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Uni&Job<br />
DEFGH | Wissen, wie man weiterkommt | 28. März 2009<br />
<strong>Alles</strong> <strong>auf</strong> <strong>Anfang</strong><br />
Gretchenfrage Machen unsere Hochschulen schlaue Mädchen dumm?<br />
Himmelsstürmer Von Peterchens Mondfahrt und winzigen Löchern im All<br />
Fernliebe Grenzenlose Lei<strong>de</strong>nschaft: Er studiert in Caracas, sie in Berlin<br />
Arbeitswelt Zukunftsforscher Horst Opaschowski weiß, was kommt<br />
Tragwerk Ein Stuttgarter Mo<strong>de</strong><strong>de</strong>signer <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m Sprung nach Paris
DIE UNTERNEHMERISCHE HOCHSCHULE ®<br />
MCI MANAGEMENT CENTER INNSBRUCK<br />
BACHELORSTUDIUM ABSCHLUSS SEM. SPRACHE VZ BB<br />
Management, Communication & IT BA 6 D & E<br />
Management & Recht BA 6 D & E<br />
Mechatronik / Schwerpunkt Maschinenbau BSc 6 D & E<br />
Nonprofit-, Sozial- & Gesundheitsmanagement BA 6 D & E<br />
Soziale Arbeit BA 6 D & E<br />
Tourismus- & Freizeitwirtschaft BA 6 D & E<br />
Umwelt-, Verfahrens- & Biotechnologie BSc 6 D & E<br />
Umwelt-, Verfahrens- & Regelungstechnik BSc 6 D & E<br />
Wirtschaft & Management** BA 6 D & E<br />
MASTERSTUDIUM ABSCHLUSS SEM. SPRACHE VZ BB<br />
Entrepreneurship & Tourismus MA 4 D & E<br />
International Business & Law (ab 2010) MA 4 E<br />
International Business (ab 2012)** MA 4 E<br />
International Health Care Management MA 4 E<br />
Management, Communication & IT (ab 2010) MA 4 E<br />
Mechatronik - Maschinenbau (ab 2011)** MSc 4 D & E<br />
Soziale Arbeit, Sozialpolitik & -management (ab 2010) MA 4 D & E<br />
Umwelt-, Verfahrens- & Biotechnologie MSc 4 D & E<br />
Wirtschaftsingenieurwesen (ab 2010) MSc 4 D & E<br />
EXECUTIVE MASTERSTUDIUM ABSCHLUSS SEM. SPRACHE VZ BB<br />
General Management Executive MBA MBA 4 D & E<br />
Master of Science in Management MSc MSc 4 D (E)<br />
LL.M. Internationales Wirtschafts- & Steuerrecht LL.M. 4 D (E)<br />
MANAGEMENT-LEHRGÄNGE<br />
ANRECHENBAR<br />
AUF<br />
SEM.<br />
Banking & Finance MBA, MSc 2<br />
Controlling MBA, MSc 2<br />
General Management MBA, MSc 2<br />
Innovations- & Prozessmanagement MBA, MSc 2<br />
International Management MBA, MSc 1<br />
Management, Psychologie & Lea<strong>de</strong>rship MSc 1<br />
MANAGEMENT-SEMINARE<br />
Impulse für Management, Führung & Kommunikation<br />
MANAGEMENT-LEHRGÄNGE<br />
ANRECHENBAR<br />
AUF<br />
SEM.<br />
Marketing MBA, MSc 2<br />
Patent- & Lizenzmanagement MBA, MSc 1<br />
Personalmanagement MBA, MSc 2<br />
Tourismus- & Freizeitmanagement MBA, MSc 2<br />
Unternehmenskommunikation MBA, MSc 2<br />
Wirtschafts- & Unternehmensrecht MBA,MSc,LL.M. 2<br />
FIRMENTRAININGS<br />
Innovative Programme für Firmen & Verwaltung<br />
* Gesamtauswertung aller gerankten Studiengänge basierend <strong>auf</strong> Umfragen unter Personalentschei<strong>de</strong>rn/-innen, Industriemagazin 04/2007 und 02/2008. ** Der Studiengang befin<strong>de</strong>t sich bei Drucklegung im gesetzlichen<br />
Akkreditierungsverfahren; Än<strong>de</strong>rungen vorbehalten I Sprache: D = Deutsch, E = Englisch, D & E = Deutsch mit nennenswertem Englischanteil, D (E) = Deutsch mit punktuellem Englischanteil I VZ = Vollzeit,<br />
BB = Berufsbegleitend I Bild © Stubaier Gletscher<br />
open<br />
house.<br />
SAMSTAG, 28.03.2009<br />
9 – 14 UHR INFO & BERATUNG<br />
www.mci.edu/openhouse | www.mci.edu/info<br />
6020 Innsbruck / Austria<br />
Universitätsstraße 15<br />
+43 512 2070<br />
office@mci.edu<br />
www.mci.edu
Uni&Job fin<strong>de</strong>n 3<br />
träumen<br />
4<br />
leben<br />
22<br />
Peterchen wollte immer<br />
schon <strong>de</strong>n Weltraum und<br />
seine unendlichen Weiten<br />
erforschen. Deshalb studiert<br />
er jetzt Astronomie<br />
Julia aus Deutschland hat<br />
ihr Herz an Will aus Kanada<br />
verloren. Warum manche<br />
Gastsemester nie <strong>auf</strong>hören<br />
und trotz<strong>de</strong>m glücklich en<strong>de</strong>n<br />
Impressum<br />
Editorial<br />
<strong>de</strong>nken<br />
6<br />
24<br />
26<br />
Verantwortlich<br />
Werner Schmidt<br />
Redaktion<br />
Dr. Jutta Göricke<br />
Autoren dieser Ausgabe<br />
Julia Bönisch, Christine Demmer, Georg Etscheit, Dr. Jutta<br />
Göricke, Meredith Haaf, Isa Hoffinger, Sarah-Kristin Merz,<br />
Alexan<strong>de</strong>r Mühlauer, Jutta Pilgram, Max Scharnigg, Paula<br />
Scheidt, Nadja Scholz, Dr. Tanjev Schultz, Sylvia C. Schuster,<br />
Christina Wächter, Peter-Christian Zinn, Laura Schoen<br />
Titelfoto<br />
Peter Hinschläger<br />
Bildredaktion<br />
Jane Dulfaqar<br />
Layout<br />
Katherin Baka, Julia Kienscherf, Michaela Lehner<br />
Anzeigen<br />
Jürgen Maukner<br />
Liegt es etwa an <strong>de</strong>n<br />
Stu<strong>de</strong>ntinnen selbst, dass sie<br />
still sind wie die Lämmer und<br />
<strong>de</strong>n Männern das Sagen im<br />
Seminar überlassen?<br />
bewerben<br />
Der <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m L<strong>auf</strong>steg tanzt. Ein<br />
Mo<strong>de</strong>macher will nach Paris<br />
Stinkkäse zu Ostern. Der<br />
Erfolg origineller Anschreiben<br />
studieren<br />
12<br />
14<br />
28<br />
30<br />
Inserentenverzeichnis<br />
arbeiten<br />
13 Aldi GmbH & Co. KG<br />
15 Allianz Deutschland AG<br />
32 Bernd Blindow Schulen<br />
29 Booz & Company GmbH<br />
31 Bun<strong>de</strong>samt für Wehrtechnik und Beschaffung<br />
26 Dell GmbH<br />
32 EUROCENTRES<br />
33 FOM Fachhochschule für Oekonomie & Management<br />
19 Freie Universität Bozen<br />
26 HANNOVER LEASING GmbH & Co. KG<br />
32 HFH Hamburger Fern-Hochschule<br />
30 International School of Management (ISM) GmbH<br />
35 Lidl Dienstleistung GmbH & Co. KG<br />
2 MCI, Management Center Innsbruck<br />
11 McKinsey & Company, Inc.<br />
27 Peek & Cloppenburg KG<br />
21 PricewaterhouseCoopers AG<br />
31 Private Universität im Fürstentum Liechtenstein<br />
7 RWE AG<br />
Der Lesesaal <strong>de</strong>r Zukunft ist<br />
laut und hat eine Chillzone<br />
Wer Master wer<strong>de</strong>n will, muss<br />
sich or<strong>de</strong>ntlich anstrengen<br />
Welche Chancen <strong>de</strong>r Arbeitsmarkt<br />
heute und morgen bietet<br />
Committen Sie sich asap!<br />
Vokabeln für Berufseinsteiger<br />
reisen<br />
20<br />
staunen<br />
34<br />
Eigentlich sollte alles in Bewegung sein: die Zentralstelle für die Vergabe <strong>von</strong> Studienplätzen, die Anpassung <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />
Semesterzeiten an internationale Gepflogenheiten. Doch was ist? Stillstand ist. Stocken, Bocken, Kompetenzgerangel.<br />
Erst im übernächsten Wintersemester soll das Zulassungschaos an <strong>de</strong>n Unis geordnet sein, mit <strong>de</strong>r guten alten Tante ZVS<br />
als Managerin. (Seite 10) Auch das Studium stockt. Wer seinen Bachelor in <strong>de</strong>r Tasche hat, kann nicht, wie ursprünglich<br />
vorgesehen, automatisch mit <strong>de</strong>m Master-Studium weitermachen. Die Hochschulen lassen da nur die Besten ran. (Seite 14)<br />
Wann sich die Semesterzeiten än<strong>de</strong>rn und damit die Reisefreiheit für Stu<strong>de</strong>nten und Dozenten garantiert ist, steht in <strong>de</strong>n<br />
Sternen. (Seite 12) Wer trotz <strong>de</strong>r widrigen Umstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Sprung in ferne Län<strong>de</strong>r schafft, kann was erleben. Entwe<strong>de</strong>r trifft er<br />
dort die große Liebe (Seite 22) o<strong>de</strong>r <strong>auf</strong> sehr große Häuser (Seite 20). Ein Besuch im Ausland för<strong>de</strong>rt die Sprachkompetenz,<br />
genauso wie unser Job-ABC für Berufsanfänger. (Seite 30) Die Redaktion wünscht viel Spaß bei <strong>de</strong>r Lektüre!<br />
Aachener Stu<strong>de</strong>nten haben<br />
das Drachentor <strong>von</strong> Kunming<br />
besucht und gemeinsam mit<br />
chinesischen Kommilitonen<br />
eine Trabantenstadt geplant<br />
Es gibt Dinge, die man vor<br />
<strong>de</strong>m Start ins Berufsleben<br />
unbedingt gelernt haben<br />
sollte. Zum Beispiel, wie<br />
man überzeugend blubbert<br />
17 Siemens AG<br />
36 The Boston Consulting Group GmbH<br />
33 Universität St.Gallen<br />
30 WHU – Otto Beisheim School of Management
4 träumen Uni&Job<br />
Schon immer haben<br />
Menschen versucht,<br />
<strong>de</strong>n Himmel zu vermessen<br />
und Sternbewegungen<br />
zu <strong>de</strong>uten, weil sie<br />
verstehen wollten, was<br />
die Welt im Innersten<br />
zusammenhält. Astronomie<br />
ist eine <strong>de</strong>r ältesten<br />
Wissenschaften<br />
und Astronom einer<br />
<strong>de</strong>r ältesten Traumberufe.<br />
Peter-Christian<br />
Zinn gehört zu <strong>de</strong>n<br />
Nachwuchstalenten,<br />
die in die Fußstapfen<br />
<strong>von</strong> Galileo Galilei<br />
und Johannes Kepler<br />
treten.<br />
Foto: Peter Hinschläger
Uni&Job träumen 5<br />
Sternengucker<br />
Das Universum ist voller Löcher. Die will ein Bochumer Astronomiestu<strong>de</strong>nt stopfen.<br />
Mit einem Riesenteleskop misst er in Chile <strong>de</strong>n Himmel aus. Im Ruhrgebiet wäre es dafür viel zu hell<br />
Von Peter-Christian Zinn<br />
Von Astronomie begeistert zu sein, ist nicht schwer.<br />
Der Weltraum ist im Grun<strong>de</strong> ein riesiges Laboratorium,<br />
in <strong>de</strong>m die wil<strong>de</strong>sten Experimente unter <strong>de</strong>n exotischsten<br />
Bedingungen abl<strong>auf</strong>en, und wir müssen<br />
nichts an<strong>de</strong>res tun, als unsere Fernrohre und Messinstrumente<br />
<strong>auf</strong> das Experiment zu richten, das uns<br />
gera<strong>de</strong> am meisten interessiert.<br />
Um Fernrohre allerdings überhaupt irgendwohin<br />
ausrichten zu können, müssen sie erst mal richtig funktionieren.<br />
Genau darum habe ich mich die letzten Monate<br />
in meiner Bachelor-Arbeit gekümmert: ein Teleskop,<br />
genauer gesagt ein kleines Radioteleskop, zu programmieren<br />
und <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m Dach unseres Instituts in Bochum<br />
ans L<strong>auf</strong>en zu bringen, sodass es sich nun vollautomatisch<br />
<strong>auf</strong> eine beliebige Himmelsposition einstellt<br />
und auch die Bewegung <strong>von</strong> Objekten am Himmel<br />
mitführt.<br />
Auch wenn meine Erkenntnisse nicht weltbewegend<br />
waren: Schon bei meiner Bachelor-Arbeit ist eine Verbindung<br />
zu <strong>de</strong>n großen Rätseln mo<strong>de</strong>rner Astrophysik<br />
gegeben. Mit <strong>de</strong>m Teleskop kann man nämlich die Rotation<br />
unserer Milchstraße vermessen, die Aufschluss<br />
über die Verteilung <strong>de</strong>r Dunklen Materie in unserer Galaxie<br />
gibt, die nur durch ihre Gravitation gefun<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n<br />
kann und für die es bis jetzt noch keinen Platz im<br />
Standardmo<strong>de</strong>ll <strong>de</strong>r Physik gibt.<br />
Die Dunkle Energie beschleunigt die<br />
Expansion <strong>de</strong>s Weltalls. Dabei weiß<br />
noch kein Mensch, was sie eigentlich ist<br />
Um keine romantischen – und falschen – Vorstellungen<br />
zu nähren: Die Arbeit direkt an einem Teleskop ist<br />
eine große Ausnahme im Astronomie-Studium. Dieses<br />
kleine Radioteleskop, das zu Lehrzwecken genutzt wer<strong>de</strong>n<br />
soll, ist so nur in Bochum vorhan<strong>de</strong>n. Die meisten<br />
Astronomie-Stu<strong>de</strong>nten greifen <strong>auf</strong> bestehen<strong>de</strong> Daten<br />
zurück, selbst Doktoran<strong>de</strong>n starten selten eigene Beobachtungskampagnen,<br />
<strong>de</strong>nn die mo<strong>de</strong>rnen Großteleskope<br />
– und nur mit <strong>de</strong>nen können heutzutage noch echte<br />
Ent<strong>de</strong>ckungen gemacht wer<strong>de</strong>n – sind vielfach überbucht.<br />
Schon Johannes Kepler hat die jahrelang minutiös<br />
gesammelten Himmelsdaten <strong>de</strong>s Prager Hofastronomen<br />
Tycho Brahe benutzt, um das erste astronomische<br />
System mit elliptischen Bahnen zu berechnen.<br />
i<br />
Peter-Christian<br />
Zinn, 20, studiert an<br />
<strong>de</strong>r Ruhr-Universität<br />
Bochum Physik und<br />
Astronomie und arbeitet am<br />
Astronomischen Institut als Wissenschaftliche<br />
Hilfskraft. Gera<strong>de</strong><br />
hat er seine Bachelor-Arbeit<br />
über die Programmierung und<br />
Inbetriebnahme eines kleinen<br />
Radioteleskops zu Lehrzwecken<br />
abgeschlossen und beschäftigt<br />
sich nun im Master-Studium<br />
mit <strong>de</strong>n Eigenschaften <strong>de</strong>r ersten<br />
Galaxien im Universum.<br />
Feierabend. Galileo Galilei<br />
erkun<strong>de</strong>te vor 400 Jahren erstmals<br />
mit einem Fernrohr <strong>de</strong>n<br />
Nachthimmel. Seine Beobachtungsergebnisse<br />
sind in <strong>de</strong>m<br />
Buch „Si<strong>de</strong>reus Nuncius“ festgehalten,<br />
illustriert mit wun<strong>de</strong>rschönen,<br />
lavierten Fe<strong>de</strong>rzeichnungen<br />
vom Mond. Ebenfalls 1609 Jahr<br />
erschien mit <strong>de</strong>r „Astronomia<br />
Nova“ <strong>von</strong> Johannes Kepler ein<br />
Werk, das <strong>de</strong>n Weg zum mo<strong>de</strong>rnen<br />
Verständnis <strong>de</strong>s Sonnensystems<br />
wies. Grün<strong>de</strong> genug, das<br />
Jahr <strong>de</strong>r Astronomie zu feiern.<br />
Ich bin jetzt wissenschaftliche Hilfskraft und teile<br />
mir ein Büro mit einem Doktoran<strong>de</strong>n. Wenn ich morgens<br />
zur Arbeit komme, erwarten mich nur ein großer<br />
Computer und mehrere Laptops. Wir brauchen unterschiedliche<br />
Rechner – zum einen für ganz normale Windows-Anwendungen,<br />
zum an<strong>de</strong>ren aber auch zum Beispiel<br />
für die Auswerteprogramme <strong>von</strong> Teleskopdaten,<br />
die unter Linux l<strong>auf</strong>en.<br />
Zurzeit beschäftige ich mich mit <strong>de</strong>n Eigenschaften<br />
früher Galaxien. Da müssen jetzt vor allem mehr Beobachtungsdaten<br />
her, <strong>de</strong>shalb ist das Ziel ein Antrag <strong>auf</strong><br />
Beobachtungszeit am VLT, <strong>de</strong>m Very Large Telescope<br />
<strong>de</strong>r Europäischen Südsternwarte ESO im Nor<strong>de</strong>n Chiles,<br />
eines <strong>de</strong>r größten und mo<strong>de</strong>rnsten Teleskope <strong>de</strong>r<br />
Welt. Seminare habe ich auch belegt, eines zur Physik<br />
<strong>von</strong> Sternen, ein an<strong>de</strong>res zur theoretischen Astrophysik,<br />
wo ich über einen experimentellen Test für manche<br />
Theorien <strong>de</strong>r Quantengravitation referiert habe. Damit<br />
ich das auch nur ansatzweise verstehe, ist auch<br />
eine Vorlesung über die allgemeine Relativitätstheorie<br />
<strong>auf</strong> meinem Stun<strong>de</strong>nplan, dazu noch eine über Kernphysik<br />
und eine über Festkörperphysik. Außer<strong>de</strong>m ein<br />
Kurs zu Mathematik am PC, <strong>de</strong>nn per Hand zu rechnen,<br />
ist völlig out ;-).<br />
Reich wird ein Astronom nicht. Er braucht für seine<br />
Arbeit eine an<strong>de</strong>re Triebfe<strong>de</strong>r: die Neugier zu forschen.<br />
Die Beobachtungen <strong>de</strong>r letzten Jahrzehnte haben uns<br />
schon einen richtig dicken Brocken Arbeit beschert.<br />
Denn <strong>de</strong>r tiefere Blick ins All zeigt die beschleunigte<br />
Expansion <strong>de</strong>s Universums. Das ist <strong>de</strong>r Effekt, für <strong>de</strong>n<br />
die sogenannte Dunkle Energie verantwortlich ist, <strong>von</strong><br />
<strong>de</strong>r noch kein Mensch eine Ahnung hat, was das wirklich<br />
ist. Er hat nur diesen merkwürdigen Namen.<br />
Und um diesen Namen mit Leben füllen zu können,<br />
muss die Physik insgesamt ihr Grundproblem lösen:<br />
die Unvereinbarkeit ihrer bei<strong>de</strong>n Eckpfeiler, <strong>de</strong>r Relativitäts-<br />
und <strong>de</strong>r Quantentheorie. Wegen genau dieser<br />
Unverträglichkeit <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n fundamentalen Theorien<br />
ist es so schwierig, <strong>de</strong>m Universum auch seine letzten<br />
Geheimnisse zu entreißen, <strong>de</strong>nn die spielen sich alle im<br />
Überschneidungsbereich <strong>von</strong> Relativität und Quanten<br />
ab. Zum Beispiel ist das <strong>de</strong>r Bereich ganz kurz nach<br />
<strong>de</strong>m Urknall, aber auch heutige Schwarze Löcher sind<br />
solche Überschneidungsphänomene. Die sind gigantisch<br />
groß und schwer und somit <strong>von</strong> <strong>de</strong>r allgemeinen<br />
Relativitätstheorie vorausgesagt. Kein Mensch weiß<br />
aber, wie „kleine“, also nur subatomar große Schwarze<br />
Löcher aussehen o<strong>de</strong>r ob es die überhaupt gibt.<br />
Ich mag es, dass es zwischen Astronomen weltweit<br />
eine gewisse gegenseitige Grundsympathie und auch<br />
Besichtigungstour. Wer eine<br />
Vorstellung da<strong>von</strong> bekommen<br />
will, wie Astronomen in früheren<br />
Zeiten gearbeitet haben, kann<br />
in <strong>de</strong>r „Woche <strong>de</strong>r Historischen<br />
Sternwarten“ vom 18. bis 25.<br />
Juni zum Beispiel in Göttingen,<br />
Bamberg, Hei<strong>de</strong>lberg o<strong>de</strong>r Potsdam<br />
in die Röhre schauen. O<strong>de</strong>r<br />
Messinstrumente wie Jakobsstab,<br />
Geometrisches Quadrat<br />
und Torquetum bewun<strong>de</strong>rn, die<br />
noch ganz ohne optische Hilfen<br />
auskamen. Mehr zum Thema<br />
unter www.astronomie2009.<strong>de</strong><br />
Toleranz gibt. Das merkt man beson<strong>de</strong>rs bei Vorträgen<br />
<strong>von</strong> internationalen Gästen, die oft an unserem Institut<br />
stattfin<strong>de</strong>n. Über einen Sachverhalt kann in <strong>de</strong>r wissenschaftlichen<br />
Community noch so hitzig und kontrovers<br />
diskutiert wer<strong>de</strong>n. Sind einmal Beweise vorgelegt<br />
– ob nun mathematischer o<strong>de</strong>r besser: experimenteller<br />
Natur – müssen alle Kritiker verstummen und diese Seite<br />
<strong>de</strong>r Natur als Faktum anerkennen, auch wenn sie in<br />
<strong>de</strong>r Vergangenheit noch so vehement gegen eben diese<br />
Tatsache argumentiert haben.<br />
Aber auch <strong>de</strong>r Wissenschaftler, <strong>de</strong>r neue Erkenntnisse<br />
gewonnen hat und momentan als <strong>de</strong>r große Held<br />
dasteht, kann immer noch wi<strong>de</strong>rlegt wer<strong>de</strong>n, sofern<br />
jemand an<strong>de</strong>res nur das ergiebigere Experiment o<strong>de</strong>r<br />
die ergiebigere Theorie fin<strong>de</strong>t. Natürlich wird <strong>de</strong>r<br />
wi<strong>de</strong>rlegte Wissenschaftler darüber nicht gera<strong>de</strong> glücklich<br />
sein, aber eine Abneigung o<strong>de</strong>r gar einen persönlichen<br />
Groll gegen seinen Kollegen wird er nicht empfin<strong>de</strong>n.<br />
Die vielen Ent<strong>de</strong>ckungen, die man noch<br />
machen wird, wer<strong>de</strong>n unser Verständnis<br />
<strong>von</strong> <strong>de</strong>r Welt nachhaltig verän<strong>de</strong>rn<br />
Manchmal wer<strong>de</strong> ich gefragt, welchen Sinn die Lösung<br />
dieser Fundamentalprobleme <strong>de</strong>nn überhaupt<br />
hat. Und ob es gerechtfertigt ist, angesichts Millionen<br />
hungern<strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r gigantische Summen für Teleskope<br />
und Beschleuniger auszugeben. Je<strong>de</strong>r Physiker weiß,<br />
dass das Überleben <strong>de</strong>r Menschheit nicht da<strong>von</strong> abhängt,<br />
ob wir irgendwann auch die letzten paar Sekun<strong>de</strong>nbruchteile<br />
begreifen, die uns heute noch vom Verständnis<br />
<strong>de</strong>s Urknalls trennen. Die Astrophysik genügt<br />
zugegebenermaßen nicht direkt <strong>de</strong>n Kosten-Nutzen-<br />
Überlegungen mo<strong>de</strong>rner Forschungspolitik. Sie befriedigt<br />
ein viel tiefer gehen<strong>de</strong>s Bedürfnis <strong>de</strong>r Menschen –<br />
die Suche nach <strong>de</strong>r Wahrheit.<br />
Das ist vielleicht zu pathetisch. Doch das Ziel ist<br />
klar. Ein immer tieferes Verständnis <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Natur <strong>de</strong>r<br />
Dinge und eine immer größere Macht, die Welt, in <strong>de</strong>r<br />
wir leben, verän<strong>de</strong>rn zu können. Denn erst, wenn ich<br />
etwas wirklich verstan<strong>de</strong>n habe, kann ich mich mit <strong>de</strong>r<br />
Frage beschäftigen, wie ich es verän<strong>de</strong>rn kann. Daher<br />
bin ich fest da<strong>von</strong> überzeugt, dass die vielen Ent<strong>de</strong>ckungen,<br />
die man im Universum noch machen wird,<br />
unser Verständnis <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Welt und unser Leben in ihr<br />
nachhaltig verän<strong>de</strong>rn wer<strong>de</strong>n. Bei diesen Ent<strong>de</strong>ckungen<br />
dabei zu sein, ist mein Traum.<br />
Mann im Mond? Wer sehen<br />
will, was <strong>auf</strong> unserem Trabanten<br />
los ist, kann im Kölner Wallraf-<br />
Richartz-Museum die Ausstellung<br />
„Der Mond“ besuchen. Die<br />
Exponate reichen <strong>von</strong> mittelalterlichen<br />
Bil<strong>de</strong>rn vom Mond über<br />
astronomische Instrumente bis<br />
hin zu Raumfahrt-Fotografien.<br />
Zu <strong>de</strong>n Höhepunkten gehören<br />
zwei Original-Ausgaben <strong>von</strong><br />
Galileos „Si<strong>de</strong>reus Nuncius“<br />
und Manets Bild „Mondschein<br />
über <strong>de</strong>m Hafen <strong>von</strong> Boulogne“.<br />
Noch bis zum 16. August.<br />
Beobachtungsposten. Im<br />
März ist das Wintersechseck am<br />
südlichen Himmel noch zu sehen.<br />
Eine gute Gelegenheit, <strong>de</strong>n<br />
Großen Orionnebel ins Visier<br />
zu nehmen, <strong>de</strong>r 1350 Lichtjahre<br />
<strong>von</strong> <strong>de</strong>r Er<strong>de</strong> entfernt und eines<br />
<strong>de</strong>r aktivsten Sternentstehungsgebiete<br />
in <strong>de</strong>r galaktischen Nachbarschaft<br />
ist. Wer Pech mit <strong>de</strong>m<br />
Wetter hat o<strong>de</strong>r richtig scharfe<br />
Bil<strong>de</strong>r braucht, kann das Hubble<br />
Space Telelescope (HST) zu<br />
Hilfe nehmen, unter http://hubblesite.org/newscenter/archive.
6 <strong>de</strong>nken Uni&Job<br />
Vorbil<strong>de</strong>r spielen eine wichtige Rolle bei <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>ntitätsfindung. Aber muss man <strong>de</strong>shalb gleich aus Angela Merkel eine Barbiepuppe machen? Foto: Reuters<br />
„Wenn das <strong>de</strong>n Damen nicht zu abstrakt ist“<br />
Inzwischen gibt es mehr Stu<strong>de</strong>ntinnen als Stu<strong>de</strong>nten. Dennoch dominieren nach wie vor männliche Akteure<br />
die Seminare. Sie ergattern die Doktoran<strong>de</strong>nstellen und Professuren. Woran liegt das nur?<br />
Von Meredith Haaf<br />
Wer in <strong>de</strong>n Siebzigern über Geschlechterdiskriminierung<br />
in <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>srepublik<br />
re<strong>de</strong>n wollte, musste <strong>auf</strong> die „katholische<br />
Arbeitertochter vom Land“ zu<br />
sprechen kommen. Von allen Bildungsbenachteiligten<br />
war sie diejenige, die am<br />
schlechtesten gestellt war. Wollte sie<br />
<strong>auf</strong>s Gymnasium, bekam sie <strong>von</strong> <strong>de</strong>n<br />
Eltern zu hören: „Du heiratest ja eh.“<br />
Dass die Zahl <strong>de</strong>r Professorinnen an<br />
<strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen Hochschulen bis in die<br />
neunziger Jahre verschwin<strong>de</strong>nd gering<br />
blieb, ließ sich lange Zeit mit <strong>de</strong>m historischen<br />
Vorsprung <strong>de</strong>r Männer erklären.<br />
Bis vor ein paar Jahren wur<strong>de</strong>n aus Schü-<br />
i<br />
Frühe Prägung.<br />
Erziehung trägt entschei<strong>de</strong>nd<br />
dazu bei,<br />
dass Frauen Wettbewerbssituationen<br />
scheuen. Das<br />
vermuten viele, britische Forscher<br />
haben es jetzt aber auch<br />
nachgewiesen. Sie haben festgestellt,<br />
dass Schülerinnen reiner<br />
Mädchenschulen so risikobereit<br />
und kompetitiv sind wie<br />
gleichaltrige Jungen – im Gegensatz<br />
zu Mädchen aus gemischten<br />
Schulen. Download unter<br />
http://ftp.iza.org/dp4026.pdf<br />
lerinnen wirklich seltener Stu<strong>de</strong>ntinnen<br />
und aus Absolventinnen erst recht seltener<br />
promovierte Forscherinnen. Dann<br />
kamen Gleichstellungsbe<strong>auf</strong>tragte und<br />
Frauenför<strong>de</strong>rung in die Bildungsinstitu-<br />
Der Meinungsführer ist<br />
männlich, die Mädchen<br />
sitzen da und schweigen<br />
tionen. Und heute gilt das Vorurteil,<br />
Bildung lohne sich für Frauen nicht, in<br />
<strong>de</strong>n meisten Kreisen als überholt: Katholische<br />
Mädchen vom Land gehen selbstverständlich<br />
<strong>auf</strong>s Gymnasium, wenn sie<br />
die entsprechen<strong>de</strong>n Noten haben. Dann<br />
Falsche Wahl. Noch immer<br />
studieren Frauen meist typische<br />
Frauenfächer. Die bringen<br />
aber später weniger Einkommen<br />
und einen geringeren Status.<br />
Zu<strong>de</strong>m arbeiten Hochschulabsolventinnen<br />
direkt nach <strong>de</strong>m Studium<br />
eher im öffentlichen Dienst,<br />
Männer dagegen meist in <strong>de</strong>r<br />
Privatwirtschaft, wo es bessere<br />
Karriere- und Verdienstmöglichkeiten<br />
gibt. Das ist in einer Studie<br />
<strong>de</strong>s Wissenschaftszentrums<br />
Berlin für Sozialforschung nachzulesen.<br />
www.wzb.eu<br />
Forsche Frauen? Mittlerweile<br />
haben mehr Frauen als Männer<br />
einen Uni-Abschluss. Bei <strong>de</strong>n<br />
Professorenstellen sieht das<br />
noch ganz an<strong>de</strong>rs aus: Nur 16,2<br />
Prozent <strong>de</strong>r Professoren sind<br />
Frauen. Einer Studie <strong>de</strong>s Kompetenzzentrums<br />
Frauen in Wissenschaft<br />
und Forschung zufolge<br />
sehen sich fast 50 Prozent aller<br />
Wissenschaftlerinnen mit Kind<br />
beruflich im Nachteil. Kein Wun<strong>de</strong>r,<br />
dass gebil<strong>de</strong>te Frauen oft<br />
keine Kin<strong>de</strong>r haben, wie <strong>de</strong>r<br />
Familienbericht 2006 ausweist.<br />
studieren sie in Münster, Bamberg o<strong>de</strong>r<br />
München Geschichte <strong>auf</strong> Lehramt, Romanistik<br />
o<strong>de</strong>r auch Physik. Mehr als 50<br />
Prozent <strong>de</strong>r Hochschulabsolventinnen<br />
sind weiblich. Frauen machen nicht nur<br />
bessere Abschlüsse als Männer, son<strong>de</strong>rn<br />
diese meist auch früher.<br />
Man könnte also meinen, dass <strong>de</strong>n Stu<strong>de</strong>ntinnen<br />
heute die Uni gehört, wenigstens<br />
zur Hälfte. Tatsächlich sind aber<br />
laut Statistischem Bun<strong>de</strong>samt nur 16<br />
Prozent aller Professuren <strong>von</strong> Frauen besetzt,<br />
und nur zehn Prozent <strong>de</strong>r C4-Professorinnen<br />
sind Frauen. Der aka<strong>de</strong>mische<br />
Mittelbau – <strong>de</strong>r sich hauptsächlich<br />
aus unterbezahlten, prekären Ausbeutungsstellen<br />
zusammensetzt – wird zwar<br />
zu mehr als einem Drittel <strong>von</strong> Frauen ge-<br />
Frauen in <strong>de</strong>r Uni<br />
Anteil <strong>de</strong>r Frauen in Prozent<br />
(Fach-)Abiturienten<br />
Hochschulabsolventen<br />
Studienanfänger<br />
Promotionen<br />
Habilitationen<br />
24,3<br />
Professoren<br />
16,2<br />
C4-Professoren<br />
10,0<br />
42,2<br />
stellt. Trotz<strong>de</strong>m sind gera<strong>de</strong> mal ein Viertel<br />
aller Habilitationen <strong>von</strong> Frauen.<br />
Woran das liegt, ist oft beschrieben<br />
wor<strong>de</strong>n. Die <strong>de</strong>utsche Universität ist<br />
eine familienfeindliche Institution. Und<br />
Forscherkarrieren wer<strong>de</strong>n zwischen En<strong>de</strong><br />
zwanzig und En<strong>de</strong> vierzig gemacht,<br />
also in <strong>de</strong>r Zeit, in <strong>de</strong>r Frauen Kin<strong>de</strong>r<br />
bekommen.<br />
Doch sind Frauen <strong>auf</strong> eine merkwürdige<br />
Art auch dort unterpräsent, wo sie<br />
zahlenmäßig kein Problem haben. In<br />
geisteswissenschaftlichen Seminaren<br />
kann man immer wie<strong>de</strong>r dieselbe Dynamik<br />
beobachten. Das Sprechverhalten<br />
läuft oft genug entlang <strong>de</strong>r Geschlechtergrenze:<br />
Hier die männlichen Meinungsführer,<br />
Streithähne und Rechthaber,<br />
50,8<br />
49,8<br />
SZ-Graphik: Schachinger, Quelle: Stat. Bun<strong>de</strong>samt, Stand 2007<br />
56,1<br />
Fieses Foul. Frauen in Deutschland<br />
verdienen im Durchschnitt<br />
23 Prozent weniger als Männer –<br />
und stehen damit im europäischen<br />
Vergleich ganz schlecht<br />
da. Auch bekommen weniger<br />
Frauen Urlaubsgeld, und sie<br />
leisten eher unbezahlte Überstun<strong>de</strong>n,<br />
so eine Studie <strong>de</strong>r<br />
Hans-Böckler-Stiftung. Dazu<br />
passt, dass laut Erhebungen <strong>de</strong>s<br />
Lübecker Informationsdienstleisters<br />
Databyte in <strong>de</strong>utschen Chefetagen<br />
nur je<strong>de</strong>r sechste Posten<br />
mit einer Frau besetzt ist.
