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Waterkant 2015 Heft 3

Magazin für Umwelt+Mensch+Arbeit in der NORDSEEREGION

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| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info |<br />

| 23 |<br />

Gericht habe solche Ausnahmen ja ausdrücklich<br />

in Aussicht gestellt. Insofern müsse nun das<br />

BVerwG in Leipzig schnell den Weg freimachen<br />

für die Bagger.<br />

Irrtum. Es ist richtig, dass der EuGH seine<br />

Auslegung der WRRL immer mit dem Zusatz<br />

„vorbehaltlich der Gewährung einer Ausnahme“<br />

versehen hat. Aber daraus nun den Automatismus<br />

abzuleiten, dass Weser- und Elbvertiefung<br />

solche Ausnahmen zwingend erfordern, zeigt<br />

nur, dass die betreffenden Akteure das Urteil<br />

nicht richtig gelesen haben; böse Zungen könnten<br />

auch behaupten, sie ignorierten seine Aussagen<br />

vorsätzlich, um propagandistischen Druck<br />

zu erzeugen...<br />

Der EuGH hat nämlich klargestellt, dass es bei<br />

den prinzipiell zulässigen Ausnahmen mitnichten<br />

um singuläre Interessen geht, auch wenn<br />

diese als „öffentlich“ verkauft werden. Vielmehr<br />

zielt das Luxemburger Gericht in seiner<br />

Beschreibung möglicher Ausnahmen deutlich<br />

auf den ökologischen Zustand der betreffenden<br />

Gewässer, auf dessen Erhalt beziehungsweise<br />

seine notwendige Verbesserung. Die Richter<br />

verweisen dazu wiederholt auf Artikel 4 Absatz<br />

7 der WRRL – und der knüpft die Gewährung<br />

von Ausnahmen an einen Katalog von vier<br />

Bedingungen, die „alle erfüllt“ sein müssen (6).<br />

Es gehe bei der WRRL nicht um bloße Zielvorgaben<br />

für eine Bewirtschaftungsplanung,<br />

vielmehr entfalte die Richtlinie verbindliche<br />

Wirkung in jedem einzelnen konkreten Vorhaben.<br />

Nur wenn also in vielen Einzelpunkten<br />

– Tidenhub, Brackwasserzone, Baggergutmengen<br />

und anderes mehr – die negativen Folgen<br />

verhindert oder drastisch gemindert würden,<br />

wäre eine Ausnahme denkbar: vermutlich eine<br />

wasserbautechnische Unmöglichkeit. Außerdem<br />

zählt zum Bedingungskatalog auch die Vorschrift<br />

4 (7) d), nach der die Zulässigkeit einer<br />

geforderten Ausnahme auch davon abhängig<br />

wäre, dass die „nutzbringenden Ziele“ der angestrebten<br />

Maßnahme – also beispielsweise ein<br />

wirtschaftlicher Nutzen von Weser- oder Elb-<br />

Vertiefung – „nicht durch andere Mittel, die<br />

eine wesentlich bessere Umweltoption darstellen,<br />

erreicht werden“ können.<br />

Spätestens hier kommt ein Gutachten<br />

des Berliner Instituts für Ökologische<br />

Wirtschaftsforschung (IÖW) ins Spiel, dass die<br />

Forscher im Auftrage des WWF erstellt haben.<br />

Unter der Überschrift „Versenkte Millionen –<br />

Steuergrab Elbvertiefung“ bilanziert der BUND<br />

auf seiner Webseite (7) diese Studie so: „Ein<br />

Verzicht auf die geplanten Vertiefungen von<br />

Weser und Elbe würde einen Betrag von insgesamt<br />

570 Millionen Euro an Steuergeldern<br />

freisetzen, der dann für dringlichere Infrastrukturprojekte<br />

zur Verfügung stünde.“ Während<br />

allerdings die Umweltverbände daraus unter<br />

anderem die Forderung nach einer übergreifenden<br />

Hafenkooperation – Hamburg, Bremen/<br />

Bremerhaven und Wilhelmshaven – ableiten,<br />

setzte anlässlich des EuGH‐Urteils der hafenpolitische<br />

Sprecher der Hamburger Links-Fraktion,<br />

Norbert Hackbusch, zukunftsträchtig eins<br />

drauf: Er plädierte für eine Häfen-Allianz gegen<br />

den zunehmenden Größenwahn bei den Containerschiffen,<br />

der über die Vertiefungs-Debatte<br />

