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Michael Gehler Finis Neutralität? - Archive of European Integration

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<strong>Michael</strong> <strong>Gehler</strong><br />

<strong>Neutralität</strong> im Zweiten Golfkrieg 1990/91, 85 als mit der Verdross-Doktrin,<br />

benannt nach dem Wiener Völkerrechtsgelehrten Alfred Verdross, gebrochen<br />

wurde, die der <strong>Neutralität</strong> den Vorrang vor den Verpflichtungen der<br />

UNO-Satzungen eingeräumt hatte. Mit der Verpflichtung zur Kooperation<br />

im Rahmen der GASP (Vertrag von Maastricht) und der GESVP (Vertrag<br />

von Amsterdam) ist die österreichische <strong>Neutralität</strong> nicht mehr als „immerwährend“<br />

oder „dauernd“ zu bezeichnen. Die EU-Mitgliedschaft hat die<br />

„immerwährende“ <strong>Neutralität</strong> in ihren ausgeweiteten Randbereichen reduziert<br />

und zu bloßer Bündnislosigkeit herabgedrückt. Die bis heute noch<br />

nicht erfolgte Aufhebung des BVG würde die Etikettenwahrheit wiederherstellen<br />

86 - aber wie weit stimmt grundsätzlich in der Politik Etikett mit<br />

Wahrheit überein? Solange die Gesetzesnovellierung nicht erfolgt, bleibt<br />

Österreich rechtlich betrachtet weiterhin neutral.<br />

Sein Status war von Anfang an strittig gewesen, 87 schon weit vor dem EG-<br />

Beitrittsantrag unterschiedlich interpretiert, als „Mehrzweckinstrument“<br />

verwendet worden und daher einem vielschichtigen Wandlungsprozeß 88<br />

unterworfen. Mit ihrer öffentlichen Entsakralisierung in den 90er Jahren<br />

war somit nur ein scheinbarer Bruch gegeben, obwohl die Bevölkerung sie<br />

in Verkennung ihrer Wesensart und Überschätzung ihrer Funktion als conditio<br />

sine qua non überwiegend positiv beurteilte: In der <strong>of</strong>fiziellen Beto-<br />

85 Manfred Rotter, Von der integralen zur differentiellen <strong>Neutralität</strong>. Eine diskrete<br />

Metamorphose im Schatten des zweiten Golfkrieges,Europäische Rundschau, 19<br />

Jg., Heft 3 (1991), S. 23-36, hier S. 31-33; Hanspeter Neuhold, <strong>Neutralität</strong> zwischen<br />

Scylla und Charybdis. Österreichs Status in der Völkergemeinschaft: Gratwanderung<br />

unter heiklen Voraussetzungen, Die Presse, 6./7. April 1991; Sigmar<br />

Stadlmeier/Heinz Vetschera, Dauernde <strong>Neutralität</strong> und kollektive Sicherheit im<br />

Lichte des Golfkriegs 1990/1991, Österreichische Militärische Zeitschrift, 29. Jg.,<br />

Heft 4 (1991), S. 314-320.<br />

86 Theo Öhlinger, Manuskript über die österreichische <strong>Neutralität</strong>, 27. April 1999,<br />

freundlicherweise überlassen von Botschafter Dr. Franz Cede; vgl. auch den Beitrag<br />

von Erich Reiter, Neue Zürcher Zeitung, 16. September 1999.<br />

87 Maximilian Oswald, Wirtschaftliche <strong>Integration</strong> und österreichische <strong>Neutralität</strong> von<br />

1960 bis 1972, in: <strong>Gehler</strong>/Steininger (Hg.), Die Neutralen und die europäische <strong>Integration</strong><br />

1945-1995, S. 645-679, hier S. 648-656, bes. S. 651.<br />

88 Thomas Angerer, Für eine Geschichte der österreichischen <strong>Neutralität</strong>, in: <strong>Gehler</strong>/Steininger<br />

(Hg.), Die Neutralen und die europäische <strong>Integration</strong> 1945-1995, S.<br />

702-708, hier S. 706-707.

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