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8. § 99 GWB - Öffentliche Aufträge - Vergaberecht in Deutschland

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Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

<strong>8.</strong> <strong>§</strong> <strong>99</strong> <strong>GWB</strong> - <strong>Öffentliche</strong> <strong>Aufträge</strong><br />

<strong>Öffentliche</strong> <strong>Aufträge</strong><br />

(1) <strong>Öffentliche</strong> <strong>Aufträge</strong> s<strong>in</strong>d entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und<br />

Unternehmen, die Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen zum Gegenstand haben, und<br />

Auslobungsverfahren, die zu Dienstleistungsaufträgen führen sollen.<br />

(2) Lieferaufträge s<strong>in</strong>d Verträge zur Beschaffung von Waren, die <strong>in</strong>sbesondere Kauf oder<br />

Ratenkauf oder Leas<strong>in</strong>g, Miete oder Pacht mit oder ohne Kaufoption betreffen. Die<br />

Verträge können auch Nebenleistungen umfassen.<br />

(3) Bauaufträge s<strong>in</strong>d Verträge entweder über die Ausführung oder die gleichzeitige Planung<br />

und Ausführung e<strong>in</strong>es Bauvorhabens oder e<strong>in</strong>es Bauwerks, das Ergebnis von Tief- oder<br />

Hochbauarbeiten ist und e<strong>in</strong>e wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll, oder<br />

e<strong>in</strong>er Bauleistung durch Dritte gemäß den vom Auftraggeber genannten Erfordernissen.<br />

(4) Als Dienstleistungsaufträge gelten die Verträge über Leistungen, die nicht unter Absatz 2<br />

oder 3 fallen und ke<strong>in</strong>e Auslobungsverfahren s<strong>in</strong>d.<br />

(5) Auslobungsverfahren im S<strong>in</strong>ne dieses Teils s<strong>in</strong>d nur solche Auslobungsverfahren, die dem<br />

Auftraggeber auf Grund vergleichender Beurteilung durch e<strong>in</strong> Preisgericht mit oder ohne<br />

Verteilung von Preisen zu e<strong>in</strong>em Plan verhelfen sollen.<br />

(6) E<strong>in</strong> öffentlicher Auftrag, der sowohl den E<strong>in</strong>kauf von Waren als auch die Beschaffung<br />

von Dienstleistungen zum Gegenstand hat, gilt als Dienstleistungsauftrag, wenn der Wert<br />

der Dienstleistungen den Wert der Waren übersteigt. E<strong>in</strong> öffentlicher Auftrag, der neben<br />

Dienstleistungen Bauleistungen umfasst, die im Verhältnis zum Hauptgegenstand<br />

Nebenarbeiten s<strong>in</strong>d, gilt als Dienstleistungsauftrag.<br />

<strong>§</strong> <strong>99</strong> regelt den sachlichen Anwendungsbereich des Vierten Teils des <strong>GWB</strong>. Unter den<br />

Oberbegriff des öffentlichen Auftrages fallen Lieferaufträge, Bauaufträge,<br />

Dienstleistungsaufträge und Auslobungsverfahren. Die Def<strong>in</strong>itionen <strong>in</strong> Abs. 2 bis 4 beruhen<br />

auf den entsprechenden EG-Richtl<strong>in</strong>ien (VK Südbayern, B. v. 03.04.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-<br />

49-12/08).<br />

Der Begriff des Auftrags im S<strong>in</strong>ne der <strong>§</strong><strong>§</strong> 97 ff. <strong>GWB</strong> und der Richtl<strong>in</strong>ie 2004/18/EG des<br />

Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 ist autonom nach dem Zweck<br />

des europäischen <strong>Vergaberecht</strong>s, potentiellen Bietern den Zugang zu öffentlichen<br />

<strong>Aufträge</strong>n zu garantieren, die für sie von Interesse s<strong>in</strong>d, auszulegen und daher funktional<br />

zu verstehen (OLG Karlsruhe, B. v. 12.11.2008 - Az.: 15 Verg 4/08).<br />

<strong>8.</strong>1 Verträge<br />

E<strong>in</strong> Vergabenachprüfungsantrag kann sich zulässigerweise nur gegen e<strong>in</strong>en "Vertrag"<br />

zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und dem Unternehmer richten. Auch wenn dieser<br />

Begriff auf Grund se<strong>in</strong>er Verankerung im EU-Recht nicht im S<strong>in</strong>ne der <strong>§</strong><strong>§</strong> 145 ff. BGB


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auszulegen se<strong>in</strong> sollte, so setzt er doch das E<strong>in</strong>vernehmen zum<strong>in</strong>dest zweier Personen<br />

über z.B. die Erbr<strong>in</strong>gung von Bauleistungen voraus (OLG Düsseldorf, B. v. 04.03.2009 -<br />

Az.: VII-Verg 67/08).<br />

Die Zuordnung e<strong>in</strong>es rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisses zu e<strong>in</strong>em bestimmten Typ<br />

geschieht, <strong>in</strong>dem der Inhalt der zugrunde liegenden Willenserklärungen ermittelt und<br />

festgestellt wird, zu welcher Leistung sich die beteiligten Personen verpflichtet haben.<br />

Entspricht diese e<strong>in</strong>em bestimmten Vertragstyp, so ist ihm das Schuldverhältnis zuzuordnen,<br />

auch wenn der Vertrag anders bezeichnet ist (OLG Düsseldorf, B. v. 27.10.2004 - Az.: VII -<br />

Verg 41/04).<br />

Der Erlass e<strong>in</strong>es Bebauungsplans ist – auch bei weitestgehender Auslegung - ke<strong>in</strong><br />

Vertrag. Der Bebauungsplan ergeht als Satzung (<strong>§</strong> 10 Abs. 1 BauGB). Ob und mit welchem<br />

Inhalt e<strong>in</strong> Bebauungsplan aufgestellt wird, kann nicht Gegenstand e<strong>in</strong>es Vertrages oder<br />

sonstiger Abreden se<strong>in</strong> (<strong>§</strong> 1 Abs. 3 BauGB). Der Eigentümer (oder sonstige Dritte) haben<br />

ke<strong>in</strong>en Anspruch auf Erstellung e<strong>in</strong>es Bebauungsplans oder dessen Inhalt, er hängt<br />

damit auch nicht mittelbar vom Willen des Eigentümers ab; die Mitwirkungsrechte der<br />

Betroffenen sollen lediglich der Tatsachenermittlung sowie der Verschaffung von Gehör<br />

dienen und damit e<strong>in</strong>e sachgerechte Planung ermöglichen. Der Bebauungsplan wird nicht<br />

dadurch zu e<strong>in</strong>em "Vertrag", dass er den Rahmen für e<strong>in</strong>en möglicherweise<br />

abzuschließenden Erschließungsvertrag (<strong>§</strong> 124 BauGB) setzt (OLG Düsseldorf, B. v.<br />

04.03.2009 - Az.: VII-Verg 67/08).<br />

<strong>8.</strong>1.1 Gegenseitige vertragliche B<strong>in</strong>dung - Andienungsverfahren<br />

E<strong>in</strong> Vertrag über die Ausführung e<strong>in</strong>es öffentlichen Auftrages setzt m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>e<br />

gegenseitige vertragliche B<strong>in</strong>dung voraus. Erfasst s<strong>in</strong>d demnach grundsätzlich alle zweiseitig<br />

verpflichtenden Verträge, <strong>in</strong> denen die Gegenleistung geldwerten Charakter hat, ohne dass die<br />

gegenseitigen Verpflichtungen notwendigerweise wechselseitig abhängig<br />

(synallagmatisch) s<strong>in</strong>d; es genügen auch andere Formen der Verknüpfung (BayObLG, B.<br />

v. 27.2.2003 - Az.: Verg 01/03) z.B. durch Vere<strong>in</strong>barung e<strong>in</strong>er Bed<strong>in</strong>gung oder durch die<br />

Abrede, dass die e<strong>in</strong>e Leistung den Rechtsgrund für die andere darstellt (OLG Düsseldorf, B.<br />

v. 22.09.2005 - Az.: Verg 44/04; B. v. 0<strong>8.</strong>09.2005 - Az.: Verg 35/04; anderer Auffassung VK<br />

Hessen, B. v. 05.03.2008 - Az.: 69 d VK 06/2008). Im Falle e<strong>in</strong>er synallagmatischen<br />

Verknüpfung erstreckt sich das Gegenseitigkeitsverhältnis auf alle<br />

Hauptleistungspflichten und grundsätzlich nicht auf Nebenleistungs- oder Schutzpflichten<br />

(OLG Düsseldorf, B. v. 22.09.2005 - Az.: Verg 44/04; B. v. 0<strong>8.</strong>09.2005 - Az.: Verg 35/04).<br />

Andienungsverfahren, auch wenn es aus der Sicht der Bieter die e<strong>in</strong>zige Möglichkeit ist, um<br />

überhaupt <strong>in</strong> Vertragsverhandlungen mit e<strong>in</strong>em öffentlichen Auftraggeber treten zu können,<br />

erfüllen daher nicht die Voraussetzungen e<strong>in</strong>es wettbewerblich ausgerichteten<br />

Vergabeverfahrens und e<strong>in</strong>es Vertrages. E<strong>in</strong> solches auf Wunsch von Bietern geführtes<br />

Gespräch, zu dem der Nachfrager ohne e<strong>in</strong>e entsprechende Bedarfsmeldung auch ke<strong>in</strong>en<br />

Anlass gegeben hat, kann nicht als konkretes Vergabeverfahren i. S. v. <strong>§</strong> 104 Abs. 2 Satz 1<br />

<strong>GWB</strong> gewertet werden (2. VK Bund, B. v. 1.2.2001 - Az.: VK 2 - 44/00). E<strong>in</strong>e vertragliche<br />

B<strong>in</strong>dung entsteht dadurch nicht.<br />

<strong>8.</strong>1.2 Teilnahme des öffentlichen Auftraggebers am Markt


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<strong>8.</strong>1.2.1 Grundsatz<br />

Wesensmerkmal e<strong>in</strong>es Vertrages im S<strong>in</strong>ne von <strong>§</strong> <strong>99</strong> ist die Teilnahme des öffentlichen<br />

Auftraggebers am Markt. Das folgt aus dem S<strong>in</strong>n und Zweck des <strong>Vergaberecht</strong>s, den<br />

Wettbewerb auf den öffentlichen Beschaffungsmärkten zu verstärken. Diese vergaberechtlich<br />

entscheidende Tätigkeit übt der öffentliche Auftragsgeber dann aus, wenn er se<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terne<br />

Aufgabenorganisation verlässt, um Verträge mit außen stehenden Dritten abzuschließen. Ist<br />

die Vere<strong>in</strong>barung lediglich auf <strong>in</strong>terne Aufgabenbewältigung des Auftraggebers<br />

gerichtet, schließt dies e<strong>in</strong>en Wettbewerb am Markt aus (OLG Koblenz, B. v. 13.12.2001 -<br />

Az.: 1 Verg. 4/01 - für e<strong>in</strong>e Kooperationsvere<strong>in</strong>barung zwischen zwei Verkehrsträgern im<br />

öffentlichen Personennahverkehr; VK Berl<strong>in</strong>, B. v. 09.02.2009 - Az.: VK-B 1-28/08).<br />

E<strong>in</strong>e Beschaffungsabsicht ist nur dann anzunehmen, wenn der öffentliche Auftraggeber am<br />

Marktgeschehen auf der Nachfrageseite zur Deckung se<strong>in</strong>es Bedarfs an<br />

Wirtschaftsgütern teilnimmt. Es fehlt am Beschaffungselement, wenn der öffentliche<br />

Auftraggeber lediglich als Anbieter von Leistungen tätig wird. Bei der Frage des<br />

Beschaffungsbezugs kommt es aber auf die formale Bezeichnung der Vertragspartner als<br />

Auftraggeber und Auftragnehmer nicht an (VK Berl<strong>in</strong>, B. v. 09.02.2009 - Az.: VK-B 1-<br />

28/08).<br />

Wettbewerbliche Strukturen, also e<strong>in</strong>en Markt, lassen sich leicht am Vorhandense<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>schlägiger CPC- und CPV-Referenznummern für die betreffenden Leistungsarten<br />

ablesen (1. VK Sachsen, B. v. 26.03.2008 - Az.: 1/SVK/005-08).<br />

Rettungsdienstleistungen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>er Erbr<strong>in</strong>gung <strong>in</strong> wettbewerblicher Struktur durchaus<br />

zugänglich, was auch der Intention des Bundesgesetzgebers bei Herausnahme der Materie<br />

aus dem Personenbeförderungsrecht entsprach. So hebt der Bericht des federführenden<br />

Bundestagsauschusses hervor, dass es auch nach der Änderung des<br />

Personenbeförderungsgesetzes Wettbewerb zwischen den öffentlichen Transportträgern, den<br />

großen Hilfsorganisationen, und privaten Unternehmen geben müsse, um e<strong>in</strong>er<br />

Kostenentwicklung und Monopolisierung E<strong>in</strong>halt zu gebieten. Auch der Sächsische<br />

Gesetzgeber beabsichtigt mit dem SächsBRKG und dem dar<strong>in</strong> statuierten Auswahlverfahren<br />

“zukünftig die Gesichtspunkte der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit stärker zu beachten“<br />

(1. VK Sachsen, B. v. 26.03.2008 - Az.: 1/SVK/005-08).<br />

<strong>8.</strong>1.2.2 Pflicht zum E<strong>in</strong>kauf von Leistungen am Markt?<br />

<strong>8.</strong>1.2.2.1 Rechtsprechung<br />

E<strong>in</strong>e vergaberechtliche Pflicht des öffentlichen Auftraggebers, benötigte Leistungen nur am<br />

Markt zu vergeben, besteht nicht. <strong>Vergaberecht</strong> ist erst anwendbar, nachdem die<br />

Entscheidung gefallen ist, die Leistungen von e<strong>in</strong>em außen stehenden Dritten erbr<strong>in</strong>gen zu<br />

lassen (OLG Koblenz, B. v. 13.12.2001 - Az.: 1 Verg. 4/01; VK Düsseldorf, B. v. 16.03.2004<br />

- Az.: VK – 3/2004 - L).<br />

<strong>8.</strong>1.2.2.2 Literatur


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• Schellenberg, Mart<strong>in</strong>, Make or buy? – Die Vergabestelle darf wählen, Behörden<br />

Spiegel Februar 2007, S. 20<br />

<strong>8.</strong>1.2.3 Rettungsdienstleistungen<br />

In <strong>Deutschland</strong> gibt es zwei unterschiedliche Modelle, wie der Rettungsdienst vergütet<br />

wird. In e<strong>in</strong>igen Bundesländern, wie z.B <strong>in</strong> Sachsen, werden die rettungsdienstlichen<br />

Leistungen durch den öffentlichen Auftraggeber unmittelbar gegenüber den<br />

Rettungsdiensten vergütet. Der öffentliche Auftraggeber vere<strong>in</strong>bart se<strong>in</strong>erseits <strong>in</strong><br />

Verhandlungen mit den Sozialversicherungsträgern das Benutzungsentgelt, welches er dann<br />

den Rettungsdiensten zahlt. Die Unterschiede zwischen diesem Modell und dem<br />

bayerischen Modell bestehen lediglich dar<strong>in</strong>, dass die nach dem Gesetz vorgesehenen<br />

Benutzungsentgelte e<strong>in</strong>mal zwischen dem öffentlichen Auftraggeber und e<strong>in</strong>em anderen<br />

öffentlichen Auftraggeber (dem Sozialversicherungsträger) ausgehandelt werden und<br />

der Auftragnehmer daran gebunden ist (sächsisches Modell oder Submissionsmodell),<br />

und e<strong>in</strong>mal der Auftragnehmer mit e<strong>in</strong>em anderen öffentlichen Auftragnehmer (dem<br />

Sozialversicherungsträger) das Benutzungsentgelt vere<strong>in</strong>bart (bayerisches Modell oder<br />

Konzessionsmodell), wobei se<strong>in</strong>e Position wegen der Kostenzwänge der<br />

Sozialversicherungsträger bei den Verhandlungen aber nicht besser oder schlechter als die des<br />

öffentlichen Auftraggebers ist (OLG München, B. v. 02.07.2009 - Az.: Verg 5/09).<br />

<strong>8.</strong>1.2.3.1 Rechtsprechung<br />

<strong>8.</strong>1.2.3.1.1 Rechtsprechung des BGH<br />

Auch wenn die Durchführung der Notfallrettung und des Krankentransports möglicherweise<br />

als Übertragung jedenfalls e<strong>in</strong>es Teils der öffentlichen Aufgabe selbst bzw. als Anvertrauen<br />

e<strong>in</strong>es öffentlichen Amts verstanden werden könnte, ändert e<strong>in</strong> solcher Inhalt der<br />

Vere<strong>in</strong>barung nichts daran, dass der Vertrag sich über Leistungen verhält, zu denen e<strong>in</strong><br />

Dritter aufgrund der vertraglichen Vere<strong>in</strong>barung verpflichtet se<strong>in</strong> soll, was bereits zur<br />

Anwendung von <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 1 <strong>GWB</strong> führt. <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 1 <strong>GWB</strong> unterscheidet auch nicht nach<br />

der Rechtsnatur des abzuschließenden Vertrags. Er weist Rechtsgeschäfte alle<strong>in</strong> deshalb<br />

dem <strong>GWB</strong>-Vergaberegime zu, weil der öffentliche Auftraggeber Leistungen durch e<strong>in</strong>en<br />

Dritten für wünschenswert oder notwendig erachtet und dies zum Anlass nimmt, deren<br />

Erbr<strong>in</strong>gung auf vertraglichem Weg und nicht <strong>in</strong> anderer Weise, etwa durch e<strong>in</strong>en<br />

Beleihungsakt sicherzustellen, wobei angesichts des zu beurteilenden Sachverhalts<br />

dah<strong>in</strong>stehen kann, ob fallweise - etwa zur Vermeidung von Umgehungsmöglichkeiten - auch<br />

e<strong>in</strong>e Beauftragung auf vertragsähnlichem Wege ausreichen kann (BGH, B. v. 01.12.2008 -<br />

Az.: X ZB 31/08).<br />

Auch die Vergabe von <strong>Aufträge</strong>n zur Beteiligung am Rettungsdienst und am<br />

qualifizierten Krankentransport <strong>in</strong> Brandenburg unterliegt dem <strong>Vergaberecht</strong>. Denn es<br />

handelt sich bei den durch öffentlichen Vertrag auf den „Leistungserbr<strong>in</strong>ger“ übertragenen<br />

Aufgaben zur Durchführung des Rettungsdienstes um Dienstleistungen im S<strong>in</strong>ne des <strong>§</strong> 97<br />

Abs. 1 <strong>GWB</strong>. Für die rechtliche Bewertung der übertragenen Aufgaben kommt es nicht<br />

darauf an, dass sich der Auftraggeber ausdrücklich auf e<strong>in</strong> öffentlich-rechtliches


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Verwaltungsverfahren beruft und damit zum Ausdruck br<strong>in</strong>gt, das Vergabeverfahren<br />

nach dem <strong>GWB</strong> ausschließen zu wollen. Denn die dem Hoheitsträger grundsätzlich<br />

zustehende Gestaltungsfreiheit bei der Teilnahme am Wirtschaftsverkehr ist hier durch<br />

Bundesgesetz, das <strong>GWB</strong>, e<strong>in</strong>geschränkt (VG Frankfurt/Oder, B. v. 20.02.2009 - Az.: 4 L<br />

186/08).<br />

Auf die Frage, ob Rettungsdienstleistungen dauernd oder zeitweise mit der Ausübung<br />

öffentlicher Gewalt verbunden s<strong>in</strong>d, so dass durch sie nach der Vorgabe von Art. 45, 55<br />

EG-Vertrag weder die Niederlassungsfreiheit noch die Dienstleistungsfreiheit <strong>in</strong> den<br />

Mitgliedstaaten berührt wird, kommt es nicht an. Die sich aus Art. 45, 55 EG-Vertrag<br />

ergebende so genannte Bereichsausnahme beschränkt sich nach dem Wortlaut von Art. 45 und<br />

dessen Zweck darauf, die Mitgliedstaaten <strong>in</strong> die Lage zu versetzen, Ausländer von den dort<br />

genannten Tätigkeiten im Inland fernzuhalten; e<strong>in</strong> Zwang für den nationalen Gesetzgeber ist<br />

damit nicht verbunden. Die Reichweite des durch den Ersten Abschnitt des Vierten Teils des<br />

Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen eröffneten Vergaberegimes bestimmt sich<br />

mith<strong>in</strong> nach deutschem Recht. Nur wenn oder soweit das deutsche Gesetz e<strong>in</strong>en bestimmten<br />

Dienstleistungsverkehr hiervon ausnähme, könnten der EG-Vertrag oder auf se<strong>in</strong>er Grundlage<br />

erlassene europäische Rechtsakte noch Bedeutung erlangen, nämlich dann, wenn das<br />

Geme<strong>in</strong>schaftsrecht der Bundesrepublik <strong>Deutschland</strong> Derartiges untersagte. Die Vergabe von<br />

Rettungsdienstleistungen ist nach nationalem Recht jedoch nicht von dem <strong>GWB</strong>-<br />

Vergaberegime ausgenommen (BGH, B. v. 01.12.2008 - Az.: X ZB 31/08; OLG Naumburg,<br />

B. v. 23.04.2009 - Az.: 1 Verg 5/08; VG Frankfurt/Oder, B. v. 20.02.2009 - Az.: 4 L 186/08;<br />

VG Regensburg, B. v. 30.09.2009 - Az.: Az. RN 4 E 09.1503). Vgl. <strong>in</strong>soweit die<br />

Kommentierung zu <strong>§</strong> 100 <strong>GWB</strong> RZ 1346/2.<br />

Die VK Südbayern ordnet die Vergabe von Rettungsdienstleistungen nach dem<br />

Konzessionsmodell h<strong>in</strong>gegen als Dienstleistungskonzession und nicht als Dienstleistung<br />

e<strong>in</strong>, weil dem Rettungsunternehmer das Recht zur Nutzung der Dienstleistung übertragen<br />

wird und die dem Rettungsunternehmer zu gewährende Vergütung von Dritten, d.h. <strong>in</strong><br />

diesem Fall von den Kostenträgern (Krankenkassen) gezahlt wird. Der Träger des<br />

Rettungsdienstes (Auftraggeber) ist hierbei weder an den jährlichen Vertragsverhandlungen<br />

gemäß Art. 34, Abs. 3 BayRDG noch unmittelbar an der Auszahlung der Entgelte beteiligt -<br />

Art. 34 Abs. 5 BayRDG - (VK Südbayern, B. v. 03.04.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-49-12/08).<br />

<strong>8.</strong>1.2.3.1.2 Ältere Rechtsprechung<br />

Die Wahrnehmung rettungsdienstlicher Aufgaben ist - und zwar e<strong>in</strong>heitlich und<br />

unmittelbar - der hoheitlichen Betätigung des Staates zuzurechnen. Die Entscheidung<br />

e<strong>in</strong>es Trägers von Rettungsdiensten, welche Hilfsorganisation oder welchen privaten Anbieter<br />

er z.B. nach <strong>§</strong> 13 Abs. 1 RettG NRW als Helfer bei der ihm übertragenen hoheitlichen<br />

Aufgabenerfüllung zuziehen will, betrifft deshalb im Rechtss<strong>in</strong>n ke<strong>in</strong>e nach<br />

Marktgesetzen, d.h. <strong>in</strong>sbesondere im Wettbewerb, zu beschaffende Leistung nach den <strong>§</strong><strong>§</strong><br />

97 Abs. 1 und <strong>99</strong> <strong>GWB</strong>. Insoweit ist die Gesetzeslage <strong>in</strong> den Ländern Niedersachsen,<br />

Sachsen-Anhalt, Bayern und Brandenburg gleich gelagert (OLG Düsseldorf, B. v. 05.04.2006<br />

- Az.: VII - Verg 7/06 – sehr umfangreiche Begründung).<br />

Rettungsdienste s<strong>in</strong>d je nach der gesetzlichen Ausgestaltung ke<strong>in</strong>e vom Staat zu erwerbende<br />

Marktleistung (OLG Celle, B. v. 24.11.1<strong>99</strong>9 - Az.: 13 Verg 7/<strong>99</strong>; OLG Naumburg, B. v.<br />

15.07.2008 - Az.: 1 Verg 5/08; B. v. 16.1. 2001 - Az.: 1 Verg 12/00; Niedersächsisches OVG,


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B. v. 07.02.2006 - Az.: 11 ME 26/05; VK Südbayern, B. v. 15.11.2000 - Az.: 120.3-3194.1-<br />

21-10/00).<br />

Die Notfallrettung fällt <strong>in</strong> Bayern nicht unter das <strong>Vergaberecht</strong> des <strong>GWB</strong>, weil sie nach<br />

der <strong>in</strong> Bayern vorliegenden gesetzlichen Ausgestaltung ke<strong>in</strong>e vom Staat zu beschaffende<br />

Marktleistung (<strong>§</strong> 97 Abs. 1 <strong>GWB</strong>), sondern als öffentliche Aufgabe wahrzunehmen ist; die<br />

Leistungserbr<strong>in</strong>ger werden unmittelbar hoheitlich tätig (BayObLG, B. v. 2<strong>8.</strong>5.2003 - Az.:<br />

Verg 7/03).<br />

Die Übertragung der Durchführung des Rettungsdienstes <strong>in</strong> Brandenburg ist e<strong>in</strong>e<br />

Dienstleistungskonzession (VK Brandenburg, B. v. 24.09.2004 - Az.: VK 47/04); vgl. zu den<br />

E<strong>in</strong>zelheiten die Kommentierung RZ 780 ff.<br />

Die Übertragung von Rettungsdienstleistungen nach <strong>§</strong> 5 BbgRettG be<strong>in</strong>haltet ke<strong>in</strong>e vom<br />

Staat zu beschaffende Marktleistung, für die nach <strong>§</strong> 97 <strong>GWB</strong> e<strong>in</strong> Vergabeverfahren<br />

durchzuführen ist. Leistungen des Rettungsdienstes werden nach der gesetzlichen<br />

Ausgestaltung im Land Brandenburg vielmehr als öffentliche Aufgabe wahrgenommen<br />

und von den Leistungserbr<strong>in</strong>gern unmittelbar hoheitlich erbracht (VG Potsdam, B. v.<br />

14.0<strong>8.</strong>2008 - Az.: 10 L 342/08).<br />

Die Notfallrettung und der qualifizierte Krankentransport s<strong>in</strong>d nach der gesetzlichen<br />

Ausgestaltung im Land Sachsen-Anhalt nicht als Dienstleistung im S<strong>in</strong>ne des <strong>§</strong> <strong>99</strong> <strong>GWB</strong><br />

zu qualifizieren. Vielmehr werden neben den Trägern der Rettungsdienste auch die<br />

Leistungserbr<strong>in</strong>ger hoheitlich tätig (B. v. 15.07.2008 - Az.: 1 Verg 5/08; 2. VK Sachsen-<br />

Anhalt, B. v. 11.07.2008 - Az.: VK 2 LVwA LSA – 06/08). Dabei ist unerheblich, ob es sich<br />

bei diesen Leistungserbr<strong>in</strong>gern um anerkannte Hilfsorganisationen, private Personen,<br />

Verbände oder Unternehmen handelt (VG Halle, B. v. 01.04.2008 - Az.: 3 B 42/08 HAL; 2.<br />

VK Sachsen-Anhalt, B. v. 16.02.2006 - Az.: VK 2 LVwA LSA - 1/06).<br />

Die nach <strong>§</strong> 11 Abs. 2 RettDG LSA mögliche Vergabe entsprechend den Regelungen des<br />

Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen führt nicht dazu, dass<br />

daraus e<strong>in</strong> zivilrechtlicher Vergabestreit wird, der vor den Vergabekammern zu verhandeln<br />

ist. Vielmehr stellt dieses Vergabeverfahren nur e<strong>in</strong> Instrumentarium zur Verfügung, um<br />

die hoheitliche Vergabeentscheidung <strong>in</strong>haltlich vorzubereiten (im Ergebnis ebenso OLG<br />

Naumburg, B. v. 15.07.2008 - Az.: 1 Verg 5/08; VG Halle, B. v. 10.09.2008 - Az.: 3 B 231/08<br />

HAL; das OVG Sachsen-Anhalt h<strong>in</strong>gegen lässt diese Frage ausdrücklich offen – OVG<br />

Sachsen-Anhalt, B. v. 02.02.2009 - Az.: 3 M 555/08). Dieses Vergabeverfahren stellt als<br />

Vorbereitung grundsätzlich lediglich e<strong>in</strong>e unselbständige behördliche Verfahrenshandlung im<br />

S<strong>in</strong>ne des <strong>§</strong> 44a VwGO dar. Allerd<strong>in</strong>gs wird man aus Gründen der Gewährung effektiven<br />

Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) e<strong>in</strong>en direkten Angriff e<strong>in</strong>es potentiellen (Mit-)<br />

Bewerbers auf e<strong>in</strong> Ausschreibungsverfahren dann zulassen müssen, wenn die Bewerbung<br />

bereits an der – rechtswidrigen - Art der Ausschreibung scheitert und den Mitbewerber zu<br />

Unrecht von Teilnahme ausschließt. Bei e<strong>in</strong>er solchen Konstellation kommt e<strong>in</strong> Rechtsschutz<br />

erst gegen die abschließende Vergabeentscheidung – hier <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Verwaltungsaktes zur<br />

Genehmigung der Teilnahme am Rettungsdienst an Dritte – zu spät und trifft auch nicht den<br />

Kern des Begehrens, sondern führt nur zu e<strong>in</strong>em überflüssigen Fortlauf des<br />

