Michael Gehler Finis Neutralität? - Archive of European Integration
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<strong>Michael</strong> <strong>Gehler</strong><br />
III. <strong>Neutralität</strong> im Staatensystem Europas<br />
1. Grundsätzliche Fragen und Überlegungen<br />
Worauf gründete sich die <strong>Neutralität</strong> der Neutralen? Welche Rolle spielten<br />
sie im Kalten Krieg? Wie verhielten sie sich im Kontext der westeuropäischen<br />
<strong>Integration</strong>? Warum erachteten sie z.B. die EWG/EG-Mitgliedschaft<br />
als inkompatibel mit ihrer <strong>Neutralität</strong>, während die spätere EU-<br />
Zugehörigkeit als mit ihr vereinbar bezeichnet wurde - v.a. wenn man bedenkt,<br />
daß die EWG weniger integriert und neutralitätsrechtlich bedenklich<br />
war? Um diese Fragen zu beantworten, ist zunächst auf die Beziehungen<br />
zwischen Klein- und Großstaaten einzugehen. Sie waren von zwei beherrschenden<br />
Tendenzen gekennzeichnet: dem Willen der „Großen“, die „Kleinen“<br />
unter ihre Kontrolle, zumindest aber in ihren Einflußbereich zu bringen;<br />
dem stand der Wunsch der „Kleinen“ entgegen, sich diesen Bestrebungen<br />
zu entziehen und eine möglichst weitgehende Selbständigkeit zu<br />
erlangen. 41<br />
Kleinstaaten 42 hatten die Wahl zwischen folgenden Optionen: <strong>Neutralität</strong> -<br />
auferlegt („oktroyiert“/Oktroi) bzw. international abgesichert oder „frei<br />
gewählt“ (Voluntarismus) -; Bündnisse mit Nachbarstaaten (Regionalismus);<br />
und als Sonderform einer Bindung die europäische <strong>Integration</strong>. 43 Sie<br />
41 So die grundsätzliche Prämisse des für ein Teilvorhaben verantwortlichen Projektleiters<br />
Gilbert Trausch, Les rôles et la place des petits pays en Europe (de la Première<br />
Guerre mondiale à la fin de la Guerre froide), in: Les identités européennes<br />
au XXe siècle. Diversités, convergences et solidarités. Programme international de<br />
recherche avec le concours du Groupe de Liaison des pr<strong>of</strong>esseurs d'histoire<br />
contemporaine auprès de la Commission européenne, Institut Pierre Renouvin, Paris<br />
1998, S. 69-70.<br />
42 Vgl. v.a. für die Zeit nach 1945 die spezifischen Beiträge im Band von Otmar Höll<br />
(Ed.), Small States in Europe and Dependence (The Laxenburg Papers 6), Wien<br />
1983 und die Pilotstudie von Richard T. Griffiths/Helge O. Pharo, Small States and<br />
<strong>European</strong> <strong>Integration</strong>. Literature Survey and Evaluation (Working Paper, ARENA<br />
No. 19, December 1995), 49 S. sowie die verschiedenen Beiträge in: Ferenc Glatz<br />
(Hg.), Die kleinen Nationen in Europa (Begegnungen, Schriftenreihe des Europa<br />
Institutes Budapest 4), Budapest 1997.<br />
43 Trausch, Les rôles et la place des petits pays en Europe, S. 69.