung der WRRL immer mit dem Zusatz<br />
„vorbehaltlich der Gewährung einer Ausnahme“<br />
versehen hat. Aber daraus nun den Automatismus<br />
abzuleiten, dass Weser- und Elbvertiefung<br />
solche Ausnahmen zwingend erfordern, zeigt<br />
nur, dass die betreffenden Akteure das Urteil<br />
nicht richtig gelesen haben; böse Zungen könnten<br />
auch behaupten, sie ignorierten seine Aussagen<br />
vorsätzlich, um propagandistischen Druck<br />
zu erzeugen...<br />
Der EuGH hat nämlich klargestellt, dass es bei<br />
den prinzipiell zulässigen Ausnahmen mitnichten<br />
um singuläre Interessen geht, auch wenn<br />
diese als „öffentlich“ verkauft werden. Vielmehr<br />
zielt das Luxemburger Gericht in seiner<br />
Beschreibung möglicher Ausnahmen deutlich<br />
auf den ökologischen Zustand der betreffenden<br />
Gewässer, auf dessen Erhalt beziehungsweise<br />
seine notwendige Verbesserung. Die Richter<br />
verweisen dazu wiederholt auf Artikel 4 Absatz<br />
7 der WRRL – und der knüpft die Gewährung<br />
von Ausnahmen an einen Katalog von vier<br />
Bedingungen, die „alle erfüllt“ sein müssen (6).<br />
Es gehe bei der WRRL nicht um bloße Zielvorgaben<br />
für eine Bewirtschaftungsplanung,<br />
vielmehr entfalte die Richtlinie verbindliche<br />
Wirkung in jedem einzelnen konkreten Vorhaben.<br />
Nur wenn also in vielen Einzelpunkten<br />
– Tidenhub, Brackwasserzone, Baggergutmengen<br />
und anderes mehr – die negativen Folgen<br />
verhindert oder drastisch gemindert würden,<br />
wäre eine Ausnahme denkbar: vermutlich eine<br />
wasserbautechnische Unmöglichkeit. Außerdem<br />
zählt zum Bedingungskatalog auch die Vorschrift<br />
4 (7) d), nach der die Zulässigkeit einer<br />
geforderten Ausnahme auch davon abhängig<br />
wäre, dass die „nutzbringenden Ziele“ der angestrebten<br />
Maßnahme – also beispielsweise ein<br />
wirtschaftlicher Nutzen von Weser- oder Elb-<br />
Vertiefung – „nicht durch andere Mittel, die<br />
eine wesentlich bessere Umweltoption darstellen,<br />
erreicht werden“ können.<br />
Spätestens hier kommt ein Gutachten<br />
des Berliner Instituts für Ökologische<br />
Wirtschaftsforschung (IÖW) ins Spiel, dass die<br />
Forscher im Auftrage des WWF erstellt haben.<br />
Unter der Überschrift „Versenkte Millionen –<br />
Steuergrab Elbvertiefung“ bilanziert der BUND<br />
auf seiner Webseite (7) diese Studie so: „Ein<br />
Verzicht auf die geplanten Vertiefungen von<br />
Weser und Elbe würde einen Betrag von insgesamt<br />
570 Millionen Euro an Steuergeldern<br />
freisetzen, der dann für dringlichere Infrastrukturprojekte<br />
zur Verfügung stünde.“ Während<br />
allerdings die Umweltverbände daraus unter<br />
anderem die Forderung nach einer übergreifenden<br />
Hafenkooperation – Hamburg, Bremen/<br />
Bremerhaven und Wilhelmshaven – ableiten,<br />
setzte anlässlich des EuGH‐Urteils der hafenpolitische<br />
Sprecher der Hamburger Links-Fraktion,<br />
Norbert Hackbusch, zukunftsträchtig eins<br />
drauf: Er plädierte für eine Häfen-Allianz gegen<br />
den zunehmenden Größenwahn bei den Containerschiffen,<br />
der über die Vertiefungs-Debatte<br />
hinaus „auch immer höhere, unerfüllbare<br />
Ansprüche an die Infrastruktur und die Hinterland-Anbindung“<br />
bedeute. Bravo.<br />
Wobei hinzuzufügen ist, dass die IÖW‐Studie<br />
sich hinsichtlich der Weser auf die Außenweservertiefung<br />