Vergabeverfahrens. Denn angefochten wird nicht die Auswahlentscheidung aufgrund der <strong>in</strong><br />

der Ausschreibung vorgegebenen Vergabekriterien, sondern es werden bereits die<br />

Vergabekriterien als solche gerügt. E<strong>in</strong> Abwarten bis zu e<strong>in</strong>er Genehmigungserteilung<br />

ersche<strong>in</strong>t dann unzumutbar und geht letztlich durch Zeitverlust auch zu Lasten der den<br />

Zuschlag erhaltenden Bewerber, die sich erst dann e<strong>in</strong>em (Konkurrenten-) Verfahren


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ausgesetzt sähen. Dem Verfahrensabschnitt der Ausschreibung und dem<br />

Vergabeverfahren kommt <strong>in</strong>sofern - ausnahmsweise – eigenständige Bedeutung zu (VG<br />

Halle, B. v. 01.04.2008 - Az.: 3 B 42/08 HAL).<br />

Entscheidet sich die Behörde für e<strong>in</strong>e – une<strong>in</strong>geschränkte - entsprechende Anwendung der<br />

Regelungen des Vierten Teils des <strong>GWB</strong>, so ist auch die Regelung des <strong>§</strong> 97 Abs. 3 <strong>GWB</strong> und<br />

nachfolgend des <strong>§</strong> 5 Abs. 1 VOL/A zu beachten. Danach s<strong>in</strong>d mittelständische Interessen<br />

vornehmlich durch die Teilung der <strong>Aufträge</strong> <strong>in</strong> Fach- und Teillose angemessen zu<br />

berücksichtigen. Dabei ist auf die relative Größe der Marktteilnehmer und die<br />

vorhandenen Marktstrukturen abzustellen. Die Vergabestelle hat im Voraus zu prüfen, ob<br />

es solche Unternehmen auf dem relevanten Markt gibt und danach zu entscheiden, ob e<strong>in</strong>e<br />

Aufteilung <strong>in</strong> Lose erfolgt. E<strong>in</strong>e Losaufteilung hat demgegenüber zu unterbleiben, wenn<br />

überwiegende Gründe für e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>heitliche Auftragsvergabe sprechen. E<strong>in</strong>e solche Sachlage<br />

kann gegeben se<strong>in</strong>, wenn die Aufteilung unverhältnismäßige Kostennachteile br<strong>in</strong>gen würde<br />

oder zu e<strong>in</strong>er starken Verzögerung des Vorhabens führte (VG Halle, B. v. 01.04.2008 - Az.: 3<br />

B 42/08 HAL; im Ergebnis ebenso OVG Sachsen-Anhalt, B. v. 02.02.2009 - Az.: 3 M 555/08<br />

für die Frage, ob e<strong>in</strong> Bieter bereits bei Angebotsabgabe über das nötige Personal,<br />

Material etc. verfügen muss).<br />

Die Bestimmung e<strong>in</strong>er Angebotsfrist mit der materiellen Wirkung e<strong>in</strong>er Ausschlussfrist<br />

beruht auf den Rechtsgrundlagen des <strong>Vergaberecht</strong>s. Im Übrigen ist e<strong>in</strong> ordnungsgemäßes<br />

Vergabeverfahren ohne Bestimmung e<strong>in</strong>er rechtsverb<strong>in</strong>dlichen Abgabefrist nicht denkbar. Die<br />

Frist dient der Gewährleistung des mit dem Vergabeverfahren zwangsläufig verbundenen<br />

Wettbewerbs, von dem <strong>§</strong> 11 Abs. 1 Nr. 3 RettDG LSA zudem ausdrücklich ausgeht. Die<br />

Rechtsfolge der Versäumung der Abgabefrist ergibt sich aus <strong>§</strong> 25 Abs. 1 lit. e) des ersten<br />

Abschnitts der VOL/A (VG Halle, B. v. 10.09.2008 - Az.: 3 B 231/08 HAL).<br />

Bei der Leistung zur Notfallrettung und des Krankentransportes <strong>in</strong> Sachsen handelt es<br />

sich um e<strong>in</strong>en öffentlichen Dienstleistungsauftrag (OLG Dresden, B. v. 04.07.2008 - Az.:<br />

WVerg 3/08; 1. VK Sachsen, B. v. 06.03.2009 - Az.: 1/SVK/001-09; B. v. 09.09.2008 - Az.:<br />

1/SVK/046-08; B. v. 29.0<strong>8.</strong>2008 - Az.: 1/SVK/042-08; B. v. 29.0<strong>8.</strong>2008 - Az.: 1/SVK/041-<br />

08). Das Vergabeverfahren ist jedoch nicht europaweit auszuschreiben, da der<br />

Dienstleistungsauftrag unter Anhang I B der VOL/A fällt. <strong>§</strong> 1a Nr. 2 Abs. 2 VOL/A<br />

regelt, dass <strong>Aufträge</strong>, deren Gegenstand Dienstleistungen nach Anhang I B s<strong>in</strong>d, nach den<br />

Bestimmungen der Basisparagraphen und der <strong>§</strong><strong>§</strong> 8a und vergeben werden. Demzufolge ist es<br />

vergaberechtlich zulässig, die beabsichtigte Auftragsvergabe im Wege e<strong>in</strong>er nationalen<br />

Vergabebekanntmachung öffentlich im S<strong>in</strong>ne des <strong>§</strong> 3 VOL/A auszuschreiben. E<strong>in</strong>er<br />

europaweiten Ausschreibung im S<strong>in</strong>ne des <strong>§</strong> 3a VOL/A bedarf es nicht (1. VK Sachsen, B. v.<br />

29.0<strong>8.</strong>2008 - Az.: 1/SVK/042-08; B. v. 29.0<strong>8.</strong>2008 - Az.: 1/SVK/041-08; B. v. 26.03.2008 -<br />

Az.: 1/SVK/005-08).<br />

Entgegen der älteren Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (RZ 962) unterliegt nach<br />

Auffassung des VG Köln das Verfahren und die Entscheidung über die Auswahl unter<br />

den Bewerbern für die Übertragung von rettungsdienstlichen Tätigkeiten im Rahmen<br />

des <strong>§</strong> 13 RettG NRW den Sondervorschriften des Gesetzes gegen<br />

Wettbewerbsbeschränkungen (<strong>GWB</strong>) über die Vergabe öffentlicher <strong>Aufträge</strong>, die als<br />

spezielle Regelungen gegenüber den allgeme<strong>in</strong>en Vorschriften des Verwaltungsrechts<br />

vorrangig anzuwenden s<strong>in</strong>d. Nach dem Wettbewerbsrecht ist die Nachprüfung von<br />

Vergabeentscheidungen e<strong>in</strong>er Körperschaft des öffentlichen Rechts durch die<br />

Sonderzuweisung <strong>in</strong> <strong>§</strong><strong>§</strong> 104, 116 ff. <strong>GWB</strong> im Anschluss an e<strong>in</strong>e Vorprüfung durch die<br />

Vergabekammern den Oberlandesgerichten und damit der ordentlichen Gerichtsbarkeit


967<br />

967/1<br />

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Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

übertragen. Der Vierte Abschnitt des <strong>GWB</strong> über die Vergabe öffentlicher <strong>Aufträge</strong> (<strong>§</strong><strong>§</strong> 97 ff.)<br />

f<strong>in</strong>det auf die vorliegende Streitigkeit, nämlich auf die Übertragung von<br />

Rettungsdienstleistungen nach <strong>§</strong> 9 Abs. 1 RettG NRW auf Dritte gemäß <strong>§</strong> 13 RettG<br />

Anwendung. E<strong>in</strong>e aus Art. 55, 45 EG-Vertrag abzuleitende vergaberechtliche<br />

Bereichsausnahme, die die Anwendung des Wettbewerbsrechts ausschließen würde,<br />

liegt nicht vor, weil der Leistungserbr<strong>in</strong>ger bei der Wahrnehmung der Aufgaben des<br />

Rettungsdienstes ke<strong>in</strong>e hoheitlichen Befugnisse ausübt (VG Köln, B. v. 29.0<strong>8.</strong>2008 - Az.: 7 L<br />

1205/08; im Eregbnis mit ähnlicher Tendenz OVG Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen, B. v. 30.09.2008 -<br />

Az.: 13 B 1384/08).<br />

<strong>8.</strong>1.2.3.2 Geltung der Grundsätze des <strong>Vergaberecht</strong>s<br />

Obwohl ke<strong>in</strong>e besonderen Rechtsvorschriften für die Form des Auswahlverfahrens für<br />

denjenigen, der die Rettungsleistungen erbr<strong>in</strong>gt, z.B. nach <strong>§</strong> 5 NRettDG bestehen, gelten<br />

jedenfalls bestimmte M<strong>in</strong>destanforderungen e<strong>in</strong>es rechtsstaatlichen<br />

Verwaltungsverfahrens als zw<strong>in</strong>gende Folgerungen aus dem Verfassungsrecht. Dazu<br />

gehören <strong>in</strong>sbesondere der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG und das<br />

Transparenzgebot. Zwar handelt es sich dabei auch um elementare Pr<strong>in</strong>zipien des<br />

<strong>Vergaberecht</strong>s, doch s<strong>in</strong>d diese rechtsstaatlichen M<strong>in</strong>deststandards als allgeme<strong>in</strong>e<br />

verfahrensrechtliche Grundsätze auch z.B. im NRettDG zu beachten. Denn nur auf diese<br />

Weise ist gewährleistet, dass der zuständige Rettungsdienstträger von se<strong>in</strong>em<br />

Auswahlermessen sachgerecht Gebrauch macht (Niedersächsisches OVG, B. v. 07.02.2006 -<br />

Az.: 11 ME 26/05).<br />

<strong>8.</strong>1.2.3.3 Betriebsübergang im S<strong>in</strong>n von <strong>§</strong> 613a BGB<br />

E<strong>in</strong>e Neuvergabe von Rettungsdienstleistungen ist auch ohne e<strong>in</strong>e Übernahme e<strong>in</strong>es<br />

wesentlichen Teils des vom bisherigen Auftragnehmer e<strong>in</strong>gesetzten Personals als e<strong>in</strong><br />

Betriebsübergang im S<strong>in</strong>ne von <strong>§</strong> 613a BGB anzusehen, wenn für die<br />

Auftragsdurchführung sämtliche materiellen Betriebsmittel (wie Wachgebäude,<br />

Fahrzeuge und Ausrüstungsgegenstände) vom Auftraggeber zur Verfügung gestellt werden<br />

(OLG Düsseldorf, B. v. 30.04.2009 - Az.: VII-Verg 50/08).<br />

Der Auftraggeber ist bei e<strong>in</strong>em möglichen Betriebsübergang nicht verpflichtet, die<br />

bestehenden Arbeitsverhältnisse und die Gesamtpersonalkosten offen zu legen. Es ist<br />

dem Auftraggeber nicht möglich und nicht zumutbar, jedwede rechtliche Konstellation<br />

e<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>tritts e<strong>in</strong>en neuen Auftragnehmers zu antizipieren um mit Blick darauf<br />

festzulegen, ob e<strong>in</strong> Betriebsübergang voraussichtlich e<strong>in</strong>treten wird oder <strong>in</strong> welcher<br />

Ausgestaltung dieser e<strong>in</strong>treten wird. Dies abschließend zu klären ist letztendlich Sache der<br />

Arbeitgerichte. Vor dem H<strong>in</strong>tergrund dieses Me<strong>in</strong>ungsstreits über die Frage, unter welchen<br />

Voraussetzungen bei e<strong>in</strong>em Betreiberwechsel e<strong>in</strong> "Betriebsübergang" stattf<strong>in</strong>det, liegt es im<br />

Ermessen der Vergabestelle, sich für e<strong>in</strong>e vertretbare Auslegung zu entscheiden. Der<br />

Auftraggeber übt se<strong>in</strong> Ermessen ohne Rechtsfehler aus, wenn er den Bietern vor Augen<br />

führt, dass mit hoher Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit mit e<strong>in</strong>em Betriebsübergang zu rechnen sei<br />

und versucht, das Risiko, das die Bieter e<strong>in</strong>gehen, mit e<strong>in</strong>er vertragliche<br />

Ausgleichsregelung zu m<strong>in</strong>imieren. Dies ist aus Sicht der Vergabekammer nicht zu<br />

beanstanden. Mehr kann von e<strong>in</strong>em sorgfältigen Auftraggeber nach Auffassung der<br />

Vergabekammer nicht gefordert werden. Zudem ist festzuhalten, dass etwaige<br />

Ungewissheiten h<strong>in</strong>sichtlich etwaiger erhöhter Personalkosten für die Dauer des e<strong>in</strong>jährigen


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Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Betriebsüberganges über Wagniszuschläge hätten berücksichtigt werden können (1. VK<br />

Sachsen, B. v. 06.03.2009 - Az.: 1/SVK/001-09).<br />

<strong>8.</strong>1.2.3.4 Literatur<br />

• Berger, Matthias / Tönnemann, Sven, Die Ausschreibung von<br />

Rettungsdienstleistungen, VergabeR 2009, 129<br />

• Esch, Oliver, <strong>Öffentliche</strong> Aufgabendurchführungsübertragung als<br />

ausschreibungspflichtige Beschaffung von Marktleistungen am Beispiel<br />

rettungsdienstlicher Leistungen, VergabeR 2006, 193<br />

• Esch, Oliver, Ausschreibung rettungsdienstlicher Leistungen, VergabeR 2007, 286<br />

• Esch, Oliver, Rechtsfragen der Erbr<strong>in</strong>gung und Vergütung rettungsdienstlicher<br />

Leistungen, Dissertation, Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, 2005<br />

• Garcia, Oliver, Rettungsdienst aus verfassungsrechtlicher Sicht: Wer darf<br />

Ausschreibungsverfahren regeln? - E<strong>in</strong>e Besprechung der Entscheidung des<br />

Vergabesenats des BGH vom 01.12.2008, ibr-onl<strong>in</strong>e 2009<br />

• Graef, Eberhard, Grundsatzfragen des <strong>Vergaberecht</strong>s bei der Übertragung von<br />

Aufgaben der Notfallrettung und des Krankentransports, VergabeR 2004, 166<br />

• Lechleuthner, Alex, Ausschreibungen im Rettungsdienst – Praktische Erfahrungen,<br />

VergabeR 2007, 366<br />

• R<strong>in</strong>dtorff, Ermbrecht, Die Rechtsunsicherheit nimmt zu - Rettungsdienst und<br />

<strong>Vergaberecht</strong>, Behörden Spiegel September 2008, 27<br />

• R<strong>in</strong>dtorff, Ermbrecht, Rettungsdienste ausschreiben? – Mit dem Unterlassen ist nicht<br />

zu spaßen, Behörden Spiegel Oktober 2005, 22<br />

• Röbke, Marc, <strong>Vergaberecht</strong>liche Ausschreibungspflicht für Rettungsdienstleistungen,<br />

NZBau 2008, 702<br />

• Ruthig, Josef / Zimmermann, Jochen, Dienstleistungskonzessionen im<br />

Rettungsdienstrecht, NZBau 2009, 485<br />

• Schrotz, Jan-Oliver, Kurios und gespalten - Zur (verme<strong>in</strong>tlichen) Vergabepflichtigkeit<br />

rettungsdienstlicher Leistungen, Behörden Spiegel November 2008, 20<br />

<strong>8.</strong>1.2.3.5 H<strong>in</strong>weis<br />

Nach e<strong>in</strong>er Pressemitteilung der EU-Kommission vom 27.06.2007 (IP/07/920) wird die<br />

Kommission <strong>Deutschland</strong> vor dem Europäischen Gerichtshof wegen der von<br />

kommunalen und regionalen Behörden <strong>in</strong> den Bundesländern Nordrhe<strong>in</strong>westfalen,<br />

Niedersachsen, Sachen und Sachsen-Anhalt verfolgten Praxis verklagen, <strong>Aufträge</strong> für<br />

Rettungsdienste ohne transparente Vergabeverfahren zu erteilen. Die deutschen<br />

Behörden haben e<strong>in</strong>geräumt, dass diese <strong>Aufträge</strong> nach gängiger Praxis im Zuge von<br />

Verfahren erteilt würden, die dem EU-Recht nicht genügen. Sie s<strong>in</strong>d der Auffassung, dass<br />

Rettungsdienste nicht unter das EU-Recht fielen, da sie zu den öffentlichen Aufgaben der<br />

Länder und damit zu deren hoheitlichen Aufgaben gehörten. Nach ständiger<br />

Rechtsprechung des EuGH fallen Rettungsdienste jedoch nicht unter derartige<br />

hoheitliche Aufgaben, weshalb die Mitgliedstaaten verpflichtet s<strong>in</strong>d, <strong>Aufträge</strong> für<br />

Rettungsdienste entsprechend dem EU-<strong>Vergaberecht</strong> zu erteilen.


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Inzwischen hat der Europäische Gerichtshof die Klageschrift der Kommission der<br />

Europäischen Geme<strong>in</strong>schaften gegen die Bundesrepublik <strong>Deutschland</strong> veröffentlicht<br />

(Az.: C-160/08). Da es sich <strong>in</strong>soweit um Verträge mit e<strong>in</strong>deutigem grenzüberschreitenden<br />

Interesse handele, seien durch die ohne Transparenz erfolgten Vergaben neben den<br />

Verpflichtungen aus den Richtl<strong>in</strong>ien 92/50/EWG und 2004/18/EG auch die allgeme<strong>in</strong>en<br />

Grundpr<strong>in</strong>zipien der Niederlassungsfreiheit und der Dienstleistungsfreiheit des EG-Vertrags<br />

verletzt worden. Rettungsdienstleistungen, wie auch Verkehrsdienstleistungen und<br />

mediz<strong>in</strong>ische Dienstleistungen im Rahmen des öffentlichen Rettungsdienstes, fielen nicht<br />

unter die Ausnahmebestimmungen von Artikel 45 <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit Artikel 55 EG-<br />

Vertrag, denen zufolge Tätigkeiten, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Mitgliedstaat dauernd oder zeitweise mit<br />

der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden s<strong>in</strong>d, vom Kapitel des EG-Vertrags über das<br />

Niederlassungsrecht und den freien Dienstleistungsverkehr <strong>in</strong> dem betreffenden Mitgliedstaat<br />

ausgenommen seien. Die Ausnahmeregelung des Artikel 45 EG-Vertrag, die als Ausnahme<br />

von den Grundfreiheiten eng auszulegen sei, beschränke sich streng auf diejenigen<br />

Tätigkeiten, die als solche e<strong>in</strong>e unmittelbare und spezifische Teilnahme an der Ausübung<br />

öffentlicher Gewalt darstellten. Die Frage, ob öffentliche Gewalt ausgeübt werde, sei nicht<br />

mit dem H<strong>in</strong>weis auf den öffentlich-rechtlichen Charakter der <strong>in</strong> Frage stehenden Tätigkeit zu<br />

beantworten, vielmehr sei die Möglichkeit entscheidend, dem Bürger gegenüber von<br />

Hoheitsrechten und Zwangsbefugnissen Gebrauch machen zu können. Die Kommission ist<br />

davon überzeugt, dass die Vergabepraxis im Bereich des Rettungsdienstes auch bei<br />

Beteiligung ausländischer Dienstleistungserbr<strong>in</strong>ger so gestaltet werden könnte, dass e<strong>in</strong><br />

flächendeckender, schneller und hochwertiger Rettungsdienst <strong>in</strong> allen Landesteilen<br />

gewährleistet würde.<br />

<strong>8.</strong>1.2.4 Trägerschaft e<strong>in</strong>es Ambulanten-Hilfen-Zentrums (AHZ) und<br />

Übertragung der damit <strong>in</strong> Zusammenhang stehenden flächendeckenden<br />

Grundversorgung mit ambulanten Hilfen<br />

Die Übertragung der Trägerschaft AHZ ist <strong>in</strong> Ansehung des mangelnden Vertragscharakters<br />

der Maßnahme nicht Gegenstand e<strong>in</strong>er Vergabe, sondern beurteilt sich maßgeblich nach<br />

den e<strong>in</strong>schlägigen gesetzlichen Vorschriften. Die Verpflichtung zur Vorhaltung e<strong>in</strong>er<br />

ausreichenden pflegerischen Versorgungsstruktur, stellt sich vielmehr als e<strong>in</strong>e öffentliche<br />

Aufgabe der Dase<strong>in</strong>svorsorge dar. Die Gewährung der damit <strong>in</strong> Zusammenhang stehenden<br />

flächendeckenden Grundversorgung mit ambulanten Hilfen erfolgt durch AHZ und<br />

beruhen damit auf gesetzlicher, nicht jedoch auf vertraglicher Grundlage. <strong>Vergaberecht</strong><br />

kommt nicht zur Anwendung (VK Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz, B. v. 20.3.2003 - Az.: VK 31/02).<br />

<strong>8.</strong>1.2.5 Vergabe von Nachunternehmeraufträgen durch e<strong>in</strong>en öffentlichen<br />

Auftraggeber als erfolgreicher Bieter e<strong>in</strong>es anderen Vergabeverfahrens<br />

Wesensmerkmal e<strong>in</strong>es öffentlichen Auftrags ist die Teilnahme des öffentlichen<br />

Auftraggebers am Markt. Dienen jedoch Verträge gerade nicht dazu, Mittel zu beschaffen,<br />

die e<strong>in</strong> öffentlicher Auftraggeber benötigt, um se<strong>in</strong>en staatlichen bzw. kommunalen Aufgaben<br />

nachkommen zu können, sondern nimmt e<strong>in</strong> öffentlicher Auftraggeber an e<strong>in</strong>er<br />

Ausschreibung als "normaler Bieter" und nicht <strong>in</strong> Ausübung se<strong>in</strong>er dem Gründungszweck<br />

entsprechenden Pflichtaufgaben teil und vergibt er nach dem "Gew<strong>in</strong>n" dieser<br />

Ausschreibung Nachunternehmeraufträge, handelt es sich nicht um e<strong>in</strong>en öffentlichen<br />

Auftrag im S<strong>in</strong>ne des <strong>GWB</strong> (VK Südbayern, B. v. 15.12.2003 - Az.: 56-11/03).


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<strong>8.</strong>1.2.6 (Kooperations-)Vere<strong>in</strong>barungen zwischen Verwaltungen<br />

(<strong>in</strong>terkommunale Zusammenarbeit)<br />

<strong>8.</strong>1.2.6.1 Die (neue) Rechtsprechung des EuGH<br />

E<strong>in</strong>e öffentliche Stelle kann ihre im allgeme<strong>in</strong>en Interesse liegenden Aufgaben mit ihren<br />

eigenen Mitteln und auch <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen Stellen erfüllen,<br />

ohne gezwungen zu se<strong>in</strong>, sich an externe E<strong>in</strong>richtungen zu wenden, die nicht zu ihren<br />

Dienststellen gehören. Das Geme<strong>in</strong>schaftsrecht schreibt e<strong>in</strong>mal den öffentlichen Stellen<br />

für die geme<strong>in</strong>same Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgaben ke<strong>in</strong>e spezielle<br />

Rechtsform vor. Zum anderen kann e<strong>in</strong>e solche Zusammenarbeit öffentlicher Stellen das<br />

Hauptziel der Geme<strong>in</strong>schaftsvorschriften über das öffentliche Auftragswesen – e<strong>in</strong>en<br />

freien Dienstleistungsverkehr und die Eröffnung e<strong>in</strong>es unverfälschten Wettbewerbs <strong>in</strong><br />

allen Mitgliedstaaten – nicht <strong>in</strong> Frage stellen, solange die Umsetzung dieser<br />

Zusammenarbeit nur durch Überlegungen und Erfordernisse bestimmt wird, die mit<br />

der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhängen, und der<br />

Grundsatz der Gleichbehandlung der Interessenten gewährleistet ist, so dass ke<strong>in</strong> privates<br />

Unternehmen besser gestellt wird als se<strong>in</strong>e Wettbewerber. Zu prüfen s<strong>in</strong>d bei diesen<br />

Fallkonstellationen jedoch eventuelle H<strong>in</strong>weise darauf, dass die beteiligten Körperschaften <strong>in</strong><br />

der vorliegenden Rechtssache e<strong>in</strong>e Gestaltung gewählt haben, mit der das <strong>Vergaberecht</strong><br />

umgangen werden soll (EuGH, Urteil vom 09.06.2009 - Az.: C-480/06).<br />

<strong>8.</strong>1.2.6.2 Die ältere Rechtsprechung (allgeme<strong>in</strong>)<br />

<strong>8.</strong>1.2.6.2.1 Allgeme<strong>in</strong>es<br />

Nach den Def<strong>in</strong>itionen <strong>in</strong> Artikel 1 Buchstabe a der Richtl<strong>in</strong>ien 93/36 und 93/37 setzt e<strong>in</strong><br />

öffentlicher Liefer- oder Bauauftrag e<strong>in</strong>en schriftlichen entgeltlichen Vertrag über den Kauf<br />

von Waren oder die Ausführung e<strong>in</strong>er bestimmten Art von Arbeiten zwischen e<strong>in</strong>em<br />

Lieferanten oder Unternehmer und e<strong>in</strong>em öffentlichen Auftraggeber im S<strong>in</strong>ne von Artikel 1<br />

Buchstabe b der genannten Richtl<strong>in</strong>ien voraus. Nach Artikel 1 Buchstabe a der Richtl<strong>in</strong>ie<br />

93/36 genügt es grundsätzlich, dass der Vertrag zwischen e<strong>in</strong>er Gebietskörperschaft und<br />

e<strong>in</strong>er rechtlich von dieser verschiedenen Person geschlossen wird. Etwas anderes kann nur<br />

dann gelten, wenn die Gebietskörperschaft über die betreffende Person e<strong>in</strong>e Kontrolle wie<br />

über ihre eigenen Dienststellen ausübt und diese Person zugleich im Wesentlichen für die sie<br />

kontrollierende Gebietskörperschaft oder Gebietskörperschaften tätig ist. Aufgrund der<br />

Übere<strong>in</strong>stimmung, die zwischen den Def<strong>in</strong>itionsmerkmalen e<strong>in</strong>es Auftrags – abgesehen von<br />

dessen Gegenstand – <strong>in</strong> den Richtl<strong>in</strong>ien 93/36 und 93/37 besteht, ist die im Urteil Teckal des<br />

EuGH gefundene Lösung auf die von der Richtl<strong>in</strong>ie 93/37 erfassten Vere<strong>in</strong>barungen zwischen<br />

Verwaltungen anzuwenden. E<strong>in</strong>e Regelung, welche die Beziehungen, gleich welcher Art,<br />

zwischen den öffentlichen Verwaltungen, ihren öffentlichen E<strong>in</strong>richtungen und ganz<br />

allgeme<strong>in</strong> den E<strong>in</strong>richtungen des öffentlichen Rechts, die nicht gewerblicher Art s<strong>in</strong>d,<br />

von vornhere<strong>in</strong> vom Anwendungsbereich <strong>Vergaberecht</strong>s ausschließt, stellt e<strong>in</strong>e nicht<br />

ordnungsgemäße Umsetzung der Richtl<strong>in</strong>ien 93/36 und 93/37 dar (EuGH, Urteil vom<br />

13.01.2005 - Rs. C-84/03).


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Hierbei spielt es ke<strong>in</strong>e Rolle, ob e<strong>in</strong>e solche Kooperationsvere<strong>in</strong>barung auf der Gründung<br />

z.B. e<strong>in</strong>es Zweckverbandes oder nur e<strong>in</strong>er schlichten vertraglichen Vere<strong>in</strong>barung beruht<br />

(OLG Naumburg, B. v. 03.11.2005 - Az.: 1 Verg 9/05); vgl. dazu aber die Rechtsprechung<br />

des OLG Düsseldorf – RZ 976.<br />

Schließlich stellt auch der besondere verfassungsrechtliche Schutz (Art. 28 Abs. 2 GG<br />

bzw. landesrechtliche Regelungen), den die Kommunen genießen, sie nicht über das Gesetz.<br />

Interkommunale Verträge, zu denen auch die streitgegenständliche Zweckvere<strong>in</strong>barung<br />

gehört, s<strong>in</strong>d (selbstverständlich) nur im Rahmen der Gesetze zulässig. Grundsätzlich<br />

unterliegen die Geme<strong>in</strong>den und ihre Landkreise beim Abschluss solcher Vere<strong>in</strong>barung<br />

daher auch dem Regime des <strong>Vergaberecht</strong>s, wenn dessen sachliche Voraussetzungen<br />

vorliegen. E<strong>in</strong>e Bee<strong>in</strong>trächtigung der Kooperationsfreiheit ist nämlich nicht bereits bei jedem<br />

mittelbaren E<strong>in</strong>fluss auf diese anzunehmen, sondern erst ab e<strong>in</strong>er gewissen Intensität der<br />

Bee<strong>in</strong>trächtigung, die darüber h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>en spezifischen Bezug zur kommunalen<br />

Selbstverwaltung aufweisen muss. Der Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung ist<br />

grundsätzlich nicht bee<strong>in</strong>trächtigt, wenn die Kommune am Marktgeschehen teilnimmt.<br />

Sofern sie sich <strong>in</strong> diesem Bereich bewegt, unterliegt auch sie den Regeln, die zur<br />

Gewährleistung e<strong>in</strong>es transparenten Wettbewerbsrechts geschaffen wurden. Daher fügt sich<br />

das <strong>Vergaberecht</strong> <strong>in</strong>sbesondere vor dem bereits angesprochenen H<strong>in</strong>tergrund der<br />

Tätigkeit am Markt <strong>in</strong> die Reihe zulässiger gesetzlicher Beschränkungen der<br />

kommunalen Kooperationsfreiheit e<strong>in</strong> (OLG Naumburg, B. v. 03.11.2005 - Az.: 1 Verg<br />

9/05).<br />

Zu den Konsequenzen aus dieser Rechtsprechung für Verbandsmodelle <strong>in</strong> der<br />

Abwasserwirtschaft vgl. Schwarz/Ste<strong>in</strong>ert, Behörden Spiegel Juli 2005, 23.<br />

<strong>8.</strong>1.2.6.2.2 Gründung e<strong>in</strong>es Zweckverbandes mit Aufgabenverlagerung<br />

Die Rechtsprechung des EuGH zu <strong>in</strong>house-Geschäften gebietet nicht die Anwendung des<br />

<strong>Vergaberecht</strong>s auf die Übertragung von Aufgaben auf e<strong>in</strong>en Zweckverband als e<strong>in</strong>e der<br />

Formen e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>terkommunalen Zusammenarbeit. Zweckverbände s<strong>in</strong>d Körperschaften<br />

des öffentlichen Rechts. Jedoch ist der Rechtsprechung des EuGH weder zu entnehmen, e<strong>in</strong>e<br />

kommunale Zusammenarbeit durch Gründung e<strong>in</strong>es Zweckverbandes unterliege stets dem<br />

<strong>Vergaberecht</strong>sregime, noch ist dies gewollt. Die Rechtsprechung ist ebenso wenig dah<strong>in</strong> zu<br />

deuten, das <strong>Vergaberecht</strong> sei auf jede Form e<strong>in</strong>er Kooperation staatlicher oder kommunaler<br />

Stellen anzuwenden, statt derer e<strong>in</strong>e Auftragsvergabe auch an e<strong>in</strong> privates Unternehmen<br />

erfolgen könnte. Der EuGH hat lediglich e<strong>in</strong>e gesetzliche Regelung, die<br />

Kooperationsvere<strong>in</strong>barungen gleich welcher Art zwischen Stellen der öffentlichen<br />

Verwaltung von e<strong>in</strong>er Anwendung des <strong>Vergaberecht</strong>s ausnimmt, mit dem Verdikt<br />

belegt, ke<strong>in</strong>e ordnungsgemäße Umsetzung der EG-Vergaberichtl<strong>in</strong>ien zu se<strong>in</strong>. Aus den<br />

Entscheidungssätzen ist demnach eher der Schluss zu ziehen, dass es zwischen staatlichen und<br />

kommunalen Stellen Formen e<strong>in</strong>er Zusammenarbeit geben kann, die dem<br />

<strong>Vergaberecht</strong>sregime nicht unterstehen (OLG Düsseldorf, B. v. 21.06.2006 - Az.: VII - Verg<br />

17/06; VK Köln, B. v. 09.03.2006 - Az.: VK VOL 34/2005; 3. VK Saarland, B. v. 24.10.2008<br />

- Az.: 3 VK 02/2008; B. v. 24.10.2008 - Az.: 3 VK 01/2008).