Uni&Job <strong>de</strong>nken 7<br />
dort die lange Reihe <strong>de</strong>r schweigen<strong>de</strong>n<br />
Mädchen, die <strong>de</strong>n Text zwar bunt angemarkert,<br />
aber trotz<strong>de</strong>m nichts über ihn<br />
zu sagen haben.<br />
Vor allem in Seminaren mit nachgiebigen<br />
Dozenten gibt es immer min<strong>de</strong>stens<br />
einen Typen, <strong>de</strong>r es schafft, <strong>de</strong>n Diskussionsverl<strong>auf</strong><br />
seinem verbalen Beharrungsvermögen<br />
und seinen steilen Thesen unterzuordnen.<br />
Dass dieser Alpha-Nerd<br />
weiblich ist, bil<strong>de</strong>t eher die Ausnahme<br />
und wird dann auch zumeist mit gebühren<strong>de</strong>m<br />
Erstaunen wahrgenommen. Die<br />
vorauseilen<strong>de</strong> weibliche Zurückhaltung<br />
tritt sogar in Fächern wie Romanistik zu<br />
Tage, wo man sich bisweilen fragt, ob<br />
Männer hier überhaupt zugelassen sind,<br />
so selten sind sie.<br />
Anerkannt ist dieses Gefälle eigentlich<br />
nur im naturwissenschaftlich-technischen<br />
Bereich. Macht hier eine Stu<strong>de</strong>ntin<br />
<strong>de</strong>n Mund <strong>auf</strong>, reagieren Professoren<br />
und Kommilitonen dar<strong>auf</strong> immer noch<br />
oft mit einem Gestus, <strong>de</strong>r allenfalls<br />
einem <strong>von</strong> Elektrotechnik sprechen<strong>de</strong>n<br />
Pferd angemessen wäre. Je<strong>de</strong> Maschinenbauerin<br />
o<strong>de</strong>r Bauingenieurin hat min<strong>de</strong>stens<br />
eine Anekdote <strong>von</strong> <strong>de</strong>m Dozenten<br />
zu erzählen, <strong>de</strong>r die anwesen<strong>de</strong>n Hörerinnen<br />
mit grienen<strong>de</strong>n Sprüchen à la:<br />
„Wenn das jetzt für die Damen nicht zu<br />
abstrakt ist“ geson<strong>de</strong>rt würdigte. Obwohl<br />
Stu<strong>de</strong>ntinnen in <strong>de</strong>n Ingenieurswissenschaften<br />
eher selten ein ausgeprägtes<br />
Gen<strong>de</strong>rbewusstsein kultivieren,<br />
sind es doch sie, die <strong>de</strong>n Geschlechterkampf<br />
im Graben führen.<br />
Vornehme Zurückhaltung<br />
zählt genauso viel wie<br />
mangeln<strong>de</strong> Kompetenz<br />
Stu<strong>de</strong>ntinnen <strong>de</strong>r Geisteswissenschaften<br />
erfahren Sexismus eher als intellektuell<br />
verbrämte Nachlässigkeit. Ein Professor<br />
machte neulich <strong>de</strong>n Witz <strong>von</strong> Frauen<br />
und an<strong>de</strong>ren Min<strong>de</strong>rheiten, er machte<br />
ihn direkt in ein Seminar hinein, das<br />
ziemlich genau zu 50 Prozent <strong>von</strong> Frauen<br />
besucht wird. Das ist jetzt alles nicht<br />
so richtig schlimm – aber so richtig i<strong>de</strong>al<br />
ist es auch nicht.<br />
Zwei Zitate aus einem Hauptseminar,<br />
das ich besucht habe. Stu<strong>de</strong>ntin: „Also,<br />
ich merke schon, dass ich teilweise<br />
Probleme habe mitzuhalten.“ Stu<strong>de</strong>nt:<br />
„Man muss sich auch einfach mal trauen,<br />
Schrott zu re<strong>de</strong>n. Ist doch egal, ob<br />
das stimmt. Hauptsache, es kommt etwas<br />
in Gang.“ Es spricht natürlich auch<br />
einiges dafür, sich nicht in Diskussionen<br />
einzubringen, wenn man keine fundierte<br />
Meinung hat und keinen Wert <strong>auf</strong> Profilierung<br />
legt. An<strong>de</strong>rerseits funktioniert<br />
das Prinzip „Karriere machen“ aber genau<br />
dadurch. Vornehme Zurückhaltung<br />
in einem Spiel, in <strong>de</strong>m es darum geht,<br />
sich durchzusetzen, zählt genauso viel<br />
wie mangeln<strong>de</strong> Kompetenz. Und intellektuelle<br />
Beschei<strong>de</strong>nheit ist als Tugend<br />
gar nicht mal so unanfechtbar.<br />
Flotter Auftritt. Runter<br />
mit <strong>de</strong>r Piepsstimme, i aus mit <strong>de</strong>r Maus: Wer<br />
alte Muster brechen will,<br />
kann das in einem Frauen-Seminar<br />
lernen. Zum Beispiel am 24. und<br />
25. April in München. Dort sollen<br />
Situationen aus <strong>de</strong>m Berufsalltag<br />
in Hinblick <strong>auf</strong> verbale und nonverbale<br />
Interaktionen untersucht<br />
und bearbeitet und das persönliche<br />
Ausdrucks- und Handlungsspektrum<br />
erweitert wer<strong>de</strong>n. Da<br />
kann Stu<strong>de</strong>ntin schon mal üben.<br />
www.frauenaka<strong>de</strong>mie-zak.<strong>de</strong><br />
Doch genau in die flüchten sich immer<br />
noch viele Frauen. Das drückt sich dann<br />
in beharrlicher Schweigsamkeit aus<br />
o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>m Hang, „Ich bin mir nicht<br />
sicher, aber . . .“ an <strong>de</strong>n <strong>Anfang</strong> je<strong>de</strong>r<br />
Wortmeldung zu stellen. Und setzt <strong>de</strong>n<br />
Trend für die spätere Karriere. Schließlich<br />
dient die Universität auch dazu, seine<br />
Fähigkeiten im Umgang mit an<strong>de</strong>ren<br />
zu schulen.<br />
Natürlich hängt das auch mit einem<br />
Mangel an Vorbil<strong>de</strong>rn zusammen. Professorinnen<br />
sind ohnehin selten, und inspirieren<strong>de</strong><br />
Lehrerinnen gibt es unter Frau-<br />
en auch nicht öfter als unter Männern.<br />
Einen Professor kann man sich als Stu<strong>de</strong>ntin<br />
vielleicht als intellektuelles Vorbild<br />
o<strong>de</strong>r als Mentor nehmen, doch wenn<br />
es um Fragen <strong>de</strong>r Karriere- und Lebensplanung<br />
geht, kann sich eine Frau nicht<br />
an einem Mann orientieren, solange sie<br />
Kin<strong>de</strong>r bekommen will. Da verweigern<br />
sich die Rahmenbedingungen.<br />
Es ist diffizil gewor<strong>de</strong>n. Die katholische<br />
Arbeitertochter kann <strong>de</strong>n besten<br />
Zugang zu Bildung bekommen. Wenn<br />
sie sich dauernd selbst im Weg steht,<br />
verliert sie am En<strong>de</strong> trotz<strong>de</strong>m.<br />
ECHTE LEUCHTEN<br />
AB SOFORT GESUCHT.<br />
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Haben Sie ein helles Köpfchen – und einen klaren Blick für echte Karrierechancen?<br />
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o<strong>de</strong>r als Teilnehmer (m/w) <strong>de</strong>s konzernweiten International Graduate Programme.<br />
Bewerbungen <strong>von</strong> Männern und Frauen sind uns gleichermaßen willkommen.<br />
Meredith Haaf, 26,<br />
studiert Geschichte<br />
und Philosophie in<br />
München. Sie ist<br />
Mitautorin <strong>de</strong>s Bestsellers<br />
„Wir Alphamädchen.<br />
Warum<br />
Feminismus das<br />
Leben schöner<br />
macht“. Das Buch<br />
ist 2008 bei Hoffmann<br />
& Campe<br />
erschienen.<br />
Foto: S. Füssenich
8 studieren Uni&Job<br />
Der große Absprung<br />
Je<strong>de</strong>r fünfte Stu<strong>de</strong>nt verlässt die Hochschule ohne Abschluss.<br />
Warum es so viele Abbrecher gibt und wie sie auch ohne aka<strong>de</strong>mischen Titel durchstarten<br />
Von Nadja Scholz<br />
Es ist ein zerknirschter Brief, <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r<br />
SPD-Bun<strong>de</strong>stagsabgeordnete Niels Annen<br />
im vergangen Sommer an seine Genossen<br />
schreibt. Der 35-Jährige erklärt<br />
darin, dass er sein Geschichtsstudium<br />
abbricht. Im Wahljahr 2005 hatte er<br />
noch vollmundig versprochen, er wer<strong>de</strong><br />
das Studium abschließen. Aber nach „26<br />
o<strong>de</strong>r 27“ Semestern – so genau hat er am<br />
En<strong>de</strong> nicht mehr mitgezählt – schmeißt<br />
er dann doch. Zwar hat er alle Scheine<br />
beisammen und könnte mit <strong>de</strong>r Magisterarbeit<br />
beginnen. Aber er scheitert an<br />
einer entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Prüfung: <strong>de</strong>m Latinum.<br />
Schluss, aus, Annen ist raus.<br />
i<br />
Ansichtssache.<br />
„Bologna wirkt“ – so<br />
feierte das Bildungsministerium<br />
im Sommer<br />
2008 die insgesamt leicht<br />
gesunkene Abbrecherquote. Die<br />
Quote <strong>von</strong> 20 Prozent sei „ganz<br />
wesentlich“ <strong>de</strong>r Umstellung <strong>auf</strong><br />
<strong>de</strong>n Bachelor zu verdanken.<br />
Dabei fin<strong>de</strong>n sich gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n<br />
Fächern mit Bachelor-Abschluss<br />
<strong>auf</strong>fallend viele Abbrecher: An<br />
<strong>de</strong>n Universitäten liegt die Quote<br />
hier bei 25, an <strong>de</strong>n Fachhochschulen<br />
gar bei 39 Prozent.<br />
Bill Gates hat es getan, Herbert Grönemeyer auch. Foto: ddp<br />
Für Niels Annen ist <strong>de</strong>r Studienabbruch<br />
ein berufliches Desaster. Er ist<br />
prominent, <strong>von</strong> ihm wird viel erwartet.<br />
Scheitern darf nicht sein. Deshalb <strong>de</strong>r<br />
Brief: Geständnis und Entschuldigung<br />
zugleich. Aber immerhin hat er, an<strong>de</strong>rs<br />
als die meisten Abbrecher, schon entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong><br />
Schritte im Berufsleben zurückgelegt.<br />
Das wird ihm die Zukunft erleichtern.<br />
Die vielen an<strong>de</strong>ren Stu<strong>de</strong>nten,<br />
die das Handtuch werfen, gucken dagegen<br />
oft erst einmal in die Röhre. Wer das<br />
Studium <strong>auf</strong>gibt, steht unweigerlich vor<br />
<strong>de</strong>r Frage: Wie soll es jetzt weitergehen?<br />
Nach Angaben <strong>de</strong>s Hochschul-Informations-Systems<br />
(HIS) in Hannover verlässt<br />
je<strong>de</strong>r fünfte Stu<strong>de</strong>nt die Uni ohne<br />
Abschluss. Das ist zwar ein leichter<br />
Studienabbrecher an Universitäten und Fachhochschulen<br />
Von je 100 Studienanfängern verließen<br />
die Universität ohne Abschluss<br />
Mathe, Naturwissenschaften<br />
28<br />
Sprach-, Kulturwiss., Sport<br />
27<br />
Ingenieurwissenschaften<br />
25<br />
Rechts-, Wirtsch.-, Sozialwiss. 19<br />
Kunst/Kunstwissenschaften<br />
Lehramt<br />
Agrar-, Forst-, Ernährungswiss.<br />
Medizin/Gesundheitswiss.<br />
insgesamt<br />
5<br />
7<br />
8<br />
12<br />
SZ-Graphik: Ei<strong>de</strong>n; Quelle: HIS, Bezugsjahrgang Absolventen 2006<br />
20<br />
Von je 100 Studienanfängern verließen<br />
die Fachhochschule ohne Abschluss<br />
Ingenieurswissenschaften<br />
26<br />
Mathematik, Naturwissenschaften<br />
Wirtschaftswissenschaften, Sozialwesen<br />
19<br />
Agrar-, Forst-, Ernährungswissenschaften<br />
12<br />
insgesamt<br />
Rückgang im Vergleich zu <strong>de</strong>n Vorjahren,<br />
gegenüber an<strong>de</strong>ren EU-Staaten immer<br />
noch viel. Was aus <strong>de</strong>r Statistik<br />
nicht hervorgeht: Kaum ein Stu<strong>de</strong>nt<br />
geht einfach so. Viele ringen monatelang<br />
mit <strong>de</strong>m Gedanken, bis die Entscheidung<br />
fällt. Wer abbricht, hat versagt:<br />
Das ist das herrschen<strong>de</strong> Bild, <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m<br />
niemand gern abgebil<strong>de</strong>t sein möchte.<br />
Da tröstet auch ein Hinweis <strong>auf</strong> prominente<br />
Abbrecher wie Bill Gates, Herbert<br />
Grönemeyer o<strong>de</strong>r Wolfgang Joop wenig.<br />
Wer es vom Tellerwäscher zum Millionär<br />
gebracht hat, hat immer gut lachen.<br />
Alina Wallbaum hat zwei Jahre für<br />
die Entscheidung gebraucht. Die 30-Jährige<br />
hat in Weimar Medienkultur studiert<br />
und schon früh gemerkt, dass sie<br />
22<br />
26<br />
Auswahl. Germanistik in Hei<strong>de</strong>lberg<br />
ist nicht gleich Germanistik<br />
in Freiburg – viele Unis setzen<br />
heute eigene Schwerpunkte.<br />
Zugleich wächst die Bandbreite<br />
<strong>de</strong>r Studienfächer: Statt Jura<br />
studiert man nun „Business<br />
Law“ o<strong>de</strong>r Informationsrecht.<br />
Am besten erkundigt man sich<br />
bei <strong>de</strong>n Unis über die einzelnen<br />
Fächer und ihre Ausrichtung. So<br />
steigt die Wahrscheinlichkeit,<br />
einen Studiengang zu fin<strong>de</strong>n,<br />
<strong>de</strong>r gut zu <strong>de</strong>n eigenen Bedürfnissen<br />
und Fähigkeiten passt.<br />
sich damit nicht wohl fühlt: „Je<strong>de</strong> Hausarbeit<br />
hat mich extrem angestrengt, ich<br />
war voller Versagensängste und Selbstzweifel“,<br />
sagt sie. Schon nach wenigen<br />
Semestern überlegt sie, das Studium an<br />
<strong>de</strong>n Nagel zu hängen. „Das Problem war<br />
nur, dass ich die Prüfungen immer sehr<br />
gut bestan<strong>de</strong>n habe und so viel positive<br />
Rückmeldung bekommen habe, dass ich<br />
mich selbst zum Weitermachen gezwungen<br />
habe“, sagt sie heute.<br />
Auch ihre Familie bestärkt sie in ihrem<br />
Bemühen, am Ball zu bleiben. Wallbaum<br />
hält durch, acht Jahre lang. Und<br />
schafft es schließlich – mit einem Notenschnitt<br />
<strong>von</strong> 2,0 – bis zum Diplom. Acht<br />
Jahre, in <strong>de</strong>nen sie sich immer wie<strong>de</strong>r<br />
zwingen muss. Sie lei<strong>de</strong>t unter <strong>de</strong>pressi-<br />
Akquisition. MINT steht nicht<br />
für Pfefferminz, son<strong>de</strong>rn für Mathematik,<br />
Informatik, Naturwissenschaft,<br />
Technik. In <strong>de</strong>n<br />
MINT-Fächern ist die Abbrecherquote<br />
zum Leidwesen <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />
Wirtschaft beson<strong>de</strong>rs<br />
hoch. Denn gera<strong>de</strong> hier wer<strong>de</strong>n<br />
Absolventen gesucht: Im Sommer<br />
2008 gab es mehr als<br />
140 000 offene Stellen für MINTler.<br />
Initiativen versuchen nun,<br />
mehr junge Menschen für ein<br />
MINT-Studium zu begeistern<br />
(www.mintzukunft.<strong>de</strong>).
Uni&Job studieren 9<br />
ven Verstimmungen und Arbeitsblocka<strong>de</strong>n.<br />
Die Stu<strong>de</strong>ntin sucht psychologische<br />
Hilfe. Doch auch <strong>von</strong> dort gibt es nur die<br />
Devise: durchhalten. Während <strong>de</strong>r Diplomphase<br />
fühlt sich Alina Wallbaum<br />
dann <strong>von</strong> ihrem Betreuer völlig allein gelassen,<br />
ihr fehlt die fachliche Unterstützung.<br />
Sie gibt <strong>auf</strong>. Mitten im Diplom,<br />
kurz vor <strong>de</strong>m Ziel.<br />
Das war im Sommer 2008. „Als die<br />
Entscheidung gefallen war, das Studium<br />
abzubrechen, fühlte ich mich <strong>auf</strong> einen<br />
Schlag viel besser“, sagt sie. Seither hat<br />
sie neue Energie – und neue Pläne. Sie<br />
hat sich um einen Ausbildungsplatz im<br />
Gesundheitsbereich beworben und<br />
gleich mehrere Zusagen bekommen.<br />
„Ich fin<strong>de</strong> es sehr problematisch, dass in<br />
unserer leistungsorientierten Gesellschaft<br />
dieser Druck herrscht, um je<strong>de</strong>n<br />
Preis durchzuhalten“, sagt sie. „Als gäbe<br />
es kein Leben nach <strong>de</strong>m Studienabbruch.<br />
Diese scheinbare Ausweglosigkeit<br />
hat mich krank gemacht.“<br />
Ulrich Heublein vom HIS hat mehrfach<br />
untersucht, warum Stu<strong>de</strong>nten in<br />
Deutschland das Studium hinwerfen.<br />
Zu <strong>de</strong>n Hauptmotiven, sagt er, gehören<br />
Probleme bei <strong>de</strong>r Studienfinanzierung,<br />
falsche Erwartungen an das Fach,<br />
Schwierigkeiten mit <strong>de</strong>n Leistungsanfor<strong>de</strong>rungen,<br />
familiäre Probleme und<br />
Krankheit. Meist kommt gleich mehreres<br />
zusammen.<br />
„Ich hasse es nun mal, am<br />
Schreibtisch zu sitzen. Wie soll<br />
ich da Konstrukteur wer<strong>de</strong>n?“<br />
Auch Alina Wallbaum ist mit falschen<br />
Erwartungen an das Studium herangegangen.<br />
Einmal schon hatte sie innerhalb<br />
<strong>de</strong>s Fachs <strong>de</strong>n Schwerpunkt gewechselt<br />
– <strong>von</strong> Linguistik zu Medienkultur.<br />
„Ich dachte damals, dass Medienkultur<br />
praktischer ausgerichtet ist“,<br />
sagt sie. Ein Irrtum, <strong>de</strong>r auch an<strong>de</strong>ren wi<strong>de</strong>rfährt.<br />
Heublein: „Gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n Geisteswissenschaften<br />
erleben die Studieren<strong>de</strong>n<br />
sehr oft, dass sich die Inhalte nicht<br />
mit ihren Vorstellungen <strong>de</strong>cken.“<br />
Beispiel Germanistik: „Man schreibt<br />
sich ein, weil man sich zur Literatur hingezogen<br />
fühlt. Dann aber muss man sich<br />
plötzlich durch sprachwissenschaftliche<br />
Theorien quälen o<strong>de</strong>r an die geliebten<br />
Texte mit einem distanzierten, analytischen<br />
Blick herangehen.“ Für viele ist<br />
das eine große Enttäuschung, <strong>de</strong>shalb ist<br />
die Abbruchquote unter <strong>de</strong>n Spracho<strong>de</strong>r<br />
Kulturwissenschaftlern extrem<br />
hoch. Fast ein Drittel gibt vorzeitig <strong>auf</strong>.<br />
Hinzu kommt bei diesen Fächern,<br />
dass das Berufsziel nicht ein<strong>de</strong>utig ist.<br />
Während Lehramts-, Medizin- o<strong>de</strong>r<br />
Pharmazie-Stu<strong>de</strong>nten recht genau wissen,<br />
wie ihre Arbeit später aussehen<br />
wird, ist etwa bei Germanisten alles und<br />
gar nichts drin: Journalismus, Werbung<br />
o<strong>de</strong>r in die PR-Branche? O<strong>de</strong>r doch lieber<br />
in die Wissenschaft?<br />
i<br />
Auswechslung.<br />
Fach wechseln statt<br />
Handtuch werfen:<br />
Laut Deutschem Stu<strong>de</strong>ntenwerk<br />
wechselt rund ein<br />
Fünftel aller Stu<strong>de</strong>nten das<br />
Fach. Wer sich dazu entschlossen<br />
hat, sollte schnell machen –<br />
um <strong>de</strong>n Bafög-Anspruch zu<br />
erhalten. Schlechte Karten hat,<br />
wer erst nach <strong>de</strong>m vierten Semester<br />
wechselt: Ohne „unabweisbaren<br />
Grund“ – etwa gesundheitliche<br />
Probleme – zahlt<br />
<strong>de</strong>r Staat keinen Cent mehr.<br />
Mit <strong>de</strong>m Bachelor-Abschluss, <strong>de</strong>r in<br />
<strong>de</strong>n letzten Jahren an vielen Fachhochschulen<br />
und Universitäten eingeführt<br />
wor<strong>de</strong>n ist, war ursprünglich auch die<br />
Hoffnung verbun<strong>de</strong>n, Stu<strong>de</strong>nten vor<br />
<strong>de</strong>m vorzeitigen Aufgeben <strong>de</strong>r aka<strong>de</strong>mischen<br />
L<strong>auf</strong>bahn zu bewahren. Gera<strong>de</strong> in<br />
<strong>de</strong>n Sprach- und Kulturwissenschaften<br />
sieht Heublein diesen Effekt bestätigt.<br />
Dort ist die Abbrecherquote gesunken.<br />
Dass <strong>de</strong>r neue Schnellschluss jedoch<br />
kein generelles Allheilmittel gegen <strong>de</strong>n<br />
Abbruch ist, hat sich am <strong>de</strong>utlichsten in<br />
<strong>de</strong>n Fachhochschul-Studiengängen Maschinenbau<br />
und Elektrotechnik gezeigt.<br />
Dort ist die Zahl <strong>de</strong>r Abbrecher unter<br />
<strong>de</strong>n Bachelor-Anwärtern überdurchschnittlich<br />
hoch. Da das Studium in drei<br />
Jahren über die Bühne gebracht wer<strong>de</strong>n<br />
soll, wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r ohnehin schon anspruchsvolle<br />
Stoff stark verdichtet. Außer<strong>de</strong>m<br />
haben viele Stu<strong>de</strong>nten zuvor eine Ausbildung<br />
gemacht o<strong>de</strong>r gejobbt. Im Schnitt<br />
sind sie 23 Jahre alt, wenn sie ihr Fachhochschulstudium<br />
<strong>auf</strong>nehmen: weit weg<br />
vom Mathewissen <strong>de</strong>r Schulzeit, aber<br />
schon mittendrin im Leben mit einem relativ<br />
hohen Standard, <strong>de</strong>n die meisten<br />
nicht mehr missen möchten. Viele jobben<br />
<strong>de</strong>shalb nebenher. Ein explosiver<br />
Mix, <strong>de</strong>r häufig zum Abbruch führt.<br />
Aber auch bei <strong>de</strong>n Ingenieurswissenschaften<br />
an Universitäten, die noch mit<br />
<strong>de</strong>m Diplom abschließen, gibt es nach<br />
wie vor überdurchschnittlich viele Abbrecher.<br />
Matthias Wolf wäre fast einer<br />
<strong>von</strong> ihnen gewor<strong>de</strong>n. Er hat zehn Semester<br />
Maschinenbau in Mag<strong>de</strong>burg studiert.<br />
Um sein Diplom zu bekommen,<br />
muss er auch ein Semester in einem Unternehmen<br />
arbeiten.<br />
Diese Aussicht hasst er. „Ich weiß<br />
jetzt schon, dass ich nie Konstrukteur<br />
wer<strong>de</strong>, weil ich einfach nicht am Schreibtisch<br />
sitzen kann“, sagt er. Statt <strong>de</strong>ssen<br />
wür<strong>de</strong> er viel lieber in seinen alten Beruf<br />
zurückkehren, er ist gelernter Mechaniker.<br />
„Aber alle in meinem Umfeld sagen<br />
mir, dass ich jetzt noch die paar Monate<br />
durchhalten soll und es dann in <strong>de</strong>r Tasche<br />
habe“, sagt er. „Und mein Verstand<br />
sagt mir das auch. Aber ich sehe einfach<br />
keinen Sinn darin.“ Kaum ein Tag, an<br />
<strong>de</strong>m Wolf nicht darüber nach<strong>de</strong>nkt, alles<br />
hinzuwerfen. „Es kann gut sein, dass<br />
ich mich eines Tages ärgere, wenn ich<br />
jetzt <strong>auf</strong>gebe. Aber die Vorstellung, in<br />
diesem Unternehmen zu arbeiten, ist einfach<br />
zu quälend.“<br />
Der Maschinenbaustu<strong>de</strong>nt hat sein<br />
Problem in einem Forum <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r Internetseite<br />
www.studienabbrecher.com geschil<strong>de</strong>rt.<br />
Dort holen sich verzweifelte<br />
Studieren<strong>de</strong> Rat <strong>von</strong> Lei<strong>de</strong>nsgenossen.<br />
Wolf wur<strong>de</strong> dort oft ermuntert, <strong>auf</strong> je<strong>de</strong>n<br />
Fall weiterzumachen. Aber es gab<br />
auch Stimmen, die ihm zum Abbruch<br />
rieten: Viele Chefs wür<strong>de</strong>n es sogar schätzen,<br />
wenn die Bewerber auch mal unkonventionelle<br />
Wege eingeschlagen hätten.<br />
Tatsächlich werben <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r Internetplattform<br />
einige Unternehmen gezielt<br />
Abbrecher, um sie <strong>auf</strong> ihren eigenen Be-<br />
Fachwechsel<br />
Studieren<strong>de</strong> mit Fach- und/o<strong>de</strong>r<br />
Abschlusswechsel 2006,<br />
Angaben in Prozent<br />
20<br />
alle Hochschulen<br />
22<br />
16<br />
Universitäten Fachhochschulen<br />
SZ-Graphik: Ei<strong>de</strong>n; Quelle: Bildungsbericht 2008<br />
Alternative. 3323 grundständige<br />
und 3052 weiterführen<strong>de</strong><br />
Studienfächer sind unter<br />
www.hochschulkompass.<strong>de</strong><br />
verzeichnet. Darunter gibt es –<br />
für alle, die BWL nicht mehr<br />
ertragen können – Orchi<strong>de</strong>enfächer<br />
wie Pfer<strong>de</strong>wissenschaften,<br />
Blockflöte o<strong>de</strong>r Papyrologie.<br />
Quer<strong>de</strong>nker wer<strong>de</strong>n auch<br />
im Ausland fündig: Italienische<br />
Unis haben Blumenwissenschaften<br />
und Hun<strong>de</strong>hygiene zu bieten.<br />
In England kann man das<br />
Studienfach „Beatles“ wählen.<br />
rufsaka<strong>de</strong>mien auszubil<strong>de</strong>n. Der Studienabbruch<br />
also nicht als Makel, son<strong>de</strong>rn<br />
als Zeichen für Selbstbewusstsein und<br />
Entscheidungsfreu<strong>de</strong>?<br />
Im Hochschulteam <strong>de</strong>r Agentur für<br />
Arbeit in Berlin Mitte sieht man das kritisch.<br />
„Bevor jemand das Studium <strong>auf</strong>gibt,<br />
schauen wir uns zusammen sehr genau<br />
seine Bedürfnisse und Fähigkeiten<br />
an“, sagt Beraterin Heike Kuss. Erst<br />
wenn eine wirklich passen<strong>de</strong> Alternative<br />
gefun<strong>de</strong>n ist, wird <strong>de</strong>r Abbruch in Erwägung<br />
gezogen. Allerdings empfiehlt<br />
sie, immer langfristig zu <strong>de</strong>nken: „Arbeitsmarktpolitisch<br />
kann man es nicht<br />
an<strong>de</strong>rs sagen: Je höher jemand qualifiziert<br />
ist, <strong>de</strong>sto seltener trifft ihn die Arbeitslosigkeit.“<br />
Das Abschlusszeugnis:<br />
ein Türöffner.<br />
„Die Volkswirtschaft und ihre<br />
Theorien sind interessant.<br />
Allein, wo liegt ihr Nutzen?“<br />
Das kann Alexandra Rex bestätigen.<br />
Sie ist Personalreferentin bei einem großen<br />
Online-Versandhan<strong>de</strong>l. „Wenn sich<br />
bei uns externe Kandidaten ohne Studienabschluss<br />
für leiten<strong>de</strong> Positionen bewerben,<br />
haben sie keine Chance“, sagt<br />
sie. An<strong>de</strong>rs sieht es bei hausinternen Bewerbern<br />
aus: „Wenn ich sie kenne und<br />
<strong>von</strong> ihrer Leistung überzeugt bin, kann<br />
es auch mal ohne Studium klappen.“ Bei<br />
Kollegen stößt solche Entscheidungen<br />
manchmal <strong>auf</strong> Unverständnis. Rex<br />
bleibt dann gelassen: „Na und? Ich hab<br />
ja auch kein Diplom.“<br />
Ausweg. Viele müssen neben<br />
<strong>de</strong>m Studium jobben und brauchen<br />
länger bis zum Abschluss.<br />
Zugleich versiegt <strong>de</strong>r Geldstrom,<br />
je länger das Studium dauert:<br />
Nach <strong>de</strong>m zehnten Semester<br />
kappen die Eltern ihre finanzielle<br />
Hilfe um mehr als die Hälfte, so<br />
eine Umfrage <strong>de</strong>r stu<strong>de</strong>ntischen<br />
Unternehmensberatung Univativ<br />
in Darmstadt. Einen Ausweg<br />
können spezielle Studienabschlussdarlehen<br />
bieten. Informationen<br />
darüber gibt es bei <strong>de</strong>n<br />
Stu<strong>de</strong>ntenwerken.<br />
Die Personalreferentin hat selbst eine<br />
typische Abbrecherkarriere hinter sich.<br />
Sechs Jahre war sie in Volkswirtschaftslehre<br />
eingeschrieben. „Ich habe etliche<br />
Theorien gelernt, aber mir blieb ihr Nutzen<br />
fremd“, sagt sie. Die Freiheit, <strong>de</strong>n<br />
Stun<strong>de</strong>nplan selbst zu basteln, wur<strong>de</strong><br />
ihr zum Verhängnis. Sie wirkte wie ein<br />
Freifahrtschein zum Rumgammeln. Ein<br />
verschulteres, praxisbezogeneres Studium<br />
hätte ihr besser getan.<br />
Den Entschluss, das Studium <strong>auf</strong>zugeben,<br />
fasste Rex nicht <strong>von</strong> einem Tag <strong>auf</strong><br />
<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren. Sie wohnte zwar noch im<br />
Stu<strong>de</strong>ntenwohnheim, ging aber irgendwann<br />
nicht mehr zu <strong>de</strong>n Seminaren.<br />
Statt<strong>de</strong>ssen begann sie zu jobben, sortierte<br />
drei Jahre lang Briefe bei <strong>de</strong>r Post. Irgendwann<br />
wur<strong>de</strong> ihr schlagartig klar:<br />
So geht es nicht weiter. „Ich war 30 Jahre<br />
alt und lebte <strong>auf</strong> 20 Quadratmetern in<br />
einer Studi-WG“, sagt sie. Am meisten<br />
nervte sie die Frage: Und, was machst du<br />
so beruflich?<br />
Alexandra Rex heuerte im Callcenter<br />
eines Han<strong>de</strong>lsunternehmens an. Und<br />
dort packte sie <strong>de</strong>r Ehrgeiz. Der Job lag<br />
ihr, sie bekam viel Bestätigung. Sie arbeitete<br />
immer mehr, arbeitete sich hoch.<br />
Acht Jahre später ist sie in <strong>de</strong>r Personalabteilung<br />
angekommen. „Damit hätte<br />
ich damals nicht gerechnet.“ Manchmal<br />
<strong>de</strong>nkt sie, dass sie sich viel hätte ersparen<br />
können, wenn sie das Studium zu En<strong>de</strong><br />
gebracht hätte. Aber dann wür<strong>de</strong> ihr<br />
jetzt auch etwas fehlen: Verständnis für<br />
krumme Lebensläufe. Mit <strong>de</strong>m Knick in<br />
ihrer eigenen Biografie kann sie heute<br />
umgehen. „Die Wun<strong>de</strong> ist verheilt“, sagt<br />
sie. „Aber eine Narbe ist geblieben.“<br />
Nach <strong>de</strong>m En<strong>de</strong> kommt ein <strong>Anfang</strong>. Foto: ddp<br />
Anreiz. In Hessen will man die<br />
Hochschulen locken: Nach <strong>de</strong>m<br />
Willen <strong>von</strong> Wissenschaftsministerin<br />
Eva Kühne-Hörmann (CDU)<br />
sollen Unis, die beson<strong>de</strong>rs gute<br />
Absolventenquoten vorzuweisen<br />
haben, finanziell belohnt<br />
wer<strong>de</strong>n. Eine entsprechen<strong>de</strong><br />
Gesetzesän<strong>de</strong>rung ist noch dieses<br />
Jahr geplant. Gleichzeitig<br />
sollen die Hochschulen besser<br />
beraten: „Der optimale Fall wäre,<br />
dass es durch gute Beratung<br />
keine Studienabbrecher mehr<br />
gäbe“, so Kühne-Hörmann.
