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8 studieren Uni&Job<br />

Der große Absprung<br />

Je<strong>de</strong>r fünfte Stu<strong>de</strong>nt verlässt die Hochschule ohne Abschluss.<br />

Warum es so viele Abbrecher gibt und wie sie auch ohne aka<strong>de</strong>mischen Titel durchstarten<br />

Von Nadja Scholz<br />

Es ist ein zerknirschter Brief, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />

SPD-Bun<strong>de</strong>stagsabgeordnete Niels Annen<br />

im vergangen Sommer an seine Genossen<br />

schreibt. Der 35-Jährige erklärt<br />

darin, dass er sein Geschichtsstudium<br />

abbricht. Im Wahljahr 2005 hatte er<br />

noch vollmundig versprochen, er wer<strong>de</strong><br />

das Studium abschließen. Aber nach „26<br />

o<strong>de</strong>r 27“ Semestern – so genau hat er am<br />

En<strong>de</strong> nicht mehr mitgezählt – schmeißt<br />

er dann doch. Zwar hat er alle Scheine<br />

beisammen und könnte mit <strong>de</strong>r Magisterarbeit<br />

beginnen. Aber er scheitert an<br />

einer entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Prüfung: <strong>de</strong>m Latinum.<br />

Schluss, aus, Annen ist raus.<br />

i<br />

Ansichtssache.<br />

„Bologna wirkt“ – so<br />

feierte das Bildungsministerium<br />

im Sommer<br />

2008 die insgesamt leicht<br />

gesunkene Abbrecherquote. Die<br />

Quote <strong>von</strong> 20 Prozent sei „ganz<br />

wesentlich“ <strong>de</strong>r Umstellung <strong>auf</strong><br />

<strong>de</strong>n Bachelor zu verdanken.<br />

Dabei fin<strong>de</strong>n sich gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n<br />

Fächern mit Bachelor-Abschluss<br />

<strong>auf</strong>fallend viele Abbrecher: An<br />

<strong>de</strong>n Universitäten liegt die Quote<br />

hier bei 25, an <strong>de</strong>n Fachhochschulen<br />

gar bei 39 Prozent.<br />

Bill Gates hat es getan, Herbert Grönemeyer auch. Foto: ddp<br />

Für Niels Annen ist <strong>de</strong>r Studienabbruch<br />

ein berufliches Desaster. Er ist<br />

prominent, <strong>von</strong> ihm wird viel erwartet.<br />

Scheitern darf nicht sein. Deshalb <strong>de</strong>r<br />

Brief: Geständnis und Entschuldigung<br />

zugleich. Aber immerhin hat er, an<strong>de</strong>rs<br />

als die meisten Abbrecher, schon entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />

Schritte im Berufsleben zurückgelegt.<br />

Das wird ihm die Zukunft erleichtern.<br />

Die vielen an<strong>de</strong>ren Stu<strong>de</strong>nten,<br />

die das Handtuch werfen, gucken dagegen<br />

oft erst einmal in die Röhre. Wer das<br />

Studium <strong>auf</strong>gibt, steht unweigerlich vor<br />

<strong>de</strong>r Frage: Wie soll es jetzt weitergehen?<br />

Nach Angaben <strong>de</strong>s Hochschul-Informations-Systems<br />

(HIS) in Hannover verlässt<br />

je<strong>de</strong>r fünfte Stu<strong>de</strong>nt die Uni ohne<br />

Abschluss. Das ist zwar ein leichter<br />

Studienabbrecher an Universitäten und Fachhochschulen<br />

Von je 100 Studienanfängern verließen<br />

die Universität ohne Abschluss<br />

Mathe, Naturwissenschaften<br />

28<br />

Sprach-, Kulturwiss., Sport<br />

27<br />

Ingenieurwissenschaften<br />

25<br />

Rechts-, Wirtsch.-, Sozialwiss. 19<br />

Kunst/Kunstwissenschaften<br />

Lehramt<br />

Agrar-, Forst-, Ernährungswiss.<br />

Medizin/Gesundheitswiss.<br />

insgesamt<br />

5<br />

7<br />

8<br />

12<br />

SZ-Graphik: Ei<strong>de</strong>n; Quelle: HIS, Bezugsjahrgang Absolventen 2006<br />

