GLücksDueLL recycLinG Dr. FriGO VeGetarische ... - WWF Schweiz
GLücksDueLL recycLinG Dr. FriGO VeGetarische ... - WWF Schweiz
GLücksDueLL recycLinG Dr. FriGO VeGetarische ... - WWF Schweiz
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Die <strong>WWF</strong>-Beilage in der sonntagsZeitung 21. Oktober 2012<br />
Gut<br />
Geniessen<br />
Lars BOrGes FOtO<br />
<strong>GLücksDueLL</strong><br />
Welche Wertebilder der<br />
Basler Regierunspräsident und<br />
die Chefin des Schuh-Herstellers<br />
Künzli miteinander teilen.<br />
seite 4<br />
<strong>VeGetarische</strong><br />
aVantGarDe<br />
Wie Starkoch Michael Hoffmann mit<br />
seiner Gemüseküche die Gäste verzückt.<br />
seite 11<br />
<strong>recycLinG</strong><br />
Wieso es sich lohnt,<br />
seine in die Jahre gekommene<br />
Spülmaschine zu ersetzen –<br />
Reportage vom Recyclinghof.<br />
seite 7<br />
naturpark<br />
Wie im Berner Diemtigtal eine<br />
einmalige Symbiose von<br />
nach haltigem Tourismus und Landschaftspflege<br />
entwickelt wurde.<br />
seite 8<br />
<strong>Dr</strong>. <strong>FriGO</strong><br />
Was der Ernährungspsychologe<br />
Max Schlorff aus einem<br />
karg alimentierten Kühlschrank<br />
herauslesen kann.<br />
seite 13
<strong>WWF</strong> Beilage SonntagsZeitung | deutsch | Generation M > Weiher 2 | Format 297 x 440 mm | DU: 01.10.2012 | Ersch.: 21.10.2012<br />
Wir versprechen Lisa, bis 2015 über<br />
200 000 Kinder und Jugendliche<br />
für Umweltthemen zu sensibilisieren.<br />
Die Migros unterstützt das Umweltbildungsprogramm des<br />
<strong>WWF</strong> <strong>Schweiz</strong> und hilft so, die Jugend einen bewussten<br />
Umgang mit der Natur zu lehren. Mit diesem und zahlreichen<br />
weiteren verbindlichen Versprechen engagieren wir uns<br />
für die Generation von morgen.<br />
Mehr auf<br />
generation-m.ch
GUT GENIESSEN — Die <strong>WWF</strong>-Beilage in der SonntagsZeitung — 21. Oktober 2012 WILLKOMMEN — 3<br />
Ethik und Ästhetik<br />
Mit diesem Konsumverhalten machen Sie jederzeit eine besonders gute Figur<br />
cORINa GySSLER TExT<br />
ThE cOMET SUBSTaNcE ILLUSTRaTION<br />
2 — Fisch-Infos<br />
in Restaurants<br />
Kritischen Gourmets war schon<br />
lange ein Dorn im Auge, dass es<br />
in hiesigen Restaurants keine Deklarationspflicht<br />
für Fisch und<br />
Meeresfrüchte gibt. Das will der<br />
Bankangestellte Werner Feuz nun<br />
ändern. Zusammen mit Mitstudierenden<br />
aus einem Lehrgang für<br />
Umweltberatung und -kommunikation<br />
adaptiert er die aus England<br />
stammende Informationsplattform<br />
fish2fork auf <strong>Schweiz</strong>er Verhältnisse.<br />
Bereits heute sind 52 Lokale<br />
bewertet, weitere werden folgen.<br />
www.fish2fork.com/switzerland<br />
3 — Shoppen mit Panda<br />
Bequem bargeldlos einkaufen lässt<br />
sich mit einer speziellen <strong>WWF</strong>-<br />
Kredit karte. Damit kann zweifach<br />
Gutes getan werden: umweltverträgliche<br />
Produkte erwerben und gleichzeitig<br />
den <strong>WWF</strong> unterstützen. Und<br />
erst noch ohne Mehrkosten. Für jede<br />
neu verkaufte Kreditkarte erhält der<br />
<strong>WWF</strong> 50 Franken für seine Umweltarbeit,<br />
für jedes Verlängerungsjahr<br />
weitere 25 Franken – individuelles<br />
Karten-Design inklusive. Ein <strong>WWF</strong>-<br />
Kreditkartenantrag der Cornèr Bank<br />
ist diesem Bund beigelegt.<br />
1 — Boulevard Feeling<br />
Sie bekommen überraschend Besuch. Im Kühlschrank steht gerade noch eine<br />
Flasche Wein. Und ein Glas sizilianischer Oliven. Fehlt nur der stimmungs volle<br />
Rahmen für den Spontan-Apéro. In solchen Notfällen hilft tapatri, ein Mini-<br />
Salontisch aus einheimischem FSC-Holz, der sich mit wenigen Handgriffen<br />
aufstellen lässt. Erhältlich in diversen Farben, ab 250 Franken. www.tapatri.ch<br />
4 — Recycling app<br />
Weltmeister im Recycling sind wir <strong>Schweiz</strong>er schon lange. Damit<br />
die Themenführerschaft weiterhin behauptet werden kann, gibt es jetzt<br />
eine Online-Plattform, welche die 12’000 <strong>Schweiz</strong>er Sammelstellen in<br />
Gemeinden, beim Detailhandel oder bei Recycling-Unternehmen aufführt.<br />
Auf www.recycling-map.ch ist auf den ersten Blick erkennbar,<br />
welche Stoffe bei den einzelnen Sammelstellen abgegeben werden können.<br />
Zudem kann gezielt nach einer Abgabestelle für ein bestimmtes<br />
Sammelgut gesucht werden – auch als App fürs iPhone.<br />
www.recycling-map.ch<br />
5 — Fair & Beautiful<br />
Viele schöne Dinge mit Stil, fair produziert und<br />
nachhaltig konzipiert – dieses Genussprogramm<br />
hat Changemaker erfolgreich gemacht. Nach<br />
Läden in Basel, Bern, Luzern, Thun und Zürich,<br />
wurde nun in Winterthur bereits die sechste<br />
Filiale der schicken Öko-Boutique eröffnet.<br />
Mehr Infos unter: www.changemaker.ch<br />
EDITORIaL<br />
IMPRESSUM<br />
Bewusst<br />
geniessen<br />
Sie haben ein hohes Einkommen, ein<br />
Haus, zwei Autos, eine Ferienwohnung<br />
und sind doch nicht wirklich glücklich?<br />
Dann sollten Sie vielleicht einen Paradigmenwechsel<br />
in Betracht ziehen –<br />
vom «homo oeconomicus» zum «homo<br />
oecologicus». Dass Geld und materielle<br />
Dinge nur beschränkt glücklich<br />
machen, wissen wir intuitiv. Dass ein<br />
nachhaltiges Verhalten massgeblich zu<br />
unserem Wohlbefinden beiträgt, ist gut<br />
belegt, doch nur wenigen bekannt.<br />
Barbara Artmann, CEO von Swiss<br />
Künzli Schuh, und Guy Morin, Regierungspräsident<br />
Basel-Stadt, haben<br />
ihren ökologischen Fussabdruck berechnet<br />
und diskutieren im Gespräch<br />
darüber (Seite 4). Sternekoch Michael<br />
Hoffmann hat es in Berlin mit seinem<br />
Restaurant an die Spitze der Gastronomie<br />
geschafft. Im Margaux kocht er mit<br />
Leidenschaft nach seiner Vision einer<br />
nachhaltigen modernen Spitzenküche,<br />
in der Ethik und Genuss zusammen<br />
gehen.<br />
Der regionale Naturpark Diemtigtal<br />
schafft den Spagat zwischen Alp- und<br />
Holzwirtschaft, Gewerbe und Tourismus.<br />
Reisen Sie mit uns ins Diemtigtal,<br />
lernen Sie Geissenpetersalat, Kaffeeseife<br />
und spannende Menschen kennen,<br />
die hier mit Herz und Seele Naturtourismus<br />
betreiben.<br />
Ich wünsche Ihnen eine spannende<br />
Lektüre – und viel Spass beim guten<br />
Geniessen!<br />
Thomas Vellacott<br />
CEO <strong>WWF</strong> <strong>Schweiz</strong><br />
«Gut geniessen»<br />
ist eine <strong>WWF</strong>-Publikation zu mehr Nachhaltigkeit<br />
im Konsum und wird zweimal<br />
jährlich der SonntagsZeitung beigelegt.<br />
Projektleitung <strong>WWF</strong>:<br />
Corina Gyssler<br />
Konzept/Redaktion:<br />
Christoph Doswald<br />
Redaktionelle Mitarbeit:<br />
Lars Borges, Corina Gyssler, Heiko Hoffmann,<br />
Ronny Hunger, Gaby Labhart, Lukas<br />
Lessing, Michael Lütscher, Kaspar Meuli,<br />
Massimo Milano, Elisabeth Real, Mirko<br />
Ries, Max Schlorff, Katharina Serafimova,<br />
Jennifer Zimmermann, Manuel Zingg<br />
Bildredaktion:<br />
Teresa Salerno<br />
Gestaltungskonzept, Art Direction:<br />
Tobias Peier<br />
Bodara GmbH, Büro für Gebrauchsgrafik<br />
Layout:<br />
Bahar Büyükkavir, Helen Ebert, Mark Adam<br />
Bodara GmbH, Büro für Gebrauchsgrafik<br />
Kontakt:<br />
<strong>WWF</strong> <strong>Schweiz</strong><br />
Beilage SonntagsZeitung<br />
Hohlstrasse 110<br />
Postfach<br />
8010 Zürich<br />
