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07.12.2012 Aufrufe

22 leben Uni&Job Grenzenlos verliebt Wer in einem anderen Land studiert, lernt nicht nur eine fremde Kultur kennen, sondern findet manchmal auch seine große Liebe. Doch Einwanderungsgesetze und Vorurteile machen es binationalen Paaren nicht leicht Von Isa Hoffinger Abends, wenn es kühler wird, fängt für die meisten Studenten in Córdoba das Leben an. Dann lässt der Verkehrslärm nach, und die Bars im Amüsierviertel der Stadt füllen sich mit Leuten. Mit sieben Universitäten ist Córdoba das Bildungszentrum Argentiniens. 150 000 Studenten leben hier. Auch Jana Neuhaus ist zum Studieren nach Córdoba gekommen, „weil es hier billiger ist als in Buenos Aires und man nicht so viel Angst haben muss, überfallen zu werden“, sagt sie. Ein Jahr hat Jana in Córdoba verbracht, heute Nacht zieht die 24-Jährige zum letzten Mal um die Häuser. Acht Stunden bleiben ihr noch. Dann wird sie ins Flugzeug steigen, i Zu langsam. Ein Auslandssemester lässt sich in BachelorundMaster-Studiengänge nicht mehr so leicht einbauen. Während in den alten Diplom-Studiengängen fast jeder Vierte ins Ausland ging, lag die Quote bei Bachelor-Studenten an Unis im Jahr 2007 nur bei 15 Prozent. An den Fachhochschulen legten sogar nur neun Prozent der Studenten ein Gastsemester ein, so das Hochschul-Informations-System. bepackt mit einem großen Rucksack und vielen Erinnerungen, aber ohne ihren Freund Michel. „Ich wusste immer, dass ich gehen muss, denn ich möchte an der Uni Leipzig mein Diplom in Übersetzung machen. Den Gedanken an den Abschied schiebt man einfach weg“, sagt sie. Nach Hause zu fliegen, fällt ihr nicht leicht. Der 33-jährige Michel La Rossa ist ihre erste große Liebe. Er verkauft Schmuck auf einem Basar für Kunsthandwerk und hört gern „Quartetto“, die rebellische Musik der Arbeitslosen, die in Córdoba hin und wieder die Straßen blockieren und Wegezoll verlangen. Kennengelernt hat Jana ihren Freund bei der Zimmersuche. „Ich bin in Michels Wohngemeinschaft gezogen. Nach ein paar Wochen haben wir uns ineinander verliebt“, erzählt sie. Zu fremd. Wenn schon ins Ausland, dann in ein vertrautes Nachbarland. Nur wenige Studenten wollen während ihres Gastsemesters möglichst weit weg. 65 Prozent bleiben in Westeuropa. Am reiselustigsten sind übrigens Sprach-, Kultur- und Sportwissenschaftler: 29 Prozent von ihnen gehen eine Zeitlang ins Ausland. Am Ende der Rangliste stehen nach Angaben der Hochschul-Informations-System GmbH angehende Ingenieure mit 16 Prozent. 70 70,9 60 50 40 Seit zehn Monaten sind Jana und Michel jeden Tag zusammen. Nun liegen bald 12 000 Kilometer zwischen ihnen. Ein einfacher Flug von Argentinien nach Deutschland kostet 800 Euro, das sind keine guten Voraussetzungen für eine Michel muss den deutschen Behörden glaubhaft machen, dass er wieder abreisen wird Fernbeziehung. Außerdem bekäme Michel vielleicht gar kein Visum, um Jana zu besuchen. Alle Bürger aus Nicht-EU- Staaten, die keinen Job in Deutschland haben, müssen eine Einladung von Deutschen vorweisen, damit sie als Tourist einreisen dürfen. Und sie müssen den Behörden glaubhaft machen, dass sie wie- Studenten bleiben zu Hause So viel Prozent der Studenten machen folgende Erfahrungen 54,5 Inlandspraktikum 30 32,8 nichts 20 10 24,0 16,8 14,9 16,4 Auslandssemester 15,6 Auslandspraktikum 0 3,5 2,3 Auslandsstudium mit Abschluss 2004 2005 2006 2007 SZ-Graphik: Hanna Eiden; Quelle: Continental Herzschmerz in Argentinien: Seit zehn Monaten sind Jana Neuhaus und Michel La Rossa ein Paar. Jetzt muss Jana zurück nach Leipzig, um ihr Diplom zu machen. Ob Michel ihr folgen darf, ist fraglich. der in ihr Land zurückgehen. Jana und Michel haben für dieses Problem noch keine Lösung gefunden. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes gibt es 2,5 Millionen binationale Ehepaare in Deutschland. Dazu kommen 73 000 Lebensgemeinschaften, in denen nur der Mann Deutscher ist und 105 000 Lebensgemeinschaften, in denen nur die Frau Deutsche ist. „Für unsere Gesellschaft spielen solche Paare eine große Rolle. Sie leisten im Kleinen, was auch im Großen für Deutschland wichtig ist: Vertrautes mit Fremdem zu verbinden und etwas Neues zu schaffen“, sagt Cornelia Spohn vom Verband binationaler Familien und Partnerschaften (IAF). Der Verband bietet Beratungen für Paare an. Meistens melden sich Leute, die wissen möchten, wie sie ihren Partner nach Deutschland holen können. Zu teuer. Studenten können immer weniger Praktika und Auslandsaufenthalte vorweisen. Das belegt eine repräsentative Umfrage des Automobilzulieferers Continental. Demnach haben die Studenten zwar begriffen, dass internationale Kenntnisse und Erfahrungen in Zukunft immer wichtiger werden. „ Ihr eigenes Verhalten spiegelt dies aber nicht wider“, hieß es bei der Vorstellung der Studie. Die Gründe seien Geldprobleme, Zeitmangel und Bürokratie.

