14.10.2015 Aufrufe

Waterkant 2015 Heft 3

Magazin für Umwelt+Mensch+Arbeit in der NORDSEEREGION

Magazin für Umwelt+Mensch+Arbeit in der NORDSEEREGION

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

ISSN 1611-1583<br />

Nr. 3 / 30. Jahrgang<br />

September <strong>2015</strong><br />

14.00 €<br />

Umwelt + Mensch + Arbeit in der Nordseeregion<br />

im 30. Jahrgang<br />

www.waterkant.info<br />

9. Nationale Maritime Konferenz<br />

Schiffbau: Verstaatlichen? Seite 9<br />

Unsere Unsere Themen Themen<br />

Seeleute: Alle Mann von Bord! Seite 13<br />

Offshore-Terminal Bremerhaven: Kein Bedarf und kein Geld Seite 17<br />

Elbfähre Cuxhaven-Brunsbüttel: Neuer Versuch, neue Chance Seite 19<br />

Vertiefungen von Weser und Elbe: EuGH legt Hürden hoch Seite 21<br />

Werra-Weser-Versalzung: „Weiter wie bisher“ geht nicht Seite 27<br />

Fracking: Umwelt- und Gesundheitsrisiken für schnellen Profit Seite 29


| 2 |<br />

| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info |<br />

Impressum<br />

Herausgeber<br />

Förderkreis WATERKANT e. V.<br />

Sitz des Vereins<br />

D-48282 Emsdetten, Grevener Damm 97<br />

Bankverbindung + Spendenkonto<br />

Ostfriesische Volksbank eG<br />

BLZ: 285 900 75<br />

BIC: GENODEF1LER<br />

Konto: 410 200 3000<br />

IBAN: DE32 2859 0075 4102 0030 00<br />

Verantwortl. i. Sinne des LPG-NRW § 8 II<br />

Burkhard Ilschner, D-27628 Sandstedt<br />

Kontaktanschrift<br />

Redaktion WATERKANT<br />

Offenwardener Straße 6<br />

D-27628 Sandstedt<br />

Tel.: 0 47 02 / 92 00 94 (bitte vormittags)<br />

Fax: 0 47 02 / 92 00 93<br />

E-Mail: buero@waterkant.info<br />

Internet: www.waterkant.info<br />

Satz, Layout & Aboverwaltung<br />

okay druckbetreuung, Volkmar Kayser<br />

Kirchringstraße 2/12<br />

D-26736 Krummhörn-Loquard<br />

Tel.: 0 49 27 / 187 97 75<br />

Fax: 0 49 27 / 187 97 78<br />

E-Mail: abo@waterkant.info<br />

Druck<br />

Saxoprint Gmbh, 01277 Dresden<br />

Bezug<br />

Einzelpreis 14.00 Euro zzgl. Versand.<br />

Jahresabonnement 50.00 Euro inkl. Versand.<br />

Schüler, Studenten, Azubis, Hartz-IV-Empfänger<br />

die Hälfte.<br />

Für Mitglieder des Fördervereins ist der<br />

Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten.<br />

Copyright etc.<br />

© Alle Rechte vorbehalten, dies gilt insbesondere<br />

für Nachdruck, Kopie, Verleih, Übertragung<br />

auf elektronische Speichermedien,<br />

Internet-Einsatz. Jede öffentliche Nutzung<br />

und Verbreitung ist nur nach vorheriger<br />

Absprache mit und Erlaubnis durch Herausgeber<br />

oder Redaktion gestattet.<br />

Sämtliche Inhalte stehen ausschließlich zum<br />

privaten oder nichtkommerziellen Gebrauch<br />

zur Verfügung. Jede gewerbliche Nutzung der<br />

Inhalte ist unzulässig.<br />

Alle Rechte am Titel WATERKANT inkl.<br />

Untertitel »Umwelt + Mensch + Arbeit in<br />

der Nordseeregion« bei Burkhard Ilschner,<br />

D-27628 Sandstedt.<br />

Namentlich gekennzeichnete Beiträge<br />

geben nicht unbedingt die Meinung der<br />

Herausgeber oder der Redaktion wieder. Für<br />

unverlangt eingesandte Beiträge wird keine<br />

Gewähr übernommen, Rücksendung erfolgt<br />

nur, wenn Rückporto beigefügt ist.<br />

Unser Druckpartner:<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Burkhard Ilschner<br />

9. Nationale Maritime Konferenz (NMK) in Bremerhaven steht bevor<br />

Wettlauf um Fördergeld und Subventionen Seite 7<br />

Christoph Spehr<br />

Die Flucht der Meyer Werft vor der Mitbestimmung ist kein Einzelfall<br />

Verstaatlichen wäre eine gute Idee Seite 9<br />

Klaus-Rüdiger Richter<br />

Reeder, Schifffahrtsbranche und Politik schaffen gemeinsam deutsche Seeleute ab<br />

Seemann, lass das Träumen! Seite 13<br />

Eike Narringa<br />

Kein Bedarf, kein Investor, kein Geld, kein rechtlich sicherer Rahmen:<br />

Wieso braucht Bremerhaven einen Offshore-Terminal? . . . . . . . Seite 17<br />

Burkhard Ilschner<br />

Mit „Grete“ und „Anne-Marie“ unter (vorerst) estnischer Flagge über die Unterelbe<br />

Kann neue Fähre Cuxhaven-Brunsbüttel überleben? Seite 19<br />

Peer Janssen<br />

Europäischer Gerichtshof legt Hürden für geplante Weser- und Elbvertiefungen hoch<br />

Luxemburger Klatsche Seite 21<br />

Die Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union (WRRL) steht grundsätzlich der<br />

weiteren Ausbaggerung der Weser und der Elbe entgegen: Zwar hat der Europäische<br />

Gerichtshof (EuGH) Anfang Juli Ausnahmen prinzipiell für zulässig erklärt, zugleich aber<br />

die Hürden dafür sehr hoch gelegt.<br />

Herbert Nix<br />

Dokumentation: Minderheitenvotum von „Rettet die Elbe“ e. V. im „Dialogforum Tideelbe“<br />

Wer sich selbst eine Grube gräbt... Seite 25<br />

Walter Hölzel<br />

Der Stand der Dinge bei der Werra-Weser-Versalzung<br />

Hängepartie, vorübergehend... Seite 27<br />

Carin Schomann<br />

Sandstein-Fracking, toxische Chemikalien und die Gesundheit anderer Leute<br />

Denn sie wissen noch immer nicht, was sie tun! Seite 29<br />

düt un dat vunne <strong>Waterkant</strong> Seite 4-6<br />

Register Seite 31<br />

Bildhinweis:<br />

Das Titelbild zeigt eine Montage von Volkmar Kayser, basierend auf je einem Foto von Burkhard Ilschner (Werftchef<br />

Bernard Meyer / NMK), Thomas Schumacher (Schiff »Norwegian Breakaway«) und »Klugschnacker / Wikimedia«<br />

(Krake im Meeresmuseum Stralsund – http://kurzlink.de/krake-stralsund).


| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info |<br />

| 3 |<br />

Editorial<br />

Liebe Leserinnen, liebe Leser!<br />

Insgesamt hat es den Anschein,<br />

als hätte der Meeresnaturschutz<br />

es bereits aufgegeben, sich den<br />

ausufernden Nutzungsansprüchen<br />

unüberhörbar entgegenzustellen.<br />

Das Thema Meeresnaturschutz stehe derzeit<br />

ganz oben auf der politischen Agenda, heißt es<br />

in ersten Berichten aus Stralsund: Dort hat Mitte<br />

September die internationale Tagung „Progress in<br />

Marine Conservation in Europe“ (PMCE) begonnen,<br />

die das Bundesamt für Naturschutz (BfN)<br />

und das Stralsunder „Oceaneum“ bereits zum<br />

vierten Male ausrichten. Zwar überschneidet sich<br />

dieser Termin mit dem Produktionszeitrahmen<br />

dieser Ausgabe, weshalb im <strong>Heft</strong> keine Details<br />

zu finden sind. Trotzdem soll diese Konferenz<br />

hier Erwähnung finden – als ein markantes Beispiel<br />

für eine von Grund auf falsche Politik.<br />

Nein, diese Worte sollen beileibe nicht das<br />

Engagement all derer beleidigen, die eine solche<br />

Konferenz ermöglichen. Es geht vielmehr um<br />

Verdeutlichung eines elementaren Widerspruchs:<br />

Am Strelasund diskutieren einige hundert<br />

Hochqualifizierte über die Bedrohung der<br />

Meeresumwelt durch menschliche Aktivitäten.<br />

Den vorab veröffentlichten „Abstracts“ zufolge<br />

werden aber Letztere in so gut wie keinem<br />

Beitrag ernsthaft in Frage gestellt. Mal wird<br />

der marinen Raumplanung die Rolle zugesprochen,<br />

Konflikte mit Fischerei, Schifffahrt oder<br />

Energiegewinnung zu entschärfen. An anderer<br />

Stelle wird das gute, alte Vorsorgeprinzip – statt<br />

es zum Gesetz zu erheben – zu einer Art Mediator<br />

erklärt für eine „kluge Nutzung“ (wise<br />

use) sowohl lebender als auch mineralischer<br />

Ressourcen. Insgesamt hat es den Anschein,<br />

als hätte der Meeresnaturschutz es bereits<br />

aufgegeben, sich den ausufernden Nutzungsansprüchen<br />

unüberhörbar entgegenzustellen.<br />

An der Wesermündung zum Beispiel wäre<br />

Gelegenheit dazu: Dort werden bekanntlich<br />

Mitte Oktober einige hundert Vertreter der so<br />

genannten maritimen Wirtschaft konferieren,<br />

und dies mutmaßlich (siehe Seite 7‐16) ohne jede<br />

Spur von Zurückhaltung oder Bescheidenheit.<br />

Laut bisheriger Planung wird dort allenfalls<br />

und nur am Rande jenes krude Verständnis von<br />

so genannter „Nachhaltigkeit“ zelebriert, das<br />

der Ressourcenausbeutung unter dem heuchlerischen<br />

Etikett „Schutz durch Nutzung“ den<br />

Weg ebnet. Meeresnaturschutz gilt in diesen<br />

Kreisen erfahrungsgemäß als lästig oder gar<br />

gefährlich: Schutzgebiete behindern die Schifffahrt,<br />

Grenzwerte wirken kostentreibend usw.<br />

Wohlgemerkt: Es ist nicht damit getan, das<br />

Nebeneinander von Schützern und Nutzern durch<br />

gemeinsames Konferieren zu ersetzen – das<br />

hatten wir schon oft, es hat nur nichts gebracht.<br />

Denn letztlich war es immer die Schützer-Seite,<br />

die entweder von der Nutzer-Front über den Tisch<br />

gezogen oder unter nicht immer würdigen Bedingungen<br />

zum Einknicken und Nachgeben gezwungen<br />

wurde. Dabei hätten die Schützer allen<br />

Grund, entschlossener aufzutreten. Ein Beispiel:<br />

Soeben haben Kieler GEOMAR-Forscher erste<br />

Berichte vorgelegt von einer aktuellen Expedition<br />

zu der Fragestellung, welche Umweltfolgen denn<br />

der Abbau von Manganknollen in der Tiefsee wohl<br />

hätte. Zu den Berichten zählt unter anderem auch<br />

ein Foto vom Meeresboden jenes pazifischen<br />

Gebiets, in dem deutsche Forscher 1989 Manganknollenförderung<br />

versucht haben. Das Bild von<br />

heute zeigt deutlich die Spuren, die sowohl die<br />

damaligen wie spätere Aktivitäten hinterlassen<br />

haben (http://kurzlink.de/geomar-spuren): 26<br />

Jahre später, so kann man schlussfolgern, hat das<br />

Meer diese Eingriffe noch immer nicht „vergessen“.<br />

Während allerdings GEOMAR daraus den<br />

Schluss zieht, eventuellen künftigen Bergbau-<br />

Unternehmungen „genau auf die Finger schauen“<br />

zu wollen, neige ich eher zu der Haltung, die im<br />

Mai 2014 in Bremen von der Verbändekonferenz<br />

„Ein anderes Meer ist möglich“ kurz und knapp<br />

so formuliert wurde: „Stop sea bed mining“.<br />

Es ließen sich problemlos weitere Beispiele für<br />

das Unverhältnis zwischen Schutz und Nutzung<br />

auflisten, an dieser Stelle ist dafür kein Platz;<br />

vermutlich fallen jeder und jedem von Euch<br />

genügend von selbst ein. Es ist jetzt etwas mehr<br />

als acht Jahre her, dass die Damals-schon-undheute-immer-noch-Kanzlerin<br />

Angela Merkel<br />

eine EU-Meereskonferenz in Bremen eröffnete<br />

mit den Worten, es dürfe nicht nur auf die Nutzung<br />

der Meeresressourcen geschaut werden,<br />

die Erhaltung der Meere sei „auch ein Wert an<br />

sich“. Selbstverständlich war das nur ein verbalradikaler<br />

Ausrutscher, sowohl die betreffende<br />

Konferenz als auch die Meerespolitik der EU und<br />

der Kanzlerin insgesamt zeigen eine elementar<br />

andere Prägung. Aber gerade das belegt den<br />

heuchlerischen Charakter des herrschenden<br />

Verständnisses von Meeresnaturschutz.<br />

Ebenso wie dieses: Laut Ankündigung zur PMCE<br />

in Stralsund hat Bundesumweltministerin<br />

Barbara Hendricks darauf hingewiesen, in den<br />

vergangenen Jahren 27 Projekte im Gesamtvolumen<br />

von mehr als 100 Millionen Euro zum<br />

Schutz und zur nachhaltigen Nutzung von<br />

maritimen Ökosystemen und Küstengewässern<br />

gefördert zu haben, weitere acht Projekte mit<br />

einem Volumen von 30 Millionen Euro seien<br />

aktuell im Bewilligungsprozess. Mal abgesehen<br />

davon, dass diese Förderbeträge sich durch die<br />

Beschreibung „nachhaltige Nutzung“ von selbst<br />

relativieren – es sind Kinkerlitzchen, wenn man<br />

sie vergleicht mit den Fördersummen, die Hendricks'<br />

Amtskollege Sigmar Gabriel als Chef des<br />

BMWi gerade im NMK-Bericht für die maritime<br />

Wirtschaft auflistet. Warum also rühmt sich<br />

die Ministerin statt öffentlich zu bereuen?<br />

Nochmals: Insgesamt hat es den Anschein, als<br />

hätte der Meeresnaturschutz es bereits aufgegeben,<br />

sich den ausufernden Nutzungsansprüchen<br />

unüberhörbar entgegenzustellen. Wieso<br />

eigentlich?<br />

Burkhard Ilschner


| 4 |<br />

| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info |<br />

un dat vunne <strong>Waterkant</strong>… düt un dat vunne <strong>Waterkant</strong>… düt un dat vunne <strong>Waterkant</strong>… düt un dat vunne <strong>Waterkant</strong>…<br />

Hafenarbeiter festigen Zusammenhalt<br />

In Rotterdam haben Vertreter der Hafengewerkschaften Belgiens,<br />

Frankreichs, Deutsch-lands, der Niederlande und Großbritanniens<br />

Ende August eine noch engere Zusammenarbeit beschlossen.<br />

Nach einer Pressemitteilung der Gewerkschaft ver.di sehen die<br />

Beschäftigten der verschiedenen Standorte sich mit „sehr ähnlichen<br />

Herausforderungen“ konfrontiert, die Kooperation soll beitragen,<br />

sich gemeinsam stärker gegen Folgen der aktuell massiven<br />

Kapazitätserweiterungen vor allem im Containersegment stemmen<br />

zu können. ver.di-Bundesfachgruppenleiter Torben Seebold<br />

verwies auf die „lange Tradition der Solidarität“ beispielsweise<br />

während der gemeinsamen Kämpfe gegen die „port packages“ der<br />

Europäischen Kommission. In Rotterdam etwa befürchtet die<br />

Gewerkschaft FNV, dass die aktuellen Erweiterungen auf die<br />

„Maasvlakte 2“ einen schleichenden Arbeitsplatzabbau auf älteren<br />

Bestands-Terminals auslösen könne. Es hat in diesem Zusammenhang<br />

bereits erste Arbeitsniederlegungen gegeben.<br />

Neue AKW für Nordseeküste<br />

Quelle: ver.di-Pressemitteilung vom 28. August <strong>2015</strong><br />

Großbritannien plant nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“<br />

eine Energiewende der besonderen Art: Während die Subventionen<br />

für Erneuerbare Energien, insbesondere für Photovoltaik-<br />

und Windkraftanlagen, drastisch weiter gekürzt werden, sollen<br />

nun chinesische Investoren und Konzerne am AKW-Standort<br />

Bradwell-on-Sea (Essex) nordöstlich von London einen neuen<br />

Reaktor errichten. Beim Besuch des chinesischen Präsidenten<br />

Xi Jinping im Oktober soll der Vertrag über diesen ersten chinesischen<br />

Reaktor in einem westlichen Land unterzeichnet werden.<br />

Es wäre allerdings nicht die erste Beteiligung chinesischer Konzerne<br />

an Atomgeschäften in Europa: Auch bei der Anlage „Hinkley<br />

Point C“ südwestlich von Bristol sind neben dem französischen<br />

Energiekonzern EDF als Bauherrn mit den beiden Staatsbetrieben<br />

China General Nuclear Power Corporation und China National<br />

Nuclear Corporation ebenfalls zwei chinesische Partner beteiligt.<br />

Generalprobe für den Meeresschutz<br />

Quelle: „Süddeutsche Zeitung vom 7. September <strong>2015</strong><br />

Die Öffentlichkeitsbeteiligung zum Entwurf der Maßnahmenprogramme<br />

im Rahmen der EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie<br />

(MSRL) ist Ende September abgeschlossen worden. Trotz<br />

dürftiger Umweltmaßnahmen und nur weniger Einschränkungen<br />

für die Meeresnutzung (siehe Bericht in unserer Juni-Ausgabe)<br />

haben sich in den vergangenen Monaten vermehrt Nutzerverbände<br />

zur MSRL positioniert. Schon vor Veröffentlichung der<br />

Maßnahmenprogramme hatten die Fischereiverbände erreicht,<br />

dass Fischereimaßnahmen komplett aus der vorläufigen Liste<br />

gestrichen wurden. Nun lärmt die Hafenwirtschaft plötzlich<br />

wegen „massiver Einschränkungen“ durch die MSRL und hat eine<br />

große Kampagne ausgelöst, um schifffahrtsbezogene Maßnahmen<br />

möglichst zu blockieren. Laut Wilhelmshavener Hafenwirt-<br />

schafts-Vereinigung (WHV) wird die MSRL bisher viel zu „ambitiös“<br />

umgesetzt und nehme „wie bei der Umsetzung der WRRL“<br />

wenig ökonomische Rücksicht. Und das angesichts der massiven<br />

Umsetzungsdefizite bei allen Umweltschutz-Richtlinien in<br />

Deutschland und in Europa... – Aus Umweltschutzsicht ist das<br />

Maßnahmenprogramm bei Weitem nicht geeignet, bis 2020 den<br />

guten Umweltzustand der Meeresgewässer herbeizuführen. In<br />

den kommenden sechs Monaten muss sich nun herausstellen, ob<br />

Bund und Küstenländer ein Zeichen für Meeresumweltschutz setzen<br />

und wenigstens an diesem Maßnahmenprogramm festhalten<br />

oder ob sie sich von Wirtschaftsinteressen überrollen lassen und<br />

das Programm weiter kürzen.<br />

Beeindruckende Meeresbilder<br />

Mehr Infos unter www.bund.net/msrl<br />

Der Bremer Palazzi-Verlag, spezialisiert auf großformatige Fotokalender<br />

– WATERKANT hat sie bereits wiederholt ausführlicher<br />

vorgestellt – hat auch für das kommende Jahr wieder mehrere<br />

Sammlungen beeindruckender Meeresbilder zusammengestellt.<br />

Die Redaktion bedankt sich auf diesem Wege zunächst für den<br />

Kalender „Das Meer – Planet Ocean“ als netten Wandschmuck für<br />

die Büroräume: Die zwölf Fotos mit Impressionen tosender, lebendiger,<br />

farbenprächtiger Meeresszenen werden in 2016 die Motivation<br />

fürs engagierte WATERKANT-Machen vorantreiben. Wen‘s<br />

interessiert, der findet auf der Webseite des Verlages palazzi.de<br />

aber auch weitere maritime Kalender mit packenden Motiven wie<br />

„Nordisches Licht – Nord- und Ostsee“ oder „Hafenlicht Hamburg“,<br />

letzterer mit Schifffahrts- und Hafenmotiven, die, wenn man es<br />

denn möchte, in zeitlos schönen Bildern die Containerriesen- und<br />

Billigflaggen-Realität auch mal ausblenden helfen.<br />

Das musste ja so kommen!<br />

In der vorigen Ausgabe hat sich WATERKANT unter anderem kritisch<br />

mit der WWF-Studie „Reviving the Ocean Economy: the Case


| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info |<br />

| 5 |<br />

un dat vunne <strong>Waterkant</strong>… düt un dat vunne <strong>Waterkant</strong>… düt un dat vunne <strong>Waterkant</strong>… düt un dat vunne <strong>Waterkant</strong>…<br />

for Action“ auseinandergesetzt und dabei auch bemängelt, mit der<br />

Bemessung eines monetären Werts der Ozeane würden deren<br />

Ressourcen und Schätze institutionell zum Spekulationsobjekt<br />

erklärt. Aktuell hat nun das EU-Kommissariat für Maritime Angelegenheiten<br />

und Fischerei zu einer „öffentlichen Konsultation“<br />

aufgerufen über die Frage, „wie die EU im Sinne des nachhaltigen<br />

blauen Wachstums zu einer besseren Governance ihrer Ozeane<br />

und Meere beitragen kann“. Die Ergebnisse sollen dann einfließen<br />

in Überlegungen, „wie eine kohärente, effiziente und wirksame<br />

EU-Strategie zur Verbesserung des internationalen Rahmens für<br />

die meerespolitische Governance zu gestalten ist“. Wer aus dieser<br />

Sprachregelung einen erneuten Versuch ableitet, seitens der<br />

EU-Kommission die Meeresausbeutung unter dem verkleisternden<br />

Nachhaltigkeits-Etikett massiv voranzutreiben, liegt sicher nicht<br />

falsch. Es ist allerdings beeindruckend – und erschreckend –, dass<br />

die Brüsseler Kommission sich zur Rechtfertigung ihres Vorhabens<br />

gleich im ersten Absatz des Aufrufs auf die WWF-Studie stützt und<br />

beruft: „Obwohl die Meere schon heute ein Motor der Weltwirtschaft<br />

sind, bieten sie noch weitere bedeutende Chancen für<br />

Unternehmen. Das Potenzial für ‚blaues Wachstum‘ ist gewaltig.<br />

Der WWF schätzt den Gesamtwert des ‚Bruttomeeresprodukts‘ auf<br />

24 Billionen US-Dollar.“ – Die Konsultation läuft noch bis zum<br />

15. Oktober dieses Jahres, bis zu diesem Datum können Kommentare<br />

und Einwendungen online eingereicht werden.<br />

Quelle: EU-Kommission; Internationale meerespolitische Governance;<br />

http://kurzlink.de/eu-mar-kon-<strong>2015</strong><br />

Tarifvertrag mit Geheimhaltung<br />

Die Tarifparteien der Schifffahrt haben sich Ende August auf einen<br />

neuen Tarifvertrag geeinigt, der laut Vereinbarung skurrilerweise<br />

erst im Oktober – nach der Nationalen Maritimen Konferenz (NMK)<br />

– publiziert werden soll. Wie WATERKANT erfuhr, sollen die<br />

Gewerkschafter bei ver.di entsprechend „geimpft“ worden sein.<br />

Aber wie das so ist, finden irgendwelche Informationen immer den<br />

Weg in irgendeine Öffentlichkeit – so auch in diesem Fall: Der neue<br />

Heuer-Tarifvertrag (HTV) sieht eine Erhöhung um 2,4 Prozent ab<br />

Dezember dieses Jahres vor und zwar mit einer Laufzeit von<br />

13 Monaten, anschließend soll es in 2017 weitere 2,1 Prozent mit<br />

zwölf Monaten Laufzeit geben. Vor Ende 2017 kann der HTV nicht<br />

gekündigt werden. Der vorherige HTV lief bis September 2014,<br />

somit bedeutet die aktuelle Einigung eine Nullrunde von 15 Monaten.<br />

Selbst wenn man den niedrigen Abschluss jetzt vor dem Hintergrund<br />

der niedrigen Inflation als faktische Heuererhöhung wertet<br />

– er entspricht definitiv nicht der wirtschaftlichen Lage und dem<br />

Wachstum der Branche. Und: Nach wie vor bietet der HTV für die<br />

Überstundenpauschale nicht einmal annähernd den Mindestlohn-<br />

Satz. Dem Abschluss vorausgegangen waren aggressive Provokationen<br />

der Arbeitgeberseite, so haben etwa Vertreter des Verbands<br />

Deutscher Reeder (VDR) mehrfach Verhandlungstermine platzen<br />

lassen und zwischenzeitlich auch direkt eine Minus-Runde – ein<br />

Prozent weniger für Nautische und Technische Offiziersassistenten<br />

sowie Schiffsmechaniker-Azubis – gefordert; das immerhin<br />

konnte abgewehrt werden. Warum ver.di sich auf die Geheimklausel<br />

eingelassen hat, war nicht in Erfahrung zu bringen...<br />

Bernd Moritz 7. August 1962 – 30. Juli <strong>2015</strong><br />

Ein Nachruf<br />

von Herbert Nix für den Förderkreis Rettet die Elbe e. V.<br />

Wir sind sehr traurig und können es noch gar nicht fassen: Unser lieber<br />

Mitstreiter für eine bessere Elbe und Umwelt ist seit dem 30. Juli nicht<br />

mehr unter uns. Während des Urlaubs auf Kreta mit seiner Familie ist er<br />

im Mittelmeer ertrunken.<br />

Bernd war seit 1994 aktiv im Förderkreis „Rettet die Elbe“ e. V. (RdE), er<br />

war ein engagierter, freundlicher, manchmal etwas verschmitzter und<br />

zielstrebiger Mitkämpfer für eine bessere Elbe. Er beteiligte sich an unseren<br />

Hafenrundfahrten, arbeitete auf dem Floßcafé, an Planverfahren und<br />

trieb die Aktionsform „Kritischer Aktionär“ voran. Mit seinem schier<br />

unendlichen Wissen hat er uns stets verblüfft und auch geholfen, in<br />

unsere Arbeit neue Aspekte einzubringen.<br />

Zielstrebig war er Anfang der 1990er aus der Nähe von Frankfurt zu uns<br />

gekommen. Er hatte sich schon vorher intensiv mit der Elbe von der<br />

Quelle bis zur Mündung und deren Problemen sowie mit „Rettet die Elbe“<br />

beschäftigt und brachte sein Wissen<br />

sofort in unsere Arbeit ein.<br />

„Rettet die Elbe“ hat sich immer dafür<br />

eingesetzt, nicht nur politisch zu arbeiten,<br />

sondern auch Kultur mit einzubeziehen<br />

und Feste zu feiern. Anlässe gab es viele<br />

und so entstanden zwischen den Mitgliedern<br />

und auch mit Bernd sehr freundschaftliche<br />

Beziehungen. Bernd war ein<br />

gerader und unkonventioneller Mensch.<br />

Ich erinnere mich gut an eine Begebenheit<br />

in der Altenwerder Kirche – als Altenwerder<br />

schon längst der Hafenerweiterung<br />

hatte weichen müssen:<br />

Die Kirchengemeinde Altenwerder wollte,<br />

obwohl einige Tage vorher sämtliche<br />

Kirschbäume gefällt worden waren, trotzdem<br />

wie üblich ihr Kirschblütenkonzert<br />

durchführen. Bernd trat – ungewohnt im<br />

dunklem Anzug und Krawatte – mutig vor<br />

den Altar der Kirche und fing an, darüber<br />

zu sprechen, was uns so empörte. Weit kam er nicht, wir wurden mit<br />

Schimpf und Schande aus der Kirche gejagt. Aber trotzdem – wir konnten<br />

unsere Position deutlich machen – dank Bernd.<br />

Auf unserem legendären Floßcafé hat sich Bernd nicht nur mit politischen<br />

Vorträgen ausgezeichnet, sondern hat auch mit Küchendienst und Nachtwache<br />

viel zum guten Gelingen beigetragen. Das Floßcafé war nicht nur<br />

Treffpunkt für Menschen, die eine bessere Elbe wollten, sondern auch<br />

der Treffpunkt zwischen Bernd und seiner späteren Frau.<br />

Wir haben gemeinsam in Gorleben gegen Atom und in Rostock gegen<br />

Nazis demonstriert. Die Platzverweise, die uns erteilt wurden, haben wir<br />

ignoriert und sind an anderer Stelle wieder aufgetaucht. Uns hat das dafür<br />

mehr zusammengebracht. Auch die „Alternative Hafenrundfahrt“ hat<br />

Bernd lange Zeit mit durchgeführt, bis es ihn nicht mehr herausforderte.<br />

Konsequent, wie er war, hat er damit aufgehört und sich anderer Themen<br />

bei RdE angenommen.<br />

Auf seiner letzten Barkassenfahrt auf der Elbe haben wir traurig Abschied<br />

von Bernd genommen. Er wird uns fehlen.


| 6 |<br />

| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info |<br />

un dat vunne <strong>Waterkant</strong>… düt un dat vunne <strong>Waterkant</strong>… düt un dat vunne <strong>Waterkant</strong>… düt un dat vunne <strong>Waterkant</strong>…<br />

WATERKANT fürs Bücherregal<br />

Das bereits seit einigen Jahren publizierte Angebot, eine komplette Sammlung aller<br />