Telefon 044 297 21 21<br />
gutgeniessen@wwf.ch<br />
MaSSIMO MILaNO ILLUSTRaTION
4 — inTerVieW 21. oktober 2012 — Die WWf-Beilage in der sonntagszeitung — guT geniessen<br />
zwischen Bio-Baumwolle, mobility und anti-akW-Demos: Wie künzli-Chefin Barbara artmann<br />
und der Basler regierungspräsident guy morin ihre glücksvorstellungen definieren<br />
kaspar meuli TeXT<br />
manuel zingg foTos<br />
Herr Morin, Sie tragen<br />
Künzli Schuhe. War das ein Tipp<br />
Ihrer Stilberaterin?<br />
Morin: Ich habe meiner Stilberaterin<br />
aufgetragen, mir Produkte aus der<br />
<strong>Schweiz</strong> zu empfehlen. Ich achte darauf,<br />
möglichst lokal Hergestelltes zu kaufen<br />
und habe all die Jahre als Regierungsrat<br />
versucht, mich mit Labels aus Basel<br />
oder der <strong>Schweiz</strong> einzukleiden. Zudem<br />
schaue ich auf Dinge wie Bio-Baumwolle<br />
und Fairtrade.<br />
Frau Artmann, macht es Sie stolz,<br />
dass Herr Morin Ihre Schuhe trägt?<br />
Artmann: Unbedingt!<br />
Was tun Sie umgekehrt für seine<br />
Sache? Wählen Sie grün?<br />
Artmann: Ich bin als Unternehmerin<br />
zwar grundsätzlich liberal eingestellt –<br />
gelb-blau, wie man bei uns in Bayern<br />
sagt –, aber mit grossen grünen Flecken.<br />
Immer schon.<br />
Sehen wir uns Ihre Hausaufgaben an.<br />
Sie haben beide auf dem neuen<br />
<strong>WWF</strong>-Rechner Ihren ökologischen<br />
Fussabdruck berechnet. Was glauben<br />
Sie, Frau Artmann, wie hat<br />
Herr Morin dabei abgeschnitten?<br />
Artmann: Ich kann mir vorstellen, dass<br />
er insgesamt besser abschneidet als ich.<br />
Um sagen zu können, wo genau seine<br />
ökologischen Stärken und Schwächen<br />
liegen, kenne ich ihn zu wenig. Aber<br />
nachdem, was ich soeben gehört habe,<br />
scheint er sich in allen Bereichen sehr<br />
bewusst zu verhalten.<br />
Und Sie Herr Morin, wo glauben Sie,<br />
liegen Frau Artmanns Stärken?<br />
Morin: So wie ich Künzli wahrnehme, ist<br />
das ein relativ umweltbewusstes Unternehmen.<br />
Es setzt auf lokale Produktion<br />
und verwendet Bioleder. Deshalb denke<br />
ich, dass sich Frau Artmann auch privat<br />
in vielen Bereichen bewusst verhält.<br />
Schauen wir uns Ihre Fussabdrücke<br />
an. Wie viele Planeten bräuchten Sie,<br />
Frau Artmann, für Ihren Lebensstil?<br />
Artmann: Mein Fussabdruck liegt bei<br />
3,2. Die grossen Ausreisser habe ich bei<br />
«Wohnen» und «Energie». Das ist halt<br />
so eine Sache. Ich wohne zur Miete in<br />
einem 200 Jahre alten Haus, und das<br />
hat eine Ölheizung. Um mich in diesem<br />
Bereich zu verbessern, bleibt eigentlich<br />
nur das Umziehen. Und, das gebe<br />
ich zu, ich wohne allein in einer viel<br />
zu grossen Wohnung. Das hat meinen<br />
Footprint total zerschossen.<br />
Es gibt bestimmt auch positive<br />
Bereiche, die Ihren Fussabdruck<br />
nach unten ziehen.<br />
Artmann: Bei der Mobilität schneide<br />
ich gut ab. Das hat aber auch damit zu<br />
«Was mir am meisten<br />
fehlt, ist Zeit.»<br />
tun, dass man beim Rechner nach seinem<br />
Verhalten im Privatleben gefragt<br />
wird. Doch ich versuche schon auch<br />
geschäftlich, die grobe Reiserei möglichst<br />
zu vermeiden. Aber ich habe ein<br />
Auto, und ich fahre gerne Auto. Bei der<br />
Ernährung sieht’s besser aus: Ich kaufe<br />
fast nur Bioprodukte – aber als Bayerin<br />
mag ich halt gerne mal ein Wurstbrot.<br />
Was ich noch sagen wollte: Eine bewusste<br />
Lebensweise hat für mich vor<br />
allem mit Rücksicht auf kommende<br />
Generationen zu tun. Ich kaufe Bio, um<br />
möglichst wenig <strong>Dr</strong>eck in die Umwelt<br />
zu bringen.<br />
Wie steht es bei Ihnen, Herr Morin.<br />
Wie viele Planeten verbrauchen Sie?<br />
Morin: Zwei.<br />
naChhalTig glüCkliCh<br />
nachhaltiges Verhalten fördert<br />
das Wohlbefinden. Das zeigt<br />
die glücksforschung. menschen,<br />
die auf innere Werte setzen,<br />
die in ihrem alltag der natur<br />
und umwelt sorge tragen und<br />
sich zeit für freunde, familie<br />
und für die natur nehmen,<br />
sind zufriedener als jene, die<br />
Vorbildlich …<br />
Morin: … ich bin froh, damit unter dem<br />
<strong>Schweiz</strong>er Durchschnitt zu liegen.<br />
Wie sieht es im Detail aus?<br />
Morin: Wir haben kein Auto, sondern<br />
sind Mitglied bei Mobility. Ich fahre mit<br />
dem Velo zur Arbeit und brauche Zug<br />
und Tram. Die Mobilität ist sicher ein<br />
Bereich, in dem wir uns auch als Familie<br />
sehr bewusst verhalten. Beim Wohnen<br />
schneiden wir relativ gut ab, weil wir<br />
zu viert in einem kleinen Reiheneinfamilienhaus<br />
mit etwa 130 m 2 Wohnfläche<br />
leben. Wir haben eine Gasheizung,<br />
Solarpannels auf dem Dach fürs warme<br />
Wasser, beziehen Strom mit einem<br />
Öko-Label, meine Frau fährt einen<br />
Elektroscooter …<br />
ausschliesslich auf statussymbole<br />
setzen. finden sie heraus,<br />
ob diese These auch auf sie<br />
zutrifft. Der WWf begleitet sie<br />
bei ihrem persönlichen glücksexperiment<br />
mit Tipps und spannenden<br />
gedankenanstössen:<br />
www.wwf.ch/gluecks-experiment<br />
… Ihr Lebensstil ist schon fast<br />
beängstigend umweltverträglich.<br />
Reisen Sie denn nicht auch hin<br />
und wieder mit dem Flugzeug?<br />
Morin: Mit der Familie extrem selten.<br />
Wir haben letztes Jahr eine grosse Reise<br />
in die USA gemacht, wo mein Zwillingsbruder<br />
lebt. Und wir sind vor Jahren mal<br />
mit der Familie nach Portugal geflogen.<br />
Sonst reisen wir nicht mit dem Flugzeug.<br />
Lassen Sie uns über Ihre Konsumgewohnheiten<br />
sprechen. Im Durchschnitt<br />
geben die <strong>Schweiz</strong>erinnen und<br />
<strong>Schweiz</strong>er tausend Franken pro Monat<br />
für nicht lebenswichtige Dinge aus.<br />
Artmann: Bei mir dürfte das in etwa<br />
stimmen. Ich shoppe gerne, das gebe<br />
ich zu. Besonders Klamotten und Bü-<br />
«ich muss ja modisch daherkommen,<br />
schliesslich vertrete ich eine modemarke»:<br />
künzli-Chefin Barbara artmann<br />
cher. Ich muss ja auch modisch daherkommen<br />
– schliesslich vertrete ich eine<br />
Modemarke. Da schauen die Leute ganz<br />
genau, was ich anhabe.<br />
Morin: Ich liege wohl etwas unter dem<br />
Durchschnitt, denn ich habe gar keine<br />
Zeit zum Einkaufen – und oft auch keine<br />
Lust. Wenn meine Frau und meine<br />
Kinder in den Ferien shoppen gehen,<br />
lese ich irgendwo in einem Café ein<br />
Buch.<br />
Die Glücksforschung zeigt, dass<br />
zusätzlicher Wohlstand nur bis zu<br />
einem bestimmten Punkt glücklicher<br />
macht. Teilen Sie die Ansicht, dass<br />
weniger mehr sein kann?<br />
Artmann: Unbedingt. Ich habe das<br />
ja selbst erlebt. Ich war Bankerin mit<br />
dem üblichen Schmerzensgeld statt<br />
Gehalt …<br />
… Schmerzensgeld?<br />
Artmann: Ja, so sag ich dem, aber das<br />
ist sehr persönlich. Es war spannend,<br />
aber nicht die richtige Rolle für den<br />
Rest meines Lebens. Ich habe also dieses<br />
Geld schön gesammelt und damit<br />
Künzli übernommen. Heute beträgt
GuT GEnIESSEn — Die <strong>WWF</strong>-Beilage in der SonntagsZeitung — 21. Oktober 2012 InTERVIEW — 5<br />
«Ich achte darauf, möglichst<br />
lokal Hergestelltes zu kaufen»: Basels<br />
Regierungspräsident Guy Morin<br />
mein Lohn einen Bruchteil von dem,<br />
was ich bei der Bank verdient habe. Davon<br />
kann ich wunderbar leben, und ich<br />
bin glücklich mit meiner Aufgabe.<br />