Uni&Job leben 23 Auch viele Studenten sind darunter. „Junge Menschen sind heute sehr kosmopolitisch. Sie haben kaum Vorbehalte anderen Kulturen gegenüber, das sind gute Voraussetzungen für eine Partnerschaft“, sagt Cornelia Spohn. Warum es Einwanderungsgesetze überhaupt gebe, verstünden junge Menschen oft nicht. Kein Wunder. Für deutsche Studierende ist es leicht, längere Zeit woanders zu leben. Ob Praktika, Sprachkurse, freiwillige Dienste oder ein Auslandssemester: Viele Studenten nutzen heute die Chance, die Welt zu entdecken. Manche von ihnen, die unterwegs von Amors Pfeil getroffen wurden, kommen mit gebrochenem Herzen zurück. Andere heiraten. Denn oft ist das die einzige Möglichkeit, keine Fernbeziehung führen zu müssen. Jedenfalls dann, wenn der Traummann oder die Traumfrau nicht aus Europa kommen. Julia Kassubek und Daniel Lopez haben sich vor zwei Jahren in Caracas kennengelernt. Die 30-jährige Julia arbeitete für den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), der 25-jährige Daniel studierte Kommunikationswissenschaften. Ein halbes Jahr später haben sie geheiratet. Die Hochzeit fand auf der Isla Margarita statt, in Daniels Heimat Venezuela. Weil Julia einen neuen Job und Daniel einen Studienplatz samt Stipendium in Berlin bekam, zog das Paar nach Deutschland. Vorurteile belasten binationale Beziehungen mehr als Meinungsverschiedenheiten In Berlin hatten sie allerdings Probleme mit der Anerkennung ihrer Ehe. „Da in vielen außereuropäischen Ländern Pässe gefälscht werden, muss ein Ausländer oft beweisen, dass er auch derjenige ist, der er vorgibt zu sein“, erklärt Spohn. Umgekehrt müssen Deutsche, die zum Beispiel nach Lateinamerika auswandern möchten, nur darlegen, dass sie ihren Unterhalt bestreiten können, und Geld für ein Visum bezahlen. Viele Paare, meint Spohn, würden sich wegen der Schwierigkeiten mit den deutschen Behörden überlegen, ob sie nicht lieber im Ausland leben wollen. Die 22-jährige Julia Shaw und der 27-jährige Will Shaw haben sich für ein Leben in Wills Heimat Kanada entschieden. Beide lernten sich vor drei Jahren an der Universität Vancouver kennen, an der Julia Psychologie studierte. „Kanada ist multikulturell“, sagt sie, „binationale Paare sind hier nicht ungewöhnlich“. Nach drei Monaten mit Will ging Julia für ein halbes Jahr nach Thailand. „Als ich wieder in Kanada war, waren wir noch verliebter als vorher.“ Nach einer Studie der Psychologin Fanny Jimenez von der Berliner Humboldt-Universität sind Paare, die vorübergehend Fernbeziehungen führen, im i Distanz. Keine andere Lebensphase eignet sich so gut für Fernbeziehungen wie das Studium. Mindestens einmal im Monat sollten sich Paare aber sehen, rät die Berliner Psychologin Fanny Jimenez, die über „Distanz und Nähe in Fernbeziehungen“ promoviert. Sonst bröckele das Gefühl, sich auf den anderen verlassen zu können. Wichtig seien auch Rituale wie die „Guten-Morgen-SMS“ oder ein gemeinsames Online-Spiel. Durchschnitt nicht unzufriedener als Paare, die zusammenleben. Auch die Trennungsrate ist offenbar nicht größer. Zumindest dann nicht, wenn beide Partner wissen, dass sie irgendwann im selben Land wohnen können. Probleme wegen der Aufenthaltsgenehmigung oder der unterschiedlichen Lebenswelten, aus denen Julia und Will Shaw kommen, gab es bisher keine. „Binationale Paare haben die gleichen Alltagsprobleme wie andere Paare auch“, sagt Cornelia Spohn. Allerdings sei der Druck, der auf ihnen laste, grundsätzlich größer. Das liege nicht nur daran, dass sie sich schon in der Phase des Kennenlernens überlegen müssten, in welchem Land sie leben wollen oder oft eine Fernbeziehung führen müssten. „Manche Deutsche müssen sich leider immer noch in ihrem Bekanntenkreis rechtfertigen und werden gefragt, ob es denn unbedingt ein Ausländer sein muss, mit dem sie zusammen