WATERKANT-Ausgaben in gebundener Form zu beziehen, ist jetzt aktuell erweitert worden:<br />

Zu den bislang fünf Bänden für die Jahrgänge 1986 bis 2008 gesellt sich nun ein<br />

sechster Band (2009-2012). Weil von einzelnen <strong>Heft</strong>en nur noch eine spärliche Anzahl<br />

übrig ist, bleibt dieses Angebot limitiert – es sind derzeit noch genau sieben vollständige<br />

Sammlungen zu haben. Die Bände enthalten alle 108 bis Ende 2012 erschienenen <strong>Heft</strong>e<br />

– in Klebebindung, mit festen Deckeln und selbstverständlich ordentlich beschnitten; sie<br />

haben jeweils eine Rückenprägung mit dem Namen „<strong>Waterkant</strong>“ sowie jeweils zwei Jahreszahlen<br />

(von – bis). Kurzfristig können zwei Sammlungen erworben werden, die fertig<br />

vorliegen – eine in rotem Einband mit goldfarbener Rückenprägung, die andere in einem<br />

dunklen Blau mit weißer Prägung. Die anderen fünf verfügbaren Sammlungen werden<br />

erst nach Auftragserteilung sukzessive zur Buchbinderin gegeben. Wer sich für den Erwerb<br />

einer solchen Sammlung interessiert, wende sich bitte bezüglich exakter Konditionen und<br />

Termine umgehend an die Redaktion (siehe Impressum).<br />

„Leidbranche“ Logistik<br />

Die süd-nord-politische Zeitschrift „iz3w“ des Freiburger<br />

„informationszentrums 3. welt“ hat sich in<br />

ihrer Sommerausgabe die Logistik als „Leidbranche<br />

der Globalisierung“ zum Schwerpunktthema<br />

gewählt. In sieben Beiträgen konzentriert sich die<br />

Zeitschrift dabei vor allem auf die soziale Frage, die<br />

mit dem technisch-ökonomischen Netzwerk der<br />

Logistik verbunden ist und weltweit auch dessen<br />

Schattenseiten ausmacht. Der Transport von Gütern,<br />

Rohstoffen oder Fertigwaren in ungeheuren Mengen<br />

auf zum Teil irrsinnig-unsinnigen Wegen kreuz<br />

und quer und hin und her rund um den Globus<br />

macht die Logistikbranche nicht nur zu einem der<br />

größten Wirtschaftssektoren, sondern kann überhaupt<br />

nur funktionieren mittels massiver Ausbeutung.<br />

Als fester Bestandteil des Versuchslabors<br />

„Arbeitswelt von morgen“ stützt sich die Logistik in<br />

vielen Bereichen auf einen boomenden Markt prekär Beschäftigter und forciert eine<br />

Arbeitswelt fernab jeder Fairness.<br />

Helgoland muss warten<br />

Quelle: https://www.iz3w.org<br />

Die in der vorigen Ausgabe der WATERKANT für den Monat Juli angekündigte Inbetriebnahme<br />

der neuen Helgolandfähre der Reederei Cassen Eils ist seitens Reederei und Bauwerft<br />

Fassmer (Berne / Wesermarsch) auf die zweite Oktoberhälfte verschoben worden.<br />

Laut einer Pressemitteilung der beiden Unternehmen hat die Verzögerung „unterschiedliche<br />

Gründe, die im Wesentlichen mit der innovativen und komplexen LNG-Technik in<br />

Zusammenhang stehen“. Sowohl die Helgoländer als auch etliche ihrer Besucher und<br />

Gäste vom Festland dürften allerdings die sehr spärliche und sehr späte Informationspolitik<br />

von Cassen Eils und Fassmer bedauert haben – um es höflich zu formulieren: Monatelang<br />

hatten beide auf vielen Medien-Kanälen die bevorstehende Inbetriebnahme der<br />

neuen, modernen, leisen, komfortablen (etc.) Fähre belobhudeln lassen, die ab Juli Cuxhaven<br />

mit dem roten Felsen in der Nordsee verbinden sollte – einerseits ohne röhrende<br />

Hochgeschwindigkeit wie beim „Halunder Jet“, andererseits aber auch ohne die unbe-<br />

queme Umsteigerei in beziehungsweise<br />

aus Börte-Booten. Ab Mitte Juli indes gab<br />

es zunächst nicht einmal Hinweise auf die<br />

Verzögerung – und eine fundierte Information<br />

über die oben zitierten Floskeln<br />

hinaus fehlt bis heute. „Wir sind uns ...<br />

bewusst, dass wir es mit einem Pilotprojekt<br />

zu tun haben“, verkündet Cassen-<br />

Eils-Geschäftsführer Bernhard Brons:<br />

„Unterstützung der EU für die LNG-Technik<br />

haben wir nicht ohne Grund erhalten.“<br />

Gut, dass die EU keine Förderung für Servicequalität<br />

zahlt...<br />

Foto: Folke Mehrtens /AWI<br />

Quelle: Pressemitteilung vom 28. August <strong>2015</strong><br />

Korallen aus der Retorte?<br />

Das Bremer Leibnitz-Zentrum für Marine<br />

Tropenökologie (ZMT) hat laut einer Pressemitteilung<br />

„gemeinsam mit Partnern aus<br />

der Wirtschaft“ ein Projekt eingeworben,<br />

das dem Bundeswirtschaftsministerium<br />

eine Fördersumme in Höhe von<br />

900.000 Euro wert ist – und das einmal<br />

mehr die Idee vom Meeresumweltschutz<br />

auf den Kopf stellt, ja, pervertiert: „Meerwasseraquaristik“,<br />

heißt es da, sei „in vielen<br />

Industrienationen ein bedeutender<br />

Wirtschaftsfaktor“, denn derartige Aquarien<br />

fänden sich ja nicht nur in privaten<br />

Haushalten, sondern zierten unter anderem<br />

auch öffentliche Einrichtungen als<br />

Exponat oder „Statussymbol“. Und weil<br />

der so entstehende „hohe Bedarf an tropischen<br />

Korallen … hauptsächlich durch Entnahmen<br />

aus der Natur gedeckt“ und „den<br />

Riffen dadurch erheblicher Schaden zugefügt“<br />

werde, kommen die ZMT-Forscher<br />

nun auf die Idee, „die Nachzucht von<br />

Korallen zu optimieren“. Denn um „die<br />

steigende Nachfrage der Aquarianer zu<br />

decken, wird vor allem in Tropenländern<br />

versucht, Korallenzuchten aufzubauen“,<br />

allerdings meist mit „geringerer genetischer<br />

Vielfalt“. Das ZMT will nun nach<br />

optimalen Aufzuchtbedingungen suchen,<br />

betont aber ganz im Sinne moderne Nachhaltigkeit:<br />

„Unsere Erkenntnisse werden<br />

nicht nur für den Aquaristikhandel wichtig<br />

sein, sondern vor allem auch für die Restauration<br />

von Riffen.“ – Und irgendwann<br />

basteln wir uns unseren musealen Ozean,<br />

um den natürlichen effektiver nutzen zu<br />

können, oder?<br />

Quelle: https://idw-online.de/de/news591060<br />

Redaktionelle Bearbeitung: (-bi-)


| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info |<br />

| 7 |<br />

9 Nationale Maritime Konferenz (NMK) in Bremerhaven steht bevor<br />

Wettlauf um Fördergeld und Subventionen<br />

Von Burkhard Ilschner<br />

Es ist mal wieder so weit: Die Bundesregierung<br />

ruft zur Nationalen Maritimen Konferenz<br />

(NMK) Reeder und Schifffahrtsexperten,<br />

Hafenmanager und Logistiker, Schiffbauer<br />

und Meerestechniker, die Offshore-Windkraftbranche<br />

sowie Marine- und Sicherheitskräfte<br />

treffen sich, dieses Mal in Bremerhaven, zum<br />

erneuten Wettlauf um öffentliche Gelder Es ist<br />

die neunte NMK seit ihrer Gründung im Jahr<br />

2000 – und Kanzlerin Angela Merkels fünfte<br />

Unsere Titelseite vom Juni 2011 zeigte diese<br />

Karikatur der Kanzlerin anlässlich der 7. NMK in<br />

Wilhelmshaven: Manche Bilder haben leider eine<br />

langwährende Aktualität...<br />

Karikatur: Caspar / www.gruppo635.com<br />

„Zwei Tage lang werden Expertinnen und<br />

Experten aus Unternehmen, Verbänden, Wissenschaft<br />

und Politik über Zukunftsstrategien<br />

für die maritime Wirtschaft diskutieren“,<br />

behaupten das veranstaltende Bundesministerium<br />

für Wirtschaft und Energie (BMWi) und<br />

dessen Staatssekretär Uwe Beckmeyer in seiner<br />

Funktion als „Maritimer Koordinator der<br />

Bundesregierung“. Das ist, höflich formuliert,<br />

Blödsinn; später mehr dazu. Die Branche trifft<br />

sich zu optimistischem Getute über „Zukunftsstrategien“<br />

und „Perspektiven“ im „harten<br />

internationalen Wettbewerb“; und natürlich,<br />

um die Politik einmal mehr zu nötigen, die<br />

„Innovationskraft“ zu stärken und der Branche<br />

„Rückenwind für die anstehenden Herausforderungen“<br />

zu geben: Gemeint sind Fördergelder,<br />

Subventionen und Steuererleichterungen<br />

in wechselnder Verteilung und Verknüpfung.<br />

Ach, ja: Die NMK-Kosten von rund einer halben<br />

Million Euro tragen der Bund und Bremen je<br />

zur Hälfte, Bremen legt nochmal 146.000 Euro<br />

drauf für den Abendempfang – gerade eben<br />

wurde im Haushaltsnotlageland eine Etatsperre<br />

verhängt...<br />

Wie üblich, hat die Bundesregierung vor der<br />

NMK einen Bericht „über die Entwicklung und<br />

die Zukunftsperspektiven der maritimen<br />

Wirtschaft in Deutschland“ vorgelegt:<br />

Auf 59 Seiten finden sich insgesamt<br />

86-mal Begriffe wie „Förderung“,<br />

„Förderinstrument“, „förderfähig“<br />

oder „Fördersumme“, aber<br />

nur siebenmal Ausdrücke wie<br />

„Pflicht“ oder „verpflichtend“<br />

– allerdings kein einziges Mal im<br />

Zusammenhang mit irgendeiner<br />

seitens der Branchen einzulösenden<br />

Verantwortung. Die maritime<br />

Wirtschaft bleibt sich treu als ein<br />

Sektor, dem das Nehmen weitaus<br />

wichtiger ist als das<br />

Geben. Und alle Bundesregierungen<br />

haben dies<br />

immer konsequent mit<br />

getragen – und gefördert.<br />

Die verschiedenen<br />

Steuergeschenke an die<br />

Reeder etwa sind hier<br />

schon wiederholt thematisiert<br />

worden (siehe<br />

auch Seite 13 ff.). Wenn<br />

der aktuelle Regierungsbericht<br />

allerdings – zum Beispiel<br />

bei der so genannten<br />

Tonnagesteuer – betont, an dieser<br />

massiven Subvention werde festgehalten „vor<br />

dem Hintergrund der positiven volkswirtschaftlichen<br />

Wirkung“, dann liegt eine Frage nahe:<br />

Was hat denn die gesellschaftliche Gesamtheit,<br />

die damit gemeint ist, davon, wenn eine<br />

Milliardenbranche kaum Steuern zahlt, aber<br />

ständig Ausbau und Unterhalt öffentlich finanzierter<br />

Infrastruktur als Voraussetzung für ihre<br />

Geschäfte einfordert?<br />

Die Tatsache, dass die Bundesregierung der<br />

Branche zur NMK nicht nur die Fortsetzung<br />

weiterer Steuergeschenke garantiert, sondern<br />

diese sogar noch ausbaut, ist bezeichnend.<br />

Zwei Beispiele: Eben wurde den so genannten<br />

Schiffserlöspools eine dauerhafte Befreiung<br />

von der Versicherungssteuerpflicht versprochen.<br />

Zwecks besserer Auslastung ihrer Schiffe<br />

bringen Reeder die Frachtkapazitäten ihrer<br />

Flotten in solche Pools ein, die Einnahmen werden<br />

dann proportional aufgeteilt – nun soll<br />

„dauerhaft Rechtssicherheit geschaffen werden“<br />

über die bislang strittige Versicherungssteuerfreiheit<br />

für diese Erlöse. Außerdem soll<br />

zur „spürbaren Entlastung bei den Personalkosten<br />

an Bord“ das bislang geltende Recht des<br />

Arbeitgebers, 40 Prozent der den Beschäf-<br />

tigten abgezogenen Lohnsteuer einzubehalten,<br />

auf 100 Prozent<br />

angehoben werden.<br />

Selbstverständlich<br />

würdigt der<br />

Regierungsbericht<br />

ausführlich das<br />

„Maritime Bündnis<br />

für Ausbildung<br />

und Beschäftigung“.<br />

Das wurde seinerzeit<br />

bekanntlich<br />

gepriesen als<br />

ein Abkommen auf<br />

Gegenseitigkeit – die<br />

Reeder erhalten Hilfen<br />

nicht nur, aber insbesondere<br />

für Schaffung<br />

und Erhalt von<br />

Schifffahrts-Jobs<br />

und holen dafür<br />

festgelegte Anteile<br />

ihrer ausgeflaggten<br />

Flotte zurück unter<br />

Nationalfarben. Dieser<br />

Verpflichtung sind die<br />

Reeder nie nachgekommen,<br />

die Förderung<br />

kassieren sie


| 8 |<br />

| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info |<br />

dennoch und ausgebaut wird sie (siehe oben)<br />

auch. Welche Folgen diese einseitige Politik für<br />

die Seeleute hat, ist ab Seite 13 nachzulesen.<br />

Zwar hat Beckmeyer noch im Frühsommer dieses<br />

Verhalten der Reeder als „sehr egoistische<br />

Sichtweise“ gebrandmarkt, das hindert ihn aber<br />

nicht, als Maritimer Koordinator für die Fortsetzung<br />

des Bündnisses zu werben. Was schert ihn<br />

schon sein Geschwätz von gestern?<br />

Ralf Nagel, Geschäftsführer des Verbands<br />

Deutscher Reeder (VDR), begrüßte schon mal,<br />

dass der Regierungsbericht in seiner Analyse<br />

der Lage der maritimen Wirtschaft „im Wesentlichen<br />

mit dem VDR übereinstimme“, verlangte<br />

aber sogleich weitere Unterstützung. So sollten<br />

etwa Schiffbauer und Reeder Fördermittel<br />

erhalten, um mehr Schiffe mit Flüssigerdgas-Antrieb<br />

(LNG) in Fahrt zu bringen – die<br />

„Mehrkosten für den Markteintritt“ müssten<br />

aufgefangen werden. Der Bericht sieht hierzu<br />

nämlich bislang nur öffentliche Gelder für Forschung<br />

sowie für Versorgungs- und Transport-<br />

Infrastruktur vor.<br />

Selbstverständlich verspricht die Regierung<br />

der Branche zur NMK auch die Weiterentwicklung<br />

des Nationalen Hafenkonzepts aus dem<br />

Jahre 2009. Damit ist nicht die seit Jahren vorgetragene<br />

Idee der Umweltverbände gemeint,<br />

zur Vermeidung von Überkapazitäten, unnötigem<br />

Landschafts- und Flussverbau etc. eine<br />

Zusammenarbeit der bislang konkurrierenden<br />

Häfen politisch anzuordnen. Sondern es geht<br />

um (öffentlich finanzierten oder massiv geförderten)<br />

betonharten Ausbau der Infrastruktur,<br />

oft nach dem Motto „das meiste ist gerade gut<br />

genug“. Nun gibt es gegen manche Elemente<br />

zivilgesellschaftlichen, gegen andere haushälterischen<br />

Widerstand – verzögernd wirken beide.<br />

Was also 2009 mit einer Laufzeit von zehn Jahren<br />

strategisch konzipiert wurde, ist trotz des<br />

damaligen Appells, „alle Beteiligten … (sollten)<br />

… verbindliche Absprachen über die Umsetzung<br />

der Maßnahmen“ treffen, bis heute nicht annähernd<br />

umgesetzt.<br />

Nur einige „Kleinigkeiten“ sind unter den<br />

Tisch gefallen – so etwa das ausdrückliche politische<br />

Ziel, mit dem Hafenkonzept auch Ausbildung<br />

und Beschäftigung zu sichern und zu<br />

stärken. Im aktuellen Regierungsbericht zur<br />

9. NMK fehlt diese Verknüpfung und es heißt<br />

nur floskelhaft: „Häfen sind Hightech-Standorte<br />

mit attraktiven Arbeitsplätzen und sie benötigen<br />

hochqualifizierte Arbeitskräfte.“ Mumpitz!<br />

Gerade eben wurde bekannt, dass das Hafenunternehmen<br />

Eurogate – bekanntlich ein teilstaatlicher<br />

Konzern und aktiv unter anderem<br />

in Beckmeyers Heimat Bremerhaven – darüber<br />

nachdenkt, auf seinen Terminals automatisierte<br />

Van Carrier zu erproben und sich so einiger<br />

hundert Beschäftigter zu entledigen. Die<br />

Zusage, das Bundesverkehrsministerium werde<br />

„zeitnah“ einen Entwurf für ein neues Konzept<br />

vorlegen, zeigt somit nur, dass „zeitnah“ ein<br />

sprachlich völlig substanzloser Begriff ist.<br />

Es überrascht nicht wirklich, dass elf der<br />

59 Seiten des Regierungsberichts den verschiedenen<br />

Formen öffentlicher Förderung<br />

gewidmet sind. Allerdings in derart prosaischvernebelndem<br />

Stil, dass der ernsthafte Versuch<br />

des Autors, eine Gesamtsumme aller<br />

öffentlichen Subventionen und Fördermaßnahmen<br />

zugunsten der maritimen Wirtschaft<br />

zu errechnen, kläglich gescheitert ist: Sorry.<br />

Interessant ist aber ein (nur allgemeiner) Blick<br />

auf die politischen Mechanismen. Da heißt es,<br />

bestimmte Förderinstrumente wie etwa Schiffbau-Beihilfen<br />

seien EU‐rechtlich „ausgelaufen“<br />

– nur um im nächsten Absatz zu erläutern,<br />

welche neuen „Förderarchitekturen“ stattdessen<br />

gerade geschaffen worden sind; selbstverständlich<br />

oft einhergehend mit „Verlängerung“<br />

des Förderzeitraums, „Ausweitung des Anwendungsbereichs“<br />

oder des Kreises der Berechtigten<br />

und / oder Erhöhung der Förderquoten.<br />

Man kann es drehen und wenden, wie man will:<br />

Der maritimen Wirtschaft, die sich bekanntlich<br />

gerne als öffentlicher Wohltäter geriert (siehe<br />

auch Bericht Seite 21 ff.), gelingt es jedes Jahr,<br />

jede NMK aufs Neue, sich den Zugriff auf hunderte<br />

Millionen Euro zu sichern.<br />

Um nicht missverstanden zu werden: Auch in<br />

anderen Staaten – nah wie fern – werden Reeder,<br />

Schiffbauer oder Meerestechnik-Zulieferer<br />

unter schillerndsten Etiketten subventioniert.<br />

Insofern ist auf den ersten Blick jeder Ruf der<br />

hiesigen maritimen Branche nach Zuschüssen<br />

nichts weiter als Ausdruck des Wunsches, im<br />

globalen Wettbewerb so etwas wie Chancengleichheit<br />

zu erlangen. Aber das gilt eben nur<br />

auf den ersten Blick: Der zweite hat unbedingt<br />

zu berücksichtigen, dass die deutsche maritime<br />

Wirtschaft im Weltmaßstab eine führende Rolle<br />

spielt und trotz allen Gejammers gute Geschäfte<br />

macht. Und daraus muss folgen, dass sie endlich<br />

auch Verantwortung übernimmt – soziale<br />

wie ökologische –, statt jede Tarifforderung<br />

oder jede Umweltvorschrift zum vernichtenden<br />

Angriff auf sich hochzustilisieren und mit Standort-Flucht,<br />

Ausflaggung und ähnlichen Ausweichmustern<br />

zu reagieren. Geschieht das nicht<br />

freiwillig, muss die Konsequenz her, dass die<br />

Politik jede Förderung für die maritime Branche<br />

unmissverständlich an Bedingungen knüpft<br />

– keinen Cent und keinen Euro ohne Gegenleistung<br />

– und deren Erfüllung buchstabengetreu<br />

überwacht statt ständig aufs Neue vor der Branche<br />

einzuknicken.<br />

Dazu gehört auch öffentliche Kontrolle.<br />

Oben war die Rede vom Anspruch der NMK,<br />

ein Diskussionsforum zu sein. Ja, aber kein<br />

öffentliches: Unter dem Vorwand einer<br />

„Modernisierung“ hat das BMWi die Struktur<br />

der NMK geändert. Statt bislang üblicher Themen-Workshops,<br />

in denen während der Konferenzen<br />

offen debattiert und oft auch heftig<br />

gestritten wurde und deren Resultate dann<br />

ins Plenum einflossen, ist nun die NMK quasi<br />

gesplittet worden. Debattiert wurde im Frühjahr<br />

in mehreren Branchenforen überwiegend in<br />

Berlin, in Bremerhaven werden nur noch deren<br />

Ergebnisse vorgestellt. Für Verbandsfunktionäre,<br />

Lobbyisten und Experten mag diese Struktur<br />

effektiver sein – sie macht die NMK aber zu<br />

einem Instrument, dessen Detailarbeit vor der<br />

Öffentlichkeit teilweise abgeschirmt wird.<br />

Denn auf früheren NMK konnten Medienvertreter<br />

ebenso wie NGO-Repräsentanten freizügig<br />

zwischen parallelen Workshops wechseln<br />

und sich so über Diskussionsverläufe abwechslungsreich<br />

informieren. Schon bei der 8. NMK<br />

im Jahr 2013 in Kiel war das vorbei – Workshops<br />

erforderten separate Anmeldungen mit umfassenden<br />

Einlasskontrollen; für Medienvertreter<br />

waren sie komplett gesperrt. Zwar waren <strong>2015</strong><br />

für die Branchenforen auch für NGO Anmeldungen<br />

möglich – Medien wurden in separaten<br />

Pressegesprächen „informiert“ –, aber das setzt<br />

immer voraus, dass der betreffende Verband,<br />

die jeweilige Redaktion über die nötigen finanziellen<br />

und personellen Ressourcen verfügt.<br />

Man darf davon ausgehen, dass diese abschirmende<br />

Wirkung der so genannten „Modernisierung“<br />

gewollt ist: Die Branche bleibt lieber<br />

unter sich. <br />

Bei der 8. NMK in Kiel im April 2013 war<br />

Werftpatriarch Bernard Meyer Sprecher des Workshops<br />

„Schiffbauindustrie“: Ob er damals schon an<br />

Luxemburg dachte?<br />

Foto: Burkhard Ilschner


| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info |<br />

| 9 |<br />

Die Flucht der Meyer Werft vor der Mitbestimmung ist kein Einzelfall<br />

Verstaatlichen wäre eine gute Idee<br />

Von Christoph Spehr<br />

Es war ein Paukenschlag für die deutsche Werftenlandschaft:<br />

Im Juni wurde bekannt, dass die<br />

Meyer‐Gruppe als größtes Schiffbauunternehmen<br />

ihren Konzernsitz nach Luxemburg verlegt.<br />

Dabei gehe es gar nicht vorrangig um die Steuern,<br />

so Konzernchef Bernard Meyer. Man wolle<br />

vor allem keinen Aufsichtsrat mit Arbeitnehmer-<br />

Beteiligung. Das wirft ein Schlaglicht auf eine<br />

verbreitete Unternehmensphilosophie, die<br />

volkswirtschaftlich nicht mehr tragbar ist.<br />

Das Gelände der Papenburger Meyer Werft (links),<br />

deren Erweiterungen wiederholt mit EU-Hilfen für<br />

Infrastrukturmaßnahmen subventioniert wurden.<br />

Fotos (2): Thomas Schumacher<br />

Die Krise begann mit einem Gespräch im vertrauten<br />

Kreis. Am 4. Juni <strong>2015</strong> spricht Bernard<br />

Meyer, geschäftsführender Gesellschafter<br />

der Meyer Werft, in Hannover mit dem<br />

niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan<br />

Weil, dessen Wirtschaftsminister Olaf Lies und<br />

der SPD‐Fraktionsvorsitzenden Johanne Modder.<br />

Dabei eröffnet Meyer den Dreien, dass er<br />

den Hauptsitz des Konzerns nach Luxemburg<br />

verlegen werde. Ende Juni erfährt die Öffentlichkeit<br />

von den Plänen. Die Landesregierung<br />

äußert sich „überrascht und verärgert“. Daraufhin<br />

findet ein Krisentreffen zwischen Werft<br />

und Landesregierung am 1. Juli statt, dessen<br />

Ergebnis angeblich ein „Moratorium“ ist: Bis<br />

September sollten keine weiteren Schritte zur<br />

Verlegung unternommen werden, bis dahin<br />

würden Gespräche über eine andere Lösung<br />

geführt. Dieses Moratorium verläuft jedoch<br />

ohne Ergebnis. Das einzige Zugeständnis,<br />

das Meyer macht, ist die Zusicherung, die kriselnden<br />

Nordseewerke in Emden (seit Mai in<br />

Insolvenz) mit Aufträgen der Meyer Werft zu<br />

versorgen. Die öffentliche Vermutung, hier<br />

finde ein Ablasshandel statt, weist die Landesregierung<br />

zurück.<br />

An der Verlegung des Konzernsitzes nach<br />

Luxemburg ändert sich indes nichts. Meyer<br />

erklärt in der Öffentlichkeit, es gehe ihm nicht<br />

um Steuerflucht. Dafür legt er sogar ein Gutachten<br />

vor, aus dem die Presse zitiert, die neue<br />

Konzernstruktur sei „für ein Steuersparmodell<br />

ungeeignet“. Wichtig sei ihm vielmehr,<br />

die Gründung eines Aufsichtsrats zu vermeiden.<br />

Denn nach deutschem Recht ist dies für<br />

Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten<br />

zwingend. Dabei muss die Arbeitnehmerbank<br />

bei 500‐2000 Beschäftigten mit einem Drittel<br />

der Sitze beteiligt werden, bei mehr als<br />

2000 Beschäftigten mit der Hälfte der Sitze,<br />

einschließlich unternehmensunabhängiger Vertreter<br />

der Gewerkschaft. Das schade der Flexibilität,<br />

die im Werftengeschäft unerlässlich sei,<br />

behauptet Meyer. In Luxemburg gibt es derartige<br />

Bestimmungen nicht.<br />

Einige Irritation herrscht darüber, ob und<br />

wann genau denn nun seitens Meyer Fakten<br />

geschaffen worden seien – nach dem Moratorium,<br />

während des Moratoriums oder schon viel<br />

früher? Noch während des Moratoriums winkten<br />

Vertreter der IG Metall ab. Hartmut Geiken,<br />

Chef des IGM‐Bezirks Küste, verlautbarte<br />

im August: „Da ist einfach nichts mehr möglich.<br />

Das Unternehmen sitzt nicht mehr in Deutschland<br />

und damit ist rechtlich für uns nichts mehr<br />

zu machen.“ Thomas Gelder, IGM‐Vorsitzender<br />

im Bezirk Leer‐Papenburg, sagte: „Das Ding in<br />

Luxemburg ist faktisch scharf geschaltet.“<br />

Die Presse mutmaßte, die rechtliche Verlagerung<br />

sei schon längst passiert, möglicherweise<br />

mehr als ein halbes Jahr, bevor die<br />

Pläne bekannt wurden. Denn bereits im Dezember<br />

2014 existierten drei Gesellschaften<br />

Meyers in Luxemburg: Die „Meyer Werft Verwaltungs<br />

GmbH“, die „Neptun Industrie Holding<br />

GmbH“ und die „Meyer Neptun GmbH“<br />

– Letztere bereits ausgestattet mit 360 Millionen<br />

Euro Kapital. Das wäre insofern pikant, als<br />

die Meyer Werft und die niedersächsische Landesregierung,<br />

unter Beteiligung der IGM und<br />

des Betriebsrats, im Januar <strong>2015</strong> den „Standortsicherungsvertrag“<br />

für Papenburg unterzeichnet<br />

hatten und im März <strong>2015</strong> der „Masterplan


| 10 |<br />

| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info |<br />

Ems“ beschlossen wurde, an dem die Werft großes<br />

Interesse hat. Der Kreistag Leer, der diesem<br />

Masterplan – wie berichtet – erst nach langem<br />

Hin und Her zustimmte, hätte sich möglicherweise<br />

anders entschieden, wenn die Verlegungspläne<br />

schon öffentlich gewesen wären. In<br />

diese Richtung äußerte sich auch Wirtschaftsminister<br />

Lies nach Ablauf des Moratoriums:<br />

„Von dem längst erfolgten Schritt der Verlegung<br />

haben wir erst mehr als ein halbes Jahr<br />

später über die Medien erfahren, erst nachdem<br />

wichtige Entscheidungen mit weitreichenden<br />

Verpflichtungen des Landes wie dem Standortsicherungsvertrag<br />

und dem Masterplan Ems<br />

schon getroffen waren.“<br />

Vielleicht war man seitens der Politik aber<br />

auch froh über den Befund, dass man sich<br />

nur noch aufregen, aber nichts mehr machen<br />

konnte? Firmenchef Bernard Meyer verstand<br />

die ganze Aufregung ohnehin nicht. Es<br />

ändere sich doch nichts: Die Werften blieben<br />

in Papenburg und in Rostock, mehr als den<br />

zentralen Einkauf wolle man über die Luxemburger<br />

Holding gar nicht machen, und einen<br />

Aufsichtsrat hatte es ja schließlich bisher auch<br />

nicht gegeben. Und damit alles so bleibt, wie<br />

es ist, müsse halt die Holding in Luxemburg<br />

sitzen. Insbesondere jetzt, da man die finnische<br />

Turku‐Werft dazugekauft habe. Die FDP<br />

schickte eine Kleine Anfrage im Landtag hinterher<br />

mit der treuherzigen Frage: „Was ist<br />

an der unternehmerischen Entscheidung aus<br />

betriebswirtschaftlicher Sicht unklug?“<br />

War also alles längst gelaufen oder passierte<br />

es ungerührt während des „Moratoriums“? Wie<br />

es aussieht, stimmt beides. Der Prozess der Verlagerung<br />

wurde bereits 2014 eingeleitet, vermutlich<br />

nach eingehender Planung mit einer<br />

Wirtschaftsberatung, die das neue Konzerndesign<br />

entwickelte. Damals entstand bereits die<br />

„Meyer Neptun“ Luxemburg, der das Stammkapital<br />

übertragen wurde. Abgeschlossen wurde<br />

der „Umzug“ aber erst im Juli und August <strong>2015</strong>,<br />

direkt während des „Moratoriums“. Meyer hatte<br />

höflich akzeptiert, dass die Politiker irgendeine<br />

Form von Handeln darstellen mussten, war<br />

aber zu keinem Zeitpunkt von seinem Zeitplan<br />

abgewichen. Am 13. Juli übertrug er die Führung<br />

der Meyer Werft an eine Luxemburger Verwaltungsgesellschaft,<br />

am 13. August die Führung<br />

der Rostocker Neptun Werft an die „Neptun<br />

Industrie Holding“ (NIR), ebenfalls Luxemburg.<br />

Der Umbau der Meyer-Gruppe könnte programmatischen<br />

Charakter haben für die deutsche<br />

Werftenlandschaft. Die Meyer Werft ist<br />

nicht irgendwer. Sie ist derzeit – neben ThyssenKrupp<br />

Marine Systems (TKMS), den ehemaligen<br />

Kieler Howaldtswerken (HDW) – die<br />

größte deutsche Werft mit rund 3300 Beschäftigten<br />

und einem Jahresumsatz von 1,3 Milliarden<br />

Euro (Konzernbilanz 2013). Standorte<br />

Aus dem „Unternehmensregister“, Handelsregister-Einträge:<br />

Amtsgericht Osnabrück Aktenzeichen: HRA 204138<br />

Bekannt gemacht am: 13.07.<strong>2015</strong> 19:01 Uhr<br />

In () gesetzte Angaben der Anschrift und des Geschäftszweiges erfolgen ohne Gewähr:<br />