Sie, Herr Morin, waren früher<br />
Hausarzt. Waren Sie damals<br />
glücklicher als heute?<br />
Morin: Die beiden Tätigkeiten sind so<br />
nicht vergleichbar. Als Arzt hatte ich<br />
es mit Menschen zu tun, die akute Not<br />
leiden. Das war sehr berührend, manchmal<br />
aber auch eine grosse Last. Die zeitliche<br />
Belastung im Amt des Regierungspräsidenten<br />
hat zugenommenm und ich<br />
stehe heute mehr in der Öffentlichkeit,<br />
in Vertretung der ganzen Stadt … doch<br />
beide Tätigkeiten sind sinnvoll und erfüllen<br />
mich mit grosser Zufriedenheit.<br />
Macht Sie das nun glücklicher<br />
oder unglücklicher?<br />
Morin: Ich fühle mich heute wohl und<br />
habe mich auch mit meiner Praxis wohl<br />
gefühlt. Meine Biographie stimmt so.<br />
Obwohl ich sie nicht geplant habe und<br />
obwohl da sehr viele Zufälle mitgespielt<br />
haben.<br />
Artmann: Das geht mir genau so!<br />
Morin: Ich sehe es als grosses Privileg,<br />
dass ich mich in jeder Lebenssituation<br />
wohl gefühlt habe – mehr oder weniger.<br />
Was mir am meisten fehlt, ist Zeit. Zeit<br />
mit meiner Frau, Zeit mit mir selbst. Mal<br />
einen Spaziergang machen, ein Buch lesen<br />
können oder musizieren. Das ist für<br />
mich das höchste Gut. Ein schöner Moment<br />
in einer Beziehung oder allein ist<br />
viel mehr wert als aller Konsum.<br />
Trotzdem: Verdienen Sie heute mehr<br />
oder weniger als früher als Arzt?<br />
Morin: Als Hausarzt ist man unter den<br />
Ärzten eher in einer unteren Lohnkategorie.<br />
Ich machte etwa 350’000 Franken<br />
Umsatz; mein Verdienst betrug rund<br />
die Hälfte davon. Heute ist mein Lohn<br />
höher, aber im Portemonnaie bleibt<br />
nicht wirklich mehr übrig. Ich muss<br />
viel höhere Steuern bezahlen und Abgaben<br />
an meine Partei abliefern; und<br />
ich muss auch in Wahlen investieren.<br />
Wo liegt denn die Grenze, ab der mehr<br />
Wohlstand nicht zusätzliches Glück<br />
verschafft. Haben wir sie in der <strong>Schweiz</strong><br />
schon alle überschritten?<br />
Artmann: Nein, sicher nicht! Es gibt<br />
auch in der <strong>Schweiz</strong> viele Leute, die ge-<br />
rade so über die Runden kommen. Das<br />
sehe ich auch bei unseren Mitarbeitern<br />
in der Produktion. Man muss schon<br />
sehen, dass viele Menschen mit einem<br />
Minimum leben. Doch man muss<br />
sich auch fragen, was es denn wirklich<br />
braucht zum Leben. Für mich sind das:<br />
zu essen, zu lesen und jeden Morgen<br />
eine warme Dusche. Der Rest ist Luxus,<br />
aber den geniesse ich auch gern.<br />
Was benötigt denn Ihrer Meinung<br />
nach eine vierköpfige Familie, um in<br />
der <strong>Schweiz</strong> gut leben zu können?<br />
Artmann: An Geld? Das vermag ich<br />
nicht zu beurteilen.<br />
Und für Sie, Herr Morin, wo liegt<br />
das Grenzeinkommen, das nicht noch<br />
glücklicher macht?<br />
Morin: Ich denke, wenn man als vierköpfige<br />
Familie unbesorgt leben will,<br />
braucht man schon 80’000 Franken im<br />
Jahr. Wir sind zwar eines der reichsten<br />
Länder, doch auch die Lebenshaltungskosten<br />
sind hoch. Kommt dazu,<br />
Frau Artmann hat es gesagt, die Wohlstandsunterschiede<br />
sind gross. Gerade<br />
in einer Stadt wie Basel gibt es soziale<br />
Not. Bei uns leben rund zehn Prozent<br />
DER öKOLOGISCHE FuSSABDRuCK<br />
Der ökologische Fussabdruck<br />
ermittelt die<br />
nachhaltigkeit unseres<br />
individuellen Lebensstils.<br />
Barbara Artmanns und<br />
Guy Morins jeweiliger Fussabdruck<br />
wurden vor<br />
dem Gespräch ermittelt.<br />
— Ernährung<br />
— Mobilität<br />
— Wohnen und Energie<br />
— Konsum<br />
— öffentliche Dienstleistungen<br />
Guy MORIn<br />
Guy Morin (56) ist seit 2005<br />
Vertreter der Grünen in der<br />
Regierung von Basel-Stadt.<br />
2008 wurde er zum ersten<br />
vollamtlichen Regierungspräsidenten<br />
gewählt und<br />
ist damit auch<br />
der Basler<br />
BARBARA ARTMAnn<br />
Barbara Artmann:<br />
3,2 Planeten<br />
Barbara Artmann (51)<br />
ist Besitzerin und Chefin<br />
der Kult-Schuh firma Künzli<br />
in Windisch (AG), die sie<br />
2004 übernommen hat.<br />
Künzli, ein Traditionsunter-<br />
der Menschen am Existenzminimum,<br />
für eine vierköpfige Familie sind das<br />
etwa 40’000 Franken im Jahr.<br />
Besonders für junge Menschen tönt<br />
«Weniger ist mehr!» nicht nach einem<br />
erstrebenswerten Lebensentwurf. Sie<br />
haben mal von Ihrem Sohn erzählt,<br />
Herr Morin, und gesagt, dass er noch<br />
nicht den Grünen beitreten wolle, da<br />
er sich zuerst noch etwas Spass gönnen<br />
möchte im Leben.<br />
Morin: Ja, das hat er so ähnlich gesagt.<br />
Er hat dabei Grünsein mit sich einschränken<br />
verbunden. Das muss aber<br />
nicht sein. Es gibt auch einen verantwortlichen<br />
Lebensstil – und das finde<br />
ich ganz wichtig –, bei dem man sehr<br />
viel Spass und Genuss haben kann.<br />
Spass haben bedeutet doch nicht nur<br />
konsumieren! Spass ist: Zeit haben,<br />
mit Kolleginnen und Kollegen zusammen<br />
sein können, festen und feiern. In<br />
Basel sehen das viele Jugendliche genau<br />
so. Sie fordern Freiräume, weil sie ohne<br />
Konsum zwang Party machen wollen.<br />
Das Glückskonzept, das Sie<br />
hoch halten, steht auch für mehr Musse<br />
und weniger Stress bei der Arbeit.<br />
Optimal:<br />
1 Planet<br />
Stadtpräsident. Er ist in<br />
seiner Funktion für Kultur<br />
und Stadtmarketing, die<br />
Kantons- und Stadtentwicklung<br />
und das Statistische<br />
Amt verantwortlich und ist<br />
für die Integrations-<br />
und Gleichstel-<br />
<strong>Dr</strong>. Guy Morin:<br />
2,1 Planeten<br />
nehmen, stellt Medizinal-<br />
und Sportschuhe her und<br />
beschäftigt rund 30 Mitarbeitende.<br />
Barbara Artmann<br />
stammt aus Bayern, hat<br />
Psychologie und Betriebs-<br />
Welt-Durchschnitt:<br />
1,5 Planeten<br />
lungspolitik zuständig.<br />
Ende Oktober stellt er sich<br />
der Wiederwahl. Guy Morin<br />
hat Medizin studiert und<br />
danach als Hausarzt praktiziert.<br />
Er ist verheiratet<br />
und hat zwei erwachsene<br />
Kinder.<br />
wirtschaft studiert und<br />
danach unter anderem in<br />
der Finanz branche gearbeitet.<br />
Zuletzt wirkte sie<br />
in einer Füh rungsposition<br />
bei der uBS.<br />
Sie beide aber sind ausgesprochene<br />
Work aholics. Wie geht das zusammen?<br />
Artmann: Stimmt, am Anfang als ich<br />
Künzli übernommen habe, habe ich 16<br />
Stunden am Tag gearbeitet, und ich<br />
arbeite immer noch sehr viel. Aber das<br />
ist selbst gewählt. Für mich bedeutet<br />
diese Arbeit Erfüllung – doch sie ist<br />
wohl auch der Grund, weshalb ich es<br />
nicht zu einer Familie gebracht habe,<br />
und fürs Sozialleben bleibt auch wenig<br />
Zeit. Übri gens: Grünsein heisst<br />
für mich nicht, keinen Spass haben<br />
zu dürfen. Es geht um Verantwortung.<br />
Brokdorf, wissen Sie noch Herr<br />
Morin …<br />
Morin: … ja, die Anti-AKW-Demos! Bei<br />
uns war das Kaiseraugst.<br />
Artmann: Ich war nicht vorne bei den<br />
Schlägern dabei. Aber ich war und bin<br />
nach wie vor gegen AKW, weil ich es<br />
als Unverschämtheit empfinde, den<br />
nachfolgenden Generationen Zeug zu<br />
hinterlassen, das hunderttausend Jahre<br />
lang Schaden verbreitet. Ein wenig Verantwortung<br />
zu übernehmen muss doch<br />
nicht den Spass am Leben einschränken,<br />
um Himmels Willen!