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Mit e<strong>in</strong>er Freistellung der Kooperationsform "Gründung e<strong>in</strong>es Zweckverbands" vom<br />

<strong>Vergaberecht</strong> ist überdies ke<strong>in</strong>eswegs ausgesagt, dass nicht andere zugelassene<br />

Ausgestaltungen e<strong>in</strong>er kommunalen Zusammenarbeit dem <strong>Vergaberecht</strong> unterfallen.<br />

Auf so genannte mandatierende Verwaltungsvere<strong>in</strong>barungen z.B. gemäß <strong>§</strong> 23 Abs. 1, 2. Alt.,<br />

Abs. 2 S. 2 GkG NRW, durch die sich e<strong>in</strong> Beteiligter verpflichtet, e<strong>in</strong>zelne Aufgaben für die<br />

übrigen an der Vere<strong>in</strong>barung Beteiligten durchzuführen, ist das <strong>Vergaberecht</strong> zum Beispiel<br />

anzuwenden. Davon, jedenfalls von e<strong>in</strong>er lediglich mandatierenden<br />

Verwaltungsvere<strong>in</strong>barung, unterscheidet sich der Fall der Gründung e<strong>in</strong>es Zweckverbandes<br />

und der Verlagerung von Zuständigkeiten zur Aufgabenerfüllung. Die Ermächtigung der<br />

Kommunen, Zweckverbände zu bilden, gründet sich auf die Hoheit des Staates über<br />

se<strong>in</strong>e Organisation. Die Verfassung der Bundesrepublik <strong>Deutschland</strong> hat sich e<strong>in</strong>er föderalen<br />

Organisationsstruktur verschrieben. Das dar<strong>in</strong> verankerte kommunale Selbstverwaltungsrecht<br />

verleiht den Geme<strong>in</strong>den Hoheit über ihre Verwaltungsorganisation. Organisationshoheit<br />

umfasst Kooperationsautonomie. Die zugelassene Bildung von Zweckverbänden stellt<br />

e<strong>in</strong>e Ausformung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts und der<br />

Organisationshoheit der Geme<strong>in</strong>den dar. Auf Maßnahmen, welche die (<strong>in</strong>terne)<br />

Verwaltungsorganisation betreffen, ist das <strong>Vergaberecht</strong> grundsätzlich nicht<br />

anzuwenden. Se<strong>in</strong>e Anwendung ist jedenfalls ausgeschlossen, wenn öffentlich-rechtliche<br />

Kompetenzen von e<strong>in</strong>em Aufgabenträger auf e<strong>in</strong>en anderen verlagert werden, und dies auf<br />

e<strong>in</strong>er gesetzlichen Ermächtigung beruht. Dann handelt es sich, auch wenn die Übertragung<br />

der Zuständigkeit auf e<strong>in</strong>e (öffentlich-rechtliche) Vere<strong>in</strong>barung zwischen den beteiligten<br />

Verwaltungsstellen zurückzuführen ist, um e<strong>in</strong>en dem <strong>Vergaberecht</strong> entzogenen Akt der<br />

Verwaltungsorganisation. Darauf s<strong>in</strong>d die EG-Vergaberichtl<strong>in</strong>ien nicht anzuwenden, da<br />

die Rechtssetzungsorgane der Europäischen Geme<strong>in</strong>schaft h<strong>in</strong>sichtlich der<br />

Verwaltungsorganisation der Mitgliedstaaten über ke<strong>in</strong>e Normgebungskompetenz<br />

verfügen. Ebenso wenig s<strong>in</strong>d die auf e<strong>in</strong>er Umsetzung des EG-Rechts fußenden nationalen<br />

vergaberechtlichen Normen auf <strong>in</strong>terne organisatorische Maßnahmen der öffentlichen<br />

Auftraggeber anwendbar. Danach s<strong>in</strong>d nur solche Vere<strong>in</strong>barungen zwischen staatlichen<br />

oder kommunalen Stellen nicht vom <strong>Vergaberecht</strong>sregime ausgenommen, die ke<strong>in</strong>er<br />

öffentlich-rechtlichen Zuständigkeitsverteilung gelten, sich e<strong>in</strong>er Regelung der<br />

Zuständigkeit vielmehr ausdrücklich enthalten und bei denen der<br />

Beschaffungscharakter im Vordergrund steht. Aus diesen Erwägungen s<strong>in</strong>d so genannte<br />

mandatierende Verwaltungsverträge dem <strong>Vergaberecht</strong> nicht entziehbare<br />

Beschaffungsvorgänge (OLG Düsseldorf, B. v. 21.06.2006 - Az.: VII - Verg 17/06).<br />

<strong>8.</strong>1.2.6.2.3 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung<br />

• e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>barung, nach der e<strong>in</strong> erster öffentlicher Auftraggeber e<strong>in</strong>em zweiten<br />

öffentlichen Auftraggeber die Errichtung e<strong>in</strong>es Bauwerks überträgt, stellt e<strong>in</strong>en<br />

öffentlichen Bauauftrag im S<strong>in</strong>ne von Art. 1 Buchst. a der Richtl<strong>in</strong>ie dar,<br />

unabhängig davon, ob vorgesehen ist, dass der erste öffentliche Auftraggeber<br />

Eigentümer des gesamten Bauwerks oder e<strong>in</strong>es Teils davon ist oder wird (EuGH,<br />

Urteil vom 1<strong>8.</strong>01.2007 - Az.: C-220/05)<br />

• e<strong>in</strong> öffentlicher Auftraggeber ist nicht davon befreit, die <strong>in</strong> der Richtl<strong>in</strong>ie<br />

vorgesehenen Verfahren zur Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen e<strong>in</strong>zuhalten,<br />

auch wenn die <strong>in</strong> Rede stehende Vere<strong>in</strong>barung nach nationalem Recht nur mit<br />

bestimmten juristischen Personen geschlossen werden kann, die selbst die Stellung<br />

e<strong>in</strong>es öffentlichen Auftraggebers haben und ihrerseits gehalten s<strong>in</strong>d, diese


979<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Verfahren für die Vergabe eventueller nachfolgender <strong>Aufträge</strong> durchzuführen<br />

(EuGH, Urteil vom 1<strong>8.</strong>01.2007 - Az.: C-220/05)<br />

• der Abschluss e<strong>in</strong>er Zweckvere<strong>in</strong>barung zwischen zwei Abwasserzweckverbänden,<br />

der auf e<strong>in</strong>e delegierende Übertragung der kaufmännischen und technischen<br />

Betriebsführung der Abwasserbeseitigung gerichtet ist, unterfällt nach bislang<br />

e<strong>in</strong>helliger Rechtsprechung der Ausschreibungspflicht im Verfahren nach <strong>§</strong><strong>§</strong> 97 ff<br />

<strong>GWB</strong> (OLG Naumburg, B. v. 02.03.2006 - Az.: 1 Verg 1/06)<br />

<strong>8.</strong>1.2.6.3 Literatur<br />

• Bauer, Stefan, Die Zusammenarbeit zwischen Geme<strong>in</strong>den und ihr Verhältnis zum<br />

<strong>Vergaberecht</strong>, ZfBR 2006, 446<br />

• Bergmann, T<strong>in</strong>a / Vetter, Ra<strong>in</strong>er, Interkommunale Zusammenarbeit und <strong>Vergaberecht</strong><br />

- E<strong>in</strong>e differenzierende Betrachtung, NVwZ 2006, 497<br />

• Burgi, Mart<strong>in</strong>, Warum die „kommunale Zusammenarbeit“ ke<strong>in</strong><br />

vergaberechtspflichtiger Beschaffungsvorgang ist, NZBau 2005, 208<br />

• Burgi, Mart<strong>in</strong>, Interkommunale Zusammenarbeit und <strong>Vergaberecht</strong>, Der Landkreis<br />

2005, 468<br />

• Dabr<strong>in</strong>gshausen, Gerhard, E<strong>in</strong>ige ausgewählte vergaberechtliche Probleme bei der<br />

Kooperation von Unternehmen des öffentlichen Personennahverkehrs verschiedener<br />

Gebietskörperschaften, der Geme<strong>in</strong>dehaushalt 2004, 4<br />

• Drey, Franz, Das Suchen hat begonnen - Konsequenzen aus dem EuGH-Urteil zur<br />

Stadtre<strong>in</strong>igung Hamburg, Behörden Spiegel Juli 2009, 17<br />

• Drey, Franz, Selbstverwaltung, Staat oder Wettbewerb? – Kommunale<br />

Zusammenarbeit bei der Dase<strong>in</strong>svorsorge, Behörden Spiegel 2007, 16<br />

• Düsterdiek, Bernd, Aufgabenübertragung auf e<strong>in</strong>en Zweckverband und <strong>Vergaberecht</strong>,<br />

NZBau 2006, 618<br />

• Flömer, Volker /Tomerius, Stephan, Interkommunale Zusammenarbeit unter<br />

<strong>Vergaberecht</strong>svorbehalt? NZBau 2004, 660<br />

• Frenz, Walter, Die Ausschreibungspflicht kommunaler Kooperationen auf dem<br />

Prüfstand des Europarechts, VergabeR 2006, 831<br />

• Gabriel, Marc, Abfallrechtliche Pflichtenübertragungen als Ausnahme von der<br />

Ausschreibungspflicht?, LKV 2005, 285<br />

• Gesterkamp, Stefan, Die vergaberechtliche Relevanz öffentlich-rechtlicher<br />

Vere<strong>in</strong>barungen im Rahmen kommunaler Kooperationen, AbfallR 2004, 250<br />

• Greb, Klaus, Interkommunale Kooperationen - e<strong>in</strong> konsolidierter Stand der<br />

Rechtsentwicklung?, VergabeR 2008, 409<br />

• Gruneberg, Ralf / Jänicke, Katr<strong>in</strong> / Kröcher, Jens, Erweiterte Möglichkeiten für die<br />

<strong>in</strong>terkommunale Zusammenarbeit nach der Entscheidung des EuGH vom 09.06.2009 -<br />

e<strong>in</strong>e Zwischenbilanz, ZfBR 2009, 754<br />

• Heuvels, Klaus, Unzulässige Direktbeauftragung unter öffentlichen Auftraggebern,<br />

NZBau 2007, 283<br />

• Kasper, Andreas, Interkommunale Kooperation und <strong>Vergaberecht</strong>, VergabeR 2006,<br />

839<br />

• Kerst<strong>in</strong>g, Andreas / Siems, Thomas, Ausschreibungspflicht für staatliche<br />

Kooperationen?, DVBl. 2005, 477


979/2<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

• Krohn, Wolfram, Interkommunale Zusammenarbeit und <strong>Vergaberecht</strong>, NZBau 2006,<br />

610<br />

• Losch, Alexandra, Interkommunale Zusammenarbeit - wie weit reicht das<br />

<strong>Vergaberecht</strong>?, VergabeR 2006, 627<br />

• Meißner, Barbara, Interkommunale Zusammenarbeit: Notwendigkeiten aus Sicht der<br />

Kommunen, VergabeR 2008, 403<br />

• Michels, Natalie / Kröcher, Jens, Entgegen herrschender Me<strong>in</strong>ung - Delegierende<br />

Zweckvere<strong>in</strong>barungen vergabepflichtig?, Behörden Spiegel, Februar 2006, 19<br />

• Müller, Jürgen, Interkommunale Zusammenarbeit und <strong>Vergaberecht</strong>, VergabeR 2005,<br />

436<br />

• Portz, Norbert, Der EuGH bewegt sich: Ke<strong>in</strong>e Ausschreibung kommunaler<br />

Kooperationen nach dem Urteil „Stadtre<strong>in</strong>igung Hamburg“, VergabeR 2009, 702<br />

• Potthast, Walter / Klöck, Oliver, Anwendbarkeit des <strong>Vergaberecht</strong>s auf die Gründung<br />

e<strong>in</strong>es Zweckverbands, NZBau 2007, 496<br />

• Steiff, Jakob, Interkommunale Auftragsvergabe unterliegt dem Kartellvergaberecht,<br />

NZBau 2005, 205<br />

• Tomerius, Stephan, Gestaltungsoptionen öffentlicher Auftraggeber unter dem<br />

Blickw<strong>in</strong>kel des <strong>Vergaberecht</strong>s: aktuelle vergaberechtliche Vorgaben für öffentlichprivate<br />

Partnerschaften (ÖPP) und <strong>in</strong>terkommunale Kooperation, Berl<strong>in</strong>, 2005<br />

• Wilke, Re<strong>in</strong>hard, Zweckverbände und <strong>Vergaberecht</strong>, ZfBR 2007, 23<br />

<strong>8.</strong>1.2.6.4 H<strong>in</strong>weis<br />

Nach e<strong>in</strong>er Pressemitteilung der EU-Kommission vom 31.0<strong>8.</strong>2008 (IP/08/124) hat die<br />

Kommission beschlossen, <strong>Deutschland</strong> wegen der Vergabe e<strong>in</strong>es Auftrags über die<br />

Lieferung e<strong>in</strong>er Softwareanwendung vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen,<br />

der der Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung <strong>in</strong> Bayern (AKDB) von der<br />

Datenzentrale Baden-Württemberg erteilt wurde. Beide E<strong>in</strong>richtungen s<strong>in</strong>d<br />

Körperschaften des öffentlichen Rechts und zuständig für die Beschaffung, Entwicklung und<br />

Wartung von Datenverarbeitungssystemen, die von den Kommunen e<strong>in</strong>gesetzt werden. Im<br />

vorliegenden Fall wurde die AKDB mit der Lieferung und Wartung e<strong>in</strong>er<br />

Softwareanwendung für Fahrzeugzulassungen beauftragt, die von ihr für Kommunen <strong>in</strong><br />

Bayern entwickelt wurde. Den Auftrag erteilte die Datenzentrale direkt an die AKDB ohne<br />

öffentliche Ausschreibung. Die Kommission ist der Auffassung, dass e<strong>in</strong>e Vergabestelle<br />

wie die Datenzentrale dem EU-<strong>Vergaberecht</strong> bei der Erteilung e<strong>in</strong>es Liefervertrags an<br />

Dritte genügen muss, selbst wenn der Auftragnehmer selbst e<strong>in</strong>e Körperschaft des<br />

öffentlichen Rechts ist und der öffentlichen Vergabeordnung unterliegt. Da die AKDB als<br />

Auftragnehmer vertraglich festgelegte entgeltliche Leistungen erbr<strong>in</strong>gt, wäre die<br />

Datenzentrale verpflichtet gewesen, den Auftrag gemäß dem EU-<strong>Vergaberecht</strong> öffentlich<br />

auszuschreiben, um so Transparenz und gleiche Wettbewerbsbed<strong>in</strong>gungen für Lieferanten im<br />

B<strong>in</strong>nenmarkt sicherzustellen.<br />

<strong>8.</strong>1.2.7 Rekommunalisierung<br />

<strong>8.</strong>1.2.7.1 Rechtsprechung


980<br />

980/0,3<br />

980/1<br />

980/2<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Nach Ablauf e<strong>in</strong>es Vertrages zur Aufgabenprivatisierung kann sich seitens des öffentlichen<br />

Auftraggebers e<strong>in</strong> Interesse ergeben, die Aufgabe künftig wieder durch e<strong>in</strong>e eigene<br />

Dienststelle oder durch e<strong>in</strong>e eigene Tochtergesellschaft zu erledigen. E<strong>in</strong>e solche<br />

Rückverlagerung bei der Aufgabenwahrnehmung wird als Rekommunalisierung<br />

bezeichnet. Sie stellt das spiegelbildliche Gegenstück zur funktionalen Privatisierung dar<br />

und unterliegt deshalb nicht dem <strong>Vergaberecht</strong>, wenn bei e<strong>in</strong>er erstmaligen<br />

Aufgabenübertragung an die eigene Dienststelle oder die Tochtergesellschaft die<br />

Voraussetzungen e<strong>in</strong>es Inhouse-Geschäftes (vgl. die Kommentierung RZ 658 ff) vorlägen.<br />

Wenn die Aufgabenerledigung zwar <strong>in</strong> den kommunalen Raum zurückverlagert wird, aber<br />

nicht auf e<strong>in</strong>e eigene Dienststelle oder Tochtergesellschaft e<strong>in</strong>er Kommune, sondern auf e<strong>in</strong>e<br />

andere Gebietskörperschaft, so liegt ke<strong>in</strong>e vergaberechtsfreie Rekommunalisierung vor (OLG<br />

Naumburg, B. v. 03.11.2005 - Az.: 1 Verg 9/05).<br />

Auch die Verlagerung oder Rückverlagerung von öffentlich-rechtlichen Kompetenzen<br />

von e<strong>in</strong>er kommunalen oder staatlichen Stelle zu e<strong>in</strong>er anderen, z.B. im Rahmen e<strong>in</strong>er<br />

öffentlich-rechtlichen Vere<strong>in</strong>barung, unterfällt mangels Beschaffungscharakter und damit <strong>in</strong><br />

Ermangelung e<strong>in</strong>er funktional und gewerbsmäßigen Teilnahme am Markt nicht dem Begriff<br />

des öffentlichen Auftrags im S<strong>in</strong>ne von <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 1 und 4 <strong>GWB</strong>, wenn die (Rück-<br />

)Verlagerung auf e<strong>in</strong>er gesetzlichen Ermächtigung beruht. Es handelt sich dann um e<strong>in</strong>en<br />

dem <strong>Vergaberecht</strong> entzogenen Akt der Verwaltungsorganisation. Die<br />

Rückgängigmachung, d.h. die Rückverlagerung von übertragenen Aufgaben auf die kraft<br />

Selbstverwaltungshoheit orig<strong>in</strong>är zuständige Kommune muss rechtlich entsprechend der<br />

zugrunde liegenden (H<strong>in</strong>-)Verlagerung e<strong>in</strong>geordnet und behandelt werden. Auch hierbei<br />

geht es nicht um e<strong>in</strong>e Beschaffungsmaßnahme, sondern um die Wiederherstellung der<br />

ursprünglichen verwaltungsorganisatorischen Zuständigkeit/Kompetenzverteilung.<br />

Organisationshoheit umfasst Kooperationsautonomie. Die vom Gesetzgeber zugelassene<br />

Bildung von Zweckverbänden stellt e<strong>in</strong>e Ausformung des kommunalen<br />

Selbstverwaltungsrechts und der Organisationshoheit der Geme<strong>in</strong>den dar. Von dem<br />

gleichen Selbstverwaltungsrecht und der gleichen Organisationshoheit ist es auch gedeckt,<br />

wenn die Geme<strong>in</strong>den wieder aus diesem Zweckverband ausscheiden oder e<strong>in</strong>zelne<br />

Aufgaben (zurück-)übertragen erhalten, dieser Rückübertragungsakt auf e<strong>in</strong>er<br />

gesetzlichen Ermächtigung beruht und private Dritte an dieser Übertragung nicht<br />

beteiligt s<strong>in</strong>d (3. VK Saarland, B. v. 24.10.2008 - Az.: 3 VK 02/2008; B. v. 24.10.2008 - Az.:<br />

3 VK 01/2008).<br />

<strong>8.</strong>1.2.7.2 Literatur<br />

• Börner, Achim-Rüdiger, Rekommunalisierung durch vergaberechtliche In-House-<br />

Geschäfte, Baden-Baden, 2004<br />

<strong>8.</strong>1.2.8 Beauftragung von Prüf<strong>in</strong>genieuren nach der jeweiligen<br />

Landesbauordnung<br />

Die Beauftragung von Sachverständigen im Rahmen der jeweiligen Landesbauordnung,<br />

z.B. <strong>§</strong><strong>§</strong> 73, 59 HBO, ist genu<strong>in</strong> hoheitliche Tätigkeit; mith<strong>in</strong> wird die Bauaufsichtsbehörde<br />

als Träger<strong>in</strong> öffentlicher Gewalt tätig, sodass vergaberechtlicher Rechtsschutz nach den <strong>§</strong><strong>§</strong><br />

97 ff. <strong>GWB</strong> unabhängig von dem am Auftragsvolumen orientierten Schwellenwert von


981<br />

982<br />

983<br />

984<br />

985<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

vornhere<strong>in</strong> ausscheidet, weil der Staat hier nicht als Nachfrager am Markt tätig wird, um<br />

se<strong>in</strong>en Bedarf an bestimmten Gütern oder Leistungen zu decken (VGH Hessen, B. v.<br />

1<strong>8.</strong>07.2007 - Az.: 3 UZ 1112/06).<br />

<strong>8.</strong>1.3 Inhouse-Geschäfte<br />

E<strong>in</strong> Vertrag im S<strong>in</strong>ne von <strong>§</strong> <strong>99</strong> <strong>GWB</strong> setzt voraus, dass zwei unterschiedliche Rechtssubjekte<br />

Partner des Vertrages s<strong>in</strong>d (BGH, B. v. 03.07.2008 - Az.: I ZR 145/05; VK Nordbayern, B. v.<br />

27.05.2004 - Az.: 320.VK - 3194 - 14/04). Dies wirft immer dann Schwierigkeiten auf, wenn<br />

e<strong>in</strong> öffentlicher Auftraggeber mit e<strong>in</strong>er Institution e<strong>in</strong>en Vertrag schließen will, die <strong>in</strong><br />

irgende<strong>in</strong>er Art und Weise <strong>in</strong> die Organisation des öffentlichen Auftraggebers e<strong>in</strong>gegliedert<br />

ist.<br />

Anerkannt ist, dass der öffentliche Auftraggeber durch das <strong>Vergaberecht</strong> nicht <strong>in</strong> der se<strong>in</strong>em<br />

Gestaltungsermessen unterliegenden Wahl der Organisationsform - Eigenbetrieb oder<br />

Eigengesellschaft - beschränkt werden soll, mittels derer er se<strong>in</strong>e Aufgaben erfüllen will.<br />

Beabsichtigt er, die Aufgabe mit eigenen Mitteln zu erfüllen, kann es ke<strong>in</strong>en Unterschied<br />

machen, ob er dies durch e<strong>in</strong>en Eigenbetrieb oder e<strong>in</strong>e Eigengesellschaft tut (OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 21.06.2006 - Az.: VII - Verg 17/06; OLG Brandenburg, B. v. 19.12.2002 -<br />

Az.: Verg W 9/02; VK Lüneburg, B. v. 30.06.2006 - Az.: VgK-12/2006; ; VK Köln, B. v.<br />

09.03.2006 - Az.: VK VOL 34/2005; VK Arnsberg, B. v. 26.10.2005 - Az.: VK 15/2005; B.<br />

v. 5.<strong>8.</strong>2003 - Az.: VK 2-13/2003).<br />

Fraglich ist aber, unter welchen Voraussetzungen man davon sprechen kann, dass e<strong>in</strong><br />

öffentlicher Auftraggeber e<strong>in</strong>e Aufgabe selbst erledigt, wenn für die Durchführung e<strong>in</strong>e<br />

besondere Organisationse<strong>in</strong>heit des Auftraggebers gewählt wird (so genanntes "Inhouse-<br />

Geschäft").<br />

<strong>8.</strong>1.3.1 Rechtsprechung des EuGH zu Inhouse-Geschäften<br />

<strong>8.</strong>1.3.1.1 Allgeme<strong>in</strong>es<br />

Der Gerichtshof der Europäischen Geme<strong>in</strong>schaften hat <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Urteil vom 1<strong>8.</strong>11.1<strong>99</strong>9 <strong>in</strong><br />

der Rechtssache "Teckal" (Az.: C-107/98, Slg. 1<strong>99</strong>9, I-8121 ff. = NZBau 2000, 90, 91) die<br />

Richtl<strong>in</strong>ie 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1<strong>99</strong>3 über die Koord<strong>in</strong>ierung der Verfahren zur<br />

Vergabe öffentlicher Lieferaufträge - ABl. EG Nr. L 1<strong>99</strong>, S. 1-53 - (im Folgenden: Richtl<strong>in</strong>ie<br />

93/36/EWG) für anwendbar gehalten, wenn e<strong>in</strong> öffentlicher Auftraggeber wie etwa e<strong>in</strong>e<br />

Gebietskörperschaft beabsichtigt, mit e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>richtung, die sich formal von ihm<br />

unterscheidet und die ihm gegenüber eigene Entscheidungsgewalt besitzt, e<strong>in</strong>en schriftlichen<br />

entgeltlichen Vertrag über die Lieferung von Waren zu schließen.<br />

Etwas anderes kann nur gelten, wenn die Gebietskörperschaft über die fragliche Person e<strong>in</strong>e<br />

Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen und wenn diese Person zugleich ihre<br />

Tätigkeit im Wesentlichen für die Gebietskörperschaft oder die Körperschaften verrichtet,<br />

die ihre Anteile <strong>in</strong>nehaben (EuGH, Urteil v. 15.10.2009 - Az.: C-196/08; Urteil v. 10.09.2009<br />

- Az.: C-573/07; Urteil v. 13.11.2008 - Az.: C-324/07; Urteil v. 0<strong>8.</strong>04.2008 - Az.: C-337/05;<br />

Urteil v. 1<strong>8.</strong>12.2007 - Az.: C-220/06; Urteil v. 19.04.2007 - Az.: C-295/05).


