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Kunsttheorie und Ästhetik für Kulturpolitik und Pädagogik

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C:\Winword\Buch\Die Künste <strong>und</strong> ihre Theorien in der Praxis\Kunst als kulturelle Praxis\komplett Stand 09.12.10.doc<br />

Allerdings gab es schon früh explizit Gegenpositionen: zum einen maß man die reale<br />

Gegenwart an den Versprechungen der Moderne (Freiheit, Individualität, Wohlstand usw.).<br />

Man kritisierte allerdings auch diese Ziele selbst, weil man ein verkürztes (rationalistisches)<br />

Menschenbild vermutete <strong>und</strong> in einer zu starken Vernunftorientierung Wesentliches am<br />

Menschsein zurückgedrängt sah.<br />

Die Romantik gilt daher als große Gegenbewegung zur Vernunftorientierung der Aufklärung,<br />

aber auch als Kritik an der Moderne in Bezug auf Triebverzicht, Gewaltförmigkeit,<br />

Domestizierung des Innenlebens, die Hineinverlagerung äußerer Zwänge in das Individuum<br />

(Freud, Foucault, Elias). Und auch die Überwindung des Mythos wurde <strong>und</strong> wird bis in die<br />

heutige Zeit als „Verlust“ beklagt, so dass immer wieder von einer „Wiederverzauberung der<br />

Gesellschaft“ die Rede ist. Im Zuge der Postmoderne kommen daher all diese Topoi wieder<br />

zum Vorschein, deren Verlust man beklagte <strong>und</strong> der „Vernunft“ zur Last legte (Körper,<br />

Sinnlichkeit, Emotionalität, das Individuelle usw.).<br />

Vieles allerdings, was man im Zuge der Durchsetzung der Moderne zunächst als ihr<br />

spezifisches Kennzeichen identifizierte (Fragmentierung, die Individualisierung, Kontingenz)<br />

- ganz so, wie es Simmel im Anschluss an Baudelaire (als Denker der Moderne) in seinen<br />

essayhaften Analysen des Großstadtlebens (Fremdheit, Mode, alltägliche <strong>Ästhetik</strong>,<br />

Flaneurtum) getan hat, also Gedanken formulierte, die später Kracauer <strong>und</strong> Benjamin<br />

aufgriffen - hat man in den Neunziger Jahren des zwanzigsten Jahrh<strong>und</strong>erts eher unter der<br />

Rubrik „Postmoderne“ einsortiert. Die Moderne – ein „unvollendetes Projekt“ (Habermas),<br />

die Postmoderne dann in einem grandiosen Selbst-Missverständnis nichts anderes als die<br />

Moderne, die zu sich selbst findet?<br />

Ein kurzer Steckbrief der Moderne<br />

Im letzten Abschnitt wurde gezeigt, dass es sehr unterschiedliche, jeweils fachspezifische<br />

Deutungsversuche der Gegenwart gibt. Um einen Eindruck zu vermitteln, wie diese<br />

Einzeluntersuchungen jeweils einzuordnen sind, will ich in diesem Abschnitt ein<br />

Rahmenmodell von „Moderne“ skizzieren.<br />

Wegweisend sind bis heute die Studien von Max Weber, der auf der Suche nach den geistig-<br />

normativen Gr<strong>und</strong>lagen des Kapitalismus (das ist bei ihm die Moderne) den Protestantismus,<br />

vor allem den Protestantismus Calvinistischer Prägung ausmachte. Diese Studien haben<br />

vielfältige Fortführungen gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> die Geschichtstheorie, die Religions- <strong>und</strong><br />

Wissenssoziologie, die Theorien des sozialen Wandels beeinflusst. Insbesondere hat sein<br />

Fre<strong>und</strong> Troeltsch diese Studien – ganz in Webers Sinne – vertieft (vgl. Fuchs 2000, Kap. 2).<br />

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