Effizienz macht<br />
glücklich –<br />
können Sie das unterschreiben?<br />
Thomas Vellacott, CEO <strong>WWF</strong> <strong>Schweiz</strong><br />
Stromeffi zienz heisst, mit weniger Strom<br />
gleich viel produzieren.<br />
Darum braucht es Ihre Unterschrift<br />
für mehr Effizienz:<br />
� Weil heute 40% des Stroms ungenutzt verschwendet werden.<br />
� Weil Stromeffi zienz viel günstiger ist, als<br />
neue Kraftwerke zu bauen.<br />
© Nik Hunger<br />
� Weil neue Kraftwerke die Umwelt belasten, Stromeffi zienz<br />
aber nicht.<br />
� Weil weniger Stromverbrauch mehr Unabhängigkeit bedeutet.<br />
� Weil wir die Weichen für unseren Stromverbrauch so stellen<br />
sollten, dass kommende Generationen nicht zu kurz kommen.<br />
Die Stromeffi zienz-Initiative wird von einem<br />
breiten Bündnis aus Politik, Wirtschaft, NGOs und<br />
Einzelpersonen aus allen Parteien unterstützt.<br />
Mehr Infos auf:<br />
Der Bogen kann auch auf wwf.ch/stromeffizienz ausgedruckt werden.<br />
Stromeffizienz-Initiative:<br />
jetzt unterschreiben!<br />
Bitte nur Stimmberechtigte aus der gleichen Gemeinde auf den Bogen.<br />
Bitte ausschneiden und einsenden an: Stromeffizienz-Initiative, Postfach 4164, 2500 Biel 4<br />
Eidgenössische Volksinitiative «Für eine sichere und wirtschaftliche Stromversorgung (Stromeffizienz-Initiative)»<br />
Im Bundesblatt veröffentlicht am 28. August 2012. Ablauf der Sammelfrist: 28. Februar 2014.<br />
Die unterzeichneten stimmberechtigten <strong>Schweiz</strong>er Bürgerinnen und Bürger stellen hiermit, gestützt auf Art. 34, 136, 139 und 194 der Bundesverfassung und nach dem Bundesgesetz vom<br />
17. Dezember 1976 über die politischen Rechte, Art. 68ff, folgendes Begehren:<br />
2 Der Bundesrat passt die Obergrenze und die Zwischenziele an, wenn sich gegenüber dem Szenario<br />
«Neue Energiepolitik» im Bericht «Grundlagen für die Energiestrategie des Bundesrates; Frühjahr 2011.<br />
Aktualisierung der Energieperspektiven 2035 (energiewirtschaftliche Modelle)» 1 wesentliche Abweichungen<br />
ergeben bezüglich:<br />
a. der Bevölkerungsentwicklung;<br />
b. Stromanwendungen zum Ersatz fossiler Energieträger, soweit sie die beste verfügbare<br />
Technik nutzen.<br />
1 Bundesamt für Energie (Hg.): Grundlagen für die Energiestrategie des Bundesrates; Frühjahr 2011. Aktualisierung<br />
der Energieperspektiven 2035 (energiewirtschaftliche Modelle). Bern, 25. Mai 2011. Ab rufbar im<br />
Internet unter: www.bfe.admin.ch/energiestrategie2050 > Energiestrategie 2050 (Stand: 9. Juli 2012).<br />
I<br />
Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert:<br />
Art. 89a (neu) Stromeffizienz<br />
1 Der Bund gibt Ziele für substanzielle Ver besserungen der Strom effizienz vor.<br />
2 Bund und Kantone treffen im Rahmen ihrer Zuständigkeiten die zur Zielerreichung nötigen Massnahmen.<br />
II<br />
Die Übergangsbestimmungen der Bundesverfassung werden wie folgt geändert:<br />
Art. 197 Ziff. 9 (neu)<br />
9. Übergangsbestimmung zu Art. 89a (Stromeffizienz)<br />
1 Die Stromeffizienz ist bis 2035 so weit zu steigern, dass der jährliche Stromendver brauch dannzumal das<br />
Niveau von 2011 nicht überschreitet. Der Bundesrat setzt Zwischenziele.<br />
Auf dieser Liste können nur Stimmberechtigte unterzeichnen, die in der genannten politischen Gemeinde in eidgenössischen Angelegenheiten stimmberechtigt sind. Bürgerinnen und Bürger, die das Begehren unterstützen,<br />
mögen es handschriftlich unterzeichnen. Wer bei einer Unterschriftensammlung besticht oder sich bestechen lässt oder wer das Ergebnis einer Unterschriftensammlung für eine Volksinitiative fälscht, macht sich strafbar<br />
nach Art. 281 beziehungsweise nach Art. 282 des Strafgesetzbuches.<br />
Kanton PLZ Politische Gemeinde Kontrolle<br />
(leer lassen)<br />
Eigenhändige Unterschrift<br />
Wohnadresse<br />
(Strasse und Hausnummer)<br />
Geburtsdatum<br />
Tag Monat Jahr<br />
B26 Name Vorname<br />
(handschriftlich und möglichst in Blockschrift)<br />
1<br />
2<br />
3<br />
Das Initiativkomitee, bestehend aus nachfolgenden Urheberinnen und Urhebern, ist berechtigt, diese Volksinitiative mit absoluter Mehrheit seiner stimmberechtigten Mitglieder zurückzuziehen:<br />
Beglinger Nick, Freiestr. 106, 8032 Zürich; Birrer-Heimo Prisca, Felsenegg 40, 6023 Rothenburg; Bruderer Wyss Pascale, Rainstr. 40, 5415 Nussbaumen; Bühlmann Cé cile, Guggistr. 17, 6005 Luzern; Chevalley Isabelle, Rte du Marchairuz 20,<br />
1188 St-George; Fluri Kurt, Munzingerweg 8, 4500 Solothurn; Gasche Urs, Kornfeldweg 3, 3312 Fraubrunnen; Gassmann Felix, Rue du stade 28, F-68220 Leymen (politischer Wohnsitz: Zürich); Graber Konrad, Amlehnhalde 18, 6010<br />
Kriens; Grossen Jürg, Rollstr. 24, 3714 Frutigen; Hausammann Markus, Hauptstr. 170, 8585 Langrickenbach; Hildesheimer Vuillemin Gabriele, Bergheimstr. 6, 8032 Zürich; Ingold Maja, Alte Römerstr. 3, 8404 Winterthur; Jans Beat,<br />
Florastr. 33, 4057 Basel; Kälin Peter, Wiletenweg 14, 3954 Leukerbad; Luechinger Urs, Via Boschina 15, 6963 Pregassona; Luginbühl Werner, Alte Gasse 70, 3704 Krattigen; Meier Ruedi, Bolligenstr. 14b, 3006 Bern; Noser Ruedi,<br />
Eggstr. 86, 8620 Wetzikon; Peterhans Stephan, Dorfstr. 27, 8305 Dietlikon; Recordon Luc, Chemin du Lussex 1, 1008 Jouxtens-Mézery; Ringger Reto, Im Loorain 24, 8803 Rüschlikon; Semadeni Silva, Bühlweg 36, 7062 Chur-<br />
Araschgen; Schmid Walter, Wehrlisteig 17, 8049 Zürich; Schmid-Federer Barbara, <strong>Dr</strong>einepperstr. 14m, 8708 Männedorf, Stadelmann Franz X., Adlerweg 12, 3098 Köniz; Von Graffenried Alec, Nelkenweg 13, 3006 Bern.<br />
Die Liste ist sofort, teilweise oder vollständig ausgefüllt, zurückzusenden an: Stromeffizienz-Initiative, Postfach 4164, 2500 Biel 4. Das Initiativkomitee wird für die Stimmrechtsbescheinigung besorgt sein.<br />
Weitere Unterschriftenlisten können be stellt werden über: Telefon: 062 824 30 00, Post: Stromeffizienz-Initiative, c/o <strong>Dr</strong>. Pia Stebler Consulting, Frey-Herosé-Strasse 25, 5000 Aarau,<br />
E-Mail: info@stromeffizienzinitiative.ch oder herunterladen auf www.stromeffizienzinitiative.ch.<br />
Amtsstempel:<br />
Bitte leer lassen. Durch die zuständige Behörde auszufüllen.<br />
Die unterzeichnete Amtsperson bescheinigt hiermit, dass obenstehende<br />
Die zur Bescheinigung zuständige Amtsperson<br />
(eigenhändige Unterschrift und amtliche Eigenschaft):<br />
............ (Anzahl) Unterzeichnerinnen und Un ter zeichner der Volksinitiative<br />
in eidgenössischen Angelegenheiten stimmberechtigt sind und ihre politischen<br />
Rechte in der erwähnten Gemeinde ausüben.<br />
Ort: Datum:
Gut GENIESSEN — Die <strong>WWF</strong>-Beilage in der SonntagsZeitung — 21. Oktober 2012 SERVICE — 7<br />
Was passiert mit ausgedienten Haushaltgeräten? Zu Besuch in einem Recyclinghof,<br />
wo mit ausgeklügeltem Knowhow wertvolle Rohstoffe aus alten Geräten verwertet werden<br />
MICHAEl lütSCHER tExt<br />
MIRKO RIES FOtO<br />
A<br />
rbeiter stehen an einem Förderband,<br />
auf dem Überreste<br />
von Geräten liegen: grauer<br />
Kunststoff, bunte Kabel, grüne Leiterplatten.<br />
Die Männer tragen Schutzmasken<br />
über Mund und Nase, Staub liegt<br />
in der Luft. Mit ihren behandschuhten<br />
Händen ergreifen sie einzelne Teile und<br />
werfen sie in verschiedene Schächte, die<br />
entlang des Förderbandes stehen.<br />
«Triage» nennt man das, was sie<br />
tun. Es ist einer von vielen Schritten,<br />
mit denen bei der Firma Immark in Regensdorf<br />
ZH Elektro- und Elektronikgeräte<br />
auseinandergenommen werden.<br />
Der Raum, in dem die Männer arbeiten,<br />
ist ein kleines Gebäude auf Stelzen<br />
innerhalb einer riesigen Halle, die mit<br />
Förderbändern, Mulden, Baggern, Gerüsten<br />
und Rohren verstellt ist. «Recyclinghof»<br />
heisst dieser Ort, in dem Geräte<br />
in ihre Einzelteile zerlegt werden.<br />
Haushoch türmen sich Computer,<br />
CD-Spieler, <strong>Dr</strong>ucker, Fernseher, Mikrowellen<br />
und Staubsauger zu einem<br />
pyramidenförmigen Haufen. Ein Bagger,<br />
der auf Stahlschienen hoch über<br />
dem Boden durch die ganze Halle rollt,<br />
greift den Schrott und lässt ihn in einen<br />
Trichter fallen. Die Geräte zerbersten,<br />
die Teile gelangen auf das Förderband,<br />
das zur Triage führt.<br />
«Als Erstes müssen die Schadstoffe<br />
aussortiert werden,» sagt Edy Birchler,<br />
<strong>WWF</strong> ClIMAtE GROuP<br />
Das Ende der Waschmaschine<br />
Die Partnerfirmen der <strong>WWF</strong><br />
Climate Group engagieren<br />
sich fürs Klima. Sie<br />
verpflichten sich, ihren CO 2 -<br />
Ausstoss zu verringern,<br />
möglichst energieeffi ziente<br />
Leiter Wertstoffverkauf bei der Immark<br />
AG. Das ist Handarbeit. Die Männer<br />
am Band sortieren Batterien und Kondensatoren<br />
aus, kleine Zylinder aus Aluminium,<br />
in denen sich teilweise der giftige<br />
Stoff PCB findet. An einem zweiten<br />
Förderband schrauben Kollegen mit<br />
Akkubohrmaschinen Flachbildschirme<br />
auf, um die Leuchtstoffröhren zu entsorgen,<br />
die Quecksilber enthalten.<br />
Teile, die Schadstoffe enthalten,<br />
landen in Containern, die am unteren<br />