10 studieren Uni&Job<br />
Nimm zwei<br />
Seit die Hochschulen ihre Bewerber selbst aussuchen, bleiben Tausen<strong>de</strong> begehrter Studienplätze leer.<br />
Jetzt haben die Verantwortlichen ein En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Zulassungschaos angekündigt – aber erst für Herbst 2011<br />
Von Tanjev Schultz<br />
Sogar <strong>de</strong>n Lehrern platzte <strong>de</strong>r Kragen.<br />
Seit Jahren müssen sie sich anhören,<br />
wie ihre Abiturienten über das<br />
Durcheinan<strong>de</strong>r bei <strong>de</strong>r Zulassung zum<br />
Studium stöhnen. Die Studienangebote<br />
wer<strong>de</strong>n immer unübersichtlicher und<br />
mit ihnen die Bewerbungsverfahren.<br />
Wenn die Unis das Chaos nicht in <strong>de</strong>n<br />
Griff bekämen, „wird ihnen <strong>de</strong>r ganze<br />
La<strong>de</strong>n um die Ohren fliegen“, schimpft<br />
Heinz-Peter Meidinger, Chef <strong>de</strong>s Philologenverbands.<br />
Er hat mitverfolgt, wie<br />
sich die Hochschulen und die ZVS, die<br />
Zentralstelle für die Vergabe <strong>von</strong> Studienplätzen,<br />
monatelang über ein neues<br />
Bewerbungssystem stritten und eine<br />
Lösung verschleppten. Wenn es <strong>de</strong>shalb<br />
im Herbst wie<strong>de</strong>r zum Chaos komme,<br />
wür<strong>de</strong>n die Pädagogen eine „konzertierte<br />
Kampagne“ für eine gesetzliche Regelung<br />
starten, droht <strong>de</strong>r Verband <strong>de</strong>r<br />
Gymnasiallehrer.<br />
Die alte Tante ZVS soll sich<br />
zur Servicestelle für Stu<strong>de</strong>nten<br />
und Hochschulen mausern<br />
Seit die Hochschulen ihre Stu<strong>de</strong>nten<br />
weitgehend selbst auswählen dürfen<br />
und sie über die Hälfte aller Studiengänge<br />
einen Numerus clausus verhängt haben,<br />
bewerben sich viele Abiturienten<br />
vorsichtshalber an zig Unis. Bisher gibt<br />
es aber, außer bei <strong>de</strong>n wenigen zentral<br />
<strong>von</strong> <strong>de</strong>r ZVS vergebenen Plätzen (etwa<br />
in Medizin), keinen automatischen Abgleich,<br />
sodass am En<strong>de</strong> Tausen<strong>de</strong> begehrte<br />
Plätze frei bleiben o<strong>de</strong>r erst spät<br />
nachbesetzt wer<strong>de</strong>n.<br />
An <strong>de</strong>r Universität Frankfurt wur<strong>de</strong>n<br />
im Wintersemester mehr als 800 Plätze<br />
in zulassungsbeschränkten Studiengängen<br />
nicht genutzt, in Dres<strong>de</strong>n blieben<br />
500 Plätze frei. „Manche springen in letzter<br />
Sekun<strong>de</strong> ab, wenn sie woan<strong>de</strong>rs angenommen<br />
wer<strong>de</strong>n“, sagt Marcel Brückmann,<br />
Geschichtsstu<strong>de</strong>nt in Siegen. Der<br />
25-Jährige hofft, dass einheitliche Termine<br />
für die Zulassung die Lage entspannen<br />
wer<strong>de</strong>n. Dann könnte zumin<strong>de</strong>st das<br />
Nachrückverfahren schneller beginnen.<br />
Das hofft auch Bun<strong>de</strong>sbildungsministerin<br />
Annette Schavan (CDU). Sie traf<br />
sich mehrmals zu Krisengesprächen mit<br />
Vertretern <strong>de</strong>r ZVS und <strong>de</strong>r Universitäten.<br />
Im März verkün<strong>de</strong>ten sie, die Hochschulen<br />
wür<strong>de</strong>n ihre Zulassungsbeschei<strong>de</strong><br />
nun zu einem einheitlichen Termin<br />
versen<strong>de</strong>n. Bewerbungsschluss für zulas-<br />
i<br />
Alle zusammen. Die<br />
Zentralstelle für die<br />
Vergabe <strong>von</strong> Studienplätzen<br />
(ZVS) mit Sitz<br />
in Dortmund ist eine Einrichtung<br />
<strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>slän<strong>de</strong>r. Sie verteilt<br />
seit 1972 die freien Plätze für<br />
Studienanfänger in Fächern,<br />
die bun<strong>de</strong>sweit zulassungsbeschränkt<br />
sind. In einem komplizierten<br />
Quotensystem wird nach<br />
Abiturnote, Wartezeit und im<br />
hochschuleigenen Auswahlverfahren<br />
ermittelt, wer einen Studienplatz<br />
erhält – und wer nicht.<br />
Um seine Chancen <strong>auf</strong> einen Studienplatz zu erhöhen, bewirbt sich <strong>de</strong>r clevere Abiturient<br />
gleich an zwei, drei, vier Universitäten. Foto: Robert Haas<br />
sungsbeschränkte Studiengänge ist am<br />
15. Juli, Mitte August sollen alle Kandidaten<br />
nun wissen, an welche Unis sie gehen<br />
können. Freie Plätze sollen in einer<br />
Internet-Börse angeboten wer<strong>de</strong>n.<br />
Ein automatischer Datenabgleich,<br />
<strong>de</strong>r verhin<strong>de</strong>rt, dass sich das Nachrückverfahren<br />
in die Länge zieht, kann hingegen<br />
erst im Herbst 2011 starten – ursprünglich<br />
war dafür 2009, dann 2010 geplant.<br />
Damit <strong>de</strong>r Stand <strong>de</strong>r Bewerbung<br />
für die Hochschulen und die Bewerber<br />
bun<strong>de</strong>sweit und unmittelbar im Internet<br />
abrufbar ist, muss erst eine neue Software<br />
entwickelt wer<strong>de</strong>n, die <strong>de</strong>n vielen<br />
Wünschen <strong>de</strong>r Hochschulen entspricht.<br />
Je<strong>de</strong>r für sich. Bis zum Jahr<br />
1999 verteilte die ZVS die Plätze<br />
in <strong>de</strong>n bun<strong>de</strong>sweit zulassungsbeschränkten<br />
Fächern in Alleinherrschaft,<br />
vorrangig nach Abiturnote<br />
und Wartezeit. Seit<br />
2000 können die Hochschulen<br />
einen Teil <strong>de</strong>r Bewerber selbst<br />
auswählen. So sollen sie um die<br />
besten Stu<strong>de</strong>nten kämpfen und<br />
ihr Profil schärfen. Inzwischen<br />
wer<strong>de</strong>n 60 Prozent <strong>de</strong>r Plätze in<br />
Auswahlverfahren <strong>de</strong>r Hochschulen<br />
vergeben – je<strong>de</strong> Uni hat ihre<br />
eigene Auswahlmetho<strong>de</strong>.<br />
Koordiniert. So soll das Verfahren<br />
vom Herbst 2011 an funktionieren:<br />
Man bewirbt sich bis<br />
Mitte Juli an höchstens zwölf<br />
Unis online. Diese suchen sich<br />
ihre Erstsemester nach eigenen<br />
Kriterien aus, verschicken ihre<br />
Zulassungsangebote bis Mitte<br />
August und veröffentlichen<br />
Wartelisten. Nimmt ein Bewerber<br />
<strong>de</strong>n Platz an, verschwin<strong>de</strong>t<br />
er automatisch aus <strong>de</strong>n Listen.<br />
Im September wer<strong>de</strong>n noch<br />
unbesetzte Plätze in einem<br />
„Clearing-Verfahren“ vergeben.<br />
Denn diese verlangen oft nicht nur eine<br />
gute Abiturnote, sie können auch Essays,<br />
berufliche Erfahrungen, spezielle<br />
Eignungstests o<strong>de</strong>r sogar persönliche Gespräche<br />
in ihre Entscheidung mit einbeziehen.<br />
Die Unis wollen außer<strong>de</strong>m verhin<strong>de</strong>rn,<br />
dass sie in einem zentralisierten<br />
Verfahren ihre gera<strong>de</strong> erst gewonnene<br />
Autonomie bei <strong>de</strong>r Zulassung wie<strong>de</strong>r<br />
einbüßen. Deshalb betrachten viele Rektoren<br />
die ZVS, die früher als Behör<strong>de</strong><br />
zur „Stu<strong>de</strong>ntenlandverschickung“ berüchtigt<br />
war, mit großer Skepsis.<br />
Nach <strong>de</strong>n Plänen <strong>de</strong>r Kultusminister<br />
soll die ZVS zu einer Servicestelle umgebaut<br />
wer<strong>de</strong>n, die das neue Bewerbungs-<br />
Ganz allein. Auch ein Einser-<br />
Abitur ist unter Umstän<strong>de</strong>n nicht<br />
gut genug: Eine Düsseldorferin<br />
erhielt trotz <strong>de</strong>r Abiturnote 1,0<br />
keinen Jura-Studienplatz. Bei<br />
<strong>de</strong>r ZVS-Online-Bewerbung<br />
hatte sie versehentlich angegeben,<br />
ihre Wunsch-Uni Düsseldorf<br />
sei nicht die nächstgelegene<br />
Hochschule. Doch auch<br />
„soziale Kriterien“ wie die Nähe<br />
zum Wohnort will die ZVS erfüllt<br />
sehen. Da nützte es auch nichts,<br />
dass die Abiturientin sogar eine<br />
Klasse übersprungen hatte.<br />
system für die Hochschulen und Studienbewerber<br />
managt, ohne diese zu bevormun<strong>de</strong>n.<br />
Doch mittlerweile ist offen, ob<br />
die ZVS diese Rolle spielen kann – und<br />
darf. Viele Bildungspolitiker trauen jedoch<br />
auch <strong>de</strong>n Unis nicht über <strong>de</strong>n Weg.<br />
Politiker <strong>de</strong>r SPD, <strong>de</strong>r Grünen und <strong>de</strong>r<br />
Linken for<strong>de</strong>rn ein Gesetz, mit <strong>de</strong>m das<br />
Zulassungsverfahren bun<strong>de</strong>sweit verbindlich<br />
geregelt wer<strong>de</strong>n soll. Ministerin<br />
Schavan und die Rektoren setzen dagegen<br />
<strong>auf</strong> freiwillige Teilnahme.<br />
Bochum ist beson<strong>de</strong>rs<br />
schnell – und sichert sich<br />
die besten Kandidaten<br />
Und so ist nicht sicher, ob sich wirklich<br />
alle Hochschulen an <strong>de</strong>n neuen Regeln<br />
beteiligen wer<strong>de</strong>n. Die Universität<br />
Hamburg betont, man sträube sich gegen<br />
ein zentrales System, und man habe<br />
ein sehr gut funktionieren<strong>de</strong>s eigenes<br />
Zulassungsverfahren. An <strong>de</strong>r Universität<br />
Bochum heißt es: „Ein Zulassungschaos<br />
gibt es bei uns nicht.“<br />
Immerhin wollen sich die Bochumer<br />
<strong>de</strong>nnoch an <strong>de</strong>m geplanten neuen Verfahren<br />
beteiligen. Sie wollen dabei aber<br />
schneller sein als ihre Konkurrenten:<br />
Abiturienten mit sehr guten Noten bekommen<br />
<strong>von</strong> <strong>de</strong>r Uni Bochum direkt<br />
nach Eingang ihrer Bewerbung eine<br />
Zulassungsbescheinigung, auch dann,<br />
wenn die bun<strong>de</strong>sweite Frist, also <strong>de</strong>r<br />
15. Juli, noch nicht verstrichen ist. Dadurch<br />
könnten sich die Abiturienten<br />
Mehrfachbewerbungen an an<strong>de</strong>ren<br />
Hochschulen sparen – mit <strong>de</strong>m für Bochum<br />
schönen Nebeneffekt, dass die Uni<br />
sich viele sehr gute Schüler sichert. Bochum<br />
sei nun mal forschungsstark, „da<br />
wollen wir natürlich auch sehr gute Leute<br />
zu uns locken“, sagt Bochums Prorektorin<br />
für Lehre, Uta Wilkens.<br />
Aus solchen Grün<strong>de</strong>n sind viele Professoren<br />
auch gar nicht so unglücklich<br />
über <strong>de</strong>n weit verbreiteten Numerus<br />
clausus, <strong>de</strong>r Bewerber, die nur mäßige<br />
Schulnoten haben, abwehrt. Doch weil<br />
in diesem und in <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n Jahren<br />
durch das verkürzte Gymnasium beson<strong>de</strong>rs<br />
viele Abiturienten an die Universitäten<br />
drängen, hätten we<strong>de</strong>r die Bewerber<br />
noch die Lehrer o<strong>de</strong>r Politiker Verständnis<br />
dafür, wenn wegen unkoordinierter<br />
Zulassungsverfahren Tausen<strong>de</strong><br />
Studienplätze ungenutzt blieben. Die<br />
Hochschulen in Nordrhein-Westfalen<br />
haben <strong>de</strong>shalb sogar versprochen, die<br />
Zahl <strong>de</strong>r zulassungsbeschränkten Studiengänge<br />
zu reduzieren.<br />
Immer mehr. Wegen <strong>de</strong>s Wirrwarrs<br />
um die Vergabe <strong>von</strong> Studienplätzen<br />
klagen sich immer<br />
mehr junge Leute in die Hörsäle.<br />
Denn gera<strong>de</strong> in Numerus clausus-Fächern<br />
bleiben durch Mehrfachbewerbungen<br />
und Doppeleinschreibungen<br />
Plätze unbesetzt<br />
– die Unis sind aber verpflichtet,<br />
ihre Kapazitäten auszuschöpfen.<br />
Der Deutsche Hochschulverband<br />
schätzt, dass inzwischen<br />
20 000 <strong>de</strong>r 350 000<br />
Neueinschreibungen pro Jahr<br />
gerichtlich eingeklagt wur<strong>de</strong>n.
Irgendwann<br />
erzählt je<strong>de</strong>r<br />
<strong>von</strong> <strong>de</strong>r besten<br />
Zeit im Leben.<br />
karriere.mckinsey.<strong>de</strong><br />
Building Global Lea<strong>de</strong>rs
12 studieren Uni&Job<br />
Ruhe bitte!<br />
Muss das eigentlich immer noch sein? Abgebrochene Fingernägel und ein rosa<br />
Bestellzettel mit Durchschlagpapier, <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m höchst unwahrscheinliche Autorennamen<br />
wie „Shcmifhuber, Ewrin“ stehen? Ja, das muss sein. Aber nicht etwa, weil die<br />
Fernleihe sich <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m technischen Stand <strong>de</strong>r Eisenzeit befin<strong>de</strong>t und man aus diesem<br />
Grund ungeschickt <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r Tastatur einer mechanischen Schreibmaschine herumhackt:<br />
Auch wenn die Digitalisierung an <strong>de</strong>utschen Hochschulbibliotheken weit fortgeschritten<br />
ist, führt weiterhin kein Weg daran vorbei, nach Büchern und Aufsätzen<br />
aus Bestän<strong>de</strong>n, die noch nicht elektronisch erfasst sind, in doppelter Ausführung und<br />
<strong>auf</strong> <strong>de</strong>m Postweg zu suchen. Erst 20 Jahre ist es her, dass die Uni-Bibliotheken sich<br />
ans Digitalisieren ihrer insgesamt mehr als 227 Millionen Bücher machten, wobei<br />
es zunächst einmal nur darum ging, bibliographische Angaben und <strong>de</strong>n Standort <strong>de</strong>r<br />
Werke <strong>auf</strong>zunehmen. Dieses Projekt ist – nicht zuletzt mangels Arbeitskapazität –<br />
noch lange nicht abgeschlossen. Das sagt Heike Budnitz <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Universitäts- und<br />
Forschungs-Bibliothek Erfurt-Gotha, wo vom 2. bis 5. Juni <strong>de</strong>r diesjährige Bibliothekartag<br />
stattfin<strong>de</strong>t. Doch wer<strong>de</strong> jetzt auch damit begonnen, die Inhalte einzuscannen,<br />
das nächste Mammutprojekt. Was das für die Lesekultur be<strong>de</strong>utet? Budnitz sagt, im<br />
Lesesaal <strong>de</strong>r Zukunft säßen die Menschen vorm Rechner. Aber man solle nicht <strong>de</strong>n<br />
Teufel an die Wand malen, Bücher wür<strong>de</strong>n auch noch gelesen, richtige Bücher zum<br />
Anfassen mit Seiten zum Umblättern. Für wen <strong>de</strong>r Lesesaal ein Ort <strong>de</strong>r Kontemplation<br />
und Ruhe sein soll, wird allerdings enttäuscht sein. Immer mehr wer<strong>de</strong> die Bibliothek<br />
zu einem Treffpunkt, wo Gruppenarbeiten an vernetzten PCs entstehen und wo je<strong>de</strong><br />
Art <strong>von</strong> Geschnatter willkommen sei. Nur vereinzelt gebe es Chillzonen, sagt Budnitz.<br />
Da können sich die Büchereien ein Beispiel an <strong>de</strong>n USA nehmen, wo Studieren<strong>de</strong><br />
schon seit Jahrzehnten <strong>auf</strong> bequemen Sesseln abhängen und nach anstrengen<strong>de</strong>r<br />
Lektüre ein Nickerchen machen. Immerhin gibt es in <strong>de</strong>r Fachhochschulbibliothek <strong>von</strong><br />
Regensburg schon ein knallrotes Le<strong>de</strong>rsofa zum „Anlesen“, wie es offiziell heißt. (göri)<br />
Foto: dpa<br />
Steinig und schwer<br />
Wer an einer ausländischen Universität studieren möchte, muss damit rechnen, Zeit zu<br />
verlieren. Denn bevor man zu Hause mit <strong>de</strong>n Prüfungen <strong>de</strong>s Wintersemesters durch ist,<br />
hat das Sommersemester an manchen ausländischen Unis bereits begonnen. Schon<br />
seit mehreren Jahren wird <strong>de</strong>shalb darüber diskutiert, die <strong>de</strong>utschen Semesterzeiten<br />
an die internationalen Gepflogenheiten anzupassen, also die Semesteranfangszeiten<br />
vorzuverlegen. Passiert ist aber bisher nichts, obwohl die Dringlichkeit gesehen<br />
wird. „Wenn das nicht geschieht, wird die Mobilität <strong>de</strong>utscher Stu<strong>de</strong>nten massiv erschwert“,<br />
heißt es bei <strong>de</strong>r Deutschen Hochschulrektorenkonferenz. Auch für ausländische<br />
Studieren<strong>de</strong>, die nach Deutschland kommen wollen, wür<strong>de</strong> eine Anpassung <strong>de</strong>n<br />
Wechsel vereinfachen. Zustimmen muss aber die Kultusministerkonferenz, und die<br />
wehrt sich bisher. Zur Zeit strömen die geburtenstarken Jahrgänge an die Hochschulen,<br />
<strong>de</strong>shalb sei <strong>de</strong>r Zeitpunkt ungünstig. Außer<strong>de</strong>m hätten die Unis mit <strong>de</strong>r Umsetzung<br />
<strong>de</strong>r Bologna-Reform alle Hän<strong>de</strong> voll zu tun. Vereinzelt kam auch Kritik aus <strong>de</strong>n Hochschulen:<br />
Eine Verschiebung <strong>de</strong>r Semesterzeiten wür<strong>de</strong> die vorgesehenen Praktika<br />
und an<strong>de</strong>re interne Abläufe stören. Die einzige Hochschule, die sich im Alleingang<br />
an das internationale System angeglichen hat, ist die Universität Mannheim. „Es war<br />
ein großer bürokratischer Aufwand, sogar größer, als wir erwartet haben, aber es hat<br />
sich gelohnt“, sagt Uni-Sprecher Achim Fischer. Für die Dozenten hat die Reform Vorund<br />
Nachteile: In Deutschland wer<strong>de</strong>n viele wissenschaftliche Tagungen im Herbst<br />
abgehalten, noch in <strong>de</strong>n Semesterferien. Dann hat in Mannheim bereits wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />
Lehrbetrieb begonnen. Dafür können Wissenschaftler nun aber viel einfacher die meist<br />
im Juni stattfin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n internationalen Veranstaltungen besuchen. Die Stu<strong>de</strong>nten wüssten<br />
die Reform zu schätzen, sagt Fischer. Viele entschie<strong>de</strong>n sich nun aus genau diesem<br />
Grund für die Uni Mannheim. (PAS)<br />
Foto: dpa<br />
Schweineschnitzel<br />
und Salat<br />
Wer vormittags über Büchern brütet, braucht<br />
mittags frische Energie. Deshalb geht er in<br />
die Mensa. In <strong>de</strong>r Regensburgerstraße in<br />
Nürnberg wird er rundum gesund bedient,<br />
weshalb die Futterkrippe jetzt <strong>von</strong> Lesern<br />
<strong>de</strong>r Zeitschrift Unicum zur beliebtesten Mensa<br />
in Deutschland gewählt wur<strong>de</strong>. Das Etablissement<br />
besuchen vor allem angehen<strong>de</strong><br />
Grund- und Hauptschullehrerinnen. „Da ist<br />
das Salatbuffet <strong>de</strong>r Renner“, sagt Joachim<br />
Gollwitzer, Geschäftsführer <strong>de</strong>s Stu<strong>de</strong>ntenwerks<br />
Nürnberg. Es gibt auch viel Gemüse,<br />
alle Gerichte wer<strong>de</strong>n möglichst fettarm gekocht,<br />
das Schnitzel ist nicht paniert, Rahmsoße<br />
wird weggelassen. Ganz an<strong>de</strong>rs in <strong>de</strong>r<br />
Würzburger „Burse“, <strong>de</strong>m zweiten Sieger.<br />
Weil die Stu<strong>de</strong>nten es so wollen, kann man<br />
hier je<strong>de</strong>n Tag fettige Fritten essen. „Ungesun<strong>de</strong>s<br />
ist sehr beliebt“, sagt Küchenchef<br />
Uwe Brachmann. „Schnitzel, Currywurst,<br />
Hamburger – solche Gerichte kommen immer<br />
gut an.“ Aber auch die Mensa Würzburg<br />
will jetzt <strong>auf</strong> die Vorlieben <strong>de</strong>r weiblichen<br />
Gäste eingehen: Passend zur Jahreszeit hat<br />
Brachmann ein paar beson<strong>de</strong>rs leichte Gerichte<br />
<strong>auf</strong> die Speisekarte gesetzt: Geflügel,<br />
Fisch und vegetarische Speisen. Außer<strong>de</strong>m<br />
steht Biofood <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m Programm, und für<br />
Allergiker sind sogar glutenfreie Soßen im<br />
Angebot. Ob die Gesundkost wirklich<br />
Currywurst und Schweineschnitzel aus <strong>de</strong>m<br />
Rennen schlägt? (PAS)<br />
Foto: Alessandra Schellnegger
14 studieren Uni&Job<br />
Hat man am En<strong>de</strong> nur als Master-Absolvent das große Los gezogen? „Es gibt die Angst, <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m Bachelor zu sitzen und nur ein Aka<strong>de</strong>miker zweiter Klasse zu sein“, sagt<br />
Sebastian Schultz vom Potsdamer AStA. Foto: Bildmaschine<br />
„Warum in Nieten investieren?“<br />
Eigentlich war es so gedacht: Man macht erst mal <strong>de</strong>n Bachelor, dann hat man schon einen Abschluss in <strong>de</strong>r Tasche.<br />
Später vertieft man sein Wissen und geht als Master hinaus in die Berufswelt. Nun soll für viele nach <strong>de</strong>m Bachelor Schluss sein<br />
Von Tanjev Schultz<br />
Versuchskaninchen. Immer wie<strong>de</strong>r<br />
fällt dieses Wort, wenn Bachelor-Stu<strong>de</strong>nten<br />
über ihre Lage berichten. Noch<br />
immer läuft es an vielen Hochschulen<br />
nicht rund, die Curricula in <strong>de</strong>n neuen<br />
Studiengängen sind wie erste Tests in<br />
einer langen Versuchsreihe. Derweil verfliegt<br />
die Zeit, und Stu<strong>de</strong>ntinnen wie<br />
Angela Vöhringer müssen schon über<br />
<strong>de</strong>n nächsten Schritt nach<strong>de</strong>nken – <strong>de</strong>n<br />
Schritt zum Master. Doch auch da fühlt<br />
sich die Freiburger Psychologie-Stu<strong>de</strong>ntin<br />
wie ein Labortier. Denn <strong>de</strong>r Zugang<br />
zum Master ist eingeschränkt, es gibt<br />
Quoten und Notenvorgaben, mit <strong>de</strong>nen<br />
aber noch tüchtig experimentiert wird.<br />
Nach <strong>de</strong>m Willen <strong>de</strong>r Kultusminister<br />
und <strong>de</strong>r Hochschulen soll nicht je<strong>de</strong>r Bachelor-Absolvent<br />
sein Studium bis zum<br />
Master fortsetzen. „Es gibt <strong>de</strong>shalb viele<br />
Unsicherheiten“, sagt Angela Vöhringer.<br />
Sie kommt jetzt ins vierte Semester,<br />
ein Jahr später könnte sie bereits ihren<br />
ersten Abschluss machen, anschließend<br />
muss sie <strong>de</strong>n Sprung zum Master schaffen:<br />
„Mit <strong>de</strong>m Bachelor allein kann man<br />
in Psychologie ja nicht viel anfangen.“<br />
In <strong>de</strong>n vergangenen Semestern wusste<br />
niemand in Freiburg genau, wie viele<br />
Plätze es im Master-Studiengang geben<br />
wird und welche Noten man mitbringen<br />
muss. Viele Unis setzen ein Bachelor-<br />
Zeugnis mit <strong>de</strong>r Note 2,5 o<strong>de</strong>r besser voraus,<br />
bun<strong>de</strong>sweit verlangt knapp die Hälf-<br />
i<br />
Abgelöst. Bachelor<br />
und Master haben in<br />
kurzer Zeit die klassischen<br />
Abschlüsse<br />
überholt. Mittlerweile schließen<br />
75 Prozent aller Studiengänge<br />
an <strong>de</strong>utschen Hochschulen mit<br />
<strong>de</strong>n bei<strong>de</strong>n internationalen Titeln<br />
ab. Während es in Bayern etwa<br />
40 Prozent sind, wur<strong>de</strong>n in Nie<strong>de</strong>rsachsen<br />
schon mehr als 90<br />
Prozent <strong>de</strong>r Studiengänge umgestellt.<br />
Bis zum Jahr 2010 sollen<br />
Diplom und Magister komplett<br />
durch BA und MA ersetzt sein.<br />
te aller Master-Angebote beson<strong>de</strong>re Qualifikationen<br />
<strong>de</strong>r Bewerber. Viele Professoren,<br />
aber auch Stu<strong>de</strong>nten begrüßen solche<br />
Hür<strong>de</strong>n, weil sie dazu beitragen wür<strong>de</strong>n,<br />
jene loszuwer<strong>de</strong>n, die man sonst<br />
„mitschleppen“ müsste. Studienplätze<br />
sind teuer – „warum soll man das Geld<br />
in Nieten stecken?“, fragt provokant ein<br />
Stu<strong>de</strong>nt in einem Online-Forum.<br />
Wer in Potsdam Master<br />
wer<strong>de</strong>n will, muss zu <strong>de</strong>n<br />
besten zwei Dritteln gehören<br />
Kritiker dagegen halten das Ganze<br />
für ein Sparmo<strong>de</strong>ll, mit <strong>de</strong>m Politiker<br />
die Aka<strong>de</strong>mikerquote durch ein zweifelhaftes<br />
Bachelor-Schnellstudium in die<br />
Höhe treiben, während <strong>de</strong>r Master nur<br />
noch einem exklusiven Kreis zugestan<strong>de</strong>n<br />
wird. Professoren wie Hans Spada,<br />
Psychologe an <strong>de</strong>r Universität Freiburg,<br />
verweisen allerdings dar<strong>auf</strong>, dass bereits<br />
in <strong>de</strong>n alten Diplom-Studiengängen<br />
nicht alle bis zum En<strong>de</strong> durchhielten:<br />
„Es gibt eine natürliche Schwundquote<br />
im L<strong>auf</strong>e <strong>de</strong>r Semester.“ Manche<br />
brechen ihr Studium ab, an<strong>de</strong>re begnügen<br />
sich mit <strong>de</strong>m Bachelor.<br />
In Potsdam wehren sich Stu<strong>de</strong>ntenvertreter<br />
jedoch auch gegen die klaren Notenvorgaben.<br />
Sie haben eine Klage gegen<br />
die Übertrittsregeln ihrer Uni beim<br />
Oberverwaltungsgericht Berlin-Bran<strong>de</strong>nburg<br />
eingereicht und for<strong>de</strong>rn einen<br />
Abgeklärt. Die Unternehmen<br />
sind überwiegend zufrie<strong>de</strong>n mit<br />
Bachelor- und Master-Absolventen.<br />
Bei einer Umfrage <strong>de</strong>s Deutschen<br />
Industrie- und Han<strong>de</strong>lskammertages<br />
gaben 67 Prozent<br />
<strong>de</strong>r Unternehmen an, dass sich<br />
ihre Erwartungen beim Einsatz<br />
<strong>von</strong> Bachelors erfüllt haben.<br />
Beim Master waren es sogar<br />
70 Prozent. Allerdings hatte erst<br />
ein knappes Viertel <strong>de</strong>r mehr<br />
als 2000 befragten Arbeitgeber<br />
tatsächlich Erfahrungen mit <strong>de</strong>n<br />
neuen Abschlüssen gemacht.<br />
Abgespeckt. Ob Bachelor-Absolventen<br />
weniger verdienen<br />
sollen als Berufseinsteiger mit<br />
Diplom – darüber herrscht Uneinigkeit<br />
unter <strong>de</strong>n Personalchefs.<br />
Nach einer Umfrage <strong>de</strong>r<br />
Deutschen Gesellschaft für Personalführung<br />
erhalten Bachelors<br />
in etwa <strong>de</strong>r Hälfte <strong>de</strong>r Firmen<br />
weniger Geld als Diplom-Absolventen<br />
– in <strong>de</strong>r Regel beträgt die<br />
Differenz jedoch weniger als 20<br />
Prozent. In <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Hälfte<br />
<strong>de</strong>r Betriebe gibt es keine Unterschie<strong>de</strong><br />
beim Einstiegsgehalt.<br />
„Master für alle“. Sebastian Schultz<br />
vom AStA sagt: „Es gibt die Angst, am<br />
En<strong>de</strong> <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m Bachelor zu sitzen und<br />
nur ein Aka<strong>de</strong>miker zweiter Klasse zu<br />
sein.“ Die Übergangshür<strong>de</strong>n wür<strong>de</strong>n<br />
außer<strong>de</strong>m <strong>de</strong>m sozialen Klima scha<strong>de</strong>n,<br />
sagt <strong>de</strong>r Pädagogik-Stu<strong>de</strong>nt, <strong>de</strong>r froh<br />
darüber ist, selbst noch nach <strong>de</strong>m alten<br />
Magister-Mo<strong>de</strong>ll studieren zu können.<br />
Als Hür<strong>de</strong> vor Master-Programmen<br />
gibt es an <strong>de</strong>r Universität Potsdam nicht<br />
nur Notenvorgaben, in BWL zum Beispiel<br />
muss <strong>de</strong>r Bachelor mit <strong>de</strong>r Note gut<br />
o<strong>de</strong>r besser abgeschlossen sein. In Informatik<br />
will die Hochschule zum Master<br />
nur zulassen, wer zu <strong>de</strong>n besten zwei<br />
Dritteln eines Bachelor-Jahrgangs<br />
zählt. Der Anwalt <strong>de</strong>r Stu<strong>de</strong>nten, <strong>de</strong>r<br />
Münsteraner Jurist Wilhelm Achelpöhler,<br />
hält das für beson<strong>de</strong>rs unsinnig:<br />
„Was ist, wenn sich Bachelor-Absolventen<br />
aus verschie<strong>de</strong>nen Jahrgängen bewerben?<br />
Dann hätten die einen Nachteil,<br />
die in <strong>de</strong>m besseren Jahrgang waren.“<br />
Achelpöhler moniert, dass es in Bran<strong>de</strong>nburg<br />
nicht einmal eine lan<strong>de</strong>sgesetzliche<br />
Grundlage für die Zugangsbeschränkungen<br />
zum Master gebe. Ihm<br />
geht es aber auch ums Grundsätzliche.<br />
„Die Ambitionen <strong>de</strong>r Hochschulen und<br />
<strong>de</strong>r Ministerien, Stu<strong>de</strong>nten rauszufiltern,<br />
sind gewaltig“, beklagt <strong>de</strong>r Jurist,<br />
<strong>de</strong>r Stu<strong>de</strong>nten bun<strong>de</strong>sweit auch schon in<br />
Prozessen gegen Studiengebühren zur<br />
Seite stand. Achelpöhler beruft sich <strong>auf</strong><br />
die im Grundgesetz verankerte Berufsfreiheit.<br />
Aus dieser hatte das Bun<strong>de</strong>sver-<br />
Abgehängt. Ebenfalls unklar<br />
ist, ob Bachelor-Absolventen<br />
künftig mit Kandidaten konkurrieren<br />
wer<strong>de</strong>n, die nach <strong>de</strong>r<br />
Schule eine Lehre gemacht haben.<br />
Derzeit wer<strong>de</strong>n Bachelors<br />
in <strong>de</strong>n meisten Firmen <strong>de</strong>r Gruppe<br />
<strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>miker zugeordnet.<br />
Auf lange Sicht könnte es<br />
jedoch passieren, dass sie Positionen<br />
einnehmen, die bisher<br />
<strong>von</strong> Menschen mit Berufsausbildung<br />
ausgefüllt wer<strong>de</strong>n. Das<br />
ergab eine Studie <strong>de</strong>s Instituts<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Wirtschaft Köln.<br />
fassunggericht einst, in seinem berühmten<br />
Numerus-clausus-Urteil <strong>von</strong> 1972,<br />
abgeleitet, dass Zulassungsbeschränkungen<br />
nur zulässig sind, wenn die Hochschulen<br />
ihre Kapazitäten voll ausschöpfen.<br />
Eine Notengrenze, die allein dazu<br />
dient, schlechte Bewerber abzuwehren,<br />
sei <strong>de</strong>shalb unzulässig, argumentieren<br />
nun die Stu<strong>de</strong>ntenvertreter.<br />
Die Kultusminister und die Hochschulen<br />
stehen dagegen <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m Standpunkt,<br />
dass ja bereits <strong>de</strong>r Bachelor ein berufsqualifizieren<strong>de</strong>r<br />
Abschluss sei. Sie nennen<br />
ihn einen „Regelabschluss“, was impliziert,<br />
dass <strong>de</strong>r Master nur als Zusatzangebot<br />
für bestimmte Absolventen zu<br />
Schließlich darf auch niemand<br />
mit Hauptschulabschluss<br />
an die Universität<br />
betrachten ist. So gesehen wären die Notenvorgaben<br />
beim Übergang in Master-<br />
Angebote nicht mit <strong>de</strong>m Numerus clausus<br />
für Studienanfänger zu vergleichen.<br />
Aus <strong>de</strong>r Freiheit <strong>de</strong>r Berufswahl folge<br />
schließlich auch nicht, dass je<strong>de</strong>r Bürger<br />
studieren dürfe; ein Hauptschulabsolvent<br />
wer<strong>de</strong> nicht zum Studium zugelassen,<br />
<strong>de</strong>nn es zählt das Abitur (o<strong>de</strong>r Vergleichbares<br />
wie ein Meisterbrief). Und<br />
bei <strong>de</strong>n neuen Studienabschlüssen gebe<br />
es eben neue Kriterien. Im Master-Versuchs<strong>auf</strong>bau<br />
reicht das Abitur dann nur<br />
noch bis zum Bachelor.<br />
Abgewechselt. Vor <strong>de</strong>m Master<br />
sammeln viele Bachelor-Absolventen<br />
erst mal Berufspraxis.<br />
Nach einer Umfrage <strong>de</strong>s Centrums<br />
für Hochschulentwicklung<br />
unter BWL-Stu<strong>de</strong>nten gehen<br />
Fachhochschul- und Uni-Bachelors<br />
unterschiedlich vor: Je<strong>de</strong>r<br />
vierte FH-Bachelor übte vor <strong>de</strong>m<br />
Master einen Beruf aus, 19 Prozent<br />
machten ein Praktikum. Bei<br />
Uni-Absolventen war es umgekehrt:<br />
Fast je<strong>de</strong>r Dritte entschied<br />
sich für ein Praktikum, nur 14<br />
Prozent nahmen einen Job an.