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985/2<br />

985/3<br />

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Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Der Umstand, dass der öffentliche Auftraggeber zusammen mit anderen öffentlichen<br />

Stellen das gesamte Grundkapital e<strong>in</strong>er den Zuschlag erhaltenden Gesellschaft hält,<br />

deutet darauf h<strong>in</strong> – ohne entscheidend zu se<strong>in</strong> –, dass er über diese Gesellschaft e<strong>in</strong>e<br />

Kontrolle wie über se<strong>in</strong>e eigenen Dienststellen ausübt (EuGH, Urteil v. 10.09.2009 - Az.:<br />

C-573/07).<br />

Bei der Beurteilung, ob der öffentliche Auftraggeber über die Gesellschaft, die den Zuschlag<br />

erhält, e<strong>in</strong>e Kontrolle wie über se<strong>in</strong>e eigenen Dienststellen ausübt, s<strong>in</strong>d alle<br />

Rechtsvorschriften und maßgebenden Umstände zu berücksichtigen. Diese Prüfung muss<br />

zu dem Ergebnis führen, dass die den Zuschlag erhaltende Gesellschaft e<strong>in</strong>er Kontrolle<br />

unterliegt, die es dem öffentlichen Auftraggeber ermöglicht, auf ihre Entscheidungen<br />

e<strong>in</strong>zuwirken. Hierbei muss die Möglichkeit gegeben se<strong>in</strong>, sowohl auf die strategischen<br />

Ziele als auch auf die wichtigen Entscheidungen dieser Gesellschaft ausschlaggebenden<br />

E<strong>in</strong>fluss zu nehmen (EuGH, Urteil v. 10.09.2009 - Az.: C-573/07).<br />

Dann, wenn die e<strong>in</strong>er Gesellschaft verliehene Befugnis, Dienstleistungen an private<br />

Wirtschaftsteilnehmer zu erbr<strong>in</strong>gen, ihre wesentliche Tätigkeit nur ergänzt, das<br />

Bestehen dieser Befugnis dem Hauptzweck dieser Gesellschaft, der nach wie vor <strong>in</strong> der<br />

Verwaltung öffentlicher Dienstleistungen besteht, ke<strong>in</strong>en Abbruch tut, genügt das Bestehen<br />

e<strong>in</strong>er solchen Befugnis nicht für die Feststellung, dass die genannte Gesellschaft e<strong>in</strong>e<br />

Marktausrichtung hat, die e<strong>in</strong>e Kontrolle durch die Körperschaften, die ihre Anteile<br />

halten, als nicht gesichert ersche<strong>in</strong>en lässt (EuGH, Urteil v. 10.09.2009 - Az.: C-573/07).<br />

<strong>8.</strong>1.3.1.2 Inhouse-Geschäfte bei gemischtwirtschaftlichen Gesellschaften<br />

Nach der Rechtsprechung des EuGH ist e<strong>in</strong>e Ausschreibung nicht obligatorisch, wenn der<br />

öffentliche Auftraggeber über die fragliche E<strong>in</strong>richtung, der e<strong>in</strong> Auftrag erteilt werden soll,<br />

e<strong>in</strong>e ähnliche Kontrolle ausübt wie über se<strong>in</strong>e eigenen Dienststellen und diese E<strong>in</strong>richtung<br />

ihre Tätigkeit im Wesentlichen mit der oder den öffentlichen Stellen verrichtet, die ihre<br />

Anteile <strong>in</strong>nehaben. Dagegen schließt die - auch nur m<strong>in</strong>derheitliche - Beteiligung e<strong>in</strong>es<br />

privaten Unternehmens am Kapital e<strong>in</strong>er Gesellschaft, an der auch der betreffende<br />

öffentliche Auftraggeber beteiligt ist, es auf jeden Fall aus, dass der öffentliche<br />

Auftraggeber über diese Gesellschaft e<strong>in</strong>e ähnliche Kontrolle ausübt wie über se<strong>in</strong>e<br />

eigenen Dienststellen. Insoweit ist zunächst festzustellen, dass die Beziehung zwischen e<strong>in</strong>er<br />

öffentlichen Stelle, die e<strong>in</strong> öffentlicher Auftraggeber ist, und ihren Dienststellen durch<br />

Überlegungen und Erfordernisse bestimmt wird, die mit der Verfolgung von im öffentlichen<br />

Interesse liegenden Zielen zusammenhängen. Die Anlage von privatem Kapital <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

Unternehmen beruht dagegen auf Überlegungen, die mit privaten Interessen<br />

zusammenhängen, und verfolgt andersartige Ziele. Zweitens würde die Vergabe e<strong>in</strong>es<br />

öffentlichen Auftrags an e<strong>in</strong> gemischtwirtschaftliches Unternehmen ohne Ausschreibung das<br />

Ziel e<strong>in</strong>es freien und unverfälschten Wettbewerbs und den <strong>in</strong> der Richtl<strong>in</strong>ie 92/50 genannten<br />

Grundsatz der Gleichbehandlung der Interessenten bee<strong>in</strong>trächtigen, <strong>in</strong>sbesondere weil e<strong>in</strong><br />

solches Verfahren e<strong>in</strong>em am Kapital dieses Unternehmens beteiligten privaten Unternehmen<br />

e<strong>in</strong>en Vorteil gegenüber se<strong>in</strong>en Konkurrenten verschaffen würde (EuGH, Urteil v. 15.10.2009<br />

- Az.: C-196/08; Urteil v. 10.09.2009 - Az.: C-573/07; Urteil v. 13.11.2008 - Az.: C-324/07;<br />

Urteil v. 0<strong>8.</strong>04.2008 - Az.: C-337/05; Urteil vom 1<strong>8.</strong>01.2007 - Az.: C-220/05; Urteil v.<br />

06.04.2006 - Az.: C-410/04; Urteil vom 10.11.2005 - Az.: C-29/04; Urteil vom 11.01.2005 -<br />

Rs. C-26/03).


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Dabei spielt es ke<strong>in</strong>e Rolle, ob es sich um vertikal oder horizontal organisierte Inhouse-<br />

Geschäfte handelt (im Ergebnis ebenso Dreher, NZBau 2004, 18).<br />

Bei der Frage, ob es sich um e<strong>in</strong>e Auftragsvergabe an e<strong>in</strong>e gemischtwirtschaftliche<br />

Gesellschaft oder e<strong>in</strong> vergaberechtsfreies Inhouse-Geschäft handelt, s<strong>in</strong>d die<br />

Gesamtumstände auch <strong>in</strong> zeitlicher H<strong>in</strong>sicht zu würdigen, um z.B. Umgehungsversuche<br />

zu verh<strong>in</strong>dern (EuGH, Urteil vom 10.11.2005 - Az.: C-29/04 – mit e<strong>in</strong>em sehr <strong>in</strong>struktiven<br />

Beispiel; BGH, B. v. 03.07.2008 - Az.: I ZR 145/05; VK Thür<strong>in</strong>gen, B. v. 23.02.2007 - Az.:<br />

360-4003.20-62/2007-001-G).<br />

Nach dieser Rechtsprechung unterfallen Verträge öffentlicher Auftraggeber mit<br />

Kommunalversicherern, bei denen Mitglieder auch sonstige wirtschaftliche<br />

Vere<strong>in</strong>igungen se<strong>in</strong> können, die sich also nicht vollständig <strong>in</strong> öffentlicher Hand bef<strong>in</strong>den,<br />

dem <strong>Vergaberecht</strong> (BGH, B. v. 03.07.2008 - Az.: I ZR 145/05; OLG Köln, Urteil vom<br />

15.07.2005 - Az: 6 U 17/05.).<br />

Bei der E<strong>in</strong>schaltung von gemischtwirtschaftlichen Gesellschaften spielt es auch ke<strong>in</strong>e<br />

Rolle, <strong>in</strong> wessen Händen die Geschäftsanteile der Gesellschaften, die an e<strong>in</strong>er<br />

gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft beteiligt s<strong>in</strong>d, liegen (z.B. <strong>in</strong>sgesamt bei der<br />

öffentlichen Hand). E<strong>in</strong> anderes Verständnis würde der durch die Geme<strong>in</strong>schaftsvorschriften<br />

wie z.B. der Dienstleistungskoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie bezweckten Öffnung des öffentlichen<br />

Auftragswesens für e<strong>in</strong>en möglichst umfassenden Wettbewerb entgegenstehen.<br />

Staatsunternehmen würden, ungeachtet der Ziele und Zwecke ihrer Betätigung, bei der<br />

Vergabe von öffentlichen <strong>Aufträge</strong>n bevorzugt (OLG Celle, B. v. 10.11.2005 - Az.: 13<br />

Verg 12/05).<br />

Anderer Auffassung ist <strong>in</strong>soweit die VK Lüneburg. Danach kann auch e<strong>in</strong>e sog. gemischtöffentliche<br />

Gesellschaft das Kriterium der Kontrolle über die zu beauftragende E<strong>in</strong>richtung<br />

wie über e<strong>in</strong>e eigene Dienststelle (Kontrollkriterium) erfüllen, solange die betreffende<br />

E<strong>in</strong>richtung, der der Auftrag übertragen werden soll, zu 100 % von öffentlichen Stellen<br />

gehalten wird. Entscheidend für die Gewährleistung des für die Annahme e<strong>in</strong>es Inhouse-<br />

Geschäftes erforderlichen Kontrollkriteriums des EuGH ist es, dass der Auftraggeber alle<strong>in</strong><br />

oder bei e<strong>in</strong>er gemischt-öffentlichen Gesellschaft geme<strong>in</strong>sam mit den anderen<br />

öffentlichen Trägern se<strong>in</strong>en im öffentlichen Interesse liegenden Zielen im vollen Umfang<br />

Geltung verschaffen kann (VK Lüneburg, B. v. 30.06.2006 - Az.: VgK-12/2006 –<br />

Entscheidung durch OLG Celle, B. v. 14.09.2006 - Az.: 13 Verg 2/06 aufgehoben).<br />

In diesem S<strong>in</strong>ne ist auch der Fall zu beurteilen, dass e<strong>in</strong> öffentlicher Auftraggeber e<strong>in</strong><br />

Geme<strong>in</strong>schaftsunternehmen, an dem er selbst zur Hälfte beteiligt ist, ohne<br />

Durchführung e<strong>in</strong>es den Anforderungen des Vierten Teils des <strong>GWB</strong> und der VgV<br />

genügenden Vergabeverfahrens mit ausschreibungspflichtigen Dienstleistungen<br />

beauftragt und das Geme<strong>in</strong>schaftsunternehmen dazu gehörende Teilleistungen (z.B.<br />

Abfallentsorgung), die als solche dem <strong>GWB</strong>-Vergaberegime unterfallen, <strong>in</strong> der Folge<br />

nachunternehmerähnlich weiter vergeben will. Dann ist das Geme<strong>in</strong>schaftsunternehmen<br />

gegenüber e<strong>in</strong>em daran <strong>in</strong>teressierten Unternehmen zur E<strong>in</strong>haltung der e<strong>in</strong>schlägigen<br />

Bestimmungen über das Vergabeverfahren der VgV und z.B. der VOL/A gleichermaßen<br />

verpflichtet, wie es der öffentliche Auftraggeber selbst ohne E<strong>in</strong>schaltung des<br />

Geme<strong>in</strong>schaftsunternehmens gewesen wäre. Andernfalls könnten die Vergabestellen die<br />

B<strong>in</strong>dungen des <strong>Vergaberecht</strong>s durch Gründung von Tochtergesellschaften mit<br />

Eigenbeteiligungen von beispielsweise, wie hier, 50 % umgehen. Das aber wäre mit der<br />

Rechtsprechung des EuGH nicht vere<strong>in</strong>bar, demzufolge e<strong>in</strong> öffentlicher Auftraggeber


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e<strong>in</strong>en als solchen dem <strong>Vergaberecht</strong> unterliegenden Auftrag an e<strong>in</strong>e andere juristische Person<br />

ohne Vergabewettbewerb nur dann vergeben kann, wenn er diese Gesellschaft beherrscht, wie<br />

e<strong>in</strong>e eigene Dienststelle (KG Berl<strong>in</strong>, B. v. 27.07.2006 - Az.: 2 Verg 5/06).<br />

Nicht um e<strong>in</strong>e gemischtwirtschaftliche Gesellschaft handelt es sich <strong>in</strong> dem Fall, dass<br />

mehrere öffentliche Auftraggeber <strong>in</strong>sgesamt die Anteile an der Gesellschaft halten, wenn<br />

auch <strong>in</strong> unterschiedlicher Höhe (EuGH, Urteil v. 10.09.2009 - Az.: C-573/07; Urteil v.<br />

19.04.2007 - Az.: C-295/05).<br />

In e<strong>in</strong>em Fall, <strong>in</strong> dem sich mehrere öffentliche Stellen dafür entscheiden, e<strong>in</strong>ige ihrer<br />

geme<strong>in</strong>wirtschaftlichen Aufgaben durch die E<strong>in</strong>schaltung e<strong>in</strong>er Gesellschaft zu erfüllen,<br />

deren Anteile sie geme<strong>in</strong>sam halten, ist es normalerweise ausgeschlossen, dass e<strong>in</strong>e<br />

dieser Stellen, die nur e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>derheitsbeteiligung an dieser Gesellschaft hält, alle<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

bestimmende Kontrolle über deren Entscheidungen ausübt. In e<strong>in</strong>em solchen Fall zu<br />

verlangen, dass die Kontrolle durch e<strong>in</strong>e öffentliche Stelle <strong>in</strong>dividuell erfolgen müsse,<br />

hätte die Wirkung, dass <strong>in</strong> den meisten Fällen, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong>e solche öffentliche Stelle<br />

e<strong>in</strong>er Gesellschaft, deren Anteile von anderen öffentlichen Stellen gehalten werden,<br />

beitreten möchte, um dieser Gesellschaft die Verwaltung e<strong>in</strong>er öffentlichen<br />

Dienstleistung zu übertragen, e<strong>in</strong>e Ausschreibung vorgeschrieben würde. E<strong>in</strong> solches<br />

Ergebnis wäre mit der Systematik der Geme<strong>in</strong>schaftsvorschriften auf dem Gebiet der<br />

öffentlichen <strong>Aufträge</strong> und der Konzessionen nicht vere<strong>in</strong>bar. E<strong>in</strong>e öffentliche Stelle hat<br />

nämlich die Möglichkeit, ihre im allgeme<strong>in</strong>en Interesse liegenden Aufgaben mit ihren eigenen<br />

adm<strong>in</strong>istrativen, technischen und sonstigen Mitteln zu erfüllen, ohne gezwungen zu se<strong>in</strong>, sich<br />

an externe E<strong>in</strong>richtungen zu wenden, die nicht zu ihren Dienststellen gehören. Von dieser<br />

Möglichkeit, zur Erfüllung ihres geme<strong>in</strong>wirtschaftlichen Auftrags auf ihre eigenen Mittel<br />

zurückzugreifen, können die betreffenden öffentlichen Stellen <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit<br />

anderen öffentlichen Stellen Gebrauch machen. Es ist daher die Möglichkeit zuzulassen, dass,<br />

wenn mehrere öffentliche Stellen die Anteile an e<strong>in</strong>er Gesellschaft halten, der sie die<br />

Wahrnehmung e<strong>in</strong>er ihrer geme<strong>in</strong>wirtschaftlichen Aufgaben übertragen, diese Stellen ihre<br />

Kontrolle über diese Gesellschaft geme<strong>in</strong>sam ausüben können. Bei e<strong>in</strong>em Kollegialorgan<br />

kommt es auf das Verfahren zur Beschlussfassung, <strong>in</strong>sbesondere e<strong>in</strong>en etwaigen Rückgriff<br />

auf e<strong>in</strong>e Mehrheitsentscheidung, nicht an (EuGH, Urteil v. 10.09.2009 - Az.: C-573/07).<br />

Ob tatsächlich e<strong>in</strong>e Beteiligung Privater am Grundkapital der den Zuschlag erhaltenden<br />

Gesellschaft vorliegt (und damit e<strong>in</strong>e gemischtwirtschaftliche Gesellschaft), ist <strong>in</strong> der Regel<br />

zum Zeitpunkt der Vergabe des betreffenden öffentlichen Auftrags zu prüfen. Auch<br />

kann es geboten se<strong>in</strong>, zu berücksichtigen, dass das nationale Recht, das zum Zeitpunkt der<br />

Vergabe e<strong>in</strong>es Auftrags an e<strong>in</strong>e Gesellschaft gilt, an der der öffentliche Auftraggeber das<br />

gesamte Grundkapital hält, die baldige Öffnung der Gesellschaft für Fremdkapital<br />

vorschreibt. Ausnahmsweise können besondere Umstände die Berücksichtigung von nach<br />

der Vergabe des betreffenden Auftrags e<strong>in</strong>getretenen Ereignissen erfordern. Das ist<br />

<strong>in</strong>sbesondere dann der Fall, wenn Anteile der den Zuschlag erhaltenden Gesellschaft, die<br />

bisher vollständig vom öffentlichen Auftraggeber gehalten wurden, kurz nach Vergabe des<br />

betreffenden Auftrags an diese Gesellschaft im Rahmen e<strong>in</strong>er künstlichen Gestaltung zur<br />

Umgehung der e<strong>in</strong>schlägigen geme<strong>in</strong>schaftsrechtlichen Vorschriften an e<strong>in</strong> privates<br />

Unternehmen übertragen werden (EuGH, Urteil v. 10.09.2009 - Az.: C-573/07).<br />

Wird zum Zeitpunkt der Vergabe des betreffenden Auftrags an e<strong>in</strong>e Gesellschaft deren<br />

gesamtes Grundkapital vom öffentlichen Auftraggeber – alle<strong>in</strong> oder mit weiteren öffentlichen<br />

Stellen – gehalten, so ist die Möglichkeit e<strong>in</strong>er Öffnung des Kapitals dieser Gesellschaft<br />

für private Investoren nur zu berücksichtigen, wenn zu diesem Zeitpunkt bereits e<strong>in</strong>e


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konkrete Aussicht auf e<strong>in</strong>e baldige entsprechende Kapitalöffnung besteht. Zu beachten<br />

ist allerd<strong>in</strong>gs, dass es im Fall der Vergabe e<strong>in</strong>es Auftrags ohne Ausschreibung an e<strong>in</strong>e<br />

Gesellschaft mit öffentlichem Kapital, bei der das gesamte Grundkapital von öffentlichen<br />

Auftraggebern gehalten wird und e<strong>in</strong>e Möglichkeit der Beteiligung privater Auftraggeber<br />

besteht, e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>e Ausschreibung erfordernde Änderung e<strong>in</strong>er grundlegenden Bed<strong>in</strong>gung<br />

dieses Auftrags bedeuten würde, wenn zu e<strong>in</strong>em späteren Zeitpunkt, aber immer noch<br />

<strong>in</strong>nerhalb der Gültigkeitsdauer des Auftrags, Privatpersonen zur Beteiligung am<br />

Grundkapital der genannten Gesellschaft zugelassen würden (EuGH, Urteil v. 10.09.2009<br />

- Az.: C-573/07).<br />

Die Nichtdurchführung e<strong>in</strong>er Ausschreibung im Rahmen der Vergabe von Dienstleistungen<br />

an gemischtwirtschaftliche Gesellschaften ersche<strong>in</strong>t zwar mit den Art. 43 EG und 49 EG und<br />

mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung und dem Diskrim<strong>in</strong>ierungsverbot unvere<strong>in</strong>bar, doch<br />

kann dem abgeholfen werden durch die Beachtung der Vorgaben des<br />

Geme<strong>in</strong>schaftsrechts (u.a. Nichtdiskrim<strong>in</strong>ierung, freier Wettbewerb, Transparenz) bei<br />

der Auswahl des privaten Gesellschafters und die Festlegung der Kriterien für se<strong>in</strong>e<br />

Eignung, denn die Bewerber müssen neben ihrer Fähigkeit, Anteilseigner zu werden, vor<br />

allem ihre technische Fähigkeit zur Erbr<strong>in</strong>gung der Dienstleistung sowie die wirtschaftlichen<br />

und sonstigen Vorteile nachweisen, die sich aus ihrem Angebot ergeben. Da die<br />

Eignungskriterien für den privaten Gesellschafter nicht nur auf das e<strong>in</strong>gebrachte Kapital,<br />

sondern auch auf se<strong>in</strong>e technische Fähigkeit und die Merkmale se<strong>in</strong>es Angebots im H<strong>in</strong>blick<br />

auf die konkret zu erbr<strong>in</strong>genden Leistungen abstellen und dieser Gesellschafter mit der<br />

operativen Tätigkeit der fraglichen Dienstleistung und damit deren Verwaltung betraut wird,<br />

kann angenommen werden, dass sich die Auswahl des Konzessionärs mittelbar aus der des<br />

Gesellschafters ergibt, die nach e<strong>in</strong>em Verfahren unter Wahrung der geme<strong>in</strong>schaftsrechtlichen<br />

Grundsätze getroffen wurde, weshalb e<strong>in</strong> zweites Ausschreibungsverfahren für die<br />

Auswahl des Konzessionärs nicht gerechtfertigt wäre. Würde <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er solchen Situation e<strong>in</strong><br />

doppeltes Auswahlverfahren – zunächst für den privaten Partner der<br />

gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft und dann für die Vergabe der Konzession an<br />

diese – verlangt, könnte dies aufgrund der Dauer solcher Verfahren und der<br />

Rechtsunsicherheit h<strong>in</strong>sichtlich der Vergabe der Konzession an den zuvor ausgewählten<br />

privaten Partner dazu führen, dass private E<strong>in</strong>richtungen und öffentliche Stellen von<br />

der Gründung <strong>in</strong>stitutionalisierter öffentlichprivater Partnerschaften abgehalten werden<br />

(EuGH, Urteil v. 15.10.2009 - Az.: C-196/08).<br />

E<strong>in</strong>e gemischt öffentlich-private Kapitalgesellschaft muss <strong>in</strong> solchen Fällen während der<br />

gesamten Dauer der Konzession ihren Gesellschaftszweck unverändert beibehalten. E<strong>in</strong>e<br />

wesentliche Änderung des Vertrags hätte e<strong>in</strong>e Verpflichtung zur Ausschreibung zur Folge<br />

(EuGH, Urteil v. 15.10.2009 - Az.: C-196/08).<br />

<strong>8.</strong>1.3.1.3 Inhouse-Geschäfte bei der Übertragung von Dienstleistungskonzessionen<br />

Der EuGH wendet die Grundsätze se<strong>in</strong>er Rechtsprechung zu Inhouse-Geschäften auch<br />

auf die Fallkonstellation der Übertragung e<strong>in</strong>er Dienstleistungskonzession und die<br />

Notwendigkeit der Sicherstellung der Herstellung e<strong>in</strong>es angemessenen Grades an<br />

Öffentlichkeit an, der die öffentlichen Dienstleistungskonzessionen dem Wettbewerb öffnet<br />

und die Nachprüfung ermöglicht, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt worden<br />

s<strong>in</strong>d (EuGH, Urteil v. 13.11.2008 - Az.: C-324/07).


<strong>99</strong>3<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

<strong>8.</strong>1.3.1.4 Literatur<br />

• Beckmann, Mart<strong>in</strong>, In-house-Geschäfte und De-Facto-Vergaben – EuGH schließt Lücken<br />

des <strong>Vergaberecht</strong>s, AbfallR 2005, 37<br />

• Bergmann, T<strong>in</strong>a, Die Vergabe öffentlicher <strong>Aufträge</strong> und das In-House-Geschäft,<br />

Dissertation, Hamburg, 2005<br />

• Bohne, Jochen / He<strong>in</strong>buch, Holger, S<strong>in</strong>d Stadtwerke In-house-fähig?, NvWZ 2004, 177<br />

• Bultmann, Peter, Zur Privilegierung gemischt-öffentlicher Eigengesellschaften bei der<br />

Vergabe öffentlicher <strong>Aufträge</strong>, NZBau 2006, 222<br />

• Burgi, Mart<strong>in</strong>, Energierecht und <strong>Vergaberecht</strong>, Recht der Energiewirtschaft 6/2007, 145<br />

• von dem Bussche, Julie, Das ausschreibungsfreie Inhouse-Geschäft nach dem<br />

Gesetzesentwurf zur Modernisierung des <strong>Vergaberecht</strong>s: Schaffung e<strong>in</strong>es isolierten<br />

Verwaltungsmarkts?, VergabeR 2008, 881<br />

• Dabr<strong>in</strong>ghausen, Gerhard, Horizontale Inhouse-Geschäfte, NZBau 2009, 616<br />

• Dabr<strong>in</strong>ghausen, Gerhard / Meier, Norbert, Der stille Gesellschafter – e<strong>in</strong> „schädlicher“<br />

Dritter im S<strong>in</strong>ne der neueren EuGH-Rechtsprechung zur In-house-Vergabe?, NZBau<br />

2007, 417<br />

• Dabr<strong>in</strong>ghausen, Gerhard, Aktuelle Folgerungen für Kommunen aus der neuesten<br />

Rechtsprechung des EuGH zur Problematik der „In-house-Vergaben“, der<br />

Geme<strong>in</strong>dehaushalt 2005, 107<br />

• Dammert, Bernd, Vergabefreie In-house-Geschäfte – Möglichkeiten und Grenzen, BauRB<br />

2005, 151<br />

• Dippel, Norbert / Herborn-Lauff, Monika, Missbrauch bei den Ausnahmen – <strong>Öffentliche</strong><br />

<strong>Aufträge</strong> im Verteidigungsbereich, Behörden Spiegel Mai 2006, 20<br />

• Dreher, Me<strong>in</strong>rad, Das Verhältnis von Kartellvergabe- und Zuwendungsrecht –<br />

Ausschreibungsfreiheit oder Ausschreibungspflicht bei zuwendungsmitf<strong>in</strong>anzierten Inhouse-Vergaben?<br />

– Teil 1, NZBau 2008, 93<br />

• Dreher, Me<strong>in</strong>rad, Das Verhältnis von Kartellvergabe- und Zuwendungsrecht –<br />

Ausschreibungsfreiheit oder Ausschreibungspflicht bei zuwendungsmitf<strong>in</strong>anzierten Inhouse-Vergaben?<br />

– Teil 2, NZBau 2008, 154<br />

• Dreher, Me<strong>in</strong>rad, Das In-house-Geschäft – Offene und neue Rechtsfragen der<br />

Anwendbarkeit der In-house-Grundsätze, NZBau 2004, 14<br />

• Frenz, Walter, In-House-Geschäfte nach dem Urteil Asemfo/Tragsa - EuGH, Urt. v.<br />

29.4.2007 - Rs. C 295/05, VergabeR 2007, 446<br />

• Frenz, Walter, Neues zu In-House-Geschäften, VergabeR 2007, 304<br />

• Hausmann, Friedrich / Bultmann, Peter, Die Entscheidung des EuGH <strong>in</strong> der Rechtssache<br />

„Stadt Halle“, NVwZ 2005, 377<br />

• Jasper, Ute, Der Spielraum wird enger - In-House-Geschäfte mit Aktiengesellschaften,<br />

Behörden Spiegel September 2008, 28<br />

• Jasper, Ute / Arnold, Hans, Die Ausschreibungspflicht im Fall der "Stadt Mödl<strong>in</strong>g",<br />

NZBau 2006, 24<br />

• Jennert, Carsten, Das Urteil „Park<strong>in</strong>g Brixen“: Übernahme des Betriebsrisikos als<br />

rechtssicheres Abgrenzungsmerkmal für die Dienstleistungskonzession?, NZBau 2005,<br />

623<br />

• Koman, Angelika, Von Teckal zu Halle: Die jüngste <strong>Vergaberecht</strong>sjudikatur des EuGH<br />

und deren Auswirkungen auf die aktuelle Diskussion zu "In-house" Rechtsverhältnissen<br />

und <strong>in</strong>stitutionellen Public Private Partnerships, ZfBR 2005, 349


<strong>99</strong>4<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

• Konstas, Jannis, Das vergaberechtliche Inhouse-Geschäft – Die Ausschreibungspflicht für<br />

öffentliche <strong>Aufträge</strong> an verselbständigte Verwaltungse<strong>in</strong>heiten und<br />

Rechtsschutzmöglichkeiten übergangener Wettbewerber, Dissertation, München, 2004<br />

• Krämer, Mart<strong>in</strong>, Nach dem Inhouse-Paukenschlag - Gemischtwirtschaftliche<br />

Unternehmen: was nun?, Behörden Spiegel März 2005, 23<br />

• Krohn, Wolfram, „In-house“-Fähigkeit kommunaler Geme<strong>in</strong>schaftsunternehmen, NZBau<br />

2009, 222<br />

• Krohn, Wolfram, "Aus" für In-house-Vergaben an gemischtwirtschaftliche Unternehmen,<br />

NZBau 2005, 91<br />

• Kühl<strong>in</strong>g, Jürgen, Ausschreibungszwänge bei der Gründung gemischt-wirtschaftlicher<br />

Gesellschaften – Das EuGH-Urteil im Fall Mödl<strong>in</strong>g und se<strong>in</strong>e Folgen, ZfBR 2006, 661<br />

• Lotze, Andreas, Dase<strong>in</strong>svorsorge oder Wettbewerb? – Zu den vergaberechtlichen<br />

Konsequenzen der EuGH-Entscheidung „Stadt Halle“ für die Ver- und<br />

Entsorgungswirtschaft, VergabeR 2005, 278<br />

• Mayen, Thomas, Durchführung von Förderprogrammen und <strong>Vergaberecht</strong>, NZBau 2009,<br />

98<br />

• Müller-Kabisch, Susanne / Manka, Jörg, EuGH macht „kurzen Prozess“ mit In-house-<br />

Vergaben an gemischtwirtschaftliche Unternehmen, der Geme<strong>in</strong>dehaushalt 2005, 158<br />

• Orlowski, Christian, Zulässigkeit und Grenzen der In-house-Vergabe, NZBau 2007, 80<br />

(ausführliche Darstellung der Möglichkeiten)<br />

• Portz, Norbert, Zu starke Marktausrichtung – EuGH: Wettbewerbspflicht bei<br />

Dienstleistungskonzessionen, Behörden Spiegel November 2005, 16<br />

• Recker, Engelbert, Inhouse-Geschäfte anpassen – EuGH verschärft Anforderungen weiter,<br />

Behörden Spiegel Juli 2006, 20<br />

• Schröder, Holger, In-House-Vergabe zwischen Beteiligungsunternehmen der öffentlichen<br />

Hand?, NZBau 2005, 127<br />

• Siegel, Thorsten, Die <strong>Vergaberecht</strong>spflichtigkeit der In-State-Geschäfte - E<strong>in</strong> Rückzug <strong>in</strong><br />

drei Akten, VergabeR 2006, 621<br />

• Sittner, Elmar, Vergabe per Musterunterlagen - Abschlüsse bei Kommunalversicherern<br />

nicht mehr "europafest", Behörden Spiegel Oktober 2005, 20<br />

• Söbbeke, Markus, In-house quo vadis?: Zur Konzeption des Kontrollerfordernisses bei<br />

vergabefreien Eigengeschäften nach den EuGH-Urteilen "Stadt Halle" und "Carbotermo",<br />

DÖV 2006, <strong>99</strong>6<br />

• Stammkötter, Andreas, „Outhouse“ durch Wettbewerb – Die Konkretisierung der<br />

Anforderungen an e<strong>in</strong>e Inhouse-Vergabe nach der „Carbotermo“-Entscheidung des<br />

EuGH, ZfBR 2007, 245<br />

• Vetter, Ra<strong>in</strong>er / Bergmann, T<strong>in</strong>a, De-facto-Vergaben und In-house-Geschäfte im Lichte<br />

des effet utile - Ke<strong>in</strong> Raum für Schlupflöcher im <strong>Vergaberecht</strong>, EuZW 2005, 589<br />