Veränderungen<br />

13.07.<strong>2015</strong><br />

HRA 204138: MEYER WERFT GmbH & Co. KG, Papenburg, Industriegebiet Süd, 26871 Papenburg.<br />

Ausgeschieden als Persönlich haftender Gesellschafter:<br />

Meyer Werft Verwaltungs-GmbH, Papenburg (Amtsgericht Osnabrück HRB 121225).<br />

Eingetreten als Persönlich haftender Gesellschafter:<br />

Meyer Werft Verwaltungs-GmbH, Luxemburg / Luxemburg (Handelsregister Luxemburg<br />

B 193173), mit der Befugnis, im Namen der Gesellschaft mit sich im eigenen<br />

Namen oder als Vertreter eines Dritten Rechtsgeschäfte abzuschließen.<br />

Amtsgericht Rostock Aktenzeichen: HRA 3321<br />

Bekannt gemacht am: 13.08.<strong>2015</strong> 21:59 Uhr<br />

In () gesetzte Angaben der Anschrift und des Geschäftszweiges erfolgen ohne Gewähr:<br />

Veränderungen<br />

13.08.<strong>2015</strong><br />

HRA 3321:NEPTUN INDUSTRIE GmbH & Co. KG, Rostock, Werftallee 13, 18119 Rostock.<br />

Ausgeschieden als Persönlich haftende Gesellschafterin:<br />

NEPTUN Meyer Verwaltungs GmbH, Rostock (Amtsgericht Rostock HRB 9354).<br />

Eingetreten als Persönlich haftende Gesellschafterin:<br />

NIR Holding GmbH, Luxemburg / Luxemburg (Handelsregister Luxemburg B 193155),<br />

mit der Befugnis, im Namen der Gesellschaft mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter<br />

eines Dritten Rechtsgeschäfte abzuschließen.<br />

Die Handelsregisterauszüge aus Osnabrück und Rostock vom Sommer dieses Jahres dokumentieren:<br />

Die Eintragungen erfolgten während des mit der Regierung vereinbarten »Moratoriums«.<br />

sind Papenburg (Meyer), Rostock (Neptun)<br />

und Turku (Turku). Im Unterschied zu TKMS,<br />

wo mittlerweile vor allem Militärschiffe entstehen,<br />

baut die Meyer Werft zivile Fahrzeuge:<br />

Hauptsächlich Kreuzfahrtschiffe, aber auch<br />

Tankschiffe für Flüssigerdgas (LNG). Die Auftragslage<br />

ist derzeit gut: Vier Kreuzfahrtschiffe<br />

für Costa Crocière, zwei in Papenburg und zwei<br />

in Turku, sollen bis 2020 gebaut werden – alle<br />

mit Flüssigerdgas-Antrieb.<br />

Noch 2013 war der Meyer-Konzern in typischer<br />

Weise aufgespalten in eine zentrale<br />

Beteiligungsgesellschaft, den eigentlichen<br />

Mutterkonzern „Meyer Neptun GmbH“ mit Sitz<br />

in Rostock, und in zwei Betriebsgesellschaften,<br />

die „Meyer Werft GmbH“ in Papenburg und<br />

die „Neptun GmbH“ in Rostock. Die verbreitete<br />

Konstruktion, Werftkonzerne in Beteiligungsgesellschaft<br />

(der die Vermögenswerte gehören)<br />

und Betriebsgesellschaften (bei denen<br />

die Arbeitnehmer beschäftigt sind) zu trennen,<br />

dient dem Zweck, das Kapital vor dem Risiko zu<br />

schützen und dieses Risiko auf die Beschäftigten<br />

abzuwälzen. Denn die Betriebsgesellschaften<br />

sind die eigentlichen Werftbetriebe, die<br />

Auftragnehmer und die Arbeitgeber, während<br />

ihnen die Besitzgesellschaft die Anlagen nur<br />

leiht. So können die Betriebsgesellschaften gegebenenfalls<br />

in Konkurs geschickt werden, ohne<br />

den eigentlichen Wertbestand des Konzerns<br />

(und der Eigentümer) zu gefährden.<br />

Diese Struktur gab sich 2012 auch die<br />

Lloyd Werft in Bremerhaven. Die Umsetzung<br />

der Beschäftigten in die neu gegründete<br />

Betriebsgesellschaft wurde gleich noch für ein<br />

paar Lohnabsenkungen genutzt, begründet<br />

mit der schwierigen wirtschaftlichen Lage der<br />

Werft – im Jahr zuvor hatte man noch üppige<br />

Gewinne ausgeschüttet und die Werft ökonomisch<br />

leer gezogen. Die Struktur Beteiligungsgesellschaft-Betriebsgesellschaft<br />

war<br />

der sinnfällige Ausdruck der Privatisierung<br />

von Gewinnen und der Sozialisierung von Verlusten.<br />

Sie passte zu einem Markt, der in traditioneller<br />

Weise von „Schweinezyklen“ aus<br />

Boom und Krise geprägt war und von einem<br />

hohen Vorfinanzierungsrisiko. Es war die Struktur<br />

von Unternehmen, die nach den Katastrophen<br />

der deutschen Werftindustrie und der<br />

Schifffahrtskrise 2009 übriggeblieben waren,<br />

die mitnahmen was sie konnten und beständig<br />

nach Kniffen suchten, den Hals günstig aus der<br />

Schlinge zu ziehen, wenn gerade nichts ging.<br />

Das ändert sich jetzt. Der Umbau der Meyer-<br />

Gruppe zielt auf eine andere Struktur. Zuerst<br />

übertrug die Betriebsgesellschaft den Werftgesellschaften<br />

in Papenburg und Rostock die<br />

Anlagen zurück, so dass der Dachkonzern<br />

nur die Anteile hielt. Dann baute sie beide in


| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info |<br />

| 11 |<br />

GmbH & Co.-Kommanditgesellschaften um,<br />

bei denen die Kapitaleinlage vom Mutterkonzern<br />

kommt, aber die Firmenleitung von einer<br />

eigenen Verwaltungs‐GmbH besorgt wird. Und<br />

als dritten Schritt transferierte sie den Mutterkonzern<br />

und beide Verwaltungs-Gesellschaften<br />

nach Luxemburg. Die Gesellschafter sind<br />

letztlich überall dieselben, Bernard Meyer und<br />

Jan Meyer, es ist ein reiner Familienbetrieb mit<br />

100‐prozentigen Tochterbeziehungen. Aber<br />

es ist der Umbau in eine globalisierungs- und<br />

finanzmarktorientierte Struktur, mit der Holding<br />

als Leitung eines internationalisierten Konzerns<br />

– die gleichzeitig mit der Alleinentscheidung<br />

des Firmenchefs auf allen Ebenen verbunden<br />

ist. Man kann sich gut vorstellen, wie Bernard<br />

Meyer das in Auftragsverhandlungen als besonderen<br />

Bonus verkauft: Nein, bei mir gibt es keinen<br />

Aufsichtsrat, wenn ich das so sage, wird es<br />

so gemacht, da gibt es keine Unsicherheiten.<br />

Aber der Umbau spiegelt auch einen veränderten<br />

Markt. 2013 hatten der Verband für<br />

Schiffbau und Meerestechnik (VSM) und die<br />

fünf Küstenbundesländer beim Beratungsunternehmen<br />

PricewaterhouseCoopers (PwC)<br />

eine Studie „Zur Lage des deutschen Schiffbaus<br />

2013“ in Auftrag gegeben. Wie das 80‐seitige<br />

Gutachten optisch eindrucksvoll vorstellt,<br />

ist der Bau von Fracht- und Arbeitsschiffen<br />

zwischen 2008 und 2013 praktisch aus der<br />

deutschen Werftenlandschaft verschwunden.<br />

Zwar haben Werften wie Bremerhavens<br />

Lloyd, Hamburgs Blohm & Voss und andere sich<br />

in der jüngeren Vergangenheit ganz wesentlich<br />

mit Reparatur- und Wartungs-Aufträgen<br />

nicht nur über Wasser gehalten, sondern auch<br />

Renommee erworben. Der Neubautrend indes<br />

konzentriert sich auf Marineschiffe (TKMS),<br />

Marineschiffe plus Luxusyachten (Lürssen)<br />

oder eben Kreuzfahrtschiffe (Meyer-Gruppe).<br />

Dieser Trend verstärkt sich weiter: Auch die<br />

Lloyd Werft hat gerade einen Großauftrag für<br />

fünf Kreuzfahrtschiffe von der Reederei Crystal<br />

Cruises an Land gezogen. Dafür müssen die<br />

Bremerhavener aber den Mutterkonzern der<br />

Reederei, die malaysische Genting Group, als<br />

Teilhaber akzeptieren. Genting ist ein global<br />

operierender Tourismus-Konzern, der in Freizeitparks<br />

und Casinos investiert und gerade ein<br />

paar Flächen in Las Vegas gekauft hat. Die Genting<br />

Group nimmt beim Lloyd-Deal die Rolle ein,<br />

die man in der Bauwirtschaft vom „Projektentwickler“<br />

kennt: Er bringt Ressourcen und Investoren<br />

zusammen und designt das „Projekt“, in<br />

das sich die verschiedenen Player einfügen,<br />

möglichst passgenau.<br />

Frachtschiffe werden bestellt, aber ihre<br />

Spezifikation hält sich in Grenzen. Aristoteles<br />

Onassis baute sein Imperium, indem er in der<br />

Flaute billig Tanker baute, weil sie schon irgendwann<br />

jemand brauchen würde. Das funktioniert<br />

mit Kreuzfahrtschiffen nicht. Sie müssen<br />

so gebaut werden, dass sie in eine spezifische<br />

Kalkulation passen. Sie sind weniger klassischer<br />

Schiffbau als Bau von Eventanlagen. Die<br />

Meyer Werft ist ganz nebenbei Deutschlands<br />

größter Theater-Bauer, niemand sonst hat so<br />

viele Theater gebaut in den vergangenen Jahren<br />

– weil Kreuzfahrtschiffe heutzutage jeweils<br />

mehrere Bühnen an Bord haben.<br />

Frachtschiffe werden typischerweise mit<br />

20 Prozent angezahlt, der Rest ist erst bei Ablieferung<br />

fällig. Das Finanzierungsrisiko liegt also<br />

stark auf seiten der Werft, die andererseits<br />

auch Chancen hat, ein Frachtschiff notfalls an<br />

eine andere Reederei loszuwerden. Bei Kreuzfahrtschiffen<br />

und den meisten anderen heutigen<br />

Spezialschiffen wird dagegen üblicherweise<br />

in kontinuierlichen Raten bezahlt, mehr oder<br />

weniger parallel zu den Baukosten.<br />

Damit ändert sich die Rolle des „Werftchefs“.<br />

Er verliert seine psychologische Funktion. In<br />

alten Zeiten war es sein „Job“, unerschütterliche<br />

Zuversicht auszustrahlen, um Auftraggeber,<br />

Banken, Beschäftigte und lokale Politik<br />

bei Laune zu halten; allen immer wieder neue<br />

Zugeständnisse abzuringen und sie vom vorzeitigen<br />

Aussteigen abzuhalten, weil am Ende doch<br />

alle froh waren, wenn es wieder mal geklappt<br />

hatte. Eine gewisse Hybris und Risikobereitschaft<br />

bis hart an die Grenze des legal Zulässigen<br />

gehörten zur „Arbeitsplatzbeschreibung“.<br />

Der Typus des Unternehmenspatriarchen war<br />

in diese Rolle fest eingebaut und er konnte seinen<br />

Anspruch auf Alleinherrschaft bis zu einem<br />

gewissen Grad mit dem Verweis auf die Art des<br />

Marktes rechtfertigen. Das galt für die Führungsetagen<br />

des Bremer Vulkan bekanntlich<br />

genauso – bis zum großen Crash.<br />

Es hat vor diesem Hintergrund etwas Symptomatisches,<br />

dass die „Meyer Neptun Sozialwerk<br />

GmbH“ (MSN) als erste den Marsch<br />

in die Steueroasen antrat. Im Juni 2013 kaufte<br />

Meyer die „MSW Verwaltungs AG“ in Vaduz,<br />

Liechtenstein, und übertrug ihr den gesamten<br />

Geschäftsbetrieb der MSN: Alle Verpflichtungen<br />

des Konzerns aus „Pensionen, Altersteilzeit<br />

und Jubiläen“ wurden transferiert. 2013 bekam<br />

das Image des Patriarchen mehrfach Risse: Im<br />

Juli starben zwei rumänische Werkvertragsarbeiter<br />

bei einem Brand in ihrer Unterkunft.<br />

Mehr als 30 rumänische und bulgarische Arbeiter<br />

waren darin untergebracht, Werkvertragsarbeiter<br />

stellten damals fast die Hälfte der<br />

Belegschaft (heute etwa ein Drittel). Von Stundenlöhnen<br />

von drei Euro war die Rede. Eine<br />

hastig aufgestellte „Sozialcharta“ beteuerte,<br />

dass „Arbeitsteilung der Werft für die internationale<br />

Wettbewerbsfähigkeit unverzichtbar“ sei,<br />

aber man künftig genauer hinsehen wolle.<br />

Aber es ist die neue Struktur des Marktes, die<br />

dem Familienunternehmer alter Prägung den<br />

Todesstoß gibt. Was bei der Lloyd Werft heute<br />

ansteht, wird auch bei der Meyer-Gruppe<br />

irgendwann vor der Türe stehen: Der Projekt-<br />

Designer, der sich zugleich mit dem Auftrag<br />

auch einkaufen will, weil die Dinge heute so<br />

laufen. Ein Teil der deutschen Werften verliert<br />

allmählich den Charakter von Schiffbauunternehmen<br />

und wird der globalen Tourismus-Industrie<br />

einverleibt, mit allen Folgen, die das hat.<br />

Die Umstrukturierung der Meyer-Gruppe öffnet<br />

hierfür in gefährlicher Weise das Tor.<br />

Der Markt für Kreuzfahrtschiffe, von dem<br />

ein Teil der Branche heute gut lebt, ist definitiv<br />

endlich. China rüstet auf und kooperiert<br />

sowohl mit dem italienischen Werftkonzern<br />

Fincantieri als auch mit der amerikanischen<br />

Carnival Cooperation für den Aufbau des Kreuzfahrtschiff-Baus.<br />

Im Großen und Ganzen ist es<br />

mehr die Erfahrung mit Innenausstattung und<br />

Design, die den deutschen Werften bei Cruisern<br />

und Yachten (einem minimalen Teil des<br />

Die traditionsreichen Kieler Howaldtswerke (HDW)<br />

sind Geschichte, sie gehören heute zu ThyssenKrupp<br />

Marine Systems (TKMS); der Konzern ist auf<br />

Militäraufträge spezialisiert.<br />

Foto: Burkhard Ilschner


| 12 |<br />

| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche | WATERKANT Verbreitung | 3-15 | erlaubt © www.waterkant.info |<br />

Schiffbau-Weltmarkts) Vorteile verschafft,<br />

weniger die technologische Innovation. Wenn<br />

Planung, Finanzierung und Koordination vermehrt<br />

aus der Hand des globalen Tourismus-<br />

Projektentwicklers kommen, wird sich dieser<br />

Vorteil verflüchtigen.<br />

Das fällt der staatlichen Schiffbaupolitik bislang<br />

nicht so auf, da ihre Vorstellungen von<br />

Innovation ebenfalls sehr begrenzt sind. Die<br />

Branchenforen der Nationalen Maritimen Konferenz<br />

(NMK) drehen sich um Nischenmärkte,<br />

Finanzierungskonzepte, immer wieder um Hoffnungen<br />

auf Offshore- und Tiefseebergbau-Spezialequipment,<br />

und selbstverständlich immer<br />

wieder um mehr staatliches Geld für Forschung<br />

und Entwicklung, Risikoabsicherung und Infrastruktur.<br />

Bezüglich der Strategien dominiert<br />

eine gewisse Halsstarrigkeit. Weder die Umbewertung<br />

der Entwicklungspotenziale zwischen<br />

Offshore- und Onshore-Windenergie wird zur<br />

Kenntnis genommen noch die Tatsache, dass<br />

deutsche Anbieter auch bei Tiefsee-Förderschiffen<br />

bislang ohne Chance sind. Auch auf die weitere<br />

Militarisierung der EU-Grenzsicherung und<br />

der Schifffahrt überhaupt wird gesetzt („maritime<br />

Sicherheit“ als „Innovationsschmiede“).<br />

Die eigentlichen Trends werden verpasst. Anforderungen<br />

an Nachhaltigkeit, Klimaschutz<br />

und soziale Standards werden in den nächsten<br />

Jahren zunehmend an Gewicht gewinnen. Die<br />

Internationale Seeschifffahrts-Organisation<br />

der UNO (International Maritime Organization,<br />

IMO) drängt auf niedrigere Emissionswerte.<br />

Das wird nicht nur die Antriebe verändern, sondern<br />

– sobald auch Emissionen bei der Herstellung<br />

einbezogen werden – auch den Schiffbau<br />

revolutionieren. Die „Shipbreaking Platform“<br />

mobilisiert gegen die unhaltbaren Zustände<br />

auf den Abwrack-Werften in Pakistan, Indien<br />

und Bangladesh und fordert eine Lebenszyklus-Betrachtung,<br />

bei der Schiffe von vornherein<br />

so gebaut werden, dass sie ungefährlich und<br />

mit geringen Umweltbelastungen auch wieder<br />

zerlegt werden können (viele wissen es nicht<br />

und andere haben vergessen, dass eben dafür<br />

bereits vor mehr als 20 Jahren detaillierte<br />

Konzepte erarbeitet worden sind – am Schiffbaustandort<br />

Bremen, wo Kollegen der Vulkan<br />

Werft das „umwelt- und sozialverträgliche<br />

Schiff“ entwickelten). Eine Reihe von multinationalen<br />

Konzernen (darunter H&M, Volkswagen,<br />

Philips, Volvo) drängt inzwischen die Reedereien,<br />

ihre Abwrackpraxis offenzulegen und zu<br />

korrigieren, weil sie ihre Produkte sonst nicht<br />

mehr bei ihnen transportieren würden. Das sind<br />

nur zwei Beispiele für die völlig neuen Herausforderungen,<br />

die sich stellen.<br />

Die betriebliche Innovationsstrategie von<br />

heute ist dem nicht gewachsen. Die Innovationsphilosophie<br />

des deutschen Schiffbaus befindet<br />

Außen bunt, innen Theater und Entertainment: Meyers Kreuzfahrtschiffe – hier die „Norwegian Breakaway“ –<br />

sind immer mehr zu schwimmenden Eventanlagen geworden.<br />

sich in einer ähnlichen Sackgasse wie die Automobilbauindustrie.<br />

Innovation beschränkt sich<br />

auf die Frage: Gibt es nicht irgendetwas Aufwändiges,<br />

Teures, was wir zusätzlich noch einbauen<br />

können? Strukturelle Innovation, die<br />

Lebenszyklen ebenso im Blick hat wie Umweltfolgen<br />

und Arbeitsbedingungen, ist Mangelware.<br />

Und die veränderte Marktlage macht es<br />

nicht besser. Auch die multinationalen Auftraggeber<br />

haben wenig Lust, bei ihren Luxuslinern<br />

für irgendetwas anderes zu bezahlen<br />

als die präzise kalkulierte Herstellung – wer<br />

beim nächsten Mal vielleicht woanders kauft,<br />

hat kein Interesse, betriebliche Innovation<br />

mitzufinanzieren.<br />

Es wäre also Zeit für den Staat. Teile der<br />

deutschen Schiffbauindustrie zu verstaatlichen,<br />

wäre eine hervorragende Idee.<br />

– Erstens lehrt das Beispiel der Meyer-Gruppe:<br />

Wer nicht mindestens eine öffentliche Sperrminorität<br />

im Konzern hat, kann sich gegen Abwanderung<br />

nicht wehren.<br />

– Zweitens: Wer nicht im Konzern drin sitzt,<br />

erfährt alles erst, wenn es längst zu spät ist.<br />

– Drittens: Wer heute öffentlich in Schiffbau-<br />

Standorte investiert (und das wird den betreffenden<br />

Kommunen und Küstenländern heute<br />

beständig abverlangt), muss seine Investition<br />

auch durch Beteiligung schützen – dazu gehen<br />

auch große private Auftraggeber längst über.<br />

– Viertens: Eine Phase struktureller Innovation,<br />

die dem Schiffbau möglicherweise sogar<br />

wieder eine Perspektive auf den Transportschiffmärkten<br />

verschaffen kann, erfordert<br />

konzentrierte Anstrengungen, die von den Betrieben<br />

nicht von selbst geleistet werden.<br />

– Fünftens: Die Einbindung in eine nationale<br />

Schiffbau-Strategie, die Kooperation statt Konkurrenz<br />

realisiert, kann ohne öffentliche Beteiligung<br />

an den Unternehmen nicht erzwungen<br />

werden.<br />

Foto: Thomas Schumacher<br />

Verstaatlichung wäre übrigens eine ganz<br />

reale Möglichkeit, die rechtliche Abwanderung<br />

der Meyer-Gruppe nach Luxemburg zu blockieren.<br />

Verstaatlichung ist durch das Grundgesetz<br />

abgesichert; die einzigen Einschränkungen sind:<br />

Es muss ein öffentliches Interesse geben, das<br />

anders nicht erfüllt werden kann; Verstaatlichung<br />

muss durch ein Gesetz erfolgen; und die<br />

Entschädigung muss geregelt sein. Man erinnere<br />

sich an 2009. Damals beschloss der Bundestag<br />

– nach dem Prinzip „Was muss, das<br />

muss“ – in Windeseile das „Rettungsübernahmegesetz“.<br />

Es ermächtigte die Bundesregierung,<br />

kriselnde Banken zu verstaatlichen, indem<br />

die Aktionäre enteignet werden. Ein „Abwanderungsverhinderungsgesetz“,<br />

um öffentliche<br />

Standortinvestitionen vor der Gefahr der Entwertung<br />

zu schützen, wäre auch zur Erzwingung<br />

einer Mindestbeteiligung an den Werften ohne<br />

weiteres möglich.<br />

Bleibt noch eine Frage: Warum hatte die<br />

Meyer-Gruppe eigentlich bisher keinen Aufsichtsrat?<br />

Gesetzlich wäre es längst vorgeschrieben<br />

gewesen. Damit ist sie aber kein<br />

Einzelfall. Wie man einer Studie über „Umgehung<br />

des Drittelbeteiligungsgesetzes in Industrieunternehmen“<br />

von 2009 entnehmen kann,<br />

haben 40 Prozent aller deutschen Unternehmen,<br />

die unter die Vorschrift zur Drittelbeteiligung<br />

fallen, trotzdem keinen Aufsichtsrat.<br />

Es wird einfach nicht gemacht – und niemand<br />

geht rechtlich dagegen vor. Familienunternehmen<br />

sind für die „Aufsichtsratslücke“ besonders<br />

anfällig. Die rechtswidrige Verteidigung der<br />

Alleinherrschaft – und dementsprechend auch<br />

der innovationstechnische Scheuklappen-Blick<br />

– ist demnach nicht nur bei den Werften bislang<br />

ungebrochen.


| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info |<br />

| 13 |<br />

Reeder, Schifffahrtsbranche und Politik schaffen gemeinsam deutsche Seeleute ab<br />