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16 studieren Uni&Job<br />
Ja, ich will<br />
Der innere Schweinehund bringt einen dazu, alles mögliche zu tun – außer an <strong>de</strong>r Seminararbeit weiterzuschreiben. Das ist<br />
gut gegen Spülberge, aber schlecht fürs Studium. Ein Online-Test soll dabei helfen, innere Wi<strong>de</strong>rstän<strong>de</strong> zu überwin<strong>de</strong>n<br />
Von Max Scharnigg<br />
Der Reiz einer Fernuniversität besteht<br />
seit jeher darin, dass sie fern ist. Im<br />
Gegensatz zu einem Fernseher sogar so<br />
fern, dass man sie gar nicht sieht, son<strong>de</strong>rn<br />
fast immer nur Post <strong>von</strong> ihr bekommt.<br />
Was die soziale Wärme angeht,<br />
ist so ein Studium kein Gewinn. Aber<br />
was das blanke Lernen betrifft: Müsste<br />
es nicht ohne all die stören<strong>de</strong>n Nebengeräusche<br />
gera<strong>de</strong>zu flutschen?<br />
Das müsste es – wenn da nur nicht die<br />
unselige Prokrastination wäre! Denn<br />
zum Aufschieben und Schweinehund<br />
Gassi führen neigt noch stärker, wer<br />
ganz alleine vor sich hinstudiert. Die<br />
Fernuniversität Hagen kennt diese Gefahr<br />
und stellt <strong>de</strong>swegen im Internet<br />
einen Willenstest zur Verfügung, in <strong>de</strong>m<br />
man seine Motivation abprüfen kann.<br />
Eine prima Einrichtung, auch für Stu<strong>de</strong>nten<br />
mit Campusanbindung.<br />
Der Test, für <strong>de</strong>ssen Bewältigung<br />
15 Minuten veranschlagt wer<strong>de</strong>n, geht<br />
in seinen Kapiteln immer <strong>von</strong> <strong>de</strong>r gleichen<br />
<strong>de</strong>speraten Ausgangslage aus. Sie<br />
lautet: „Arbeite ich gera<strong>de</strong> nicht zielgerichtet<br />
o<strong>de</strong>r unkonzentriert, dann . . .“<br />
und dürfte somit einen häufigen Status<br />
Quo an vielen Schreibtischen zusammenfassen.<br />
Dar<strong>auf</strong> dann bietet <strong>de</strong>r Test in seinen<br />
Antwortbögen die vielverzweigten<br />
Möglichkeiten <strong>de</strong>r Motivierung und Ablenkung,<br />
<strong>auf</strong> die man so verfällt – und<br />
die man natürlich auch kennt, wenn<br />
man nicht an einer Fernuniversität ist.<br />
i<br />
Eigenwillig. Knapp<br />
20 Minuten dauert <strong>de</strong>r<br />
„Willenstest“, <strong>de</strong>n die<br />
Fernuniversität Hagen<br />
für Stu<strong>de</strong>nten mit Antriebsproblemen<br />
entwickelt hat. Wer <strong>de</strong>n<br />
Fragebogen ausfüllt, erhält kostenlos<br />
ein „<strong>de</strong>tailliertes Profil<br />
seines Studienverhaltens“. Falls<br />
er es nicht schon vorher wusste,<br />
erfährt er so beispielsweise, wie<br />
gut er sich zum Lernen motivieren<br />
kann und ob er seine Emotionen<br />
unter Kontrolle hat. http://<br />
willenstest.fernuni-hagen.<strong>de</strong><br />
Bei <strong>de</strong>n Durchhaltestrategien steht<br />
dabei das Prinzip <strong>de</strong>r Belohnung ganz<br />
oben, das ja schon seit <strong>de</strong>r Karotte und<br />
<strong>de</strong>m Esel bekannt ist. Belohne ich mich,<br />
wenn ich ein „Teilziel erreicht habe, z.B.<br />
mit spazieren gehen, Freun<strong>de</strong> einla<strong>de</strong>n,<br />
CD k<strong>auf</strong>en?“, wie <strong>de</strong>r Test anheimstellt?<br />
O<strong>de</strong>r vielleicht mit <strong>de</strong>m Gedanken an<br />
„Dinge, dir mir normalerweise Freu<strong>de</strong><br />
machen“?<br />
Wie auch immer man sich hier selber<br />
einordnet – das Problem am Selberbelohnen<br />
ist erfahrungsgemäß, dass mit<br />
fortschreiten<strong>de</strong>r Schwierigkeit <strong>de</strong>r<br />
Lohn und die dafür <strong>auf</strong>gebrachte Leistung<br />
in keinem Zusammenhang stehen<br />
und man sich irgendwann für nur einen<br />
geschriebenen Satz schon mit einem<br />
Stück Kuchen o<strong>de</strong>r einem Eink<strong>auf</strong>sbummel<br />
belohnt. Außer<strong>de</strong>m bietet das Beloh-<br />
Falsche Freun<strong>de</strong>: Wer sich<br />
notorisch Erfolgreiche vorhält,<br />
fühlt sich bald als Versager<br />
nungsprinzip schon vorher einen gravieren<strong>de</strong>n<br />
Nachteil – das Aus<strong>de</strong>nken einer<br />
schönen Belohnung lenkt massiv ab.<br />
Man könnte ja schließlich schnell mal im<br />
Online-Reiseportal nachschauen, wo<br />
<strong>de</strong>nn <strong>de</strong>r Belohnungstrip für die Diplomarbeit<br />
hingehen soll – und schon ist wie<strong>de</strong>r<br />
eine Nachmittag perdu.<br />
Das Gegenteil <strong>de</strong>s Selbstbelohnungsprinzips<br />
ist die Selbsteinschüchterung.<br />
Eine Taktik, <strong>de</strong>r ziemlich viele Antwor-<br />
Eigenbrötlerisch. Es hilft alles<br />
nichts, kurz vor <strong>de</strong>r Prüfung<br />
sollte man besser alleine pauken.<br />
„Lernen in <strong>de</strong>r Gruppe kostet<br />
zu viel Zeit“, erklärt <strong>de</strong>r Hagener<br />
Didaktikprofessor Theo Bastiaens.<br />
Beson<strong>de</strong>rs schwierig sei<br />
es bei Gruppen, die vom Dozenten<br />
zusammengestellt wur<strong>de</strong>n.<br />
Da seien die Teilnehmer oft nicht<br />
kooperativ genug. Ebenfalls<br />
nicht zu empfehlen: Gruppen mit<br />
mehr als sieben Personen. „Da<br />
ist eine Koordination fast nicht<br />
mehr möglich“, so Bastiaens.<br />
Eigenständig. Web-Vorlesungen<br />
können zu mehr eigenständigem<br />
Lernen anregen. „Viele<br />
Stu<strong>de</strong>nten kommen in die Vorlesung,<br />
malen Folien ab und <strong>de</strong>nken,<br />
sie hätten viel für ihr Studium<br />
getan – das ist aber eine<br />
Illusion“, fin<strong>de</strong>t Professor Rolf<br />
Arnold <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Technischen<br />
Universität Kaiserslautern. Web-<br />
Lernen basiere häufig <strong>auf</strong> mehr<br />
Eigeninitiative und leite zum<br />
selbständigen Arbeiten an. Doch<br />
auch hier gelte: „Learning per<br />
Downloading funktioniert nicht.“<br />
ten im Hagener Willenstest zuzuordnen<br />
sind. Da kann man sich zum Beispiel vor<br />
Augen führen, „wie konsequent die Kommilitonen<br />
ihre Aufgaben verfolgen“.<br />
Nun, das ist zwar nicht schön, aber sicherlich<br />
stimulieren<strong>de</strong>r als das ewige<br />
Belohnen. Gerne hält man sich zum Beispiel<br />
Thomas Mann vor, <strong>de</strong>r ja bekanntermaßen<br />
schon im Alter <strong>von</strong> 25 Jahren<br />
seine „Bud<strong>de</strong>nbrooks“ abgegeben hatte.<br />
In <strong>de</strong>rlei Schockerkenntnis liegt auch<br />
die Gefahr <strong>de</strong>r Einschüchterung – total<br />
nie<strong>de</strong>rschmettern<strong>de</strong> Lethargie ist da<br />
nämlich nicht ganz ausgeschlossen.<br />
O<strong>de</strong>r, um mit <strong>de</strong>m Willenstest zu sprechen,<br />
„Das schaffe ich nie!“.<br />
Bevor es so weit ist, sollte man lieber<br />
<strong>auf</strong> alternative Wege <strong>de</strong>r Effizienzoptimierung<br />
ausweichen, <strong>de</strong>r Testbogen bietet<br />
dazu noch etliche Vorschläge, auch<br />
solche, <strong>auf</strong> die man nicht gekommen wäre.<br />
Schwierig aber erscheint es, sich bei<br />
akuter Unlust zum Beispiel vorzustellen,<br />
„wie schön es sein könnte, Aufgaben<br />
mühelos zu bewältigen“. Und läuft man<br />
bei Antwort 19 nicht Gefahr, leicht verschroben<br />
zu wer<strong>de</strong>n? Denn da „re<strong>de</strong> ich<br />
laut mit mir über die aktuelle Aufgabe“.<br />
Sinnvoller und praxisnäher sind Kompromisse<br />
wie die „Überarbeitung <strong>de</strong>r<br />
Prioritäten“ o<strong>de</strong>r dass man sich „möglichst<br />
vielfältige Verwertungsmöglichkeiten<br />
meines Arbeitsergebnisses“ vorstellt.<br />
Wer kennt ihn schließlich nicht,<br />
<strong>de</strong>n wohltuen<strong>de</strong>n Schub, <strong>de</strong>n eine gleichzeitige<br />
Vermin<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Anspruchs erzeugt,<br />
gepaart mit <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>e, dass man Teile<br />
<strong>de</strong>s Vorwortes doch auch als Fazit <strong>de</strong>r<br />
Auf <strong>de</strong>r Suche nach <strong>de</strong>r verlorenen Motivation. Foto: AP<br />
Was bedrückt Stu<strong>de</strong>nten?<br />
Mit welchen leistungsbezogenen<br />
Problemen Stu<strong>de</strong>nten Beratungsstellen<br />
<strong>auf</strong>suchen, Angaben in Prozent<br />
Zweifel, das Studium fortzuführen<br />
16<br />
Arbeitsorganisation, Zeitmanagement<br />
15<br />
Arbeits- und Konzentrationsschwierigkeiten<br />
14<br />
Prüfungsangst<br />
13<br />
Lern-/Leistungsprobleme<br />
11<br />
Studienabschlussprobleme<br />
8<br />
SZ-Graphik: Ei<strong>de</strong>n; Quelle: DSW/HIS<br />
Arbeit übernehmen könnte? Eine in diesem<br />
Zusammenhang wichtige Antwort<br />
<strong>auf</strong> akute Arbeitskrisen fehlt übrigens<br />
in <strong>de</strong>m Test: das Vorwärtskommen<br />
durch Verän<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r technischen Parameter.<br />
Also das geschickte Vergrößern<br />
<strong>von</strong> Schriftabstän<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r großzügige<br />
Umgang mit Absätzen, wenn es darum<br />
geht, dringend erfor<strong>de</strong>rliche Umfänge<br />
für Semesterarbeiten zu erreichen.<br />
Ein Waldspaziergang zum<br />
Auffrischen: Dar<strong>auf</strong> wäre<br />
ich selber nie gekommen<br />
Nicht zuletzt aber ist dieser online abrufbare<br />
Test eine sich selbst erfüllen<strong>de</strong><br />
Prophezeiung, <strong>de</strong>nn er hält seine Proban<strong>de</strong>n<br />
min<strong>de</strong>stens eine halbe Stun<strong>de</strong> <strong>von</strong><br />
<strong>de</strong>r Arbeit ab. Solange braucht man min<strong>de</strong>stens,<br />
um das <strong>de</strong>tailliert berechnete,<br />
persönliche Testergebnis zu studieren,<br />
das einen fortan beschwingt und rationell<br />
durch <strong>de</strong>n Lerntag bringen soll. Die<br />
dabei vorgestellten Optimierungsvorschläge<br />
reichen <strong>von</strong> abstrakter Kost, bestehend<br />
aus Begriffen wie „Lernzeiträumen“,<br />
die man sich schaffen muss, und<br />
„Volitionsakkus“, die immer wie<strong>de</strong>r <strong>auf</strong>gela<strong>de</strong>n<br />
wer<strong>de</strong>n müssen, bis hin zu erstaunlich<br />
praxisnahen Vorschlägen.<br />
Man sollte, so steht es in einer Auflösung,<br />
wenn man nicht weiterkommt, mit<br />
<strong>de</strong>r Straßenbahn in <strong>de</strong>n Wald fahren.<br />
Klingt phantastisch. Und alleine wäre<br />
man einfach nie dr<strong>auf</strong> gekommen.<br />
Eigennützig. Probleme mit<br />
<strong>de</strong>r Arbeitsorganisation, mit <strong>de</strong>m<br />
Zeitmanagement und Konzentrationsschwierigkeiten<br />
stehen<br />
ganz oben <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r Liste <strong>de</strong>r Anliegen,<br />
mit <strong>de</strong>nen Stu<strong>de</strong>nten<br />
eine Beratungsstelle <strong>auf</strong>suchen<br />
– gleich hinter grundsätzlichen<br />
Zweifeln, ob sie das Studium<br />
überhaupt fortsetzen sollen. Das<br />
ist ein Ergebnis <strong>de</strong>r letzten Sozialerhebung<br />
<strong>de</strong>s Deutschen Stu<strong>de</strong>ntenwerks.<br />
Insgesamt gaben<br />
66 Prozent aller Studieren<strong>de</strong>n<br />
an, Beratungsbedarf zu haben.
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18 studieren Uni&Job<br />
Makabres Erbe<br />
In <strong>de</strong>n Archiven <strong>de</strong>utscher Universitäten lagern grausige Überbleibsel aus <strong>de</strong>r Kolonialzeit: Schä<strong>de</strong>l <strong>von</strong> Herero-Kriegern und<br />
australischen Ureinwohnern, mit <strong>de</strong>nen einst Rassenkundler ihre hanebüchenen Thesen „wissenschaftlich“ untermauern wollten<br />
Von Georg Etscheit<br />
Beobachtet <strong>von</strong> zwei Kamera<strong>de</strong>n, legt<br />
ein <strong>de</strong>utscher Soldat einen menschlichen<br />
Schä<strong>de</strong>l vorsichtig in eine längliche<br />
Kiste. Im Hintergrund liegen weitere<br />
Schä<strong>de</strong>l <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n. Sie sollen,<br />
wie es in <strong>de</strong>r Bildunterschrift heißt, nach<br />
Berlin gesandt wer<strong>de</strong>n, wo sie „zu wissenschaftlichen<br />
Messungen“ verwen<strong>de</strong>t<br />
wür<strong>de</strong>n. Die Schä<strong>de</strong>l stammen <strong>von</strong> „gehängten<br />
o<strong>de</strong>r gefallenen Hereros“ und<br />
seien <strong>von</strong> „Hererofrauen mittels Glasscherben<br />
vom Fleisch befreit und versandfähig<br />
gemacht“ wor<strong>de</strong>n.<br />
Makabres Zeugnis eines Völkermor<strong>de</strong>s.<br />
Solcherlei Motive wur<strong>de</strong>n <strong>von</strong> Sol-<br />
daten in Deutsch-Südwestafrika, <strong>de</strong>m<br />
heutigen Namibia, als Feldpostkarten in<br />
die ferne Heimat gesandt. 1904 hatte<br />
sich in <strong>de</strong>r Kolonie eines <strong>de</strong>r schwärzesten<br />
Kapitel <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Kolonialgeschichte<br />
ereignet. Der zunächst erfolgreiche<br />
Aufstand <strong>de</strong>s Herero- und Nama-<br />
Volkes gegen die weißen Eindringlinge<br />
wur<strong>de</strong> <strong>von</strong> <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen „Schutztruppen“<br />
erbarmungslos nie<strong>de</strong>rgeschlagen.<br />
Bis zu 80 Prozent <strong>de</strong>r 40 000 bis 100 000<br />
Herero und bis zu 50 Prozent <strong>de</strong>r etwa<br />
22 000 Nama sollen dabei ums Leben<br />
gekommen sein.<br />
Die Schä<strong>de</strong>l lan<strong>de</strong>ten in <strong>de</strong>n anthropologischen<br />
Sammlungen <strong>de</strong>utscher Universitäten<br />
und Forschungsinstitute, zuweilen<br />
auch in Privatarchiven. Bis vor<br />
wenigen Jahren interessierte sich kaum<br />
jemand für das menschenverachten<strong>de</strong><br />
Erbe. Erst jetzt, hun<strong>de</strong>rt Jahre nach <strong>de</strong>m<br />
Massenmord, <strong>de</strong>r so etwas war wie <strong>de</strong>r<br />
Vorbote zu noch schrecklicheren Ereignissen<br />
in <strong>de</strong>r Nazizeit, hat an <strong>de</strong>r Univer-<br />
Anthropologen or<strong>de</strong>rten<br />
menschliche Präparate beim<br />
Hamburger Übersee-Versand<br />
sität Freiburg und <strong>de</strong>r Berliner Charité<br />
die Aufarbeitung dieses wenig beachteten<br />
Kapitels <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Vergangenheit<br />
begonnen. Ziel ist es, jene Schä<strong>de</strong>l,<br />
die noch mehr o<strong>de</strong>r weniger einwandfrei<br />
i<strong>de</strong>ntifiziert wer<strong>de</strong>n können, an die namibische<br />
Regierung zur „wür<strong>de</strong>vollen“<br />
Bestattung zurückzugeben. Auch Schä<strong>de</strong>l<br />
australischer Ureinwohner, die En<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s 19. und <strong>Anfang</strong> <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />
unter ethisch fragwürdigen Bedingungen<br />
nach Deutschland kamen, sollen in<br />
absehbarer Zeit retourniert wer<strong>de</strong>n.<br />
Im Archiv <strong>de</strong>r Freiburger Albert-Ludwigs-Universität<br />
lagern etwa 1600 Menschenschä<strong>de</strong>l<br />
in grauen Archivkartons.<br />
Es han<strong>de</strong>lt sich um die Sammlung <strong>de</strong>s<br />
Anatomen und Anthropologen Alexan<strong>de</strong>r<br />
Ecker (1816-1887).<br />
„Solche Schä<strong>de</strong>lsammlungen gehörten<br />
an <strong>de</strong>n Universitäten zum Standard.<br />
Das war nichts Ungewöhnliches“, sagt<br />
Dieter Speck, Leiter <strong>de</strong>s Freiburger
Uni&Job studieren19<br />
Uni-Archivs. Beson<strong>de</strong>rs große Kollektionen<br />
befan<strong>de</strong>n sich unter an<strong>de</strong>rem in Freiburg,<br />
Göttingen und in Berlin. Und auch<br />
Anthropologe Ecker sammelte „alles,<br />
was ihm unter die Finger kam“, sagt<br />
Speck. Er grub mittelalterliche Reihengräber<br />
am Oberrhein aus, ließ sich<br />
menschliche Präparate als Reisesouvenirs<br />
mitbringen o<strong>de</strong>r or<strong>de</strong>rte Schä<strong>de</strong>l bei<br />
einem Versandhaus in Hamburg, das<br />
einen schwungvollen Han<strong>de</strong>l mit ethnografischen<br />
Artikeln trieb.<br />
Freiburger Stu<strong>de</strong>nten haben<br />
es geschafft, Schä<strong>de</strong>l <strong>von</strong><br />
Aborigines zuzuordnen<br />
Nach Eckers Tod führte Eugen Fischer<br />
die Sammlung weiter, <strong>de</strong>r unter<br />
<strong>de</strong>n Nazis zu einem <strong>de</strong>r berüchtigsten<br />
<strong>de</strong>utschen „Rassehygieniker“ <strong>auf</strong>steigen<br />
sollte. Fischers Forschungsthema<br />
waren „Mischlinge“ <strong>von</strong> Buren und Einheimischen.<br />
Er unternahm 1908 sogar<br />
eine Expedition ins Herero-Gebiet, um<br />
<strong>de</strong>n sogenannten „Rehobother Bastar<strong>de</strong>n“<br />
<strong>auf</strong> die Spur zu kommen, <strong>de</strong>nen er,<br />
wenig verwun<strong>de</strong>rlich, eine höhere Begabung<br />
zusprach als <strong>de</strong>r „reinrassigen“ indigenen<br />
Bevölkerung. Sie hatten <strong>de</strong>n<br />
<strong>de</strong>utschen Truppen bei <strong>de</strong>r Nie<strong>de</strong>rschlagung<br />
<strong>de</strong>s Herero- und Nama-Aufstan<strong>de</strong>s<br />
ein Jahr zuvor geholfen.<br />
Die Sammlung Ecker hatte ein wechselvolles<br />
Schicksal, wur<strong>de</strong> in bei<strong>de</strong>n<br />
Weltkriegen stark in Mitlei<strong>de</strong>nschaft gezogen.<br />
Die alten Inventarlisten gingen<br />
verloren. Die erhaltenen Informationen<br />
zu <strong>de</strong>n Schä<strong>de</strong>ln, <strong>auf</strong> angehängten Zetteln<br />
o<strong>de</strong>r beiliegen<strong>de</strong>n Karteikarten,<br />
sind wi<strong>de</strong>rsprüchlich o<strong>de</strong>r falsch zugeordnet.<br />
„Das ist heute ein heilloses<br />
Durcheinan<strong>de</strong>r“, sagt Speck.<br />
Durch akribische Nachforschungen<br />
schafften es die Studieren<strong>de</strong>n Daniel<br />
Möller und Alexandra Rü<strong>de</strong>ll, 19 Schä<strong>de</strong>l<br />
<strong>de</strong>m Herkunftsland Australien zuzuordnen.<br />
Dabei gelang es unter an<strong>de</strong>rem,<br />
Bestellnummern <strong>de</strong>s Hamburger Ethno-<br />
Versandhauses <strong>auf</strong> <strong>de</strong>n Schä<strong>de</strong>ln mit<br />
Schwarzlicht sichtbar zu machen und<br />
mit alten Dokumenten abzugleichen.<br />
Letzte Sicherheit gibt es aber noch<br />
nicht. Ob es sich wirklich um die sterblichen<br />
Überreste australischer Aborigines<br />
han<strong>de</strong>lt, könnte wohl mit einer Genanalyse<br />
und an<strong>de</strong>ren chemisch-physikalischen<br />
Untersuchungsmetho<strong>de</strong>n festgestellt<br />
wer<strong>de</strong>n. Für die fehlt aber bislang<br />
noch das Geld.<br />
„Wenn das klappt, wer<strong>de</strong>n wir uns<br />
Schä<strong>de</strong>ln widmen, die vermutlich aus<br />
Namibia kommen“, sagt die Freiburger<br />
Anthropologin Ursula Wittwer-Back-<br />
ofen. „Wir wollen <strong>auf</strong> je<strong>de</strong>n Fall gewappnet<br />
sein, falls offizielle Anfragen <strong>de</strong>r namibischen<br />
o<strong>de</strong>r australischen Regierung<br />
an uns herangetragen wer<strong>de</strong>n.“ An <strong>de</strong>r<br />
Berliner Charité gibt es bereits Anfragen<br />
bei<strong>de</strong>r Regierungen, die um eine Rückführung<br />
<strong>von</strong> Gebeinen und Schä<strong>de</strong>ln ersuchen.<br />
Nach einem kritischen Fernsehbericht<br />
über das heikle Erbe <strong>de</strong>r Kolonialzeit<br />
im vergangenen Sommer för<strong>de</strong>rten<br />
Recherchen in <strong>de</strong>n Bestän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Anatomie<br />
und <strong>de</strong>s Medizinhistorischen Museums<br />
<strong>de</strong>r Charité zutage, dass zehn <strong>de</strong>r<br />
etwa 10 000 ethnografischen Objekte,<br />
die an <strong>de</strong>r Charité verwaltet wer<strong>de</strong>n, die<br />
Bezeichnung „Herero“ tragen. „Zumin<strong>de</strong>st<br />
bei neun Schä<strong>de</strong>ln halten wir einen<br />
wür<strong>de</strong>vollen Transfer nach Namibia für<br />
sinnvoll“, sagt Claudia Peter, Sprecherin<br />
<strong>de</strong>r Berliner Universitätsmedizin. Allerdings<br />
könne eine vollständige Sicherheit<br />
über die Herkunft <strong>de</strong>r Schä<strong>de</strong>l aus<br />
<strong>de</strong>m Kontext <strong>de</strong>s Völkermor<strong>de</strong>s „wohl<br />
nicht mehr erreicht wer<strong>de</strong>n“.<br />
I<strong>de</strong>ntifiziert wur<strong>de</strong>n auch 18 Schä<strong>de</strong>l,<br />
die vermutlich <strong>von</strong> australischen Aborigines<br />
stammen. Erst im November hatte<br />
die Charité als erste wissenschaftliche<br />
Einrichtung in Deutschland einen „letter<br />
of intent“ mit Australien unterzeichnet,<br />
wonach die Schä<strong>de</strong>l australischer<br />
Ureinwohner, die En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s 19. Jahrhun<strong>de</strong>rts<br />
<strong>de</strong>n Weg nach Berlin fan<strong>de</strong>n, „für<br />
eine wür<strong>de</strong>volle Bestattung“ zurückgegeben<br />
wer<strong>de</strong>n sollen.<br />
„Zu spät und nicht konsequent genug“,<br />
so wertet <strong>de</strong>r Berliner Kolonialismusforscher<br />
Joachim Zeller das Aufklärungsbemühen<br />
<strong>de</strong>r Universitäten. „Die<br />
Schä<strong>de</strong>lfrage ist noch lange nicht geklärt“,<br />
sagt Zeller, <strong>de</strong>r ein Buch über <strong>de</strong>n<br />
Posieren für <strong>de</strong>n Feind: Kriegsgefangene Herero in Ketten, um<br />
1907/08. Foto: National Archives of Namibia, Windhoek<br />
Völkermord an <strong>de</strong>n Herero und Nama<br />
geschrieben hat. Um endgültig Klarheit<br />
über die Bestän<strong>de</strong> in <strong>de</strong>utschen anatomischen<br />
Sammlungen zu bekommen, for<strong>de</strong>rt<br />
Zeller eine Untersuchung durch ein<br />
unabhängiges Expertengremium. „Wer<br />
weiß, welche Überraschungen wir noch<br />
Auch unangenehme<br />
Wissenschaftsgeschichte<br />
muss erforscht wer<strong>de</strong>n<br />
erleben.“ Auch <strong>de</strong>r Freiburger Journalist<br />
Heiko Wegmann, <strong>de</strong>r die Internetseite<br />
freiburg-postkolonial.<strong>de</strong> betreibt,<br />
sieht in <strong>de</strong>r Schä<strong>de</strong>lfrage weiter eine<br />
Bringschuld <strong>de</strong>r betroffenen Hochschulen.<br />
Die Unis müssten die Aufklärung aktiver<br />
vorantreiben und dafür die nötigen<br />
Mittel bereitstellen. Schließlich gehe es<br />
hier ja auch um ein wichtiges Stück <strong>de</strong>r<br />
eigenen Wissenschaftsgeschichte.<br />
6:1*<br />
* Einzigartiges Verhältnis: An <strong>de</strong>r Uni Bozen<br />
kommen 6 Studieren<strong>de</strong> <strong>auf</strong> 1 Lehren<strong>de</strong>n.<br />
Das bringt dich ebenso schnell voran wie ein<br />
eigenes Auto. Macht dich unabhängig und<br />
beweglich. Und du kommst ganz groß raus!<br />
Freie Universität Bozen<br />
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20 reisen Uni&Job<br />
Kunming wächst weiter: Die Provinzhauptstadt im Südwesten Chinas hat schon jetzt mehr als fünf Millionen Einwohner. Für die vielen Zuwan<strong>de</strong>rer wer<strong>de</strong>n l<strong>auf</strong>end<br />
neue Stadtteile aus <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n gestampft. Aachener Stu<strong>de</strong>nten haben die Planungen unter die Lupe genommen. Foto: laif<br />
Trip in die Trabantenstadt<br />
Vom Slum zur Megacity: Chinesische Stadtplanung ist rigoros, brachial und monumental. Das hat eine Gruppe <strong>von</strong> Aachener<br />
Architektur-Stu<strong>de</strong>nten festgestellt, die in einem Workshop an <strong>de</strong>r Universität <strong>von</strong> Kunming ein Bauprojekt begleitet haben<br />