• Wittek, Nicolas, Das In-House Geschäft im EG-<strong>Vergaberecht</strong> – die mitgliedstaatliche<br />

Bedarfsdeckung im Lichte des EG-<strong>Vergaberecht</strong>s unter besonderer Berücksichtigung der<br />

In-House-Vergabe, Dissertation, Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, 2004<br />

<strong>8.</strong>1.3.2 Rechtsprechung des BGH zu Inhouse-Geschäften<br />

Der BGH hat sich der allgeme<strong>in</strong>en Rechtsprechung für den Bereich der<br />

Dienstleistungsaufträge angeschlossen (BGH, B. v. 03.07.2008 - Az.: I ZR 145/05; Urteil<br />

vom 12.6.2001 - Az.: X ZB 10/01). Die Gleichbehandlung ist sachgerecht, weil beide<br />

Richtl<strong>in</strong>ien e<strong>in</strong>en Vertrag zwischen öffentlichem Auftraggeber und Auftragnehmer


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voraussetzen. Sie verbietet sich auch nicht etwa deshalb, weil die Richtl<strong>in</strong>ie 92/50/EWG für<br />

die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen <strong>in</strong> Art. 6 - anders als die Richtl<strong>in</strong>ie 93/36/EWG für<br />

die ihr unterfallenden Verträge - e<strong>in</strong>e die Anwendung ausschließende Ausnahme für den Fall<br />

enthält, dass e<strong>in</strong>e Dienstleistung an e<strong>in</strong>en Auftragnehmer vergeben wird, der se<strong>in</strong>erseits zum<br />

Lager der öffentlichen Auftraggeber gehört, und diese Ausnahme unter anderen als den<br />

vorstehend genannten Voraussetzungen e<strong>in</strong>greift. Denn es ist nichts dafür erkennbar, dass<br />

durch diese Regelung die Frage berührt wäre, welche Rechtsgeschäfte e<strong>in</strong>en Vertrag i. S. v.<br />

Art. 1 lit. a) der Richtl<strong>in</strong>ie darstellen. Bei ihrer Beantwortung ist e<strong>in</strong>e funktionelle<br />

Betrachtungsweise nötig.<br />

E<strong>in</strong>e abschließende Beurteilung darüber, <strong>in</strong> welchen Fällen e<strong>in</strong> Inhouse-Geschäft vorliegt, hat<br />

der BGH ausdrücklich nicht getroffen.<br />

<strong>8.</strong>1.3.3 Übertragbarkeit der Rechtsprechung des EuGH und des BGH<br />

Unter Berücksichtigung der Argumentation des EuGH und des BGH s<strong>in</strong>d diese Grundsätze<br />

auch auf Bauverträge und Auslobungsverfahren anwendbar.<br />

<strong>8.</strong>1.3.4 Voraussetzungen e<strong>in</strong>es Inhouse-Geschäftes nach nationaler<br />

Rechtsprechung<br />

Nach ständiger Rechtsprechung fehlt es für die Zwecke des <strong>Vergaberecht</strong>s an e<strong>in</strong>er<br />

Vere<strong>in</strong>barung zwischen zwei verschiedenen Personen, die Voraussetzung für die Annahme<br />

e<strong>in</strong>es ausschreibungspflichtigen öffentlichen Auftrags ist, wenn zwei Voraussetzungen<br />

erfüllt s<strong>in</strong>d: Zum e<strong>in</strong>en muss der öffentliche Auftraggeber alle<strong>in</strong> oder zusammen mit<br />

anderen öffentlichen Stellen e<strong>in</strong>e ähnliche Kontrolle über den Auftragnehmer ausüben<br />

wie über se<strong>in</strong>e eigenen Dienststellen. Zum zweiten muss er se<strong>in</strong>e Tätigkeit im<br />

Wesentlichen für die öffentliche Körperschaft oder die öffentlichen Körperschaften<br />

verrichten, die se<strong>in</strong>e Anteile <strong>in</strong>nehaben (BGH, B. v. 03.07.2008 - Az.: I ZR 145/05; OLG<br />

Celle, B. v. 29.10.2009 - Az.: 13 Verg 8/09; OLG Düsseldorf, B. v. 04.05.2009 - Az.: VII-<br />

Verg 68/08). Beide Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen und s<strong>in</strong>d eng auszulegen<br />

(OLG Düsseldorf, B. v. 04.05.2009 - Az.: VII-Verg 68/08).<br />

Für e<strong>in</strong>en öffentlichen Auftraggeber <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er GmbH liegt also nach gefestigter<br />

Rechtsprechung e<strong>in</strong> vergabefreies Eigengeschäft (sog. Inhouse-Geschäft) dann vor, wenn<br />

(1) der öffentliche Auftraggeber e<strong>in</strong>e GmbH mit Dienstleistungen betraut, die sich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em<br />

alle<strong>in</strong>igen Anteilsbesitz bef<strong>in</strong>det und über die er e<strong>in</strong>e Kontrolle wie über e<strong>in</strong>e eigene<br />

Dienststelle ausübt, und (2) die beauftragte GmbH ihre Tätigkeit im Wesentlichen für diesen<br />

öffentlichen Auftraggeber verrichtet (OLG Düsseldorf, B. v. 21.06.2006 - Az.: VII - Verg<br />

17/06; B. v. 12.1.2004 - Az.: VII - Verg 71/03).<br />

<strong>8.</strong>1.3.4.1 Kontrolle wie über e<strong>in</strong>e eigene Dienststelle<br />

<strong>8.</strong>1.3.4.1.1 Allgeme<strong>in</strong>es


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Der öffentliche Auftraggeber muss also über den künftigen Auftragnehmer e<strong>in</strong>e Kontrolle wie<br />

über e<strong>in</strong>e eigene Dienststelle haben.<br />

Die Rechtsprechung des BGH sieht dieses Tatbestandsmerkmal als erfüllt an, wenn<br />

• alle Geschäftsanteile von öffentlichen Auftraggebern gehalten werden,<br />

• die Auswahl der Rechtsform des künftigen Auftragnehmers (<strong>in</strong>sbesondere z. B. als<br />

GmbH) dem öffentlichen Auftraggeber aufgrund der z. B. der GmbH eigenen<br />

Organisationsstruktur umfassende E<strong>in</strong>fluss- und Steuerungsmöglichkeiten e<strong>in</strong>räumen,<br />

die sicherstellen, dass der künftige Auftragnehmer ke<strong>in</strong>e eigene Entscheidungsgewalt<br />

hat.<br />

Die VK Arnsberg (B. v. 5.<strong>8.</strong>2003 - Az.: VK 2-13/2003) und das OLG Düsseldorf (B. v.<br />

15.10.2003 - Az.: VII - Verg 50/03, im Ergebnis ebenso B. v. 12.1.2004 - Az.: VII - Verg<br />

71/03) def<strong>in</strong>ieren folgende Voraussetzungen für e<strong>in</strong>e notwendige Beherrschung und<br />

Kontrolle:<br />

a) der Auftraggeber hält alle Geschäftsanteile<br />

b) die GmbH bietet umfassende E<strong>in</strong>fluss- und Steuerungsmöglichkeiten<br />

c) der Aufsichtsrat besteht mehrheitlich aus Vertretern des Auftraggebers<br />

d) es besteht e<strong>in</strong>e umfassende Berichtspflicht der Geschäftsführer<br />

e) es besteht e<strong>in</strong> zustimmungspflichtiger Katalog von Aufgaben, die der Geschäftsführer<br />

nur mit Zustimmung des Aufsichtsrates vornehmen darf<br />

Der Umstand, dass z.B. die konzessionserteilende öffentliche Stelle zusammen mit anderen<br />

öffentlichen Stellen das gesamte Kapital e<strong>in</strong>er konzessionsnehmenden Gesellschaft hält,<br />

deutet – ohne entscheidend zu se<strong>in</strong> – darauf h<strong>in</strong>, dass sie über diese Gesellschaft e<strong>in</strong>e<br />

Kontrolle wie über ihre eigenen Dienststellen ausübt (EuGH, Urteil v. 13.11.2008 - Az.: C-<br />

324/07).<br />

Der Europäische Gerichtshof sieht bei e<strong>in</strong>er 100%-Tochtergesellschaft das Merkmal der<br />

Kontrolle wie über e<strong>in</strong>e eigene Dienststelle nicht als erfüllt an, wenn es sich u.a. um e<strong>in</strong>e<br />

Aktiengesellschaft handelt und die Geschäftsführung beträchtliche Vollmachten zur<br />

Erledigung auch wichtiger Geschäfte hat, die praktisch ohne Kontrolle der<br />

Geschäftsführung durch die Anteilseigner ausgeübt werden können (EuGH, Urteil vom<br />

11.05.2006 – Az.: C-340/04; Urteil vom 13.10.2005 - Az.: C-458/03; im Ergebnis ebenso<br />

OLG Düsseldorf, B. v. 04.05.2009 - Az.: VII-Verg 68/08).<br />

Die VK Arnsberg sieht dieses Tatbestandsmerkmal bei e<strong>in</strong>er 100%-Tochtergesellschaft,<br />

ger<strong>in</strong>gen Freiheiten der Geschäftsführung der Tochtergesellschaft und e<strong>in</strong>em<br />

auftraggeberseitig dom<strong>in</strong>ierten Aufsichtsrat als erfüllt an (VK Arnsberg, B. v. 26.10.2005<br />

- Az.: VK 15/2005).<br />

Das Bayerische Oberste Landesgericht erachtet <strong>in</strong>soweit als notwendig, dass nicht e<strong>in</strong>e<br />

identische, sondern nur e<strong>in</strong>e vergleichbare Kontrolle wie über e<strong>in</strong>e eigene Dienststelle<br />

vorliegt. Denn wenn man e<strong>in</strong>e identische Kontrolle für erforderlich hält, bleibt für e<strong>in</strong>e<br />

Ausnahme nahezu ke<strong>in</strong> Anwendungsbereich, weil der Grad der Weisungsgebundenheit<br />

<strong>in</strong>tegrierter Dienststellen von beherrschten Unternehmen auch bei größter Abhängigkeit des<br />

selbständigen Trägers von der öffentlichen Hand nicht erreicht werden kann. Es kommt<br />

demnach auch weniger auf e<strong>in</strong>e "Beherrschung" als vielmehr auf die Möglichkeit e<strong>in</strong>er


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"umfassenden E<strong>in</strong>flussnahme" der Gebietskörperschaft auf das Unternehmen an (BayObLG,<br />

B. v. 22.1.2002 - Az.: Verg 18/01).<br />

Der EuGH bejaht das Merkmal der „Kontrolle wie über e<strong>in</strong>e eigene Dienststelle“ auch<br />

für den Fall, dass mehrere öffentliche Auftraggeber <strong>in</strong>sgesamt die Anteile an der<br />

Gesellschaft <strong>in</strong> unterschiedlicher Höhe halten und e<strong>in</strong>er der Auftraggeber nur e<strong>in</strong>en<br />

Anteil <strong>in</strong> Höhe von 1% hat (EuGH, Urteil v. 19.04.2007 - Az.: C-295/05; im Ergebnis<br />

ebenso EuGH, Urteil v. 13.11.2008 - Az.: C-324/07; BGH, B. v. 03.07.2008 - Az.: I ZR<br />

145/05; OLG Celle, B. v. 29.10.2009 - Az.: 13 Verg 8/09).<br />

Bei der Beurteilung, ob das Merkmal der „Kontrolle wie über e<strong>in</strong>e eigene Dienststelle“<br />

erfüllt ist, s<strong>in</strong>d alle Rechtsvorschriften und maßgebenden Umstände zu berücksichtigen.<br />

Diese Prüfung muss zu dem Ergebnis führen, dass die fragliche E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>er Kontrolle<br />

unterworfen ist, die es z.B. der konzessionserteilenden öffentlichen Stelle ermöglicht, auf die<br />

Entscheidungen dieser E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>zuwirken. Es muss sich dabei um die Möglichkeit<br />

handeln, sowohl auf die strategischen Ziele als auch auf die wichtigen Entscheidungen<br />

dieser E<strong>in</strong>richtung ausschlaggebenden E<strong>in</strong>fluss zu nehmen. Hierbei s<strong>in</strong>d jenach<br />

Fallgestaltung erstens die Beteiligung am Kapital z.B. der konzessionsnehmenden<br />

E<strong>in</strong>richtung, zweitens die Zusammensetzung ihrer Beschlussorgane und drittens der<br />

Umfang der Befugnisse ihres Verwaltungsrats zu berücksichtigen (EuGH, Urteil v.<br />

13.11.2008 - Az.: C-324/07 – <strong>in</strong>struktiver Fall aus der belgischen Staatsorganisation, der<br />

aber Parallelen zur deutschen Staatsorganisation und der Frage der notwendigen<br />

Entscheidungsgewalt z.B. der konzessionsnehmenden Stelle aufweist; OLG Celle, B. v.<br />

29.10.2009 - Az.: 13 Verg 8/09).<br />

Die Ausübung der Kontrolle wie über eigene Dienststellen und die Ausübung der Kontrolle<br />

über eigene Dienststellen müssen sich nicht <strong>in</strong> allen Punkten gleichen. Die Kontrolle über<br />

die konzessionsnehmende E<strong>in</strong>richtung muss wirksam se<strong>in</strong>, nicht aber unbed<strong>in</strong>gt <strong>in</strong>dividuell<br />

ausgeübt werden. Entscheiden sich mehrere öffentliche Stellen dazu, ihrem<br />

geme<strong>in</strong>wirtschaftlichen Auftrag durch die E<strong>in</strong>schaltung z.B. e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen<br />

konzessionsnehmenden E<strong>in</strong>richtung nachzukommen, ist es normalerweise ausgeschlossen,<br />

dass e<strong>in</strong>e dieser Stellen, sofern sie nicht e<strong>in</strong>e Mehrheitsbeteiligung an dieser E<strong>in</strong>richtung hält,<br />

alle<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e bestimmende Kontrolle über deren Entscheidungen ausübt. Zu verlangen, dass die<br />

Kontrolle durch e<strong>in</strong>e öffentliche Stelle <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em solchen Fall <strong>in</strong>dividuell se<strong>in</strong> muss,<br />

würde bewirken, <strong>in</strong> den meisten Fällen, <strong>in</strong> denen e<strong>in</strong>e öffentliche Stelle e<strong>in</strong>em<br />

Zusammenschluss weiterer öffentlicher Stellen wie e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>terkommunalen Genossenschaft<br />

beitreten möchte, e<strong>in</strong>e Ausschreibung vorzuschreiben. E<strong>in</strong> solches Ergebnis wäre aber mit<br />

der Systematik der Geme<strong>in</strong>schaftsvorschriften auf dem Gebiet der öffentlichen <strong>Aufträge</strong><br />

und der Konzessionen nicht vere<strong>in</strong>bar. E<strong>in</strong>e öffentliche Stelle hat nämlich die Möglichkeit,<br />

ihre im allgeme<strong>in</strong>en Interesse liegenden Aufgaben mit ihren eigenen adm<strong>in</strong>istrativen,<br />

technischen und sonstigen Mitteln zu erfüllen, ohne gezwungen zu se<strong>in</strong>, sich an externe<br />

E<strong>in</strong>richtungen zu wenden, die nicht zu ihren Dienststellen gehören. Von dieser Möglichkeit<br />

für die öffentlichen Stellen, zur Erfüllung ihres geme<strong>in</strong>wirtschaftlichen Auftrags auf ihre<br />

eigenen Mittel zurückzugreifen, kann <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen Stellen<br />

Gebrauch gemacht werden. Deshalb ist die Möglichkeit zuzulassen, dass mehrere<br />

öffentliche Stellen, wenn sie die Anteile an e<strong>in</strong>er konzessionsnehmenden E<strong>in</strong>richtung<br />

halten, der sie die Erfüllung e<strong>in</strong>es geme<strong>in</strong>wirtschaftlichen Auftrags übertragen, ihre<br />

Kontrolle über diese E<strong>in</strong>richtung geme<strong>in</strong>sam ausüben. Bei e<strong>in</strong>em Kollegialorgan ist das<br />

Verfahren zur Beschlussfassung, <strong>in</strong>sbesondere der Rückgriff auf e<strong>in</strong>e<br />

Mehrheitsentscheidung, unerheblich (EuGH, Urteil v. 13.11.2008 - Az.: C-324/07).


1003/3,1<br />

1003/4<br />

1003/5<br />

1003/6<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Die Vergabevorschriften s<strong>in</strong>d also immer dann anzuwenden, wenn e<strong>in</strong> öffentlicher<br />

Auftraggeber e<strong>in</strong>e entgeltliche Dienstleistung durch e<strong>in</strong>e rechtlich von ihm verschiedene<br />

Gesellschaft erbr<strong>in</strong>gen lassen will, an der neben ihm auch e<strong>in</strong> oder mehrere private<br />

Unternehmen beteiligt s<strong>in</strong>d. Die auch nur m<strong>in</strong>derheitliche Beteiligung e<strong>in</strong>es privaten<br />

Unternehmens am Gesellschaftskapital schließt es auf jeden Fall aus, dass der<br />

öffentliche Auftraggeber über diese Gesellschaft e<strong>in</strong>e ähnliche Kontrolle ausübt wie<br />

über se<strong>in</strong>e eigenen Dienststellen. Jede private Beteiligung an dem die Dienstleistung<br />

erbr<strong>in</strong>genden Unternehmen steht unabhängig von der Beteiligungsquote der Erfüllung des<br />

Kontrollkriteriums entgegen. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist das Kontrollkriterium<br />

bereits dann nicht erfüllt, wenn für private Gesellschafter lediglich e<strong>in</strong>e<br />

Beteiligungsmöglichkeit besteht, selbst wenn im Zeitpunkt der Auftragsvergabe sämtliche<br />

Gesellschaftsanteile von der öffentlichen Hand gehalten werden (BGH, B. v. 03.07.2008 -<br />

Az.: I ZR 145/05).<br />

Der Anwendung der Grundsätze zu dem Merkmal der „Kontrolle wie über e<strong>in</strong>e eigene<br />

Dienststelle“ steht e<strong>in</strong>e personalistische Struktur wie bei e<strong>in</strong>em Versicherungsvere<strong>in</strong> auf<br />

Gegenseitigkeit nicht entgegen, wenn die Mitglieder die Funktion von am Kapital e<strong>in</strong>es<br />

Unternehmens beteiligten Gesellschaftern erfüllen. Sie nehmen dann <strong>in</strong> der<br />

Mitgliederversammlung ihre Rechte wie Aktionäre e<strong>in</strong>er Aktiengesellschaft wahr (BGH, B. v.<br />

03.07.2008 - Az.: I ZR 145/05).<br />

Es ist unerheblich, wenn Private nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar über<br />

gemischtwirtschaftliche Unternehmen Mitglied werden können. Nach der Rechtsprechung<br />

des Gerichtshofs der Europäischen Geme<strong>in</strong>schaften ist nicht zwischen unmittelbarer<br />

und mittelbarer Beteiligung privater Unternehmen zu unterscheiden. Maßgeblich für die<br />

Erfüllung des Kontrollkriteriums ist vielmehr, dass die öffentlichen Auftraggeber<br />

ausschlaggebenden E<strong>in</strong>fluss auf die strategischen Ziele und die wichtigen Entscheidungen der<br />

Gesellschaft haben, die für sie tätig werden soll. E<strong>in</strong> derartiger E<strong>in</strong>fluss ist aber nicht<br />

sichergestellt, wenn gemischtwirtschaftliche Unternehmen <strong>in</strong> der Mitgliederversammlung –<br />

noch dazu unbeschränkt – Stimmrechte erwerben können und ke<strong>in</strong>e Vorkehrungen dafür<br />

getroffen s<strong>in</strong>d, dass ihr Stimmrecht jeweils ausschließlich durch den oder die jeweiligen<br />

öffentlichen Gesellschafter ohne Berücksichtigung der Interessen privater Partner ausgeübt<br />

wird. Dabei kann hier dah<strong>in</strong>stehen, ob solche Vorkehrungen überhaupt möglich s<strong>in</strong>d oder ob<br />

dem entgegensteht, dass die Geschäftsführung e<strong>in</strong>er gemischtwirtschaftlichen Vere<strong>in</strong>igung<br />

jedenfalls bei e<strong>in</strong>er substantiellen privaten Beteiligung stets verpflichtet ist, auch die<br />

Interessen der privaten Partner zu berücksichtigen. Ebenso wie das Kontrollkriterium auch<br />

durch e<strong>in</strong>e Kette mittelbarer Beteiligungen öffentlicher Auftraggeber erfüllt werden<br />

kann, wird es ausgeschlossen, wenn Private sich mittelbar mit Stimmrecht beteiligen<br />

oder Mitglied werden können. Dafür spricht auch das vor allem <strong>in</strong> <strong>§</strong> 97 Abs. 1 <strong>GWB</strong> zum<br />

Ausdruck kommende Anliegen des Kartellvergaberechts, dass öffentliche Beschaffung,<br />

soweit sie nicht ausdrücklich von der Anwendung der Vergaberegeln ausgenommen ist,<br />

umfassend unter geregelten Wettbewerbsbed<strong>in</strong>gungen erfolgt. Es bedarf daher grundsätzlich<br />

e<strong>in</strong>er weiten Auslegung des Begriffs des öffentlichen Auftrags (BGH, B. v. 03.07.2008 -<br />

Az.: I ZR 145/05).<br />

<strong>8.</strong>1.3.4.1.2 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung<br />

• nach den <strong>§</strong><strong>§</strong> 34 bis 36 VAG entsprechen die Befugnisse von Vorstand, Aufsichtsrat<br />

und oberster Vertretung (Mitgliederversammlung) e<strong>in</strong>es Versicherungsvere<strong>in</strong>s auf


1004<br />

1005<br />

1006<br />

1006/1<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Gegenseitigkeit denjenigen von Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung e<strong>in</strong>er<br />

Aktiengesellschaft. Für die Rechte und Pflichten der Organe des Versicherungsvere<strong>in</strong>s<br />

auf Gegenseitigkeit gelten – von hier unerheblichen Besonderheiten abgesehen – die<br />

aktienrechtlichen Vorschriften entsprechend. Dementsprechend obliegt die<br />

eigenverantwortliche Leitung, Vertretung und Geschäftsführung des<br />

Versicherungsvere<strong>in</strong>s auf Gegenseitigkeit alle<strong>in</strong> dem Vorstand (BGH, B. v.<br />

03.07.2008 - Az.: I ZR 145/05); das Merkmal der Kontrolle ist nicht erfüllt<br />

• die mitgliedschaftlichen Teilhabemöglichkeiten gemischtwirtschaftlicher<br />

Unternehmen an der Beklagten schließen es aus, dass sie von öffentlichen<br />

Auftraggebern wie e<strong>in</strong>e eigene Dienststelle kontrolliert wird. Der Mitgliederkreis<br />

der Beklagten ist nicht auf öffentlich-rechtliche Körperschaften und Anstalten<br />

beschränkt. Private Unternehmen oder Investoren s<strong>in</strong>d zwar nicht unmittelbar<br />

Mitglieder der Beklagten. Nach <strong>§</strong> 4 Abs. 1 ihrer Satzung können aber wirtschaftliche<br />

Vere<strong>in</strong>igungen mit e<strong>in</strong>er privaten Beteiligung von bis zu 50% Mitglied werden. Die<br />

Möglichkeit derartiger gemischtwirtschaftlicher Unternehmen zur Mitgliedschaft ist <strong>in</strong><br />

ke<strong>in</strong>er Weise beschränkt; gemäß <strong>§</strong> 17 Abs. 2 der Satzung hängt auch das Stimmrecht<br />

<strong>in</strong> der Mitgliederversammlung alle<strong>in</strong> vom Jahresbeitrag ab (BGH, B. v. 03.07.2008 -<br />

Az.: I ZR 145/05)<br />

<strong>8.</strong>1.3.4.2 Tätigkeit im Wesentlichen für den öffentlichen Auftraggeber<br />

<strong>8.</strong>1.3.4.2.1 Allgeme<strong>in</strong>es<br />

Voraussetzung ist ungeachtet der genauen Prozentsätze, dass die Gesellschaft als<br />

Auftragnehmer<strong>in</strong> nahezu ausschließlich ihre geschäftliche Tätigkeit für den oder die<br />

öffentlichen Auftraggeber als Anteilseigner erbr<strong>in</strong>gen muss (OLG Celle, B. v. 29.10.2009 -<br />

Az.: 13 Verg 8/09; VK Arnsberg, B. v. 26.10.2005 - Az.: VK 15/2005; VK Düsseldorf, B. v.<br />

16.03.2004 - Az.: VK – 3/2004 – L). Hierbei ist e<strong>in</strong> strenger Prüfungsmaßstab<br />

erforderlich. E<strong>in</strong> staatlich kontrolliertes Unternehmen, das <strong>in</strong> nicht ganz unerheblichem<br />

Umfang auch für Dritte tätig wird, tritt <strong>in</strong> Wettbewerb zu anderen Unternehmen. E<strong>in</strong>e<br />

Befreiung der Auftragserteilung an e<strong>in</strong> solches Unternehmen von dem <strong>Vergaberecht</strong> würde<br />

daher e<strong>in</strong>e Diskrim<strong>in</strong>ierung im Vergleich zu potentiellen Mitbewerbern bedeuten (OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 12.1.2004 - Az.: VII - Verg 71/03).<br />

Nach der Rechtsprechung des EuGH muss jede andere Tätigkeit re<strong>in</strong> nebensächlich se<strong>in</strong>.<br />

Um zu beurteilen, ob dies der Fall ist, muss der zuständige Richter alle – qualitativen wie<br />

quantitativen – Umstände des E<strong>in</strong>zelfalls berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 11.05.2006 -<br />

Az.: C-340/04; BGH, B. v. 03.07.2008 - Az.: I ZR 145/05; OLG Celle, B. v. 29.10.2009 - Az.:<br />

13 Verg 8/09; B. v. 14.09.2006 - Az.: 13 Verg 2/06).<br />

E<strong>in</strong> vergaberechtsfreies Inhouse-Geschäft scheidet grundsätzlich aus, wenn das für den<br />

Auftrag vorgesehene Unternehmen nur 92,5 % se<strong>in</strong>es Umsatzes aus Geschäften mit den<br />

Gebietskörperschaften erzielt, denen das Unternehmen gehört (OLG Celle, B. v. 29.10.2009 -<br />

Az.: 13 Verg 8/09; B. v. 14.09.2006 - Az.: 13 Verg 2/06).<br />

Anderer Auffassung ist <strong>in</strong>soweit der EuGH. Verrichtet das für den Auftrag vorgesehene<br />

Unternehmen <strong>in</strong>sgesamt 90% se<strong>in</strong>er Tätigkeiten für den oder die öffentlichen<br />

Auftraggeber, ist das Unternehmen im Wesentlichen für die Körperschaften und


1006/2<br />

1007<br />

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Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

öffentlichen E<strong>in</strong>richtungen tätig, die ihre Anteile <strong>in</strong>nehaben (EuGH, Urteil v. 19.04.2007 -<br />

Az.: C-295/05).<br />

Der BGH h<strong>in</strong>gegen bezweifelt die Erfüllung dieses Kriteriums bei e<strong>in</strong>er Fremdauftragsquote<br />

von 10% (BGH, B. v. 03.07.2008 - Az.: I ZR 145/05).<br />

<strong>8.</strong>1.3.4.2.2 Maßstab des <strong>§</strong> 10 VgV (80%)<br />

"Im wesentlichen" heißt sicherlich mehr als 50%. Anhaltspunkt für e<strong>in</strong>e nähere Bemessung<br />

dieses Tätigkeitsvolumens können die Regelungen zu den sog. konzern<strong>in</strong>ternen Verträgen der<br />

Sektorenauftraggeber liefern, die auch als sog. Konzernprivileg bezeichnet werden. Nach <strong>§</strong><br />

100 Abs. 2 i) <strong>GWB</strong> s<strong>in</strong>d die Dienstleistungen von verbundenen Unternehmen der<br />

Sektorenauftraggeber von der Anwendung des <strong>Vergaberecht</strong>s befreit. Diese Freistellung der<br />

verbundenen Unternehmen i. S. d. <strong>§</strong> 100 Abs. 2 lit. i) <strong>GWB</strong> wird <strong>in</strong> <strong>§</strong> 10 VgV näher<br />

bestimmt. Danach muss m<strong>in</strong>destens 80% des von dem jeweiligen Unternehmen während der<br />

letzten 3 Jahre <strong>in</strong> der EG erzielten durchschnittlichen Umsatzes im Dienstleistungssektor<br />

aus der Erbr<strong>in</strong>gung dieser Dienstleistung für die mit ihm verbundenen Unternehmen<br />

stammen. Das bedeutet, dass das Fremdgeschäft der beauftragten verbundenen<br />

Unternehmen nicht mehr als 20% betragen darf (VK Südbayern, B. v. 23.10.2001 - Az.:<br />

32-09/01; ebenso VK Halle, B. v. 27.5.2002 - Az.: VK Hal 03/02).<br />

Diese Auffassung ist seit der neueren EuGH-Rechtsprechung (EuGH, Urteil vom<br />

11.05.2006 - Az.: C-340/04) überholt.<br />

<strong>8.</strong>1.3.4.2.3 Zu berücksichtigender Umsatz<br />

Was die Frage anbelangt, ob alle<strong>in</strong> der mit der kontrollierenden Körperschaft oder der im<br />

Gebiet dieser Körperschaft erzielte Umsatz zu berücksichtigen ist, so ist der Umsatz<br />

ausschlaggebend, den das fragliche Unternehmen aufgrund der Vergabeentscheidungen<br />

der kontrollierenden Körperschaft erzielt, und zwar e<strong>in</strong>schließlich des Umsatzes, der <strong>in</strong><br />

Ausführung solcher Entscheidungen mit Nutzern erzielt wird. Zu berücksichtigen s<strong>in</strong>d<br />

nämlich alle Tätigkeiten, die e<strong>in</strong> Unternehmen als Auftragnehmer im Rahmen e<strong>in</strong>er Vergabe<br />

durch den öffentlichen Auftraggeber verrichtet, ohne dass die Person des Begünstigten – sei<br />

es der öffentliche Auftraggeber selbst oder der Nutzer der Leistungen – von Bedeutung wäre.<br />

Es kommt nicht darauf an, wer das betreffenden Unternehmen vergütet, sei es die<br />

Körperschaft, die se<strong>in</strong>e Anteile <strong>in</strong>nehat, seien es Dritte als Nutzer der Dienstleistungen, die<br />

aufgrund von Konzessionen oder anderen von der Körperschaft e<strong>in</strong>gegangenen<br />

Rechtsbeziehungen erbracht werden. Es spielt auch ke<strong>in</strong>e Rolle, <strong>in</strong> welchem Gebiet die<br />

genannten Leistungen erbracht werden. Bei e<strong>in</strong>em Unternehmen, dessen Anteile von<br />

mehreren Körperschaften gehalten werden, ist auf die Tätigkeit abzustellen, die es für<br />

alle diese Körperschaften verrichtet (EuGH, Urteil vom 11.05.2006 - Az.: C-340/04).<br />

Für die für e<strong>in</strong> InhouseGeschäft maßgebliche Frage, ob e<strong>in</strong>e Gesellschaft im Wesentlichen für<br />

den öffentlichen Auftraggeber tätig ist, s<strong>in</strong>d auch Umsätze von 100%igen<br />

Tochtergesellschaften zu berücksichtigen, wenn für Mutter und Tochter e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samer<br />

konsolidierter Abschluss vorliegt, der Geschäftsbericht die Ertragslage beider Gesellschaften<br />

zusammenfasst und gruppen<strong>in</strong>terne Vorgänge elim<strong>in</strong>iert und die Tochter nur mit personeller<br />

und sachlicher Ausstattung der Mutter arbeitsfähig ist (OLG Celle, B. v. 29.10.2009 - Az.: 13<br />

Verg 8/09).


