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Die Neue Hochschule Heft 5/2015

Zeitschrift des hlb Hochschullehrerbund e.V. Themenschwerpunkt: Citizen Science - Wissenschaft mitten in der Gesellschaft

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WISSENSWERTES 171<br />

Gleichberechtigung für Männer – auch für sie muss die<br />

Gleichstellungsbeauftragte tätig werden<br />

Das Oberverwaltungsgericht (OVG)<br />

Münster hat in einem Urteil vom 19.<br />

Juni <strong>2015</strong> (Az. 6 A 589/12) entschieden,<br />

dass bei einer Versetzung oder anderen<br />

personellen Maßnahmen die Gleichstellungsbeauftragte<br />

auch dann tätig werden<br />

muss, wenn der Betroffene eine<br />

Person männlichen Geschlechts ist und<br />

ihre Mitwirkung sogar dann obligatorisch<br />

ist, wenn auf die Mitwirkung der<br />

Beauftragten verzichtet wird. In diesem<br />

Fall ging es um eine Versetzung eines<br />

Kanzlers an einer Fachhochschule aufgrund<br />

einer zuvor ergangenen Disziplinarverfügung.<br />

Im Rahmen des Versetzungsverfahrens<br />

wurde die Gleichstellungsbeauftragte<br />

nicht beteiligt, weil die<br />

<strong>Hochschule</strong> angesichts eines aus ihrer<br />

Sicht „im Sinne der Gleichstellung<br />

günstigen Verhältnisses zwischen<br />

männlichen und weiblichen Beschäftigten“<br />

die Einschaltung der Gleichstellungsbeauftragten<br />

der Bezirksregierung<br />

nicht für erforderlich hielt. Das OVG<br />

hat nun entschieden, dass die Versetzung<br />

schon allein deswegen rechtswidrig<br />

war, weil die Versetzung ohne Beteiligung<br />

der Gleichstellungsbeauftragten<br />

der Fachhochschule durchgeführt<br />

wurde.<br />

Landesgleichstellungsgesetz schütze<br />

nicht nur Frauen<br />

Das Gericht urteilte, dass es sich bei<br />

einer Versetzung um eine „personelle<br />

Maßnahme“ handele, die der Mitwirkung<br />

des Gleichstellungsbeauftragten<br />

unterliege. Der Kanzler sei, so das Ge -<br />

richt, auch Beschäftigter im Sinne des<br />

Landesgleichstellungsgesetzes gewesen.<br />

Der Kreis der mitwirkungspflichtigen<br />

Maßnahmen werde nicht auf solche<br />

Maßnahmen eingeengt, die „frauenrelevant“<br />

sind. Denn das Ziel des Landesgleichstellungsgesetzes<br />

spreche nicht<br />

lediglich die Situation der Frauen an.<br />

Vielmehr diene das Gesetz der Verwirklichung<br />

des Grundrechts der Gleichberechtigung<br />

von Frauen und Männern,<br />

das auch den Schutz der Männer bezwecke.<br />

Das Landesgleichstellungsgesetz<br />

habe eine Abkehr von der primären<br />

Frauenförderung vollzogen, weswegen<br />

eben der Gesetzgeber die Bezeichnung<br />

„Gleichstellungsbeauftragte“ gewählt<br />

habe und nicht etwa „Frauenbeauftragte“.<br />

Auch das Hochschulzukunftsgesetz<br />

in der Fassung 2006 sei trotz seines<br />

damaligen Wortlauts nicht auf frauenrelevante<br />

Maßnahmen beschränkt gewesen<br />

und enge das Landesgleichstellungsgesetz<br />

ebenfalls nicht ein.<br />

Versetzungsverfügung schon formell<br />

rechtswidrig<br />

Somit hätte, so das Gericht, die Gleichstellungsbeauftragte<br />

der Fachhochschule<br />

im Versetzungsverfahren beteiligt<br />

werden müssen. <strong>Die</strong> <strong>Hochschule</strong> hätte<br />

wiederum vorher die Gleichstellungsbeauftragte<br />

unterrichten und anhören<br />

und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme<br />

geben müssen. Da dies nicht erfolgte,<br />

sei allein deswegen die Versetzung<br />

rechtswidrig.<br />

Verzicht auf Beteiligung unwirksam<br />

Unerheblich sei, so das OVG Münster,<br />

dass die Gleichstellungsbeauftragte ihre<br />

Beteiligung nicht für erforderlich hielt.<br />

Denn die Vorschriften des Landesgleichstellungsgesetzes<br />

stünden weder<br />

zur Disposition der Gleichstellungsbeauftragten<br />

noch der <strong>Hochschule</strong>. <strong>Die</strong><br />

Gleichstellungsbeauftragte habe in<br />

jedem Fall von den ihr durch Gesetz<br />

eingeräumten Beteiligungsrechten<br />

pflichtgemäß Gebrauch zu machen.<br />

Dass auch mit Beteiligung der Gleichstellungsbeauftragten<br />

möglicherweise<br />

die gleiche Entscheidung getroffen worden<br />

wäre, ändere an dieser Entscheidung<br />

nichts, weil jedenfalls die Möglichkeit<br />

bestehe, dass ohne den Fehler<br />

eine andere Entscheidung getroffen<br />

worden wäre.<br />

Fazit<br />

Oftmals wird bei Verwendung des Be -<br />

griffs „Gleichstellung“ vorausgesetzt,<br />

dass Maßnahmen in Rede stehen müssen,<br />

die ausschließlich Frauen treffen.<br />

Das OVG Münster tritt einmal mehr<br />

dieser Auffassung entgegen und macht<br />

deutlich, dass das Landesgleichstellungsgesetz<br />

als echtes Gleichstellungsgesetz<br />

zu verstehen ist. Darüber hinaus<br />

ist nun klar, dass ein Verzicht auf Beteiligung<br />

der Beauftragten nicht wirksam<br />

erklärt werden kann, weil sich insofern<br />

weder die Gleichstellungsbeauftragte<br />

selbst noch die <strong>Hochschule</strong> ihrer vom<br />

Gesetzgeber eingeräumten Rechte begeben<br />

können. Vielmehr ergibt sich aus<br />

der Rechtezuteilung gleichzeitig auch<br />

eine Pflicht zum Tätigwerden.<br />

Christian Fonk<br />

DNH 5 ❘ <strong>2015</strong>

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