Ende der Schächte stehen. Von dort<br />
gehts schliesslich in die Hochtemperatur-Verbrennungsanlage<br />
nach Basel,<br />
wo der Sondermüll bei 1200 bis 1800<br />
Grad verbrannt wird. Der grösste Teil,<br />
rund 95 Prozent, von elektrischen und<br />
elektronischen Geräten dagegen kann<br />
wieder verwertet werden. Kunststoffe,<br />
die rund 30 Prozent des Gewichts ausmachen,<br />
werden so weit als möglich aufbereitet<br />
oder als Brennstoffe gebraucht.<br />
Metalle lassen sich einschmelzen und<br />
praktisch unbegrenzt wieder verwerten.<br />
Aluminiumstücke wie Gnocchi<br />
In einer Mulde liegen grüne Leiterplatten,<br />
Herzstück jedes elektronischen<br />
Gerätes. Auf ihnen findet sich vor allem<br />
Kupfer, aber auch Edelmetalle wie Gold<br />
und Silber. Gelöst werden diese Stoffe<br />
in chemischen Prozessen in einer Kupferhütte,<br />
an die die Immark die Platten<br />
Geräte zu verwenden,<br />
sowie ihre Produkte klimafreundlicher<br />
zu gestalten.<br />
Mehr zur <strong>WWF</strong> Climate<br />
Group und ihren Mitgliedern:<br />
wwf.ch/climategroup<br />
verkauft. Die übrigen Metallteile und<br />
die Kunststoffe rattern via Förderbänder<br />
durch die Halle und verschwinden<br />
in diversen überdimensionierten Blechschachteln.<br />
Was darin passiert, macht<br />
Krach: Der Schrott wird geschreddert;<br />
rotierende Ketten hauen das Material<br />
in kleine Stücke. Mittels Magneten und<br />
Wirbelstromscheidern werden die Stoffe<br />
dann aufgrund ihrer physikalischen<br />
Eigenschaften getrennt. Das Resultat<br />
landet in grossen Säcken: Aluminiumstücke<br />
in Form von Gnocchis, Kupfer,<br />
das wie Weizenkörner aussieht.<br />
«Sekundärrohstoffe» nennt man<br />
diese Materialien. Die Metalle verkauft<br />
die Immark an Schmelzwerke. «Das<br />
ist unser Geschäft,» sagt Birchler. Der<br />
Preis, den die Schmelzwerke bezahlen,<br />
liegt je nach Beschaffenheit um 30 bis<br />
70 Prozent tiefer als jener für Roh ware.<br />
Aber weil die Rohstoffpreise in den<br />
letzten Jahren sehr stark gestiegen sind,<br />
ist Recycling ein lohnendes Geschäft.<br />
Und eine umweltfreundliche Sache. Die<br />
Rückgewinnung von Kupfer etwa produziert<br />
62 Prozent, jene von Aluminium<br />
gar 85 Prozent weniger CO 2 als die<br />
herkömmliche Gewinnung aus Tonerde<br />
bzw. Erz, wie eine Studie des deutschen<br />
Fraunhofer-Instituts belegt.<br />
Knapp 120’000 Tonnen «E+E-Geräte»<br />
(alles, was einen Stecker hat) wurden<br />
letztes Jahr in der <strong>Schweiz</strong> wiederverwertet.<br />
Das sind rund 17 Kilogramm<br />
pro Kopf der Bevölkerung; im selben<br />
Zeitraum wurden 18 Kilogramm neue<br />
Geräte gekauft. Grundlage der stolzen<br />
Recycling-Quote ist die vorgezogene<br />
Entsorgungsgebühr, die 1994 eingeführt<br />
wurde. Seither bezahlen Konsumenten<br />
schon beim Kauf eines E+E-<br />
Geräts für dessen Entsorgung. Dafür<br />
haben sie das Recht, das ausgediente<br />
Stück gratis retournieren zu können.<br />
Kein Schummeln, kein illegaler Export<br />
Der Erfolg des Recyclens und die gestiegenen<br />
Rohstoffpreise sorgen dafür,<br />
dass die vorgezogene Entsorgungsgebühr<br />
laufend sinkt. Heute liegt sie<br />
bei 12 bis 30 Rappen pro Kilo, je nach<br />
Grösse des Geräts. Mit der Gebühr<br />
wird in erster Linie der Transport des<br />
Schrotts vom Detailhändler zu den Recyclinghöfen<br />
bezahlt.<br />
Zu den Apparaten, welche die Immark,<br />
die Nummer eins der Branche, entgegen<br />
nimmt, gehören auch sogenannte<br />
Grossgeräte – Waschmaschinen, Kochherde,<br />
Kühlschränke. Die Kühlschränke<br />
werden nach Rothrist AG verfrachtet,<br />
wo sie die Schwesterfirma Kühlteg auseinandernimmt.<br />
Den Waschmaschinen<br />
werden an Ort und Stelle die giftigen<br />
Teile entnommen: die Kondensatoren.<br />
Über 30-jährige Modelle enthalten zudem<br />
Quecksilberschalter, die entsorgt<br />
werden müssen. Eine Waschmaschine<br />
gehört zu den am besten wiederverwertbaren<br />
Geräten. Rund 98 Prozent ihres<br />
Materials können erneut gebraucht werden:<br />
Das meiste ist Eisen und Chromnickel,<br />
der Rest ist sogenannter Resh,<br />
Kunststoff, der als Brennmaterial etwa<br />
bei der Zementfabrikation dient.<br />
Lastwagen fahren vor dem Recyclinghof<br />
vor, um Ware zu bringen und zu<br />
holen. Dabei macht jeder auf der Waage<br />
vor der Halle Halt: Die Stiftungen<br />
Sens und Swico, welche das Recycling<br />
der E+E-Geräte in der <strong>Schweiz</strong> organisieren,<br />
betreiben ein genaues Stoffflussmanagement.<br />
Sie wollen so verhindern,<br />
Das Endstadium aller<br />
Elektro-Konsumgüter: Förderband<br />
im Recyclinghof<br />
dass geschummelt oder gar illegal exportiert<br />
wird. Damit wird sichergestellt,<br />
dass giftige Stoffe nicht in Afrika unter<br />
freiem Himmel verbrannt werden. Der<br />
allergrösste Teil wird in der <strong>Schweiz</strong><br />
rezykliert, der Rest laut Bundesamt für<br />
Umwelt (Bafu) im Ausland von Betrieben,<br />
die die selben Standards wie in der<br />
<strong>Schweiz</strong> garantieren.<br />
Trotz allem ist das Recyclingsystem<br />
nicht perfekt. Es gibt Materialien, die<br />
noch nicht zurück gewonnen werden,<br />
weil der Aufwand dafür zu hoch ist.<br />
Dazu gehören die sogenannten Seltenen<br />
Erden, rare Metalle, die etwa für<br />
Flachbildschirme gebraucht werden.<br />
«Aber das dürfte sich ändern», sagt Edy<br />
Birchler, «wenn die Nachfrage nach<br />
Rohstoffen und damit deren Preise weiter<br />
steigen.»<br />
Immer häufiger lohnt sich der Ersatz<br />
von funktionierenden aber in die<br />
Jahre gekommenen Geräten<br />
sowohl aus finanzieller als auch aus<br />
ökologischer Sicht. Der Geräte-<br />
Effizienzcheck in der <strong>WWF</strong> Ratgeberapp<br />
für Smartphones unterstützt<br />
Sie bei der Entscheidung: behalten,<br />
reparieren oder ersetzen?<br />
(Suchwort «<strong>WWF</strong> Ratgeber»)
GUT GENIESSEN — Die <strong>WWF</strong>-Beilage in der SonntagsZeitung — 21. Oktober 2012 REPORTAGE — 9<br />
GABy LABhART TExT<br />
ELISABETh REAL FOTOS<br />
U<br />
eli Sahli erscheint locker gewandet<br />
in Cargowanderhose<br />
und kariertem Hemd – «das<br />
ist meine Arbeitskleidung» – und packt<br />
aus. Gewogene 956 Gramm Material<br />
über den regionalen Naturpark Diemtigtal<br />
bringt der Präsident von Diemtigtal<br />
Tourismus und Geschäftsführer<br />
des Parks mit: Themenwege wie Grimmimutzweg<br />
und Gwunderwasser, Alpenbock-<br />
und Vogelweg, Spielplätze<br />
und Feuerstellen, Walderlebnisweg und<br />
Wildbeobachtung. Ist das alles nicht etwas<br />
viel Disneyland für einen Naturpark<br />
von 135 Quadratkilometern, den kleinsten<br />
der zehn <strong>Schweiz</strong>er Naturpärke?<br />
Sahli Ueli, wie ihn im Tal alle nennen,<br />
die ihn kennen – und es kennen<br />
ihn alle, denn er ist so eine Art Mister<br />
Natur park –, sagt gelassen, und man<br />
merkt, dass er das schon oft erklären<br />
musste: «Ein Naturpark ist keine<br />
Schutzzone wie der Nationalpark, wo<br />
nichts angetastet wird. Wir sind kein<br />
Naturreservat, hier leben Menschen<br />
und wir haben eine aktive Alp- und<br />
Holzwirtschaft, Gewerbe und Tourismus.<br />
Wir wollen ja nicht den Raum<br />
möblieren, sondern das, was da ist, auf<br />
sanfte Art betonen.»<br />
Ein <strong>Dr</strong>ittel der Bevölkerung ist mehr<br />
oder minder vollzeitlich mit Landwirtschaft<br />
beschäftigt. Und mit 8000 Stück<br />
gesömmertem Vieh ist das Diemtigtal<br />
eine der grössten Alpwirtschaftsregionen<br />
der <strong>Schweiz</strong>. Ein <strong>Dr</strong>ittel der 2100<br />
Menschen, die hier leben, arbeitet im<br />
Dienstleistungssektor, ein <strong>Dr</strong>ittel ist im<br />
lokalen Gewerbe tätig.<br />
Zauberwort Naturtourismus<br />
«Unser Tal – dein Park» hat sich der<br />
Naturpark Diemtigtal auf die Werbefahne<br />
geschrieben. Apropos Werbung:<br />
Wie ist das mit der Ämterkumula tion<br />
von Tourismuspräsident und Naturparkchef,<br />
Herr Sahli? «Es ist eine<br />
Gratwanderung», sagt der 65-Jährige<br />
schmunzelnd, der noch locker Sechstausender<br />
besteigt, in Gratwanderungen<br />
also geübt ist.<br />
Themenwege wie etwa den Hausweg<br />
zu den prächtigen Simmentaler<br />
Häusern aus dem 18. und 19. Jahrhundert<br />
gab es im Diemtigtal schon vor der<br />
Naturparkzeit, die genau am 1. Januar<br />
dieses Jahres offiziell begann. Auch das<br />
Burelädeli in Zwischenflüh am Parkplatz<br />
der Wiriehornbahn wurde bereits<br />
2001 von 15 Familien gegründet, die<br />
einen Weg suchten, ihren Käse, ihren<br />
Honig, ihr Fleisch, ihre Würste, ihre<br />
Züpfen und Brote zu verkaufen. Die<br />
kräuterkundige Hanni Mani, die von<br />
Anfang an dabei war und so Ungewöhnliches<br />
macht wie eine Kaffeeseife,<br />
mit der im Nu jeder Knobli- und Fischgeruch<br />
von den Händen verschwindet,<br />
freut sich, dass das Ganze funktioniert.<br />
Auch wenn es finanziell «so geit». Was<br />
sie schätzt: dass Touristen und Einheimische<br />
gleichermassen ins Burelädeli<br />
kommen. Seit das Tal Naturpark ist, sei<br />
