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Michael Gehler Finis Neutralität? - Archive of European Integration

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<strong>Michael</strong> <strong>Gehler</strong><br />

von UNO, EU und OSZE 261 immer stärker. Die Dominanz des atlantischen<br />

Bündnisses scheint sich in der europäischen Sicherheitspolitik weiter zu<br />

behaupten. Ob dies der Weisheit letzter Schluß für Europa ist, bleibt abzuwarten.<br />

Für die <strong>Neutralität</strong> kann dies das (vorläufige) Aus bedeuten.<br />

VII. Ausblick und Schlußüberlegungen<br />

Die Rolle der <strong>Neutralität</strong> im Europa der 90er Jahre ist nicht nur ungewiß,<br />

sondern in hohem Maße fraglich geworden. In der Politik hat sie erheblich<br />

an Bonität verloren, im juristischen Bereich ist der Realitätsbezug weitgehend<br />

verlorengegangen. Die Kodifizierung des <strong>Neutralität</strong>srechts basiert<br />

auf den Abkommen von 1907, die veraltet und lückenhaft sind. Der Augenblick<br />

des Wirksamwerdens des <strong>Neutralität</strong>sstatus ist umstritten. <strong>Neutralität</strong><br />

als Konsequenz kriegerischer Auseinandersetzungen ist von einem fest<br />

umrissenen Kriegsbegriff abhängig. Da die Staaten mit Maßnahmen agierten,<br />

den Krieg zu verkürzen („measures short <strong>of</strong> war“) oder gar nicht zu<br />

führen („non-belligerency“) und dabei formelle Kriegserklärungen meiden,<br />

262 war und ist bezüglich der Gültigkeit des <strong>Neutralität</strong>srechts kaum<br />

mehr Klarheit gegeben. Die in den Haager Abkommen nicht berücksichtigte<br />

Verstaatlichung macht eine Unterscheidung zwischen verbotenen staatlichen<br />

und erlaubten privaten Lieferungen im Krieg immer schwieriger. Unentschieden<br />

ist die Problematik, ob innerhalb der im militärischen <strong>Neutralität</strong>srecht<br />

bestehenden Restriktionen ein formelles oder ein materielles<br />

Gleichbehandlungsgebot gegeben ist. Kontrovers sind nach wie vor Auffassungen<br />

über die Verpflichtung zur sogenannten wirtschaftlichen <strong>Neutralität</strong>,<br />

d.h. einer dem Gleichheitsgebot konformen Haltung auf dem vom<br />

<strong>Neutralität</strong>srecht nicht explizit umfaßten nicht-militärischen Gebiet. 263<br />

261 Vgl. das Interview mit Ernst-Otto Czempiel publiziert unter „Seltsame Stille“, Die<br />

Zeit, 31. März 1999.<br />

262 Italien erklärte im Abessinien-Krieg 1935/36 und Japan im Chinesisch-japanischen<br />

Krieg 1937, daß überhaupt kein Krieg gegeben sei.<br />

263 <strong>Michael</strong> Schweitzer, Völkerrechtliche <strong>Neutralität</strong>, in: Geschichtliche Grundbegriffe,<br />

Bd. 4, S. 365-366, hier S. 365; vgl. aktueller: Payr, Die schwierige Kunst, S. 14-<br />

17; Dietrich Schindler, Transformations in the Law <strong>of</strong> Neutrality since 1945, in:<br />

Astrid J. M. Delissen/Gerard J. Tanja, Humanitarian Law <strong>of</strong> Armed Conflict Chal-

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