Seemann, lass das Träumen!<br />

Von Klaus-Rüdiger Richter<br />

Deutschland ist einer der erfolgreichsten<br />

Schifffahrtsstandorte der Welt – aber längst<br />

keine „Seefahrernation“ mehr. Die „Nationale<br />

Maritime Konferenz“ (NMK) wird in Kürze über<br />

weitere Reeder-Subventionen beraten und das<br />

„Maritime Bündnis“, das eigentlich Arbeits- und<br />

Ausbildungsplätze schaffen und erhalten sollte,<br />

fortschreiben – obwohl es bald weder Jobs noch<br />

Nachwuchs unter deutscher Flagge mehr gibt:<br />

Analyse einer Katastrophe mit Ansage.<br />

1988: Protestkundgebung der Gewerkschaft ÖTV<br />

gegen das geplante Zweitregister-Gesetz vor der Bremischen<br />

Bürgerschaft, dem Parlament des Bundeslandes.<br />

Fotos (2): Jochen Stoss<br />

Deutsche Reedereien und Schifffahrtsgesellschaften<br />

kontrollieren aktuell 2939 Handelsschiffe<br />

und belegen damit den vierten Platz<br />

der Weltrangliste. Deutsche Reeder führen mit<br />

1280 Einheiten knapp 30 Prozent der globalen<br />

Containerschiffsflotte (1). Rund ums Jahr zelebrieren<br />

die Hansestädte an den Küsten „Sail“-<br />

Events oder „Hafengeburtstage“, versuchen,<br />

maritimes Pseudo-Flair mit Seemanns-Motiven,<br />

Shanty-Chören und anderem pittoresken<br />

Schnickschnack zu verknüpfen, um noch mehr<br />

Touristen besser ausnehmen zu können. Eines<br />

aber fehlt nicht nur in der Schifffahrt, sondern<br />

auch bei diesen Events immer mehr: Echte Kapitäne,<br />

Steuerleute, Bootsmänner, Maschinisten<br />

und Matrosen – die „Sehleute“ sind längst weit<br />

zahlreicher als die Seeleute.<br />

Die Wahrheit ist, dass kaum noch etwas übrig<br />

geblieben ist von einst zigtausend aktiven Seefahrern.<br />

Die Gesamtzahl der Beschäftigten in<br />

der deutschen Seeschifffahrt (bezogen auf die<br />

BRD) wurde Ende 1970 noch mit 49.085 angegeben,<br />

darunter 741 aus EWG-Staaten und 10.562<br />

aus Nicht-EWG-Staaten – unterm Strich also<br />

37.782 deutsche Seeleute (2). Damals zählte die<br />

deutsche Handelsflotte laut Statistik des Verbands<br />

Deutscher Reeder (VDR) 2578 Schiffe<br />

– davon 2578 unter deutscher Flagge (3). Vom<br />

„Ausflaggen“ war noch ebenso wenig die Rede<br />

wie vom „Zweitregister“ (siehe unten) und vor<br />

allem war die Praxis, auf Schiffen deutscher<br />

Flagge ungelerntes Personal aus aller Herren<br />

Länder nach so genanntem „heimatüblichen<br />

Lohn“ einzusetzen, noch streng verboten. Das<br />

änderte sich aber rasch: 15 Jahre später listete<br />

eine Bundestags-Drucksache nur noch 23.273<br />

Mann Besatzung auf Schiffen unter deutscher<br />

Flagge, davon 4773 nicht näher differenzierter<br />

fremder Nationalitäten (4).<br />

Nach der genannten VDR-Quelle betrug die<br />

Flottenstärke deutscher Reeder in diesem Jahr<br />

1750 Schiffe (mit deutlich höherer Gesamttonnage<br />

als 1970), davon fuhren aber nur 1388<br />

– knapp 80 Prozent – noch unter deutscher<br />

Flagge. Denn inzwischen grassierte der Trend<br />

eben zur Ausflaggung, um Personalkosten und<br />

Steuern zu sparen – und er setzte sich so massiv<br />

fort, dass im Frühjahr 1989 gegen massiven<br />

Widerstand der Gewerkschaften das so<br />

genannte Zweitregister eingeführt wurde (später<br />

mehr dazu).<br />

Um die Zahlenvergleiche an dieser Stelle abzuschließen:<br />

1995, sechs Jahre nach Einführung<br />

dieses Zweitregisters, kontrollierten die<br />

VDR-Reeder exakt 1542 Schiffe (3), davon aber<br />

nur 825 unter deutscher Flagge – bemannt mit<br />

15.376 Seeleuten, darunter 4488 Ausländer (5).<br />

Und schließlich: Die eingangs genannten Bestandszahlen<br />

von diesem Sommer beinhalten<br />

nur noch 354 Handelsschiffe unter deutscher<br />

Flagge, rund zwölf Prozent, davon aber 195 im<br />

besagten Zweitregister (1). Über die heutige Anzahl<br />

der Seeleute auf diesen Schiffen gibt es<br />

keine aktuellen Zahlen, der VDR brüstet sich lediglich<br />

auf seiner Webseite, auf all seinen Schiffen<br />

zusammen (einschließlich ausgeflaggter)<br />

würden rund 62.000 Seeleute fahren (6).<br />

Das Jahr 1970 mit seinem Komplett-Flottenbestand<br />

unter BRD-Schwarzrotgold markiert<br />

einen Schnittpunkt: Irgendwer entdeckte<br />

damals den Trick, dass westdeutsche Reeder<br />

völlig legal, aber gesellschaftspolitisch und<br />

sozial fragwürdig bei geringsten „Unpässlichkeiten“<br />

– ob real oder gefühlt – trotz des<br />

Firmensitzes im Inland ihre Schiffe mittels<br />

Briefkastenfirmen komplett in bestimmte<br />

andere Staaten ummelden („ausflaggen“) konnten.<br />

Damit waren und sind ab Vollzug keine<br />

„teuren“ inländischen Beschäftigten mehr vorgeschrieben,<br />

nicht einmal deutsche Rechtsvorschriften<br />

gelten noch an Bord, zudem<br />

werden auch hübsche Sümmchen an Steuern<br />

gespart. Schon 1971/72 ging es los: Westdeutsche<br />

Reeder flaggten mal eben 631 Schiffe aus<br />

– den überwiegenden Teil übrigens nach Griechenland,<br />

dessen faschistische Militärjunta<br />

ausdrücklich dazu eingeladen und „den Niederlassungen<br />

ausländischer Schiffsreeder (per


| 14 |<br />

| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info |<br />

Gesetz) Steuern, Abgaben und Zölle gestrichen“<br />

hatte (7). Wobei die Ausflaggung eindeutig als<br />

Flucht zu interpretieren war: Die in den beiden<br />

Vorjahren erkämpften Heuertarife bescherten<br />

den Seeleuten überfällige Lohnsteigerungen,<br />

zudem schrieb eine neue Schiffsbesetzungsund<br />

Ausbildungsordnung (SBAO) größere<br />

Besatzungsstärken vor. Und schon damals<br />

betrachteten hiesige Reeder es als absolute<br />

Zumutung, sich an dieselben Regeln wie andere<br />

Unternehmer halten zu müssen. Ihre Reaktion<br />

war immer gleich: große Rausschmeiße, Tarifund<br />

Steuerflucht.<br />

Das heute „Schiffsbesetzungsverordnung“<br />

(SchBesV) genannte Regelwerk, damals<br />

eine recht scharfe Waffe, ist an die Flaggenführung<br />

geknüpft, gilt also nur auf Schiffen<br />

unter deutscher Flagge. Inzwischen weitgehend<br />

abgestumpft, schreibt diese Verordnung<br />

aktuell selbst für Schiffe unter Schwarzrotgold<br />

nur noch sinkende Anteile nicht einmal mehr<br />

deutschen, sondern europäischen Fachpersonals<br />

vor. Auf allen anderen Schiffen deutscher<br />

Reeder gelten die Bedingungen des fremden<br />

Flaggenstaats.<br />

Wesentlicher Teil dieser Entwicklung war die<br />

Ende der 1980er Jahre vom VDR mit dem Druckmittel<br />

anhaltender Ausflaggungsdrohungen<br />

politisch erpresste Einführung des so genannten<br />

„Zweitregisters“, offiziell „Internationales<br />

Schiffsregister“ (ISR) genannt. Erstmals musste<br />

seither auch unter deutscher Flagge nur noch<br />

ein Teil der Seeleute aus Deutschland stammen,<br />

Auszubildende gehen baden: Demonstrativ sprangen<br />

Bremer Seefahrtschüler 1988 vor der „Schulschiff<br />

Deutschland“ ins Weserwasser – sie ahnten bereits,<br />

dass das ISR 'ne Billigflagge wird....<br />

der überwiegende Teil der Kollegen hingegen<br />

kam fortan aus Staaten der so genannten Dritten<br />

Welt und wurde nach dort üblichen Konditionen<br />

beschäftigt – ungelernt, angelernt, in<br />

Leih- und Zeitarbeit und zu Bruchteilen hiesiger<br />

tariflicher Heuer. Das Prinzip „gleicher<br />

Lohn für gleiche Arbeit“ wurde abgeschafft und<br />

es begann zugleich die Aushebelung der bis<br />

dahin breiten Ausbildung seemännischen Nachwuchses.<br />

Massiver Widerstand der Gewerkschaften<br />

und Seefahrtschüler (8) konnte das<br />

Zweitregister ebenso wenig verhindern wie<br />

eine anschließende Normenkontrollklage vor<br />

dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Das<br />

urteilte nämlich im Januar 1995: „Die Ungleichbehandlung<br />

ist jedoch durch sachliche Gründe<br />

gerechtfertigt“ (9). Diese Annahme, durch teilweise<br />

Legalisierung von Dumpinglöhnen den<br />

Restbestand von Arbeitsplätzen deutscher<br />

Seeleute beziehungsweise den Rest der deutschen<br />

Flagge erhalten zu können, erwies sich<br />

bekanntlich als fataler Irrtum: Von aktuell<br />

1280 Containerschiffen deutscher Reeder fahren<br />

noch 139 unter deutscher Flagge, und davon<br />

sind 135 auch im besagten Zweitregister erfasst.<br />

Die allermeisten Arbeitsplätze deutscher Seeleute<br />

sind somit vernichtet.<br />

Natürlich sind hochqualifizierte hiesige Fachkräfte<br />

mit fundierter Ausbildung oder Studium<br />

und entsprechenden Lebenshaltungskosten<br />

stets „teurer“ als Kollegen aus so genannten<br />

Drittweltstaaten, die sich aus Not ohne Sozialversicherung<br />

und befristet für ein Drittel<br />

hiesiger Heuern ausbeuten lassen. Festzustellen,<br />

dass die „teuren“ Fachkräfte gegenüber<br />

der „billigen“ Konkurrenz ohne entsprechendes<br />

internationales Regelwerk keine Chance<br />

haben, hat nichts mit Nationalismus oder<br />

Ausländerfeindlichkeit zu tun. Die deutsche<br />

Flagge bleibt über die Schiffsbesetzungsverordnung<br />

das letzte Mittel, einigermaßen akzeptable<br />

Arbeitsbedingungen zu erhalten – für<br />

hiesige Beschäftigte und nicht gegen Ausländer.<br />

Die Internationale Transportarbeiter-Föderation<br />

(ITF), weltweit aktiv gegen Dumpinglöhne,<br />

zählt auch das deutsche ISR zu den ausbeuterischen<br />

Billigflaggen (10)!<br />

Heute schreibt die Schiffsbesetzungsverordnung<br />

für die wenigen Schiffen im ISR an inländischem<br />

Personal ohnehin nur noch Kapitän,<br />

zwei Offiziere, einen gelernten Facharbeiter<br />

(Schiffsmechaniker) und ein wachbefähigtes<br />

Besatzungsmitglied vor (11), wobei dies laut<br />

EU-Recht nicht mehr Deutsche sein müssen.<br />

De facto muss bereits heute kein deutsches<br />

Schiff mehr mit auch nur wenigen Deutschen<br />

bemannt sein. Tarifanbindung haben die statt<br />

dessen angeheuerten EU-Bürger dann zwar<br />

trotzdem, aber für den Reeder hat das den wesentlichen<br />

Vorteil, dass diese wie ihre Drittwelt-Kollegen<br />

mit deutschem Arbeitsrecht meist<br />

nicht vertraut, in der Regel nicht gewerkschaftlich<br />

organisiert sind und selten Betriebs- oder<br />

Aufsichtsräte kennen. Der Mannschaftsdienstgrad<br />

„Schiffsmechaniker“ wird oft und völlig<br />

legal durch Auszubildende ersetzt – der einzige<br />

Grund, warum überhaupt noch ausgebildet wird<br />

– oder dank freizügiger Sondergenehmigungspraxis<br />

gleich ganz weggelassen.<br />

Oft gibt es bereits heute unter den Mannschaften<br />

niemanden mit Ausbildung mehr. Das<br />

bereitet an Bord viele Probleme, denn im Zuge<br />

der technischen Entwicklung sowie durch isoliertes<br />

Arbeiten und hohe Effizienzansprüche<br />

sind sämtliche Tätigkeiten an Bord seit<br />

den 1980ern technisch immer anspruchsvoller<br />

geworden. Automation, Elektronik, Hydraulik<br />

und Prozesstechnik dominieren den Schiffsbetrieb<br />

– von der hohen Verantwortung der<br />

Schiffsführung ganz zu schweigen.<br />

Früher wurde dem in der Berufsausbildung<br />

für Mannschaften (Lehre) und Offiziere (FH-Studium)<br />

Rechnung getragen. Doch auf Druck der<br />

Reeder gibt es längst zahlreiche Möglichkeiten,<br />

als Mannschaftsdienstgrad anzuheuern oder als<br />

Offizier ein Patent zu erwerben. Unterschiede in<br />

den Befähigungszeugnissen je nach Abschluss<br />

sind ebenso Geschichte – jeder Steuermann<br />

aus so genannter „kleiner Fahrt“ kann theoretisch<br />

auf 20.000-TEU-Containerriesen anheuern<br />

– wie etwa die Diplomstudiengänge: Mit<br />

nur zwei Jahren Fachschule ist man heute schon<br />

dabei, es müssen nur die Forderungen des<br />

so genannten STCW-95-Abkommens („Standards<br />

of Training, Certification and Watchkeeping“)<br />

erfüllt werden, was allerdings auch jede<br />

„Schule“ von Limassol bis Kiribati schafft. Es<br />

ist die traurige Realität des Zweitregisters, dass


| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info |<br />

| 15 |<br />

fast überall im „Betrieb Schiff“ – dem Gesetz<br />

nach Hoheitsgebiet der BRD – abweichend von<br />

hier bekannten Schul- oder Ausbildungs-Normen<br />

wieder komplett „learning by doing“ angesagt<br />

ist. Immer weniger Beschäftige können<br />

dem noch gerecht werden, was man in Industrie<br />

und Handwerk als Arbeitsstandard betrachtet.<br />

Wie auch? Duale Facharbeiterausbildungen<br />

oder Nautik/Schiffsbetriebstechnik als vollwertigen<br />

Hochschul-Studiengang gibt es in den<br />

meisten IMO-Mitgliedsländern nicht, EU-Staaten<br />

eingeschlossen. Aber nicht nur ausgeflaggte<br />

Schiffe deutscher Reeder, sondern eben auch<br />

ISR-Schiffe sind längst fast ausschließlich mit<br />

Beschäftigten aus diesen Ländern bemannt.<br />

Auch wenn Reeder gerne von hochqualifiziertem<br />

rumänischem oder ukrainischem Personal<br />

in Konkurrenz zu deutschen Seeleuten<br />

schwärmen – schlussendlich wird man immer<br />

irgendwo auf der Welt jemanden finden, der<br />

den Job für noch weniger Lohn erledigt.<br />

Längst ist es an Bord normal, dass etwa<br />

Ingenieure bereits einfache Montagearbeiten<br />

bis hin zu Ölwechseln an Hilfsaggregaten selber<br />

zu verrichten oder auch eigenhändig verstopfte<br />

Vakuumtoiletten zu reparieren haben<br />

– um Folgeschäden zu vermeiden und weil<br />

sonst niemand weiß, wie das geht. Qualifizierte<br />

Betreuung der wenigen verbliebenen deutschen<br />

Auszubildenden an Bord findet nicht statt,<br />

weil niemand der größtenteils internationalen<br />

Kollegen an Bord dies etwa in Kenntnis des<br />

Ausbildungsrahmenplans leisten kann; von Problemen<br />

der sprachlichen Verständigung ganz<br />

zu schweigen. Wo eigentlich Instandhaltung,<br />

Reparatur, Maschinenkunde, Metallbearbeitung<br />

gelehrt werden sollte, werden Azubis oft nur<br />

zum Müllpressen, Deckwaschen oder zur Kläranlagenwartung<br />

eingesetzt.<br />

Seit einiger Zeit hat die ITF nach Kontrollen<br />

sogar schon wiederholt Schiffsmechaniker-<br />

Azubis von Bord geholt, weil kein geeigneter<br />

deutschsprachiger Ausbildungsverantwortlicher<br />

verfügbar war – und das auf Schiffen renommierter<br />

deutscher Reeder mit offizieller<br />

Ausbildungsbefugnis. Aber statt das zu ändern,<br />

beklagt sich der VDR über mangelndes Interesse<br />

selbst für die wenigen verbliebenen Ausbildungsplätze<br />

– nur um das wiederum als<br />

Argument für weiteres Ausflaggen zu verwenden.<br />

Dabei sind in den nächsten fünf Jahren<br />

laut Unternehmensberatung Drewry weltweit<br />

42.500 weitere Offiziere und Nautiker nötig (12)<br />

– aber eben keine teuren und qualifizierten.<br />

Während die Personalverleiher in Folge zunehmenden<br />

globalen Elends quasi unendlich Zulauf<br />

haben, behauptet der VDR einfach, niemanden<br />

verfügbar zu haben. Meist genügt das der Verwaltung,<br />

der Dienststelle Schiffssicherheit bei<br />

der Berufsgenossenschaft (13), dann schon für<br />

Eisiger Job: Seemann bei Enteisungsarbeiten an der Winde.<br />

eine Ausnahmegenehmigung und das Schiff<br />

darf trotz Nichterfüllens der SchBesV dennoch<br />

fahren. Die 300 Stunden Arbeit pro Monat und<br />

fehlendem Mann müssen dann eben andere mit<br />

übernehmen – unbezahlt, denn die Tarifheuern<br />

der Europäer sind unterdessen ausschließlich<br />

Pauschallöhne. Übrigens gewähren fast<br />

alle anderen europäischen Staaten ihren Seeleuten<br />

zumindest Lohnsteuernachlässe, wenn<br />

sie mehr als die Hälfte des Jahres nicht zu Hause<br />

sind. Deutschland hingegen gewährt Steuervergünstigungen<br />

nur für Arbeitgeber, für die<br />

VDR-Reeder.<br />

Der massive Rückgang im Bestand deutscher<br />

Seeleute und die Tatsache, dass die Ausbildung<br />

gegen Null tendiert, hat auch an Land schwerwiegende<br />

Folgen: Die gesamte maritime Peripherie<br />

– Hafenverwaltungen, Schifffahrtsämter,<br />

Lotsenbrüderschaften, Seenotretter, Logistik<br />

und viele andere mehr – ist existenziell auf das<br />

Knowhow erfahrener Nautiker angewiesen. Es<br />

hat aber Tradition, dass diese Bereiche sich für<br />

diesen spezifischen Bedarf gerne und bequem<br />

aus dem Pool ausscheidender Seeleute bedienen,<br />

statt in ausreichendem Maße selbst für<br />

Nachwuchs zu sorgen. Die Bundesregierung hat<br />

zwar vor 15 Jahren im Zuge der neu etablierten<br />

„Nationalen Maritimen Konferenz“ (NMK) das<br />

so genannte „Maritime Bündnis für Ausbildung<br />

und Beschäftigung“ geschaffen. Im Ergebnis<br />

war das leider ein sehr einseitiges Unterfangen,<br />

ausschließlich zum Nutzen der Arbeitgeber:<br />

Trotz der bekannt reichhaltigen Förderinstrumente<br />

wie Tonnagesteuer, Ausbildungsbeihilfen<br />

und teilweisem Lohnsteuereinbehalt – Letzteren<br />

hielt schon 2007 der Bundesrechnungshof<br />

Fotos (2): Hasenpusch Photo Productions<br />

für „verfassungsrechtlich bedenklich und darüber<br />

hinaus anfällig für Missbrauch“ (14) –<br />

verweigern sich die Reeder ihrem Teil der<br />

Bündnisverpflichtungen. Faktoren wie Rückflaggung,<br />

Jobsicherung und Nachwuchsförderung<br />

haben sie erst nur zögerlich erfüllt und<br />

ignorieren sie inzwischen völlig.<br />

Laut zuständiger Gewerkschaft ver.di ist „die<br />

derzeitige Regelung zur Gewährung von staatlichen<br />

Beihilfen und Subventionen [...] nicht<br />

geeignet, die deutsche Flagge zu stärken und<br />

damit vermehrt deutsche und europäische Seeleute<br />

auf den Schiffen in deutscher Eigentümerschaft<br />

zu beschäftigen“ (15). Das ist nicht<br />

neu, schon früh ist an der Struktur des Maritimen<br />

Bündnisses die fehlende Verknüpfung<br />

der Förderinstrumentarien mit Bedingungen<br />

etwa zum Arbeitsplatzerhalt kritisiert worden.<br />

Keine der Subventionen ist jemals verbindlich<br />

an die deutsche Flagge geknüpft gewesen, der<br />

Schutz von Jobs und Ausbildung nie verpflichtend<br />

vereinbart worden. Und da den Reedern<br />

jede Bescheidenheit fremd ist, muss sich niemand<br />

wundern, dass sie gerne kassieren und<br />

nach Möglichkeit nicht nur nichts dafür geben,<br />

sondern sich vor nicht verpflichtenden Zusagen<br />

davonstehlen. Das maritime Bündnis gehört<br />

längst aufgekündigt.<br />

Apropos fehlende Bescheidenheit: VDR-Präsident<br />

Alfred Hartmann nannte es kürzlich erst<br />

problematisch, „dass manche hohe Ansprüche<br />

an Arbeitsplatz und Bezahlung haben“ (16). Und<br />

auch, dass an Bord deutsch geflaggter Schiffe<br />

noch deutsches Sozial- und Arbeitsrecht gilt,<br />

stößt Hartmann sauer auf: „Deutsche Schiffe<br />

müssen auch in Ostasien konkurrenzfähig sein


| 16 |<br />

| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info |<br />

– drei Viertel der weltweiten Handelsflotte sind<br />

nicht im Land ihrer Eigner geflaggt. Die fremde<br />

Flagge ist ein völlig normaler Zustand“ (17). Mit<br />

anderen Worten: Die zugesagte Rückflaggung<br />

kommt überhaupt nicht in Frage.<br />

Wohl aber weitere Vergünstigungen – Kurz<br />

vor Weihnachten 2014 wurde bekannt, dass<br />

der Reederverband eine weitere Änderung der<br />

Schiffsbesetzungsverordnung beantragt hat:<br />

Künftig sollen an Bord nur noch zwei Unionsbürger<br />

vorgeschrieben sein; insbesondere Osteuropäer<br />

stellen schon lange einen Großteil<br />

der Offiziere unter deutscher Flagge. Hamburg<br />

hat sich im Sommer einmal mehr zum VDR-<br />

Büttel gemacht und die weitere Reederforderung<br />

nach vollem Lohnsteuereinbehalt – statt<br />

bisher 40 Prozent – auf den Gesetzgebungsweg<br />

gebracht. Und aktuell verkündet der Maritime<br />

Koordinator Uwe Beckmeyer (SPD) stolz,<br />

die Bundesregierung habe sich „auf eine dauerhafte<br />

Entfristung der Versicherungssteuerbefreiung<br />

für Schiffserlöspools geeinigt“ (18). Nur<br />

von Gegenleistungen der Reeder ist nirgends<br />

die Rede.<br />

Die meisten deutschen Arbeitsplätze zur See<br />

sind längst vernichtet, die Berufsausbildung<br />

derart drastisch dereguliert, dass das Knowhow<br />

nicht nur in quantitativer, sondern auch in<br />

qualitativer Hinsicht bereits größtenteils verloren<br />

ist. Es bedürfte eines äußerst radikalen<br />

Kurswechsels, um die Kernprobleme mangelhafter<br />

Gesetzgebung, willfähriger Hilfe der Politik,<br />

falsch verstandener Sozialpartnerschaft<br />

und immer schlimmeren Arbeitsbedingungen<br />

zu beseitigen und danach noch die wahnwitzige<br />

Subventionsabzocke umzukrempeln. Wer sollte<br />

das anpacken?<br />

Gefährlicher Job: Seemann eines Containerschiffs bei der Bordwandreinigung.<br />

der Tarifkonflikte hinaus verboten – übrigens<br />

im Gegensatz zu vielen anderen Ländern. Die<br />

Gewerkschafter haben selbst in Zeiten hoher<br />

Organisationsgrade nie wirklich eine Chance<br />

gehabt, sondern sind allenfalls zum Betteln<br />

verdammt. So fordert ver.di unterdessen sogar<br />

noch mehr Subventionen für die Reeder, wenn<br />

doch bloß die verbliebenen Arbeitsplätze erhalten<br />

blieben (12).<br />

Auf die abschließende Frage, wer denn in<br />

Zukunft das Knowhow für Offshore, Häfen,<br />

Lotsen, Seenotrettung oder Verwaltung einbringen<br />

soll, gibt es derzeit nur die frustrierende<br />

Antwort: „Irgendjemand wird sich schon finden“.<br />

Vielleicht sollten sich aber zumindest die<br />

Steuerzahler mal fragen, warum die Reedereikonzerne<br />

weiterhin mit undurchsichtigen Subventionen<br />

in schwindelerregender – und, siehe<br />

oben, wachsender – Millionenhöhe vollgepumpt<br />

werden, obwohl sie sich einen Dreck um den<br />

Standort scheren und trotzdem ungeniert zum<br />

finalen Rausschmiss ansetzen. <br />

Die zuständige Gewerkschaft ver.di wäre theoretisch<br />

wohl der einzige Kandidat. Aber deren<br />

Kampfkraft im Bereich Seeschifffahrt leidet<br />

unter den in Folge der Entwicklung drastisch<br />

geschrumpften Mitgliederzahlen sowie den<br />

schwierigen organisatorischen Rahmenbedingungen<br />

der Branche. Zudem sind im deutschen<br />

Arbeitsrecht Streiks über den Tellerrand<br />

Anmerkungen:<br />

1. Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH): „Statistik über den Bestand<br />

der deutschen Handelsflotte“, Stand 31. August <strong>2015</strong>; http://kurzlink.de/bsh-flottenstatistik<br />

2. Deutscher Bundestag, Drucksache 6/3346, Seite 5; http://kurzlink.de/bt-06-3346<br />

3. Verband Deutscher Reeder: Entwicklung der deutschen Handelsflotte, Stand 1.<br />

August 2012; http://kurzlink.de/vdr-flotte-2012<br />

4. Deutscher Bundestag, Drucksache 12/3016, Seite 5; http://kurzlink.de/bt-12-3016<br />

5. http://www.seefunknetz.de/hist90.htm<br />

6. Verband Deutscher Reeder: Leistungsfähigkeit der deutschen Handelsflotte <strong>2015</strong>;<br />

http://kurzlink.de/vdr-flotte-<strong>2015</strong><br />

7. DER SPIEGEL 16/1973, Seite 54 f.; http://kurzlink.de/spiegel-1973-16<br />

8. WATERKANT; Jg. 2, <strong>Heft</strong> 4 / 1987, Seite 11 ff.; Jg. 3, <strong>Heft</strong> 2 / 1988, Seite 7 ff.; Jg. 4, <strong>Heft</strong><br />

1-2 / 1989, Seite 23 f.<br />

9. http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv092026.html<br />

10. ITF-Billigflaggen-Kampagne: http://kurzlink.de/itf-foc-list<br />

11. siehe SchBesV §§ 4, 5; http://www.buzer.de/gesetz/10819/index.htm<br />

12. zitiert nach „Täglicher Hafenbericht“ vom 25. Juni <strong>2015</strong><br />

13. http://www.deutsche-flagge.de/de/besatzung/schiffsbesetzung<br />

14. Bundesrechnungshof, Jahresbericht 2007, Ziffer 48, Seite 212 f.: http://kurzlink.de/<br />

brh-2007-48<br />

15. ver.di: „Schifffahrtspolitische Forderungen“ vom Mai 2014<br />

16. „Deutsche Seeschifffahrt“ (Organ des VDR), <strong>Heft</strong> 1-2 / <strong>2015</strong>, Seite 18 ff.<br />

17. Rede bei seinem Amtsantritt beim Schifffahrtsessen des Nautischen Vereins zu<br />

Hamburg<br />

18. BMWi-Pressemitteilung vom 7. September <strong>2015</strong><br />

19. ver.di: „Auf den richtigen Kurs“ – Schifffahrtspolitisches Programm; <strong>2015</strong>


| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info |<br />

| 17 |<br />

Kein Bedarf, kein Investor, kein Geld, kein rechtlich sicherer Rahmen:<br />

Wieso braucht Bremerhaven einen Offshore-Terminal?<br />

Von Eike Narringa<br />

Die Regierung des Zwei-Städte-Staats Bremen<br />

will im Süden der Stadt Bremerhaven an der<br />

Wesermündung einen Spezialhafen mit einer<br />

500 Meter langen Schwerlastkaje für den<br />

Umschlag von Bauteilen der Offshore-Windkraft<br />

bauen lassen. Dieses Projekt eines „Offshore-<br />

Terminal Bremerhaven“ (OTB) ist nicht einfach<br />

umstritten – aus finanziellen, ökologischen und<br />

anderen politischen Gründen hat das Vorhaben<br />

das Zeug zum handfesten Skandal.<br />

Dieses wertvolle und geschützte Weserwatt südlich von<br />

Bremerhaven wollen die OTB-Planer unter<br />

Stahl und Beton begraben. Im Hintergrund das<br />

Panorama von Bremerhaven – links die Containerkaje,<br />

rechts die Touristencity.<br />

Foto: Burkhard Ilschner<br />

Über den OTB wird schon einige Jahre lang<br />

debattiert, seit 2009: Bremerhaven als Standort<br />

etlicher OWK‐Betriebe und -Zulieferer soll, so<br />

der Anspruch der damals wie heute regierenden<br />

Koalition von SPD und Grünen, mit dem nach<br />

amtlicher Schätzung 180 Millionen Euro teuren<br />

Projekt gewissermaßen an die Spitze der Branchenstandorte<br />

entlang der Nordseeküste katapultiert<br />

werden.<br />

Dummerweise kam die Idee etwas spät,<br />

denn schon im selben Jahr wurde 50 Kilometer<br />

nördlich im niedersächsischen Cuxhaven<br />

ein Offshore-Terminal mit drei Liegeplätzen an<br />

der Elbe in Betrieb genommen. Es folgte die<br />

bekannte Branchenkrise mit anschließender,<br />

vom Bund verordneter Reduzierung der Ausbauziele<br />

für Erneuerbare Energien. Bremen<br />

aber hielt am OTB‐Projekt fest – und wie:<br />

Die anfangs noch wortreich beschworene<br />

Zusage, in den OTB würden keine öffentlichen<br />

Gelder fließen, zerstob alsbald im ach, so<br />

marktwirtschaftlichen Wind. Trotz mehrfacher<br />

Anläufe blieb die Suche nach einem Bauträger<br />

im Weserschlick stecken: Die Ausschreibung<br />

brachte kein Ergebnis, kein privater Investor<br />

wollte die Risiken schultern. Weil der OTB aber<br />

inzwischen zu einem unverzichtbaren Image-<br />

Projekt aufgepustet worden war, musste ein<br />

Kurswechsel her. Gestützt auf eine „Regionalwirtschaftliche<br />

Potenzialanalayse“ der bekannten<br />

Firma PROGNOS, die darin dem OTB Projekt<br />

auftragsgemäß Sinn und Notwendigkeit<br />

bescheinigte (1), erklärten die politisch Verantwortlichen<br />

das Vorhaben zu einer nun doch<br />

öffentlichen Aufgabe.<br />

Zwar hielten sie zunächst noch an der Illusion<br />

fest, wenigstens der Betrieb müsse privatwirtschaftlich<br />

erfolgen. Aber auch das ging<br />

schief: Bei dieser Ausschreibung blieb am Ende<br />

nämlich nur ein Interessent übrig, und das war<br />

– welch Zufall? – der mehrheitlich staatseigene<br />

Hafen- und Logistikkonzern BLG. All dies und<br />

weitere Pannen konnten den Senat, die Landesregierung<br />

des Zwei-Städte-Staats, aber keinen<br />

Deut von seinem Kurs abbringen. Ungeachtet<br />

aller Verzögerungen und Probleme und trotz<br />

aller Erfahrungen mit Preissteigerungen beharren<br />

die Planer bis heute übrigens auf der Investitionssumme<br />

in Höhe von 180 Millionen Euro<br />

– ein Betrag, den Kritiker des Vorhabens massiv<br />

bezweifeln.<br />

Auch in den Koalitionsverhandlungen nach<br />

der jüngsten Wahl zur Bremischen Bürgerschaft<br />

(dem Landtag) beharrte die SPD im<br />

Frühsommer dieses Jahres darauf, das OTB‐Projekt<br />

in den Vertrag mit den Grünen hineinzuschreiben<br />

– und die knickten wieder einmal<br />

ein, stornierten ihre vorherigen Bedenken und<br />

stimmten zu. Nach derzeitiger Terminierung<br />

soll Ende dieses Jahres der Planfeststellungsbeschluss<br />

vorliegen und kurzfristig angepackt<br />

werden; 2018 soll der OTB dann fertig sein.<br />

Dieser bereits erweiterte Zeitrahmen –<br />

ursprünglich war 2016 ins Auge gefasst –<br />

ist allerdings mehr als fraglich. So musste<br />

zwischendurch die Ausschreibung ausgesetzt<br />

werden, als Bundesrichter die geplante<br />

Weservertiefung stoppten, denn deren Ergebnisse<br />

hatten die OTB‐Planer bereits vorauseilend<br />

eingearbeitet. Nun wird, ohne die<br />

juristische Entscheidung abzuwarten, umgeplant<br />

– obwohl niemand weiß, wie die Richter<br />

letztlich urteilen werden. Je nachdem, ob<br />

die Baggerpläne demnächst genehmigt oder<br />

geschreddert werden, bleibt die OTB‐Planung<br />

also eine Hängepartie. Skurril übrigens ist auch<br />

dieses: Wegen des Scheiterns der privaten<br />

musste die öffentliche Finanzierung haushaltsrechtlich<br />

abgesichert werden – und dazu soll<br />

auch „bei anderen Projekten, beispielsweise<br />

bei der Weservertiefung, gekürzt werden“ (2).<br />

Wie sich das eine mit dem anderen vereinbaren<br />

lässt, ohne die jeweiligen Rechtsgrundlagen<br />

zu erschüttern, bleibt abzuwarten. Zweifelhaft<br />

erscheint auch die geplante Lage des OTB:<br />

Weil die „Seeschiffahrtsstraßenordnung“ dem<br />

Schiffsverkehr auf der Weser zwingend Vorfahrt<br />

gewährt, müssten vor jeder Verschiffung<br />

der riesigen OWK‐Teile seewärts immer reviersperrende<br />

Zeitfenster beantragt, der normale<br />

Verkehr zu und von den anderen Häfen also<br />

gesperrt werden, was deren Flexibilität ebenso<br />

massiv einschränkt wie die des OTB.<br />

Aber das sind nicht die einzigen Hindernisse:<br />

Zum einen haben die Naturschützer sowohl des<br />

BUND als auch des NABU heftigen Widerstand


| 18 |<br />

| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info |<br />

gegen das Vorhaben angekündigt; zumindest<br />

vom BUND ist bekannt, dass eine Klage gegen<br />

den Planfeststellungsbeschluss vorbereitet<br />

wird (3). Der Grund: Der OTB soll im Süden<br />

Bremerhavens in ein geschütztes Flusswatt<br />

hinein gebaut werden – so wertvoll, dass es seinerzeit<br />

bei Erweiterung der Containerkaje im<br />

Norden der Stadt zur ökologischen Ausgleichsfläche<br />

erklärt wurde. Unter anderem ist dieses<br />

Weserwatt das weltweit drittgrößte Rastgebiet<br />

des Säbelschnäblers. Auch hier übrigens<br />

hat die Geschichte eine skurrile Komponente:<br />

Die geplante OTB‐Fläche erstreckt sich unter<br />

anderem über ein benachbartes Areal namens<br />

Luneplate, das schon mehrfach zum Inbegriff<br />

für Fehlplanung wurde – vor rund 30 Jahren ist<br />

dieses Gebiet mit einem Aufwand von mehr als<br />

100 Millionen D‐Mark vorbereitet worden für<br />

großindustrielle Ansiedlungen, die alle niemals<br />

kamen. Chemieindustrie, Hochtemperaturreaktor,<br />

Daimler-Teststrecke – die Liste der gescheiterten<br />

Vorhaben ist lang. Ein Flüsschen namens<br />

Lune wurde in großem Bogen verlegt, um Platz<br />

zu machen (und zugleich dem kühlturmlosen<br />

AKW Unterweser mehr Kühlwasser zuzuführen...).<br />

Am Ende wurde, siehe oben, das Areal<br />

aufwändig renaturiert als Ausgleichsfläche.<br />

Zum anderen fußt die gesamte Planung für<br />

den OTB darauf, dass der zwischen Weserufer<br />

und den Arealen schon ansässiger OWK‐Firmen<br />

gelegene Regionalflughafen und Sportflugplatz<br />

„Luneort“ plattgemacht und seine ausgebaute<br />

Landebahn als Schwerguttrasse zur und von<br />

der neuen Kaje genutzt wird. Dieser Flughafen<br />

ist aber erst jüngst mit erheblichen öffentlichen<br />

Mitteln modernisiert worden und entwickelt<br />

sich trotz momentan noch anhaltendem Zuschussbedarf<br />

gut. Nun soll sein Betrieb ebenso<br />

wie die Sportfliegerei ins 30 Kilometer nördliche<br />

Nordholz verlegt werden – dort ist ein Militärflugplatz<br />

vor Jahren zur auch zivilen Nutzung<br />

ausgebaut worden, die aber trotz aller Phantastereien<br />

nie in Gang kam: Weder eine geplante<br />

Im- und Export-Frachtlinie nach Burkina Faso<br />

– no joke! – noch seit Jahren debattierte Pläne<br />

kommerziell-privater Raumflüge (4) haben dem<br />

Flughafen Nordholz je mehr als zweifelhafte<br />

Schlagzeilen beschert; das wachsende jährliche<br />

Rockfestival „Deichbrand“ nebenan ist da ungleich<br />

erfolgreicher, aber durch die OTB‐Pläne<br />

ebenfalls gefährdet.<br />

Die gewerblichen Nutzer des Flughafens<br />

Luneort sind entsetzt über das angekündigte<br />

Aus, denn sie brauchen die räumliche<br />

Anbindung an Bremerhaven, Nordholz wäre<br />

zu weit ab „vom Schuss“. Einer der Nutzer hat<br />

im Sommer <strong>2015</strong> eine Petition für einen Volksentscheid<br />

gestartet, die zwar viel Zuspruch<br />

bekommt, aber auch heftig umstritten ist:<br />

Einerseits wegen der erkennbaren Interessenverquickung,<br />

andererseits wegen inhaltlicher<br />

Schwächen, denn der Mann votiert ausdrücklich<br />

nicht gegen das Projekt, sondern nur gegen die<br />

öffentliche Finanzierung (und hofft so vermutlich,<br />

das Vorhaben durch die finanzpolitische<br />

Hintertür kippen zu können). Die Sportflieger<br />

von Luneort indes zeigen den OTB‐Planern<br />

den Stinkefinger und haben beschlossen, aufs<br />

andere Weserufer ins niedersächsische Butjadingen<br />

umzuziehen, falls Luneort OTB‐Areal<br />

wird: Tschüs, Bremerhaven!<br />

Die Bremer Hafengesellschaft „bremenports“,<br />

zuständig für das OTB‐Projekt, hat sich<br />

inzwischen von PROGNOS in einem Update<br />

zum erwähnten Gutachten den ungebrochen<br />

wuchernden Optimismus absegnen lassen. In<br />

einer „Stellungnahme“ vom Juni dieses Jahres<br />

versteigen sich die Gutachter zu der Aussage,<br />

ein Bremerhavener Offshore-Terminal könne<br />

beim OWK‐Ausbau im Bereich der deutschen<br />

Nordsee gegenüber den Konkurrenzhäfen im<br />

englischen Hull, im dänischen Esbjerg, im niederländischen<br />

Eemshaven sowie in Emden<br />

und Cuxhaven einen Marktanteil von – 55 Prozent<br />

erwarten (5): „Möchte Bremerhaven seine<br />

Potenziale ausschöpfen, … ist eine infrastrukturelle<br />

Aufwertung und damit der Bau des OTB<br />

unumgänglich.“<br />

Das sehen, insbesondere angesichts der<br />

bekannten Haushaltsnotlage des Bundeslandes<br />

Bremen, große Teile der Öffentlichkeit<br />

sowie anerkannte Experten wie der Wirtschaftswissenschaftler<br />

Rudolf Hickel anders:<br />

Immer mehr wächst das Unverständnis über<br />

die Sturheit des seit Jahren mit Infrastruktur-<br />

Pleiten „erfahrenen“ Senats – als ob es Steuermillionen<br />

verschlingende Planungspleiten<br />

wie den „Space Park“ in Bremen-Gröpelingen,<br />

den „Ocean Park“ in Bremerhaven oder aktuell<br />

das Investitionschaos in der Bremer City nicht<br />

gäbe beziehungsweise gegeben hätte. Nein, der<br />

Senat hält fest am OTB‐Vorhaben – selbst angesichts<br />

der jüngsten lokalen Branchen-Flops:<br />

Erst hat mit „Weserwind“, einer Tochter des<br />

Stahlkonzerns Georgsmarienhütte, ein langjährig<br />

ansässiger potenzieller Nutzer eines OTB<br />

Insolvenz angemeldet, dann entschied sich der<br />

Siemens-Konzern auf der Suche nach einem<br />

Standort für ein neues OWK‐Werk mit angekündigten<br />

„bis zu 1000 Arbeitsplätzen“ für Cuxhaven<br />

– und damit gegen Bremerhaven.<br />

Auf jeden Fall wird das Thema OTB in Kürze<br />

über Bremens Landesgrenze hinaus relevant: Der<br />

Hafen- und Schifffahrtsexperte der Links-Fraktion<br />

im Bundestag, Herbert Behrens, hat eine Kleine<br />

Anfrage auf den parlamentarischen Weg gebracht,<br />

in der er nun auch von der Bundesregierung<br />

eine Bewertung dieses Projekts einfordert<br />

– Bedarf, Auslastung, Kosten, Konkurrenzsituation,<br />

Arbeitsplätze, Hinterlandanbindung und vieles<br />

andere mehr.... <br />

Anmerkungen:<br />

1. Prognos AG, Download unter http://kurzlink.de/<br />

prognos-otb-2011<br />

2. Arbeitnehmerkammer Bremen: Bericht zur Lage<br />

der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Land<br />

Bremen; März 2013, Seite 21<br />

3. Details unter www.bund-bremen.net – eine leicht<br />

recherchierbare Rubrik „Offshore-Terminal“ fehlt dort<br />

leider.<br />

4. „Von Nordholz ins All“ – „Weser-Kurier“ vom 17. Juli<br />

<strong>2015</strong><br />

5. Prognos AG, Download unter http://kurzlink.de/<br />

prognos-otb-<strong>2015</strong><br />

Der Offshore-Terminal in Cuxhaven wurde in Betrieb<br />

genommen, als Bremen sich entschied, die Planung<br />

des OTB zu beginnen: Kennt man im Bremer Rathaus<br />

eigentlich das Märchen von Hase und Igel?<br />

Foto: cuxclipper-flickr


| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info |<br />

| 19 |<br />

Mit „Grete“ und „Anne-Marie“ unter (vorerst) estnischer Flagge über die Unterelbe<br />

Kann neue Fähre Cuxhaven-Brunsbüttel überleben?<br />

Von Burkhard Ilschner<br />

Zwei so genannte Doppelendfähren<br />

verbinden seit Mitte August im 90‐Minuten‐Takt<br />

die Küstenstädte Cuxhaven und Brunsbüttel<br />

quer über die Elbmündung. Wieder, muss man<br />

sagen, denn es ist nicht der erste Versuch dieser<br />

Art. Frühere Unternehmungen scheiterten aus<br />

unterschiedlichen Gründen, die jetzige Linie<br />

schippert in einem Spannungsfeld: Aktuell<br />

bringt sie dem Regionalverkehr Entlastung,<br />

künftig könnte sie aber auch leicht zu<br />

einem Opfer werden.<br />

Elb-Link-Fähre „Anne-Marie“ auf dem Weg von<br />

Brunsbüttel nach Cuxhaven – für das Anbringen<br />

des neuen Namens hat auch neun Tage nach Eröffnung<br />

die Zeit noch nicht gereicht. Aber vielleicht war<br />

das ja alles nur „Chi-Chi“ und der alte Name<br />

„Saaremaa“ soll bleiben...<br />

Fotos (2): Burkhard Ilschner<br />

Am 19. August legte die 98 Meter lange Doppelendfähre<br />

„Anne-Marie“ von Cuxhavens<br />

„Steubenhöft“, dem früheren Auswandererhafen<br />

der HAPAG, ab und nahm Kurs auf<br />

Brunsbüttel. Mit an Bord: Niedersachsens Wirtschaftsminister<br />

Olaf Lies (SPD), sein schleswigholsteinischer<br />

Amtskollege und Parteifreund<br />

Reinhard Meyer sowie etliche weitere Kommunal-<br />

und Landespolitiker samt vieler Leute,<br />

die für wichtig gehalten werden (wollen).<br />

Natürlich durften auch Medienvertreter mitfahren,<br />

denn Lies und Meyer zelebrierten die<br />

Wiederaufnahme des Fährbetriebs mit einer<br />

Pressekonferenz an Bord der „Anne-Marie“,<br />

enthusiastischen Reden in beiden Häfen sowie<br />

abschließendem Volksfest in Cuxhaven.<br />

Seit dem 20. August fahren „Anne-Marie“<br />

und ihr Schwesterschiff „Grete“ im Wechsel<br />

von morgens bis abends. Geplant ist, die Linie<br />

ab 2016 mit einem dritten Schiff im 60‐Minuten‐Takt<br />

zu betreiben; ob das Wirklichkeit wird,<br />

entscheidet die Akzeptanz. Rund 70 Minuten<br />

dauert die Überfahrt bis zur Landungsbrücke<br />

nördlich der Stadt Brunsbüttel und der Schleusen<br />

zum Nord‐Ostsee-Kanal. Die neue Fährlinie<br />

soll nicht einfach nur die Nahverbindung<br />

zwischen beiden Elbufern verbessern. Das<br />

käme vor allem für Regional(güter)verkehre<br />

sowie für eventuelle Pendler in Betracht: Ein<br />

Nautiker schwärmte bei Eröffnung bereits von<br />

Arbeitnehmern, die aus dem Raum Brunsbüttel<br />

künftig einen Job im geplanten Cuxhavener Siemens-Werk<br />

übernehmen könnten. Daneben<br />

zielt die Planung ausdrücklich auch auf Touristen.<br />

Na, ja: Für Besucher Dithmarschens mag<br />

es ja ganz nett sein, mal nach Cuxhaven und<br />

zurück zu schippern – umgekehrt ist das angesichts<br />

der vier Kilometer Entfernung von der<br />

Landungsbrücke in die ohnehin sparattraktive<br />

Innenstadt Brunsbüttels eher fraglich.<br />

Selbstverständlich soll die neue Fährlinie<br />

auch den ständig verstopften Großraum Hamburg<br />

entlasten. Ob das funktioniert? Auf niedersächsischer<br />

Seite ist es nur ein kurzer Weg von<br />

der A 27 zur Fähre – knapp zehn Minuten durchs<br />

Hafengebiet. Gegenüber, in Schleswig-Holstein,<br />

braucht es je nach Strecke rund eine halbe<br />

Stunde bis zur A 23 oder zur B 77 nach Norden<br />

sowie eine satte Stunde bis zur A 7. Die<br />

seit langem bestehende Elbfähre Glückstadt-<br />

Wischhafen, mangels Erweiterungsmöglichkeit<br />

von häufig langen Wartezeiten geplagt, sieht<br />

laut Chefin Hildegard Both-Walberg die neue<br />

Konkurrenz mit gemischten Gefühlen – „sie<br />

nimmt was weg“, gefährde aber nicht den eigenen<br />

Betrieb, „nicht so, dass wir uns ernsthaft<br />

Gedanken machen müssen.“<br />

Bleibt der Blick in die Zukunft: Bekanntlich<br />

soll die A 20 mittels einer weiteren festen<br />

Elbquerung zur „Küstenautobahn“ ausgebaut<br />

werden. WATERKANT hat dieses umstrittene<br />

Vorhaben seit Jahren und Jahrzehnten im Fokus.<br />

Jeder weiß, dass weder „Ob“ noch „Wann“ bislang<br />

klar sind, dass da ohne Klagen und Prozesse<br />

sowieso nichts geht. Both-Walberg übrigens<br />

ist bereits Klägerin, nämlich gegen den geplanten<br />

Elbtunnel, der ihre Existenz weitaus heftiger<br />

gefährden würde als die neue Fährlinie. Es<br />

war allerdings bei deren Eröffnung verblüffend,<br />

mit welcher Chuzpe sowohl Lies als auch Meyer<br />

die versammelten Medien ungefragt mit einem<br />

vehementen Plädoyer für Küstenautobahn<br />

und Elbtunnel konfrontierten: „Überragende<br />

Bedeutung“ habe die Trasse und „eine europäische<br />

Dimension“ – und natürlich durfte auch<br />

das dämliche Argument „Hinterlandanbindung<br />

unserer Seehäfen“ nicht fehlen. Falls der anwesende<br />

estnische Fähr-Reeder Vjatseslav<br />

Leedo die beiden sprachlich verstanden haben<br />

sollte, muss er sich düpiert gefühlt haben –<br />

denn die ihm prognostizierten 48.000 Lkw und<br />

265.000 Pkw pro Jahr dürften durch eine weitere<br />

Elbquerung schlicht untertunnelt werden...<br />

Leedo wäre ja nicht der erste, der an der Passage<br />

über die nordwestliche Unterelbe scheitert.<br />

Frühe Versuche vor 1914 hielten immer nur<br />

wenige Jahre, Ähnliches gilt für mehrere Versuche<br />

nach 1945. Mit mehr als 19 Jahren Bestand<br />

ist die Cuxhavener Unternehmerin Greten Handorf<br />

bislang Rekordhalterin, sie hatte die Linie<br />

von 1919‐1938 mit zwei umgebauten Fischkuttern<br />

betrieben. 1999 unternahm der Bremer<br />

Spediteur Egon H. Harms einen neuen Versuch:


| 20 |<br />

| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info |<br />

In der Hoffnung, seine eigenen Transporte<br />

schneller nach Skandinavien schicken zu können<br />

als via Hamburg, nahm Harms zusammen<br />

mit dem Cuxhavener Bauunternehmer Johann<br />

Voss umgerechnet zehn Millionen Euro in die<br />

Hand. Er baute unter anderem den Terminal am<br />

Brunsbütteler Groden, kaufte drei gebrauchte<br />

Fährschiffe und legte los – hielt aber nur drei<br />

Jahre durch. Als Gründe für das Scheitern wurden<br />

damals neben rasantem Anstieg der Treibstoffpreise<br />

auch mangelnde Eignung der Schiffe<br />

und unzureichende Auslastung genannt – im<br />

ersten Betriebsjahr 6200 Lkw und 95.000 Pkw<br />

inklusive Wohnmobilen. Vergeblich hatte<br />

Harms zuletzt noch versucht, für den Betrieb<br />

der Linie öffentliche Förderung einzuwerben.<br />

Insbesondere Schleswig-Holstein hielt<br />

den Geldbeutel ebenso zugeknöpft wie schon<br />

Anfang der 1980er gegenüber der Hamburger<br />

HADAG als damaligem Fährbetreiber.<br />

Seit Harms‘ Scheitern hat es beiderseits des<br />

Flusses viele Debatten über eine Wiederbelebung<br />

und auch mehrere handfeste Konzepte<br />

dafür gegeben. Das Land Niedersachsen sowie<br />

Brunsbütteler und Cuxhavener Wirtschaftsförderer<br />

ließen sich schließlich von der Rostocker<br />

„Baltic Marine Consult“ 2013 errechnen, eine<br />

Fährverbindung könne doch wirtschaftlich betrieben<br />

werden: Der oben bereits wiedergegebenen<br />

Prognose wurde sogar eine langsam<br />

steigende Tendenz vorhergesagt. Auf Grundlage<br />

der Rostocker Studie gingen dann die Wirtschaftsförderer<br />

auf Investorensuche, Ende 2014<br />

habe die estnische „Saaremaa Laevakompanii“<br />

Interesse bekundet, so das niedersächsische<br />

Wirtschaftsministerium: „Eine förmliche Ausschreibung<br />

hat es nicht gegeben.“<br />

Die Esten haben unter dem Namen<br />

„Elb‐Link“ eine deutsche Firma mit Sitz in<br />

Cuxhaven gegründet. Niedersachsen hat die<br />

Sanierung des Cuxhavener Steubenhöft-Kais<br />

finanziert, die Ertüchtigung des alten Grodener<br />

Terminals auf Brunsbütteler Seite hat Elb‐Link<br />

selbst bezahlt; wieder einmal blieb Kiel stur.<br />

Für die Zukunft betonen beide Seiten, Betreiber<br />

oder Fährbetrieb würden nicht öffentlich<br />

gefördert. Immerhin: Drei Wochen nach Inbetriebnahme<br />

spricht Elb‐Link von einer Auslastung<br />

zwischen 30 und 35 Prozent, sieben oder<br />

acht Fahrten seien schon komplett ausgebucht<br />

gewesen. Die Brunsbütteler Spedition Friedrich<br />

A. Kruse hat einen Exklusivvertrag mit<br />

Elb‐Link und bietet allen professionellen Fähr-<br />

Nutzern einen Trailer-Service an, um etwa Container<br />

personalkostensparend über die Elbe<br />

bringen zu können.<br />

Zur Eröffnung hatten – Politik ist eben auch<br />

Show-Business – Lies und Meyer sich noch<br />

einen besonderen „Gag“ einfallen lassen; Seeleute,<br />

zumal vielleicht abergläubische, dürften<br />

sich dabei allerdings<br />

die Haare raufen: „Aus<br />

Tradition“, nämlich in<br />

Erinnerung an Greten<br />

Handorf, erhielten<br />

die beiden Elb‐Link-<br />

Fähren die Namen von<br />

Handorfs vormaligen<br />

Kuttern, „Anne‐Marie“<br />

und „Grete“. Nun ist<br />

zwar die Umbenennung<br />

von Schiffen ein<br />

fast alltäglicher Akt in<br />

der Handelsschifffahrt<br />

– Lies und Meyer allerdings<br />

ließen dazu zwei<br />

„Schiffstaufen“ inszenieren<br />

und ignorierten<br />

so die Tradition, dass<br />

ein Schiff nur einmal<br />

getauft wird. In Cuxhaven<br />

wurde aus der<br />

„Muhumaa“ mit Sektflaschenscherben<br />

die<br />

„Grete“, in Brunsbüttel<br />

wurde das Schwesterschiff<br />

„Saaremaa“<br />

dann mit vergleichbarem<br />

Pomp in „Anne‐Marie“ umbenannt. Apropos<br />

Aberglaube – es ist zu hoffen, dass nicht<br />

auch Elb‐Link-Geschäftsführer Christian Schulz<br />

und sein estnischer Chef Leedo solchen Allüren<br />

unterliegen: Beide Schiffe trugen trotz feierlichen<br />

Umtaufens auch Wochen später noch ihre<br />

alten Namen neben dem neuen, ganz so, als ob<br />

die Verantwortlichen nicht so recht an ihren<br />

eigenen Erfolg glauben mögen und sich den<br />

Rückzug offenhalten...<br />

Ganz zweifellos wäre ein Fortbestand der<br />

Elb‐Link-Linie, erst recht ihr Ausbau auf stündlichen<br />

Takt, ein deutlicher Gewinn für die<br />

Region – als schnelle und bequeme Verbindung<br />

zwischen zwei nur 25 Kilometer voneinander<br />

entfernten Orten, deren Distanz ohne Fähre nur<br />

via Hamburg in rund drei Stunden zu bewältigen<br />

ist. Aber auch im politischen Sinne: Je mehr<br />

diese Fähre Akzeptanz erringt und genießt,<br />

desto schwieriger wird es für Lies, Meyer & Co.<br />

trotz allen Pfeifens im Keller, ihre A‐20‐Tunnel-<br />

Lösung durchzupauken.<br />

Das wiederum setzt nicht nur wirtschaftlichen<br />

Erfolg für das Unternehmen Elb‐Link voraus,<br />

zur Akzeptanz zählen wesentlich auch sein Ruf<br />

und sein Ansehen bei den Menschen. 45 Dauerarbeitsplätze,<br />

heißt es, würden durch die Neugründung<br />

geschaffen: In der strukturschwachen<br />

Unterelbregion ist das eine wichtige Frage. Da<br />

bleibt es spannend, welcher Art diese Jobs sind.<br />

Egon H. Harms stand neben allen sonstigen<br />

Problemen seinerzeit auch in dem Ruf, auf seinen<br />

Fähren „Zustände wie im 19. Jahrhundert“<br />

Die Brunsbütteler Spedition Friedrich A. Kruse jun.<br />

setzt große Hoffnung in die neue Fährverbindung und<br />

schickte denn auch zur Eröffnung demonstrativ einen<br />

ihrer Trucks an Bord.<br />

zu dulden (beziehungsweise zu forcieren) – mit<br />

knappsten Besetzungen, unbezahlten Überstunden<br />

und mehr. Noch im Mai dieses Jahres hatte<br />

Elb‐Link-Geschäftsführer Schulz erklärt, es sei<br />

geplant, beide Fähren in Malta zu registrieren<br />

– laut ITF bekanntlich eine Billigflagge. Sowohl<br />

Lies als auch Meyer hielten sich auf Anfrage<br />

bedeckt, deuteten an, „im Einzelfall keinen Einfluss<br />

auf unternehmerische Entscheidungen“<br />

zu haben, eine Ausflaggung nach Malta sei aber<br />

ihrer Kenntnis nach nicht vorgesehen. Die Frage<br />

stellt sich aber, warum nicht etwa Niedersachsen<br />

– bei direkter Investition von „rund 2,1 Millionen<br />

Euro ... für die Ertüchtigung des Anlegers<br />

und angrenzender Verkehrsflächen“ – zu offenem<br />

Druck bereit ist, dass die Schiffe hiesige<br />

Gewässer mit Schwarzrotgold am Heck befahren<br />

und 45 Beschäftigte nach hiesigen Tarifen<br />

bezahlt werden. Zwar distanzierten sich bei<br />

Eröffnung sowohl Schulz als auch sein Betriebsleiter<br />

Bernd Bässmann von den Malta-Plänen,<br />

verkündeten jedoch: „Die Schiffe werden umbenannt,<br />

bleiben aber vorerst in Estland registriert.“<br />

Vorerst – und dann...?


| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info |<br />

| 21 |<br />

Europäischer Gerichtshof legt Hürden für geplante Weser- und Elbvertiefungen hoch<br />