mehr los, der Laden bekannt geworden.<br />
Ja, im Winter läuft mehr an der<br />
Talstation der Wiriehornbahn, das ist<br />
im Diemtigtal auch nicht anders als in<br />
Gstaad oder Kitzbühel. Der wertschöpfende<br />
Tourismus in den Alpen findet<br />
nicht im Sommer statt. <strong>Dr</strong>ei Skigebiete<br />
und Bahnen bietet das Diemtigtal, die<br />
kleinste auf den Springenboden, die beiden<br />
grösseren am Wiriehorn und hinten<br />
im Tal auf der Grimmialp. Schneekanonen,<br />
pardon, man bevorzugt das<br />
euphemistischere Wort Beschneiungsanlagen,<br />
sind vorhanden. Die standen<br />
allerdings schon dort, bevor das Tal<br />
zum Naturpark wurde.<br />
Das grösste Seitental des Simmentals<br />
liegt eingebettet zwischen Niesen-<br />
und Turnenkette. Mit seiner natür lichen<br />
Abgrenzung ist es buchstäblich ein von<br />
der Natur geschaffener Park. Von Thun<br />
her kommend gehts los am Eingang des<br />
Tals, in Oey – was wie Euch aber ohne<br />
ch ausgesprochen wird –, das zusammen<br />
mit dem Dorf Diemtigen oben am<br />
Hang Hauptort ist. Wir sind auf 666<br />
M.ü.Meer. Den südlichen Abschluss<br />
bildet Schwenden mit der Grimmialp<br />
und dem höchsten Gipfel im Tal, der<br />
Männlifluh mit 2652 M.ü.M. 2000 Meter<br />
Höhenunterschied auf einer Luftlinie<br />
von zehn Kilometern: Das sind in<br />
keiner Hinsicht gemütliche Verhältnisse<br />
und wohl auch der Grund dafür, dass<br />
das Tal jahrhundertelang eine gemächliche<br />
Entwicklung machte.<br />
Bescheidenheit ohne Ressourcenverschwendung<br />
lernte man in Gegen-<br />
Schwester Emmy in der Kapelle im<br />
Kurhaus Grimmialp (oben);<br />
Mister Naturpark Ueli Sahli (Mitte)<br />
und Barbara Wiedmer-Blum<br />
mit Enkelin Lea im Berggasthaus<br />
Menigwald (unten)<br />
Kult-Genüsse aus dem Diemtigtal:<br />
Geissenpetersalat von<br />
Anna Kunz, Schlehdorn-Gelée,<br />
Seifen und Blütentee aus<br />
dem Burelädeli.<br />
Gasthof Tiermatti im Prachtsbau<br />
von 1751 in Schwenden:<br />
Bei Mathias Regez kann man<br />
sogar im Stroh essen<br />
(v.l.n.r.).<br />
Aus der Heimat<br />
der Rosalia Alpina<br />
Wie Bauern, Touristen und lokale Gewerbler<br />
im Berner Diemtigtal eine einmalige Symbiose<br />
von Natur und Zivilisation leben<br />
Wirtin und Köchin Anna Kunz vom<br />
Gasthof hirschen in Oey<br />
den wie diesen schon sehr früh. «Dieses<br />
Gelände lässt keine grossen Sprünge<br />
zu», sagt Gemeindeschreiber Markus<br />
Mösching in seinem Büro im Gemeindehaus<br />
in Oey. Mösching ist Präsident<br />
der Naturparkkommission und eine der<br />
treibenden Kräfte hinter dem Naturpark.<br />
Man müsse es eben merken, wenn<br />
der Zufall eine Gelegenheit anspüle,<br />
sagt er mit leisem Understatement.<br />
Der Zufall in diesem Fall oder das<br />
Positive an einem strukturschwachen<br />
Gebiet: Es ist für einen Naturpark gut<br />
geeignet weil niemand es verschandelt<br />
hat. «Hohe Natur- und Landschaftswerte»,<br />
wie das im Bundesamt für Umwelt<br />
(Bafu) definiert wird, sind eine der<br />
Voraussetzungen für die Verleihung<br />
des Parklabels. Dazu erarbeitet die Gemeinde<br />
einen Richtplan, der das Fortbestehen<br />
und die Finanzierung sichert.<br />
Zudem soll das Projekt von der Bevölkerung<br />
mitgetragen werden. 60’000<br />
Franken der lokalen Steuergelder gehen<br />
jährlich in den Park. Der Bund bezahlt<br />
390’000 pro Jahr, der Kanton 300’000<br />
Franken. Und, ist die Bevölkerung dabei?<br />
Mösching ist ein kluger Mann, der<br />
seine Worte mit Bedacht wählt. Er bejaht.<br />
Aber «man wird an einem Stammtisch<br />
immer ein paar finden, denen es<br />
nicht passt», bemerkt er trocken.<br />
Das Diemtigtal hat selbstverständlich<br />
auch seine Vips, ohne die heute<br />
nichts läuft: den Wenger Kilian und<br />
Rosalia Alpina – den Schwingerkönig<br />
und den schönsten Käfer Europas, den<br />
Alpenbockkäfer. Der macht sich sehr<br />
rar, dafür begegnet man dem Schwingerkönig<br />
allenthalben. Er hängt in<br />
Gast- und an Bauernhöfen, im Volg,<br />
beim Beck auf Fotos, Plakaten, Transparenten.<br />
Wenn man fragt, wo er zu<br />
Hause sei, werden die Diemtigtaler, die<br />
so stolz auf ihn sind, noch wortkarger.<br />
Anna Kunz, Wirtin und begnadete<br />
Köchin im Hotel Hirschen in Oey, sagt<br />
bloss: «Wenn du im Rothbad bist, bist<br />
du ihm schon ziemlich nah.» Der Gasthof<br />
Rothbad in Horboden, am Fuss der<br />
Niesenkette und mit Prachtsblick auf<br />
das Stockhorn, war einst berühmt dank<br />
der Eisenquelle, die schon im Mittelalter<br />
Wunder wirkte. Heute wirten hier<br />
Doris und Andreas Messerli-Minnig,<br />
und die Eltern von Doris helfen wacker<br />
mit. Die Küche ist den Weg wert – und<br />
sicher in Frauenhand.<br />
Top-Restaurants in Frauenhand<br />
Das eisenhaltige Gipswasser des Grimmibrunnens<br />
ganz zuhinterst im 16 Kilometer<br />
langen Tal, auf 1200 Meter über<br />
Meer, war sogar so bekannt, dass man<br />
dort 1899 ein Grand Hotel eröffnete.<br />
In dieses einstige Kurhaus Grimmialp<br />
ist im Januar 1993 die Communität<br />
Steppenblüte eingezogen, eine Schwesternschaft,<br />
die zur evangelischen Landeskirche<br />
gehört. Schwester Emmy, aus<br />
dem Elsass stammend wie der berühmte<br />
Albert Schweitzer, der einst hier gekurt<br />
hat, schwärmt: «Es hat uns auf der Stelle<br />
den Ärmel hineingezogen.» 65 bis 85<br />
Gäste finden in dieser Oase Einkehr<br />
und Lebensfreude. Und geniessen das<br />
Essen, denn bei den Schwestern kommt<br />
auf den Tisch, was das Tal hergibt. Ausserdem<br />
liegt in unmittelbarer Nachbarschaft<br />
die Alpkäserei Kiley, die grösste<br />
Bioalpkäserei der <strong>Schweiz</strong>.<br />
Überhaupt sind einige der besten<br />
Küchen des Tals in Frauenhand. Im<br />
«Hirschen» in Oey sind Anna und Daniel<br />
Kunz gerade mit Gäms und Reh<br />
zugange. Die 45-jährige Köchin, deren<br />
Grosseltern den «Hirschen» in Diemtigen<br />
führten, sagt lachend, meistens<br />
sei ihr Mann fürs Fleisch zuständig und<br />
sie fürs «Gewusel drumherum». Ihr<br />
135 Quadratkilometer Gelände zwischen<br />
666 und 2652 Meter über Meer: ein buchstäblich<br />
von der Natur geschaffener Park<br />
Geissen petersalat ist Kult, der Biogeisskäse<br />
stammt von Ueli und Rosalie Kernen<br />
aus Diemtigen. Kernen, der 1980<br />
die erste Geissmilchgenossenschaft<br />
gründete, ist kein Mann vieler Worte.<br />
«Bio», sagt er, «Bio waren wir schon<br />
immer. Wieso Kraftfutter und Kunstdünger?<br />
Und die Blacken stechen wir<br />
sowieso mit dem Eisen, das Gift bringt<br />
gar nichts, wenn die Wurzeln nicht<br />
weggestochen werden.»<br />
Auch im Menigwald, in einer der<br />
ursprünglichsten Bergbeizen diesseits<br />
der Alpen, steht eine Frau am Herd<br />
und brät Käseschnitten mit Spiegeleiern:<br />
Bar bara Wiedmer-Blum, gelernte<br />
Köchin. <strong>Dr</strong>aussen ist Arnold mit dem<br />
Simmentaler Vieh beschäftigt. Tochter<br />
Pia, die jüngste in der grossen Familie,<br />
spielt am Computer. Wiedmers gehen<br />
zwar mit der Zeit, aber nicht mit dem<br />
Zeitgeist. Alles, was auf dieser Alp verarbeitet<br />
wird, stammt aus lokaler oder<br />
eigener Produktion.<br />
Und ja, Pia hat ihn gesehen, den<br />
andern Vip, den nur wenige je erblickt<br />
haben. Den ungefähr drei Zentimeter<br />
langen Käfer mit dem «herrlichen Grau-<br />
bis Hellblau seiner schwarz gefleckten<br />
Flügel», wie der <strong>WWF</strong> schwärmt, der<br />
mit dafür gesorgt hat, dass die Käferschönheit<br />
wieder im Diemtigtal Fuss<br />
gefasst hat. Aber wie sagt doch Ueli<br />
Kernen, der Meister des Geisskäses,<br />
so weise: «Emu dr Wäg ischt guet begange.»<br />
Auf gut Deutsch: Hauptsache,<br />
die Gäste kommen.<br />
NüTZLIchES üBERS DIEMTIGTAL:<br />
— www.diemtigtal.ch<br />
— www.paerke.ch<br />
— www.steppenbluete.ch<br />
— www.rothbad.ch<br />
— www.hirschenoey.ch<br />
— www.menigwald.ch
In Spreitenbach<br />
hören Sie das<br />
Gras wachsen.<br />
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so Strom sparen können.<br />
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GUT GENIESSEN — Die <strong>WWF</strong>-Beilage in der SonntagsZeitung — 21. Oktober 2012 PORTRÄT — 11<br />
LUkaS LESSING TExT<br />
LaRS BORGES FOTO<br />
W<br />
ir sind am Rande eines winzigen<br />
Dörfchens 60 Kilometer<br />
ausserhalb Berlins.<br />
«Ich mag keine Show», sagt Michael<br />
Hoffmann. «Ich will die Hände wirklich<br />
in der Erde haben.» Dort stecken<br />
sie schon ein paar Augenblicke später:<br />
Da ist Unkraut zu zupfen, dort hat sich<br />
eine Tomatenstaude von ihrem Rankgerüst<br />
befreit. Sind hier schon Karotten<br />
reif? Hoffmann zieht eine Pflanze aus<br />
der Erde, befreit das leuchtend gelbe<br />
Gemüse mit den Fingern von der gröbsten<br />
Erde, beisst in die Wurzel und nickt<br />
sich selbst zufrieden zu.<br />
Dabei wird der beste Spitzenkoch<br />
Berlins stetig von vier fest installierten<br />
Kameras beobachtet: Jedes Gerät<br />
schiesst jede Minute ein Foto, um die<br />
Vorgänge in seinem Garten zu dokumentieren<br />