1010<br />

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Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

<strong>8.</strong>1.3.4.2.4 Aufteilungsmaßstab<br />

Basis für e<strong>in</strong>e entsprechende Beurteilung ist die gesamte Geschäftstätigkeit des künftigen<br />

Auftragnehmers (VK Halle, B. v. 27.5.2002 - Az.: VK Hal 03/02), und zwar nur die jeweils<br />

gegenwärtige Geschäftssituation des laufenden Geschäftsjahres, da abgewickelte<br />

Geschäftsbeziehungen und <strong>Aufträge</strong> ke<strong>in</strong>e Aussage über den derzeitigen<br />

Geschäftsschwerpunkt enthalten und zukünftige Entwicklungen der Geschäftstätigkeit, die<br />

noch nicht verb<strong>in</strong>dlich vere<strong>in</strong>bart wurden, noch fiktiv s<strong>in</strong>d (VK Düsseldorf, B. v. 16.03.2004 -<br />

Az.: VK – 3/2004 – L).<br />

<strong>8.</strong>1.3.4.2.5 Konzessionsabgabe als Aufteilungsmaßstab<br />

Der Aufteilungsmaßstab nach dem Konzessionsabgabengesetz ist für e<strong>in</strong> Inhouse-Geschäft<br />

ke<strong>in</strong> wirksamer Aufteilungsmaßstab, da die wirtschaftliche Größe hierbei unberücksichtigt<br />

bleibt. Lediglich der vom Gesetzgeber vorgegebene Faktor über die notwendige<br />

Abgabemenge führt zu e<strong>in</strong>er Leistungsgröße. Im freien Wettbewerb bestimmt sich jedoch die<br />

Leistungsgröße unter Abgabe der Menge × erzielbarem Preis. Insofern ergibt sich hieraus die<br />

aufzuteilende Größe gleich Umsatz. H<strong>in</strong>zu kommt, dass es sich bei der Konzessionsabgabe<br />

letztendlich um e<strong>in</strong>e Größenordnung zwischen Geme<strong>in</strong>de und EVU handelt. Die<br />

Konzessionsabgabe bildet auch nicht den aufzuteilenden Maßstab <strong>in</strong>nerhalb der Gew<strong>in</strong>n- und<br />

Verlustrechnung des Unternehmens. Die Umsatzzahlen s<strong>in</strong>d daher als aussagekräftiger zu<br />

betrachten (VK Arnsberg, B. v. 5.<strong>8.</strong>2003 - Az.: VK 2-13/2003).<br />

<strong>8.</strong>1.3.4.3 Inhouse-Geschäft und mehrstufige Beauftragung<br />

Vor der Tatsache, dass e<strong>in</strong>e zwei- oder gar noch mehrstufige Beauftragung die<br />

Interessenkonflikte zwischen Auftraggeber und Eigengesellschaft zunehmend verschärft und<br />

die Unmittelbarkeit der Kontrolle logischer Weise abnimmt, hält die Vergabekammer<br />

Arnsberg es nicht für zulässig, den Begriff der Inhouse-Geschäfte auf e<strong>in</strong>e mehrstufige<br />

Beauftragung auszudehnen. Der erkennbare Wille des europäischen Gesetzgebers, die<br />

Konstruktion sog. Inhouse-Geschäfte nur bei großer Nähe zum Auftraggeber anzunehmen,<br />

würde durch e<strong>in</strong>e mehrstufige Beauftragung <strong>in</strong> nicht absehbarer Form unterlaufen und e<strong>in</strong>e<br />

vergaberechtliche Kontrolle zunehmend immer mehr erschweren. Auch die Tatsache, dass e<strong>in</strong><br />

vergaberechtsfreier Verkauf von Gesellschaftsanteilen der Tochter- respektive<br />

Enkelgesellschaften nur unter den Voraussetzungen e<strong>in</strong>es Inhouse-Geschäftes zulässig se<strong>in</strong><br />

dürfte, ergibt langfristig ke<strong>in</strong>e zufrieden stellende Kontrollmöglichkeit für die Umgehung<br />

vergaberechtlicher Bestimmungen bei mehrstufigen Beauftragungen (VK Arnsberg, B. v.<br />

5.<strong>8.</strong>2003 - Az.: VK 2-13/2003).<br />

Dieser Beschluss der Vergabekammer wurde vom OLG Düsseldorf aufgehoben. Nach<br />

Auffassung des Oberlandesgerichts erfüllt auch e<strong>in</strong> alle<strong>in</strong>iger Anteilsbesitz, der über e<strong>in</strong>e<br />

weitere Gesellschaft, die im alle<strong>in</strong>igen Anteilsbesitz des öffentlichen Auftraggebers steht<br />

und die wiederum sämtliche Geschäftsanteile des Tochterunternehmens hält, vermittelt<br />

wird, die Voraussetzungen e<strong>in</strong>es Inhouse-Geschäfts (OLG Düsseldorf, B. v. 12.1.2004 - Az.:<br />

VII - Verg 71/03).


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Dass das Tochterunternehmen nicht von dem öffentlichen Auftraggeber unmittelbar<br />

beauftragt wird, sondern den Auftrag im Wege der Vertragsübernahme erhalten soll,<br />

spielt ke<strong>in</strong>e Rolle. Würde es sich bei dem Tochterunternehmen um e<strong>in</strong> im unmittelbaren<br />

Anteilsbesitz des öffentlichen Auftraggebers stehendes Unternehmen handeln, lägen die<br />

Voraussetzungen e<strong>in</strong>es vergaberechtsfreien Eigengeschäfts ohne jeden Zweifel vor. Es fehlt<br />

jede Rechtfertigung, den Fall der mehrstufigen Beauftragung anders zu beurteilen.<br />

Solange <strong>in</strong> Bezug auf das mit der Dienstleistung zu betrauende Unternehmen die<br />

Voraussetzungen für e<strong>in</strong> vergabefreies Eigengeschäft erfüllt s<strong>in</strong>d, ist es vergaberechtlich ohne<br />

Belang, ob sich der öffentliche Auftraggeber zur Aufgabenerfüllung e<strong>in</strong>es Tochter- oder e<strong>in</strong>es<br />

Enkelunternehmens bedient. Gleichgültig ist ebenso, ob jenes Unternehmen direkt oder<br />

mittels Vertragsübernahme mit der Leistungserbr<strong>in</strong>gung beauftragt wird. In dem e<strong>in</strong>en<br />

wie <strong>in</strong> dem anderen Fall wird nämlich die zu vergebende Leistung durch e<strong>in</strong> Unternehmen<br />

erbracht, das <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em unmittelbaren Auftragsverhältnis zum öffentlichen Auftraggeber steht<br />

und die erörterten Voraussetzungen, unter denen die Rechtsprechung e<strong>in</strong> vergabefreies<br />

Eigengeschäft zulässt, erfüllt.<br />

<strong>8.</strong>1.3.5 Inhouse-Geschäfte und Kommunalverfassungsrecht<br />

Kommt man nach Prüfung aller Umstände zu dem Ergebnis, dass auf der kommunalen Ebene<br />

die Beauftragung dem <strong>Vergaberecht</strong> zu unterstellen ist, bestehen dagegen auch<br />

kommunalverfassungsrechtlich (Art. 28 Abs. 2 GG) ke<strong>in</strong>e Bedenken. Kommunen werden<br />

nämlich nicht geh<strong>in</strong>dert, sich zur Erfüllung von Pflichtaufgaben gemischt-wirtschaftlicher<br />

Gesellschaften zu bedienen. Öffnen sie sich durch die Here<strong>in</strong>nahme privater Unternehmer<br />

bewusst dem Markt, um dessen Chancen zu nutzen, so ist es auch nur konsequent, diese<br />

Betätigung grundsätzlich den für e<strong>in</strong>en freien Wettbewerb geltenden Vergabevorschriften zu<br />

unterwerfen (BayObLG, B. v. 22.1.2002 - Az.: Verg 18/01).<br />

<strong>8.</strong>1.3.6 Inhouse-Geschäfte bei Beauftragung von Verwaltungse<strong>in</strong>heiten<br />

<strong>8.</strong>1.3.6.1 Allgeme<strong>in</strong>es<br />

S<strong>in</strong>d Auftraggeber und Auftragnehmer rechtlich identisch, gehören z.B. derselben<br />

juristischen Person des öffentlichen Rechts an, s<strong>in</strong>d beides Behörden dieser Person des<br />

öffentlichen Rechts. Das <strong>Vergaberecht</strong> kommt aber erst dann zur Anwendung, wenn zwischen<br />

Auftraggeber und Auftragnehmer e<strong>in</strong> Vertragsverhältnis besteht. Dies erfordert jedoch e<strong>in</strong>en<br />

Vertrag zwischen zwei vone<strong>in</strong>ander getrennten juristischen Personen. Dass das<br />

<strong>Vergaberecht</strong> an das Vorliegen e<strong>in</strong>es Vertrages anknüpft, ergibt sich sowohl aus <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 1<br />

bis 4 <strong>GWB</strong>, wo die Auftragsarten jeweils als "bestimmte "Verträge" def<strong>in</strong>iert werden, als<br />

auch aus dem jeweiligen Art. 1 lit. a) der BKR, DKR und LKR, wonach <strong>Aufträge</strong> ebenfalls<br />

als Verträge mit bestimmtem Inhalt def<strong>in</strong>iert werden. Dann ist es auch nicht relevant, ob<br />

zwischen den E<strong>in</strong>heiten <strong>in</strong> der e<strong>in</strong>en oder anderen Weise e<strong>in</strong>e Verrechnung stattf<strong>in</strong>det, so dass<br />

die Erbr<strong>in</strong>gung der Leistung unter Umständen sogar als entgeltlich betrachtet werden könnte<br />

(VK Nordbayern, B. v. 27.05.2004 - Az.: 320.VK - 3194 - 14/04).<br />

<strong>8.</strong>1.3.6.2 Beispiele aus der Rechtsprechung


1017<br />

1018<br />

1018/1<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

• <strong>Aufträge</strong> e<strong>in</strong>er Justizverwaltung e<strong>in</strong>es Bundeslandes an e<strong>in</strong>e Justizvollzugsanstalt<br />

desselben Bundeslandes (VK Nordbayern, B. v. 27.05.2004 - Az.: 320.VK - 3194 -<br />

14/04).<br />

<strong>8.</strong>1.3.7 Bekanntmachungspflicht bei Inhouse-Geschäften?<br />

Ausgehend vom Transparenzgebot, sich ergebend aus den Grundfreiheiten des Art. 43 und 49<br />

EG-Vertrag) hält der EuGH auch die Bekanntmachung e<strong>in</strong>er - vergaberechtsfreien -<br />

Dienstleistungskonzession für erforderlich, um allen Unternehmen der EU die Möglichkeit<br />

zu geben, ihr Interesse zu bekunden. Es ist nicht e<strong>in</strong>zusehen, warum e<strong>in</strong><br />

Dienstleistungsvertrag, der an sich die Voraussetzung des <strong>§</strong> <strong>99</strong> <strong>GWB</strong> bzw. die Def<strong>in</strong>ition<br />

der Dienstleistungsrichtl<strong>in</strong>ie erfüllt (entgeltlicher Vertrag mit e<strong>in</strong>em Unternehmen über<br />

die Erbr<strong>in</strong>gung von Dienstleistungen) und lediglich über die Auslegung des Begriffs des<br />

Unternehmens gänzlich dem Wettbewerb entzogen wird, nicht auch wie die<br />

vergaberechtsfreie Dienstleistungskonzession wenigstens dem Transparenzgebot<br />

unterliegt, das pr<strong>in</strong>zipiell und unabhängig von nationalem Recht gilt und so auch Vergaben<br />

unterhalb der Schwellenwerte betrifft. Dies hätte zur Konsequenz, dass sich die Lücke<br />

zwischen der Anwendbarkeit des <strong>§</strong> 13 VgV und des <strong>§</strong> 138 BGB schließt. Die<br />

Bekanntmachung der Vergabeabsicht auch freihändiger Vergaben bei Inhouse-Geschäften<br />

würde den Bietern die Möglichkeit eröffnen, dennoch Interesse zu bekunden und damit e<strong>in</strong>en<br />

potentiellen Bieterkreis im S<strong>in</strong>ne des <strong>§</strong> 13 VgV zu schaffen, den der Auftraggeber <strong>in</strong> der<br />

Regel aus haushaltsrechtlichen Gründen schon <strong>in</strong> Erwägung zu ziehen hätte. Die<br />

Vergabekammer Arnsberg geht daher davon aus, dass auf der Basis dieser EuGH-<br />

Rechtsprechung der öffentliche Auftraggeber <strong>in</strong> Zukunft verpflichtet ist, auch se<strong>in</strong>e<br />

Vergabeabsichten bei Inhouse-Geschäften aus Gründen des Transparenzgebotes<br />

wenigstens EU-weit bekannt zu machen, um den Anspruch auf Rechtsschutz<br />

sicherzustellen (VK Arnsberg, B. v. 26.10.2005 - Az.: VK 15/2005).<br />

<strong>8.</strong>1.3.8 Ke<strong>in</strong> Verbot der Tätigkeit auf Drittmärkten für e<strong>in</strong> Unternehmen,<br />

das e<strong>in</strong>en Inhouse-Auftrag erhalten hat<br />

Weder e<strong>in</strong>e gültige nationale Norm noch europarechtliche Verordnungen oder<br />

Vorgaben der Rechtsprechung verbieten e<strong>in</strong>em Unternehmen, das möglicherweise e<strong>in</strong>en<br />

In-House Auftrag erhalten hat, die Tätigkeit auf Drittmärkten. Der EuGH hatte sich<br />

bisher lediglich mit der Frage zu befassen, unter welchen Voraussetzungen e<strong>in</strong>e so genannte<br />

In-House bzw. Direktvergabe zulässig ist. Der EuGH hat sich bisher aber nicht dazu geäußert,<br />

ob e<strong>in</strong> Unternehmen, das e<strong>in</strong>en Auftrag <strong>in</strong>tern erhalten hat, als Konsequenz nicht auf<br />

Drittmärkten tätig werden darf. E<strong>in</strong>e Beschränkung der wirtschaftlichen Betätigung von<br />

Unternehmen, die sogenannte In-House-<strong>Aufträge</strong> ausführen, hätte erhebliche Folgen bei<br />

der Privatisierung der lange Zeit von der öffentlichen Hand wahrgenommen Aufgaben<br />

der Dase<strong>in</strong>svorsorge. Der Kreis erfahrener Bieter wäre e<strong>in</strong>geschränkt, e<strong>in</strong> echter Wettbewerb<br />

auf diesem Markt gefährdet. Es ist Sache des europäischen Verordnungsgebers bzw. des<br />

nationalen Gesetzgebers, sofern sie Bedarf sehen, durch Verordnung oder Gesetz zu<br />

regeln, ob und ggfs. unter welchen Voraussetzungen e<strong>in</strong> <strong>in</strong>tern beauftragtes<br />

Unternehmen sich nicht an Ausschreibungen auf Drittmärkten beteiligen darf und ob<br />

e<strong>in</strong> Tätigwerden auf Drittmärkten Auswirkung auf den <strong>in</strong>tern vergebenen Auftrag hat.<br />

Ohne entsprechende gesetzliche Grundlage kommt e<strong>in</strong> Ausschluss des Angebots der


1019<br />

1020<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Beigeladenen nicht <strong>in</strong> Betracht. Die VO (EG) Nr.1370/2007, die <strong>in</strong> Art.5 Abs.2 vorsieht, dass<br />

e<strong>in</strong> <strong>in</strong>terner Betreiber frühestens zwei Jahre vor Ablauf des direkt an ihn vergebenen Auftrags<br />

an fairen wettbewerblichen Vergabeverfahren teilnehmen kann, tritt erst zum 3.12.2009 <strong>in</strong><br />

Kraft und sieht im übrigen vor, dass die Vergabe von <strong>Aufträge</strong>n für den öffentlichen Verkehr<br />

auf Schiene und Straße ab 3. Dezember 2019 im E<strong>in</strong>klang mit Artikel 5 erfolgen muss. Die<br />

Regelungen der Verordnung sprechen im übrigen eher dafür, dass e<strong>in</strong> Verbot für e<strong>in</strong>en<br />

<strong>in</strong>ternen Betreiber, sich an Ausschreibungen auf Drittmärkten zu beteiligen, e<strong>in</strong>es<br />

Rechtssetzungsaktes bedarf und ke<strong>in</strong> unmittelbar anzuwendender europarechtlicher Grundsatz<br />

ist (OLG München, B. v. 21.05.2008 - Az.: Verg 05/08).<br />

<strong>8.</strong>1.3.9 Literatur<br />

• Dreher, Me<strong>in</strong>rad, Das In-house-Geschäft – Offene und neue Rechtsfragen der<br />

Anwendbarkeit der In-house-Grundsätze, NZBau 2004, 14 ff<br />

• Jasper, Ute, Der Spielraum wird enger - In-House-Geschäfte mit Aktiengesellschaften,<br />

Behörden Spiegel September 2008, 28<br />

• Jennert, Carsten, Das Urteil „Park<strong>in</strong>g Brixen“: Übernahme des Betriebsrisikos als<br />

rechtssicheres Abgrenzungsmerkmal für die Dienstleistungskonzession?, NZBau 2005,<br />

623<br />

• Jennert, Carsten, In-house-Vergabe nach „Carbotermo“: Bei der kommunalen GmbH<br />

möglich, beim Zweckverband nicht?, NZBau 2006, 421<br />

• Koman, Angelika, Von Teckal zu Halle: Die jüngste <strong>Vergaberecht</strong>sjudikatur des EuGH<br />

und deren Auswirkungen auf die aktuelle Diskussion zu "In-house" Rechtsverhältnissen<br />

und <strong>in</strong>stitutionellen Public Private Partnerships, ZfBR 2005, 349<br />

• Krämer, Mart<strong>in</strong>, Nach dem Inhouse-Paukenschlag - Gemischtwirtschaftliche<br />

Unternehmen: was nun?, Behörden Spiegel März 2005, 23<br />

• Portz, Norbert, Zu starke Marktausrichtung – EuGH: Wettbewerbspflicht bei<br />

Dienstleistungskonzessionen, Behörden Spiegel November 2005, 16<br />

• Schröder, Holger, In-House-Vergabe zwischen Beteiligungsunternehmen der öffentlichen<br />

Hand?, NZBau 2005, 127<br />

• Sittner, Elmar, Vergabe per Musterunterlagen - Abschlüsse bei Kommunalversicherern<br />

nicht mehr "europafest", Behörden Spiegel Oktober 2005, 20<br />

• Ziekow, Jan, In-House-Geschäfte - werden die Spielräume enger?, VergabeR 2006, 608<br />

<strong>8.</strong>1.4 Laufende Verträge, Optionen und Vertragsänderungen<br />

<strong>8.</strong>1.4.1 Nichtkündigung von laufenden Verträgen<br />

Die bloße Nichtkündigung e<strong>in</strong>es Vertrages stellt grundsätzlich ke<strong>in</strong>en vergaberechtlich<br />

relevanten Vorgang dar (OLG Celle, B. v. 4.5.2001 - Az.: 13 Verg 5/00; VK Baden-<br />

Württemberg, B. v. 26.3.2002 - Az.: 1 VK 7/02).


1020/1<br />

1020/2<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

<strong>8.</strong>1.4.2 Abänderungen bestehender Vertragsbeziehungen bei nicht<br />

unerheblicher Änderung des Vertrags<strong>in</strong>halts<br />

<strong>8.</strong>1.4.2.1 <strong>Vergaberecht</strong>sprechung<br />

<strong>8.</strong>1.4.2.1.1 Rechtsprechung des EuGH<br />

Die europäischen Vergaberichtl<strong>in</strong>ien enthalten ke<strong>in</strong>e ausdrückliche Antwort auf die<br />

Fragen, unter welchen Voraussetzungen Änderungen e<strong>in</strong>es bestehenden Vertrags zwischen<br />

e<strong>in</strong>em öffentlichen Auftraggeber und e<strong>in</strong>em Dienstleistungserbr<strong>in</strong>ger als e<strong>in</strong>e neue Vergabe<br />

anzusehen s<strong>in</strong>d, aber mehrere relevante H<strong>in</strong>weise, die <strong>in</strong> den allgeme<strong>in</strong>en Rahmen der<br />

Geme<strong>in</strong>schaftsvorschriften über das öffentliche Auftragswesen e<strong>in</strong>zuordnen s<strong>in</strong>d. Aus der<br />

Rechtsprechung ergibt sich, dass das Hauptziel der Geme<strong>in</strong>schaftsvorschriften über das<br />

öffentliche Auftragswesen die Gewährleistung des freien Dienstleistungsverkehrs und die<br />

Öffnung für e<strong>in</strong>en unverfälschten Wettbewerb <strong>in</strong> allen Mitgliedstaaten ist. Dieses doppelte<br />

Ziel verfolgt das Geme<strong>in</strong>schaftsrecht <strong>in</strong>sbesondere durch die Anwendung des Verbots der<br />

Diskrim<strong>in</strong>ierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit, des Grundsatzes der<br />

Gleichbehandlung der Bieter und der sich daraus ergebenden Verpflichtung zur<br />

Transparenz. Um die Transparenz der Verfahren und die Gleichbehandlung der Bieter<br />

sicherzustellen, s<strong>in</strong>d Änderungen der Bestimmungen e<strong>in</strong>es öffentlichen Auftrags während<br />

se<strong>in</strong>er Geltungsdauer als Neuvergabe des Auftrags anzusehen, wenn sie wesentlich andere<br />

Merkmale aufweisen als der ursprüngliche Auftrag und damit den Willen der Parteien<br />

zur Neuverhandlung wesentlicher Bestimmungen dieses Vertrags erkennen lassen. Die<br />

Änderung e<strong>in</strong>es öffentlichen Auftrags während se<strong>in</strong>er Laufzeit kann als wesentlich<br />

angesehen werden, wenn sie Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>führt, die die Zulassung anderer als der<br />

ursprünglich zugelassenen Bieter oder die Annahme e<strong>in</strong>es anderen als des ursprünglich<br />

angenommenen Angebots erlaubt hätten, wenn sie Gegenstand des ursprünglichen<br />

Vergabeverfahrens gewesen wären. Desgleichen kann e<strong>in</strong>e Änderung des ursprünglichen<br />

Auftrags als wesentlich angesehen werden, wenn sie den Auftrag <strong>in</strong> großem Umfang auf<br />

ursprünglich nicht vorgesehene Dienstleistungen erweitert. .E<strong>in</strong>e Änderung kann auch<br />

dann als wesentlich angesehen werden, wenn sie das wirtschaftliche Gleichgewicht des<br />

Vertrags <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er im ursprünglichen Auftrag nicht vorgesehenen Weise zugunsten des<br />

Auftragnehmers ändert (EuGH, Urteil v. 15.10.2009 - Az.: C-196/08; Urteil vom<br />

19.06.2008 – Az.: C-454/06).<br />

Im Allgeme<strong>in</strong>en ist die Ersetzung des Vertragspartners, dem der öffentliche<br />

Auftraggeber den Auftrag ursprünglich erteilt hatte, durch e<strong>in</strong>en neuen als Änderung<br />

e<strong>in</strong>er wesentlichen Vertragsbestimmung des betreffenden öffentlichen<br />

Dienstleistungsauftrags anzusehen, wenn sie nicht <strong>in</strong> den Bed<strong>in</strong>gungen des ursprünglichen<br />

Auftrags, beispielsweise im Rahmen e<strong>in</strong>er Unterbeauftragung, vorgesehen war. Ist allerd<strong>in</strong>gs<br />

der neue Auftragnehmer e<strong>in</strong>e 100 %-ige Tochtergesellschaft, wobei der eigentliche<br />

Vertragspartner e<strong>in</strong> Weisungsrecht hat und besteht zwischen beiden e<strong>in</strong> Gew<strong>in</strong>n- und<br />

Verlustausschließungsvertrag besteht und hat ferner e<strong>in</strong>e zur Vertretung des eigentlichen<br />

Vertragspartners berechtigte Person dem öffentlichen Auftraggeber versichert hat, dass der<br />

eigentliche Vertragspartner nach der Übertragung der Dienstleistungen solidarisch mit dem<br />

neuen Vertragspartner haftet und dass sich an der bisherigen Gesamtleistung nichts ändern<br />

wird, stellt e<strong>in</strong>e solche Vere<strong>in</strong>barung im Wesentlichen e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terne Neuorganisation des<br />

Vertragspartners dar, die die Vertragsbed<strong>in</strong>gungen des ursprünglichen Auftrags nicht


1020/3<br />

1020/4<br />

1020/5<br />

1020/6<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

wesentlich ändert. Werden allerd<strong>in</strong>gs die Gesellschaftsanteile des neuen Vertragspartners<br />

während der Laufzeit des im Ausgangsverfahren <strong>in</strong> Rede stehenden Auftrags an e<strong>in</strong>en<br />

Dritten veräußert, handelte es sich nicht mehr um e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terne Neuorganisation des<br />

ursprünglichen Vertragspartners, sondern um e<strong>in</strong>e tatsächliche Änderung des<br />

Vertragspartners, was grundsätzlich e<strong>in</strong>e Änderung e<strong>in</strong>er wesentlichen<br />

Vertragsbestimmung darstellt. E<strong>in</strong>e entsprechende Überlegung gilt, wenn die Abtretung<br />

der Gesellschaftsanteile an der Tochtergesellschaft an e<strong>in</strong>en Dritten zum Zeitpunkt der<br />

fraglichen Übertragung der Tätigkeiten auf diese bereits vorgesehen war. Das Fehlen<br />

e<strong>in</strong>er Garantie dafür, dass die Gesellschaftsanteile an der Tochtergesellschaft während der<br />

Vertragslaufzeit nicht an Dritte veräußert werden, ändert an dieser Schlussfolgerung nichts<br />

(EuGH, Urteil v. 15.10.2009 - Az.: C-196/08; Urteil vom 19.06.2008 – Az.: C-454/06).<br />

<strong>Öffentliche</strong> <strong>Aufträge</strong> werden <strong>in</strong> der Regel an juristische Personen vergeben. Wurde e<strong>in</strong>e<br />

juristische Person <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er börsennotierten Aktiengesellschaft gegründet, ergibt<br />

sich aus ihrem Wesen selbst, dass sich die Besitzverhältnisse jederzeit ändern können.<br />

Dies stellt die Gültigkeit der Vergabe e<strong>in</strong>es öffentlichen Auftrags an e<strong>in</strong>e solche<br />

Gesellschaft nicht <strong>in</strong> Frage. Etwas anderes könnte <strong>in</strong> Ausnahmefällen wie etwa bei<br />

Manipulationen zur Umgehung vergaberechtlicher Geme<strong>in</strong>schaftsvorschriften gelten.<br />

Entsprechende Überlegungen gelten im Rahmen von öffentlichen <strong>Aufträge</strong>n, die an<br />

juristische Personen vergeben wurden, die nicht <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Aktiengesellschaft, sondern<br />

e<strong>in</strong>er registrierten Genossenschaft mit beschränkter Haftung gegründet worden s<strong>in</strong>d.<br />

Mögliche Änderungen der Zusammensetzung des Kreises der Mitglieder e<strong>in</strong>er solchen<br />

Genossenschaft führen nicht grundsätzlich zu e<strong>in</strong>er wesentlichen Änderung des an die<br />

Gesellschaft vergebenen Auftrags (EuGH, Urteil v. 15.10.2009 - Az.: C-196/08; Urteil vom<br />

19.06.2008 – Az.: C-454/06).<br />

In dem Fall, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong> bestehender Auftrag anlässlich der Umstellung auf den Euro<br />

dah<strong>in</strong> geändert wird, dass die ursprünglich <strong>in</strong> nationaler Währung ausgedrückten<br />