hinaus „auch immer höhere, unerfüllbare<br />

Ansprüche an die Infrastruktur und die Hinterland-Anbindung“<br />

bedeute. Bravo.<br />

Wobei hinzuzufügen ist, dass die IÖW‐Studie<br />

sich hinsichtlich der Weser auf die Außenweservertiefung<br />

beschränkt, den Unterweserausbau<br />

mit seinen immensen Folgekosten indes<br />

außer Acht lässt: Dort nämlich sehen die Bauern<br />

insbesondere der so genannten Wesermarsch<br />

auf dem linken Flussufer die Be- und<br />

Entwässerung ihrer Weiden gefährdet, wenn<br />

der Fluss zwischen Bremerhaven und Brake<br />

weiter ausgebaggert wird. Es ist unstrittig und<br />

im angefochtenen Planfeststellungsbeschluss<br />

nachlesbar, dass die geplante Vertiefung das<br />

Fließverhalten und hier insbesondere die<br />

Durchmischung von Salz-, Brack- und Süßwasser<br />

verändert – wie bereits angedeutet, wandert<br />

damit die Grenze der so genannten Brackwasserzone<br />

flussaufwärts. Wenn aber über die<br />

Rohre und Siele vermehrt salzhaltigeres Wasser<br />

in das angeschlossene Grabensystem der<br />

Marschen hinter den Deichen eindringt, werden<br />

dort nicht nur Flora und Fauna geschädigt; es<br />

werden auch angeschlossene technische Einrichtungen<br />

ebenso beeinträchtigt wie die Funktion<br />

der Grabensysteme für Bewässerung und<br />

Viehtränke. Somit wird ein Bewässern der Weiden<br />

wie bisher über Siele und Gräben schwierig<br />

bis unmöglich. Nach heftigen Protesten der<br />

Landwirte kamen die Planer dann zwar auf die<br />

schlaue Idee, den Bauern für rund 50 Millionen<br />

Euro Steuergeld (zusätzlich zu den Kosten<br />

der geplanten Vertiefung) ein komplett neues<br />

Bewässerungssystem zu schenken – die Akzeptanz<br />

des Vorhabens in der Öffentlichkeit hat das<br />

aber nicht erhöht. Insgesamt liegt es nahe, in<br />

einem Verzicht auf die Vertiefung (nicht nur) der<br />

Weser die „wesentlich bessere Umweltoption“<br />

und beträchtliche Kostenersparnis zu sehen.<br />

Zynisch muss man etwa im Falle der Weser<br />

den Planern zugute halten, dass sie sich nachdrücklich<br />

bemüht haben, Folgekosten einzusparen<br />

– indem sie etliche der mehr als 1000<br />

Einwendungen gegen ihren Planfeststellungsbeschluss<br />

als „unbegründet“ vom Tisch gewischt<br />

haben. Und da in vielen dieser Fälle<br />

Einwender auf den Klageweg verzichten mussten,<br />

spielen all diese Bedenken jetzt verfahrenstechnisch<br />

keine Rolle mehr, können also<br />

auch keine weiteren Kosten verursachen: Die<br />

Betroffenen hoffen nun auf einen Erfolg des<br />

BUND – und dies nicht nur aus ökologischen<br />

Gründen. Der Katalog dieser überwiegend unberücksichtigten<br />

Einwendungen ist lang. Zwei<br />

Beispiele seien erwähnt, um zu verdeutlichen,<br />

mit welcher Unverfrorenheit die Planer sich<br />

zum Teil über die Ängste und Sorgen der Anrainer<br />

hinweggesetzt haben – immer die angeblich<br />

im öffentlichen Interesse wohltätige<br />

Hafenwirtschaft im Blick.<br />

So bangen etwa Wassersportvereine an<br />

der Unterweser um ihre Sportboothäfen, die<br />

schon heute nur während weniger Hochwasserstunden<br />

nutzbar sind und zwischendurch<br />

trocken fallen; die Vertiefung des Flusses wird<br />

zu weiterer Verschlickung der Uferzonen führen,<br />

die Nutzbarkeit der Häfen durch längere<br />

Trockenfall-Phasen somit weiter abnehmen.<br />

Die zugleich zunehmende Strömungsgeschwindigkeit<br />

in Flussmitte beziehungsweise Fahrrinne<br />

hat Folgen sowohl für Uferbereiche als<br />

auch für das Tideverhalten. In einer strukturschwachen<br />

Region, in der viele Ortschaften ihre

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