Luxemburger Klatsche<br />

Von Peer Janssen<br />

Die Wasserrahmenrichtlinie der<br />

Europäischen Union (WRRL) steht grundsätzlich<br />

der weiteren Ausbaggerung der Weser<br />

(und der Elbe) entgegen: Zwar hat der Europäische<br />

Gerichtshof (EuGH) in seinem Urteil<br />

Anfang Juli Ausnahmen prinzipiell für zulässig<br />

erklärt, zugleich aber mit seiner Auslegung der<br />

WRRL‐Umweltziele die Hürden dafür sehr hoch<br />

gelegt. Während der klagende BUND<br />

frohlockt, üben sich Politik und Wirtschaft in<br />

verbissenem Zweckoptimismus.<br />

Anfang März <strong>2015</strong>s Jahres kam die „MSC Oscar“<br />

nach Bremerhaven – zu jenem Zeitpunkt das größte<br />

Containerschiff der Welt: Mit 395 Metern zwar<br />

nicht das längste Schiff, mit einer Kapazität von<br />

19.224 TEU aber dennoch (vorübergehend) Rekordhalter.<br />

Bremens Wirtschaftssenator Martin Günthner<br />

(SPD) betonte, der Standort Bremerhaven sei „auf<br />

Schiffe dieser Größe gut vorbereitet“, drängelte aber<br />

dennoch auf Vertiefung..<br />

Foto: Hasenpusch Photo Productions<br />

Kurz zur Erinnerung (1): Zum einen soll die<br />

Weser in drei Abschnitten weiter vertieft werden<br />

– die so genannte Außenweser von der<br />

Nordseemündung bis Bremerhaven, ferner die<br />

Unterweser von dort bis Brake sowie in einem<br />

dritten Schritt zwischen Brake und Bremen.<br />

Damit soll der Fluss in abschnittsweise unterschiedlichen<br />

Dimensionen für jeweils noch<br />

größere Schiffe passierbar werden. Auf die<br />

Außenweservertiefung setzt vor allem Bremerhaven<br />

mit seinem Containerterminal, der nach<br />

wie vor von immer größeren Carriern angelaufen<br />

wird, obwohl derselbe Betreiber – Eurogate<br />

– mit überwiegend denselben Reedereien<br />

– Mærsk und MSC – auch am unausgelasteten<br />

JadeWeserPort im benachbarten Wilhelmshaven<br />

avtiv ist. Der Unterweser-Ausbau wird<br />

maßgeblich vorangetrieben von Niedersachsen<br />

im Auftrage des Braker Hafenunternehmers Jan<br />

Müller; die Häfen in der Stadt Bremen sollen<br />

auch profitieren, spielen aber wegen ohnehin<br />

mäßiger Auslastung eine eher untergeordnete<br />

Rolle.<br />

Die Hafenwirtschaft und ihre Wasserträger<br />

in der bremischen und niedersächsischen<br />

Politik bezeichnen die Vorhaben als „existenziell“<br />

und malen für den Fall der Verweigerung<br />

oder auch nur einer andauernden Verzögerung<br />

den Untergang an den Himmel – aber das tun<br />

sie schon seit Beginn der Planungen vor mehr<br />

als 15 Jahren, ohne dass die Geschäfte mehr<br />

als periodisch krisenbedingt leiden. Gegen<br />

die drei Vorhaben zur Weservertiefung, die in<br />

einem Beschluss zusammengefasst worden<br />

sind, protestierte nicht nur der aktuell klagende<br />

Umweltverband BUND, es gab auch erhebliche<br />

Widerstände seitens der Landwirte, von Wassersportlern<br />

und Anliegern (später mehr dazu).<br />

Zum anderen soll die Elbe bis Hamburg ausgebaut<br />

werden, auch hier geht es um Schifffahrts-<br />

und Hafeninteressen (2). Der Plan sieht<br />

aber bekanntlich nicht einfach nur vertiefende<br />

Ausbaggerungen vor; vielmehr sind auch punktuelle<br />

Verbreiterungen des Flusses beziehungsweise<br />

der Fahrrinne beabsichtigt, um den auch<br />

hier immer größeren Containerschiffen den<br />

Begegnungsverkehr zu erleichtern. Auch dieses<br />

Vorhaben war in seiner vieljährigen Planungsphase<br />

von erheblichen Widerständen begleitet,<br />

und zwar vor allem auf niedersächsischer<br />

Seite: Denn Vertiefung wie Verbreiterung hätten<br />

schwerwiegende Folgen unter anderem<br />

für das Strömungsverhalten oder die Deichsicherheit<br />

insbesondere am linken Unterelbufer,<br />

an dem die Fahrrinne dicht vorbei läuft. Letztendlich<br />

wurde aber auch hier nur von Umweltschutzseite<br />

geklagt, und zwar von einer Allianz<br />

aus BUND, NABU und WWF.<br />

Für beide Verfahren ist laut Beschleunigungsgesetz<br />

als einzige Instanz das Bundesverwaltungsgericht<br />

(BVerwG) in Leipzig zuständig.<br />

Dessen Richter hatten zunächst wegen des Weser-Streits<br />

den EuGH angerufen. Während der<br />

noch mit der Prüfung der Sache befasst war,<br />

hatte das BVerwG sich mit der Klage gegen die<br />

Elbvertiefung zu befassen. Leipzig setzte daraufhin<br />

auch dieses Verfahren aus, weil die<br />

Richter davon ausgehen konnten, dass die angefragte<br />

Luxemburger Weser-Entscheidung auf<br />

das zweite Verfahren übertragbar sein würde.<br />

Nun hat der EuGH sein Urteil gesprochen (3),<br />

ist dabei übrigens wie so oft dem Gutachten des<br />

finnischen Generalanwalts Niilo Jääskinen vom<br />

Oktober vergangenen Jahres (4) gefolgt. Manche<br />

Medien sprachen von einer „Klatsche“ für die<br />

Planer. Nun müssen also beide Verfahren separat<br />

in Leipzig weiter verhandelt und entschieden<br />

werden. Das BVerwG ist bei seinen Abwägungen<br />

jetzt an dieses EuGH‐Urteil gebunden, aber<br />

das war ja seitens der Richter auch so gewollt.<br />

Es geht in beiden Verfahren nicht um Fragen<br />

des Bedarfs oder der Notwendigkeit der geplanten<br />

Vorhaben, sondern um die Bewertung der<br />

ökologischen Folgen der geplanten Eingriffe.<br />

Durch die mehrfachen Vertiefungen der Vergangenheit<br />

hat sich die ökologische Situation<br />

von Weser und Elbe immer weiter verschlechtert.<br />

Sowohl für Außen- als auch Unterweser<br />

wäre es jeweils die mittlerweile sechste<br />

Maßnahme (5), für die Unterelbe sogar bereits<br />

die neunte! Fast 80 Prozent der geschützten


| 22 |<br />

| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info |<br />

Lebensräume im Fluss- und Uferbereich der<br />

Flachwasserzonen sind an der Weser in den<br />

vergangenen 100 Jahren verloren gegangen.<br />

Der Ausbau der Außenweser bedeutet schwerwiegende<br />

Eingriffe in das Ökosystem Wattenmeer<br />

und dessen angrenzende Nationalparks,<br />

insbesondere des niedersächsischen. Die gravierenden<br />

Umweltschäden würden zu erheblichen<br />

Beeinträchtigungen für Fauna und Flora<br />

auch im Flusssystem führen. Verluste von<br />

Lebensräumen drohen ebenso wie erhöhte<br />

Gefahr für den Küstenschutz etwa durch verstärkten<br />

Tidenhub. An der Unterelbe haben<br />

bisherige Strombaumaßnahmen zu einem<br />

Rückgang der Vorlandflächen um mehr als<br />

70 Prozent geführt. Die Anzahl der Tage mit<br />

Sauerstoffgehalten unterhalb des kritischen<br />

Werts von weniger als drei Milligramm pro Liter<br />

haben seit der jüngsten Elbvertiefung 1999 signifikant<br />

zugenommen. Kam dies früher allenfalls<br />

im Hochsommer gelegentlich vor, sind<br />

inzwischen Sauerstofflöcher bis in den Herbst<br />

hinein zur bedauerlichen Regel geworden.<br />

Seit dem Jahr 2000 hält das europäische<br />

Recht mittels der erwähnten WRRL<br />

gegen die grassierende Beeinträchtigung der<br />

Gewässer (6). Dabei gilt als Grundlage der<br />

WRRL‐Anwendung eine ökologische Qualitätsbewertung<br />

in fünf Güteklassen, die für jedes<br />

Gewässer spezifisch untersucht und abschnittsweise<br />

festgesetzt worden sind. Innerhalb jeder<br />

Klasse sind für die entsprechende Einstufung<br />

zudem etliche separate Qualitätskomponenten<br />

zu berücksichtigen. Die Umweltziele<br />

der WRRL schreiben nun für den Gewässerschutz<br />

im Wesentlichen zwei Aufgaben fest:<br />

Zum einen obliegt Politik und Verwaltung<br />

die Pflicht, eine Verschlechterung des aktuellen<br />

Zustands von Gewässern zu vermeiden<br />

beziehungsweise zu verhindern (Verschlechterungsverbot).<br />

Zum anderen wird aus den Qualitätsbewertungen<br />

die Verpflichtung abgeleitet,<br />

diese Gewässer nicht nur zu schützen, sondern<br />

ihren Zustand bei Bedarf auch zu sanieren<br />

(Verbesserungsgebot).<br />

Die Richtlinie aus dem Jahr 2000 hatte dafür<br />

einen weiten Zeitrahmen gesetzt, nämlich bis<br />

Ende dieses Jahres: Bis dahin sollen die europäischen<br />

Gewässer eigentlich in einem „guten<br />

Zustand“ sein oder dahin zurückversetzt<br />

werden. Fachleute nennen das schon seit langem<br />

unerreichbar, in Deutschland etwa sind die<br />

meisten Gewässer in mäßigem oder gar schlechtem<br />

Zustand – Weser und Elbe zählen dazu.<br />

Aber auch sonst gilt <strong>2015</strong> als eine Zeitmarke, die<br />

in vielen Regionen als unerreichbar angesehen<br />

werden muss – zu viele Administrationen haben<br />

in den vergangenen Jahren die Umsetzung der<br />

WRRL fahrlässig oder vorsätzlich unterlassen.<br />

Manche bauen mehr oder weniger frech auch<br />

auf Fristverlängerung – zweimal je sechs Jahre<br />

sind in der Richtlinie als Option vorgesehen;<br />

„2021“ oder „2027“ sind aber keine „Selbstläufer“,<br />

die Verlängerungen müssen einzeln und<br />

nacheinander beantragt und geprüft werden.<br />

An der Differenzierung nach Qualitätsklassen<br />

und einzelnen Komponenten setzt nun das<br />

EuGH‐Urteil (3) an: Der Luxemburger Gerichtshof<br />

definiert nämlich, eine „Verschlechterung“<br />

liege bereits dann vor, wenn sich „der Zustand<br />

mindestens einer Qualitätskomponente“ verschlechtere,<br />

auch wenn dies nicht zu einer Abstufung<br />

in eine niedrigere Qualitätsklasse führe.<br />

Somit greift das Verschlechterungsverbot bei jeder<br />

einzelnen Komponente. Was diese juristisch<br />

verklausulierte Formulierung konkret bedeutet,<br />

lässt sich etwa so erklären:<br />

Die Planer sowohl der Weser- als auch der<br />

Elbvertiefung haben nie einen Hehl daraus<br />

gemacht, dass die von ihnen vorgeschlagenen<br />

Maßnahmen zu Veränderungen führen<br />

würden beispielsweise im Tidenhub (Wasserstand<br />

zwischen Ebbe und Flut), bei den Strömungsverhältnissen<br />

(reißende Flussmitte und<br />

verschlickende Randbereiche) oder bei der<br />

Durchmischung von Salz-, Brack- und Süßwasser,<br />

deren Veränderung die Grenze der<br />

so genannten „Brackwasserzone“ flussaufwärts<br />

verschiebt und somit in den Unterläufen<br />

bis weit ins Binnenland hinein die „Salinität“<br />

erhöht. Jede einzelne Veränderung hat nicht nur<br />

Folgen für Landwirtschaft, Deich- oder Bodenstabilität,<br />

sondern birgt immer auch Nachteile<br />

für Fauna und Flora. Aber die Planer haben<br />

jeweils vorausgesetzt, dass diese Faktoren in<br />

keinem Falle dazu zwingen würden, den betreffenden<br />

Gewässerabschnitt in eine schlechtere<br />

Qualitätsklasse abwerten zu müssen. Einmal<br />

abgesehen davon, dass die klagenden Umweltschützer<br />

für beide Flussläufe diese Annahmen<br />

immer bezweifelt haben: Der EuGH hat in seinem<br />

Urteil diese aufrechnende Argumentation<br />

ausgehebelt und damit die bereits ähnlich<br />

geäußerten Bedenken des BVerwG bestätigt.<br />

Es war letztlich diese höchstrichterliche Aufwertung<br />

der Einzelkomponenten innerhalb der<br />

Qualitätsklassen-Einordnung, die den Bremer<br />

BUND‐Geschäftsführer Martin Rode von einem<br />

„Meilenstein für den Gewässerschutz in ganz<br />

Europa“ sprechen ließ.<br />

Bleibt die Frage nach den eingangs erwähnten<br />

Ausnahmen, auf die der EuGH wiederholt<br />

verwiesen hat. Hier allerdings offenbart ein<br />

genauer Blick ins Luxemburger Urteil Ernüchterndes<br />

– zumindest für die vertiefungsgierige<br />

Hafenwirtschaft. Es ist ja (nicht nur) aus<br />

der Schifffahrtsdebatte hinlänglich bekannt,<br />

dass die Akteure der maritimen Wirtschaft sich<br />

gerne den Nimbus gesellschaftlicher Wohltäter<br />

zu geben versuchen. Dazu gehört es auch,<br />

dass (nicht nur) Hafenunternehmen ihre monetären<br />

Ambitionen lieber verschweigen oder<br />

kleinreden und gerne betonen, in „überwiegend<br />

öffentlichem Interesse“ zu handeln.<br />

Daraus, so heißt es dann, seien „zwingende<br />

Gründe“ abzuleiten, für Projekte wie Weseroder<br />

Elbvertiefung besagte „Ausnahmen“ zuzulassen.<br />

Also drängelten sich die verschiedenen<br />

Verbände – etwa der „Wirtschaftsverband<br />

Weser“ in Bremen oder an der Elbe der „Unternehmensverband<br />

Hafen Hamburg“ (UVHH)<br />

– unmittelbar nach dem EuGH‐Urteil in die<br />

Medien mit zweckoptimistischem Getute, das<br />

Nicht nur über Siele, vielfach auch durch Rohre werden<br />

Binnendeichsgräben in der Wesermarsch be- und<br />

entwässert: Zulauf bei Flut, Ablauf bei Ebbe (Bild<br />

links). Verändert sich aber die „Salinität“ des Wassers,<br />

hat das Folgen nicht nur für die Viehtränke, sondern<br />

auch für Fauna und Flora wie etwa die Rote-Liste-Art<br />

„Krebsschere“ (Bild rechts), von existenzieller Bedeutung<br />

für die Libellenart „Grüne Mosaikjungfer“.<br />

Fotos (3): Burkhard Ilschner


| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info |<br />

| 23 |<br />

Gericht habe solche Ausnahmen ja ausdrücklich<br />

in Aussicht gestellt. Insofern müsse nun das<br />

BVerwG in Leipzig schnell den Weg freimachen<br />

für die Bagger.<br />

Irrtum. Es ist richtig, dass der EuGH seine<br />

Auslegung der WRRL immer mit dem Zusatz<br />

„vorbehaltlich der Gewährung einer Ausnahme“<br />

versehen hat. Aber daraus nun den Automatismus<br />

abzuleiten, dass Weser- und Elbvertiefung<br />

solche Ausnahmen zwingend erfordern, zeigt<br />

nur, dass die betreffenden Akteure das Urteil<br />

nicht richtig gelesen haben; böse Zungen könnten<br />

auch behaupten, sie ignorierten seine Aussagen<br />

vorsätzlich, um propagandistischen Druck<br />

zu erzeugen...<br />

Der EuGH hat nämlich klargestellt, dass es bei<br />

den prinzipiell zulässigen Ausnahmen mitnichten<br />

um singuläre Interessen geht, auch wenn<br />

diese als „öffentlich“ verkauft werden. Vielmehr<br />

zielt das Luxemburger Gericht in seiner<br />

Beschreibung möglicher Ausnahmen deutlich<br />

auf den ökologischen Zustand der betreffenden<br />

Gewässer, auf dessen Erhalt beziehungsweise<br />

seine notwendige Verbesserung. Die Richter<br />

verweisen dazu wiederholt auf Artikel 4 Absatz<br />

7 der WRRL – und der knüpft die Gewährung<br />

von Ausnahmen an einen Katalog von vier<br />

Bedingungen, die „alle erfüllt“ sein müssen (6).<br />

Es gehe bei der WRRL nicht um bloße Zielvorgaben<br />

für eine Bewirtschaftungsplanung,<br />

vielmehr entfalte die Richtlinie verbindliche<br />

Wirkung in jedem einzelnen konkreten Vorhaben.<br />

Nur wenn also in vielen Einzelpunkten<br />

– Tidenhub, Brackwasserzone, Baggergutmengen<br />

und anderes mehr – die negativen Folgen<br />

verhindert oder drastisch gemindert würden,<br />

wäre eine Ausnahme denkbar: vermutlich eine<br />

wasserbautechnische Unmöglichkeit. Außerdem<br />

zählt zum Bedingungskatalog auch die Vorschrift<br />

4 (7) d), nach der die Zulässigkeit einer<br />

geforderten Ausnahme auch davon abhängig<br />

wäre, dass die „nutzbringenden Ziele“ der angestrebten<br />

Maßnahme – also beispielsweise ein<br />

wirtschaftlicher Nutzen von Weser- oder Elb-<br />

Vertiefung – „nicht durch andere Mittel, die<br />

eine wesentlich bessere Umweltoption darstellen,<br />

erreicht werden“ können.<br />

Spätestens hier kommt ein Gutachten<br />

des Berliner Instituts für Ökologische<br />

Wirtschaftsforschung (IÖW) ins Spiel, dass die<br />

Forscher im Auftrage des WWF erstellt haben.<br />

Unter der Überschrift „Versenkte Millionen –<br />

Steuergrab Elbvertiefung“ bilanziert der BUND<br />

auf seiner Webseite (7) diese Studie so: „Ein<br />

Verzicht auf die geplanten Vertiefungen von<br />

Weser und Elbe würde einen Betrag von insgesamt<br />

570 Millionen Euro an Steuergeldern<br />

freisetzen, der dann für dringlichere Infrastrukturprojekte<br />

zur Verfügung stünde.“ Während<br />

allerdings die Umweltverbände daraus unter<br />

anderem die Forderung nach einer übergreifenden<br />

Hafenkooperation – Hamburg, Bremen/<br />

Bremerhaven und Wilhelmshaven – ableiten,<br />

setzte anlässlich des EuGH‐Urteils der hafenpolitische<br />

Sprecher der Hamburger Links-Fraktion,<br />

Norbert Hackbusch, zukunftsträchtig eins<br />

drauf: Er plädierte für eine Häfen-Allianz gegen<br />

den zunehmenden Größenwahn bei den Containerschiffen,<br />

der über die Vertiefungs-Debatte<br />

hinaus „auch immer höhere, unerfüllbare<br />

Ansprüche an die Infrastruktur und die Hinterland-Anbindung“<br />

bedeute. Bravo.<br />

Wobei hinzuzufügen ist, dass die IÖW‐Studie<br />

sich hinsichtlich der Weser auf die Außenweservertiefung<br />

beschränkt, den Unterweserausbau<br />

mit seinen immensen Folgekosten indes<br />

außer Acht lässt: Dort nämlich sehen die Bauern<br />

insbesondere der so genannten Wesermarsch<br />

auf dem linken Flussufer die Be- und<br />

Entwässerung ihrer Weiden gefährdet, wenn<br />

der Fluss zwischen Bremerhaven und Brake<br />

weiter ausgebaggert wird. Es ist unstrittig und<br />

im angefochtenen Planfeststellungsbeschluss<br />

nachlesbar, dass die geplante Vertiefung das<br />

Fließverhalten und hier insbesondere die<br />

Durchmischung von Salz-, Brack- und Süßwasser<br />

verändert – wie bereits angedeutet, wandert<br />

damit die Grenze der so genannten Brackwasserzone<br />

flussaufwärts. Wenn aber über die<br />

Rohre und Siele vermehrt salzhaltigeres Wasser<br />

in das angeschlossene Grabensystem der<br />

Marschen hinter den Deichen eindringt, werden<br />

dort nicht nur Flora und Fauna geschädigt; es<br />

werden auch angeschlossene technische Einrichtungen<br />

ebenso beeinträchtigt wie die Funktion<br />

der Grabensysteme für Bewässerung und<br />

Viehtränke. Somit wird ein Bewässern der Weiden<br />

wie bisher über Siele und Gräben schwierig<br />

bis unmöglich. Nach heftigen Protesten der<br />

Landwirte kamen die Planer dann zwar auf die<br />

schlaue Idee, den Bauern für rund 50 Millionen<br />

Euro Steuergeld (zusätzlich zu den Kosten<br />

der geplanten Vertiefung) ein komplett neues<br />

Bewässerungssystem zu schenken – die Akzeptanz<br />

des Vorhabens in der Öffentlichkeit hat das<br />

aber nicht erhöht. Insgesamt liegt es nahe, in<br />

einem Verzicht auf die Vertiefung (nicht nur) der<br />

Weser die „wesentlich bessere Umweltoption“<br />

und beträchtliche Kostenersparnis zu sehen.<br />

Zynisch muss man etwa im Falle der Weser<br />

den Planern zugute halten, dass sie sich nachdrücklich<br />

bemüht haben, Folgekosten einzusparen<br />

– indem sie etliche der mehr als 1000<br />

Einwendungen gegen ihren Planfeststellungsbeschluss<br />

als „unbegründet“ vom Tisch gewischt<br />

haben. Und da in vielen dieser Fälle<br />

Einwender auf den Klageweg verzichten mussten,<br />

spielen all diese Bedenken jetzt verfahrenstechnisch<br />

keine Rolle mehr, können also<br />

auch keine weiteren Kosten verursachen: Die<br />

Betroffenen hoffen nun auf einen Erfolg des<br />

BUND – und dies nicht nur aus ökologischen<br />

Gründen. Der Katalog dieser überwiegend unberücksichtigten<br />

Einwendungen ist lang. Zwei<br />

Beispiele seien erwähnt, um zu verdeutlichen,<br />

mit welcher Unverfrorenheit die Planer sich<br />

zum Teil über die Ängste und Sorgen der Anrainer<br />

hinweggesetzt haben – immer die angeblich<br />

im öffentlichen Interesse wohltätige<br />

Hafenwirtschaft im Blick.<br />

So bangen etwa Wassersportvereine an<br />

der Unterweser um ihre Sportboothäfen, die<br />

schon heute nur während weniger Hochwasserstunden<br />

nutzbar sind und zwischendurch<br />

trocken fallen; die Vertiefung des Flusses wird<br />

zu weiterer Verschlickung der Uferzonen führen,<br />

die Nutzbarkeit der Häfen durch längere<br />

Trockenfall-Phasen somit weiter abnehmen.<br />

Die zugleich zunehmende Strömungsgeschwindigkeit<br />

in Flussmitte beziehungsweise Fahrrinne<br />

hat Folgen sowohl für Uferbereiche als<br />

auch für das Tideverhalten. In einer strukturschwachen<br />

Region, in der viele Ortschaften ihre


| 24 |<br />

| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info |<br />

Überlebenssorgen unter anderem an den Tourismus<br />

knüpfen, können Hindernisse für Wassersport<br />

oder Bademöglichkeiten katastrophale<br />

Folgen haben.<br />

Eklatanter noch können – ein weiteres Beispiel<br />

– die hydrogeologischen Folgen einer<br />

Unterweservertiefung werden. Der Planfeststellungsbeschluss<br />

hebt unter anderem hervor,<br />

die durch die Vertiefung bedingten Tidehubschwankungen<br />

könnten sich entlang der Unterweser<br />

in Form seitlich gerichteter Druckwellen<br />

noch in Entfernungen von bis zu einigen Kilometern<br />

im Grundwasser ausbreiten. Druckwellen<br />

im Untergrund aber bedeuten erhebliche<br />

Risiken etwa für die Stabilität von Bauwerken<br />

und Immobilien.<br />

Obwohl die von den Planern beauftragten<br />

Gutachter der Bundesanstalt für Wasserbau<br />

(BAW) ihr Urteil nachweislich mit<br />

wissenschaftlich unhaltbaren Modellrechnungen<br />

belegt (8) haben, gilt dieser Aspekt im Planfeststellungsbeschluss<br />

als „unerheblich“. Was<br />

indes derartige Beeinträchtigungen der Bauwerksstabilität<br />

für Folgen haben, kann beidseitig<br />

der Weser angeschaut werden: In der Stadt<br />

Brake gibt es in Flussnähe jede Menge Häuser<br />

mit starken Rissen und teilweise krude anmutenden<br />

Abstützungen – nach Angaben betroffener<br />

Bewohner Folgen früherer Vertiefungen.<br />

Auch gegenüber, auf dem rechten Weserufer,<br />

wissen Anwohner zu berichten, dass bei einigen<br />

Häusern Anfang der 1980er Jahre bis dato nicht<br />

vorhandene Setzrisse aufgetreten sind: Die<br />

Baggerarbeiten der jüngsten Weservertiefung<br />

waren kurz zuvor beendet worden...<br />

Zurück zum weiteren Verfahren: Nach aktuellen<br />

Angaben des BUND Bremen stellt sich<br />

die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung (WSV)<br />

auf „umfangreiche Nacharbeiten am Weserverfahren“<br />

ein; mit einem Beschluss eines Änderungsverfahrens<br />

sei „nicht vor Ende 2017 (!)“<br />

zu rechnen – sofern das BVerwG den Planfeststellungsbeschluss<br />

„nur“ als fehlerhaft und<br />

nicht vollziehbar rügen sollte statt ihn ganz aufzuheben.<br />

Hintergrund: Das Leipziger Gericht<br />

hatte die Vertiefung ja nicht nur ausgesetzt<br />

wegen der beim EuGH angefragten WRRL-Auslegung,<br />

sondern auch wegen etlicher weiterer<br />

Mängel des Planfeststellungsbeschlusses (9).<br />

Deshalb müssen die Planer nun „nachsitzen“,<br />

voraussichtlich müssen die dann geänderten<br />

Unterlagen noch einer weiteren Öffentlichkeitsbeteiligung<br />

unterzogen werden. Zudem hat die<br />

BVerwG-Kritik, dass für „die Weservertiefung“<br />

trotz dreier Abschnitte ein Beschluss gefertigt<br />

worden sei statt jede Etappe einzeln abzuarbeiten,<br />

nicht nur juristische, sondern auch politische<br />

Folgen: Denn dieses Zusammenwürfeln<br />

war der Versuch Bremens, den Niedersachsen<br />

ihre Bedenken gegen die Außenweservertiefung<br />

„abzukaufen“ mit dem Unterweserausbau.<br />

Sportboothafen an der Unterweser: Nur wenige Stunden pro Tag können die Mitglieder in Folge der<br />

Verschlickung auf den Fluss hinausfahren (oder zurückkehren) – dafür haben schon die bisherigen<br />

Weservertiefungen gesorgt: Vor wenigen Jahrzehnten noch war dieser Hafen (Sandstedt) für kleinere<br />

Binnenschiffe erreichbar.<br />

Werden die drei Vertiefungen jedoch aufgesplittet,<br />

ist das aus verschiedenen Gründen<br />

Sprengstoff für diese Allianz.<br />

Insgesamt gilt schon heute als gesichert,<br />

dass in diesem Jahrzehnt keine Vertiefung mehr<br />

zu erwarten ist. Der mittlerweile auf den Boden<br />

der Realität zurückgekehrte „Wirtschaftsverband<br />

Weser“ (siehe oben) lamentierte bereits,<br />

„wesentlich vor 2022“ werde man keine Baggerung<br />

anfangen dürfen (10). Die Hamburger<br />

schweben da vergleichsweise noch einige Meter<br />

über der Wirklichkeit und gehen bislang<br />

von „einem Beschluss über die Elbvertiefung<br />

frühestens in der zweiten Jahreshälfte 2016“<br />

aus (11).<br />

Da aber bekanntlich fast jedes Lärmen<br />

eines Lobbyisten – zumal eines vorgeblich „in<br />

öffentlichem Interesse“ handelnden – in einer<br />

überwiegend unkritischen Medienlandschaft<br />

umgehend aufgegriffen wird, sah sich beispielsweise<br />

die Bremer Tageszeitung „Weser-Kurier“<br />

zu der Forderung verpflichtet, es sei „zwingend<br />

notwendig, die Planungs- und Genehmigungsverfahren<br />

zu entstauben“ (10). Das ist unverfroren.<br />

Die Rede ist von einem Verfahren, das eine<br />

Wirtschafts-Politik-Verwaltungs-Lobby losgetreten<br />

hat in der festen Überzeugung, dass allgemeine<br />

Vorschriften für sie und ihr Handeln<br />

nicht gelten. Warnungen missachtet, Experten<br />

ignoriert, Nachbesserungen halbherzig vorgenommen<br />

– der Beschluss des BVerwG war eine<br />

schallende Ohrfeige für behördliche Schlamperei<br />

und politische Arroganz. Der freche Zeitungskommentar<br />

besagt demgegenüber: Planer<br />

haben in einem Planverfahren Fehler gemacht,<br />

also muss das Verfahren geändert werden,<br />

damit künftiges Fehlverhalten von Planern nicht<br />

mehr so dumm auffällt. Ja, geht´s noch?<br />

Oben war die Rede von der IÖW-Studie (7),<br />

nach der ein Verzicht auf die Vertiefungen<br />

570 Millionen Euro „freisetzen“ könne – das<br />

Gutachten weist aber darauf hin, dass die Kosten<br />

(ohne Unterweser, Anm. d. Red.) tatsächlich<br />

knapp 720 Millionen Euro betragen: Die Differenz<br />

ist bereits ausgegeben – für Maßnahmen,<br />

deren Umsetzung mehr als fraglich ist. Wie<br />

wäre es denn damit: Planer in der Verwaltung<br />

und ihre Auftraggeber aus Wirtschaft und Politik<br />

werden künftig einer persönlichen Haftung<br />

für fehlerhafte Planung unterworfen. Wetten,<br />

dass unter solchen Vorzeichen die Weser- und<br />

Elbvertiefungspläne längst begraben wären? <br />

Anmerkungen:<br />

1. Weservertiefung in der WATERKANT – zuletzt unter<br />

anderem in den Ausgaben 4 / 2014, 3 / 2013, 2 / 2013,<br />

4 / 2011 oder 3 / 2011. Details siehe Webseite.<br />

2. Elbvertiefung in der WATERKANT – zuletzt unter<br />

anderem in den Ausgaben 2 / 2014, 2 / 2013, 4 / 2012,<br />

2 / 2012 oder 2 / 2009. Details siehe Webseite.<br />

3. EuGH: Aktenzeichen C-461/13, Urteil – http://kurzlink.<br />

de/c461-13-urteil<br />

4. EuGH: Aktenzeichen C-461/13, Schlussantrag – http://<br />

kurzlink.de/c461-13-antrag<br />

5. laut BUND Bremen; http://kurzlink.de/bund-tabelle<br />

6. EU-WRRL, Richtlinie 2000/60, Wortlaut unter http://<br />

kurzlink.de/wortlaut-wrrl<br />

7. BUND Niedersachsen: „Versenkte Millionen“ – http://<br />

kurzlink.de/millionengrab<br />

8. WATERKANT, Jg. 22, <strong>Heft</strong> 1 (März 2007), Seite 8<br />

9. Aktenzeichen BVerwG 7 A 20.11; Wortlaut http://kurzlink.de/bverwg-weser-2013<br />

10. „Weser-Kurier“ vom 13. Juli <strong>2015</strong><br />

11. http://kurzlink.de/ha-spaeter; http://www.hamburgfuer-die-elbe.de/?p=7597


otwendig: Dialogforum<br />

| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info |<br />

| 25 |<br />

Dokumentation: Minderheitenvotum von „Rettet die Elbe“ e V im „Dialogforum Tideelbe“<br />