sein wollen“, sagt Spohn. Solche Vorurteile belasteten die Paare mehr als Meinungsverschiedenheiten. Nicht nur in Deutschland, auch im Ausland gibt es Vorurteile binationalen Paaren gegenüber. Rajesh Sivathanu Pillai wurde von seiner Familie vor einer Heirat mit einer Deutschen gewarnt. Für Jette Delbeck, die sich während eines Praktikums in Indien in Rajesh verliebt hatte, war es nicht leicht, Rajeshs Eltern von ihren „ehrlichen Absichten“ zu überzeugen. „Rajeshs Brüder wurden arrangiert verheiratet, seine Eltern haben die Frauen ausgesucht. Sie haben Rajesh gesagt, dass ich mich bestimmt scheiden lassen würde, weil in Deutschland doch die Ehen wie Hemden gewech- Nähe. Die Kilometerzahl, die ein Pärchen real trennt, spielt für die Beziehungszufriedenheit keine Rolle. Auch das hat Fanny Jimenez in ihrer Doktorarbeit herausgefunden. Was die Dauer ihrer Beziehung, die Wahrscheinlichkeit von Seitensprüngen und die Trennungsrate betrifft, unterscheiden sich die 1400 befragten Fernverliebten nicht von Pärchen, die ganz konventionell zusammenleben. Allerdings sei der Sex besser, wenn man sich so wenig sieht, so die Studie. Zu viel Nähe. Laut Statistik endet das typische Fernbeziehungsalter mit 35 Jahren. Das Zusammenziehen wird für viele erprobte Fernliebende zur Herausforderung: Ein Drittel der Paare trennt sich in den ersten drei Monaten. „Aus zu viel Distanz wird plötzlich zu viel Nähe“, sagt der Hamburger Psychologe Christian van der Ende. Er rät: erst mal zwei Wohnungen am selben Ort mieten oder gemeinsam eine neue Wohnung einrichten, statt zum Partner zu ziehen. selt werden“, sagt Jette. Seit vier Jahren sind die 25-jährige Jette und der 33-jährige Rajesh nun ein Ehepaar. „Wir haben zuerst in Thiruvananthapuram geheiratet, der Hauptstadt des Staates Kerala, und dann standesamtlich in Kassel“, erzählt Jette Delbeck, „es hat ein Jahr gedauert, bis wir alle Papiere zusammen hatten.“ Weil Jette in Dresden Verkehrswirtschaft studieren wollte, kündigte Rajesh seinen Job in Indien und machte sich in Dresden mit einem Reisebüro selbständig. „Am Anfang war es hier nicht leicht für Rajesh“, erzählt Jette, „er hatte kei- Was Studenten wichtig ist Angaben in Prozent Annerkennung im Beruf erwerben 2008 2002 Jette Delbeck musste ihre indischen Schwiegereltern erst mal davon überzeugen, dass sie es ernst meint. In Deutschland, so dachte die Familie von Bräutigam Rajesh Sivathanu Pillai, wechseln die Frauen ihre Ehemänner wie Unterwäsche. Julia und Will Shaw haben sich in Vancouver kennengelernt. In Kanada sind binationale Paare nichts Außergewöhnliches. Fotos: Hoffinger (1), privat (2) ne Freunde, alles war neu für ihn.“ Auch der kulturelle Unterschied war ein Problem. „Ein Konfliktpunkt war zum Beispiel der Umgang mit Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit. Ich umarme Rajesh gern mal auf der Straße. Rajesh war das unangenehm, er hat dann aber gesehen, dass es hier normal ist“, sagt Jette. Heute haben beide kaum noch Konflikte. „Ich habe immer versucht, die Beziehung zu der Person Rajesh zu sehen und nicht zu dem Inder“, sagt Jette, „wenn einem das gelingt, ist nicht mehr Toleranz nötig als für jede andere Beziehung auch.“ 78 85 Sich der Familie/Partnerschaft zu widmen 72 67 Im Beruf Überdurchschnittliches leisten 57 67 Eine leitende Funktion zu übernehmen 47 57 SZ-Graphik: Eiden; Quelle: HIS Zu wenig Nähe. Privates Glück ist Studenten heute wichtiger als Karriere. Nach einer Studie der Hochschul-Informations-System GmbH haben sich die Prioritäten zwischen 2002 und 2008 deutlich verschoben. Während damals 57 Prozent der Befragten angaben, eine leitende Funktion anzustreben, seien es heute nur noch 47 Prozent. Zugleich gaben aktuell 72 Prozent an, sich in starkem Maße dem Partner und der Familie widmen zu wollen, fünf Prozent mehr als 2002.

