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Michael Gehler Finis Neutralität? - Archive of European Integration

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14<br />

<strong>Michael</strong> <strong>Gehler</strong><br />

ernstgemeint die <strong>Neutralität</strong> am Beispiel Österreichs und Finnlands 34 ins<br />

Spiel, nachdem Anfang der 50er Jahre Neutralisierungversuche Deutschlands,<br />

die im Angebot von Stalin vom 10. März 1952 gipfelten, 35 gescheitert<br />

waren. Die Absicht bestand in der Herauslösung des (west-) deutschen<br />

Potentials aus dem westlich-amerikanischen Einflußbereich, was im Westen<br />

jedoch kategorisch abgelehnt wurde. Neutralisierung bzw. <strong>Neutralität</strong><br />

waren zum absoluten Tabu erklärt worden. Adenauer betrachtete es als<br />

„sein größtes Verdienst“ und war heilfroh darüber, „dem <strong>Neutralität</strong>sdrachen<br />

den Kragen umgedreht zu haben“ 36 . Damit erreichte er zwar Sicherheit<br />

vor der UdSSR, zementierte dadurch aber auch gleichzeitig die deutsche<br />

Teilung mit ein, was in weiterer Folge durch den Mauerbau seinen<br />

<strong>of</strong>fensichtlichen Ausdruck finden sollte. 37<br />

Neutralisierung im weiteren und <strong>Neutralität</strong> im engeren Sinne wurden<br />

1955/56 sowjetischerseits also ganz gezielt als Mittel zum Abbau von Konfrontationspotentialen<br />

in Zentraleuropa und zur Glaubhaftmachung der sowjetischen<br />

Dialog- und Entspannungsbereitschaft eingesetzt - allerdings<br />

mit kontraproduktivem Effekt: Der Westen lehnte eine europäische Friedensordnung<br />

auf dieser Basis kategorisch ab. Der 1955 durch die russische<br />

Diplomatie empfohlene „Modellfall“ Österreich 38 wirkte um so mehr „an-<br />

die europäische <strong>Integration</strong> 1945-1995, S. 497-576, hier S. 514, 533 (Anm. 120),<br />

534-535, 542-543, 548.<br />

34 Vgl. Harto Hakovirta, East-West-Conflict and <strong>European</strong> Neutrality, Oxford 1988,<br />

S. 59, der die österreichische <strong>Neutralität</strong> und den Wandel der Haltung Finnlands<br />

von einer der „Nicht-Involvierung“ von 1948 zu einer <strong>of</strong>fenen Politik der <strong>Neutralität</strong><br />

1955/56 in einem Zusammenhang sowie als „the most dramatic expansion and<br />

diversification <strong>of</strong> post-war <strong>European</strong> neutrality“ sieht.<br />

35 Bislang zu dieser Kontroversfrage bilanzierend ausgewogen: Torsten Ripper, Die<br />

Stalin-Note vom 10. März 1952. Die Entwicklung der wissenschaftlichen Debatte,<br />

Zeitgeschichte, 26. Jg., Heft 6 (1999), S. 372-396.<br />

36 Zit. n. Matthias Pape, Die deutsch-österreichischen Beziehungen zwischen 1945<br />

und 1955, in: Historisch-Politische Mitteilungen. Archiv für Christlich-<br />

Demokratische Politik, 2. Jg. (1995) Wien – Köln – Weimar, S. 149-172, hier S.<br />

158.<br />

37 Rolf Steininger, Der Mauerbau. Die Westmächte und Adenauer in der Berlin-Krise<br />

1958-1963, München 2001.<br />

38 <strong>Michael</strong> <strong>Gehler</strong>, « L'unique objectif des Soviétiques est de viser l'Allemagne ».<br />

Staatsvertrag und <strong>Neutralität</strong> 1955 als „Modell“ für Deutschland?, in: Thomas<br />

Albrich/Klaus Eisterer/<strong>Michael</strong> <strong>Gehler</strong>/Rolf Steininger (Hg.), Österreich in den

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