Preise <strong>in</strong> Euro umgerechnet werden, handelt es sich ebenfalls nicht um e<strong>in</strong>e wesentliche<br />

Änderung des Auftrags, sondern nur um e<strong>in</strong>e Anpassung desselben an geänderte äußere<br />

Bed<strong>in</strong>gungen, sofern die Eurobeträge gemäß den geltenden Vorschriften, <strong>in</strong>sbesondere denen<br />

der Verordnung (EG) Nr. 1103/97 des Rates vom 17. Juni 1<strong>99</strong>7 über bestimmte Vorschriften<br />

im Zusammenhang mit der E<strong>in</strong>führung des Euro (ABl. L 162, S. 1), gerundet werden (EuGH,<br />

Urteil vom 19.06.2008 – Az.: C-454/06).<br />

Der Preis ist e<strong>in</strong>e wesentliche Bed<strong>in</strong>gung e<strong>in</strong>es öffentlichen Auftrags. Die Änderung e<strong>in</strong>er<br />

solchen Bed<strong>in</strong>gung während der Laufzeit des Auftrags birgt, wenn sie nach den<br />

Bestimmungen des ursprünglichen Auftrags nicht ausdrücklich erlaubt ist, die Gefahr e<strong>in</strong>es<br />

Verstoßes gegen die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung der Bieter <strong>in</strong><br />

sich. Trotzdem kann die Umrechnung der Preise e<strong>in</strong>es Auftrags <strong>in</strong> Euro während dessen<br />

Laufzeit e<strong>in</strong>e Anpassung des <strong>in</strong>neren Wertes der Preise enthalten, ohne dass hier<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e<br />

neue Auftragsvergabe liegt, sofern es sich um ger<strong>in</strong>gfügige Anpassungen handelt, die sich<br />

objektiv erklären lassen. Dies ist der Fall, wenn sie die Durchführung des Auftrags<br />

erleichtern sollen, <strong>in</strong>dem sie beispielsweise die Rechnungstellung vere<strong>in</strong>fachen EuGH,<br />

Urteil vom 19.06.2008 – Az.: C-454/06).<br />

Sieht e<strong>in</strong> Basisvertrag zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer die Ersetzung e<strong>in</strong>es<br />

Preis<strong>in</strong>dexes durch e<strong>in</strong>en späteren Index vor, wendet der Nachtrag über die Anwendung<br />

des späteren Indexes lediglich die Bestimmungen des Basisvertrags über die Anpassung der<br />

Wertsicherungsklausel an. Unter diesen Bed<strong>in</strong>gungen ist festzustellen, dass die Bezugnahme<br />

auf e<strong>in</strong>en neuen Preis<strong>in</strong>dex ke<strong>in</strong>e Änderung wesentlicher Bed<strong>in</strong>gungen des


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1021/0,1<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

ursprünglichen Auftrags und damit ke<strong>in</strong>e neue Auftragsvergabe darstellt (EuGH, Urteil<br />

vom 19.06.2008 – Az.: C-454/06).<br />

Auch e<strong>in</strong>e Klausel, mit der sich die Parteien verpflichten, e<strong>in</strong>en unbefristet geschlossenen<br />

Vertrag während e<strong>in</strong>es bestimmten Zeitraums nicht zu kündigen, ist nach<br />

geme<strong>in</strong>schaftsrechtlichem <strong>Vergaberecht</strong> nicht ohne Weiteres als rechtswidrig<br />

anzusehen. Legt die entsprechende nachträgliche Klausel z.B. den Verzicht auf jegliche<br />

Kündigung für den Zeitraum von 2005 bis 2008 fest, ist der Zeitraum, für den die Klausel<br />

galt, nämlich drei Jahre, nicht so lang gewesen, dass sie den Auftraggeber für e<strong>in</strong>en – im<br />

Verhältnis zu der für die Organisation e<strong>in</strong>es solchen Vorhabens erforderlichen Zeit –<br />

übermäßig langen Zeitraum an der Kündigung h<strong>in</strong>dert. Unter diesen Voraussetzungen<br />

br<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>e solche Kündigungsausschlussklausel, sofern sie nicht regelmäßig immer<br />

wieder <strong>in</strong> den Vertrag e<strong>in</strong>gefügt wird, die Gefahr der Verfälschung des Wettbewerbs<br />

zum Nachteil potenzieller neuer Bieter nicht mit sich. Folglich kann sie nicht als<br />

wesentliche Änderung des ursprünglichen Vertrags qualifiziert werden (EuGH, Urteil<br />

vom 19.06.2008 – Az.: C-454/06).<br />

E<strong>in</strong>e nachträgliche Erhöhung e<strong>in</strong>es Rabattes für den Auftraggeber von z.B. 15 % auf 25<br />

% kommt der Festlegung e<strong>in</strong>es niedrigeren Preises gleich. Auch wenn sie sich <strong>in</strong><br />

verschiedener Form darstellen, haben e<strong>in</strong>e Preisermäßigung und e<strong>in</strong>e Rabatterhöhung e<strong>in</strong>e<br />

vergleichbare wirtschaftliche Wirkung. Die Erhöhung des Rabatts, durch die sich das Entgelt,<br />

das der Auftragnehmer erhält, gegenüber dem ursprünglich vorgesehenen Entgelt verr<strong>in</strong>gert,<br />

verändert zum E<strong>in</strong>en nicht das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrags zugunsten des<br />

Auftragnehmers. Zum anderen kann die Tatsache alle<strong>in</strong>, dass der öffentliche Auftraggeber<br />

e<strong>in</strong>en größeren Rabatt auf e<strong>in</strong>en Teil der Dienstleistungen erhält, die Gegenstand des<br />

Auftrags s<strong>in</strong>d, nicht zu e<strong>in</strong>er Wettbewerbsverzerrung zum Nachteil potenzieller Bieter<br />

führen. Daraus ergibt sich, dass die Vere<strong>in</strong>barung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Nachtrag, für bestimmte<br />

Staffelpreise <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em besonderen Bereich größere Rabatte als die ursprünglich<br />

vorgesehenen festzulegen, nicht als e<strong>in</strong>e wesentliche Vertragsänderung anzusehen ist und<br />

damit ke<strong>in</strong>e neue Auftragsvergabe darstellt (EuGH, Urteil vom 19.06.2008 – Az.: C-454/06).<br />

<strong>8.</strong>1.4.2.1.2 Nationale Rechtsprechung<br />

Abänderungen schon bestehender Vertragsbeziehungen unterliegen dann dem <strong>Vergaberecht</strong><br />

der <strong>§</strong><strong>§</strong> 97 ff. <strong>GWB</strong>, wenn die die Abänderung ausmachenden Regelungen <strong>in</strong> ihren<br />

wirtschaftlichen Auswirkungen bei wertender Betrachtung e<strong>in</strong>er Neuvergabe gleich kommen.<br />

Dies ist anzunehmen, wenn durch die getroffene Vere<strong>in</strong>barung der bisherige Vertrags<strong>in</strong>halt<br />

nicht unerheblich abgeändert wird, also bei Leistungserweiterungen und<br />

Laufzeitänderungen (OLG Hamburg, B. v. 25.01.2007 - Az.: 1 Verg 5/06; OLG Düsseldorf,<br />

B. v. 12.1.2004 - Az.: VII - Verg 71/03, B. v. <strong>8.</strong>5.2002 - Az.: Verg 8 - 15/01; VK<br />

Brandenburg, B. v. 03.11.2008 - Az.: VK 33/08; VK Lüneburg, B. v. 10.03.2005 - Az.: VgK-<br />

04/2005; VK Münster, B. v. 25.06.2009 - Az.: VK 7/09).<br />

Das OLG Celle fasst die Rechtsprechung des EuGH und die nationale Rechtsprechung<br />

dah<strong>in</strong>gehend zusammen, dass die Änderung e<strong>in</strong>es öffentlichen Auftrags während se<strong>in</strong>er<br />

Laufzeit als wesentlich und ausschreibungspflichtig angesehen werden kann, wenn sie<br />

Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>führt, die die Zulassung anderer als der ursprünglich zugelassenen Bieter<br />

oder die Annahme e<strong>in</strong>es anderen als des ursprünglich angenommenen Angebots erlaubt<br />

hätten, wenn sie Gegenstand des ursprünglichen Vergabeverfahrens gewesen wären (1), sie<br />

den Auftrag <strong>in</strong> größerem Umfang auf ursprünglich nicht vorgesehene Dienstleistungen


1021/1<br />

1021/2<br />

1021/2,1<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

erweitert (2) und sie das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrages <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er im<br />

ursprünglichen Auftrag nicht vorgesehenen Weise zugunsten des Auftragnehmers ändert (3).<br />

(OLG Celle, B. v. 29.10.2009 - Az.: 13 Verg 8/09).<br />

Nach <strong>§</strong> 311 Abs. 1 BGB können die Beteiligten den Inhalt e<strong>in</strong>es Schuldverhältnisses durch<br />

e<strong>in</strong>en Vertrag ändern. Davon ist der Fall der Aufhebung des bisherigen und der Begründung<br />

e<strong>in</strong>es neuen Schuldverhältnisses zu unterscheiden. Die Frage, ob das e<strong>in</strong>e oder das andere<br />

vorliegt, ist nach den Umständen des E<strong>in</strong>zelfalles zu entscheiden. Maßgebend ist dabei <strong>in</strong><br />

erster L<strong>in</strong>ie der Wille der Parteien, der sich im Allgeme<strong>in</strong>en aus der Fassung e<strong>in</strong>es<br />

Änderungsvertrages ergibt. Neben dem Wortlaut der Urkunde s<strong>in</strong>d aber auch die<br />

wirtschaftliche Bedeutung der Abänderung und die Verkehrsauffassung zu berücksichtigen.<br />

Mit der wirtschaftlichen Bedeutung e<strong>in</strong>er Abänderung ist für die Auslegung außerdem<br />

deren rechtliche Bedeutung relevant, sofern sie wirtschaftliche Auswirkungen auf das<br />

Vertragsziel hat. Haben unter Beachtung dieser Grundsätze der Auftraggeber und der<br />

Auftragnehmer e<strong>in</strong>e bisherige Vertragslage um die von ihnen erkannten und im<br />

<strong>Vergaberecht</strong> begründete Risiken bere<strong>in</strong>igen und zu diesem Zweck den Ursprungsvertrag<br />

aufheben wollen und umfasst der Änderungsvertrag nach se<strong>in</strong>em Wortlaut und S<strong>in</strong>n<br />

sämtliche Ansatzpunkte für e<strong>in</strong>e mögliche rechtliche Beanstandung des bisherigen<br />

Kaufvertrags <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Nachprüfungsverfahren, ist der "Änderungsvertrag" deswegen trotz<br />

des entgegenstehenden Wortlauts als e<strong>in</strong>e Neubegründung des Schuldverhältnisses zu<br />

verstehen, mit der durch e<strong>in</strong>en bestandskräftigen Vertragsschluss erreicht werden sollte, dass<br />

Nachprüfungsanträge von am Verfahren beteiligten Bietern ausgeschlossen se<strong>in</strong> sollten und<br />

auch die Antragsteller<strong>in</strong> <strong>in</strong>soweit vor vollendete Tatsachen gestellt werden sollte, als e<strong>in</strong><br />

wirksamer Vertragsschluss durch den Änderungsvertrag ke<strong>in</strong>er vergaberechtlichen<br />

Nachprüfung mehr zugänglich war (OLG Düsseldorf, B. v. 06.02.2008 - Az.: VII - Verg<br />

37/07).<br />

Nach Auffassung der VK Brandenburg kommt es für die E<strong>in</strong>ordnung e<strong>in</strong>er<br />

Vertragsänderung als erneute Vergabe e<strong>in</strong>es öffentlichen Dienstleistungsauftrages darauf an,<br />

ob diese als wesentlich zu bewerten ist. Nur wesentliche Vertragsänderungen, die konkret<br />

geeignet s<strong>in</strong>d, den Wettbewerb zu verfälschen und den Vertragspartner des öffentlichen<br />

Auftraggebers gegenüber anderen möglichen Dienstleistungserbr<strong>in</strong>gern zu bevorzugen,<br />

rechtfertigen die erneute Durchführung e<strong>in</strong>es Vergabeverfahrens. Insoweit ist e<strong>in</strong>e wertende<br />

Betrachtung anhand der Umstände des E<strong>in</strong>zelfalles und unter Berücksichtigung der Ziele der<br />

Richtl<strong>in</strong>ie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004<br />

vorzunehmen (VK Brandenburg, B. v. 03.11.2008 - Az.: VK 33/08; B. v. 17.06.2008 - Az.:<br />

VK 13/08).<br />

Es handelt sich nicht mehr um e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Veröffentlichungsplattform, wenn e<strong>in</strong>e<br />

Leistungserweiterung für potentielle Bieter nicht mehr nur die Sichtung von<br />

Vergabebekanntmachungen und Vor<strong>in</strong>formationen ermöglicht, sondern darüber h<strong>in</strong>aus die<br />

aktive Beteiligung an öffentlichen Ausschreibungen durch das Herunterladen von<br />

Verd<strong>in</strong>gungsunterlagen oder die Übermittlung von Angeboten <strong>in</strong> elektronischer Form.<br />

Die ursprünglich nachgefragte Veröffentlichungsplattform verändert sich zu e<strong>in</strong>er<br />

Vergabeplattform mit weit reichenden Nutzungsmöglichkeiten sowohl aufseiten (potentieller)<br />

Bieter als auch aufseiten der Vergabestellen. Durch die Funktionserweiterung der<br />

Veröffentlichungsplattform erhöht sich zudem die Vergütung für den Auftragnehmer<br />

über den Nutzungszeitraum um nahezu das Doppelte. Auch im Verhältnis zum<br />

geschätzten Auftragswert für das E<strong>in</strong>richten und die Pflege e<strong>in</strong>er Veröffentlichungsplattform<br />

stellt sich die Erhöhung der Vergütung für die Funktionserweiterung als nicht nur<br />

unerheblich dar (VK Brandenburg, B. v. 03.11.2008 - Az.: VK 33/08).


1021/3<br />

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E<strong>in</strong> vom Auftraggeber mit e<strong>in</strong>er zusätzlichen Leistung beauftragter Auftragnehmer wird mit<br />

der Änderung des Vertrages nicht gegenüber anderen Unternehmen bevorzugt und der<br />

Wettbewerb durch diese Vorgehensweise des Auftraggebers nicht verfälscht, wenn andere<br />

Unternehmen nach wie vor die Möglichkeit derselben Leistung haben (z.B. der<br />

gewerblichen Entsorgung von Papier); der Wettbewerb <strong>in</strong> diesem Bereich bleibt erhalten. Es<br />

bleibt nämlich allen <strong>in</strong>teressierten Unternehmen unbenommen, nebene<strong>in</strong>ander die<br />

gewerbliche Sammlung von Altpapier durchzuführen. Letztlich entscheidet damit der<br />

Bürger, wem er das Altpapier übergibt. Dies führt zu e<strong>in</strong>er natürlichen Ausprägung von<br />

Wettbewerb und nicht zu e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>seitigen Bevorzugung des durch den öffentlichen<br />

Auftraggeber beauftragten Unternehmens (VK Brandenburg, B. v. 17.06.2008 - Az.: VK<br />

13/08).<br />

Steht die h<strong>in</strong>zukommende Leistung mit dem bereits bestehenden Vertrag <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em engen<br />

<strong>in</strong>haltlichen Zusammenhang, geht es also z.B. nicht um die Erweiterung e<strong>in</strong>er<br />

eigenständigen Abfallart, sondern soll der Auftragnehmer z.B. die Altpapierentsorgung auch<br />

<strong>in</strong> Zukunft erbr<strong>in</strong>gen, jedoch zusätzlich durch die Entsorgung von Altpapier aus zuvor<br />

aufgestellten Altpapierbehältern (Holsystem), liegt ke<strong>in</strong>e wesentliche Änderung des<br />

bestehenden Vertrages vor (VK Brandenburg, B. v. 17.06.2008 - Az.: VK 13/08).<br />

Dem <strong>Vergaberecht</strong> unterfällt jedoch die vertragliche Erweiterung h<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>er<br />

eigenständigen Abfallart, z. B. der PPK-Fraktion (OLG Düsseldorf, B. v. 12.1.2004 - Az.: VII<br />

- Verg 71/03).<br />

Die Auswechslung des Vertragspartners nach Zuschlagserteilung stellt e<strong>in</strong>e wesentliche<br />

Vertragsänderung dar, die nicht ohne e<strong>in</strong> erneutes Vergabeverfahren praktiziert werden<br />

darf. Ansonsten handelt es sich um e<strong>in</strong>e grundsätzlich nichtige De-facto-Vergabe. Daraus<br />

folgt, dass es ebenso wenig zulässig se<strong>in</strong> kann, wenn bereits vor Vertragsschluss deutlich<br />

wird, dass der - formale - Vertragspartner die Leistung aus welchen Gründen auch<br />

immer nicht selbst – ggfs. unter H<strong>in</strong>zuziehung der benannten und geprüften<br />

Subunternehmer – erbr<strong>in</strong>gen wird, sondern e<strong>in</strong> Dritter (3. VK Bund, B. v. 11.09.2009 -<br />

Az.: VK 3 - 157/09 – <strong>in</strong>struktive Entscheidung; im Ergebnis ebenso VK Münster, B. v.<br />

25.06.2009 - Az.: VK 7/09).<br />

<strong>8.</strong>1.4.2.2 Vorlagebeschluss des OLG Rostock<br />

Das OLG Rostock hatte über die Frage zu entscheiden, ob auch nach abgeschlossenem<br />

Vergabeverfahren jede Änderung der vom Bieter übernommenen Leistung dann e<strong>in</strong>en<br />

dem Vergaberegime unterfallenden Vorgang be<strong>in</strong>haltet, wenn die im Wege der<br />

Änderung zu beschaffende (Teil-)Leistung isoliert betrachtet den maßgeblichen<br />

Schwellenwert überschreitet. Nach Auffassung der Antragsteller <strong>in</strong> dem<br />

Nachprüfungsverfahren wird nur bei diesem Verständnis das <strong>Vergaberecht</strong> von Zweifelsfällen<br />

befreit und der denkbare Missbrauch der Vertragsänderung zum Zwecke e<strong>in</strong>er - ggf.<br />

nationalen - Bevorzugung vereitelt.<br />

Das OLG Rostock hat daraufh<strong>in</strong> dem Europäischen Gerichtshof folgende Frage vorgelegt:<br />

Handelt es sich bei e<strong>in</strong>er Vere<strong>in</strong>barung zur Änderung e<strong>in</strong>es geschlossenen öffentlichen<br />

Lieferauftrags (Beschaffung anderer als der ursprünglich vorgesehenen Güter) um e<strong>in</strong>en


1025/1<br />

1026<br />

1027<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

ausschreibungspflichtigen öffentlichen Lieferauftrag i. S. d. Art. 1 Buchstabe a) Richtl<strong>in</strong>ie<br />

93/36/EG, wenn<br />

a) der Wert der von der Änderungsvere<strong>in</strong>barung betroffenen Güter den Schwellenwert des<br />

Art. 5 Abs. 1 Buchstabe a) Richtl<strong>in</strong>ie 93/36/EG überschreitet und<br />

b) für die von der Änderungsvere<strong>in</strong>barung betroffenen Güter e<strong>in</strong> Lieferantenwechsel<br />

erfolgt und zugleich die Spezifikation für diese Güter maßgeblich geändert wird?<br />

<strong>8.</strong>1.4.2.3 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung<br />

• e<strong>in</strong>e Vertragsänderung (hier: E<strong>in</strong>führung der "blauen Tonne" für PKK) ist<br />

ausschreibungspflichtig, wenn sie e<strong>in</strong>en Mehrbedarf an Personal und Fahrzeugen<br />

auslöst sowie e<strong>in</strong>e Mehrvergütung von über 10% zur Folge hat, die für sich<br />

genommen den maßgeblichen Schwellenwert übersteigt (OLG Celle, B. v.<br />

29.10.2009 - Az.: 13 Verg 8/09)<br />

<strong>8.</strong>1.4.3 Modifikationen der Laufzeit bestehender Vertragsbeziehungen<br />

Es mag Fälle geben, <strong>in</strong> denen die spätere Änderung oder Ergänzung e<strong>in</strong>es ausgeschriebenen<br />

und durch Zuschlagserteilung b<strong>in</strong>dend konstituierten Vertrages lediglich e<strong>in</strong>e unwesentliche<br />

Abweichung gegenüber der ursprünglichen Leistungsbeschreibung darstellt, sodass die<br />

Modifizierung nicht als eigenständiger Beschaffungsvorgang zu werten ist, der zur<br />

Durchführung e<strong>in</strong>es neuen Ausschreibungsverfahrens nötigt. Sehen beispielsweise die<br />

Ausschreibungsbed<strong>in</strong>gungen für die Errichtung e<strong>in</strong>es Bauwerks e<strong>in</strong>e zeitliche Befristung vor,<br />

mag es vorkommen, dass sich die Ausführung aus projektspezifischen Gründen verzögert.<br />

Verständigen sich die Parteien <strong>in</strong> solch e<strong>in</strong>em Fall darauf, den Vertrag den Umständen<br />

anzupassen und den Leistungszeitraum nachträglich zu verlängern, leiten sie damit nicht<br />

automatisch e<strong>in</strong>en erneuten, ausschreibungspflichtigen Beschaffungsvorgang e<strong>in</strong>. E<strong>in</strong> solcher<br />

Fall ist <strong>in</strong>sbesondere dann anzunehmen, wenn die geschuldete Leistung ihrer Natur nach<br />

von vornhere<strong>in</strong> zeitlich begrenzt ist, wie etwa die Herstellung oder Lieferung e<strong>in</strong>er Sache;<br />

dann stellt der Zeitpunkt der Fertigstellung e<strong>in</strong>e bloße Modalität der Leistung dar. Anders<br />

verhält es sich aber, wenn mit der Ausschreibung e<strong>in</strong> Dauerschuldverhältnis <strong>in</strong> Kraft gesetzt<br />

werden soll, <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>e ihrer Natur nach zeitlich nicht begrenzte Tätigkeit geschuldet ist, wie<br />

etwa der Betrieb und die Instandhaltung e<strong>in</strong>er Anlage. In diesem Fall stellt das Zeitmoment<br />

nicht nur e<strong>in</strong>e untergeordnete Modalität der Leistung dar, sondern ist selbst wesentliches<br />

Element der geschuldeten Leistung im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er "Leistung auf Zeit". Wandeln daher die<br />

Vertragsparteien e<strong>in</strong> zunächst zeitlich befristetes Dauerschuldverhältnis <strong>in</strong> e<strong>in</strong> unbefristetes<br />

um, begründen sie e<strong>in</strong>en eigenständigen Beschaffungsvorgang (OLG Thür<strong>in</strong>gen, B. v.<br />

14.10.2003 - Az.: 6 Verg 5/03).<br />

<strong>8.</strong>1.4.4 E<strong>in</strong>vernehmliche Rücknahme e<strong>in</strong>er rechtswirksam erklärten<br />

ordentlichen Kündigung<br />

Die e<strong>in</strong>vernehmliche Rücknahme e<strong>in</strong>er rechtswirksam erklärten ordentlichen Kündigung im<br />

Auslauf der Kündigungsfrist erfordert zwischen dem Kündigenden und dem


1027/1<br />

1028<br />

1029<br />

1030<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Kündigungsempfänger rechtlich e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>igung über die Aufhebung der Kündigungserklärung<br />

und ihrer Wirkungen sowie e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>igung über die Fortsetzung des Vertrages. Dies stellt den<br />

Abschluss e<strong>in</strong>es Vertrages dar. Die e<strong>in</strong>vernehmliche Aufhebung e<strong>in</strong>er von e<strong>in</strong>er<br />

Vertragspartei bereits ausgesprochenen ordentlichen Kündigung des Vertrages kommt<br />

deshalb e<strong>in</strong>er Neuvergabe gleich (OLG Düsseldorf, B. v. <strong>8.</strong>5.2002 - Az.: Verg 8 - 15/01; 1.<br />

VK Sachsen, B. v. 17.09.2007 - Az.: 1/SVK/058-07).<br />

<strong>8.</strong>1.4.5 Optionen<br />

<strong>8.</strong>1.4.5.1 Rechtsprechung<br />

Verlängerungsoptionen s<strong>in</strong>d – wie <strong>§</strong> 3 Abs. 6 VgV zeigt – zulässig; es gibt ke<strong>in</strong>en<br />

Rechtssatz, wonach e<strong>in</strong>e Verlängerung 10 % der Laufzeit e<strong>in</strong>es Rahmenvertrags nicht<br />

überschreiten dürfe. Mit e<strong>in</strong>er maximalen Gesamtlaufzeit von z.B. 27 Monaten hält sich die<br />

Laufzeit vollumfänglich im Rahmen der zulässigen Maximallaufzeit von vier Jahren.<br />

Bedeutsam ist bei der Verlängerungsoption, dass diese von vornhere<strong>in</strong> Bestandteil der<br />

Ausschreibung ist. Die Gründe für die Option – Abfangen e<strong>in</strong>es sich bei e<strong>in</strong>er<br />

Anschlussausschreibung ergebenden Nachprüfungsverfahrens und dessen zeitlicher Dauer –<br />

s<strong>in</strong>d absolut nachvollziehbar und begründen auch ke<strong>in</strong> ungewöhnliches Wagnis zu Lasten des<br />

Auftragnehmers: In der Regel wirkt sich e<strong>in</strong>e verlängerte Laufzeit zugunsten des<br />

Auftragnehmers aus, der ja se<strong>in</strong>erseits Interesse am Auftrag hat. Ist ferner die Option mit<br />

e<strong>in</strong>em zeitlichen Vorlauf zu ziehen, hat der Auftragnehmer ausreichend Gelegenheit,<br />

sich hierauf e<strong>in</strong>zustellen (3. VK Bund, B. v. 20.03.2009 – Az. VK 3 – 34/09; B. v.<br />

20.03.2009 – Az.: VK 3 – 22/09; B. v. 29.01.2009 - Az.: VK 3 – 200/08; B. v. 29.01.2009 -<br />

Az.: VK 3 – 197/08; B. v. 23.01.2009 - Az.: VK 3 - 194/08).<br />

Nach e<strong>in</strong>er Auffassung liegt <strong>in</strong> dem Gebrauchmachen von e<strong>in</strong>er Option durch den<br />

Auftraggeber oder dem Unterlassen e<strong>in</strong>er Kündigung ke<strong>in</strong> neuer Vertragsabschluss. Der<br />

ursprünglich auf Grund zweier Willenserklärungen zu Stande gekommene Vertrag wird<br />

fortgesetzt. Der Auftraggeber entscheidet sich lediglich, ke<strong>in</strong>e wirksame neue<br />

Willenserklärung, die Kündigung, auszusprechen. Diese Entscheidung ist vergaberechtlich<br />

irrelevant (OLG Celle, B. v. 4.5.2001 - Az.: 13 Verg 5/00; 1. VK Sachsen, B. v. 17.09.2007 -<br />

Az.: 1/SVK/058-07; VK Hamburg (FB), B. v. 27.04.2006 - Az.: VgK FB 2/06).<br />

Nach e<strong>in</strong>er anderen Me<strong>in</strong>ung stellt e<strong>in</strong>e auf die automatische Verlängerung des Vertrages<br />

nach Vertragsende zielende Vertragsklausel den Versuch e<strong>in</strong>er Umgehung der<br />

vergaberechtlich gebotenen Neuausschreibung nach Ablauf der Vertragslaufzeit dar,<br />

beh<strong>in</strong>dert dadurch den Wettbewerb auf unbestimmte Zeit und ist damit gemäß <strong>§</strong> 97 Abs. 1<br />

<strong>GWB</strong> und <strong>§</strong> 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A vergaberechtswidrig.<br />

Es ist für die vergaberechtliche E<strong>in</strong>ordnung unerheblich, ob die Vertragsverlängerung durch<br />

die explizite Abgabe von übere<strong>in</strong>stimmenden Willenserklärungen oder durch vere<strong>in</strong>bartes<br />

Stillschweigen erfolgt. Als Grundregel darf unterstellt werden, dass immer dann von e<strong>in</strong>em<br />

neuen Auftrag und somit von dem Bedarf e<strong>in</strong>es neuen Vergabeverfahrens auszugehen<br />

ist, wenn die Vertragsverlängerung oder -umgestaltung nur durch e<strong>in</strong>e beiderseitige<br />

Willenserklärung zu Stande kommen kann. Regelmäßig wird das beiderseitige<br />

E<strong>in</strong>vernehmen zwischen den Vertragsparteien nämlich nur dann erforderlich se<strong>in</strong>, wenn sich<br />

die Verlängerung nicht nur als unbedeutende Erweiterung der bisherigen Vertragsbeziehung<br />

darstellt, sondern wirtschaftlich dem Abschluss e<strong>in</strong>es neuen Vertrages gleichkommt. Dass


1031<br />

1032<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

diese Vertragsverlängerung gerade durch das Unterlassen e<strong>in</strong>er Willenserklärung e<strong>in</strong>treten<br />

soll, ändert angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung dieses Vorganges nichts an der<br />

vergaberechtlichen E<strong>in</strong>stufung als neuem Beschaffungsvorgang (VK Baden-Württemberg, B.<br />

v. 16.11.2004 - Az.: 1 VK 69/04).<br />

<strong>8.</strong>1.4.5.2 Literatur<br />

• Braun, Christ<strong>in</strong>e, Ausschreibungspflicht bei automatischer Vertragsverlängerung! –<br />

Erwiderung zu Gruneberg, VergabeR 2005, 171, VergabeR 2005, 586<br />

• Burgi, Mart<strong>in</strong>, Energierecht und <strong>Vergaberecht</strong>, Recht der Energiewirtschaft 6/2007,<br />

145<br />

• Gruneberg, Ralf, <strong>Vergaberecht</strong>liche Relevanz von Vertragsänderungen und –<br />

verlängerungen <strong>in</strong> der Abfallwirtschaft, VergabeR 2005, 171<br />

• Knauff, Matthias, Vertragsverlängerungen und <strong>Vergaberecht</strong> – Zugleich e<strong>in</strong> Beitrag zu<br />

<strong>§</strong> 13 S. 6 VgV, NZBau 2007, 347<br />

• Krohn, Wolfram, Vertragsänderungen und <strong>Vergaberecht</strong> - Wann besteht e<strong>in</strong>e Pflicht<br />

zur Neuausschreibung?, NZBau 2008, 619<br />

• Kulartz, Hans-Peter / Duikers, Jan, Ausschreibungspflicht bei Vertragsänderungen,<br />

VergabeR 2008, 728<br />

• Niestedt, Marian / Hölzl, Franz Josef, Um Kle<strong>in</strong>igkeiten kümmert sich der Prätor<br />

nicht! – Relevanz und Konsequenz der Änderung laufender Verträge im Lichte des<br />

<strong>Vergaberecht</strong>s, NJW 2008, 3321<br />

<strong>8.</strong>1.4.6 Verhandlungen während e<strong>in</strong>es Insolvenzverfahrens<br />

Es kann e<strong>in</strong>em Auftraggeber nicht verwehrt werden, im Falle der Insolvenz e<strong>in</strong>es<br />

Auftragnehmers mit diesem Vertragspartner „Verhandlungen“ zu führen. Dies gilt auch<br />

dann, wenn <strong>in</strong> diesen Gesprächen erörtert wird, unter welchen Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>e Fortführung<br />

des Vertrages den Vertragsparteien möglich ersche<strong>in</strong>t. Anderenfalls kann der Auftraggeber<br />

nicht beurteilen, ob er von se<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>geräumten Kündigungsrecht nach <strong>§</strong> 8 Nr. 2 VOB/B<br />

Gebrauch machen soll oder nicht. Dieses Kündigungsrecht wurde aufgrund des besonderen<br />

Vertrauensverhältnisses zwischen Auftraggeber und -nehmer geschaffen, um die<br />

Leistungsfähigkeit des Auftragnehmers bis h<strong>in</strong> zur ordnungsgemäßen Abwicklung der<br />

Baumaßnahme zu gewährleisten. E<strong>in</strong>e Kündigung soll daher auch nur als ultima ratio<br />

erfolgen, z.B. wenn endgültig feststeht, dass der Auftragnehmer außerstande ist, die<br />

Maßnahme erfolgreich abschließen zu können. Erfährt der Auftraggeber von dem<br />

Insolvenzantrag, ist die Klärung der Leistungsfähigkeit se<strong>in</strong>es Auftragnehmers mit diesem<br />

bzw. die Frage, wie diese aufrechterhalten oder wiederhergestellt werden kann, die logische<br />

Folge des zwischen der Vertragspartner bestehenden Vertrauensverhältnisses. Jede andere<br />

Betrachtungsweise widerspricht auch aufgrund der Vorbefassung e<strong>in</strong>es Auftragnehmers mit<br />

der Baumaßnahme der ökonomischen Logik. Diese Verhandlungen stellen ke<strong>in</strong>e neue,<br />

eigenständige Vergabe e<strong>in</strong>es öffentlichen Auftrags dar, ebenso die bloße Nichtkündigung<br />

trotz beantragtem Insolvenzverfahrens (2. VK Bund, B. v. 12.10.2004 - Az.: VK 2 -<br />

187/04).