Von Sarah-Kristin Merz<br />
und Sylvia Carola Schuster<br />
5. September. Vor drei Jahren hat Lian<br />
Wang sein Architekturstudium bei uns<br />
an <strong>de</strong>r Fachhochschule Aachen been<strong>de</strong>t.<br />
Jetzt ist er Assistent an <strong>de</strong>r Uni im südchinesischen<br />
Kunming und hat uns eingela<strong>de</strong>n,<br />
in einem Workshop gemeinsam<br />
mit seinen Stu<strong>de</strong>nten einen Masterplan<br />
zur Neubebauung eines Stadtteils für<br />
100 000 Menschen zu erarbeiten – Kunming<br />
hat viele Zuwan<strong>de</strong>rer und muss<br />
ständig Platz für neue Bewohner schaffen.<br />
Das Projekt gibt es wirklich, aber<br />
unsere Arbeit ist natürlich ein Planspiel.<br />
Die Kin<strong>de</strong>r, die hier im<br />
Dreck spielen, wer<strong>de</strong>n<br />
bald umziehen müssen<br />
6. September. Zwei Stu<strong>de</strong>ntinnen <strong>de</strong>r<br />
Kunming University of Science and<br />
Technology holen uns vom Flughafen ab<br />
und bringen uns zum Gästehaus. Der<br />
Verkehr ist hektisch. Menschen transportieren<br />
große Lasten <strong>auf</strong> Fahrrä<strong>de</strong>rn.<br />
Überall sieht man kleine Verk<strong>auf</strong>sstän<strong>de</strong>.<br />
Im überfüllten öffentlichen Bus erreichen<br />
wir – neun Kommilitonen und unser<br />
Professor Dietmar Castro – die Uni,<br />
<strong>auf</strong> einem <strong>de</strong>r drei Campusgelän<strong>de</strong> Kunmings<br />
gelegen. Ein bewachtes Eingangstor<br />
und ein menschenleerer, weitläufiger<br />
Vorplatz unterschei<strong>de</strong>n die Hochschule<br />
<strong>von</strong> unserer in Aachen. Von außen<br />
wirkt <strong>de</strong>r Gebäu<strong>de</strong>komplex verhältnismäßig<br />
mo<strong>de</strong>rn und gepflegt, die Hörsäle<br />
und Gänge sind jedoch verschmutzt<br />
mit Zigarettenstummeln und an<strong>de</strong>ren<br />
Abfällen. Der größte Teil <strong>de</strong>r 27 000 Stu<strong>de</strong>nten<br />
lebt in <strong>de</strong>n angrenzen<strong>de</strong>n Wohnheimen.<br />
Nach Geschlechtern getrennte<br />
Gebäu<strong>de</strong> bieten in kleinen Vierbettzimmern<br />
kaum Platz zum Wohnen, Lernen<br />
und Leben. Zum Einstieg besuchen wir<br />
eine ökologische Siedlung am Rand <strong>de</strong>r<br />
Stadt. Kunming ist die Hauptstadt <strong>de</strong>r<br />
Provinz Yunnan. Sie liegt knapp 1900<br />
Meter über <strong>de</strong>m Meeresspiegel, und das<br />
macht sich bemerkbar. Bei angenehmen<br />
25 Grad Wärme – Kunming heißt wegen<br />
<strong>de</strong>s ganzjährig mil<strong>de</strong>n Klimas „Stadt<br />
<strong>de</strong>s ewigen Frühlings“ – sind wir schon<br />
nach kleinen Fußmärschen erschöpft –<br />
die dünne Luft ist ungewohnt.<br />
Ein Führer erklärt uns, dass man beim<br />
Bau <strong>de</strong>r einzelnen Wohnhäuser dar<strong>auf</strong><br />
geachtet hat, möglichst wenig in die Natur<br />
einzugreifen. Natürlich aussehen<strong>de</strong><br />
Wasserläufe und ein See prägen das Bild<br />
<strong>de</strong>r Siedlung, das Ableiten und die Reinigung<br />
<strong>de</strong>s Abwassers spielen eine wichtige<br />
Rolle. Nur: Was bringt die Reinigung<br />
<strong>von</strong> Abwasser, das später wie<strong>de</strong>r mit<br />
ungereinigten Abwässern zusammengeführt<br />
wird? Und was hilft Mülltrennung<br />
in <strong>de</strong>r vorbildlichen Siedlung, wenn die<br />
Müllabfuhr nicht dar<strong>auf</strong> eingestellt ist?<br />
7. September. Bevor unser eigentlicher<br />
Workshop beginnt, haben wir heute die<br />
Gelegenheit, unsere Zeichenkünste zu<br />
verbessern. Wir besuchen dazu Longmen,<br />
das Drachentor in <strong>de</strong>n Westbergen<br />
<strong>von</strong> Kunming. Hier haben wir die schöne<br />
Möglichkeit, traditionelle chinesische<br />
Gebäu<strong>de</strong> zu zeichnen.<br />
8. September. In <strong>de</strong>r Universität lernen<br />
wir die Stu<strong>de</strong>nten kennen, mit <strong>de</strong>nen wir<br />
zusammenarbeiten wer<strong>de</strong>n. Schnell sind<br />
drei Gruppen gefun<strong>de</strong>n, jeweils bestehend<br />
aus drei <strong>de</strong>utschen und etwa doppelt<br />
so vielen chinesischen Stu<strong>de</strong>nten.<br />
Gemeinsam machen wir uns per Bus <strong>auf</strong><br />
<strong>de</strong>n Weg, um das Gebiet zu besichtigen,<br />
um das sich unsere städtebaulichen<br />
Überlegungen drehen sollen. „Unser“<br />
Planungsgebiet grenzt zur einen Seite<br />
an <strong>de</strong>n Flughafen, zur an<strong>de</strong>ren an die<br />
„Century Town“, das größte Bauprojekt<br />
in ganz China im Jahr 2007. Als wir inmitten<br />
<strong>von</strong> Century Town anhalten, erscheint<br />
uns die Umgebung irreal. Wo<br />
man auch hinschaut, überall gleichartige<br />
Gebäu<strong>de</strong>. Wohnhäuser, sechzehn<br />
Stockwerke hoch, mit grau gekachelten<br />
Fassa<strong>de</strong>n, grünen Fensterrahmen und<br />
kleinen „barocken“ Balkonen samt Box<br />
für die Klimaanlage. Für <strong>de</strong>n Bewohner<br />
äußert sich die „I<strong>de</strong>ntität“ seiner Wohnung<br />
ausschließlich in einer Straßen-<br />
Deutsch-chinesische Gruppenarbeit an<br />
<strong>de</strong>r Uni <strong>von</strong> Kunming. Foto: Schuster<br />
und einer Hausnummer. Wer sein Wohnsilo<br />
betreten will, muss einen Ziffernco<strong>de</strong><br />
eingeben, damit ihn <strong>de</strong>r Wachmann<br />
passieren lässt. Alle Straßen <strong>de</strong>r Century<br />
Town haben eines gemeinsam: Sie sind<br />
menschenleer.<br />
Das benachbarte Gebiet, unser eigentliches<br />
Planungsterrain, ist <strong>de</strong>r totale<br />
Gegensatz – noch. Einige mehrstöckige<br />
Häuser sind in einem äußerlich guten Zustand,<br />
an<strong>de</strong>re niedrige Lehmhäuser erwecken<br />
<strong>de</strong>n Eindruck, als wür<strong>de</strong>n sie<br />
je<strong>de</strong>n Moment in sich zusammenfallen.<br />
Familien hocken vor ihren Häusern neben<br />
einer kleinen Feuerstelle und essen<br />
o<strong>de</strong>r unterhalten sich. Vor einem Haus-<br />
eingang liegen Früchte zum Trocknen in<br />
<strong>de</strong>r Sonne. Wir folgen <strong>de</strong>m unbefestigten<br />
Pfad in die Siedlung hinein. Aus <strong>de</strong>n<br />
heruntergekommenen Häusern führen<br />
Rohre, die Fäkalien in einen Bach ableiten.<br />
Der Gestank ist ekelerregend,<br />
und allein <strong>de</strong>r Gedanke daran, dass das<br />
am Ufer angepflanzte Gemüse gegessen<br />
wird, verursacht Übelkeit. Die im Dreck<br />
spielen<strong>de</strong>n, halbnackten Kin<strong>de</strong>r besuchen<br />
keine Schule. Sie wissen noch<br />
nicht, dass ihnen ein Umzug bevorsteht.<br />
Im Rahmen <strong>de</strong>r Neustrukturierung <strong>de</strong>s<br />
Stadtteils wer<strong>de</strong>n die alten Häuser und<br />
Geschäfte abgerissen. Entschädigungen<br />
gibt es nicht.<br />
Unsere chinesische Kommilitonen raten<br />
uns, nicht weiter darüber nachzu<strong>de</strong>nken.<br />
Als wir trotz<strong>de</strong>m unsere Bestürzung<br />
äußern, reagiert eine <strong>de</strong>r Stu<strong>de</strong>ntinnen<br />
mit einem Vortrag über ihre Ziele:<br />
Sie wer<strong>de</strong> künftig Menschen helfen, ihre<br />
verwahrlosten Häuser durch mo<strong>de</strong>rne<br />
Wohnungen mit besserer Hygiene zu ersetzen.<br />
Wir fragen uns, ob sie weiß, dass<br />
die Menschen, die jetzt hier leben, die<br />
Mieten in <strong>de</strong>m geplanten Großprojekt<br />
nicht wer<strong>de</strong>n zahlen können.<br />
9. September. Unser Seminarraum erinnert<br />
ein bisschen an ein Klassenzimmer<br />
einer <strong>de</strong>utschen Grundschule. Wir schieben<br />
die kleinen Pulte zurecht, um Gruppentische<br />
zu schaffen und sind sehr<br />
motiviert, an die Arbeit zu gehen. Es gibt<br />
bereits einen Masterplan, <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m zum<br />
Beispiel Straßenzüge sowie Geschäftsund<br />
Wohnflächen eingetragen sind. Unsere<br />
Aufgabe ist es nun, diesen Plan zu<br />
analysieren und kritisch zu hinterfragen.<br />
Umgangssprache ist Englisch, was<br />
sich schnell als Problem herausstellt.<br />
Einige <strong>de</strong>r chinesischen Kommilitonen<br />
sprechen wenig Englisch, an<strong>de</strong>re gar<br />
nicht. Kein Wun<strong>de</strong>r, dass es schnell zu<br />
Missverständnissen kommt.
Uni&Job reisen 21<br />
Nach einer Weile schaffen wir es, unsere<br />
Meinungen auszutauschen, stoßen<br />
aber bald schon <strong>auf</strong> Gegensätze. Es wird<br />
zum Beispiel kontrovers darüber diskutiert,<br />
ob <strong>de</strong>r Anteil an Bürogebäu<strong>de</strong>n im<br />
Verhältnis zu <strong>de</strong>n Wohngebäu<strong>de</strong>n nicht<br />
zu groß ist, ob ein Krankenhaus im Zentrum<br />
<strong>de</strong>s Gebietes stehen muss, welcher<br />
Hierarchisierung die Straßen unterworfen<br />
sind und wie sinnvoll es ist, dass die<br />
Hauptverkehrsstraße so oft <strong>de</strong>n Bach<br />
kreuzt. Es fällt uns schwer, die Argumente<br />
<strong>de</strong>r chinesischen Stu<strong>de</strong>nten nachzuvollziehen.<br />
Umgekehrt entsprechen<br />
auch unsere Vorstellungen nicht <strong>de</strong>n lan<strong>de</strong>süblichen<br />
Ansätzen. Die Diskussionen<br />
führen oft zu keiner Einigung, nicht<br />
mal zu einem Kompromiss.<br />
10. September. Die ersten Ergebnisse<br />
<strong>de</strong>r Analyse wer<strong>de</strong>n festgehalten. Wir<br />
können uns einige Verbesserungen vorstellen:<br />
Durch eine Verlegung mehrerer<br />
Straßen, die im ursprünglichen Plan<br />
parallel zum Bach verl<strong>auf</strong>en, schaffen<br />
wir die Möglichkeit für Passanten, sich<br />
am Bach <strong>auf</strong>zuhalten. Wir kritisieren –<br />
sehr zum Unmut unserer chinesischen<br />
Kommilitonen – die Dimensionen <strong>de</strong>r geplanten<br />
Regierungsbauten und sind teilweise<br />
etwas verunsichert: Sind unsere<br />
Vorstellungen <strong>von</strong> einer funktionieren<strong>de</strong>n<br />
Stadt so verkehrt?<br />
11. September. Wir können uns vorstellen,<br />
entlang <strong>de</strong>r wichtigen Verkehrsa<strong>de</strong>rn<br />
relativ hohe Bürogebäu<strong>de</strong> als<br />
Schallschutz für dahinterliegen<strong>de</strong> niedrigere<br />
Wohnhäuser einzuplanen. Die<br />
www.pwc.<strong>de</strong><br />
Straßen könnten in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>s Bachl<strong>auf</strong>s<br />
reduziert o<strong>de</strong>r in größerer Entfernung<br />
vorbeigeführt wer<strong>de</strong>n. Wie in<br />
Deutschland sehen wir ausreichen<strong>de</strong>n<br />
Abstand zwischen <strong>de</strong>n Gebäu<strong>de</strong>n vor<br />
und machen uns Gedanken über die Belichtung<br />
<strong>de</strong>r Wohnungen und Büros.<br />
Lei<strong>de</strong>r gehen die Vorstellungen <strong>von</strong><br />
einem i<strong>de</strong>alen Wohn- und Bürogebiet irgendwann<br />
so weit auseinan<strong>de</strong>r, dass wir<br />
in nach Nationalitäten getrennten Gruppen<br />
arbeiten und uns nur gelegentlich zu<br />
Diskussionen treffen.<br />
Wir haben es uns einfacher vorgestellt,<br />
mit <strong>de</strong>n chinesischen Stu<strong>de</strong>nten<br />
zusammenzuarbeiten, weil wir Teamwork<br />
gewöhnt sind und mit <strong>de</strong>n dabei<br />
Fast wie daheim: Fünf DJs<br />
beschallen die Räume mit<br />
Electro und Black Music<br />
<strong>auf</strong>treten<strong>de</strong>n Problemen meist gut umgehen<br />
können. Doch eine Woche gemeinsamer<br />
Planung lässt die Unterschie<strong>de</strong> in<br />
unseren Denkweisen und Vorstellungen<br />
<strong>de</strong>utlich zu Tage treten.<br />
12. September. Zwei weitere Tage verbringen<br />
wir in <strong>de</strong>r Uni, setzen uns mit<br />
<strong>de</strong>r Bebauung, <strong>de</strong>n Freiflächen und <strong>de</strong>r<br />
Infrastruktur <strong>de</strong>s Planungsgebietes auseinan<strong>de</strong>r.<br />
Wir zeichnen Pläne, sammeln<br />
Fotos, erstellen Skizzen. Die Aben<strong>de</strong> nutzen<br />
wir, um die Stadt kennenzulernen.<br />
Die Türsteher <strong>de</strong>s besten Clubs <strong>de</strong>r<br />
Stadt zeigen sich erfreut über unsere An-<br />
wesenheit. Die Ausstattung ist sehr mo<strong>de</strong>rn<br />
und kostspielig: Plasmabildschirme,<br />
<strong>auf</strong>wendige Lichtanlagen und luxuriöse<br />
Sanitärräume. Fünf DJs beschallen<br />
die Räumlichkeiten mit House, Electro<br />
und Black Music. Man behan<strong>de</strong>lt uns<br />
wie VIPs und stellt uns zwei allgegenwärtige<br />
Kellner zur Verfügung, die uns mit<br />
immer neuen Obstschalen als Geschenke<br />
<strong>de</strong>s Hauses verwöhnen.<br />
Die Preise kommen uns normal vor,<br />
sie entsprechen <strong>de</strong>nen in Deutschland.<br />
Be<strong>de</strong>nkt man allerdings, dass das chinesische<br />
Pro-Kopf-Einkommen bei etwa<br />
700 Yuan im Monat liegt – umgerechnet<br />
etwa 70 Euro –, so hat je<strong>de</strong>r <strong>von</strong> uns im<br />
L<strong>auf</strong>e <strong>de</strong>s Abends ein Drittel da<strong>von</strong> für<br />
Getränke ausgegeben.<br />
Im Club kommen wir mit <strong>de</strong>r englischsprachigen<br />
jungen Bevölkerung in Kontakt.<br />
Man spricht uns an, lädt uns ein<br />
und fotografiert uns. Erst später erfahren<br />
wir, dass es sich ausschließlich um<br />
Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r oberen Gesellschaftsschicht<br />
han<strong>de</strong>lt, die hier verkehren.<br />
14. September. Es ist Sonntagmorgen,<br />
Tag <strong>de</strong>r Abschlusspräsentation. Es gibt<br />
sowohl Lob als auch Kritik. Es ist scha<strong>de</strong>,<br />
dass unser Bemühen um einen alternativen<br />
Masterplan zu keiner konkreten<br />
Umsetzung führen wird. Die zukünftige<br />
Entwicklung <strong>de</strong>s Areals ist längst beschlossen.<br />
15. September. Abschiedsessen im Restaurant<br />
<strong>de</strong>s Gästehauses <strong>de</strong>r Universität.<br />
Ein run<strong>de</strong>r Tisch ist für uns Stu<strong>de</strong>nten<br />
einge<strong>de</strong>ckt, ein zweiter für die Profes-<br />
Keine Lust <strong>auf</strong> Schema F?<br />
Hier ist Plan B.<br />
Sie wollen keinen Job mit Standardprozessen und festen Strukturen, son<strong>de</strong>rn lieber<br />
Gestaltungsfreiheit und ein breites Aufgabenspektrum? Dann sind Sie bei PwC genau<br />
richtig. Denn so vielfältig die Einsatzmöglichkeiten unserer Mitarbeiter sind, so individuell<br />
sind auch die Lösungsansätze für unsere Kun<strong>de</strong>n. Sicher ist nur eins: Erfolgreiche<br />
Wirtschaftsprüfung setzt eine Menge Kreativität voraus – und <strong>de</strong>n Mut, immer neue<br />
Wege zu gehen. Wir freuen uns <strong>auf</strong> Ihre Bewerbung unter www.pwc-career.<strong>de</strong><br />
PricewaterhouseCoopers. Die Voraus<strong>de</strong>nker.<br />
soren und Organisatoren. Kaum haben<br />
wir uns hingesetzt, müssen wir schon<br />
wie<strong>de</strong>r <strong>auf</strong>stehen – Professor Castro<br />
spricht einen Toast aus. Im L<strong>auf</strong>e <strong>de</strong>r<br />
nächsten Stun<strong>de</strong> verbringen wir in etwa<br />
gleich viel Zeit im Sitzen wie im Stehen.<br />
Es ist üblich, dass je<strong>de</strong>r am Tisch sich einmal<br />
toastend zu Wort mel<strong>de</strong>t. Genau so<br />
üblich ist es auch, dass <strong>de</strong>r Gastgeber<br />
<strong>de</strong>n finanziellen Teil <strong>de</strong>r Veranstaltung<br />
übernimmt.<br />
Die Dimensionen <strong>de</strong>r<br />
Bauvorhaben sind für<br />
Europäer schier unvorstellbar<br />
China ist ein so vielfältiges Land mit<br />
interessanten Menschen, einer ganz an<strong>de</strong>ren<br />
Lebens- und Arbeitsweise und eindrucksvoller<br />
Architektur. Die Größe <strong>de</strong>r<br />
Bauvorhaben in China ist schier unvorstellbar.<br />
In <strong>de</strong>r Nähe <strong>von</strong> Schanghai zum<br />
Beispiel soll mal eben eine Stadt errichtet<br />
wer<strong>de</strong>n, die ein Prozent <strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen<br />
Bevölkerung <strong>auf</strong>nehmen könnte.<br />
In Kunming gibt es Wohnraum für<br />
100 000 Menschen <strong>auf</strong> einer Fläche, <strong>auf</strong><br />
<strong>de</strong>r man in Deutschland gera<strong>de</strong> mal eine<br />
größere Einfamilienhaus-Siedlung planen<br />
wür<strong>de</strong>.<br />
Sicherlich hat die Woche eine Menge<br />
fachlicher Erkenntnisse gebracht, <strong>de</strong>n<br />
Gewinn an Erfahrung in punkto Teamarbeit<br />
und Kommunikation schätzen wir<br />
aber wesentlich höher ein. Eine wertvolle<br />
Erfahrung für uns, die uns anspornt,<br />
noch mehr <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Welt zu ent<strong>de</strong>cken.<br />
© März 2009. PricewaterhouseCoopers bezeichnet die PricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und die an<strong>de</strong>ren selbstständigen und rechtlich unabhängigen Mitgliedsfirmen <strong>de</strong>r<br />
PricewaterhouseCoopers International Limited.
22 leben Uni&Job<br />
Grenzenlos verliebt<br />
Wer in einem an<strong>de</strong>ren Land studiert, lernt nicht nur eine frem<strong>de</strong> Kultur kennen, son<strong>de</strong>rn fin<strong>de</strong>t manchmal<br />
auch seine große Liebe. Doch Einwan<strong>de</strong>rungsgesetze und Vorurteile machen es binationalen Paaren nicht leicht<br />
Von Isa Hoffinger<br />
Abends, wenn es kühler wird, fängt<br />
für die meisten Stu<strong>de</strong>nten in Córdoba<br />
das Leben an. Dann lässt <strong>de</strong>r Verkehrslärm<br />
nach, und die Bars im Amüsierviertel<br />
<strong>de</strong>r Stadt füllen sich mit Leuten.<br />
Mit sieben Universitäten ist Córdoba<br />
das Bildungszentrum Argentiniens.<br />
150 000 Stu<strong>de</strong>nten leben hier. Auch Jana<br />
Neuhaus ist zum Studieren nach Córdoba<br />
gekommen, „weil es hier billiger ist<br />
als in Buenos Aires und man nicht so viel<br />
Angst haben muss, überfallen zu wer<strong>de</strong>n“,<br />
sagt sie.<br />
Ein Jahr hat Jana in Córdoba<br />
verbracht, heute Nacht zieht die<br />
24-Jährige zum letzten Mal um die<br />
Häuser. Acht Stun<strong>de</strong>n bleiben ihr noch.<br />
Dann wird sie ins Flugzeug steigen,<br />
i<br />
Zu langsam. Ein<br />
Auslandssemester<br />
lässt sich in BachelorundMaster-Studiengänge<br />
nicht mehr so leicht einbauen.<br />
Während in <strong>de</strong>n alten<br />
Diplom-Studiengängen fast<br />
je<strong>de</strong>r Vierte ins Ausland ging,<br />
lag die Quote bei Bachelor-Stu<strong>de</strong>nten<br />
an Unis im Jahr 2007 nur<br />
bei 15 Prozent. An <strong>de</strong>n Fachhochschulen<br />
legten sogar nur<br />
neun Prozent <strong>de</strong>r Stu<strong>de</strong>nten ein<br />
Gastsemester ein, so das Hochschul-Informations-System.<br />
bepackt mit einem großen Rucksack und<br />
vielen Erinnerungen, aber ohne ihren<br />
Freund Michel.<br />
„Ich wusste immer, dass ich gehen<br />
muss, <strong>de</strong>nn ich möchte an <strong>de</strong>r Uni Leipzig<br />
mein Diplom in Übersetzung machen.<br />
Den Gedanken an <strong>de</strong>n Abschied<br />
schiebt man einfach weg“, sagt sie. Nach<br />
Hause zu fliegen, fällt ihr nicht leicht.<br />
Der 33-jährige Michel La Rossa ist ihre<br />
erste große Liebe. Er verk<strong>auf</strong>t Schmuck<br />
<strong>auf</strong> einem Basar für Kunsthandwerk<br />
und hört gern „Quartetto“, die rebellische<br />
Musik <strong>de</strong>r Arbeitslosen, die in Córdoba<br />
hin und wie<strong>de</strong>r die Straßen blockieren<br />
und Wegezoll verlangen. Kennengelernt<br />
hat Jana ihren Freund bei <strong>de</strong>r Zimmersuche.<br />
„Ich bin in Michels Wohngemeinschaft<br />
gezogen. Nach ein paar Wochen<br />
haben wir uns ineinan<strong>de</strong>r verliebt“,<br />
erzählt sie.<br />
Zu fremd. Wenn schon ins<br />
Ausland, dann in ein vertrautes<br />
Nachbarland. Nur wenige Stu<strong>de</strong>nten<br />
wollen während ihres<br />
Gastsemesters möglichst<br />
weit weg. 65 Prozent bleiben in<br />
Westeuropa. Am reiselustigsten<br />
sind übrigens Sprach-, Kultur-<br />
und Sportwissenschaftler:<br />
29 Prozent <strong>von</strong> ihnen gehen eine<br />
Zeitlang ins Ausland. Am En<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r Rangliste stehen nach Angaben<br />
<strong>de</strong>r Hochschul-Informations-System<br />
GmbH angehen<strong>de</strong><br />
Ingenieure mit 16 Prozent.<br />
70 70,9<br />
60<br />
50<br />
40<br />
Seit zehn Monaten sind Jana und Michel<br />
je<strong>de</strong>n Tag zusammen. Nun liegen<br />
bald 12 000 Kilometer zwischen ihnen.<br />
Ein einfacher Flug <strong>von</strong> Argentinien nach<br />
Deutschland kostet 800 Euro, das sind<br />
keine guten Voraussetzungen für eine<br />
Michel muss <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen<br />
Behör<strong>de</strong>n glaubhaft machen,<br />
dass er wie<strong>de</strong>r abreisen wird<br />
Fernbeziehung. Außer<strong>de</strong>m bekäme Michel<br />
vielleicht gar kein Visum, um Jana<br />
zu besuchen. Alle Bürger aus Nicht-EU-<br />
Staaten, die keinen Job in Deutschland<br />
haben, müssen eine Einladung <strong>von</strong> Deutschen<br />
vorweisen, damit sie als Tourist<br />
einreisen dürfen. Und sie müssen <strong>de</strong>n Behör<strong>de</strong>n<br />
glaubhaft machen, dass sie wie-<br />
Stu<strong>de</strong>nten bleiben zu Hause<br />
So viel Prozent <strong>de</strong>r Stu<strong>de</strong>nten machen folgen<strong>de</strong> Erfahrungen<br />
54,5 Inlandspraktikum<br />
30<br />
32,8 nichts<br />
20<br />
10<br />
24,0<br />
16,8<br />
14,9<br />
16,4 Auslandssemester<br />
15,6 Auslandspraktikum<br />
0 3,5<br />
2,3<br />
Auslandsstudium<br />
mit Abschluss<br />
2004 2005 2006 2007<br />
SZ-Graphik: Hanna Ei<strong>de</strong>n;<br />
Quelle: Continental<br />
Herzschmerz in<br />
Argentinien: Seit<br />
zehn Monaten sind<br />
Jana Neuhaus und<br />
Michel La Rossa ein<br />
Paar. Jetzt muss Jana<br />
zurück nach Leipzig,<br />
um ihr Diplom zu<br />
machen. Ob Michel ihr<br />
folgen darf, ist fraglich.<br />
<strong>de</strong>r in ihr Land zurückgehen. Jana und<br />
Michel haben für dieses Problem noch<br />
keine Lösung gefun<strong>de</strong>n.<br />
Nach Angaben <strong>de</strong>s Statistischen Bun<strong>de</strong>samtes<br />
gibt es 2,5 Millionen binationale<br />
Ehepaare in Deutschland. Dazu kommen<br />
73 000 Lebensgemeinschaften, in<br />
<strong>de</strong>nen nur <strong>de</strong>r Mann Deutscher ist und<br />
105 000 Lebensgemeinschaften, in <strong>de</strong>nen<br />
nur die Frau Deutsche ist. „Für unsere<br />
Gesellschaft spielen solche Paare eine<br />
große Rolle. Sie leisten im Kleinen, was<br />
auch im Großen für Deutschland wichtig<br />
ist: Vertrautes mit Frem<strong>de</strong>m zu verbin<strong>de</strong>n<br />
und etwas Neues zu schaffen“,<br />
sagt Cornelia Spohn vom Verband binationaler<br />
Familien und Partnerschaften<br />
(IAF). Der Verband bietet Beratungen<br />
für Paare an. Meistens mel<strong>de</strong>n sich Leute,<br />
die wissen möchten, wie sie ihren Partner<br />
nach Deutschland holen können.<br />
Zu teuer. Stu<strong>de</strong>nten können<br />
immer weniger Praktika und<br />
Auslands<strong>auf</strong>enthalte vorweisen.<br />
Das belegt eine repräsentative<br />
Umfrage <strong>de</strong>s Automobilzulieferers<br />
Continental. Demnach haben<br />
die Stu<strong>de</strong>nten zwar begriffen,<br />
dass internationale Kenntnisse<br />
und Erfahrungen in Zukunft<br />
immer wichtiger wer<strong>de</strong>n. „ Ihr<br />
eigenes Verhalten spiegelt dies<br />
aber nicht wi<strong>de</strong>r“, hieß es bei<br />
<strong>de</strong>r Vorstellung <strong>de</strong>r Studie. Die<br />
Grün<strong>de</strong> seien Geldprobleme,<br />
Zeitmangel und Bürokratie.