20<br />

Von je 100 Studienanfängern verließen<br />

die Fachhochschule ohne Abschluss<br />

Ingenieurswissenschaften<br />

26<br />

Mathematik, Naturwissenschaften<br />

Wirtschaftswissenschaften, Sozialwesen<br />

19<br />

Agrar-, Forst-, Ernährungswissenschaften<br />

12<br />

insgesamt<br />

Rückgang im Vergleich zu <strong>de</strong>n Vorjahren,<br />

gegenüber an<strong>de</strong>ren EU-Staaten immer<br />

noch viel. Was aus <strong>de</strong>r Statistik<br />

nicht hervorgeht: Kaum ein Stu<strong>de</strong>nt<br />

geht einfach so. Viele ringen monatelang<br />

mit <strong>de</strong>m Gedanken, bis die Entscheidung<br />

fällt. Wer abbricht, hat versagt:<br />

Das ist das herrschen<strong>de</strong> Bild, <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m<br />

niemand gern abgebil<strong>de</strong>t sein möchte.<br />

Da tröstet auch ein Hinweis <strong>auf</strong> prominente<br />

Abbrecher wie Bill Gates, Herbert<br />

Grönemeyer o<strong>de</strong>r Wolfgang Joop wenig.<br />

Wer es vom Tellerwäscher zum Millionär<br />

gebracht hat, hat immer gut lachen.<br />

Alina Wallbaum hat zwei Jahre für<br />

die Entscheidung gebraucht. Die 30-Jährige<br />

hat in Weimar Medienkultur studiert<br />

und schon früh gemerkt, dass sie<br />

22<br />

26<br />

Auswahl. Germanistik in Hei<strong>de</strong>lberg<br />

ist nicht gleich Germanistik<br />

in Freiburg – viele Unis setzen<br />

heute eigene Schwerpunkte.<br />

Zugleich wächst die Bandbreite<br />

<strong>de</strong>r Studienfächer: Statt Jura<br />

studiert man nun „Business<br />

Law“ o<strong>de</strong>r Informationsrecht.<br />

Am besten erkundigt man sich<br />

bei <strong>de</strong>n Unis über die einzelnen<br />

Fächer und ihre Ausrichtung. So<br />

steigt die Wahrscheinlichkeit,<br />

einen Studiengang zu fin<strong>de</strong>n,<br />

<strong>de</strong>r gut zu <strong>de</strong>n eigenen Bedürfnissen<br />

und Fähigkeiten passt.<br />

sich damit nicht wohl fühlt: „Je<strong>de</strong> Hausarbeit<br />

hat mich extrem angestrengt, ich<br />

war voller Versagensängste und Selbstzweifel“,<br />

sagt sie. Schon nach wenigen<br />

Semestern überlegt sie, das Studium an<br />

<strong>de</strong>n Nagel zu hängen. „Das Problem war<br />

nur, dass ich die Prüfungen immer sehr<br />

gut bestan<strong>de</strong>n habe und so viel positive<br />

Rückmeldung bekommen habe, dass ich<br />

mich selbst zum Weitermachen gezwungen<br />

habe“, sagt sie heute.<br />

Auch ihre Familie bestärkt sie in ihrem<br />

Bemühen, am Ball zu bleiben. Wallbaum<br />

hält durch, acht Jahre lang. Und<br />

schafft es schließlich – mit einem Notenschnitt<br />

<strong>von</strong> 2,0 – bis zum Diplom. Acht<br />

Jahre, in <strong>de</strong>nen sie sich immer wie<strong>de</strong>r<br />

zwingen muss. Sie lei<strong>de</strong>t unter <strong>de</strong>pressi-<br />

Akquisition. MINT steht nicht<br />

für Pfefferminz, son<strong>de</strong>rn für Mathematik,<br />

Informatik, Naturwissenschaft,<br />

Technik. In <strong>de</strong>n<br />

MINT-Fächern ist die Abbrecherquote<br />

zum Leidwesen <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />

Wirtschaft beson<strong>de</strong>rs<br />

hoch. Denn gera<strong>de</strong> hier wer<strong>de</strong>n<br />

Absolventen gesucht: Im Sommer<br />

2008 gab es mehr als<br />

140 000 offene Stellen für MINTler.<br />

Initiativen versuchen nun,<br />

mehr junge Menschen für ein<br />

MINT-Studium zu begeistern<br />

(www.mintzukunft.<strong>de</strong>).

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