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Auch viele Stu<strong>de</strong>nten sind darunter.<br />

„Junge Menschen sind heute sehr kosmopolitisch.<br />

Sie haben kaum Vorbehalte an<strong>de</strong>ren<br />

Kulturen gegenüber, das sind gute<br />

Voraussetzungen für eine Partnerschaft“,<br />

sagt Cornelia Spohn. Warum es<br />

Einwan<strong>de</strong>rungsgesetze überhaupt gebe,<br />

verstün<strong>de</strong>n junge Menschen oft nicht.<br />

Kein Wun<strong>de</strong>r. Für <strong>de</strong>utsche Studieren<strong>de</strong><br />

ist es leicht, längere Zeit woan<strong>de</strong>rs zu<br />

leben. Ob Praktika, Sprachkurse, freiwillige<br />

Dienste o<strong>de</strong>r ein Auslandssemester:<br />

Viele Stu<strong>de</strong>nten nutzen heute die Chance,<br />

die Welt zu ent<strong>de</strong>cken. Manche <strong>von</strong> ihnen,<br />

die unterwegs <strong>von</strong> Amors Pfeil getroffen<br />

wur<strong>de</strong>n, kommen mit gebrochenem<br />

Herzen zurück. An<strong>de</strong>re heiraten.<br />

Denn oft ist das die einzige Möglichkeit,<br />

keine Fernbeziehung führen zu müssen.<br />

Je<strong>de</strong>nfalls dann, wenn <strong>de</strong>r Traummann<br />

o<strong>de</strong>r die Traumfrau nicht aus Europa<br />

kommen.<br />

Julia Kassubek und Daniel Lopez<br />

haben sich vor zwei Jahren in Caracas<br />

kennengelernt. Die 30-jährige Julia arbeitete<br />

für <strong>de</strong>n Deutschen Aka<strong>de</strong>mischen<br />

Austauschdienst (DAAD), <strong>de</strong>r<br />

25-jährige Daniel studierte Kommunikationswissenschaften.<br />

Ein halbes Jahr<br />

später haben sie geheiratet. Die Hochzeit<br />

fand <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r Isla Margarita statt, in<br />