– im alten Glashaus, im halbblinden<br />
Folientunnel und im Freiland.<br />
Die Bilder zeigen die Witterung, das<br />
Öffnen der Tomatenblüten, die Reifung<br />
der Erdbeeren, die Tropfen des Taus.<br />
Hoffmann ist nicht nur Perfektionist,<br />
der in seinem Gartentagebuch jeden<br />
Arbeitsschritt seiner Helfer schriftlich<br />
dokumentieren lässt, er ist auch ein<br />
Ästhet, vernarrt in die Schönheit seines<br />
Gartens.<br />
200 Sorten Obst und Gemüse<br />
Dann geht es an die Ernte von Sellerie,<br />
Tomate, Schnittlauch, Zucchini und<br />
Haferwurzel. 200 Sorten Gemüse und<br />
Obst wachsen auf 10’000 Quadratmeter<br />
Garten. «Heute Abend liegt diese Ernte<br />
schon auf den Tellern», sagt er stolz,<br />
«diese Frische kann man nirgendwo<br />
kaufen, bei keinem Bioversand. Ich kann<br />
mir eine Küche ohne einen eigenen Garten<br />
längst nicht mehr vorstellen.» Was<br />
nicht frisch gegessen wird, kochen flinke<br />
Hände ein, trocknen es oder lagern es in<br />
Kisten voller kühlem Sand – oder gefrieren<br />
es ein, das aber nur im Ausnahmefall.<br />
«Wie meine Oma», sagt der Koch,<br />
«die hatte jede Menge Einweckgläser im<br />
Keller, die älter waren als man selbst.»<br />
Die jährlich 5000 eingeweckten Gläser<br />
von Michael Hoffmann werden nie<br />
alt, denn er ist der Chef des Restaurants<br />
Margaux, ein Stern im Guide Michelin,<br />
18 Punkte im Gault-Millau. In Berlins<br />
Innenstadt gelegen, einen Steinwurf<br />
vom Brandenburger Tor entfernt, mit<br />
hinterleuchteten Steinplatten getäfelt,<br />
mit weich gepolsterten Designerstühlen<br />
mehr Lässigkeit und doch genauso viel<br />
Eleganz wie die französische Edelgastronomie<br />
verströmend.<br />
Fois gras, Thun, Kalbfleisch oder<br />
Froschschenkel sucht der Gast auf der<br />
Karte dennoch vergebens. «Ich habe<br />
nach und nach alles weggelassen, hinter<br />
dem ich nicht stehen kann», sagt Hoffmann.<br />
«Das war nach der BSE-Krise.<br />
Da hatten wir eine Zeitlang nur noch<br />
Bressegeflügel von Jean-Claude Mieral,<br />
dem besten Züchter von dort. Alles andere<br />
erschien mir nicht verantwortbar.<br />
Dabei ist es fast bis heute geblieben.»<br />
Nun gibt es zwar auch wieder Lamm<br />
(«Aber kein Milchlamm – wir servieren<br />
Der Herr der Gemüse<br />
Wie der Berliner Starkoch Michael Hoffmann mit der Rückbesinnung auf<br />
alte Gemüsesorten und auf rein vegetarische kreationen die küche revolutioniert<br />
Guru der neuen vegetaris<br />
chen küche: Yotam<br />
Ottolenghi in der küche<br />
seines Londoner RestaurantsS<br />
«Wieso Dfsdfsfd können Tomaten<br />
so intensiv schmecken?»:<br />
Michael Hoffmann, 45, in der küche<br />
seines Restaurant Margaux<br />
keine Babys!»), Fisch oder Wild, nur aus<br />
artgerechter Haltung oder aus der Jagd,<br />
wenn möglich aus regionalen Quellen.<br />
Doch Fleisch ist nur die Beilage,<br />
die Hauptrolle spielt das Gemüse: «Ich<br />
weiss, dass das eine komische Karte ist<br />
für ein Sternenrestaurant, aber seit wir<br />
das machen, haben wir ein besseres Geschäft<br />
als vorher. Ich koche eben nicht<br />
für Gastrokritiker, sondern für meine<br />
Gäste, die hier einen schönen Abend<br />
verbringen wollen.» Hoffmanns Stern<br />
im Guide ist dennoch seit dreizehn Jahren<br />
fix, für einen zweiten Stern gilt er<br />
als Anwärter. «Ich stecke seit 30 Jahren<br />
in dieser weissen Jacke, doch mir macht<br />
es mehr Freude, Gemüse zu verarbeiten,<br />
weil es eine viel grössere Bandbreite<br />
bietet als Fleisch. Ich kann mir auch<br />
persönlich vorstellen, irgendwann mal<br />
gar kein Fleisch mehr zu essen – nicht<br />
aus politischen Gründen, sondern we-<br />
gen des Geschmacks, wegen der Gesundheit.<br />
Ich bin kein Vegetarier», fügt<br />
er erklärend hinzu, «ich halte ein sauber<br />
gekochtes Gulasch für eine feine Sache<br />
– aber ich muss nicht regelmässig<br />
Fleisch essen.»<br />
Völlig verrückte kreationen<br />
Hoffmann ist kein Überredungskünstler,<br />
er ist ein Überzeugungstäter: Wer<br />
sein gutes Dutzend Gemüsegänge<br />
durch hat, weiss um bis dahin ungeahnte<br />
Geschmacksexplosionen an seinem<br />
Gaumen («Wieso können Tomaten so<br />
intensiv schmecken? Wie kann man<br />
Sellerie in ein knusperndes Wunder verwandeln?<br />
Warum schmeckt ein Gemüseauszug<br />
dichter und würziger als jeder<br />
Fleischfond? Wieso duftet Eis gleichzeitig<br />
fruchtig und süss und ist doch<br />
aus roter Beete?»). Wer bei Hoffmann<br />
speiste, hat nicht nur heimische Ge-<br />
wächse auf seinem Teller gesehen, von<br />
deren Existenz er bis dato nichts geahnt<br />
hatte, sondern er ist von da an auch der<br />
festen Überzeugung, dass Essen ohne<br />
Fleisch keine Einschränkung bedeutet –<br />
selbst wenn der Kellner am Nebentisch<br />
ein ganzes duftendes Bressehuhn aus<br />
der Salzkruste klopft, bis dessen blaue<br />
Füsse kerzengerade in Richtung der dezenten<br />
Deckenlichter ragen.<br />
Nachhaltigkeit ist dem Maître<br />
wichtiger als purer Vegetarismus oder<br />
Prinzipienreiterei – selbst beim Wasser:<br />
«Nur ein einziges hervorragendes<br />
Brandenburger Wasser, das reicht! Beim<br />
VEGETaRIScHE aVaNTGaRDE<br />
Michael Hoffmann, 45, versteht sich als<br />
Gärtner und als koch. Er betreibt in Berlin<br />
das Restaurant Margaux und hat ein<br />
kochbuch für Blinde herausgegeben: «Trust<br />
in Taste», Justina Verlag, München.<br />
Wein machen wir das auch so – achtzig<br />
Prozent heimische Weine, dazu ein paar<br />
grosse Weine aus ganz Europa.»<br />
Soviel Sorgfalt im Umgang mit<br />
den Ressourcen hat ihren Preis – das<br />
grosse vegetarische Menü kostet rund<br />
150 Euro. «Zu zweit geben die Leute<br />
inklusive den Weinen bis zu 500 Euro<br />
aus», sagt Hoffmann, «aber dann haben<br />
sie etwas Tolles erlebt. Und vielleicht<br />
sind sie glücklich dabei.» Das klingt<br />
nach viel und ist dennoch zu billig: Die<br />
Gastgeber – Michael Hoffmanns Frau<br />
Kathrin leitet den Service – verdienen<br />
mit dem Gourmettempel zwar ihren<br />
Lebensunterhalt, doch nicht mehr. So<br />
«Ich koche<br />
nicht für<br />
Gastro kritiker,<br />
sondern für<br />
meine Gäste»<br />
ist das heute in der Spitzengastronomie,<br />
ohne Merchandising-, Kochshow- oder<br />
TV-Backup: Mit 20 Spitzenkräften in<br />
der Küche und im Service, die ab elf<br />
Uhr vormittags im Einsatz sind für das<br />
Dinner von täglich 40, 50 Gästen kann<br />
man nicht reich werden.<br />
Doch um den materiellen Gewinn<br />
geht es Michael Hoffmann nicht. Das ist<br />
zu merken, wenn er mit der Verpächterin<br />
seines Brandenburger Gartens in deren<br />
Küche sitzt. Die 84-jährige Bäuerin,<br />
die den Garten zusammen mit Helfern<br />
pflegt, bereitet umständlich Filterkaffee<br />
mit Kondensmilch zu. Das Gespräch<br />
dreht sich nicht um den abgehobenen<br />
Zirkus der Sternenküche, sondern um<br />
Gartenalltag: Welche Himbeerstauden<br />
diesen Herbst durch neue ersetzt werden<br />
sollen. Wie man es anstellen könnte, mit<br />
dem Traktor über den Grund des Nachbarn<br />
zu fahren, um den Boden eines<br />
brachliegenden Gartenstückes umzubrechen.<br />
Was der im Dorf zu jenem gesagt<br />
hat oder gesagt haben könnte. Rosa<br />
aus Derwitz kennt jeden Tratsch, und sie<br />
weiss alles über Gemüse – schliesslich<br />
hat sie sich in ihrem langen Leben vor<br />
allem damit beschäftigt. Für sie steht ein<br />
makellos gepflegter Garten im Vordergrund,<br />
der tadellose Produkte abwirft.<br />
Sie ist eine traditionelle Gemüsebäuerin,<br />
die trotzdem keine Miene verzieht,<br />
wenn sich Michael Hoffmann im Frühling<br />
tief über die Scholle beugt, um mit<br />
der Nagelschere persönlich die ersten<br />
Sauerampferstängel abzuschneiden. «Sie<br />
hat keine Ahnung, was ich damit anstelle»,<br />
sagt der Koch, «sie fände meine<br />
Kreationen vielleicht völlig verrückt,<br />
aber sie gibt mir die Erdung zurück, die<br />
man in der Spitzengastronomie leicht<br />
verlieren kann» – ausser, wenn man seine<br />
eigenen Hände alle paar Tage selbst<br />
in die Erde steckt.<br />
Rezept: www.wwf.ch/rezepte
Für kontrollierte Fischbestände:<br />
Gelbflossen-Thunfisch aus <strong>WWF</strong> Förderprojekt.<br />
Coop, als Partner der <strong>WWF</strong>-Seafood Group, setzt sich auch unter Wasser für bessere Lebensbedingungen ein. Im Korallen-<strong>Dr</strong>eieck<br />
in Südostasien sind wir Partner des <strong>WWF</strong> Projekts für nachhaltigen Thunfisch-Fang. Gemeinsam wollen wir<br />
dabei die Bestände der bedrohten Thunfische langfristig sichern, verbindliche Fangquoten festlegen und das Ökosystem<br />
schützen. Davon profitiert nicht nur die Natur, sondern es sichert auch die Lebensgrundlage der Menschen vor Ort.<br />
Den Gelbflossen-Thunfisch aus diesem Projekt finden Sie bei Coop. Und mit Ihrem Kauf finanzieren Sie das Projekt mit.<br />
Denn die einzige Welt, die wir haben, muss man nicht irgendwann schützen, sondern jetzt.<br />
Für die einzige Welt,<br />
die wir haben.<br />
Coop belegte 2011 den 1. Platz im oekom<br />
Corporate Rating der Einzelhändler.
