Michael Gehler Finis Neutralität? - Archive of European Integration
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<strong>Michael</strong> <strong>Gehler</strong><br />
durch die völkerrechtliche Begriffsbestimmung, nach der <strong>Neutralität</strong> die<br />
Summe aller Rechte und Pflichten ist, die aus der Nichtbeteiligung am<br />
Kriege resultieren. Während der Kerngehalt unverändert blieb, wurde strittig,<br />
was zu Rechten und Pflichten zählt. Kontroversen über „militärische“,<br />
„wirtschaftliche“, „moralische“, „bewaffnete“ oder „wohlwollende“ <strong>Neutralität</strong><br />
folgten. 3<br />
Zu ihren Funktionen und Dimensionen: Politisch bedeutet <strong>Neutralität</strong>,<br />
„keiner Partei anzugehören“; völkerrechtlich, sich zwischen zwei oder<br />
mehreren kriegführenden Staaten zu befinden und weder auf der einen<br />
noch auf der anderen Seite zu stehen. Dauerhafte <strong>Neutralität</strong> heißt, außerhalb<br />
von Krieg vorwirkend auch selbst in Friedenszeiten hinsichtlich möglicher<br />
zukünftiger Konflikte neutral zu sein. Hier ist nur von der äußeren,<br />
der politischen im Gegensatz zur inneren oder „theologischen“ <strong>Neutralität</strong><br />
die Rede. Letztere fand im innerstaatlichen Bereich, v.a. im Verhältnis politischer<br />
oder staatlicher Gewalt gegenüber gesellschaftlichen Gruppen und<br />
Einrichtungen sowie Institutionen (Gewerkschaften, Konfessionen, Kirchen,<br />
etc.), Anwendung. 4<br />
<strong>Neutralität</strong> war Reflex auf Krieg. Der Begriff taucht auf, als erste kriegsbezogene<br />
Verträge geschlossen werden. 5 Nach 1945 wurde auch der dem<br />
Völkerrecht nicht zuzurechnende Begriff „Blockfreiheit“ 6 üblich, die dauernder<br />
oder traditioneller <strong>Neutralität</strong> ähnelt. Für eigenständige Außenpolitik<br />
verzichteten die "Blockfreien" auf Zugehörigkeit zu Militärbündnissen.<br />
Das Verhalten der Blockfreien wurde auch pejorativ als Neutralismus 7 bezeichnet,<br />
eine tatsächliche oder unterstellte Haltung, die über <strong>Neutralität</strong><br />
3 Ebd., S. 320.<br />
4 Heinhard Steiner, <strong>Neutralität</strong>, in: ebd., S. 315-316.<br />
5 Vgl. Stephan Verosta, Die Geschichte des Völkerrechts, in: Alfred Verdross u.a.,<br />
Völkerrecht, Wien 51964, S. 35, mit Verweis auf einen Bündnisvertrag der Hethiter<br />
mit Babylon, in dem dessen <strong>Neutralität</strong> festgeschrieben wird.<br />
6 Paul Luif, <strong>Neutralität</strong> - Neutralismus - Blockfreiheit, Österreichische Zeitschrift für<br />
Politikwissenschaft (ÖZP), 8. Jg., Heft 3 (1979), S. 269-285, hier S. 273-279.<br />
7 Schweitzer, Völkerrechtliche Begriffsbildung und Ausgestaltung, S. 337; Luif,<br />
<strong>Neutralität</strong> - Neutralismus - Blockfreiheit, S. 277-278; Rainer Eger, <strong>Neutralität</strong> und<br />
Neutralismus als Möglichkeiten außenpolitischen Verhaltens, in: Gottfried-Karl<br />
Kindermann (Hg.), Grundelemente der Weltpolitik. Eine Einführung, München (3.<br />
Auflage) 1986, S. 292-307, hier S. 303-307.