Daniels Heimat Venezuela. Weil Julia<br />

einen neuen Job und Daniel einen Studienplatz<br />

samt Stipendium in Berlin bekam,<br />

zog das Paar nach Deutschland.<br />

Vorurteile belasten binationale<br />

Beziehungen mehr als<br />

Meinungsverschie<strong>de</strong>nheiten<br />

In Berlin hatten sie allerdings Probleme<br />

mit <strong>de</strong>r Anerkennung ihrer Ehe. „Da<br />

in vielen außereuropäischen Län<strong>de</strong>rn<br />

Pässe gefälscht wer<strong>de</strong>n, muss ein Auslän<strong>de</strong>r<br />

oft beweisen, dass er auch <strong>de</strong>rjenige<br />

ist, <strong>de</strong>r er vorgibt zu sein“, erklärt<br />

Spohn. Umgekehrt müssen Deutsche,<br />

die zum Beispiel nach Lateinamerika<br />

auswan<strong>de</strong>rn möchten, nur darlegen,<br />

dass sie ihren Unterhalt bestreiten können,<br />

und Geld für ein Visum bezahlen.<br />

Viele Paare, meint Spohn, wür<strong>de</strong>n sich<br />

wegen <strong>de</strong>r Schwierigkeiten mit <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen<br />

Behör<strong>de</strong>n überlegen, ob sie nicht<br />

lieber im Ausland leben wollen.<br />

Die 22-jährige Julia Shaw und <strong>de</strong>r<br />

27-jährige Will Shaw haben sich für ein<br />

Leben in Wills Heimat Kanada entschie<strong>de</strong>n.<br />

Bei<strong>de</strong> lernten sich vor drei Jahren<br />

an <strong>de</strong>r Universität Vancouver kennen,<br />

an <strong>de</strong>r Julia Psychologie studierte. „Kanada<br />

ist multikulturell“, sagt sie, „binationale<br />

Paare sind hier nicht ungewöhnlich“.<br />

Nach drei Monaten mit Will ging<br />

Julia für ein halbes Jahr nach Thailand.<br />

„Als ich wie<strong>de</strong>r in Kanada war, waren<br />

wir noch verliebter als vorher.“<br />

Nach einer Studie <strong>de</strong>r Psychologin<br />

Fanny Jimenez <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Berliner Humboldt-Universität<br />

sind Paare, die vorübergehend<br />

Fernbeziehungen führen, im<br />

i<br />

Distanz. Keine an<strong>de</strong>re<br />

Lebensphase eignet<br />

sich so gut für<br />

Fernbeziehungen wie<br />

das Studium. Min<strong>de</strong>stens einmal<br />

im Monat sollten sich Paare aber<br />

sehen, rät die Berliner Psychologin<br />

Fanny Jimenez, die über<br />

„Distanz und Nähe in Fernbeziehungen“<br />

promoviert. Sonst bröckele<br />

das Gefühl, sich <strong>auf</strong> <strong>de</strong>n<br />

an<strong>de</strong>ren verlassen zu können.<br />

Wichtig seien auch Rituale wie<br />

die „Guten-Morgen-SMS“ o<strong>de</strong>r<br />

ein gemeinsames Online-Spiel.<br />

Durchschnitt nicht unzufrie<strong>de</strong>ner als<br />

Paare, die zusammenleben. Auch die<br />

Trennungsrate ist offenbar nicht größer.<br />

Zumin<strong>de</strong>st dann nicht, wenn bei<strong>de</strong> Partner<br />

wissen, dass sie irgendwann im selben<br />

Land wohnen können. Probleme wegen<br />

<strong>de</strong>r Aufenthaltsgenehmigung o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>r unterschiedlichen Lebenswelten,<br />

