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10 studieren Uni&Job<br />

Nimm zwei<br />

Seit die Hochschulen ihre Bewerber selbst aussuchen, bleiben Tausen<strong>de</strong> begehrter Studienplätze leer.<br />

Jetzt haben die Verantwortlichen ein En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Zulassungschaos angekündigt – aber erst für Herbst 2011<br />

Von Tanjev Schultz<br />

Sogar <strong>de</strong>n Lehrern platzte <strong>de</strong>r Kragen.<br />

Seit Jahren müssen sie sich anhören,<br />

wie ihre Abiturienten über das<br />

Durcheinan<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r Zulassung zum<br />

Studium stöhnen. Die Studienangebote<br />

wer<strong>de</strong>n immer unübersichtlicher und<br />

mit ihnen die Bewerbungsverfahren.<br />

Wenn die Unis das Chaos nicht in <strong>de</strong>n<br />

Griff bekämen, „wird ihnen <strong>de</strong>r ganze<br />

La<strong>de</strong>n um die Ohren fliegen“, schimpft<br />

Heinz-Peter Meidinger, Chef <strong>de</strong>s Philologenverbands.<br />

Er hat mitverfolgt, wie<br />

sich die Hochschulen und die ZVS, die<br />

Zentralstelle für die Vergabe <strong>von</strong> Studienplätzen,<br />

monatelang über ein neues<br />

Bewerbungssystem stritten und eine<br />

Lösung verschleppten. Wenn es <strong>de</strong>shalb<br />

im Herbst wie<strong>de</strong>r zum Chaos komme,<br />

wür<strong>de</strong>n die Pädagogen eine „konzertierte<br />

Kampagne“ für eine gesetzliche Regelung<br />

starten, droht <strong>de</strong>r Verband <strong>de</strong>r<br />

Gymnasiallehrer.<br />

Die alte Tante ZVS soll sich<br />

zur Servicestelle für Stu<strong>de</strong>nten<br />

und Hochschulen mausern<br />

Seit die Hochschulen ihre Stu<strong>de</strong>nten<br />

weitgehend selbst auswählen dürfen<br />

und sie über die Hälfte aller Studiengänge<br />

einen Numerus clausus verhängt haben,<br />

bewerben sich viele Abiturienten<br />

vorsichtshalber an zig Unis. Bisher gibt<br />

es aber, außer bei <strong>de</strong>n wenigen zentral<br />

<strong>von</strong> <strong>de</strong>r ZVS vergebenen Plätzen (etwa<br />

in Medizin), keinen automatischen Abgleich,<br />

sodass am En<strong>de</strong> Tausen<strong>de</strong> begehrte<br />

Plätze frei bleiben o<strong>de</strong>r erst spät<br />

nachbesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />

An <strong>de</strong>r Universität Frankfurt wur<strong>de</strong>n<br />

im Wintersemester mehr als 800 Plätze<br />

in zulassungsbeschränkten Studiengängen<br />

nicht genutzt, in Dres<strong>de</strong>n blieben<br />

500 Plätze frei. „Manche springen in letzter<br />

Sekun<strong>de</strong> ab, wenn sie woan<strong>de</strong>rs angenommen<br />

wer<strong>de</strong>n“, sagt Marcel Brückmann,<br />

Geschichtsstu<strong>de</strong>nt in Siegen. Der<br />

25-Jährige hofft, dass einheitliche Termine<br />

für die Zulassung die Lage entspannen<br />

wer<strong>de</strong>n. Dann könnte zumin<strong>de</strong>st das<br />

Nachrückverfahren schneller beginnen.<br />

Das hofft auch Bun<strong>de</strong>sbildungsministerin<br />

Annette Schavan (CDU). Sie traf<br />

sich mehrmals zu Krisengesprächen mit<br />

Vertretern <strong>de</strong>r ZVS und <strong>de</strong>r Universitäten.<br />

Im März verkün<strong>de</strong>ten sie, die Hochschulen<br />

wür<strong>de</strong>n ihre Zulassungsbeschei<strong>de</strong><br />

nun zu einem einheitlichen Termin<br />

versen<strong>de</strong>n. Bewerbungsschluss für zulas-<br />

i<br />

Alle zusammen. Die<br />

Zentralstelle für die<br />

Vergabe <strong>von</strong> Studienplätzen<br />

(ZVS) mit Sitz<br />

in Dortmund ist eine Einrichtung<br />

<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r. Sie verteilt<br />

seit 1972 die freien Plätze für<br />

Studienanfänger in Fächern,<br />

die bun<strong>de</strong>sweit zulassungsbeschränkt<br />

sind. In einem komplizierten<br />

Quotensystem wird nach<br />

Abiturnote, Wartezeit und im<br />

hochschuleigenen Auswahlverfahren<br />

ermittelt, wer einen Studienplatz<br />

erhält – und wer nicht.<br />

Um seine Chancen <strong>auf</strong> einen Studienplatz zu erhöhen, bewirbt sich <strong>de</strong>r clevere Abiturient<br />

