Michael Gehler Finis Neutralität? - Archive of European Integration
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2. Längsschnitte<br />
18<br />
<strong>Michael</strong> <strong>Gehler</strong><br />
Im Längsschnitt-Verfahren können mit den Beispielen von Irland, Finnland,<br />
Schweden, der Schweiz und Österreich die eingangs aufgeworfenen<br />
Fragen zum Teil beantwortet werden. Dabei wird zunächst auf die Genesis<br />
ihrer <strong>Neutralität</strong>spolitik eingegangen.<br />
a) Irland<br />
Für Irland galt es, nationale Selbständigkeit und höchstmögliche äußere<br />
Souveränität, v.a. politische Autonomie vom übermächtigen britischen<br />
Nachbarn, zu erlangen. 47 Die „Irish Neutrality League“ während des Ersten<br />
Weltkrieges und die Politik von Ministerpräsident Éamon de Valera (Sinn<br />
Féin/Fianna Fáil) von 1932 bis 1948 dienten diesem Ziel. Am 6. Dezember<br />
1921 konstituierte sich der irische Freistaat als selbständiges Dominion<br />
durch einen Vertrag mit Großbritannien. 48 Die äußere Souveränität des Irish<br />
Free State wurde dann mit der Ratifizierung durch die Dáil Eireann am<br />
7. Januar 1922 wirksam, am 29. Dezember 1937 in der Verfassung der unabhängige<br />
Staat „Eire“ festgeschrieben und die staatliche Souveränität erweitert,<br />
was zum vollständigen militärischen Rückzug der Briten (Aufgabe<br />
der Royal Navy-Stützpunkte) führte. Irland blieb aber bis zur vollen Unabhängigkeit<br />
am 18. April 1949 noch Teil des Commonwealth. 49<br />
Während des Zweiten Weltkriegs erklärte Irland sich zwar neutral, konnte<br />
diesen Status aber nur aufgrund der peripheren Lage aufrechterhalten, so<br />
daß diesem auch in weiterer Folge doktrinär-weltanschauliche Züge fehlten.<br />
Irlands <strong>Neutralität</strong> blieb vage, unvollständig und beschränkt auf den<br />
bilateralen Konflikt mit London in der Nordirlandfrage. 50 Dies blieb für die<br />
47 Brian Girvin, National Interest, Irish Neutrality and the Limits <strong>of</strong> Ideology, in: <strong>Gehler</strong>/Steininger<br />
(Hg.), Die Neutralen und die europäische <strong>Integration</strong> 1945-1995, S.<br />
87-112, hier S. 88.<br />
48 Vgl. das Kapitel "Der lange und schwierige Weg in die Unabhängigkeit: Irland<br />
1916-1922", in: Jürgen Elvert, Geschichte Irlands, München 21996, S. 387-407,<br />
hier S. 405.<br />
49 Girvin, National Interest, Irish Neutrality and the Limits <strong>of</strong> Ideology, S. 89-95.<br />
50 Maurice FitzGerald, Irish Neutrality and <strong>European</strong> <strong>Integration</strong> 1960-1972, in: <strong>Gehler</strong>/Steininger<br />
(Hg.), Die Neutralen und die europäische <strong>Integration</strong> 1945-1995, S.<br />
153, 168; Pieper, <strong>Neutralität</strong> von Staaten, S. 252-254.