Uni&Job leben 23<br />
Auch viele Stu<strong>de</strong>nten sind darunter.<br />
„Junge Menschen sind heute sehr kosmopolitisch.<br />
Sie haben kaum Vorbehalte an<strong>de</strong>ren<br />
Kulturen gegenüber, das sind gute<br />
Voraussetzungen für eine Partnerschaft“,<br />
sagt Cornelia Spohn. Warum es<br />
Einwan<strong>de</strong>rungsgesetze überhaupt gebe,<br />
verstün<strong>de</strong>n junge Menschen oft nicht.<br />
Kein Wun<strong>de</strong>r. Für <strong>de</strong>utsche Studieren<strong>de</strong><br />
ist es leicht, längere Zeit woan<strong>de</strong>rs zu<br />
leben. Ob Praktika, Sprachkurse, freiwillige<br />
Dienste o<strong>de</strong>r ein Auslandssemester:<br />
Viele Stu<strong>de</strong>nten nutzen heute die Chance,<br />
die Welt zu ent<strong>de</strong>cken. Manche <strong>von</strong> ihnen,<br />
die unterwegs <strong>von</strong> Amors Pfeil getroffen<br />
wur<strong>de</strong>n, kommen mit gebrochenem<br />
Herzen zurück. An<strong>de</strong>re heiraten.<br />
Denn oft ist das die einzige Möglichkeit,<br />
keine Fernbeziehung führen zu müssen.<br />
Je<strong>de</strong>nfalls dann, wenn <strong>de</strong>r Traummann<br />
o<strong>de</strong>r die Traumfrau nicht aus Europa<br />
kommen.<br />
Julia Kassubek und Daniel Lopez<br />
haben sich vor zwei Jahren in Caracas<br />
kennengelernt. Die 30-jährige Julia arbeitete<br />
für <strong>de</strong>n Deutschen Aka<strong>de</strong>mischen<br />
Austauschdienst (DAAD), <strong>de</strong>r<br />
25-jährige Daniel studierte Kommunikationswissenschaften.<br />
Ein halbes Jahr<br />
später haben sie geheiratet. Die Hochzeit<br />
fand <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r Isla Margarita statt, in<br />
Daniels Heimat Venezuela. Weil Julia<br />
einen neuen Job und Daniel einen Studienplatz<br />
samt Stipendium in Berlin bekam,<br />
zog das Paar nach Deutschland.<br />
Vorurteile belasten binationale<br />
Beziehungen mehr als<br />
Meinungsverschie<strong>de</strong>nheiten<br />
In Berlin hatten sie allerdings Probleme<br />
mit <strong>de</strong>r Anerkennung ihrer Ehe. „Da<br />
in vielen außereuropäischen Län<strong>de</strong>rn<br />
Pässe gefälscht wer<strong>de</strong>n, muss ein Auslän<strong>de</strong>r<br />
oft beweisen, dass er auch <strong>de</strong>rjenige<br />
ist, <strong>de</strong>r er vorgibt zu sein“, erklärt<br />
Spohn. Umgekehrt müssen Deutsche,<br />
die zum Beispiel nach Lateinamerika<br />
auswan<strong>de</strong>rn möchten, nur darlegen,<br />
dass sie ihren Unterhalt bestreiten können,<br />
und Geld für ein Visum bezahlen.<br />
Viele Paare, meint Spohn, wür<strong>de</strong>n sich<br />
wegen <strong>de</strong>r Schwierigkeiten mit <strong>de</strong>n <strong>de</strong>utschen<br />
Behör<strong>de</strong>n überlegen, ob sie nicht<br />
lieber im Ausland leben wollen.<br />
Die 22-jährige Julia Shaw und <strong>de</strong>r<br />
27-jährige Will Shaw haben sich für ein<br />
Leben in Wills Heimat Kanada entschie<strong>de</strong>n.<br />
Bei<strong>de</strong> lernten sich vor drei Jahren<br />
an <strong>de</strong>r Universität Vancouver kennen,<br />
an <strong>de</strong>r Julia Psychologie studierte. „Kanada<br />
ist multikulturell“, sagt sie, „binationale<br />
Paare sind hier nicht ungewöhnlich“.<br />
Nach drei Monaten mit Will ging<br />
Julia für ein halbes Jahr nach Thailand.<br />
„Als ich wie<strong>de</strong>r in Kanada war, waren<br />
wir noch verliebter als vorher.“<br />
Nach einer Studie <strong>de</strong>r Psychologin<br />
Fanny Jimenez <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Berliner Humboldt-Universität<br />
sind Paare, die vorübergehend<br />
Fernbeziehungen führen, im<br />
i<br />
Distanz. Keine an<strong>de</strong>re<br />
Lebensphase eignet<br />
sich so gut für<br />
Fernbeziehungen wie<br />
das Studium. Min<strong>de</strong>stens einmal<br />
im Monat sollten sich Paare aber<br />
sehen, rät die Berliner Psychologin<br />
Fanny Jimenez, die über<br />
„Distanz und Nähe in Fernbeziehungen“<br />
promoviert. Sonst bröckele<br />
das Gefühl, sich <strong>auf</strong> <strong>de</strong>n<br />
an<strong>de</strong>ren verlassen zu können.<br />
Wichtig seien auch Rituale wie<br />
die „Guten-Morgen-SMS“ o<strong>de</strong>r<br />
ein gemeinsames Online-Spiel.<br />
Durchschnitt nicht unzufrie<strong>de</strong>ner als<br />
Paare, die zusammenleben. Auch die<br />
Trennungsrate ist offenbar nicht größer.<br />
Zumin<strong>de</strong>st dann nicht, wenn bei<strong>de</strong> Partner<br />
wissen, dass sie irgendwann im selben<br />
Land wohnen können. Probleme wegen<br />
<strong>de</strong>r Aufenthaltsgenehmigung o<strong>de</strong>r<br />
<strong>de</strong>r unterschiedlichen Lebenswelten,<br />
aus <strong>de</strong>nen Julia und Will Shaw kommen,<br />
gab es bisher keine.<br />
„Binationale Paare haben die gleichen<br />
Alltagsprobleme wie an<strong>de</strong>re Paare<br />
auch“, sagt Cornelia Spohn. Allerdings<br />
sei <strong>de</strong>r Druck, <strong>de</strong>r <strong>auf</strong> ihnen laste, grundsätzlich<br />
größer. Das liege nicht nur daran,<br />
dass sie sich schon in <strong>de</strong>r Phase <strong>de</strong>s<br />
Kennenlernens überlegen müssten, in<br />
welchem Land sie leben wollen o<strong>de</strong>r oft<br />
eine Fernbeziehung führen müssten.<br />
„Manche Deutsche müssen sich lei<strong>de</strong>r<br />
immer noch in ihrem Bekanntenkreis<br />
rechtfertigen und wer<strong>de</strong>n gefragt, ob es<br />
<strong>de</strong>nn unbedingt ein Auslän<strong>de</strong>r sein<br />
muss, mit <strong>de</strong>m sie zusammen sein wollen“,<br />
sagt Spohn. Solche Vorurteile belasteten<br />
die Paare mehr als Meinungsverschie<strong>de</strong>nheiten.<br />
Nicht nur in Deutschland, auch im<br />
Ausland gibt es Vorurteile binationalen<br />
Paaren gegenüber. Rajesh Sivathanu<br />
Pillai wur<strong>de</strong> <strong>von</strong> seiner Familie vor einer<br />
Heirat mit einer Deutschen gewarnt.<br />
Für Jette Delbeck, die sich während<br />
eines Praktikums in Indien in Rajesh verliebt<br />
hatte, war es nicht leicht, Rajeshs<br />
Eltern <strong>von</strong> ihren „ehrlichen Absichten“<br />
zu überzeugen. „Rajeshs Brü<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong>n<br />
arrangiert verheiratet, seine Eltern haben<br />
die Frauen ausgesucht. Sie haben<br />
Rajesh gesagt, dass ich mich bestimmt<br />
schei<strong>de</strong>n lassen wür<strong>de</strong>, weil in Deutschland<br />
doch die Ehen wie Hem<strong>de</strong>n gewech-<br />
Nähe. Die Kilometerzahl, die ein<br />
Pärchen real trennt, spielt für die<br />
Beziehungszufrie<strong>de</strong>nheit keine<br />
Rolle. Auch das hat Fanny Jimenez<br />
in ihrer Doktorarbeit herausgefun<strong>de</strong>n.<br />
Was die Dauer ihrer<br />
Beziehung, die Wahrscheinlichkeit<br />
<strong>von</strong> Seitensprüngen und<br />
die Trennungsrate betrifft, unterschei<strong>de</strong>n<br />
sich die 1400 befragten<br />
Fernverliebten nicht <strong>von</strong><br />
Pärchen, die ganz konventionell<br />
zusammenleben. Allerdings sei<br />
<strong>de</strong>r Sex besser, wenn man sich<br />
so wenig sieht, so die Studie.<br />
Zu viel Nähe. Laut Statistik<br />
en<strong>de</strong>t das typische Fernbeziehungsalter<br />
mit 35 Jahren. Das<br />
Zusammenziehen wird für viele<br />
erprobte Fernlieben<strong>de</strong> zur Herausfor<strong>de</strong>rung:<br />
Ein Drittel <strong>de</strong>r<br />
Paare trennt sich in <strong>de</strong>n ersten<br />
drei Monaten. „Aus zu viel Distanz<br />
wird plötzlich zu viel Nähe“,<br />
sagt <strong>de</strong>r Hamburger Psychologe<br />
Christian van <strong>de</strong>r En<strong>de</strong>. Er rät:<br />
erst mal zwei Wohnungen am<br />
selben Ort mieten o<strong>de</strong>r gemeinsam<br />
eine neue Wohnung einrichten,<br />
statt zum Partner zu ziehen.<br />
selt wer<strong>de</strong>n“, sagt Jette. Seit vier Jahren<br />
sind die 25-jährige Jette und <strong>de</strong>r 33-jährige<br />
Rajesh nun ein Ehepaar. „Wir haben<br />
zuerst in Thiruvananthapuram geheiratet,<br />
<strong>de</strong>r Hauptstadt <strong>de</strong>s Staates Kerala,<br />
und dann stan<strong>de</strong>samtlich in Kassel“,<br />
erzählt Jette Delbeck, „es hat ein<br />
Jahr gedauert, bis wir alle Papiere zusammen<br />
hatten.“<br />
Weil Jette in Dres<strong>de</strong>n Verkehrswirtschaft<br />
studieren wollte, kündigte Rajesh<br />
seinen Job in Indien und machte sich in<br />
Dres<strong>de</strong>n mit einem Reisebüro selbständig.<br />
„Am <strong>Anfang</strong> war es hier nicht leicht<br />
für Rajesh“, erzählt Jette, „er hatte kei-<br />
Was Stu<strong>de</strong>nten wichtig ist<br />
Angaben in Prozent<br />
Annerkennung im Beruf erwerben<br />
2008<br />
2002<br />
Jette Delbeck musste ihre<br />
indischen Schwiegereltern<br />
erst mal da<strong>von</strong> überzeugen,<br />
dass sie es ernst meint. In<br />
Deutschland, so dachte die<br />
Familie <strong>von</strong> Bräutigam<br />
Rajesh Sivathanu Pillai,<br />
wechseln die Frauen ihre<br />
Ehemänner wie Unterwäsche.<br />
Julia und Will Shaw<br />
haben sich in Vancouver<br />
kennengelernt. In Kanada<br />
sind binationale Paare<br />
nichts Außergewöhnliches.<br />
Fotos: Hoffinger (1), privat (2)<br />
ne Freun<strong>de</strong>, alles war neu für ihn.“ Auch<br />
<strong>de</strong>r kulturelle Unterschied war ein Problem.<br />
„Ein Konfliktpunkt war zum Beispiel<br />
<strong>de</strong>r Umgang mit Zärtlichkeiten in<br />
<strong>de</strong>r Öffentlichkeit. Ich umarme Rajesh<br />
gern mal <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r Straße. Rajesh war das<br />
unangenehm, er hat dann aber gesehen,<br />
dass es hier normal ist“, sagt Jette.<br />
Heute haben bei<strong>de</strong> kaum noch Konflikte.<br />
„Ich habe immer versucht, die Beziehung<br />
zu <strong>de</strong>r Person Rajesh zu sehen<br />
und nicht zu <strong>de</strong>m In<strong>de</strong>r“, sagt Jette,<br />
„wenn einem das gelingt, ist nicht mehr<br />
Toleranz nötig als für je<strong>de</strong> an<strong>de</strong>re Beziehung<br />
auch.“<br />
78<br />
85<br />
Sich <strong>de</strong>r Familie/Partnerschaft zu widmen<br />
72<br />
67<br />
Im Beruf Überdurchschnittliches leisten<br />
57<br />
67<br />
Eine leiten<strong>de</strong> Funktion zu übernehmen<br />
47<br />
57<br />
SZ-Graphik: Ei<strong>de</strong>n; Quelle: HIS<br />
Zu wenig Nähe. Privates Glück<br />
ist Stu<strong>de</strong>nten heute wichtiger als<br />
Karriere. Nach einer Studie <strong>de</strong>r<br />
Hochschul-Informations-System<br />
GmbH haben sich die Prioritäten<br />
zwischen 2002 und 2008 <strong>de</strong>utlich<br />
verschoben. Während damals<br />
57 Prozent <strong>de</strong>r Befragten<br />
angaben, eine leiten<strong>de</strong> Funktion<br />
anzustreben, seien es heute nur<br />
noch 47 Prozent. Zugleich gaben<br />
aktuell 72 Prozent an, sich<br />
in starkem Maße <strong>de</strong>m Partner<br />
und <strong>de</strong>r Familie widmen zu wollen,<br />
fünf Prozent mehr als 2002.
24 bewerben Uni&Job<br />
Der Schnittmusterschüler<br />
Cem Cako hat gelernt, wie man avantgardistische Mo<strong>de</strong> macht. Flämisch kann er jetzt auch. <strong>Alles</strong> kein Grund,<br />
sich auszuruhen. Schließlich will er nach Paris und ein großer Couturier wer<strong>de</strong>n. Das be<strong>de</strong>utet: vortanzen ohne En<strong>de</strong><br />
Von Jutta Göricke<br />
Elektroklänge martern <strong>de</strong>n Raum,<br />
Mo<strong>de</strong>ls staksen wie Flamingos <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r<br />
Flucht über einen spiegelschwarzen<br />
L<strong>auf</strong>steg. Sie tragen Kreationen <strong>von</strong><br />
acht jungen Mo<strong>de</strong>machern zur Schau.<br />
Je<strong>de</strong>r dieser Nachwuchskräfte will,<br />
kaum <strong>de</strong>r Schule entfleucht, „Designer<br />
for Tomorrow“ wer<strong>de</strong>n. So heißt <strong>de</strong>r<br />
Wettbewerb hier <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r Berliner Fashion<br />
Week, wo Hugo Boss neben Labels<br />
wie „Kaviar Gauche“ o<strong>de</strong>r „Lala Berlin“<br />
vortanzen lässt.<br />
Cem Cako ist einer <strong>de</strong>r Auserwählten,<br />
die beim Casting <strong>auf</strong>l<strong>auf</strong>en dürfen. Auserwählt<br />
<strong>de</strong>shalb, weil eine hochkarätige<br />
Jury seine Teilnahme befürwortet hat<br />
und weil ihn seine Herkunft a<strong>de</strong>lt, die<br />
Antwerpener Mo<strong>de</strong>aka<strong>de</strong>mie. Als Absolvent<br />
einer Eliteschule musste er sich<br />
schon zigfach Wettbewerbssituationen<br />
aussetzen – wie seine Konkurrenten<br />
auch. Denn, und das gilt erst recht für<br />
die Mo<strong>de</strong>branche: Das ganze Leben ist<br />
eine Bewerbung. Und wir sind nur die<br />
Kandidaten.<br />
Eine Mo<strong>de</strong>nschau ist ein bisschen hysterisch<br />
und ein bisschen kalt. Und so<br />
stellt man sich auch Leute vor, die Mo<strong>de</strong><br />
machen, vor allem solche, die damit<br />
noch am <strong>Anfang</strong> stehen und die – ganz<br />
feinnervige Naturen – nicht an<strong>de</strong>rs können,<br />
als die böse Konkurrenz mit kühler<br />
Arroganz wegzubeißen.<br />
Aber das stimmt nicht, zumin<strong>de</strong>st<br />
nicht für <strong>de</strong>n Jahrgang, <strong>de</strong>r sich gera<strong>de</strong><br />
<strong>auf</strong>macht, die Welt zu erobern. Dieser<br />
Jahrgang ist nett und beschei<strong>de</strong>n und<br />
freundlich, selbst im Abgang. Michael<br />
Sontag <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Kunsthochschule Berlin-Weißensee,<br />
<strong>de</strong>r nicht gewonnen hat,<br />
freut sich zum Beispiel „wahnsinnig für<br />
Julia, die gewonnen hat mit <strong>de</strong>n fetten<br />
Stricksachen“. Es ist mo<strong>de</strong>rn, jung und<br />
unprätentiös zu sein. Obwohl Oscar Wil<strong>de</strong>,<br />
oberste Dandy-Referenz, einst meinte,<br />
dass Natürlichkeit eine Pose sei, die<br />
sich sehr schwer durchhalten lasse. Dasselbe<br />
gilt wohl auch für die Jugend.<br />
Was ist Pose, was Natur? Cem Cako ist<br />
nett und beschei<strong>de</strong>n. Er ist höflich, gelassen<br />
und ernsthaft. Und er hat die ungewöhnlichste<br />
Lebensgeschichte, die man<br />
mit 28 Jahren nur haben kann. Da sind<br />
erstens: die Eltern. Türkische Gastarbeiter,<br />
die in <strong>de</strong>n sechziger Jahren nach<br />
Schorndorf bei Stuttgart auswan<strong>de</strong>rn,<br />
weil sie <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn optimale Ausbildungsmöglichkeiten<br />
bieten wollen. Da<br />
sind zweitens: die drei älteren Schwestern,<br />
die Abitur und es damit ihren Eltern<br />
recht machen. Später studieren sie,<br />
i<br />
Trainiert. Stu<strong>de</strong>nten<br />
erhöhen ihre Karrierechancen,<br />
wenn sie<br />
schon während <strong>de</strong>s<br />
Studiums ihre Beschäftigungsfähigkeit<br />
för<strong>de</strong>rn. Das können<br />
sie zum Beispiel in einem <strong>de</strong>r<br />
Career Center, die die meisten<br />
Unis anbieten. In Employability-<br />
Kursen kann man sich dort etwa<br />
in Soft Skills üben o<strong>de</strong>r handfeste<br />
Verhandlungstrainings absolvieren.<br />
Praxisnähe ist garantiert,<br />
da das Ganze in Zusammenarbeit<br />
mit <strong>de</strong>r Wirtschaft passiert.<br />
Ein Jackett hat zwei Seiten. Foto: Martin Grothmaak<br />
Ökotrophologie und BWL. Da ist drittens:<br />
Cem, <strong>de</strong>r Wi<strong>de</strong>rborstige, <strong>de</strong>r das<br />
Lernen verweigert und in <strong>de</strong>r Son<strong>de</strong>rschule<br />
lan<strong>de</strong>t. Als <strong>de</strong>r Vater sogar dort<br />
zum Direktor gerufen wird und nur traurig<br />
sagt: „So isser halt, wir lieben ihn<br />
trotz<strong>de</strong>m“, wird <strong>de</strong>r pubertieren<strong>de</strong> Renitenzler<br />
auch ganz traurig und zieht die<br />
Reißleine. „Erst da habe ich’s kapiert<br />
und wollte im System bestehen.“<br />
Das ist <strong>de</strong>r Startschuss für Cem, <strong>de</strong>n<br />
zähen Burschen, <strong>de</strong>r trotz aller Höhenflüge,<br />
die da kommen wer<strong>de</strong>n, nie die Bo<strong>de</strong>nhaftung<br />
verliert. Er kämpft sich<br />
durch die Schulformen und macht am<br />
Geschenkt. Die Gelegenheit,<br />
Berührungsängste vor <strong>de</strong>r Agentur<br />
für Arbeit abzulegen: Hier<br />
erhält man nicht nur bis zu 260<br />
Euro im Jahr für Bewerbungsschreiben,<br />
son<strong>de</strong>rn hat auch die<br />
Chance, Reisekosten zu Vorstellungsgesprächen<br />
erstattet<br />
zu bekommen. Und hat es mit<br />
<strong>de</strong>r Bewerbung in einer an<strong>de</strong>ren<br />
Stadt geklappt, übernimmt die<br />
Agentur möglicherweise auch<br />
die Umzugs- und „Trennungs“-<br />
Kosten. Einfach bei <strong>de</strong>r örtlichen<br />
Dependance nachfragen!<br />
Ausgeplau<strong>de</strong>rt. 60 Prozent<br />
<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utschen Anwen<strong>de</strong>r halten<br />
beim Online-Netzwerken Berufliches<br />
und Privates nicht auseinan<strong>de</strong>r.<br />
Das ergab eine Studie<br />
<strong>de</strong>r Londoner Business-Plattform<br />
Linkedin. Befragt wur<strong>de</strong>n<br />
mehr als 1500 Geschäftsleute<br />
in Deutschland, Großbritannien<br />
und Frankreich, die Mitglied in<br />
einem Online-Business-Netzwerk<br />
sind. Dabei zeigen sich<br />
Arbeitgeber nicht unbedingt<br />
amüsiert über die Verquickung<br />
<strong>von</strong> Beruf und Privatleben.<br />
En<strong>de</strong> ein Einser-Abitur, „zusammen mit<br />
<strong>de</strong>r Tochter <strong>de</strong>r Lehrerin, die mich für<br />
lernbehin<strong>de</strong>rt hielt.“ Da ein richtig guter<br />
Sohn Arzt wird, studiert Cem Cako<br />
Medizin, aber nur drei Wochen lang.<br />
Das Künstlerische und die Mo<strong>de</strong> haben<br />
ihn gepackt. Er probiert nacheinan<strong>de</strong>r<br />
Dreadlocks und blaue Haare aus, am<br />
Hip-Hop interessieren ihn in erster Linie<br />
die Klamotten, weniger die Musik.<br />
Er hospitiert als Kostüm<strong>de</strong>signassistent<br />
am Stuttgarter Staatstheater und an <strong>de</strong>r<br />
Wiener Burg. Eine Bewerbung in Berlin-<br />
Weißensee scheitert, obwohl er <strong>de</strong>n Eingangstest<br />
bravourös meistert: Die Kandi-<br />
Gepokert. Kommt im Bewerbungsgespräch<br />
das Thema Gehaltsvorstellung<br />
<strong>auf</strong>, sollte man<br />
dar<strong>auf</strong> eine Antwort wissen. Es<br />
sei hilfreich, sich vorher die untere<br />
Grenze, die man min<strong>de</strong>stens<br />
zum Leben braucht, und eine<br />
höhere Summe als Wunschgehalt<br />
zu überlegen, empfiehlt<br />
Christine Öttl, Coach aus München.<br />
Wichtig: Man sollte immer<br />
sagen können, warum man sein<br />
Geld wert ist und notfalls auch<br />
<strong>auf</strong> Ausweichangebote wie<br />
Dienstwagen eingehen.<br />
daten sollen für das asiatische Mammuthuhn,<br />
das wegen seiner empfindlichen<br />
Füße <strong>de</strong>n europäischen Bo<strong>de</strong>n nicht verträgt,<br />
Schuhe entwerfen. Cem Cako<br />
sieht nicht ein, dass ein Huhn nicht barfuß<br />
l<strong>auf</strong>en darf und reicht statt <strong>de</strong>r Fußschoner<br />
ein hübsch verpacktes Kästchen<br />
mit Samen für <strong>de</strong>n passen<strong>de</strong>n Vegetationsbo<strong>de</strong>n<br />
ein.<br />
Sein eigentliches Ziel aber ist: Antwerpen.<br />
Schon wegen <strong>de</strong>s guten Namens.<br />
Seit die „Antwerp Six“ Walter van Beirendonck,<br />
Ann Demeulemeester, Marina<br />
Yee, Dries van Noten, Dirk van Saene<br />
und Dirk Bikkembergs, allesamt Absolventen<br />
<strong>de</strong>r dortigen Kunsthochschule,<br />
En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r achtziger Jahre <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r Londoner<br />
Mo<strong>de</strong>messe mit ihren schlemmerartigen<br />
Figurinen und Marienkäferkostümen<br />
<strong>de</strong>n Durchbruch schafften, ist die<br />
flämische Stadt Inbegriff avantgardisti-<br />
Das Etikett „Antwerpen“ reicht<br />
nicht. Also ab nach New York,<br />
Berufserfahrung sammeln<br />
scher Körperverpackungen.<br />
Und was sagen Cems Eltern dazu?<br />
„Ich weiß nicht, ob sie meinen Beruf<br />
wirklich verstehen. Aber sie haben immer<br />
großen Wert dar<strong>auf</strong> gelegt, dass wir<br />
Kin<strong>de</strong>r unseren ureigenen Charakter<br />
ausbil<strong>de</strong>n. Und so war die Exmatrikulation<br />
kein Drama.“ Ein Billy Elliott, <strong>de</strong>r<br />
zuerst nicht tanzen durfte, ist er also<br />
nicht. Und ganz fremd ist die Mo<strong>de</strong>branche<br />
<strong>de</strong>n Eltern auch nicht, weil die Großfamilie<br />
daheim im Istanbuler Basar in<br />
Le<strong>de</strong>rwaren macht.<br />
Da das Interview in Antwerpen <strong>auf</strong><br />
Englisch geführt wer<strong>de</strong>n wird, geht Cem<br />
Cako erst mal für drei Monate in die<br />
USA. Dort lernt er am Santa Monica-<br />
College für <strong>de</strong>n TOEFL-Test und jobbt<br />
in einem Cafe und als Claqueur bei einer<br />
Fernsehshow, um das Ganze zu finanzieren.<br />
Man merkt, er will wirklich.<br />
Die Aufnahmeprüfung dauert drei<br />
Tage, ist hart und hat mit Mo<strong>de</strong> nicht<br />
viel zu tun: Cako muss eine Mappe mit<br />
rein künstlerischen Arbeiten einreichen,<br />
das Farbempfin<strong>de</strong>n wird getestet, und<br />
im Interview kommt die Frage <strong>auf</strong>: What<br />
do you love? Meine Mutter, sagt er. Es ist<br />
2004, Cem Cako ist 24 Jahre alt, und er<br />
wird eingela<strong>de</strong>n, sich die nächsten vier<br />
Jahre durch <strong>de</strong>n „Fleischwolf“, wie die<br />
Schule unter Eingeweihten heißt,<br />
drehen zu lassen. Er arbeitet Tag und<br />
Nacht, keine Zeit zum Feiern, ständig<br />
Präsentationen und öffentliche Kritiken,<br />
mit Ausre<strong>de</strong>n braucht man gar<br />
Erhofft. Trotz schlechter Konjunktur<br />
erwarten Stu<strong>de</strong>nten in<br />
Deutschland satte Einstiegsgehälter.<br />
Im Schnitt hoffen sie<br />
<strong>auf</strong> einen Jahresbruttoverdienst<br />
<strong>von</strong> 37 000 Euro, so eine Studie<br />
<strong>de</strong>r Beratungsgesellschaft Ernst<br />
& Young. Angehen<strong>de</strong> Ingenieure<br />
und Juristen gehen sogar <strong>von</strong><br />
40 000 beziehungsweise 40 400<br />
Euro aus. Während Männer im<br />
Schnitt <strong>auf</strong> ein Jahresgehalt<br />
<strong>von</strong> 38 700 Euro setzten, begnügten<br />
sich ihre Kommilitoninnen<br />
laut Studie mit 35 100 Euro.