gleich an zwei, drei, vier Universitäten. Foto: Robert Haas<br />

sungsbeschränkte Studiengänge ist am<br />

15. Juli, Mitte August sollen alle Kandidaten<br />

nun wissen, an welche Unis sie gehen<br />

können. Freie Plätze sollen in einer<br />

Internet-Börse angeboten wer<strong>de</strong>n.<br />

Ein automatischer Datenabgleich,<br />

<strong>de</strong>r verhin<strong>de</strong>rt, dass sich das Nachrückverfahren<br />

in die Länge zieht, kann hingegen<br />

erst im Herbst 2011 starten – ursprünglich<br />

war dafür 2009, dann 2010 geplant.<br />

Damit <strong>de</strong>r Stand <strong>de</strong>r Bewerbung<br />

für die Hochschulen und die Bewerber<br />

bun<strong>de</strong>sweit und unmittelbar im Internet<br />

abrufbar ist, muss erst eine neue Software<br />

entwickelt wer<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>n vielen<br />

Wünschen <strong>de</strong>r Hochschulen entspricht.<br />

Je<strong>de</strong>r für sich. Bis zum Jahr<br />

1999 verteilte die ZVS die Plätze<br />

in <strong>de</strong>n bun<strong>de</strong>sweit zulassungsbeschränkten<br />

Fächern in Alleinherrschaft,<br />

vorrangig nach Abiturnote<br />

und Wartezeit. Seit<br />

2000 können die Hochschulen<br />

einen Teil <strong>de</strong>r Bewerber selbst<br />

auswählen. So sollen sie um die<br />

besten Stu<strong>de</strong>nten kämpfen und<br />

ihr Profil schärfen. Inzwischen<br />

wer<strong>de</strong>n 60 Prozent <strong>de</strong>r Plätze in<br />

Auswahlverfahren <strong>de</strong>r Hochschulen<br />

vergeben – je<strong>de</strong> Uni hat ihre<br />

eigene Auswahlmetho<strong>de</strong>.<br />

Koordiniert. So soll das Verfahren<br />

vom Herbst 2011 an funktionieren:<br />

Man bewirbt sich bis<br />

Mitte Juli an höchstens zwölf<br />

Unis online. Diese suchen sich<br />

ihre Erstsemester nach eigenen<br />

Kriterien aus, verschicken ihre<br />

Zulassungsangebote bis Mitte<br />

August und veröffentlichen<br />

Wartelisten. Nimmt ein Bewerber<br />

<strong>de</strong>n Platz an, verschwin<strong>de</strong>t<br />

er automatisch aus <strong>de</strong>n Listen.<br />

Im September wer<strong>de</strong>n noch<br />

unbesetzte Plätze in einem<br />

„Clearing-Verfahren“ vergeben.<br />

Denn diese verlangen oft nicht nur eine<br />

gute Abiturnote, sie können auch Essays,<br />

berufliche Erfahrungen, spezielle<br />

Eignungstests o<strong>de</strong>r sogar persönliche Gespräche<br />

in ihre Entscheidung mit einbeziehen.<br />

Die Unis wollen außer<strong>de</strong>m verhin<strong>de</strong>rn,<br />

dass sie in einem zentralisierten<br />

Verfahren ihre gera<strong>de</strong> erst gewonnene<br />

Autonomie bei <strong>de</strong>r Zulassung wie<strong>de</strong>r<br />

einbüßen. Deshalb betrachten viele Rektoren<br />

die ZVS, die früher als Behör<strong>de</strong><br />

zur „Stu<strong>de</strong>ntenlandverschickung“ berüchtigt<br />

war, mit großer Skepsis.<br />

Nach <strong>de</strong>n Plänen <strong>de</strong>r Kultusminister<br />

soll die ZVS zu einer Servicestelle umgebaut<br />

wer<strong>de</strong>n, die das neue Bewerbungs-<br />

Ganz allein. Auch ein Einser-<br />

Abitur ist unter Umstän<strong>de</strong>n nicht<br />

gut genug: Eine Düsseldorferin<br />

erhielt trotz <strong>de</strong>r Abiturnote 1,0<br />

keinen Jura-Studienplatz. Bei<br />

<strong>de</strong>r ZVS-Online-Bewerbung<br />

hatte sie versehentlich angegeben,<br />

ihre Wunsch-Uni Düsseldorf<br />

sei nicht die nächstgelegene<br />

Hochschule. Doch auch<br />

„soziale Kriterien“ wie die Nähe<br />

zum Wohnort will die ZVS erfüllt<br />

sehen. Da nützte es auch nichts,<br />

dass die Abiturientin sogar eine<br />

Klasse übersprungen hatte.<br />

system für die Hochschulen und Studienbewerber<br />

managt, ohne diese zu bevormun<strong>de</strong>n.<br />

Doch mittlerweile ist offen, ob<br />

die ZVS diese Rolle spielen kann – und<br />

darf. Viele Bildungspolitiker trauen jedoch<br />

auch <strong>de</strong>n Unis nicht über <strong>de</strong>n Weg.<br />

Politiker <strong>de</strong>r SPD, <strong>de</strong>r Grünen und <strong>de</strong>r<br />