aus <strong>de</strong>nen Julia und Will Shaw kommen,<br />

gab es bisher keine.<br />

„Binationale Paare haben die gleichen<br />

Alltagsprobleme wie an<strong>de</strong>re Paare<br />

auch“, sagt Cornelia Spohn. Allerdings<br />

sei <strong>de</strong>r Druck, <strong>de</strong>r <strong>auf</strong> ihnen laste, grundsätzlich<br />

größer. Das liege nicht nur daran,<br />

dass sie sich schon in <strong>de</strong>r Phase <strong>de</strong>s<br />

Kennenlernens überlegen müssten, in<br />

welchem Land sie leben wollen o<strong>de</strong>r oft<br />

eine Fernbeziehung führen müssten.<br />

„Manche Deutsche müssen sich lei<strong>de</strong>r<br />

immer noch in ihrem Bekanntenkreis<br />

rechtfertigen und wer<strong>de</strong>n gefragt, ob es<br />

<strong>de</strong>nn unbedingt ein Auslän<strong>de</strong>r sein<br />

muss, mit <strong>de</strong>m sie zusammen sein wollen“,<br />

sagt Spohn. Solche Vorurteile belasteten<br />

die Paare mehr als Meinungsverschie<strong>de</strong>nheiten.<br />

Nicht nur in Deutschland, auch im<br />

Ausland gibt es Vorurteile binationalen<br />

Paaren gegenüber. Rajesh Sivathanu<br />

Pillai wur<strong>de</strong> <strong>von</strong> seiner Familie vor einer<br />

Heirat mit einer Deutschen gewarnt.<br />

Für Jette Delbeck, die sich während<br />

eines Praktikums in Indien in Rajesh verliebt<br />

hatte, war es nicht leicht, Rajeshs<br />

Eltern <strong>von</strong> ihren „ehrlichen Absichten“<br />

zu überzeugen. „Rajeshs Brü<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong>n<br />

arrangiert verheiratet, seine Eltern haben<br />

die Frauen ausgesucht. Sie haben<br />

Rajesh gesagt, dass ich mich bestimmt<br />

schei<strong>de</strong>n lassen wür<strong>de</strong>, weil in Deutschland<br />

doch die Ehen wie Hem<strong>de</strong>n gewech-<br />

Nähe. Die Kilometerzahl, die ein<br />

Pärchen real trennt, spielt für die<br />

Beziehungszufrie<strong>de</strong>nheit keine<br />

Rolle. Auch das hat Fanny Jimenez<br />

in ihrer Doktorarbeit herausgefun<strong>de</strong>n.<br />

Was die Dauer ihrer<br />

Beziehung, die Wahrscheinlichkeit<br />

<strong>von</strong> Seitensprüngen und<br />

die Trennungsrate betrifft, unterschei<strong>de</strong>n<br />

sich die 1400 befragten<br />

Fernverliebten nicht <strong>von</strong><br />

Pärchen, die ganz konventionell<br />

zusammenleben. Allerdings sei<br />

<strong>de</strong>r Sex besser, wenn man sich<br />

so wenig sieht, so die Studie.<br />

Zu viel Nähe. Laut Statistik<br />

en<strong>de</strong>t das typische Fernbeziehungsalter<br />

mit 35 Jahren. Das<br />

Zusammenziehen wird für viele<br />

erprobte Fernlieben<strong>de</strong> zur Herausfor<strong>de</strong>rung:<br />