GUT GENIESSEN — Die <strong>WWF</strong>-Beilage in der SonntagsZeitung — 21. Oktober 2012 KOLUMNEN — 13<br />
Zwischen <strong>Dr</strong>ama und<br />
gesundheitlichem Optimum<br />
Das dritte Kapitel der Frigo-Rätsel-Serie lässt den dipl. Psychologen und Ernährungsberater<br />
Max Schlorff über den Besitzer dieses Kühschranks spekulieren<br />
MAx SchLORFF TExT<br />
hEIKO hOFFMANN FOTO<br />
E<br />
in halbleerer Kühlschrank!<br />
Oder doch eher ein halbvoller?<br />
Nun, wie immer bestimmt das<br />
Auge (und das Herz) des Betrachters.<br />
Aber welchem Weg folgen wir hier?<br />
Denn, wir ahnen es schon, daraus entwickeln<br />
sich zwei ganz unterschiedliche<br />
Geschichten.<br />
Einmal wäre <strong>Dr</strong>ama angesagt,<br />
Verlust von Kühl- und Liebesgut mit<br />
Herzschmerz, Wut und Traurigkeit;<br />
ein Gefühlsgewusel aus Vorfreude auf<br />
die neue Freiheit, Abschiedstrauer von<br />
einem Menschen und liebgewordenen<br />
Gewohnheiten, dazu noch die Angst vor<br />
dem Alleinsein. Und wie sich das erst<br />
auf das Essen niederschlägt! Der Appetit<br />
ist vergangen oder unkontrolliertem<br />
Essen gewichen. Plötzlich soll man wieder<br />
nur für sich alleine kochen und dann<br />
auch noch einsam essen, nichts als die<br />
eigenen Gedanken und Kaugeräusche.<br />
Vermutlich hat jemand den Fernseher<br />
genau in dieser Situation erfunden, als<br />
er sich selber nicht mehr ausgehalten<br />
hat. Darum schnell weg von dieser Vorstellung.<br />
Unsere Person hat ab sofort einen<br />
halbvollen Kühlschrank. Oder mindestens<br />
kann ihr die Trennung nichts anhaben.<br />
Was wir hier finden ist gesundheitlich<br />
betrachtet nahe am Optimum. Viel<br />
frisches Gemüse, etwas Käse und Eier,<br />
Zutaten für die asiatische Küche, Tofu<br />
und Sojamilch, die prominent über den<br />
Eingang wacht. Der Weisswein dient<br />
selbstverständlich nur Genusszwecken.<br />
Alles klein schnipseln, heiss und schnell<br />
anbraten, dämpfen, grosszügig würzen<br />
und schon läuft uns das Wasser im<br />
Mund zusammen. Hält Leib und Seele<br />
zusammen, wie man zu sagen pflegte;<br />
Sendepause für die kreisenden Gedanken,<br />
Gefühlsbalsam.<br />
So geht das Licht im Dunkeln langsam<br />
wieder an und zeigt uns eine vegetarisch<br />
essende Person. Soviel Tofu<br />
steckt kein Fleischesser weg. Hier wohnt<br />
jemand mit Flair für alles Asiatische,<br />
nicht nur beim Essen, sondern auch in<br />
der Lebensführung. Nicht dogmatisch,<br />
nein keinesfalls – Tofu sowohl aus dem<br />
Bioladen als auch von Coop sind beste<br />
Indizien für Flexibilität. Mit routinierter<br />
Gelassenheit und Achtsamkeit meistert<br />
unsere Person, selbstverständlich eine<br />
Frau, die fleischlose Leere souverän und<br />
erfreut sich am abgeworfenen Ballast.<br />
Auflösung: Das ist der Kühlschrank von Alena<br />
Cherny. Die 45-jährige Pianistin stammt<br />
ursprünglich aus der Ukraine, lebt aber mittlerweile<br />
in Wetzikon. Einem breiten Publikum bekannt<br />
geworden ist Cherny durch den Film «appassionata»,<br />
der mit dem Publikumspreis des Zürcher Filmfestivals<br />
ausgezeichnet wurde. Darin erzählt der<br />
Filmemacher Christian Labhart die Biografie der<br />
Konzertpianistin – ein Leben zwischen Tschernobyl<br />
und internationalen Konzertbühnen.<br />
www.alenacherny.ch<br />
www.appassionata-film.ch<br />
Grosser Kühlschrank: Energieverbrauch<br />
zu gross für<br />
die Menge der Lebensmittel<br />
Bioprodukte: Sie garantieren<br />
eine naturnahe, umweltgerechte<br />
Produktion<br />
Vegetarische Gerichte:<br />
<strong>Dr</strong>eimal weniger Treibhausgase<br />
als Fleischgerichte<br />
Der Besitzer scheint<br />
nur das einzukaufen,<br />
was er auch wirklich isst<br />
KOLUMNE<br />
Investitionen<br />
in Rohstoffe?<br />
Ich möchte einen Teil meines Geldes<br />
in Rohstoffe anlegen. Kann man auch<br />
nachhaltig in landwirtschaftliche Rohstoffe<br />
investieren? E. Müller, Zürich<br />
Viele landwirtschaftliche Produkte wie<br />
Soja, Palmöl oder Baumwolle werden<br />
international gehandelt. In den vergangenen<br />
zehn Jahren stiegen und sanken<br />
die Preise wie bei einer Achterbahn.<br />
Immer wieder haben Verknappungen<br />
auch zu sozialen Unruhen geführt.<br />
Solche Trends sind nicht nur eine Herausforderung<br />
für Anleger, Wirtschaft<br />
und Gesellschaft. Sie erhöhen auch den<br />
<strong>Dr</strong>uck auf die Umwelt – besonders im<br />
Amazonas oder in den Regenwäldern<br />
Südostasiens, wo die Produktion immer<br />
weiter in die Wälder vordringt und der<br />
Einsatz von Chemie in der Landwirtschaft<br />
ständig erhöht wird.<br />
Die Produzenten benötigen insbesondere<br />
für eine nachhaltige Versorgung<br />
mit Agrarrohstoffen Kapital.<br />
In der Praxis fliesst jedoch viel Geld in<br />
kurzfristige Spekulation. Seit im Jahr<br />
2000 spezielle Anlageprodukte, die<br />
Rohstoff-Indexfonds, aufkamen, hat sich<br />
deren Volumen mindestens verzwanzigfacht.<br />
Namhafte Experten vermuten<br />
darin einen der Gründe für die stark<br />
gestiegenen Preise für wichtige Nahrungsmittel<br />
wie beispielsweise Weizen<br />
oder Mais.<br />
Sehr vereinfacht: Wer langfristig<br />
verantwortlich anlegen möchte, sollte<br />
in Unternehmen investieren, die in der<br />
produzierenden Agrarwirtschaft tätig<br />
sind und dabei auf Umwelt- und Sozialkriterien<br />
achten. Spekulative Anlageprodukte<br />
in Agrarrohstoffe wie zum Beispiel<br />
Indexfonds oder Derivate erscheinen aus<br />
Nachhaltigkeitssicht kritisch.<br />
RATGEBER<br />
Katharina Serafimova<br />
<strong>WWF</strong> <strong>Schweiz</strong><br />
Winterquartier<br />
für Igel<br />
MASSIMO MILANO ILLUSTRATION<br />
Beim herbstlichen Baumschnitt sammeln<br />
sich Äste, Reisig und Laub an, die<br />
sich ausgezeichnet als Baustoffe für den<br />
Unterschlupf von Nützlingen im Garten<br />
eignen. Oft fehlen nämlich in stark<br />
bebauten Gebieten solche natürlichen<br />
Mikrobiotope.<br />
Mit Asthaufen lässt sich beispielsweise<br />
ein Winterquartier für Igel zaubern.<br />
Das geht ganz einfach: Schichten<br />
Sie unterschiedlich grobe und feine<br />
Zweige und Holzresten zu einem Haufen<br />
auf. Es sollten dichtere Bereiche und<br />
solche mit mehr Zwischenräumen entstehen.<br />
Mit etwas Glück zieht der Igel<br />
ein und der Haufen dient seinem Nachwuchs<br />
als Kinderstube. Auch Reptilien<br />
und Insekten sind dankbar für Reisig<br />
und Äste, in denen sie Nahrung und im<br />
Frühling einen Nistplatz finden.
Den besten Wein macht die Natur<br />
Wo entsteht Weinqualität? Ganz zuerst in einem gesunden<br />
Weinberg. Nicht dort, wo chemische Pestizide das Gleich-<br />
gewicht zerstören. Sondern dort, wo Biodiversität für<br />
einen natürlichen Ausgleich sorgt.<br />
«Sehr empfehlenswert»<br />
«Delinat-Wein aus biologischem Anbau liegt<br />
deutlich über den gesetzlichen Anforderungen.»<br />
(Ratgeber Lebensmittel-Label Nov. 2010,<br />
<strong>WWF</strong> <strong>Schweiz</strong>, Konsumentenschutz <strong>Schweiz</strong>)<br />
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