Linken for<strong>de</strong>rn ein Gesetz, mit <strong>de</strong>m das<br />

Zulassungsverfahren bun<strong>de</strong>sweit verbindlich<br />

geregelt wer<strong>de</strong>n soll. Ministerin<br />

Schavan und die Rektoren setzen dagegen<br />

<strong>auf</strong> freiwillige Teilnahme.<br />

Bochum ist beson<strong>de</strong>rs<br />

schnell – und sichert sich<br />

die besten Kandidaten<br />

Und so ist nicht sicher, ob sich wirklich<br />

alle Hochschulen an <strong>de</strong>n neuen Regeln<br />

beteiligen wer<strong>de</strong>n. Die Universität<br />

Hamburg betont, man sträube sich gegen<br />

ein zentrales System, und man habe<br />

ein sehr gut funktionieren<strong>de</strong>s eigenes<br />

Zulassungsverfahren. An <strong>de</strong>r Universität<br />

Bochum heißt es: „Ein Zulassungschaos<br />

gibt es bei uns nicht.“<br />

Immerhin wollen sich die Bochumer<br />

<strong>de</strong>nnoch an <strong>de</strong>m geplanten neuen Verfahren<br />

beteiligen. Sie wollen dabei aber<br />

schneller sein als ihre Konkurrenten:<br />

Abiturienten mit sehr guten Noten bekommen<br />

<strong>von</strong> <strong>de</strong>r Uni Bochum direkt<br />

nach Eingang ihrer Bewerbung eine<br />

Zulassungsbescheinigung, auch dann,<br />

wenn die bun<strong>de</strong>sweite Frist, also <strong>de</strong>r<br />

15. Juli, noch nicht verstrichen ist. Dadurch<br />

könnten sich die Abiturienten<br />

Mehrfachbewerbungen an an<strong>de</strong>ren<br />

Hochschulen sparen – mit <strong>de</strong>m für Bochum<br />

schönen Nebeneffekt, dass die Uni<br />

sich viele sehr gute Schüler sichert. Bochum<br />

sei nun mal forschungsstark, „da<br />

wollen wir natürlich auch sehr gute Leute<br />

zu uns locken“, sagt Bochums Prorektorin<br />

für Lehre, Uta Wilkens.<br />

Aus solchen Grün<strong>de</strong>n sind viele Professoren<br />

auch gar nicht so unglücklich<br />

über <strong>de</strong>n weit verbreiteten Numerus<br />

clausus, <strong>de</strong>r Bewerber, die nur mäßige<br />

Schulnoten haben, abwehrt. Doch weil<br />

in diesem und in <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n Jahren<br />

durch das verkürzte Gymnasium beson<strong>de</strong>rs<br />

viele Abiturienten an die Universitäten<br />

drängen, hätten we<strong>de</strong>r die Bewerber<br />

noch die Lehrer o<strong>de</strong>r Politiker Verständnis<br />

dafür, wenn wegen unkoordinierter<br />

Zulassungsverfahren Tausen<strong>de</strong><br />

Studienplätze ungenutzt blieben. Die<br />

Hochschulen in Nordrhein-Westfalen<br />

haben <strong>de</strong>shalb sogar versprochen, die<br />

Zahl <strong>de</strong>r zulassungsbeschränkten Studiengänge<br />

zu reduzieren.<br />

Immer mehr. Wegen <strong>de</strong>s Wirrwarrs<br />

um die Vergabe <strong>von</strong> Studienplätzen<br />

klagen sich immer<br />

mehr junge Leute in die Hörsäle.<br />

Denn gera<strong>de</strong> in Numerus clausus-Fächern<br />

bleiben durch Mehrfachbewerbungen<br />

und Doppeleinschreibungen<br />

Plätze unbesetzt<br />

– die Unis sind aber verpflichtet,<br />

ihre Kapazitäten auszuschöpfen.<br />

Der Deutsche Hochschulverband<br />

schätzt, dass inzwischen<br />

20 000 <strong>de</strong>r 350 000<br />

Neueinschreibungen pro Jahr<br />

gerichtlich eingeklagt wur<strong>de</strong>n.

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