beschränkt, den Unterweserausbau<br />
mit seinen immensen Folgekosten indes<br />
außer Acht lässt: Dort nämlich sehen die Bauern<br />
insbesondere der so genannten Wesermarsch<br />
auf dem linken Flussufer die Be- und<br />
Entwässerung ihrer Weiden gefährdet, wenn<br />
der Fluss zwischen Bremerhaven und Brake<br />
weiter ausgebaggert wird. Es ist unstrittig und<br />
im angefochtenen Planfeststellungsbeschluss<br />
nachlesbar, dass die geplante Vertiefung das<br />
Fließverhalten und hier insbesondere die<br />
Durchmischung von Salz-, Brack- und Süßwasser<br />
verändert – wie bereits angedeutet, wandert<br />
damit die Grenze der so genannten Brackwasserzone<br />
flussaufwärts. Wenn aber über die<br />
Rohre und Siele vermehrt salzhaltigeres Wasser<br />
in das angeschlossene Grabensystem der<br />
Marschen hinter den Deichen eindringt, werden<br />
dort nicht nur Flora und Fauna geschädigt; es<br />
werden auch angeschlossene technische Einrichtungen<br />
ebenso beeinträchtigt wie die Funktion<br />
der Grabensysteme für Bewässerung und<br />
Viehtränke. Somit wird ein Bewässern der Weiden<br />
wie bisher über Siele und Gräben schwierig<br />
bis unmöglich. Nach heftigen Protesten der<br />
Landwirte kamen die Planer dann zwar auf die<br />
schlaue Idee, den Bauern für rund 50 Millionen<br />
Euro Steuergeld (zusätzlich zu den Kosten<br />
der geplanten Vertiefung) ein komplett neues<br />
Bewässerungssystem zu schenken – die Akzeptanz<br />
des Vorhabens in der Öffentlichkeit hat das<br />
aber nicht erhöht. Insgesamt liegt es nahe, in<br />
einem Verzicht auf die Vertiefung (nicht nur) der<br />
Weser die „wesentlich bessere Umweltoption“<br />
und beträchtliche Kostenersparnis zu sehen.<br />
Zynisch muss man etwa im Falle der Weser<br />
den Planern zugute halten, dass sie sich nachdrücklich<br />
bemüht haben, Folgekosten einzusparen<br />
– indem sie etliche der mehr als 1000<br />
Einwendungen gegen ihren Planfeststellungsbeschluss<br />
als „unbegründet“ vom Tisch gewischt<br />
haben. Und da in vielen dieser Fälle<br />
Einwender auf den Klageweg verzichten mussten,<br />
spielen all diese Bedenken jetzt verfahrenstechnisch<br />
keine Rolle mehr, können also<br />
auch keine weiteren Kosten verursachen: Die<br />
Betroffenen hoffen nun auf einen Erfolg des<br />
BUND – und dies nicht nur aus ökologischen<br />
Gründen. Der Katalog dieser überwiegend unberücksichtigten<br />
Einwendungen ist lang. Zwei<br />
Beispiele seien erwähnt, um zu verdeutlichen,<br />
mit welcher Unverfrorenheit die Planer sich<br />
zum Teil über die Ängste und Sorgen der Anrainer<br />
hinweggesetzt haben – immer die angeblich<br />
im öffentlichen Interesse wohltätige<br />
Hafenwirtschaft im Blick.<br />
So bangen etwa Wassersportvereine an<br />
der Unterweser um ihre Sportboothäfen, die<br />
schon heute nur während weniger Hochwasserstunden<br />
nutzbar sind und zwischendurch<br />
trocken fallen; die Vertiefung des Flusses wird<br />
zu weiterer Verschlickung der Uferzonen führen,<br />
die Nutzbarkeit der Häfen durch längere<br />
Trockenfall-Phasen somit weiter abnehmen.<br />
Die zugleich zunehmende Strömungsgeschwindigkeit<br />
in Flussmitte beziehungsweise Fahrrinne<br />
hat Folgen sowohl für Uferbereiche als<br />
auch für das Tideverhalten. In einer strukturschwachen<br />
Region, in der viele Ortschaften ihre