06.12.2012 Aufrufe

Michael Gehler Finis Neutralität? - Archive of European Integration

Michael Gehler Finis Neutralität? - Archive of European Integration

Michael Gehler Finis Neutralität? - Archive of European Integration

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

48<br />

<strong>Michael</strong> <strong>Gehler</strong><br />

te Helsinki damit als Vorbild. Doch war dieser Reduktionsprozeß nicht ohne<br />

innenpolitischen Widerspruch verlaufen. „<strong>Neutralität</strong>“ war eng verknüpft<br />

mit schwedischer Sozialstaatlichkeit und Wohlfahrtspolitik, dem<br />

vielzitierten „Folkshemmet“ („Volksheim“). In der Vergangenheit war das<br />

„konservativ-kapitalistische“ Europa <strong>of</strong>tmals gegen das „sozialdemokratische“<br />

schwedische Gesellschaftsmodell ausgespielt worden. Das von Ministerpräsident<br />

Tage Erlander 1961 überlieferte Diktum von der Unvereinbarkeit<br />

von <strong>Neutralität</strong>spolitik und EWG-Mitgliedschaft verlor aber nun<br />

sichtlich an Gültigkeit. Die seit Ende der 80er Jahre einsetzende Wegorientierung<br />

von der <strong>Neutralität</strong> wurde von einer relativ unreflektierten Europa-<br />

Euphorie überlagert. Die kommunistische Opposition klagte zwar den<br />

Schutz sozialstaatlicher Errungenschaften und damit indirekt die Aufrechterhaltung<br />

der jahrzehntelangen wohlfahrtsstaatlichen Unterfütterung der<br />

schwedischen <strong>Neutralität</strong> ein. Die bürgerliche Vierparteien-Regierung<br />

(1991-1994) unter Ministerpräsident Carl Bildt argumentierte aber mit einem<br />

ausgeprägt sicherheitspolitisch definierten <strong>Neutralität</strong>sbegriff, der einen<br />

EG-Beitritt nicht ausschließen sollte. Publizistische Schein-<br />

Rückzugsmanöver von Ministerpräsident Ingvar Carlsson im Jahr 1990<br />

hatten bereits über den sich anbahnenden Schwenk der schwedischen Politik<br />

nicht hinwegtäuschen können. Die Debatte war zunächst kaum in der<br />

Öffentlichkeit, sondern im Grunde nur auf Elitenebene ausgetragen worden.<br />

Die Veränderungen in Mittel- und Osteuropa, die sich abzeichnende<br />

Schaffung des „Binnenmarkts“ und der Druck der Währungsmärkte auf die<br />

schwedische Krone, die sich in einer Krise befand, sowie der Wunsch, eine<br />

Flucht von Investitionskapital zu verhindern, zwangen zur Kursänderung.<br />

Nach außen wurden die EWR-Verhandlungen noch unter der Prämisse geführt,<br />

daß damit kein EG-Beitritt verbunden sei. Bereits 1991 wurde dieser<br />

aber immer unverhohlener als vereinbar mit der <strong>Neutralität</strong> bezeichnet und<br />

von „alliansfrihet“ („Blockfreiheit“) gesprochen, die für Schwedens Interessen<br />

nun geeigneter schien. Am 1. Juli 1991 stellte Stockholm den EG-<br />

Beitrittsantrag - ohne <strong>Neutralität</strong>svorbehalt. Damit nahm es Abschied von<br />

der mit dem "Folkshemmet" eng verknüpften und gleichsam mythisch überhöhten<br />

<strong>Neutralität</strong>. Bo Stråth weist darauf hin, daß dieser Wandel als<br />

solcher nicht neu war, sondern einen Vorläufer in Form des „<strong>of</strong>fenen An-

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!