Ein Drittel <strong>de</strong>r<br />

Paare trennt sich in <strong>de</strong>n ersten<br />

drei Monaten. „Aus zu viel Distanz<br />

wird plötzlich zu viel Nähe“,<br />

sagt <strong>de</strong>r Hamburger Psychologe<br />

Christian van <strong>de</strong>r En<strong>de</strong>. Er rät:<br />

erst mal zwei Wohnungen am<br />

selben Ort mieten o<strong>de</strong>r gemeinsam<br />

eine neue Wohnung einrichten,<br />

statt zum Partner zu ziehen.<br />

selt wer<strong>de</strong>n“, sagt Jette. Seit vier Jahren<br />

sind die 25-jährige Jette und <strong>de</strong>r 33-jährige<br />

Rajesh nun ein Ehepaar. „Wir haben<br />

zuerst in Thiruvananthapuram geheiratet,<br />

<strong>de</strong>r Hauptstadt <strong>de</strong>s Staates Kerala,<br />

und dann stan<strong>de</strong>samtlich in Kassel“,<br />

erzählt Jette Delbeck, „es hat ein<br />

Jahr gedauert, bis wir alle Papiere zusammen<br />

hatten.“<br />

Weil Jette in Dres<strong>de</strong>n Verkehrswirtschaft<br />

studieren wollte, kündigte Rajesh<br />

seinen Job in Indien und machte sich in<br />

Dres<strong>de</strong>n mit einem Reisebüro selbständig.<br />

„Am <strong>Anfang</strong> war es hier nicht leicht<br />

für Rajesh“, erzählt Jette, „er hatte kei-<br />

Was Stu<strong>de</strong>nten wichtig ist<br />

Angaben in Prozent<br />

Annerkennung im Beruf erwerben<br />

2008<br />

2002<br />

Jette Delbeck musste ihre<br />

indischen Schwiegereltern<br />

erst mal da<strong>von</strong> überzeugen,<br />

dass sie es ernst meint. In<br />

Deutschland, so dachte die<br />

Familie <strong>von</strong> Bräutigam<br />

Rajesh Sivathanu Pillai,<br />

wechseln die Frauen ihre<br />

Ehemänner wie Unterwäsche.<br />

Julia und Will Shaw<br />

haben sich in Vancouver<br />

kennengelernt. In Kanada<br />

sind binationale Paare<br />

nichts Außergewöhnliches.<br />

Fotos: Hoffinger (1), privat (2)<br />

ne Freun<strong>de</strong>, alles war neu für ihn.“ Auch<br />

<strong>de</strong>r kulturelle Unterschied war ein Problem.<br />

„Ein Konfliktpunkt war zum Beispiel<br />

<strong>de</strong>r Umgang mit Zärtlichkeiten in<br />

<strong>de</strong>r Öffentlichkeit. Ich umarme Rajesh<br />

gern mal <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r Straße. Rajesh war das<br />

unangenehm, er hat dann aber gesehen,<br />

dass es hier normal ist“, sagt Jette.<br />

Heute haben bei<strong>de</strong> kaum noch Konflikte.<br />

„Ich habe immer versucht, die Beziehung<br />

zu <strong>de</strong>r Person Rajesh zu sehen<br />

und nicht zu <strong>de</strong>m In<strong>de</strong>r“, sagt Jette,<br />

„wenn einem das gelingt, ist nicht mehr<br />

Toleranz nötig als für je<strong>de</strong> an<strong>de</strong>re Beziehung<br />

auch.“<br />

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Sich <strong>de</strong>r Familie/Partnerschaft zu widmen<br />

72<br />

67<br />

Im Beruf Überdurchschnittliches leisten<br />

57<br />

67<br />

Eine leiten<strong>de</strong> Funktion zu übernehmen<br />

47<br />

57<br />

SZ-Graphik: Ei<strong>de</strong>n; Quelle: HIS<br />

Zu wenig Nähe. Privates Glück<br />

ist Stu<strong>de</strong>nten heute wichtiger als<br />

Karriere. Nach einer Studie <strong>de</strong>r<br />

Hochschul-Informations-System<br />

GmbH haben sich die Prioritäten<br />

zwischen 2002 und 2008 <strong>de</strong>utlich<br />

verschoben. Während damals<br />

57 Prozent <strong>de</strong>r Befragten<br />

angaben, eine leiten<strong>de</strong> Funktion<br />

anzustreben, seien es heute nur<br />

noch 47 Prozent. Zugleich gaben<br />

aktuell 72 Prozent an, sich<br />

in starkem Maße <strong>de</strong>m Partner<br />

und <strong>de</strong>r Familie widmen zu wollen,<br />

fünf Prozent mehr als 2002.

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