Uni&Job bewerben 25<br />
Man trägt Selbstbewusstsein. Cem Cako in seinem Stuttgarter Atelier Foto: Martin Grothmaak<br />
nicht erst zu kommen, nur Höchstleistung<br />
zählt. Wer nicht nähen kann, muss<br />
es sich in Heimarbeit selbst beibringen.<br />
Cako spricht bald flämisch. Auch das<br />
wird erwartet. Er entwickelt seinen eigenen,<br />
einen reduzierten, fast minimalistischen<br />
Stil. Das trifft sich gut, wo es ihm<br />
doch an finanziellen Mitteln mangelt. Er<br />
hat – ebenso talentierte – Kommilitonen,<br />
die über eine Wohnung mit Hausangestellten<br />
und über 20 000 Euro pro Monat<br />
verfügen. Ihre Entwürfe lassen sie produzieren.<br />
Cako hat 30 Euro die Woche,<br />
wohnt für 220 Euro warm. Er macht<br />
Schul<strong>de</strong>n und alles selber. Während <strong>de</strong>r<br />
Abschlussarbeit nimmt er 18 Kilo ab.<br />
i<br />
Befristet. Fast je<strong>de</strong><br />
zweite Neueinstellung<br />
ist laut <strong>de</strong>m Institut für<br />
Arbeitsmarkt- und<br />
Berufsforschung (IAB) in Nürnberg<br />
befristet. Im öffentlichen<br />
Dienst gelte dies sogar für zwei<br />
Drittel <strong>de</strong>r neuen Verträge. Und<br />
nur ein Viertel <strong>de</strong>r befristeten<br />
Anstellungen mün<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n<br />
Verwaltungen in eine Übernahme.<br />
In <strong>de</strong>r Industrie wür<strong>de</strong>n hingegen<br />
fast zwei Drittel übernommen.<br />
Befristungen seien dort<br />
oft verlängerte Probezeiten.<br />
Am En<strong>de</strong> ist Cako einer <strong>von</strong> zwölf Mitstreitern,<br />
die das Studium bestehen –<br />
120 waren es zu Beginn.<br />
Jetzt ist er ein „belgischer Designer“,<br />
<strong>de</strong>r tragbare Männermo<strong>de</strong> macht – und<br />
fällt erst mal in ein tiefes, schwarzes<br />
Loch. Antwerpen hin o<strong>de</strong>r her: Wer<br />
direkt <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Aka<strong>de</strong>mie kommt, hat<br />
kaum Jobchancen. Ein bis zwei Jahre Berufserfahrung<br />
braucht man schon.<br />
Er beschließt, diese Erfahrung in New<br />
York zu machen, wo er, mit seiner Mappe<br />
unterm Arm, Klinken putzt bei Donna<br />
Karan und Co. Das Bewerben hört<br />
eben nie <strong>auf</strong>. Die Resonanz <strong>auf</strong> seine Arbeit<br />
ist gut, manchmal zu gut. Von einem<br />
Verspätet. Wer erfolgreich sein<br />
will, sollte pünktlich sein. Dar<strong>auf</strong><br />
weist die Etikette Trainer International<br />
(ETI) in Hamburg hin. Es<br />
wer<strong>de</strong> als grobe Unhöflichkeit<br />
<strong>auf</strong>gefasst, einen Geschäftspartner<br />
warten zu lassen. Pünktlichkeit<br />
zeuge nicht nur <strong>von</strong> guten<br />
Manieren und Disziplin, son<strong>de</strong>rn<br />
sei auch ein Zeichen <strong>de</strong>r<br />
Wertschätzung. Man hört gar<br />
<strong>von</strong> Bewerbern, die zu spät zum<br />
Vorstellungsgespräch kommen,<br />
weil sie keinen Parkplatz gefun<strong>de</strong>n<br />
haben – unverzeihlich.<br />
Geschmeidig. Geisteswissenschaftler<br />
verfügen im Schnitt<br />
über mehr Schlüsselkompetenzen<br />
als an<strong>de</strong>re Stu<strong>de</strong>nten. Dadurch<br />
fin<strong>de</strong> ein Teil <strong>von</strong> ihnen<br />
schnell einen Job, so Gregor<br />
Fabian vom Hochschul-Informations-System.<br />
Es gebe aber auch<br />
Geisteswissenschaftler, die<br />
ihr Studium rein nach inhaltlichen<br />
Interessen ausrichteten.<br />
Das habe später häufig ein niedrigeres<br />
Einkommen und nicht<br />
selten Arbeit <strong>auf</strong> Honorar- und<br />
Werkvertragsbasis zur Folge.<br />
Designer bekommt er zu hören: „Sorry,<br />
aber ich will nicht morgens in mein Atelier<br />
kommen und wissen, dass du besser<br />
bist.“ Ein paar Projekte zieht er an<br />
Land, bei Tim Hamilton zum Beispiel.<br />
In Neuseeland gibt es viele<br />
Schafe und noch mehr Wolle.<br />
Dort wird er „Strick“ probieren<br />
Aber Amerika ist ihm zu kommerziell,<br />
er kehrt zurück nach Stuttgart, wo er ein<br />
kleines Atelier mietet. Ein karger, weißer<br />
Raum in einem riesigen Nazikasten,<br />
Parliert. Eine Fremdsprache<br />
reicht nicht mehr. „Sprachkompetente<br />
Mitarbeiter sind heute<br />
unerlässlich“, sagt Astrid Jäger,<br />
Projektleiterin <strong>de</strong>r Fachkonferenz<br />
„Sprachen & Beruf“ in Berlin.<br />
Deshalb habe laut einer aktuellen<br />
Marktanalyse ein Großteil<br />
<strong>de</strong>r Unternehmen das Budget<br />
für Fremdsprachentrainings<br />
erhöht. Arbeitgeber erwarteten,<br />
dass einer Bewerbung etablierte<br />
Zertifikate, unumstritten ist etwa<br />
TELC – The European Language<br />
Certificate – beigelegt wür<strong>de</strong>n.<br />
in <strong>de</strong>m Kreative untergekommen sind.<br />
Dort hängt seine Abschlusskollektion, lila<br />
Shorts mit Schößchen und plissiertem<br />
Gürtel. O<strong>de</strong>r gefältelte Jacketts und tuaregartige<br />
Hosen, alles in Schwarz, Weiß<br />
und schimmern<strong>de</strong>m Mattgold gehalten.<br />
Von hier aus wird er durchstarten: Erst<br />
geht er nach Neuseeland. Dort gibt es viele<br />
Schafe und noch mehr Wolle. Die Uni<br />
in Dunedin hat ihn eingela<strong>de</strong>n, „Strick“<br />
auszuprobieren. Das reizt ihn. Und danach<br />
wird er <strong>de</strong>n – vorläufig – finalen Bewerbungsmarathon<br />
angehen, in Paris.<br />
Cem Cako sieht seine Zukunft in einem<br />
klassischen Haute-Couture-Haus. Das<br />
ist besser als Arzt zu sein.<br />
Gefühlt. Karrierepläne allein<br />
<strong>von</strong> rationalen Entscheidungen<br />
dominieren zu lassen, sei zumin<strong>de</strong>st<br />
langfristig keine vernünftige<br />
Strategie, sagt Tobias Constantin<br />
Haupt, Psychologe <strong>de</strong>r Ludwig-Maximilians-Universität<br />
München. Wer seine Karriere<br />
sehr bewusst plant, dabei aber<br />
nicht <strong>auf</strong> seinen Bauch hört,<br />
gerate leicht in psychische Konflikte.<br />
Das könne später dazu<br />
führen, die Motivation zum Vorankommen<br />
und für die Arbeit<br />
überhaupt zu verlieren.
26 bewerben Uni&Job<br />
„Im Jogginganzug fühle ich mich wohler“<br />
Ein perfektes Anschreiben und höfliches Auftreten – das sollte eigentlich selbstverständlich sein.<br />
Doch Bewerber bringen Personaler immer wie<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>n gleichen Fehlern zur Verzweiflung<br />
Von Julia Bönisch<br />
Um Himmels willen nicht gewöhnlich<br />
sein! So lautet das gängige Credo<br />
<strong>de</strong>r Karriereratgeber. Schließlich soll<br />
<strong>de</strong>r Bewerber aus <strong>de</strong>r Masse herausstechen<br />
und <strong>de</strong>r Personalabteilung <strong>auf</strong>fallen.<br />
Wer normal und langweilig ist,<br />
hat bei <strong>de</strong>r Jobsuche angeblich nur<br />
schlechte Chancen.<br />
Diese Ratschläge nehmen manche Bewerber<br />
lei<strong>de</strong>r allzu ernst – und schießen<br />
übers Ziel hinaus, wie eine Umfrage<br />
unter Führungskräften und Personalentwicklern<br />
offenbarte. Darin berichteten<br />
Manager <strong>von</strong> einem Bewerber,<br />
<strong>de</strong>r zum Vorstellungsgespräch seine<br />
Mutter zum Händchenhalten mitbrachte.<br />
Ein an<strong>de</strong>rer Kandidat zün<strong>de</strong>te<br />
sich, ohne zu fragen, eine Zigarette an.<br />
Ein dritter sorgte für einen garantiert<br />
unvergesslichen Auftritt, als er <strong>auf</strong> die<br />
Erläuterung <strong>de</strong>s gängigen Dressco<strong>de</strong>s<br />
im Unternehmen antwortete: „Ach,<br />
wissen Sie, im Jogginganzug fühle ich<br />
mich wohler.“<br />
Doch auch mit <strong>de</strong>utlich weniger originellen<br />
Patzern gelingt es Bewerbern,<br />
sich ins Abseits zu stellen und ihre<br />
Chancen <strong>auf</strong> <strong>de</strong>n Traumjob zu vermasseln.<br />
So reagiert je<strong>de</strong>r Personaler allergisch<br />
<strong>auf</strong> Serienbriefe und Massenanschreiben.<br />
„Das ist ein Zeichen für<br />
Nachlässigkeit und mangeln<strong>de</strong> Wertschätzung“,<br />
sagt Alfred Quenzler, Lei-<br />
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Merksatz: L<strong>auf</strong>e niemals ohne Beinkleid zum Vorstellungsgespräch <strong>auf</strong>, auch<br />
nicht im Hochsommer. Foto: AP<br />
ter Personalmarketing bei Audi. Regelmäßig<br />
hat er Mappen <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m Tisch,<br />
<strong>de</strong>nen ein Anschreiben beiliegt, das<br />
eigentlich an BMW o<strong>de</strong>r Opel gerichtet<br />
ist. „So etwas sortieren wir gleich aus.“<br />
Bei <strong>de</strong>r Rechtschreibung, ebenfalls<br />
eine beliebte Fehlerquelle, ist Quenzler<br />
nicht ganz so streng. „Ein Flüchtigkeitsfehler<br />
kann schon mal passieren.“<br />
Wenn eine Bewerbung allerdings vor<br />
Verschreibern strotze, wer<strong>de</strong> es eng für<br />
<strong>de</strong>n Kandidaten. „Audi ist ein addraktiver<br />
Arbeitgeber“ – <strong>de</strong>r Autor dieser Zeilen,<br />
offensichtlich ein fränkischer Bewerber,<br />
hatte zum Beispiel keine Aussicht<br />
<strong>auf</strong> Erfolg. Und das nicht nur wegen<br />
<strong>de</strong>r lautmalerischen Schreibweise:<br />
Der Handkäs mit Musik<br />
wur<strong>de</strong> über die Ostertage zur<br />
olfaktorischen Katastrophe<br />
„Wir bekommen etwa 66 000 Bewerbungen<br />
pro Jahr“, erklärt Quenzler.<br />
„Was wir wirklich nicht mehr sehen<br />
können, sind solche Floskeln.“<br />
Sein Rat an alle Jobsuchen<strong>de</strong>n: sich<br />
nicht zu sehr an <strong>de</strong>r Ratgeberliteratur<br />
orientieren – sonst klingen alle Kandidaten<br />
gleich und austauschbar. Das Anschreiben<br />
müsse transportieren, dass<br />
sich ein Bewerber wirklich für das Unternehmen<br />
interessiere und er sich<br />
schon mit ihm beschäftigt habe.
Uni&Job bewerben 27<br />
Doch auch mit einer makellosen Mappe<br />
hat ein Bewerber noch lange keine Garantie<br />
<strong>auf</strong> seinen Traumjob. Wer das perfekte<br />
Anschreiben inklusive tollem Foto<br />
und gelungenen Arbeitsproben <strong>von</strong> <strong>de</strong>r<br />
E-Mail-Adresse „fussballgott@web.<strong>de</strong>“<br />
o<strong>de</strong>r „superbiene3@yahoo.com“ absen<strong>de</strong>t,<br />
für <strong>de</strong>n en<strong>de</strong>t die Karriere schon, bevor<br />
sie überhaupt begonnen hat.<br />
Wer nun glaubt, in kreativen Branchen<br />
wer<strong>de</strong> <strong>auf</strong> solche Formalitäten<br />
nicht so viel Wert gelegt, <strong>de</strong>r irrt. „Selbstverständlich<br />
wollen wir keine schlampigen<br />
Bewerbungen“, bestätigt Inka Wittmann,<br />
Personalleiterin bei <strong>de</strong>r Werbeagentur<br />
Jung <strong>von</strong> Matt. Ein Bewerber,<br />
<strong>de</strong>r sein Anschreiben mit <strong>de</strong>r Anre<strong>de</strong><br />
„Sehr geehrte Damen und Herren“ beginnt,<br />
ist bei ihr ebenfalls unten durch.<br />
Man müsse sich schon die Mühe machen,<br />
im Internet die richtigen Ansprechpartner<br />
zu recherchieren. „So viel Zeit muss<br />
sein.“ Einen ebenso schlechten Eindruck<br />
hinterlassen Kandidaten, <strong>de</strong>ren<br />
Anschreiben vor Floskeln wie „Frischfleisch“<br />
o<strong>de</strong>r „frisches Blut für Ihr Unternehmen“<br />
strotzen. „Ausgetretene Pfa<strong>de</strong><br />
sollten Bewerber vermei<strong>de</strong>n.“<br />
Die richtige Mischung aus Kreativität<br />
und Seriosität zu fin<strong>de</strong>n, fällt <strong>de</strong>n Kandidaten<br />
jedoch nicht immer leicht – und so<br />
manche gute I<strong>de</strong>e erweist sich nach <strong>de</strong>r<br />
Umsetzung schnell als nicht praktikabel.<br />
So erhielt Wittmann <strong>von</strong> einer Bewerberin<br />
aus Frankfurt einmal ein Pa-<br />
ket „Handkäs mit Musik“, also echten<br />
hessischen Sauermilchkäse. Lei<strong>de</strong>r traf<br />
das Paket am Gründonnerstag ein, und<br />
als sie nach Ostern an <strong>de</strong>n Schreibtisch<br />
zurückkehrte, stank es bestialisch. „Das<br />
Beispiel zeigt: Kandidaten sollten nicht<br />
zu viel Schnickschnack betreiben. Eine<br />
Bewerbung muss leicht, kompakt,<br />
schnell zu öffnen und schnell zu erfassen<br />
sein. Und am En<strong>de</strong> zählen für uns die Ar-<br />
beitsproben.“ Hat ein Bewerber dank guter<br />
Unterlagen die erste Hür<strong>de</strong> genommen<br />
und darf sich persönlich beim Unternehmen<br />
vorstellen, sollte er selbstver-<br />
Noch ein Merksatz: Orange Hosen eignen sich nicht zum Vortanzen, auch nicht bei<br />
Werbeagenturen, noch nicht mal bei holländischen Werbeagenturen. Foto: dpa<br />
KARRIERE<br />
LOUNGE<br />
27. Mai 2009<br />
ständlich die Etikette beachten: pünktlich<br />
und höflich sein, sich an <strong>de</strong>n Dressco<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>r Firma halten und das Handy<br />
ausschalten. Sowohl Alfred Quenzler<br />
<strong>von</strong> Audi als auch Inka Wittmann betonen,<br />
wie wichtig eine gute Vorbereitung<br />
Malkasten, Düsseldorf<br />
Informieren und bewerben Sie sich unter:<br />
www.peek-cloppenburg.<strong>de</strong>/karriere<br />
GENERAL<br />
MANAGEMENT<br />
PROGRAMM<br />
<strong>auf</strong> das Gespräch ist. Die Kandidaten<br />
sollten wissen, welche Position ihre Interviewpartner<br />
im Unternehmen beklei<strong>de</strong>n<br />
und sich bereits im Vorhinein ein<br />
paar Fragen zum Job und zur Firma<br />
überlegen. „Die Bewerber sind oft zu<br />
passiv“, sagt Wittmann. „Das Gespräch<br />
sollte keine Einbahnkommunikation<br />
sein, wir freuen uns, wenn die Kandidaten<br />
<strong>de</strong>n Mund <strong>auf</strong>machen.“ Wer aber mit<br />
<strong>de</strong>r Tür ins Haus fällt und sich als erstes<br />
nach Gehalt und Anzahl <strong>de</strong>r Urlaubstage<br />
erkundigt, katapultiert sich selbst<br />
aus <strong>de</strong>m Rennen.<br />
„Nur wer übertreibt, erzählt anschaulich“<br />
– bei<strong>de</strong>n Personalverantwortlichen<br />
sind schon Bewerber begegnet, die diesen<br />
Leitsatz allzu wörtlich genommen<br />
haben. So berichtet Quenzler <strong>von</strong> Bewerbern,<br />
die begeistert <strong>von</strong> ihrem Hobby<br />
Schach berichteten, um <strong>auf</strong> ihre tollen<br />
Analysefähigkeiten hinzuweisen. „Aber<br />
bei genauerem Nachfragen stellte sich<br />
heraus, dass <strong>de</strong>r Kandidat noch nicht<br />
mal wusste, wo Turm und Springer überhaupt<br />
stehen.“ Er empfiehlt, sich nicht<br />
besser zu verk<strong>auf</strong>en als man ist. Früher<br />
o<strong>de</strong>r später fliege das immer <strong>auf</strong>.<br />
Um <strong>auf</strong>zufallen, muss man also gar<br />
keine ungewöhnliche Mappe einsen<strong>de</strong>n<br />
und möglichst spritzig im Gespräch sein.<br />
Meist genügen schon ein fehlerfreies<br />
Anschreiben, gute Arbeitsproben und<br />
ein freundliches, gewinnen<strong>de</strong>s Auftreten<br />
im Vorstellungsgespräch.<br />
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28 arbeiten Uni&Job<br />
Lebst du schon o<strong>de</strong>r drehst du noch am Rad?<br />
Angst vor <strong>de</strong>r Krise? Braucht man nicht zu haben, sagt Zukunftsforscher Horst Opaschowski. Wo doch das Karriere-Denken<br />
jetzt schon ein En<strong>de</strong> hat und in 20 Jahren ohnehin nur noch je<strong>de</strong>r Zweite eine Vollzeit-Stelle fin<strong>de</strong>n wird<br />
Anruf bei Horst Opaschowski, 68, in<br />
Börnsen bei Hamburg. Es mel<strong>de</strong>t sich:<br />
Jörg Pilawa. Er sei gera<strong>de</strong> <strong>auf</strong> Familienbesuch<br />
und müsse erst mal gucken, ob<br />
Herr Opaschowski zu sprechen sei. Ist<br />
er. Gut gelaunt, sein Schwiegersohn Jörg<br />
ist ja da, spricht <strong>de</strong>r Zukunftsforscher<br />
über Arbeit und Krise.<br />
Von Alexan<strong>de</strong>r Mühlauer<br />
Warum arbeiten wir eigentlich?<br />
Na, um Geld zu verdienen, natürlich.<br />
Das ist alles?<br />
Erst mal muss man <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Arbeit leben<br />
können. Dann bringt sie natürlich auch<br />
Ansehen und Erfolgserlebnisse. Die<br />
Freu<strong>de</strong> an <strong>de</strong>r Arbeit spielt jedoch für<br />
die meisten Beschäftigten nur eine untergeordnete<br />
Rolle.<br />
Aber man studiert doch, um dann die Arbeit<br />
zu fin<strong>de</strong>n, die einem Freu<strong>de</strong> macht.<br />
Richtig. Zumin<strong>de</strong>st für die Uni-Absolventen<br />
gilt: Sie haben die einzigartige<br />
Chance, in einer privilegierteren Arbeit<br />
tätig zu sein.<br />
Warum einzigartig?<br />
Nur zwei <strong>von</strong> fünf Beschäftigten können<br />
sich überhaupt noch in <strong>de</strong>r Arbeit selbstverwirklichen.<br />
Das sind in <strong>de</strong>r Regel die<br />
Gut- und Bestausgebil<strong>de</strong>ten. Für alle<br />
übrigen setzt die Selbstverwirklichung<br />
erst nach Feierabend ein.<br />
Klingt traurig.<br />
Aber so ist es. Hinzu kommt: Je<strong>de</strong>s dritte<br />
Arbeitsverhältnis dauert kein ganzes<br />
Jahr mehr. Und viele Unternehmen können<br />
keine Job-Garantie mehr gewähren.<br />
Es gibt immer weniger Mitarbeiter, die<br />
einer Firma zeitlebens die Treue halten.<br />
Was man früher Betriebstreue nannte,<br />
die Loyalität zum Arbeitgeber, das gibt<br />
es nicht mehr. Ein Wir-Gefühl wird<br />
zwar erwartet, aber ist so gut wie nicht<br />
mehr da. In 20 Jahren wird nur noch<br />
je<strong>de</strong>r Zweite einen Vollzeit-Job haben.<br />
Das heißt, wir alle sind nur noch Job-<br />
Noma<strong>de</strong>n, die <strong>von</strong> einem Arbeitsplatz<br />
zum nächsten ziehen.<br />
Ganz so schlimm wird es nicht kommen.<br />
Mitunter ist <strong>de</strong>r Job-Noma<strong>de</strong> nur ein<br />
Phantom wi<strong>de</strong>r Willen – freiwillig gibt<br />
es ihn gar nicht.<br />
Wie das?<br />
Der Job-Noma<strong>de</strong> will angeblich kein<br />
Zuhause mehr haben und ständig umziehen<br />
– <strong>von</strong> Hamburg nach Dres<strong>de</strong>n,<br />
<strong>von</strong> dort nach New York und dann wie<strong>de</strong>r<br />
zurück nach Madrid. Er jagt immer<br />
<strong>de</strong>n Jobs hinterher. Er hat nicht nur <strong>de</strong>n<br />
Lebensabschnittspartner, son<strong>de</strong>rn auch<br />
ein Lebensabschnittsjob . . .<br />
. . . okay, aber Sie<br />
sprachen <strong>von</strong> einem<br />
Phantom . . .<br />
. . . ja, <strong>de</strong>nn in Wirklichkeit<br />
ist es an<strong>de</strong>rs:<br />
Was die Arbeitnehmer<br />
wirklich wollen,<br />
sind geregelte Arbeitsverhältnisse.<br />
Ist das <strong>de</strong>nn<br />
Wunsch<strong>de</strong>nken<br />
o<strong>de</strong>r Realität?<br />
Das genau ist das<br />
Problem: Insbeson<strong>de</strong>re die<br />
jungen Leute wollen eigentlich<br />
etwas an<strong>de</strong>res. Sie müssen<br />
daher <strong>de</strong>n Job-Noma<strong>de</strong>n<br />
„spielen“. 80 Prozent<br />
wollen in Wirklichkeit so arbeiten<br />
wie die Eltern – also<br />
mit Festanstellung und geregelten<br />
Arbeitszeiten. Der Wan<strong>de</strong>rarbeiter<br />
mit Rollcontainer,<br />
<strong>de</strong>r je<strong>de</strong>n Tag an einem an<strong>de</strong>ren<br />
Schreibtisch sitzt, <strong>de</strong>r wird <strong>de</strong>n<br />
Arbeitnehmern <strong>auf</strong>gezwängt.<br />
Sie wollen das gar nicht.<br />
Sie beschreiben eine sehr hohe<br />
Unsicherheit, die <strong>de</strong>n Menschen<br />
gleichzeitig viel Mobilität und<br />
Flexibilität abverlangt. Ist<br />
das nötig, um überhaupt in <strong>de</strong>r<br />
Arbeitswelt <strong>de</strong>r Zukunft bestehen<br />
zu können?<br />
Wenn es so weitergeht wie bisher,<br />
dann ja.<br />
Gibt es <strong>de</strong>nn überhaupt eine Alternative?<br />
Die gibt es. Zurzeit fin<strong>de</strong>t ein Um<strong>de</strong>nken<br />
statt. Wenn ich wissen will, wo es<br />
hingeht, dann frage ich die Studieren<strong>de</strong>n<br />
in einer Großstadt. Das sind die<br />
Trendpioniere <strong>de</strong>r Zukunft.<br />
Je ehrgeiziger und<br />
zielstrebiger man an<br />
seiner Karriere arbeitet,<br />
<strong>de</strong>sto größer ist<br />
die Angst vorm Abrutschen.<br />
Doch für<br />
viele Absolventen<br />
und junge Berufstätige<br />
sind heute Familie<br />
und Freizeit wichtiger<br />
als ein grandioses<br />
Gehalt und ein<br />
dicker Dienstwagen.<br />
Sie wollen erst gar<br />
nicht so hoch hinaus<br />
o<strong>de</strong>r rutschen freiwillig<br />
runter. Das<br />
nennt man Downshiften.<br />
Fotos: dpa<br />
Und was sagen die Ihnen?<br />
Bei <strong>de</strong>r Lebenszielplanung steht die Karriere<br />
nicht mehr an oberster Stelle, son<strong>de</strong>rn<br />
das Gleichgewicht <strong>von</strong> Privat- und<br />
Berufsleben.<br />
Wie kam es zu <strong>de</strong>m Wan<strong>de</strong>l?<br />
Die junge Generation nimmt eine Güterabwägung<br />
vor und stellt fest: Der Karrierismus<br />
allein bringt keine Lebenserfüllung.<br />
In <strong>de</strong>r <strong>de</strong>rzeitigen Arbeitswelt<br />
wird man als Person geopfert.<br />
Stimmt ja auch, sonst wird <strong>de</strong>r Job-<br />
Noma<strong>de</strong> Wirklichkeit.<br />
Deshalb auch <strong>de</strong>r verständliche Wi<strong>de</strong>rstand<br />
<strong>de</strong>r jungen Generation gegen die<br />
gegenwärtige Arbeitswelt.<br />
Hat dieser Wi<strong>de</strong>rstand die Chance, sich<br />
durchzusetzen?<br />
Absolut, zum Beispiel durch innere<br />
Kündigung o<strong>de</strong>r heimlichen Ausstieg.<br />
Was wären die Folgen?<br />
Bei <strong>de</strong>n Führungskräften <strong>de</strong>r Zukunft<br />
fehlt dann <strong>de</strong>r letzte Einsatz und Leistungswille.<br />
Die ultimative Auspowerung<br />
fin<strong>de</strong>t nicht mehr statt. Man sagt<br />
„Das Bild <strong>de</strong>s Wan<strong>de</strong>rarbeiters<br />
mit Rollcontainer wird <strong>de</strong>n<br />
Arbeitnehmern <strong>auf</strong>gezwängt“<br />
sich: Lieber reduziere ich meine Karriereansprüche<br />
und bleibe in <strong>de</strong>r zweiten<br />
Reihe. Dann kann ich wenigstens noch<br />
in <strong>de</strong>n Spiegel schauen – und mein eigenes<br />
Lebenskonzept verwirklichen.<br />
Also eine Form <strong>de</strong>s Wi<strong>de</strong>rstands gegen<br />
das bestehen<strong>de</strong> System.<br />
Es ist eine Revolution und Evolution zugleich<br />
– verbun<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>m Wan<strong>de</strong>l vom<br />
quantitativen zum nachhaltigen Wohlstands<strong>de</strong>nken.<br />
Die Formel lautet: Lieber<br />
gut leben, statt viel haben.<br />
Sein statt Haben.<br />
Ja, weg vom einseitig materiellen, nur<br />
ökonomischen Denken hin zum Gleichgewicht<br />
<strong>de</strong>s Lebens.<br />
Warum kommt diese Revolution ausgerechnet<br />
jetzt?<br />
Weil die Menschen erkennen, dass sie<br />
<strong>de</strong>r permanente Kampf um mehr Geld<br />
um keinen Deut glücklicher macht –<br />
eher unglücklicher.<br />
Aber warum gera<strong>de</strong> jetzt?<br />
Verän<strong>de</strong>rungen kün<strong>de</strong>n sich immer<br />
in Krisenzeiten an. Solange die<br />
Arbeitswelt Anreize bereitstellen<br />
kann, die zum Wohlleben beitragen,<br />
<strong>de</strong>nkt man nicht groß darüber<br />
nach. Dann ist man im Hype <strong>de</strong>s<br />
Aufstiegs gefangen. Das konnten<br />
wir in <strong>de</strong>n achtziger und neunziger<br />
Jahren beobachten: Es ging<br />
immer nur <strong>auf</strong>wärts, bis die<br />
Luftblase <strong>de</strong>r New Economy<br />
platzte. Seither kann die<br />
Arbeitswelt diese Garantie<br />
nicht mehr einlösen.<br />
Viele wer<strong>de</strong>n arbeitslos.<br />
So ist es. Aber wer gut ausgebil<strong>de</strong>t<br />
ist, <strong>de</strong>n trifft es<br />
zuletzt.
