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Michael Gehler Finis Neutralität? - Archive of European Integration

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<strong>Michael</strong> <strong>Gehler</strong><br />

te Armee im Oktober und November 1956 sowie in der Bewältigung der<br />

daraus erwachsenden Flüchtlingsproblematik (ca. 180.000 Ungarn flohen<br />

nach bzw. durch Österreich), 78 während sie durch die Tschechenkrise 1968<br />

aufgrund einer erklärten und innenpolitisch nicht unumstrittenen Nichteinmischungspolitik<br />

sowie ihrer bereits einsetzenden Pr<strong>of</strong>ilierung als „aktive“<br />

<strong>Neutralität</strong>spolitik eine deutliche Aufwertung erlebte. 79<br />

In den 70er Jahren wurde sie „vorwirkend“, juristisch extensiv interpretiert<br />

und politisch-weltanschaulich überinterpretiert. Dieser Prozeß der bewußten<br />

Monumentalisierung und beginnenden Mythologisierung ist mit dem<br />

populistischen wie populären Sozialisten und Bundeskanzler Bruno Kreisky<br />

80 untrennbar verbunden, der dreimal die absolute Mehrheit (1971, 1975,<br />

1979) gewann. Österreichs <strong>Neutralität</strong> sollte nicht nur militärisch, sondern<br />

auch „umfassend“, d.h. geistig und sozial verteidigt, für die Bürger als<br />

Staatsideologie verbindlich und nach außen als „aktive“ Politik 81 betrieben<br />

werden. Wien stilisierte sich als „Brücke“, Begegnungsort und Vermittler<br />

zwischen Ost und West, was durch Ansiedlung internationaler Organisationen<br />

(OPEC), Anerkennung als dritter Sitz der Vereinten Nationen (IAEO,<br />

UNIDO, UNO-Konferenzzentrum) und Durchführung wichtiger Gipfel und<br />

Konferenzen (Chruschtschow-Kennedy, Ford-Breschnew, SALT und<br />

KSZE) auch konkreten Ausdruck fand. Die österreichische <strong>Neutralität</strong> blieb<br />

regional nicht auf den Ost-West-Gegensatz begrenzt, sondern wurde auch<br />

auf den Nahost- und den Nord-Süd-Konflikt ausgeweitet. Durch ihre uni-<br />

78 Eger, <strong>Neutralität</strong> und Neutralismus, S. 296-299; Manfried Rauchensteiner, Spätherbst<br />

1956. Die <strong>Neutralität</strong> auf dem Prüfstand, Wien 1981.<br />

79 Eger, <strong>Neutralität</strong> und Neutralismus, S. 299-302, hier S. 300 in Bezugnahme auf<br />

einen Vortrag des Außenministers Waldheim am 14. 11. 1968 in Wien; siehe hierzu<br />

auch Reinhard Meier-Walser, Die Außenpolitik der monocoloren Regierung Klaus<br />

in Österreich 1966-1970 (tuduv-Studien Reihe Politikwissenschaften 27), München<br />

1988, S. 418-446, hier S. 444.<br />

80 Bruno Kreisky, <strong>Neutralität</strong> und Koexistenz. Aufsätze und Reden. Mit einem Nachwort<br />

von Iring Fetscher, München 1975; zur Kritik vgl. auch Konrad Ginther, <strong>Neutralität</strong><br />

und <strong>Neutralität</strong>spolitik. Die österreichische <strong>Neutralität</strong> zwischen Schweizer<br />

Muster und sowjetischer <strong>Neutralität</strong>sdoktrin (Forschungen aus Staat und Recht 31),<br />

Wien - New York 1975 und Felix Ermacora, 20 Jahre Österreichische <strong>Neutralität</strong>,<br />

Frankfurt/Main 1975.<br />

81 Zur aktiven <strong>Neutralität</strong>spolitik, ihren Voraussetzungen und Funktionen vgl. Bindschedler,<br />

<strong>Neutralität</strong>spolitik und Sicherheitspolitik, S. 341-348.

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