Wer sich selbst eine Grube gräbt<br />

Von Herbert Nix*<br />

Es ist bekannt, dass Hamburgs Schifffahrts- und<br />

Hafenprobleme nicht beseitigt sein werden,<br />

sollte die umstrittene neunte Elbvertiefung<br />

(siehe vorigen Bericht) genehmigt werden<br />

In Kenntnis dessen hatten die Hamburg Port<br />

Authority (HPA) und die Wasserstraßenverwaltung<br />

(WSV) mehr als 40 Interessenvertreter<br />

Ende 2013 zu einem Dialog eingeladen Im Juli<br />

dieses Jahres ist dieser Dialog abgeschlossen<br />

worden – mit widersprüchlichem Ergebnis<br />

Um die letzte planfestgestellte Fahrrinnentiefe<br />

von 16,70 Metern unter Normalnull (-NN)<br />

aufrecht erhalten zu können, müssen jährlich<br />

etwa sechs Millionen Kubikmeter Sediment<br />

ausgebaggert und in Nordsee und Unterelbe<br />

verklappt oder an Land deponiert werden.<br />

Das Dialogforum Tideelbe – offiziell: „Forum<br />

Strombau- und Sedimentmanagement Tideelbe“<br />

(nachfolgend kurz „Forum“) verfolgte<br />

das Ziel, das bestehende Strombau- und Sediment-Management<br />

für die tideabhängige<br />

Unterelbe gemeinsam weiterzuentwickeln, um<br />

den künftigen Anfall von Baggergut zu reduzieren.<br />

Nach anderthalb Jahren wurde im Juli<br />

der Ergebnisbericht verabschiedet und veröffentlicht<br />

(1). Der Hamburger Förderkreis „Rettet<br />

die Elbe“ e. V. (RdE) hat an diesem Dialog<br />

teilgenommen und abschließend ein Minderheitenvotum<br />

verfasst. Weil die Organisatoren<br />

des Dialogs, HPA und WSV, eine Veröffentlichung<br />

im Ergebnisbericht ablehnten – die<br />

RdE-Kritik wurde stattdessen nur satzweise<br />

aufgenommen –, soll dieses Votum hier dokumentiert<br />

werden:<br />

„In der gemeinsamen Erklärung (2008) der<br />

Länder Schleswig-Holstein, Hamburg, Niedersachsen,<br />

HPA und WSV wurde unter anderem<br />

folgendes vereinbart: Hamburg wird die<br />

Verbringung von Sedimenten in die Nordsee<br />

schnellstmöglich beenden (2). Im Dialogprozess<br />

wurde die Verbringung von Sedimenten in<br />

die Nordsee und im Gebiet der AWZ diskutiert<br />

und im Ergebnisbericht heißt es dazu: ‚Aus diesem<br />

Grund darf die Verbringung in der Nordsee<br />

nicht von vorneherein ausgeschlossen werden‘.<br />

RdE hat sich grundsätzlich gegen eine<br />

Verklappung bei Tonne 3 und anderen Gebieten<br />

in der Nordsee aus ökologischen Gründen<br />

ausgesprochen.<br />

Grundsätzliches<br />

Im ‚Konzept für eine nachhaltige Entwicklung<br />

der Tideelbe‘ (3) wurden folgende Eckpfeiler<br />

eines zukünftigen Aktionsplans postuliert: (...)<br />

1. Dämpfung der einschwingenden Tideenergie<br />

durch strombauliche Maßnahmen insbesondere<br />

im Mündungstrichter,<br />

2. Schaffung von Flutraum im Bereich zwischen<br />

Glückstadt und Geesthacht,<br />

3. Optimierung des Sedimentmanagements<br />

unter Berücksichtigung des Gesamtsystems der<br />

Elbe.<br />

Ohne entsprechende Maßnahmen wird das System<br />

Tideelbe zunehmend verlanden, wodurch<br />

neben den ökologischen Nachteilen auch eine<br />

Unterhaltung des Gewässers und des Hamburger<br />

Hafens immer aufwendiger würde.<br />

Von den drei ‚Eckpfeilern‘ eines Tideelbemanagements<br />

werden die Maßnahmen im Mündungsbereich<br />

(Inseln) von uns abgelehnt, und<br />

was unter ‚Optimierung des Sedimentmanagements‘<br />

zu verstehen ist, beobachten wir skeptisch.<br />

Im Prinzip einverstanden sind wir mit dem<br />

Eckpfeiler ‚Schaffung von Flutraum im Bereich<br />

zwischen Glückstadt und Geesthacht‘.<br />

Über diesen Eckpfeiler sind sich vermutlich<br />

alle im Prinzip einig. Jeder weiß aber, wie<br />

schwierig es ist, den Raum zwischen den Deichen<br />

zu erweitern. Unterhalb des Wehrs Geesthacht<br />

droht eine faktische Rückdeichung an den<br />

Bedenken der Anwohner zu scheitern, und für<br />

die Rückdeichung der Haseldorfer Marsch zum<br />

Ausgleich der Airbus-Erweiterung wurde ein<br />

so hochwertiges Biotop binnendeichs benannt,<br />

dass ein Gericht den Plan stoppen musste. Auf<br />

das Ansinnen, Wiese oder Acker oder Haus oder<br />

Hof zu verkaufen, wird jeder private Eigentümer<br />

entgegnen, der Staat Hamburg möge doch bei<br />

sich selbst anfangen. RdE schlägt vor, die Alte<br />

Süderelbe weitgehend in ihrem alten Verlauf<br />

zu öffnen, und zwar auf Grund und Boden, der<br />

größtenteils der Stadt Hamburg gehört. … (Das<br />

ist) eine politische Entscheidung, zu welchem<br />

Opfer die Wirtschaftsbehörde bereit ist.<br />

Dem ‚Konzept Tideelbe‘ wurde das Forum …<br />

nicht gerecht. Die ‚Steckbriefe‘ und die ‚Bewertungsmatrix‘<br />

decken nur kleine Ausschnitte der<br />

‚Eckpfeiler‘ ab. Die Steckbriefe reduzieren das<br />

Sedimentmanagement auf die Frage, wo man<br />

eine vorgegebene Menge Baggergut verklappen<br />

könne, und die Bewertungsmatrix kopiert<br />

unverbindlich Vorschläge des ‚Integrierten<br />

Bewirtschaftungsplans‘. Die entscheidende<br />

Frage wurde nicht verhandelt: die Baggergutmengen<br />

zu reduzieren!<br />

Bilanz und Analyse<br />

Vorauszusetzen ist eine Mengenbilanzierung<br />

der jetzigen Baggerorte und Klappstellen.<br />

Dies wurde von HPA und WSV nicht geleistet.<br />

Statt die Schwerpunkte von Auflandungen aufzuzeigen<br />

und ihre Ursachen zu analysieren,<br />

erschöpften sich die Behörden darin, der Tidepumpe<br />

und niedrigen Oberwasserabflüssen die<br />

Schuld zuzuweisen.<br />

RdE hat aus den Umlagerungsberichten<br />

2002-13 und den Berichten zum Sedimentfang<br />

Wedel eine Bilanz der Baggermengen im Hamburger<br />

Raum erstellt (4). Aus ihr ergeben sich<br />

Schwerpunkte der Baggerei bzw. der vorangegangenen<br />

Auflandungen. Für jede Auflandung


| 26 |<br />

| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche | WATERKANT Verbreitung | 3-15 | erlaubt © www.waterkant.info |<br />

kann eine individuelle Entstehungsgeschichte<br />

angenommen werden. Denn wären Tidepumpe<br />

und Oberwasserabfluss eine dominierende<br />

Ursache, würde der Hafen gleichmäßig mit<br />

einer uniformen Sedimentmischung eingedeckt.<br />

Der Sedimentfang Wedel, obwohl unterhalb<br />

der Delegationsstrecke, wird dem Hamburger<br />

Bereich zugeordnet, weil er von HPA angelegt<br />

wurde.<br />

Dass die Tidepumpe seit der Elbvertiefung<br />

1999 verstärkt Sediment stromauf transportiert,<br />

wird im Prinzip anerkannt, umstritten ist nur<br />

das Gewicht, das man ihr beimisst. Will man die<br />

Baggermengen reduzieren, muss man die Tidepumpe<br />

drosseln. Das ‚Strombau- und Sedimentmanagementkonzept<br />

Tideelbe‘ von HPA und<br />

WSV (5) führt unter Maßnahmen zur Reduzierung<br />

der Baggermengen auf:<br />

‚Mit strombaulichen Maßnahmen zur Beeinflussung<br />

der Hydrodynamik soll die Tidecharakteristik<br />

verändert werden. Bezogen auf die<br />

Feststoffe ist eine Verringerung des Tidal Pumping<br />

und damit des Stromauftransports von<br />

Sediment das Ziel. Aufgrund der Größe und<br />

Komplexität der erforderlichen Maßnahmen<br />

sind diese sorgfältig und umfassend zu planen.<br />

Sie sollen im Laufe der nächsten Jahrzehnte<br />

nachhaltig greifen.‘ Weder die Steckbriefe noch<br />

die Bewertungsmatrix liefern Vorschläge, wie<br />

diese Erkenntnis konkret umzusetzen wäre.<br />

Als zweiten Schritt müsste man die erkannten<br />

Baggerschwerpunkte entschärfen. Der Hafen<br />

Hamburg ist wahrhaftig nicht baggerfreundlich<br />

gebaut. Zur Sedimentationsverminderung<br />

heisst es:<br />

‚Durch örtlich begrenzte Einschnürungen,<br />

Umlenkwände o. ä. können Sedimentationsschwerpunkte<br />

vermindert oder sogar aufgelöst<br />

werden. Hydraulisch kommt es dabei zu einer<br />

Erhöhung der Strömungsgeschwindigkeit oder<br />

Veränderung der Strömungsrichtung, so dass<br />

die Feststoffteilchen sich nicht absetzen können.<br />

Beispiele dafür sind die Strömungsumlenkwand<br />

im Finkenwerder Vorhafen oder die<br />

Unterwasserablagerungsfläche Krautsand, bei<br />

der mit Einbau von etwa 4,6 Millionen Kubikmeter<br />

Sediment die Strömungsgeschwindigkeit<br />

in der Fahrrinne deutlich erhöht und der bisherige<br />

Baggerschwerpunkt eliminiert wurde.‘<br />

Weder die Steckbriefe noch die Bewertungsmatrix<br />

liefern Vorschläge, wie diese Erkenntnis<br />

konkret umzusetzen wäre. Gänzlich ignoriert<br />

werden … Aspekte wie die Vergrößerung der<br />

erodierbaren Sandfläche im Fahrrinnentrog seit<br />

der letzten Elbvertiefung.<br />

Als letzten Schritt, nachdem die Baggermengen<br />

minimiert wurden, kann man die Systemstudie<br />

‚Sedimentmanagement Tideelbe<br />

– Strategien und Potenziale‘ der Bundesanstalt<br />

für Gewässerkunde (BfG) zu Rate ziehen (6), die<br />

Bei Redaktionsschluss war die „MSC Zoe“ das größte Containerschiff der Welt: Wie lange der Rekord gehalten<br />

wird, ist offen. Anfang August war die „MSC Zoe“ in Hamburg – und ihr Wendemanöver vor dem Eurogate-<br />

Terminal zeigte einmal mehr, dass Hamburgs Schifffahrts- und Hafenprobleme auch mit der umstrittenen<br />

neunten Elbvertiefung nicht beseitigt sein werden, denn das Gigantismus-Wettrennen geht weiter...<br />

Foto: Hasenpusch Photo Productions<br />

die ökologischen Auswirkungen der Unterbringung<br />

von Feinmaterial an verschiedenen Verbringungsorten<br />

in der Unterelbe betrachtet:<br />

‚Im Ergebnis wurde eine adaptive und flexible<br />

Strategie für das Feinmaterialmanagement<br />

der gesamten Tideelbe (WSV und HPA)<br />

vorgeschlagen, um das Ziel einer wirtschaftlichen<br />

Baggergutunterbringung unter Minimierung<br />

negativer Auswirkungen für Natur und<br />

Umwelt zu erreichen.‘ Dass WSV und HPA das<br />

Ziel einer wirtschaftlichen Baggergutunterbringung<br />

verfolgen, ist verständlich, mit dieser Strategie<br />

werden aber die selbst gesetzten Ziele zur<br />

Reduzierung der Baggergutmengen ignoriert.<br />

Steckbriefe und Bewertungsmatrix belegen,<br />

dass die Diskussion in den Foren zum Sedimentmanagement<br />

noch hinter den Stand des Tideelbekonzepts<br />

zurückgefallen ist, das selbst nur als<br />

Notprogramm unter dem Druck explodierender<br />

Baggermengen entstanden ist. Auf Dauer kann<br />

der Hafen nur bestehen, wenn die Baggermengen<br />

signifikant reduziert werden.<br />

Oberwasserabfluss und Baggermengen<br />

Hierzu hat nicht nur RdE vorgetragen, dass<br />

der Sedimenthaushalt nicht ausschließlich<br />

vom Oberwasserabfluss bestimmt wird. Auch<br />

Neville Burt (Technischer Direktor, HR Wallingford<br />

/ UK) hat in seinem Gutachten festgestellt:<br />

‚Im Laufe der Diskussionen habe ich mehr als<br />

10 Faktoren identifiziert, die die anscheinend<br />

vorherrschende Verschlickungsrate beeinflusst<br />

haben könnten. (…) Es gibt .. eine grundlegende<br />

Tendenz zur zunehmenden Verschlickung“ (7).<br />

Wirkung von Sedimentfallen und<br />

Sedimentrinnen<br />

In der ‚Gemeinsamen Erklärung‘ wurde unter<br />

anderem folgendes vereinbart: ‚WSV und HPA<br />

werden geeignete Maßnahmen ergreifen, um<br />

die zu baggernden Sedimentmengen in Hamburg<br />

und im oberen Bereich der Tideelbe so<br />

bald wie möglich zu reduzieren.‘ Mit Sedimentfallen<br />

und Sedimentrinnen ist eine Reduzierung<br />

von Baggergutmengen nicht zu erreichen, sie<br />

eignen sich nur für eine wirtschaftliche Baggerstrategie.<br />

Dass die WSV und HPA das Ziel<br />

einer wirtschaftlichen Baggergutunterbringung<br />

verfolgen, ist verständlich, mit dieser Strategie<br />

werden aber die selbst gesetzten Ziele zur<br />

Reduzierung der Baggergutmengen ignoriert.<br />

Geplante Elbvertiefung<br />

Für ein solides Strombau- und Sedimentkonzept<br />

ist es notwendig die Vergangenheit zu analysieren<br />

und zukünftige Strombaumaßnahmen<br />

wie die geplante Elbvertiefung mit einzubeziehen.<br />

Dies wurde im Dialogprozess nicht zugelassen.“<br />

<br />

Anmerkungen:<br />

* Herbert Nix hat den Förderkreis „Rettet die Elbe“ e. V.<br />

in den Sitzungen des Dialogforums vertreten.<br />

1. http://www.dialogforum-tideelbe.de/7-sitzung<br />

2. http://kurzlink.de/dialogf-01<br />

3. http://kurzlink.de/tideelbe-01<br />

4. http://kurzlink.de/rde-01<br />

5. http://kurzlink.de/wsv-tideelbe-01<br />

6. http://kurzlink.de/bfg-tideelbe-01<br />

7. HR Wallingford ist eine unabhängige englische<br />

Forschungseinrichtung (HR steht für „hydraulics research“);<br />

das Burt-Gutachten ist abrufbar unter http://<br />

kurzlink.de/tideelbe-02


| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info |<br />

| 27 |<br />

Der Stand der Dinge bei der Werra-Weser-Versalzung<br />

Hängepartie, vorübergehend...<br />

Von Walter Hölzel*<br />

Die Auseinandersetzung um die Versalzung<br />

von Werra und Weser durch die Abfälle der<br />

Kali-Industrie scheint in der Sommerpause<br />

zum Erliegen gekommen zu sein. Bei näherem<br />

Hinsehen zeigt sich aber, dass sich sowohl für<br />

die K+S AG (1) als Verursacher als auch für die<br />

Umweltminister der Werra-Weser-Anliegerländer<br />

ungelöste Probleme in einem solchen<br />

Ausmaß angesammelt haben, dass ein weiteres<br />

Abwarten kaum möglich zu sein scheint.<br />

Wenn Zwei sich freuen: Hessens Umweltministerin<br />

Priska Hinz (Grüne) und der Vorstandsvorsitzende<br />

der K+S AG, Norbert Steiner, präsentieren im September<br />

2014 ihren „Vierphasenplan“.<br />

Foto: K+S AG<br />

Zu den ungeklärten Problemen gehört einerseits<br />

der immer noch anhängige Versuch des<br />

kanadischen Kaliriesen PCS (Potash Company<br />

of Saskatchewan), die K+S AG aufzukaufen.<br />

Andererseits ist immer noch nicht klar,<br />

wie der „Vierphasenplan“ der K+S AG und der<br />

Bewirtschaftungsplan der grünen Länder-<br />

Umweltminister die Widersprüche zur EU‐Wasserrahmenrichtlinie<br />

(WRRL) und zur aktuellen<br />

Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs<br />

(EuGH) aufheben sollen.<br />

Bekanntlich ist seit 2000 die gültige WRRL<br />

in der EU das rechtliche Instrument, um<br />

die Gewässer der Union zu sanieren und zu<br />

schützen: Mit ihren wiederholt erläuterten<br />

Eckpfeilern „Verbesserungsgebot“ und „Verschlechterungsverbot“<br />

(2) verfolgt sie das Ziel,<br />

die Gewässer bis <strong>2015</strong> in einen „guten chemischen<br />

und ökologischen Zustand“ zu bringen;<br />

unter Ausnahmebedingungen können Anrainern<br />

zwei je sechsjährige Fristverlängerungen,<br />

bis 2021 und gegebenenfalls 2027, gewährt<br />

werden.<br />

In der Flussgebietseinheit Weser verhindert<br />

vor allem die Belastung der Flüsse durch<br />

die Abfallsalze der K+S AG das Erreichen der<br />

WRRL‐Ziele: Das Unternehmen hat bis heute<br />

keine Anstrengungen unternommen, diese<br />

Qualitätsziele zu erreichen – und ist von den<br />

hessischen und thüringischen Genehmigungsbehörden<br />

auch nicht dazu verpflichtet worden.<br />

Vielmehr sind von hessischer Seite Erlaubnisse<br />

erteilt worden, die das fristgerechte Erreichen<br />

der Zielvorgaben erschweren oder sogar<br />

unmöglich machen.<br />

Die K+S AG und die hessische Genehmigungsbehörde<br />

haben sich schon 2007 darauf geeinigt,<br />

die ziel- und fristgemäße Umsetzung der WRRL<br />

nicht anzustreben. Leider bietet die Richtlinie<br />

diese Möglichkeit durchaus: Wenn ein Gewässer<br />

grundsätzlich nicht saniert werden kann oder<br />

wenn keine technisch und ökonomisch machbaren<br />

Verfahren hierfür zur Verfügung stehen,<br />

können die Qualitätsziele der WRRL herabgestuft<br />

werden. Die Werra-Weser-Anrainerkonferenz<br />

(WWA) hat aber nachweisen können,<br />

dass diese Voraussetzungen nicht vorliegen.<br />

Auf Grund ihrer Beschwerde hat die EU‐Kommission<br />

2012 ein Vertragsverletzungsverfahren<br />

gegen die Bundesrepublik eingeleitet. Dieses<br />

Verfahren steht jetzt kurz vor einer Klage vor<br />

dem EuGH.<br />

Die K+S AG und die grüne hessische Umweltministerin<br />

Priska Hinz haben im Herbst 2014<br />

einen gemeinsamen „Vierphasenplan“ vorgelegt<br />

(3), der eine zielgerechte Umsetzung<br />

der WRRL nicht vorsieht. Vielmehr würden<br />

Werra und Weser demnach noch 2075 massiv<br />

mit den Salzabfällen der Kali-Industrie belastet.<br />

Auch die Ewigkeitslast der Salzhalden soll<br />

nicht beseitigt, vielmehr die Menge der abgelagerten<br />

Salzabfälle verdoppelt werden. Das<br />

bedeutet, dass die Flüsse auf unabsehbare Zeit,<br />

mindestens aber für mehrere hundert Jahre, als<br />

Abwasserkloake für die Rückstände der Kaliproduktion<br />

genutzt würden.<br />

Eine Verringerung der Salzkonzentration<br />

im Flusswasser ergäbe sich laut „Vierphasenplan“<br />

fast ausschließlich durch Streckung der<br />

Salzeinleitung sowie einzelne Betriebsschließungen.<br />

Technische Maßnahmen zur wirkungsvollen<br />

Verringerung des Salzabstoßes sieht der<br />

Plan nicht vor, vielmehr sind seine Vorhaben<br />

(„360-Millionen-Euro-Maßnahmenprogramm“)<br />

so unwirksam, dass das Regierungspräsidium<br />

Kassel für 2018 schon einen Entsorgungsnotstand<br />

für die Werke der K+S Kali GmbH prognostiziert,<br />

weil die Grenzwerte dann nicht mehr<br />

eingehalten werden können. Die WWA bezeichnet<br />

daher diesen Plan als Verschleierung der<br />

Tatsache, dass die bisherige Entsorgungspolitik<br />

der K+S AG fortgeführt werden soll, bis sie sich<br />

wegen Einstellung der Kaliproduktion erübrigt<br />

hat.<br />

Die EU‐Mitgliedsstaaten haben sich verpflichtet,<br />

in Bewirtschaftungsplänen die Umsetzung<br />

der WRRL zu dokumentieren und detailliert<br />

darzulegen, wie die Qualitätsziele der Richtlinie<br />

erreicht werden sollen beziehungsweise warum<br />

sie nicht erreicht werden können. Die Bewirtschaftungspläne<br />

für die Werra-Weser-Region<br />

werden von der Flussgebietsgemeinschaft<br />

Weser (FGG Weser) der sieben Anrainerländer<br />

verfasst und von deren Umweltministern verantwortet.<br />

Für den Planzeitraum <strong>2015</strong>‐21 hat


| 28 |<br />

| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche | WATERKANT Verbreitung | 3-15 | erlaubt © www.waterkant.info |<br />

die Bundesrepublik die Abgabefrist bereits verpasst,<br />

weil die Unterliegerländer Niedersachsen<br />

und Nordrhein-Westfalen nicht mit dem „Vierphasenplan“<br />

einverstanden waren. Erst im April<br />

dieses Jahres wurde ein Entwurf vorgelegt, der<br />

sich bis Ende September in der Offenlegungsphase<br />

befand. Auch dieser Bewirtschaftungsplan<br />

sieht aber nicht vor, die WRRL zielkonform<br />

umzusetzen: Auch er ignoriert, dass eine Minderung<br />

der Umweltziele keine Grundlage hätte,<br />

und ist daher schon vor Inkrafttreten als rechtswidrig<br />

anzusehen.<br />

Darüberhinaus hat die FGG Weser in keinem<br />

Einzelfall nachgewiesen, wie die Ziele<br />

dieses Bewirtschaftungsplans mit den benannten<br />

Maßnahmen erreicht werden können. Das<br />

bedeutet, dass seine Ziele der Kali-Industrie<br />

nicht verbindlich vorgegeben werden<br />

können, somit verfehlt er jede Wirkung. Es<br />

ist nicht anzunehmen, dass dieser Plan für<br />

<strong>2015</strong>‐21 der EU‐Kommission genügen wird, um<br />

einer Aussetzung der Umsetzungsfristen und<br />

einer Minderung der Umweltziele der WRRL<br />

zuzustimmen.<br />

Der „Vierphasenplan“ ließe sich nur umsetzen,<br />

wenn die von der K+S AG beantragte Fortführung<br />

der Laugenverpressung, die weitere<br />

Aufhaldung von Salzrückständen, die Einleitung<br />

von Abwässern in die Werra sowie die Schaffung<br />

einer weiteren Verklappungsstelle an der<br />

Oberweser (mittels so genannter „Oberweserpipeline“)<br />

genehmigt werden könnten. Das<br />

erscheint nach Stand der Dinge unwahrscheinlich.<br />

Die ebenfalls umstrittene Option einer<br />

„Nordseepipeline“ zur Einleitung der Abwässer<br />

in Jade und Nordsee ist nicht Teil des K+S‐Hessen-Plans<br />

und somit vorerst vom Tisch.<br />

Besonders kritisch ist die Verpressung der<br />

Abwässer in den Untergrund zu beurteilen. Das<br />

Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie<br />

(HLUG) hat nachgewiesen, dass durch die<br />

Laugenverpressung Grundwasser und Trinkwasser<br />

nachteilig beeinflusst worden sind und<br />

dass der Ausfall von weiteren Trinkwassergewinnungsanlagen<br />

nicht auszuschließen ist. Vor<br />

dem Hintergrund des Wasserhaushaltsgesetzes<br />

wäre die Laugenverpressung als rechtswidrig<br />

einzustufen. Von der K+S AG ist verlangt worden,<br />

die Unbedenklichkeit einer fortgesetzten<br />

Laugenverpressung durch ein so genanntes<br />

kalibriertes Grundwassermodell nachzuweisen.<br />

Das vom Konzern vorgelegte Ergebnis haben die<br />

HLUG‐Experten allerdings als nicht aussagekräftig<br />

beurteilt – sowohl die K+S AG als auch<br />

die hessische Umweltministerin versuchten daraufhin,<br />

die Stellungnahme des HLUG und weiterer<br />

Gutachter geheim zu halten: Die Vorlage<br />

dieser Akten musste erst gerichtlich erzwungen<br />

werden.<br />

Mit seinem Urteil vom 1. Juli dieses Jahres<br />

zur Weservertiefung (2) hat der EuGH derweil<br />

Kali-Abraumhalde des Werks Hattorf an der Werra bei Philippsthal: Der „Vierphasenplan“ sieht nicht vor, die<br />

Ewigkeitslasten dieser Salzhalden zu beenden – im Gegenteil.<br />

Foto: Stephan Gunkel<br />

auch die Handlungsfreiheit sowohl der K+S AG<br />

als Verursacher der Werra-Weser-Versalzung<br />

als auch der hessischen Behörden weiter eingeengt.<br />

Denn die in diesem Urteil enthaltene Auslegung<br />

des Verschlechterungsverbots der WRRL<br />

gilt selbstverständlich nicht nur für Unter- und<br />

Außenweser oder Unterelbe, sondern für alle<br />

der WRRL unterworfenen Gewässer, also auch<br />

für die Werra-Weser-Region. Vom Urteil des<br />

EuGH sind alle bisherigen Entsorgungswege<br />

der Kali‐Industrie im Werrarevier betroffen.<br />

Der chemische Zustand des von der Laugenverpressung<br />

betroffenen Grundwassers ist ohne<br />

Zweifel in die schlechteste Qualitätsstufe einzuordnen.<br />

Das HLUG hat nachgewiesen, dass<br />

jeder weitere Eintrag zu einer Verschlechterung<br />

führt. Eine Fortführung der Laugenverpressung<br />

darf also nicht genehmigt werden.<br />

In das Grundwasser gelangen aber auch Haldenlaugen<br />

von den K+S‐Rückstandshalden.<br />

Vor dem Hintergrund des EuGH‐Urteils ist damit<br />

auch der versatzlose Bergbau mit seinen<br />

Rückstandshalden rechtswidrig. Die EU‐Kommission<br />

hatte bereits im Falle des spanischen<br />

Kaliproduzenten Iberpotash durchgesetzt,<br />

dass keine weitere Aufhaldung erfolgen darf<br />

und die vorhandenen Halden zurück gebaut<br />

werden müssen. Und schließlich: Weil auch<br />

der Zustand der Werra längst der schlechtesten<br />

WRRL‐Qualitätsstufe entspricht, verstößt<br />

die weitere Einleitung der K+S‐Abwässer gegen<br />

das Verschlechterungsverbot und ist somit<br />

europarechtswidrig.<br />

Insgesamt kann festgestellt werden, dass<br />

die K+SAG ihre Entsorgungspolitik unter konsequenter<br />

Missachtung europarechtlicher Vorgaben<br />

längst an die Wand gefahren hat. Mehr<br />

noch: Der Versuch des Konzerns, die Übernahme<br />

mit Hilfe von Aktienkauf durch die<br />

bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau<br />

(KfW) abzublocken, wäre eine Milliardenspritze<br />

des Bundes und damit ein weiteres<br />

Beispiel für missglückte Wirtschaftsförderung.<br />

Der Staat hatte dem Konzern bekanntlich schon<br />

die mitteldeutsche Kali-Industrie geschenkt<br />

und noch Geld dazu bezahlt – ohne jede Verpflichtung,<br />

für Umweltschäden aufzukommen.<br />

Mit derartiger Subventionspolitik wird im Konzerndenken<br />

eine der wichtigsten Voraussetzungen<br />

für wirtschaftlichen Erfolg sabotiert – die<br />

Fähigkeit, sich technisch weiter zu entwickeln.<br />

Seit Jahren versichert die K+S AG, an der Werra<br />

einen Stand der Technik nicht umsetzen zu können,<br />

der außerhalb Deutschlands und sogar in<br />

Schwellenländern längst üblich ist.<br />

Die WWA hatte im November 2014 einen<br />

Drei‐Stufen‐Plan vorgestellt, der nicht nur zeigt,<br />

wie in Werra und Weser die Ziele der WRRL<br />

bis zur letzten Frist im Jahre 2027 erreicht<br />

werden könnten, und der somit konform ist<br />

mit dem aktuellen EuGH-Urteil. Dieser Plan<br />

wäre – unter anderem mit der bereits vorgestellten<br />

K‐UTEC‐Technik – auch international<br />

konkurrenzfähig. Und könnte so eine umweltfreundlicher<br />

arbeitende K+S AG vor Betriebsschließungen<br />

durch einen neuen Eigentümer<br />

schützen... <br />

Anmerkungen:<br />

* Dr. Walter Hölzel ist Stadtrat von Witzenhausen und<br />

Sprecher der „Werra-Weser-Anrainerkonferenz e. V.“<br />

(WWA).<br />

1. Das Kürzel „K+S AG“ ist seit 1999 offizieller Firmenname<br />

des Konzerns, der zuvor unter „Kali + Salz“<br />

bekannt wurde und zu dem heute etliche Teilfirmen<br />

gehören – darunter auch die „K+S Kali GmbH“, die die<br />

hiesigen Bergwerke betreibt.<br />

2. siehe Beitrag in diesem <strong>Heft</strong> auf Seite 21.<br />

3. WATERKANT hat mehrfach über die Probleme Werra-<br />

Weser-Region berichtet, eine Übersicht bietet die<br />

Suche http://www.waterkant.info/?s=Werra.


| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info |<br />

| 29 |<br />

Sandstein-Fracking, toxische Chemikalien und die Gesundheit anderer Leute<br />

Denn sie wissen noch immer nicht, was sie tun!<br />

Von Carin Schomann<br />

Seit 1961 wird aus Niedersachsens Sandstein<br />

Erdgas durch Fracking gewonnen. Die<br />

Auswirkungen der dabei eingesetzten Chemikalien<br />

auf Umwelt und Gesundheit liegen bis<br />

heute im Dunkeln. Eine Messkampagne des<br />

Landesbergamts soll daran offenbar auch nichts<br />

ändern, denn Frac‐Chemikalien gehören explizit<br />

nicht zu den Untersuchungsparametern –<br />

obwohl sich der Verdacht immer mehr erhärtet,<br />

dass auch Fracking in Sandstein-Formationen<br />

toxisch wirkt.<br />

Auch „Unfälle“ wie hier an der Verpress-Bohrung<br />

Wittorf Z1 im Landkreis Rotenburg/Wümme im<br />

Mai 2013 können Boden und Grundwasser mit<br />

toxischen Substanzen kontaminieren.<br />

Foto: Bente Battenbrook<br />

Benzol- und Quecksilberfunde an Betriebsplätzen<br />

der Gas-Industrie und die alarmierend<br />

hohen Krebserkrankungszahlen, die unlängst<br />

bei den Bewohnern der Gasfeld-Region im<br />

Landkreis Rotenburg/Wümme (ROW) bekannt<br />

wurden, bringen zuständige Behörden und<br />

Politik zunehmend in die Bredouille. Eine zentrale<br />

Frage dabei ist die nach den Auswirkungen<br />

der Chemikalien, die beim Fracking im<br />

niedersächsischen Sandstein bis zum Beginn<br />

des „freiwilligen Fracking-Moratoriums“ vor<br />

gut drei Jahren schon eingesetzt wurden. Doch<br />

über Art und Menge dieser Chemikalien hat das<br />

zuständige Landesamt für Bergbau, Energie und<br />

Geologie (LBEG) weiterhin keinen vollständigen<br />

Überblick. Das ergibt sich aus der Antwort<br />

des obersten niedersächsischen Bergmanns<br />

und Wirtschaftsministers Olaf Lies (SPD) auf<br />

eine Anfrage der FDP-Fraktion im Landtag (1).<br />

Lies: „Eine dezidierte Auflistung sämtlicher Einzelsubstanzen,<br />

die bei insgesamt 326 einzelnen<br />

Frac-Maßnahmen in Niedersachsen in rund fünf<br />

Jahrzehnten verwendet wurden, war angesichts<br />

... des lückenhaften Informationsgehaltes älterer<br />

Aktenbestände bisher nicht möglich.“<br />

Und auch an der umfassenden Bewertung<br />

derjenigen Stoffe, die in den lückenhaften<br />

Aktenbeständen immerhin dokumentiert sind,<br />

scheitern der Minister und seine Fachbehörde.<br />

In der Lies'schen Anwort werden „die im Erdgasfeld<br />

Söhlingen (ROW, d. A.) eingesetzten<br />

Frac‐Chemikalien genauer betrachtet“, die er<br />

einer früheren Antwort der Landesregierung<br />

entnommen hat (2). Darin seien 78 Stoffe aufgeführt,<br />

allerdings mit teilweise so allgemeinen<br />

Stoffnamen, dass sie nicht alle hätten bewertet<br />

werden können.<br />

Prinzipiell kommt die behördliche Auswertung<br />

der Söhlinger „Tabelle des Grauens“ aber<br />

zu einem vergleichbaren Ergebnis wie die frühere<br />

Auswertung (3): Es gibt in Niedersachsen<br />

keinen vollständigen Überblick über bereits<br />

eingesetzte Frac‐Chemikalien. Weil offenbar<br />

unbekannte und eventuell auch unzulässige<br />

Stoffe zum Fracking zugelassen wurden, sind<br />

Verstöße gegen das Chemikalienrecht durch<br />

eine fragwürdige Genehmigungspraxis nicht<br />

ausgeschlossen.<br />

Die zu erwartende Schlussfolgerung, nämlich,<br />

dass die eventuell rechtswidrige Genehmigungspraxis<br />

beendet wird und dass mögliche<br />

Verstöße gegen das Chemikalien- und Wasserrecht<br />

geahndet und in Zukunft unterbunden<br />

werden, ist der Lies'schen Antwort aber nicht<br />

zu entnehmen. Vielmehr bedauert der Frac‐Minister,<br />

„dass die Weiterentwicklung bestehender<br />

Erdgasfelder u. a. aufgrund des seit fast drei<br />

Jahren bestehenden Investitionsstillstandes<br />

bei Frac‐Vorhaben nicht ... stattfinden konnte“.<br />

Mit Unterstützung von Ministerpräsident Stefan<br />

Weil (SPD) und ohne ernstzunehmendes Gegengewicht<br />

von Umweltminister Stefan Wenzel<br />

(Grüne) und der Grünen-Regierungsfraktion<br />

bemüht sich Lies stattdessen, den beklagten<br />

„Investitionsstillstand“ zu beseitigen und so<br />

schnell wie möglich dafür zu sorgen, dass das<br />

umstrittene „Fracking-Erlaubnisgesetz“ in Kraft<br />

tritt (4) – damit es in Niedersachsen endlich<br />

wieder heißt: Bahn frei für Fracking im dichten<br />

Sandstein. Oder, getreu dem Landes-Slogan:<br />

„Immer eine gute Idee: Tight Gas.“<br />

Die Schadstofffunde im niedersächsischen<br />

Gasland und nun auch die bekannt gewordenen<br />

Krebserkrankungen haben den öffentlichen<br />

Druck auf die Behörden weiter erhöht. Das<br />

für die früheren Zulassungen verantwortliche<br />

LBEG will sich jetzt auf einmal „einen Überblick<br />

über die Auswirkungen der Erdgasförderung<br />

während der vergangenen Jahrzehnte“ verschaffen<br />

(5). Die Frage muss erlaubt sein, wieso<br />

das LBEG erst jetzt auf diese Idee kommt.<br />

Im Juli <strong>2015</strong> wurde in Niedersachsen offiziell<br />

eine „Untersuchungskampagne“ gestartet:<br />

Die Böden an 192 von insgesamt mehr als<br />

400 aktiven Gas-Bohrungen sowie acht „Versenkbohrungen“,<br />

in denen toxische Abwässer<br />

aus der Gasförderung verklappt werden, sollen<br />

untersucht werden. Grund- beziehungsweise


| 30 |<br />

| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info |<br />

Die Tabelle listet die Verteilung der Umwelt- und<br />

Gesundheitsgefahren der identifizierten Stoffe aus<br />

Behördensicht auf und vergleicht sie mit dem Ergebnis<br />

einer früheren Analyse (3). Woraus sich die teilweise<br />

erheblichen Diskrepanzen ergeben, wird erst noch zu<br />

klären sein.<br />

Oberflächenwasser bleiben hierbei außen<br />

vor. Das LBEG zieht mit einem Messkanon ins<br />

Feld, der ausschließlich natürlich vorkommende<br />

Schadstoffe als Untersuchungsparameter<br />

umfasst.<br />

Das mögliche Auftreten toxischer Frac‐Chemikalien<br />

beziehungsweise ihrer toxischen Abbauprodukte<br />

wird vom LBEG nicht abgeklärt. Dabei<br />

wird immer deutlicher, dass Erdgas-Fracking<br />

zu einer Kontamination von Boden, Wasser<br />

und Luft mit toxischen Stoffen führt. Die Entwicklungen<br />

in den Frac‐Gebieten der USA bringen<br />

zunehmend Forschungsergebnisse hervor,<br />

die eines mit Sicherheit nicht leisten können:<br />

Sie vermögen nicht zu belegen, dass Fracking<br />

umwelt- und gesundheitsverträglich durchgeführt<br />

werden kann.<br />

Ganz im Gegenteil: Seit einigen Jahren gibt<br />

es einen dramatischen Zuwachs an Publikationen,<br />

die eine Kontamination von Luft, Boden<br />

und Grundwasser mit Schadstoffen aus der<br />

Frac‐Industrie sowie Gesundheitsschäden im<br />

Umfeld von Frac‐Bohrungen beschreiben. Als<br />

Beobachtungsstudien können sie Fracking als<br />

Ursache dieser Schäden zwar nicht direkt nachweisen.<br />

Allerdings veranlassen die Ergebnisse<br />

immer mehr Wissenschaftler, zur Vorsicht gegenüber<br />

dieser gefährlichen Bergbautechnik zu<br />

mahnen. Vier beliebig ausgewählte Publikationen<br />

der vergangenen Wochen geben davon einen<br />

Eindruck:<br />

– Die US‐Bundesumweltbehörde „Environmental<br />

Protection Agency“ (EPA) bestätigt<br />

in einer vorläufigen Version ihrer Studie (6),<br />

dass Fracking Auswirkungen auf das nutzbare<br />

Grundwasser hat; ihr seien hunderte Fälle von<br />

Grundwasserkontaminationen bekannt, die<br />

Auswertung von Gefahrenmerkmalen bekannter,<br />

im Gasfeld Söhlingen eingesetzter Frac-Chemikalien<br />

unmittelbar mit Fracking zusammen hingen.<br />

Die Einarbeitung von annähernd 100.000 Kommentaren,<br />

die Kritiker des Entwurfs abgaben,<br />

dürfte die Aussage der finalen Fassung noch<br />

verschärfen.<br />

– Dass eine Grundwasserkontamination durch<br />

Frac‐Chemikalien immer zu besorgen ist, legt<br />

das Studienergebnis von Zacariah L. Hildenbrand<br />

und Kollegen nahe (7). Die Forscher hatten<br />

Schadstoffe im nutzbaren Grundwasser<br />

über der texanischen Barnett-Schieferformation<br />

nachgewiesen, deren Zusammenhang mit<br />

Frac‐Maßnahmen in der näheren Umgebung<br />

nicht auszuschließen war.<br />

– Die Forscher um den Endokrinologen Christopher<br />

D. Kassotis zeigen auf (8), dass eine<br />

ganze Reihe von Frac‐Chemikalien so genannte<br />

endokrine Disruptoren sind, die anstelle von<br />

Hormonen im menschlichen Körper wirken<br />

und dadurch teilweise schwerste Erkrankungen<br />

wie Krebs und Stoffwechselstörungen hervorrufen<br />

können.<br />

– Weil es weiter an Untersuchungen mangelt,<br />

die das Fracking als Ursache von<br />

Gesundheitsschäden methodisch robust beoder<br />

widerlegen könnten, fordern Madelon<br />

Vergleich zweier Auswertungsergebnisse<br />

LBEG / nds. Landesregierung (1) eigene Auswertung (4)<br />

Anzahl bewerteter Stoffe unbekannt 37<br />

akute gesundheitliche Toxizität 44 25<br />

spezifische Zielorgantoxizität 15 24<br />

kanzerogen 3 7<br />

reproduktionstoxisch 1 4<br />

mutagen 2 1<br />

reizend für Augen und (oder) Haut 51 32<br />

akute Wassertoxizität 3 4<br />

c hronische Wassertoxizität 7 9<br />

L. Finkel und Jake Hays (9) große epidemiologische<br />

Studien. Eine hat die „Marcellus<br />

Shale Initiative“ (10) im US-Bundesstaat<br />

Maryland mit Mitteln der nationalen Gesundheitsbehörde<br />

und mehreren zehntausend<br />

Teilnehmern bereits aufgelegt. Sie<br />

soll den Zusammenhang von Luftschadstoffen<br />

aus der Erdgasförderung und dem<br />

Auftreten von Asthma, anormalem Geburtsgewicht,<br />

Frühgeburten und anderen Auswirkungen<br />

auf die menschliche Gesundheit<br />

untersuchen.<br />

In Niedersachsen hingegen fehlt eine groß<br />

angelegte, epidemiologische Studie, die vor<br />

dem Hintergrund der alarmierenden Krebsraten<br />

gesundheitsschädliche Nebenwirkungen des<br />

Sandstein-Frackings im Lande untersucht, bis<br />

heute. Obwohl niemand die Schadstoffe aus der<br />

Gas‐Produktion als Ursache für die Rotenburger<br />

Krebshäufigkeit ausschließen kann, wollen<br />

Olaf Lies und Stefan Weil und vor allem Bundeswirtschaftsminister<br />

Sigmar Gabriel (SPD)<br />

das Fracking jetzt aber ganz schnell „rechtssicher“<br />

erlauben und so weiterhin Schäden an<br />

Umwelt und Gesundheit vieler riskieren – für<br />

den schnellen Profit einiger weniger. <br />

Anmerkungen:<br />

1. Niedersächsischer Landtag, Drucksache 17/3791 vom 7. Juli <strong>2015</strong>; http://kurzlink.de/<br />

LT_Nds_DS_17_3791<br />

2. Niedersächsischer Landtag, Drucksache 16/3591 vom 19. April 2011; http://kurzlink.<br />

de/LtNds_KA_Soehlingen<br />

3. Schomann, Carin: „Die toxische ‚heimische‘ Erdgasförderung“; in: WATERKANT,<br />

Jg. 30, <strong>Heft</strong> 2 (Juni <strong>2015</strong>), S. 29 f.<br />

4. Waldmann, Lenja: „Freie Fahrt fürs Fracking?“; in: WATERKANT, Jg. 30,<br />

<strong>Heft</strong> 2 (Juni <strong>2015</strong>), S. 27 f.<br />

5. LBEG: „Untersuchungen im Umfeld von Erdgasförderplätzen“, August <strong>2015</strong>; http://<br />

kurzlink.de/LBEG_Messkampagne<br />

6. EPA: „Assessment of the Potential Impacts of Hydraulic Fracturing for Oil and<br />

Gas on Drinking Water Resources“, Juni <strong>2015</strong>; http://kurzlink.de/EPA_<strong>2015</strong>_fracking<br />

(PDF)<br />

7. Hildenbrand, Zacariah Louis, et al.: „A Comprehensive Analysis of Groundwater<br />

Quality in The Barnett Shale Region“, 26. Juni <strong>2015</strong>; http://kurzlink.de/hildenbrandetal<br />

(Zusammenfassung, Studie nicht öffentlich)<br />

8. Kassotis, Christopher D., et al.: „Endocrine-Disrupting Chemicals and Oil and Natural<br />

Gas Operations: Potential Environmental Contamination and Recommendations<br />

to Assess Complex Environmental Mixtures“; 27. August <strong>2015</strong>; http://kurzlink.de/<br />

kassotis-et-al<br />

9. Finkel, Madelon L., und Hays, Jake: „Environmental and health impacts of ‘fracking’:<br />

why epidemiological studies are necessary“, 7. August <strong>2015</strong>; http://kurzlink.de/<br />

finkel-hays (Zusammenfassung, Studie nicht öffentlich)<br />

10. ohne Autor: „Geisinger Leads Marcellus Shale Initiative – Coalition explores the<br />

potential health effects of natural gas mining in the region“; Winter 2013; http://<br />

kurzlink.de/Marcellus_Shale_Ini


WAKA15-2_EF.indd 1 19.07.15 17:37<br />

| WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info |<br />

| 31 |<br />

Register<br />

Immer noch spannend:<br />

Unsere früheren Ausgaben<br />

ISSN 1611-1583<br />

Nr. 2 / 30. Jahrgang<br />

Juni <strong>2015</strong><br />

14.00 €<br />

Umwelt + Mensch + Arbeit in der Nordseeregion<br />

G7-Treffen in Elmau<br />

Meerespolitische Nullnummer<br />

Seite 7<br />

im 30. Jahrgang<br />

Unsere Unsere Themen Themen<br />

www.waterkant.info<br />

WWF-Studie: Der „Wert“ der Ozeane<br />

Was kostet das Meer?<br />

Seite 15<br />

MSRL-Umsetzung – Ausreden und große Lücken Seite 11<br />

Munition – Falsche Vorsorge, teure Nachsorge Seite 25<br />

Fracking – Gesetzes-Hektik und Liste des Grauens Seite 27, 29<br />

Trinkwasser in Gefahr – Die Folgen der Werra-Versalzung Seite 31<br />

25. BSH-Symposium • „Purple Beach“ • Helgolands Zukunftspläne • Seenotretter<br />

<strong>Heft</strong> 2 / <strong>2015</strong><br />

G 7: Meerespolitische Nullnummer; WWF und der<br />

„Wert“ der Ozeane; MSRL-Umsetzung;<br />

BSH-Symposium; „Purple Beach“; Helgolands Zukunft;<br />

Seenotretter in Not; Munition: Explosiver Spülsand;<br />

Freie Fahrt für Fracking?; Werratal: Trinkwasser in<br />

Gefahr<br />

<strong>Heft</strong> 1 / <strong>2015</strong><br />

Griechenland und der „Europäische Tag der Meere“;<br />

FAO-Leitlinien zur Kleinfischerei; Ems-Masterplan;<br />

Gülle und Stickstoff-Politik; Meeresschutz-Klage; Helgolands<br />

Kegelrobben; absurde A-20-Planung;<br />

CTH-Erweiterung Hamburg.<br />

<strong>Heft</strong> 4 / 2014<br />

Munitionsaltlasten, Shrimpszucht, Nicaragua-Kanal,<br />

Weservertiefung, Mikroplastik, Rysumer Nacken, Kaliabwässer,<br />

Milchquote, UN-Meerespolitik.<br />

<strong>Heft</strong> 3 / 2014<br />

Schwerpunkt 1: Kali/Nordseepipeline/Jadesystem/<br />

Kavernen; Nitratschwemme; Schwerpunkt 2: Flusszerstörung<br />

– Elbe, Weser, Ems; Küstenautobahn; Fehmarnbeltquerung;<br />

Offshore-Ausbau – rettungslos.<br />

<strong>Heft</strong> 2 / 2014<br />

Schwerpunkt zur Konferenz »Ein anderes Meer ist möglich!«;<br />

Bericht vom EMD 2014; Warum TTIP böse ist;<br />

24. BSH-Symposium; Kavernen-Pannen; K+S-Jade-<br />

Pipeline; Kiter im Wattenmeer; Ems-Sanierung;<br />

Elbvertiefung; Giftmülldeponie Bremerhaven.<br />

<strong>Heft</strong> 1 / 2014<br />

EMD-Schwerpunkt: Ressourcenjagd, Blaues Wachstum,<br />

Alternativ-Kongress, Frühkapitalismus an der Küste;<br />

Atommüll in Meeren; HELCOM-Chemiewaffen-Report /<br />

Gefährliches Strandgut; Offshore-Windkraft<br />

»Butendiek«; Kali-Nordseepipeline; BAYER<br />

Brunsbüttel (IX).<br />

<strong>Heft</strong> 4 / 2013<br />

»European Maritime Day«: Lasst es sein!; Maritimer<br />

Aktionsplan; Seerechts-Reform; Schutzgebiets-<br />

Management; Fischereipolitik: Zum Beispiel Mauretanien;<br />

Flucht übers Mittelmeer; Lärmschutz für Ozeane;<br />

Fracking-Debatte; Grundwasserstreit Wacken<br />

(Teil VIII); A-20-Urteil Bad Segeberg.<br />

++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++<br />

Themen älterer Ausgaben können in unserem<br />

Internet-Archiv recherchiert werden:<br />

www.waterkant.info<br />

Einzelheftpreise ab <strong>Heft</strong> 1 / 2009 siehe Bestellschein, für<br />

ältere Ausgaben auf Anfrage.<br />

Mitgliedschafts-Antrag<br />

Bestellschein<br />

☐ Ich unterstütze das Anliegen und die Arbeit des Projekts WATERKANT und beantrage deshalb eine Fördermitgliedschaft<br />

im Verein »Förderkreis WATERKANT e. V.«. Mein jährlicher Förderbeitrag beträgt ________ Euro (mindestens 50 Euro<br />

plus Summe X). Der Verein ist als gemeinnützig anerkannt, mein Förderbeitrag ist steuerlich absetzbar. Als Fördermitglied<br />

erhalte ich die Zeitschrift WATERKANT regelmäßig ohne weitere Kosten. Meine Mitgliedschaft läuft unabhängig<br />

vom Eintrittsdatum immer über ein Kalenderjahr. Es verlängert sich automatisch um ein weiteres Jahr, wenn es nicht<br />

schriftlich bis zum 30. September eines Jahres gekündigt wird.<br />

Anzahl der<br />

<strong>Heft</strong>e oder<br />

Abos<br />

Stückpreis<br />

pro<br />

<strong>Heft</strong><br />

Jahresabo<br />

inkl. Porto<br />

Ankreuzen<br />

Ankreuzen<br />

Einzelbestellung<br />

inkl. Porto<br />

<strong>Heft</strong>-Nummern z.B.:<br />

1-2009, 3-2010 usw.<br />

1 14,00 50,00 € 15,00 €<br />

2 10,00 80,00 € 22,00 €<br />

3 9,00 108,00 € 29,00 €<br />

4 8,00 128,00 € 36,00 €<br />

5 8,00 160,00 € 44,00 €<br />

6 8,00 192,00 € 52,00 €<br />

7 7,00 196,00 € 54,50 €<br />

8 7,00 224,00 € 61,50 €<br />

9 7,00 252,00 € 68,50 €<br />

10 6,00 240,00 € 65,50 €<br />

11 6,00 264,00 € 71,50 €<br />

12 6,00 288,00 € 77,50 €<br />

13 6,00 312,00 € 83,50 €<br />

14 6,00 324,00 € 89,50 €<br />

15 3,50 210,00 € 61,00 €<br />

mehr als 15 <strong>Heft</strong>e auf Anfrage<br />

Abonnement-Auftrag<br />

☐ Ich abonniere die Zeitschrift WATERKANT zu folgenden Konditionen: WATERKANT erscheint viermal jährlich, jeweils<br />

zum Quartalsende. Das Abonnement kostet 50 Euro jährlich einschließlich Porto und Verpackung (dieser Betrag ist<br />

nicht steuerlich absetzbar!). Ein Abonnement läuft immer über vier Ausgaben eines Kalenderjahres, bei Auftrag schon<br />

erschienene <strong>Heft</strong>e eines Jahrgangs werden nachgeliefert. Es verlängert sich automatisch um ein weiteres Jahr, wenn es<br />

nicht schriftlich bis zum 30. September eines Jahres gekündigt wird. Schüler, Studenten, Azubis und Hartz-IV-Empfänger<br />

bekommen gegen Nachweis 50 Prozent Rabatt.<br />

☐ Ich zahle gegen Rechnung.<br />

☐ Ich richte einen Dauerauftrag ein ausführbar bis 28. Februar für das laufende Bezugsjahr (Bankverbindung siehe<br />

Impressum, Seite 2).<br />

Schnupperauftrag<br />

☐ Bitte schicken Sie ein kostenloses Probeheft an folgende Anschrift (ich habe keinen Anspruch auf eine bestimmte<br />

Ausgabe):<br />

Adressänderung<br />

☐ Ich bitte zukünftig um Zustellung an folgende Anschrift:<br />

Vorname<br />

Name<br />

Straße<br />

PLZ + Ort<br />

Datum<br />

Unterschrift<br />

Mir ist bekannt, dass ich diese Bestellung innerhalb von 10 Tagen schriftlich bei folgender Bestell-Adresse widerrufen<br />

kann: Aboverwaltung WATERKANT, Kirchringstraße 2/12, 26736 Krummhörn-Loquard.<br />

Datum<br />

Unterschrift<br />

Bitte ausfüllen, zweifach (!) unterschreiben und faxen an: +49 - (0) 4927-18 79 778 oder per Post schicken.<br />

Bestellungen über das Internet (www.waterkant.info) sind ebenfalls möglich.


BIG Business Crime 3-2014<br />

| 32 | | WATERKANT | Sonderdruck | 3-15 | Unentgeltliche Verbreitung erlaubt © www.waterkant.info | Anzeigen<br />

INTERKOMM<br />

Wenn das Gute liegt so nah...<br />

* Gleiche Probleme - Neue Wege - Interkomm<br />

* Die Ernährung wieder in die eigenen Hände nehmen<br />

* Das Interkommseminar<br />

* Altersvorsorge jenseits von Wachstumszwängen<br />

* Kommune als mögliche Zukunftsvision<br />

Ein Schnupperabo 3 Monate frei Haus gibt es für nur<br />

7,50 €!<br />

Endet automatisch und muss nicht gekündigt werden!<br />

Gegen Vorkasse: Schein / Briefmarken / Bankeinzug.<br />

Bestellungen im Internet oder über CONTRASTE e.V., Schönfelderstr. 41A, 34121 Kassel<br />

www.contraste.org<br />

DIE MONATSZEITUNG FÜR SELBSTORGANISATION<br />

WELTFRAUENMARSCH<br />

Bericht vom Start der feministischen Karawane durch Europa.<br />

DIE FREIRAUMTAGE DORTMUND<br />

»Avanti«, die Bewegung für ein soziales Zentrum im Dortmunder<br />

Norden. Mit einer turbulenten Aktionswoche machte sie nun<br />

wieder von sich reden.<br />

WAS MACHT EIGENTLICH...?<br />

»Fans ohne Verein« haben heute einen selbstverwalteten<br />

Fanraum<br />

ERICH MÜHSAM<br />

Erich Mühsam erhoffte sich mit anarchistischen Siedlungsideen<br />

eine Lebensform zu finden.<br />

Kritische Ökologie 81<br />

Der dreckige grüne Marsch - Marokkos umstrittene erneuerbare Energie-Projekte<br />

in der besetzten Westsahara<br />

Vorbestellungen erwünscht unter:<br />

redaktion@kritische-oekologie.de<br />

Kostenbeitrag pro <strong>Heft</strong>:<br />

7 EUR + Versand<br />

Nähere Informationen:<br />

www.ifak-goettingen.de<br />

Nr. 1/<strong>2015</strong> 23. Jahrgang Vierteljahreszeitschrift Jahresabo: 30 € Ein <strong>Heft</strong>: 6,00 € ISSN 1861-6526<br />

Theorie, Praxis und Kritik der kriminellen Ökonomie<br />

Nr. 2/<strong>2015</strong> 23. Jahrgang Vierteljahreszeitschrift Jahresabo: 30 € Ein <strong>Heft</strong>: 6,00 € ISSN 1861-6526<br />

Theorie, Praxis und Kritik der kriminellen Ökonomie<br />

33 JAHRE<br />

ALTERNATIVE HAFENRUNDFAHRT<br />

Die etwas andere Hafenrundfahrt<br />

Umweltpolitik in Hamburg • Elbvertiefung<br />

Hafenerweiterung • Gewässerverschmutzung<br />

Termine <strong>2015</strong>: Gruppen- und Sonderfahrten ganzjährig auf Anfrage<br />

Regelmäßige Fahrten (Freitag):<br />

April: 3., 17. Mai: 1., 15., 29. Juni: 12., 26. Juli: 10., 24.<br />

August: 7., 21. Sept.: 4., 18. Oktober: 2., 16., 30.<br />

17.00 Uhr Anleger Vorsetzen (am roten Feuerschiff)<br />

EUR 11,00 (ermäßigt 10,00) pro Person.<br />

Förderkreis »Rettet die Elbe« eV<br />

www.rettet-die-elbe.de • foerderkreis@rettet-die-elbe.de Tel. 040/39 30 01<br />

anti<br />

atom<br />

bleibt<br />

aktuell<br />

Es gibt sie noch immer:<br />

die „Zeitung für die sofortige Stilllegung<br />

aller Atomanlagen“<br />

Und das ist gut. Denn<br />

schlechte Zeiten erfordern<br />

gute Zeitung<br />

anti at m aktuell<br />

Tollendorf 9 - 29473 Göhrde<br />

redaktion@anti-atom-aktuell.de<br />

BIG Business Crime 1-<strong>2015</strong><br />

BIG Business Crime 2-<strong>2015</strong><br />

Erich Schöndorf: Prima Klima in Lima<br />

Philipp Mimkes: Chemische Zeitbomben<br />

Tomasz Konicz: IS – globaler Terrorkonzern<br />

Ecuador: Der Fall Chevron-Texaco<br />

BESTELLUNG:<br />

BCC, Postfach 1575<br />

63465 Maintal<br />

auch über Fax:<br />

06181/47913<br />

oder per E-mail:<br />

hi-waltemate@web.de<br />

www.businesscrime.de<br />

GID-Probeheft jetzt für 5 Euro + Porto!<br />

Gen-ethisches Netzwerk e.V.<br />

Burkhard Ilschner: Korrupte Seefahrt?<br />

Rolf Gössner: Tarnname „Verfassungsschutz“<br />

Christoph Rinneberg: Big Data + Big Business<br />

Peter Menne: Der Fall Fassbinder<br />

Nr. 3/2014 22. Jahrgang Vierteljahreszeitschrift Jahresabo: 30 € Ein <strong>Heft</strong>: 6,00 € ISSN 1861-6526<br />

Theorie, Praxis und Kritik der kriminellen Ökonomie<br />

Zum 80. Geburtstag von Hans See<br />

Herbert Stelz: TTIP – Diktatur des Kapitals?<br />

Joachim Maiworm: Kriegsrauschen<br />

Heidemarie Heubach: Todsichere Arzteingriffe<br />

Zeitschrift<br />

mit Informationen und Kritik<br />

zu Gentechnik und Biopolitik<br />

GID 231 • Titelthema:<br />

GENDIAGNOSTIK 3.0?<br />

Neue Sequenziertechnologien<br />

030/685 70 73, gen@gen-ethisches-netzwerk.de<br />

www.gen-ethisches-netzwerk.de<br />

1<br />

1<br />

1

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!