Innovation trifft Tradition.<br />
Innovation entsteht bei uns<br />
aus Tradition. Das heißt: über<br />
90 Jahre Trends erkennen,<br />
brillante I<strong>de</strong>en entwickeln,<br />
neue Wachstumsmärkte<br />
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wir <strong>von</strong> <strong>de</strong>r Vielseitigkeit<br />
unserer Teams: unterschiedlichen<br />
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<strong>de</strong>n eigenen Tellerrand<br />
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Committen Sie sich, aber asap!<br />
Habe nun, ach, Firmenphilosophie studiert, Juristerei und Betriebswirtschaft. Und stehe, vor Fachwissen strotzend,<br />
da wie ein Tor, weil ich keine Ahnung habe, wo<strong>von</strong> die neuen Kollegen eigentlich re<strong>de</strong>n. Ein kleines Job-ABC für Anfänger<br />
A<br />
Asap. Abkürzung <strong>von</strong><br />
„As soon as possible“,<br />
und das heißt schnurstracks,<br />
am besten gestern. Das<br />
Kürzel hat nato-olivgrüne Wurzeln.<br />
Die korrekte Antwort <strong>auf</strong>:<br />
„Bringen Sie das asap in Ordnung“<br />
lautet also kurz und zackig:<br />
„YesSirMam!“. Vielleicht<br />
geht’s dann beim nächsten Mal<br />
ein bisschen freundlicher.<br />
B<br />
Benchmark. Vergleichen<strong>de</strong><br />
Wissenschaft<br />
<strong>de</strong>r Prozessoptimierer<br />
im Unternehmen: Sie ermitteln,<br />
was die Konkurrenz billiger<br />
o<strong>de</strong>r besser o<strong>de</strong>r schneller leistet<br />
und erheben die gefun<strong>de</strong>ne<br />
B. zum eigenen Ziel.<br />
C<br />
Commitment. Managers<br />
Lieblingswort mit<br />
zweifacher Be<strong>de</strong>utung.<br />
Vorgesetzte verstehen darunter<br />
die freiwillige, verbindliche Zusage<br />
ihrer Mitarbeiter, irgen<strong>de</strong>twas<br />
zu tun o<strong>de</strong>r zu lassen. Mitarbeiter<br />
verstehen darunter die<br />
sanktionsbewehrte Anweisung,<br />
BEWERBEN SIE<br />
SICH JETZT!<br />
irgen<strong>de</strong>twas tun o<strong>de</strong>r lassen zu<br />
müssen. Gängige Konjugation:<br />
Ich wer<strong>de</strong> committed, du wirst<br />
committed, er, sie, es wird committed<br />
. . .<br />
D<br />
Duck and Cover. Richtungsweisen<strong>de</strong>Variante<br />
<strong>von</strong> „Cover your<br />
Ass“. Be<strong>de</strong>utung: Möglichst tief<br />
in die Un<strong>auf</strong>fälligkeit abtauchen<br />
und sich dadurch in Sicherheit<br />
bringen. Als Überlebensstrategie<br />
bei Übernahmen und<br />
Firmenfusionen nicht zu empfehlen.<br />
Wo viele grün<strong>de</strong>ln, verfängt<br />
man sich leicht im<br />
Schleppnetz.<br />
E<br />
Einstielen. Typische<br />
Mittelmanagervokabel<br />
<strong>von</strong> unbekannter Herkunft,<br />
dafür aber um so weiterer<br />
Verbreitung. Steht für Planen,<br />
Organisieren, Vorbereiten<br />
und in Gang setzen. Wenn das<br />
Ziel annähernd in Sicht ist<br />
(o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Eindruck <strong>de</strong>ssen erzeugt<br />
wer<strong>de</strong>n soll), wird <strong>de</strong>r<br />
Rest „eingetütet“.<br />
Master of Arts / Master of Science<br />
International Management · Strategic Marketing Management ·<br />
Finance · Strategic Tourism Management<br />
F<br />
FTE. Abkürzung für<br />
„Full Time Equivalent“.<br />
Entspricht einer<br />
Vollzeitarbeitskraft mit einer<br />
Arbeitszeit <strong>von</strong> etwa 40 Wochenstun<strong>de</strong>n,<br />
spricht und rechnet<br />
sich aber viel flüssiger. In<br />
einer amorphen Masse geben<br />
sich FTE’s leicht als überflüssig<br />
zu erkennen.<br />
G<br />
Get-together. Formelles<br />
(Anzug) o<strong>de</strong>r informelles<br />
(E<strong>de</strong>ljeans) Treffen<br />
im Kollegenkreis, <strong>auf</strong> das<br />
keiner so richtig Lust hat. Wird<br />
vom Chef gern angeordnet, um<br />
sich einen Karrierepunkt in Mitarbeitermotivation<br />
und in <strong>de</strong>r<br />
Einholung <strong>von</strong> -> Commitments<br />
zu verdienen. Am nächsten<br />
Tag kann sich niemand<br />
mehr daran erinnern.<br />
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tatsächliche Plan, <strong>de</strong>r<br />
sich hinter <strong>de</strong>m nach<br />
außen hin verkün<strong>de</strong>ten verbirgt.<br />
Wird <strong>von</strong> einem o<strong>de</strong>r mehreren<br />
Managern so lange als<br />
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geheime Kommandosache unter<br />
Verschluss gehalten, bis die<br />
Gerüchte in eine völlig an<strong>de</strong>re<br />
Richtung überkochen. Der Versuch,<br />
die Wogen zu glätten,<br />
wird dann meist so verk<strong>auf</strong>t:<br />
„Wir wollten die Belegschaft<br />
nicht in Unruhe versetzen.“<br />
I<br />
Incentive. Anreiz für<br />
mehr, höhere, kostengünstigere<br />
o<strong>de</strong>r schnellere<br />
Leistung. In Absicht und<br />
Wirkung vergleichbar <strong>de</strong>r Mohrrübe<br />
beim Grautier: Hat <strong>de</strong>r<br />
Esel Hunger, dann wird sie emsig<br />
gefüttert; hat er keinen,<br />
dann bleibt sie links liegen. Was<br />
<strong>de</strong>n Schluss zulässt: Incentives<br />
funktionieren <strong>auf</strong> Dauer nur<br />
bei a) hungrigen o<strong>de</strong>r b) Eseln.<br />
J<br />
Jour fixe. In regelmäßigen<br />
Zeitintervallen<br />
stattfin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>s Meeting<br />
mit <strong>de</strong>m Sinn, alle Beteiligten<br />
stets <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m L<strong>auf</strong>en<strong>de</strong>n („à<br />
jour“) zu halten. Talentierte<br />
Netzwerker lassen sich dort<br />
allenfalls zur Gesichtspflege<br />
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Karriere. Für viele<br />
eine feine Sache, aber<br />
nicht zu verwechseln<br />
mit <strong>de</strong>m englischen Begriff „Career“,<br />
<strong>de</strong>r für „beruflicher Wer<strong>de</strong>gang“<br />
steht. Zu einer Karriere<br />
im <strong>de</strong>utschen Sinn gehören<br />
ein Eckbüro, ein Dienstwagen,<br />
eine Assistentin und eine <strong>von</strong><br />
<strong>de</strong>r Firma bezahlte Haftpflichtversicherung<br />
gegen jedwe<strong>de</strong>n<br />
Anspruch <strong>auf</strong>grund <strong>von</strong> Fehlentscheidungen.<br />
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<strong>de</strong>r verstorbenen Lehman<br />
Brothers gefragt. Noch ist<br />
ungewiss, ob das eine gute o<strong>de</strong>r<br />
schlechte Nachricht ist.<br />
Information Day<br />
April 23, 2009<br />
Member of
Uni&Job arbeiten 31<br />
M<br />
Meilenstein. Nicht nur<br />
im Projektmanagement<br />
ein ein<strong>de</strong>utig <strong>de</strong>finiertes<br />
und überprüfbares Zwischenergebnis,<br />
das am En<strong>de</strong><br />
eines wichtigen Abschnitts erzielt<br />
wer<strong>de</strong>n muss. Wird <strong>de</strong>r Meilenstein<br />
verfehlt, kann die Sache<br />
unter Gesichtswahrung <strong>de</strong>r<br />
Verantwortlichen still und leise<br />
abgeblasen wer<strong>de</strong>n. Gilt <strong>de</strong>shalb<br />
auch als Sollbruchstelle.<br />
N<br />
No-Go. Ablehnung<br />
eines Vorschlages o<strong>de</strong>r<br />
Absage an einen zuvor<br />
beschlossenen o<strong>de</strong>r zumin<strong>de</strong>st<br />
länger diskutierten Plan. Wird<br />
<strong>von</strong> höherer Warte immer dann<br />
verkün<strong>de</strong>t, wenn das einzugehen<strong>de</strong><br />
Risiko die Erfolgsaussichten<br />
übersteigt. Ist in <strong>de</strong>r Praxis<br />
allerdings nur dann <strong>von</strong> Be<strong>de</strong>utung,<br />
wenn die Entschei<strong>de</strong>r sicher<br />
sein können, beim Ausgang<br />
<strong>de</strong>s Vorhabens noch <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m<br />
Posten zu sein.<br />
O<br />
Onboarding. Integration<br />
neuer Mitarbeiter in<br />
ein bestehen<strong>de</strong>s Team.<br />
Konstituieren<strong>de</strong> Elemente <strong>de</strong>r<br />
Anbordnahme sind a) <strong>de</strong>r Rundgang<br />
durch die Firma mit <strong>de</strong>m<br />
neuen Chef, b) das Lunch mit<br />
«<br />
<strong>de</strong>m Mentor und c) <strong>de</strong>r abendliche<br />
Umtrunk mit <strong>de</strong>n Kollegen.<br />
Vorsicht: Wenn dieser freundliche<br />
Anglizismus sich in sein<br />
<strong>de</strong>utsches Gegenteil verkehrt,<br />
läuft man Gefahr, ausgebootet<br />
zu wer<strong>de</strong>n.<br />
P<br />
Prozess. Gol<strong>de</strong>nes<br />
Kalb <strong>de</strong>r amtieren<strong>de</strong>n<br />
Entschei<strong>de</strong>r-Generation.<br />
Prozesse sollen schlank,<br />
schnell und geschmeidig durch<br />
das Unternehmen l<strong>auf</strong>en und<br />
<strong>de</strong>n Mitarbeitern somit als Vorbild<br />
dienen. Die I<strong>de</strong>e dahinter:<br />
Wenn sich <strong>de</strong>r Prozess än<strong>de</strong>rt,<br />
än<strong>de</strong>rt sich <strong>de</strong>r Mitarbeiter einfach<br />
mit. Das rechnet sich. Weigert<br />
sich Mitarbeiter, muss er<br />
mit Verän<strong>de</strong>rungen rechnen.<br />
Q<br />
Quick and dirty. Hingehu<strong>de</strong>lt,<br />
wie die<br />
Schwaben sagen.<br />
Weckt wehmütige Erinnerungen.<br />
Wie einst, als die Mama<br />
energisch um Ordnung im Kin<strong>de</strong>rzimmer<br />
bat: Klamotten in<br />
<strong>de</strong>n Schrank, Kippen aus <strong>de</strong>m<br />
Fenster und an <strong>de</strong>n sichtbaren<br />
Stellen <strong>de</strong>n Staub weggepustet.<br />
Macht kurzfristig starken Eindruck<br />
<strong>auf</strong> Vorgesetzte. Langfristig<br />
wienert <strong>de</strong>r Nachfolger.<br />
R<br />
Rating. Fa<strong>de</strong>nscheinige<br />
und oft subjektive<br />
Einschätzung <strong>de</strong>r Kreditwürdigkeit<br />
eines Schuldners.<br />
Es wird diskutiert, das Rating<br />
auch <strong>auf</strong> die Personalbeurteilung<br />
anzuwen<strong>de</strong>n: Schließlich<br />
schul<strong>de</strong>t <strong>de</strong>r Mitarbeiter die vereinbarte<br />
Arbeitsleistung. Umgekehrt<br />
„ratet“ das Personal auch<br />
seinen Arbeitgeber. Feinsinnig<br />
nennt man das aber nicht Employer<br />
Rating, son<strong>de</strong>rn Employer<br />
Branding.<br />
S<br />
SLA. Kurz für „Service<br />
Level Agreement“: Mit<br />
einem schriftlichen<br />
-> Commitment besiegelte Vereinbarung<br />
über zu liefern<strong>de</strong><br />
Dienst- und Leistungsumfänge.<br />
Kann durch ausgefeilte -> Prozesse<br />
viel besser gesteuert und<br />
kontrolliert wer<strong>de</strong>n als die frühere<br />
Auftragsbeschreibung.<br />
Ganz gewiss.<br />
T<br />
Promotion Dr. scient. med. und MD-PhD<br />
E-Master in Vermögensrecht (LL.M.)<br />
E-Master in Mediation<br />
und Konfliktmanagement (M.M.)<br />
Die UFL bietet eine einzigartige<br />
Möglichkeit, berufsbegleitend und<br />
praxisorientiert <strong>von</strong> hervorragen<strong>de</strong>n<br />
und renommierten Dozenten<br />
unterrichtet zu wer<strong>de</strong>n.<br />
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Dr. med. Alexan<strong>de</strong>r Vonbank, Frastanz, Österreich<br />
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Telko. Mo<strong>de</strong>rn und<br />
wichtig klingen<strong>de</strong> Abkürzung<br />
für Telefonkonferenz.<br />
Fin<strong>de</strong>t täglich und<br />
überall statt und spart erhebliche<br />
Reisekosten. Auch in einer<br />
Telko kann man sich als Aufstiegskandidat<br />
positionieren.<br />
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Die Grundregel <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m Catwalk<br />
für Verbalstrategen: Niemals<br />
husten, selten Nein sagen<br />
und nur <strong>de</strong>m Chef beipflichten,<br />
gerne mit <strong>de</strong>m Hinweis: „Wenn<br />
ich noch ergänzen darf . . .“<br />
U<br />
Un<strong>de</strong>rperformer.<br />
Sprachliche Camouflage<br />
für Schlecht- o<strong>de</strong>r<br />
Min<strong>de</strong>rleister. Wer es zu diesem<br />
Ruf geschafft hat, sollte sich<br />
schleunigst nach einem neuen<br />
Hafen umsehen und an<strong>de</strong>rswo<br />
an Bord gehen (-> Onboarding).<br />
V<br />
Vorstand. Höchstes<br />
Entschei<strong>de</strong>rgremium<br />
für alle betrieblichen<br />
Belange, das nur <strong>de</strong>m Aufsichtsrat<br />
gegenüber Re<strong>de</strong> und Antwort<br />
stehen muss. Wer lange genug<br />
im Vorstand gestan<strong>de</strong>n hat,<br />
darf sich setzen und wird Vorstandsvorsitzen<strong>de</strong>r.<br />
W<br />
Win-win. Eine Konstellation,<br />
aus <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong><br />
Parteien Gewinn ziehen.<br />
Gilt völlig zu Unrecht als<br />
die optimale Lösung, weil in <strong>de</strong>r<br />
Praxis damit niemand richtig<br />
glücklich ist. Außer <strong>de</strong>m entscheidungsschwachenVorgesetzten<br />
vielleicht, <strong>de</strong>r sich so<br />
um einen Top- o<strong>de</strong>r Hopp-Beschluss<br />
drücken kann.<br />
X<br />
X. Wie in <strong>de</strong>r Mathematik<br />
eine unbekannte<br />
Größe, die einen quantitativen<br />
o<strong>de</strong>r qualitativen Wert<br />
annehmen kann. Macht Gleichungen<br />
im Management zu<br />
einem wahren Kin<strong>de</strong>rspiel. Beispiel:<br />
„Wenn wir X Millionen<br />
da<strong>von</strong> absetzen, können wir Y<br />
Dollar dafür einsetzen. Machen<br />
wir’s doch einfach!“<br />
Y<br />
YABA. Yet another<br />
bloody acronym. Auf<br />
gut Deutsch: Noch so<br />
eine dämliche Abkürzung.<br />
Z<br />
Zeitfenster. Begrenzte<br />
Frist zur Lösung bestimmter<br />
Aufgaben<br />
o<strong>de</strong>r zur Bewältigung <strong>von</strong> Herausfor<strong>de</strong>rungen<br />
(niemals „Probleme“).<br />
Ist selbstverständlich<br />
immer zu knapp geschnitten,<br />
was ab einem gewissen Zeitpunkt<br />
zur Häufung <strong>von</strong><br />
-> asaps führt. Was <strong>de</strong>r Begriff<br />
mit „Zeit“ zu tun hat, ist damit<br />
klar. Aber warum es ein „Fenster“<br />
sein muss?<br />
Übersetzt <strong>von</strong> Christine Demmer
32 arbeiten Uni&Job<br />
Beim nächsten Chef bleibt alles, wie es ist<br />
Viele Berufseinsteiger plagt <strong>de</strong>r Frust – <strong>de</strong>r Job ist langweiliger als gedacht, die Kollegen sind es auch.<br />
Früher hätte man sich einfach nach einer Alternative umgesehen. In <strong>de</strong>r Krise ist das aber riskant. Was also tun?<br />
Von Christine Demmer<br />
Was hat man sich nicht alles erhofft.<br />
Eine wichtige, spannen<strong>de</strong> und unglaublich<br />
herausfor<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Arbeit. Die tägliche<br />
Portion Anerkennung <strong>von</strong> <strong>de</strong>n Vorgesetzten.<br />
Nette Kumpels als Kollegen.<br />
Ein gutes Einkommen. Und dann hat<br />
man ihn tatsächlich gefun<strong>de</strong>n, seinen<br />
Traumjob – und fin<strong>de</strong>t ihn ganz, ganz,<br />
ganz schrecklich.<br />
Der Projektleiter ist doof, die Arbeit<br />
ätzend, die Kun<strong>de</strong>n frech, und die Kollegen<br />
quatschen einem ständig rein. So<br />
hatte man sich <strong>de</strong>n Einstieg in das Berufsleben<br />
wirklich nicht vorgestellt.<br />
„Beiß’ dich durch, schließlich ist die wirtschaftliche<br />
Situation im Moment alles<br />
an<strong>de</strong>re als super“, raten Eltern und Verwandte.<br />
Seit Menschenge<strong>de</strong>nken für<br />
<strong>de</strong>nselben Konzern tätig o<strong>de</strong>r beschei<strong>de</strong>n<br />
gewor<strong>de</strong>n, haben sie gut re<strong>de</strong>n.<br />
„Such’ dir was an<strong>de</strong>res“, empfiehlt die<br />
beste Freundin, öffnet <strong>de</strong>n Browser und<br />
knallt einen H<strong>auf</strong>en Stellenanzeigen <strong>auf</strong><br />
<strong>de</strong>n Tisch. „Bevor du uns auch noch mit<br />
<strong>de</strong>iner schlechten Laune ansteckst.“<br />
Man schenkt ihr einen dankbaren Blick.<br />
Recht hat sie. Ich such mir jetzt mein<br />
Ding. Frust im Job braucht niemand.<br />
Chancen nutzen –<br />
berufsbegleitend studieren.<br />
Die HFH bietet Ihnen an über<br />
40 Studienzentren in Deutschland<br />
und Österreich die Möglichkeit<br />
eines wohnortnahen und<br />
berufsbegleiten<strong>de</strong>n Studiums.<br />
7.500 Studieren<strong>de</strong> und mehr als<br />
2.000 Absolventen sind Ausdruck<br />
<strong>de</strong>s Vertrauens in unser bewährtes<br />
Fernstudienkonzept.<br />
For<strong>de</strong>rn Sie jetzt kostenlos Ihre<br />
Studienführer an.<br />
Wer sich nach kurzer Zeit im Job nicht wie<strong>de</strong>rzuerkennen glaubt, sollte seine Ansprüche<br />
<strong>de</strong>r Realität anpassen, sagen die Autoren Kitz und Tusch. Foto: Schulten<br />
„Frust im Job ist völlig normal“,<br />
behauptet dagegen ein Anwalt, <strong>de</strong>r neben<br />
Jura auch noch Psychologie studiert<br />
und als Drehbuchschreiber, Musiker<br />
und Lobbyist gearbeitet hat. Und ein<br />
Coach, <strong>de</strong>r früher als Wissenschaftler<br />
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(mo.-do. 8-18 Uhr, fr. 8-17 Uhr)<br />
und Unternehmensberater unterwegs<br />
war, pflichtet ihm bei. Bei<strong>de</strong> sind zwar<br />
erst knapp über dreißig. Aber beruflich<br />
haben Volker Kitz und Manuel Tusch<br />
schon so viel durchgemacht, dass sie nur<br />
mehr schmerzlich lächeln, wenn ihnen<br />
Eurocentres passt sich<br />
Ihrem Kopf an!<br />
jemand einre<strong>de</strong>n will, <strong>de</strong>r Traumjob liege<br />
mal eben um die Ecke.<br />
Die bei<strong>de</strong>n glauben das nämlich nicht.<br />
O<strong>de</strong>r besser: Sie behaupten in ihrem<br />
„Frustjobkillerbuch“, Traumjobs gebe<br />
es gar nicht. Keinen einzigen, nirgendwo,<br />
niemals. Das grünere Gras <strong>auf</strong> <strong>de</strong>r<br />
Nachbarwei<strong>de</strong>, das man sich versonnen<br />
im Labor und in langweiligen Meetings<br />
gedanklich ausmalt, sei nur eine Illusion.<br />
„Alle Jobs sind gleich“, beteuert Vol-<br />
Mehr als das Gehalt <strong>de</strong>s<br />
Vorstandsvorsitzen<strong>de</strong>n<br />
dürfte kaum drin sein<br />
ker Kitz, <strong>de</strong>r multiprofessionelle Jurist,<br />
„es ist egal, für wen Sie arbeiten.“<br />
Frustrieren<strong>de</strong>r noch als die Mäkelei<br />
über die momentane Arbeit sei die unerfüllte<br />
Sehnsucht nach einer neuen Stelle,<br />
die sich höchstwahrscheinlich ebenso<br />
wenig als das Gelbe vom Ei erweisen<br />
wür<strong>de</strong>. „Woan<strong>de</strong>rs ist es auch nicht besser“,<br />
bekräftigt Manuel Tusch, „nur<br />
eben an<strong>de</strong>rs.“ Zwei Jahre, sagen die<br />
Autoren, hätten sie für ihr Buch recherchiert.<br />
„Nur selten haben wir Menschen<br />
getroffen, die morgens in <strong>de</strong>r U-Bahn,<br />
> Sprach<strong>auf</strong>enthalte weltweit<br />
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Bachelor Medizinalfachberufe<br />
Physio.- , Ergotherapie, Altenpflege,<br />
Master<br />
Krankenpflege, Logopädie<br />
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Logopädie<br />
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Ergo-, Physiotherapie<br />
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Mo<strong>de</strong>-Design Biologie BTA<br />
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Uni&Job<br />
DEFGH | Wissen, wie man weiterkommt | 17. Oktober 2009<br />
Packeis und Pinguin Justus wird Forscher und bohrt Löcher in <strong>de</strong>n Südpol<br />
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Kontakt Süd<strong>de</strong>utsche Zeitung<br />
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Uni&Job arbeiten 33<br />
<strong>auf</strong> <strong>de</strong>m Weg zur Arbeit, ein glückliches<br />
Strahlen in ihren Augen hatten.“<br />
Das klingt erschreckend, eröffnet<br />
aber nach Kilz und Tusch Handlungsoptionen:<br />
Vom ersten Tag an, <strong>de</strong>n man<br />
im Job verbringt, soll man sich bemühen,<br />
die <strong>auf</strong>kommen<strong>de</strong>n Enttäuschungen<br />
wie ein Naturgesetz anzunehmen<br />
und wegzustecken. Gegen Dauerregen<br />
ist man ja auch machtlos. Zum motivatorischen<br />
Ausgleich legt man sich, je<br />
nach Temperament und Bankkonto,<br />
eine heruntergekommene Datsche zu<br />
o<strong>de</strong>r beginnt eine Doktorarbeit. „Was<br />
auch immer Sie in Ihrem Job stört, wer<br />
auch immer Sie an Ihrem Arbeitsplatz<br />
in <strong>de</strong>n Wahnsinn treibt: Bleiben Sie!“,<br />
beschwören Kitz und Tusch <strong>de</strong>n enttäuschten<br />
Einsteiger. „Die Stelle, die<br />
Sie haben, ist vermutlich die beste, die<br />
Sie je bekommen können.“<br />
Man darf gern und auch längere Zeit<br />
<strong>auf</strong> diesen Sätzen herumkauen. Aber<br />
sie sollten nicht wischfest <strong>auf</strong> <strong>de</strong>m<br />
Whiteboard im Büro vom Fatalismus<br />
<strong>de</strong>s Bewohners zeugen. Der Vorgesetzte<br />
könnte ins Grübeln kommen.<br />
Wer sich mit <strong>de</strong>r „So isses nun mal“-<br />
Variante schwer tut, kann <strong>de</strong>n zweiten,<br />
<strong>de</strong>n selbsttherapeutischen Weg ein-<br />
schlagen. Und darüber nach<strong>de</strong>nken,<br />
woher eigentlich die Unzufrie<strong>de</strong>nheit<br />
mit <strong>de</strong>m Job kommt. Denn wenn die Ursache<br />
<strong>de</strong>r Frustration erkannt ist, kann<br />
man dagegen angehen. Streiche Datsche,<br />
streiche Dissertation. Der Anwalt<br />
und <strong>de</strong>r Coach halten <strong>de</strong>n zweiten<br />
Weg für die weitaus bessere Metho<strong>de</strong>.<br />
Sie geht kin<strong>de</strong>rleicht. Man muss sich<br />
nur überlegen, warum man ursprünglich<br />
genau <strong>auf</strong> diesen Beruf hin studiert<br />
hat o<strong>de</strong>r <strong>auf</strong> jenen Betrieb verfallen<br />
ist, in <strong>de</strong>m es jetzt so gar nicht klappen<br />
will, und dann <strong>de</strong>n Realismus-<br />
Die Erwartungen <strong>von</strong> Familie<br />
und Freun<strong>de</strong>n nerven<br />
stärker als angenommen<br />
Mo<strong>de</strong> aus heutiger Warte zuschalten.<br />
Hatte man das große Geld im Blick?<br />
Mehr als das Gehalt <strong>de</strong>s Vorstandsvorsitzen<strong>de</strong>n<br />
dürfte kaum drin sein. Ging<br />
es um Status und Ansehen? Immer<br />
wird es jeman<strong>de</strong>n geben, <strong>de</strong>r einen<br />
noch höheren Status und noch mehr<br />
Ansehen genießt. Wollte man die Welt<br />
verbessern? Da bleibt <strong>de</strong>r Frust, Sisy-<br />
The Flagship Management Program<br />
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phos lässt grüßen, lei<strong>de</strong>r ohnehin nicht<br />
aus. „Mit <strong>de</strong>m I<strong>de</strong>alismus sind untrennbar<br />
beson<strong>de</strong>rs hohe Anfor<strong>de</strong>rungen an<br />
sich selbst verbun<strong>de</strong>n – und lei<strong>de</strong>r auch<br />
beson<strong>de</strong>rs unrealistische Erwartungen<br />
an <strong>de</strong>n Arbeitsalltag und an Erfolgserlebnisse“,<br />
sagt Volker Kitz. „Oft tragen<br />
überzogene Erwartungen die Schuld<br />
daran, wenn man sich in seinem Job<br />
nicht wohl fühlt. Gera<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Ausbildung<br />
bil<strong>de</strong>n sich bestimmte Grundvorstellungen:<br />
über das künftige Einkommen,<br />
über die Macht, über die Freiheit.<br />
Solange man noch nicht da ist, malt<br />
man sich das immer perfekt aus.“<br />
Als trübten die eigenen Erwartungen<br />
nicht schon genug <strong>de</strong>n Realitätssinn,<br />
so kommen auch noch die Ansprüche<br />
<strong>von</strong> Familie und Freun<strong>de</strong>n hinzu.<br />
„Du musst dich ständig verän<strong>de</strong>rn,<br />
darfst nicht stehenbleiben, dir keinen<br />
Stillstand erlauben, musst <strong>de</strong>n Traumjob<br />
fin<strong>de</strong>n“, zählt Kitz die Appelle <strong>auf</strong>,<br />
die ausgesprochen o<strong>de</strong>r insgeheim an<br />
Berufseinsteiger gerichtet wer<strong>de</strong>n.<br />
„Das ist in diesem Lebensabschnitt<br />
und auch danach kaum zu erreichen.<br />
Die Kunst besteht darin, seine Erwartungen<br />
mit <strong>de</strong>r Realität in Übereinstimmung<br />
zu bringen – aber nicht so zu sen-<br />
ken, dass man <strong>de</strong>motiviert wird.“ Die<br />
erste Frustphase im Job kommt etwa<br />
ein halbes Jahr nach Arbeitsbeginn. Gera<strong>de</strong><br />
dann, wenn man begriffen hat,<br />
wie <strong>de</strong>r Chef tickt und wohin <strong>de</strong>r Hase<br />
läuft. Jetzt schläft die Ernüchterung<br />
mit ganzer Kraft <strong>auf</strong> die anfängliche<br />
Begeisterung. Zuerst zweifelt man an<br />
Konfuzius sagt: Suche dir<br />
eine Arbeit, die du liebst, und<br />
du wirst keinen Tag arbeiten<br />
seiner Entscheidung, dann womöglich<br />
an sich selbst. Wie weicht man <strong>de</strong>r Depri-Falle<br />
aus? „Sich mit klarem Blick<br />
umschauen, wie es <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren geht“,<br />
rät Kitz, „aber nicht <strong>de</strong>nen, die schon<br />
seit 20 Jahren im Dauerfrust vor sich<br />
hin arbeiten, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>n gleich jungen<br />
Kollegen und solchen, die auch<br />
noch nicht so lange dabei sind.“<br />
Als vorbeugen<strong>de</strong> Maßnahme könnte<br />
man auch mal wie<strong>de</strong>r die fernöstlichen<br />
Philosophen studieren. „Suche dir eine<br />
Arbeit, die Du liebst“, empfiehlt Konfuzius,<br />
„und du brauchst keinen einzigen<br />
Tag zu arbeiten.“<br />
Master-Studium<br />
neben <strong>de</strong>m Beruf<br />
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Business Administration<br />
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Master of Arts (M.A.)<br />
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34 staunen Uni&Job<br />
Blubb, ich bin ein Schlauberger<br />
In je<strong>de</strong>m Seminar hockt min<strong>de</strong>stens einer dieser eloquenten Guidos, die einen in Angststarre versetzen.<br />
Dagegen hilft nur eines: selber lernen, wie man heiße Luft produziert<br />
Von Christina Wächter<br />
Wer nicht schon nach <strong>de</strong>m ersten Uni-<br />
Besuch völlig eingeschüchtert ist (so viel<br />
Geist und Geschichte, so schöne Treppengelän<strong>de</strong>r,<br />
so intelligent aussehen<strong>de</strong><br />
Kommilitonen), <strong>de</strong>n erwischt es normalerweise<br />
in <strong>de</strong>r ersten Stun<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Proseminars.<br />
Nicht nur steht da vorne ein<br />
echter Professor mit Krei<strong>de</strong> am Ellbogen<br />
und einem perfekt abgenutzten Tweed-<br />
Jackett; auch die Mitseminaristen erscheinen<br />
so klug und man selbst im Gegensatz<br />
dazu gera<strong>de</strong>zu min<strong>de</strong>rbemittelt.<br />
In meinem Fall hatte dieses Proseminar<br />
<strong>de</strong>n Titel „Einführung in die Sprachphilosophie<br />
I“. Im L<strong>auf</strong>e <strong>de</strong>r ersten zwei<br />
Stun<strong>de</strong>n verwan<strong>de</strong>lte ich mich in ein<br />
angststarres Kaninchen und erwog in<br />
<strong>de</strong>n dar<strong>auf</strong>folgen<strong>de</strong>n Tagen eine radikale<br />
Neufokussierung meines Lebens in<br />
Richtung Raumpflege o<strong>de</strong>r Systemgastronomie.<br />
Nie, niemals wür<strong>de</strong> ich das<br />
Niveau <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren erreichen können!<br />
Dass ich dann doch nicht gleich in <strong>de</strong>r<br />
zweiten Woche mein Studium <strong>auf</strong>gab,<br />
verdanke ich einem Kommilitonen, <strong>de</strong>r<br />
bis heute nichts <strong>von</strong> seinem Einfluss <strong>auf</strong><br />
meine aka<strong>de</strong>mische L<strong>auf</strong>bahn weiß.<br />
Dieser junge Mann, nennen wir ihn<br />
Guido, re<strong>de</strong>te und re<strong>de</strong>te, und wenn<br />
<strong>de</strong>r Professor mal kurz zu Wort<br />
kam, dann nahm Guido das zum<br />
Anlass, noch ein bisschen mehr zu<br />
re<strong>de</strong>n. Guido erzählte nicht einfach<br />
o<strong>de</strong>r stellte Fragen, Guido<br />
stellte Behauptungen <strong>auf</strong> und erschien<br />
mir dabei überaus schlau,<br />
selbstbewusst und kompetent.<br />
Aus lauter Verzweiflung über<br />
meine eigene Dummheit und<br />
weil ich dank Guidos Re<strong>de</strong>schwall<br />
eh nicht viel notieren konnte, begann<br />
ich, seinen Ergüssen zuzuhören und stellte<br />
nach und nach fest, dass Guidos angebliche<br />
Superintelligenz, die ich ihm<br />
Stufe drei: <strong>de</strong>n Gegner durch<br />
stakkatoartiges Hervorbrüllen<br />
<strong>von</strong> Fachtermini ausschalten<br />
großzügig unterstellt hatte, vor allem darin<br />
bestand, die Sätze <strong>de</strong>s Dozenten fast<br />
wortlaut zu wie<strong>de</strong>rholen und sie dabei<br />
als eigene Erkenntnisse zu verk<strong>auf</strong>en.<br />
Diese Einsicht traf mich wie ein Blitz:<br />
Neben <strong>de</strong>n zwei, drei wirklich schlauen<br />
Mitstu<strong>de</strong>nten saß eine Menge ganz normaler<br />
Menschen da neben mir in diesem<br />
Raum, die nicht intelligenter waren als<br />
ich. Sie beherrschten nur im Gegensatz<br />
zu mir schon eine wichtige Stu<strong>de</strong>nten-<br />
Disziplin: Sie konnten bluffen und betrieben<br />
diesen Sport mit einer bewun<strong>de</strong>rnswerten<br />
Ausdauer.<br />
Im L<strong>auf</strong>e meiner Feldstudien, die bis<br />
zum En<strong>de</strong> meines nicht gera<strong>de</strong> im<br />
Schnelldurchl<strong>auf</strong> absolvierten Studiums<br />
andauerten, stellte ich fest, dass es<br />
verschie<strong>de</strong>ne Formen <strong>de</strong>s Bluffens gibt,<br />
die sich in drei Hauptgruppen unterteilen<br />
lassen: Die Blen<strong>de</strong>r, die ihre Ahnungslosigkeit<br />
vorzüglich durch möglichst<br />
häufige Erwähnung ihrer Lebenserfahrungen<br />
überblen<strong>de</strong>n; die Ablenker,<br />
die je<strong>de</strong>s Thema immer wie<strong>de</strong>r <strong>auf</strong> die<br />
paar Fakten herunterbrechen, die sie<br />
herbeten können. Und die Fortgeschrit-<br />
Und dann fing ich an, haarsträuben<strong>de</strong> Behauptungen <strong>auf</strong>zustellen. Das stärkte mein Selbstbewusstsein.<br />
tenen, die durch stakkatoartiges Hervorbrüllen<br />
<strong>von</strong> Fachtermini <strong>de</strong>n Gesprächspartner<br />
zur Verzweiflung und dazu bringen,<br />
die Kommunikation abzubrechen.<br />
Und dann begann ich irgendwann,<br />
selbst zu bluffen. Wenn mir nach Mitarbeit<br />
war, mel<strong>de</strong>te ich mich zu Wort, verwen<strong>de</strong>te<br />
pro Satz drei Fachbegriffe, die<br />
ich abends kurz vor <strong>de</strong>m Schlafen im<br />
Fremdwörterlexikon nachgeschlagen<br />
hatte, und kam damit durch. Immer.<br />
Bluffen brachte mich weiter, es half<br />
mir, mein Selbstbewusstsein <strong>auf</strong>zupolieren,<br />
und vor allem fühlte ich mich<br />
wie eine wirkliche Stu<strong>de</strong>ntin. Und auch<br />
außerhalb <strong>de</strong>r Uni konnte ich <strong>auf</strong> einmal<br />
beim Erwachsenenspiel mitmachen.<br />
In Diskussionen mit Freun<strong>de</strong>n stellte<br />
ich haarsträuben<strong>de</strong> Behauptungen <strong>auf</strong>,<br />
in Kneipenrun<strong>de</strong>n spielte ich mentales<br />
Armdrücken mit an<strong>de</strong>ren Schlaubergern,<br />
und in Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen mit<br />
Vorgesetzten blieb ich ebenfalls erstaunlich<br />
ruhig. Denn ich wusste, dass wir alle<br />
nur ein Spiel spielen: „So tun als ob“ ist<br />
eine <strong>de</strong>r häufigsten Verhandlungsstrategien<br />
im Erwachsenenleben. Wir tun so,<br />
als wären wir reizend und strotzten nur<br />
so vor Charme und Witz, wenn wir einen<br />
Menschen dazu bringen wollen, uns zu<br />
Illustration: Sylvia Neuner<br />
lieben. Wir tun so, als hätten wir alles im<br />
Griff, wenn <strong>de</strong>r Chef am Schreibtisch<br />
vorbeikommt, auch wenn wir in Wahrheit<br />
in <strong>de</strong>r letzten halben Stun<strong>de</strong> nicht<br />
mal ein lächerliches Solitär-Spiel gegen<br />
<strong>de</strong>n Computer gewonnen haben. Wir tun<br />
so, als wüssten wir, wie das mit <strong>de</strong>m Erwachsensein<br />
funktioniert, obwohl wir in<br />
Wahrheit vor lauter Angst vor <strong>de</strong>m Arzt,<br />
<strong>de</strong>m Finanzamt und <strong>de</strong>r Verantwortung<br />
nachts nicht schlafen können. Denn wir<br />
haben keine Alternative. Wir müssen so<br />
lange tun als ob, bis wir es uns selbst<br />
glauben. Dann können wir es vielleicht<br />
irgendwann wirklich.
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die wir optimal <strong>auf</strong> die Anfor<strong>de</strong>rungen unserer Branche<br />
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<strong>de</strong>r geschäftlichen Aktivitäten unserer Filialen zuständig.<br />
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