1032/1<br />

1032/2<br />

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1035<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

<strong>8.</strong>1.4.7 Auswirkungen e<strong>in</strong>es Rücktritts vom Vertrag<br />

Durch e<strong>in</strong>en Vertragsschluss wird e<strong>in</strong> Vergabeverfahren gemäß <strong>§</strong> 28 Nr. 2 Abs. 1<br />

VOL/A beendet. E<strong>in</strong> vom Auftraggeber gemäß <strong>§</strong> 323 BGB erklärter Rücktritt wegen<br />

nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung führt nicht zu e<strong>in</strong>er Unwirksamkeit des Vertrages ex<br />

tunc und e<strong>in</strong>er damit verbundene Nichtigkeit des Zuschlags. Vielmehr handelt es sich beim<br />

Rücktrittsrecht um e<strong>in</strong> Gestaltungsrecht. Durch den Rücktritt wird der Vertrag <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

Abwicklungsverhältnis umgestaltet. Dies hat zur Konsequenz, dass h<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>es<br />

Folgezuschlags nicht mehr auf das alte Vergabeverfahren zurückgegriffen werden kann,<br />

<strong>in</strong>dem z.B. der zweitwirtschaftlichste Bieter ohne e<strong>in</strong> neues Ausschreibungsverfahren<br />

beauftragt werden kann (VK Niedersachsen, B. v. 03.07.2009 - Az.: VgK-30/2009).<br />

Gegebenenfalls können Interimsverträge über e<strong>in</strong> Verhandlungsverfahren ohne<br />

Teilnahmewettbewerb geschlossen werden.<br />

Auch aus der Rechtsprechung des BGH und des OLG Düsseldorf zur<br />

Zuschlagsfähigkeit von Angeboten nach Ablauf der B<strong>in</strong>defrist lässt sich nicht ohne<br />

weiteres der Zuschlag auf das <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em vorangegangenen, aber abgeschlossenen<br />

Vergabeverfahren zweitplatzierte Angebot rechtfertigen. Die dieser Rechtsprechung zugrunde<br />

liegenden Sachverhalte s<strong>in</strong>d mit dem Fall des Rücktritts vom Vertrag nicht vergleichbar.<br />

Sowohl <strong>in</strong> dem vom BGH entschiedenen Fall als auch <strong>in</strong> dem dem Beschluss des OLG<br />

Düsseldorf zugrunde liegenden Fall g<strong>in</strong>g es lediglich um die Frage, ob e<strong>in</strong> Zuschlag auf e<strong>in</strong><br />

Angebot auch dann noch möglich ist, wenn die B<strong>in</strong>defrist bereits abgelaufen ist. Im<br />

Gegensatz zum Fall des Rücktritts vom Vertrag ist das Vergabeverfahren noch nicht zuvor<br />

durch anderweitige Zuschlagserteilung wirksam beendet (VK Niedersachsen, B. v.<br />

03.07.2009 - Az.: VgK-30/2009).<br />

<strong>8.</strong>1.5 Öffentlich-rechtliche Verträge<br />

<strong>8.</strong>1.5.1 Allgeme<strong>in</strong>es<br />

Ob auch öffentlich-rechtliche Verträge dem <strong>Vergaberecht</strong> unterfallen, wird <strong>in</strong> der<br />

Rechtsprechung nicht e<strong>in</strong>heitlich beantwortet.<br />

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist die Frage, ob öffentlich-rechtliche<br />

Verträge, die Beschaffungscharakter haben, vom <strong>Vergaberecht</strong>sregime freigestellt s<strong>in</strong>d, sehr<br />

umstritten; der BGH hat die Frage bisher ausdrücklich offen gelassen. Können jedoch die zu<br />

beschaffenden Leistungen auch Gegenstand e<strong>in</strong>es privatrechtlichen Vertrages se<strong>in</strong>, ist das<br />

<strong>Vergaberecht</strong> des <strong>GWB</strong> auch dann anwendbar, wenn die Leistungen im Wege e<strong>in</strong>es<br />

öffentlich-rechtlichen Vertrages beschafft werden (OLG Düsseldorf, B. v. 05.04.2006 - Az.:<br />

VII - Verg 7/06; B. v. 22.09.2005 - Az.: Verg 44/04; B. v. 0<strong>8.</strong>09.2005 - Az.: Verg 35/04; B. v.<br />

11.3.2002 - Az.: Verg 43/01).<br />

Weitergehend vertritt das Bayerische Oberste Landesgericht (B. v. 2<strong>8.</strong>5.2003 - Az.: Verg<br />

7/03) die Me<strong>in</strong>ung, dass die verschiedentlich vertretene Auffassung, dass öffentlich-rechtliche<br />

Verträge generell nicht dem <strong>Vergaberecht</strong> unterfallen, sich nach dem Urteil des<br />

Europäischen Gerichtshofs vom 12.7.2001, Rs. C-3<strong>99</strong>/98, nicht mehr aufrechterhalten<br />

lässt. Nach dieser Entscheidung h<strong>in</strong>dert die Tatsache, dass e<strong>in</strong> Vertrag zwischen dem<br />

öffentlichen Auftraggeber und dem Unternehmen nach nationalem Recht dem öffentlichen


1036<br />

1036/1<br />

1037<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Recht unterliegt, für sich genommen nicht die Qualifizierung als Vertrag im S<strong>in</strong>ne von Art. 1<br />

Buchstabe a) der Baukoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie 93/37/EWG. Das wird auch für Art. 1<br />

Buchstabe a) der Dienstleistungskoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie 92/50/EWG zu gelten haben; denn<br />

es ist nichts dafür erkennbar, dass die zwischen beiden Richtl<strong>in</strong>ien bestehenden Unterschiede<br />

Auswirkung auf die Frage hätten, ob e<strong>in</strong> öffentlich-rechtlicher Vertrag e<strong>in</strong>en "Vertrag" im<br />

S<strong>in</strong>ne von Art. 1 Buchstabe a) der jeweiligen Richtl<strong>in</strong>ie darstellt. In Konsequenz dieser<br />

europäischen Rechtsprechung ist auch der Begriff des Vertrages <strong>in</strong> <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 1 <strong>GWB</strong><br />

dah<strong>in</strong> auszulegen, dass er grundsätzlich auch öffentlich-rechtliche Verträge umfasst. Der<br />

Wortlaut des <strong>§</strong> <strong>99</strong> <strong>GWB</strong> ("Verträge") lässt diese Auslegung ohne weiteres zu. Die<br />

Gesetzesbegründung, wonach öffentlich-rechtliche Verträge nicht als öffentliche <strong>Aufträge</strong> im<br />

S<strong>in</strong>ne des Vierten Teils des <strong>GWB</strong> gelten, hat sich als unzutreffend erwiesen; sie steht der<br />

gebotenen geme<strong>in</strong>schaftsrechtskonformen Auslegung nicht entgegen, zumal das Gesetz<br />

ausweislich se<strong>in</strong>er Begründung der vollständigen Umsetzung der EG-Richtl<strong>in</strong>ien im Bereich<br />

des öffentlichen Auftragswesens dienen und die Rechte der Beteiligten im E<strong>in</strong>klang mit dem<br />

europäischen Recht festlegen soll (OLG Frankfurt, B. v. 07.09.2004 - Az.: 11 Verg 11/04 und<br />

12/04; ebenso OLG Dresden, B. v. 04.07.2008 - Az.: WVerg 3/08; OLG Düsseldorf, B. v.<br />

12.12.2007 - Az.: VII - Verg 30/07; B. v. 13.06.2007 - Az.: VII - Verg 2/07; B. v. 22.09.2005<br />

- Az.: Verg 44/04; B. v. 0<strong>8.</strong>09.2005 - Az.: Verg 35/04; OLG Naumburg, B. v. 15.07.2008 -<br />

Az.: 1 Verg 5/08; B. v. 03.11.2005 - Az.: 1 Verg 9/05; B. v. 22.09.2005 - Az.: Verg 44/04;<br />

VG Frankfurt/Oder, B. v. 20.02.2009 - Az.: 4 L 186/08; VK Brandenburg, B. v. 24.09.2004 -<br />

Az.: VK 47/04; 2. VK Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 07.01.2008 - Az.: 2 VK 5/07; VK<br />

Münster, B. v. 2<strong>8.</strong>05.2004 - Az.: VK 10/04; 1. VK Sachsen, B. v. 09.09.2008 - Az.:<br />

1/SVK/046-08; B. v. 29.0<strong>8.</strong>2008 - Az.: 1/SVK/042-08; B. v. 29.0<strong>8.</strong>2008 - Az.: 1/SVK/041-<br />

08; B. v. 26.03.2008 - Az.: 1/SVK/005-08).<br />

Dem entsprechend vertritt auch die VK Magdeburg die Me<strong>in</strong>ung, dass der Wortlaut der<br />

Vorschrift des <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 1 <strong>GWB</strong> ausschließlich von entgeltlichen Verträgen spricht, ohne<br />

danach zu differenzieren, ob es sich um privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Verträge<br />

handelt. Danach ist die Rechtsform des Vertrages unerheblich. Entscheidend ist vielmehr<br />

alle<strong>in</strong>, ob e<strong>in</strong> Leistungsaustausch zwischen e<strong>in</strong>em öffentlichem Auftraggeber und e<strong>in</strong>em<br />

Unternehmen gegen Entgelt stattf<strong>in</strong>det. Grundsätzlich kann somit die Form des Vertrages<br />

für die Zuordnung zum <strong>Vergaberecht</strong> nicht maßgeblich se<strong>in</strong>, zumal die Abgrenzung von<br />

privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Verträgen oftmals unklar ist und sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Grauzone bewegen kann. Unter Berücksichtigung des S<strong>in</strong>n und Zwecks des <strong>GWB</strong> (nämlich<br />

die Beschaffung von Dienstleistungen im Wettbewerb und im Wege transparenter<br />

Vergabeverfahren nach <strong>§</strong> 97 Abs. 1 <strong>GWB</strong>) ist vielmehr entscheidend, ob der Vertrag eher auf<br />

den Erwerb von Marktleistungen oder eher auf die Ausübung öffentlicher Gewalt gerichtet ist.<br />

Der BGH entscheidet den Me<strong>in</strong>ungsstreit dah<strong>in</strong>gehend, dass <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 1 <strong>GWB</strong> nicht nach<br />

der Rechtsnatur des abzuschließenden Vertrags entscheidet. Er weist Rechtsgeschäfte<br />

alle<strong>in</strong> deshalb dem <strong>GWB</strong>-Vergaberegime zu, weil der öffentliche Auftraggeber Leistungen<br />

durch e<strong>in</strong>en Dritten für wünschenswert oder notwendig erachtet und dies zum Anlass nimmt,<br />

deren Erbr<strong>in</strong>gung auf vertraglichem Weg und nicht <strong>in</strong> anderer Weise, etwa durch e<strong>in</strong>en<br />

Beleihungsakt sicherzustellen, wobei dah<strong>in</strong>stehen kann, ob fallweise - etwa zur Vermeidung<br />

von Umgehungsmöglichkeiten - auch e<strong>in</strong>e Beauftragung auf vertragsähnlichem Wege<br />

ausreichen kann (BGH; B. v. 01.12.2008 - Az.: X ZB 31/08).<br />

Nach der VK Baden-Württemberg s<strong>in</strong>d öffentlich-rechtliche Verträge dem<br />

Anwendungsbereich der <strong>§</strong><strong>§</strong> 97 ff. <strong>GWB</strong> unterstellt, jedenfalls dann, wenn sie im<br />

koord<strong>in</strong>ationsrechtlichen Bereich angesiedelt s<strong>in</strong>d, also ke<strong>in</strong>e Beleihung zum Gegenstand<br />

haben (VK Baden-Württemberg, B. v. 20.6.2002 - Az.: 1 VK 27/02).


1038<br />

1039<br />

1040<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Auch Erschließungsverträge unterfallen dem <strong>Vergaberecht</strong> (VK Baden-Württemberg, B. v.<br />

20.6.2002 - Az.: 1 VK 27/02), ebenso städtebauliche Verträge (OLG Düsseldorf, B. v.<br />

13.06.2007 - Az.: VII - Verg 2/07; VK Schleswig-Holste<strong>in</strong>, B. v. 1<strong>8.</strong>12.2002 - Az.: VK-SH-<br />

16/02) bzw. Verträge <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em städtebaulichen Regelungszusammenhang (OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 12.12.2007 - Az.: VII - Verg 30/07); anderer Auffassung VK Baden-<br />

Württemberg, B. v. 07.03.2008 - Az.: 1 VK 1/0<strong>8.</strong><br />

Auch Zweckvere<strong>in</strong>barungen werden vom Begriff des Vertrages umfasst (OLG<br />

Naumburg, B. v. 03.11.2005 - Az.: 1 Verg 9/05).<br />

<strong>8.</strong>1.5.2 Literatur<br />

• Antweiler, Clemens, Ke<strong>in</strong>e abschließende Antwort - Grundstücksverkauf und<br />

paralleles Bebauungsplanverfahren, Behörden Spiegel Dezember 2008, 17<br />

• Antweiler, Clemens, Erschließungsverträge mit Kommunalunternehmen: Zulässigkeit<br />

und Ausschreibungspflicht, NZBau 2003, 93<br />

• Ganske, Matthias, Bus<strong>in</strong>ess Improvement Districhts (BIDs) unter dem Blickw<strong>in</strong>kel<br />

des <strong>Vergaberecht</strong>s, VergabeR 2008, 15<br />

• Grotelüschen, Henn<strong>in</strong>g / Lübben, Natalie, E<strong>in</strong>heitliche Maßstäbe für de<br />

vergaberechtliche Infizierung von Veräußerungsgeschäften der öffentlichen Hand,<br />

VergabeR 2008, 169<br />

• Horn, Lutz, Ausschreibungspflichten bei Grundstücksgeschäften der öffentlichen<br />

Hand, VergabeR 2008, 158<br />

• Jasper, Ute / von der Recke, Barbara, Ausnahmen von der Vergabepflicht bei<br />

Grundstücksveräußerungen der öffentlichen Hand, ZfBR 2008, 561<br />

• Jasper, Ute / Seidel, Jan, Neue Dissonanzen beim Verkauf kommunaler Grundstücke,<br />

NZBau 2008, 427<br />

• Kade, Timo, Schafft die <strong>GWB</strong>-Novelle 2008 Rechtssicherheit nach den<br />

vergaberechtlichen Entscheidungen des OLG Düsseldorf?, ZfBR 2009, 440<br />

• Köster, Bernd, Das nordrhe<strong>in</strong>-westfälische Gesetz über Immobilien- und<br />

Standortgeme<strong>in</strong>schaften (ISGG NRW), ZfBR 7/2008, 658<br />

• Köster, Bernd, Private Initiativen zur Stadtentwicklung und <strong>Vergaberecht</strong>, NZBau<br />

2008, 300<br />

• Losch, Alexandra, A neverend<strong>in</strong>g story? Zur Reichweite der Ausschreibungspflicht<br />

von Grundstücksgeschäften, ZfBR 2008, 341<br />

• Pietzcker, Jost, Grundstücksverkäufe, städtebauliche Verträge und <strong>Vergaberecht</strong>,<br />

NZBau 2008, 293<br />

• Michaelis, Thomas, E<strong>in</strong>e große Chance - Die Vorteile <strong>in</strong>ternationaler<br />

Investorenauswahlverfahren, Behörden Spiegel August 2008, 21<br />

• Reidt, Olaf, Grundstücksveräußerungen und städtebauliche Verträge außerhalb des<br />

Kartellvergaberechts - Welche Spielräume verbleiben noch für Kommunen?,<br />

VergabeR 2008, 11<br />

• Rosenkötter, Annette / Fritz, Al<strong>in</strong>e, Investorenauswahlverfahren im Fokus des<br />

<strong>Vergaberecht</strong>s, NZBau 2007, 559<br />

• Rosenkötter, Annette, Ausschreibungspflichtigkeit von städtebaulichen Verträgen,<br />

NZBau 2006, 630


1040/1<br />

1041<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

• Wellens, Cornelia, Bus<strong>in</strong>ess Improvement Districts zwischen Privat<strong>in</strong>itiative und<br />

Ausschreibungspflicht, DVBl. 2009, 423<br />

• Wilke, Re<strong>in</strong>hard, <strong>Vergaberecht</strong>liche Aspekte städtebaulicher Verträge, ZfBR 2004,<br />

141<br />

• Ziekow, Jan, Die vergaberechtliche Bewertung von Grundstücksveräußerungen durch<br />

die öffentliche Hand - Vom Flugplatz auf den Kirmesplatz? -, VergabeR 2008, 151<br />

<strong>8.</strong>1.6 Verträge über Waren mit e<strong>in</strong>er Preisb<strong>in</strong>dung (Schulbücher)<br />

S<strong>in</strong>n der Buchpreisb<strong>in</strong>dung ist es, durch die Festsetzung verb<strong>in</strong>dlicher Preise beim<br />

Verkauf an Letztabnehmer den Erhalt e<strong>in</strong>es breiten Buchangebotes zu sichern und<br />

damit das Kulturgut Buch zu schützen. Durch das Buchpreisb<strong>in</strong>dungsgesetz soll<br />

gleichzeitig gewährleistet werden, dass dieses Angebot für e<strong>in</strong>e breite Öffentlichkeit<br />

zugänglich ist, <strong>in</strong>dem es die Existenz e<strong>in</strong>er großen Zahl von Verkaufsstellen fördert, <strong>§</strong> 1<br />

BuchPrG. Mit diesem Gesetz ist das vorher bestehende System e<strong>in</strong>er Sicherung des<br />

Buchpreises durch Abschluss vertikaler Verträge abgelöst worden. S<strong>in</strong>n des europäischen<br />

<strong>Vergaberecht</strong>s ist es, durch öffentliche Ausschreibung den Wettbewerb mit dem Ziel<br />

e<strong>in</strong>er wirtschaftlich günstigen Beschaffung der Leistungen zu sichern und jedem Bieter<br />

unter gleichen Bed<strong>in</strong>gungen den Zugang zum Markt der öffentlichen <strong>Aufträge</strong> zu<br />

ermöglichen, <strong>§</strong> 97 <strong>GWB</strong>. Wenn sich auch die Zielsetzungen der beiden Gesetze<br />

grundlegend unterscheiden, <strong>in</strong>dem auf der e<strong>in</strong>en Seite für gleich hohe Preise, auf der<br />

anderen Seite für möglichst günstige Preise gesorgt werden soll, bedeutet dies nicht, dass<br />

e<strong>in</strong>e dieser Zielsetzungen die andere gänzlich ausschließt. Vielmehr stehen sich beide<br />

Gesetze gleichrangig gegenüber. Dies bedeutet, dass auch <strong>Aufträge</strong> bezüglich<br />

preisgebundener Schulbücher öffentlich auszuschreiben und entsprechend den Vorgaben des<br />

<strong>GWB</strong> und der VOL/A zu bewerten s<strong>in</strong>d, dass aber auf der anderen Seite durch die<br />

Ausschreibung die Vorschriften des BuchPrG nicht verletzt werden dürfen (OLG München,<br />

B. v. 19.12.2007 - Az.: Verg 12/07).<br />

Beschaffungen über Schulbücher s<strong>in</strong>d also nicht wegen der im deutschen Buchhandel<br />

geltenden Buchpreisb<strong>in</strong>dung ausschreibungsfrei. Zum e<strong>in</strong>en gilt die Buchpreisb<strong>in</strong>dung im<br />

europäischen Markt nicht durchgehend, zum anderen erfasst sie auch den nationalen<br />

Schulbuch- und Lernmittelmarkt nur teilweise, so dass sich Wettbewerbseffekte bereits beim<br />

Preis ergeben können. H<strong>in</strong>zu kommt, dass <strong>in</strong> der Schulbuch- und Lernmittelbeschaffung der<br />

Liefer- und Beratungsservice e<strong>in</strong> wesentlicher Bereich der zu erbr<strong>in</strong>genden Leistung ist, <strong>in</strong><br />

dem es ke<strong>in</strong>e verb<strong>in</strong>dlich festgelegten Standards gibt. Schulbuch- und Lernmittelbeschaffung<br />

beschränkt sich zudem nicht auf e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>kauf und die Anlieferung zu Schuljahresbeg<strong>in</strong>n,<br />

sondern verlangt die ganzjährige Versorgung der Schulen mit Ersatz-, Ergänzungs- und<br />

Austauschstücken, da Lernmittel verloren oder kaputt gehen und Schülerzahlen sich auch im<br />

laufenden Schuljahr verändern können. Der Wettbewerb kann sich hier im Feld der schnellen<br />

und bedarfsgerechten Reaktion der potentiellen Vertragspartner abspielen. Weiter kann es auf<br />

dem Feld der Beratung, der Kommunikation oder der Rechnungslegung Wettbewerb<br />

geben. Die Beschaffung von Lernmitteln enthält daher trotz der teilweisen Buchpreisb<strong>in</strong>dung<br />

zu wesentlichen Teilen der zu erbr<strong>in</strong>genden Leistung ausgiebig Raum für Wettbewerb. E<strong>in</strong><br />

sachlicher Grund, diesen Wettbewerb nicht zuzulassen, ist nicht ersichtlich (VK Düsseldorf,<br />

B. v. 22.7.2002 - Az.: VK - 19/2002 - L).


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Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

<strong>8.</strong>1.7 Entgeltlichkeit<br />

<strong>8.</strong>1.7.1 Rechtsprechung<br />

<strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 1 fordert e<strong>in</strong>en entgeltlichen Vertrag. Durch die Bezeichnung als "entgeltlicher"<br />

Vertrag soll klargestellt werden, dass der öffentliche Auftraggeber e<strong>in</strong>e Gegenleistung im<br />

S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er eigenen Zuwendung geben muss. E<strong>in</strong> solcher Vertrag besteht grundsätzlich aus<br />

e<strong>in</strong>er vere<strong>in</strong>barten Leistung des vertraglich gebundenen Auftragnehmers für den Auftraggeber<br />

und e<strong>in</strong>er geldwerten Gegenleistung des vertraglich gebundenen öffentlichen Auftraggebers<br />

(BGH, B. v. 01.12.2008 - Az.: X ZB 31/08; VK Lüneburg, B. v. 14.06.2005 - Az.: VgK-<br />

22/2005; B. v. 1<strong>8.</strong>03.2004 - Az.: 203-VgK-06/2004). Der Begriff des "Entgelts" ist weit<br />

auszulegen. Die Gegenleistung des öffentlichen Auftraggebers muss nicht notwendig <strong>in</strong> Geld<br />

bestehen; erfasst wird vielmehr jede Art von Vergütung, die e<strong>in</strong>en Geldwert haben kann<br />

(BGH, B. v. 01.12.2008 - Az.: X ZB 31/08; OLG Naumburg, B. v. 03.11.2005 - Az.: 1 Verg<br />

9/05; OLG Düsseldorf, B. v. 0<strong>8.</strong>09.2005 - Az.: Verg 35/04; B. v. 27.10.2004 - Az.: VII - Verg<br />

41/04; B. v. 12.1.2004 - Az.: VII - Verg 71/03; OLG Frankfurt, B. v. 07.09.2004 - Az.: 11<br />

Verg 11/04 und 12/04; LSG Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen, B. v. 10.09.2009 - Az.: L 21 KR 53/09<br />

SFB; B. v. 03.09.2009 - Az.: L 21 KR 51/09 SFB; VK Brandenburg, B. v. 09.02.2009 - Az.<br />

VK 5/09; B. v. 09.02.2009 - Az.: VK 4/09; VK Lüneburg, B. v. 14.06.2005 - Az.: VgK-<br />

22/2005). Dementsprechend unterfällt dem <strong>Vergaberecht</strong> grundsätzlich jede Art von<br />

zweiseitig verpflichtendem Vertrag (BayObLG, B. v. 27.2.2003 - Az.: Verg 01/03; VK<br />

Südbayern, B. v. 2<strong>8.</strong>12.2001 - Az.: 47-11/01).<br />

Für die Entgeltlichkeit e<strong>in</strong>es Bauauftrages kommt es nicht darauf an, ob das Entgelt vom<br />

Auftraggeber stammt oder nicht. Der EuGH hat <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Entscheidung vom 1<strong>8.</strong> Januar<br />

2007 (C-220/05) als Entgelt ausdrücklich auch die E<strong>in</strong>nahmen angesehen, die der<br />

Auftragnehmer durch die Veräußerung der errichteten Bauwerke erzielen wird.<br />

Dementsprechend hat er bei der Berechnung des Schwellenwertes auch diese E<strong>in</strong>nahmen<br />

berücksichtigt. Auch aus der Def<strong>in</strong>ition der Baukonzession lassen sich E<strong>in</strong>schränkungen<br />

nicht entnehmen. Aus dem Begriff der Überlassung des Rechtes zur "Nutzung" lässt sich<br />

nicht entnehmen, dass damit nur e<strong>in</strong>e Nutzung durch Selbstnutzung oder Vermietung, nicht<br />

aber e<strong>in</strong>e Veräußerung geme<strong>in</strong>t ist. Wie die Nutzung erfolgt, ob durch e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>malige<br />

Handlung (bei e<strong>in</strong>em Verkauf) oder über e<strong>in</strong>e längere Zeit (bei e<strong>in</strong>er Vermietung), ist<br />

wirtschaftlich unerheblich, wenn auch letzteres bei e<strong>in</strong>er Baukonzession im Allgeme<strong>in</strong>en im<br />

Vordergrund steht. Die Besonderheit der Baukonzession gegenüber e<strong>in</strong>em "echten"<br />

Bauauftrag besteht nur dar<strong>in</strong>, dass der Vertragspartner des öffentlichen Auftraggebers das<br />

wirtschaftliche Risiko des Geschäfts trägt. Der Begriff der "Baukonzession" ist weit<br />

auszulegen, um sämtliche Fallkonstellationen e<strong>in</strong>er Beauftragung mit Bauleistungen nach den<br />

Erfordernissen des öffentlichen Auftraggebers zu erfassen. Wenn nach der Rechtsprechung<br />

des EuGH bereits bei e<strong>in</strong>em "echten" Bauauftrag Erlöse aus dem Verkauf von<br />

Gebäuden durch den Auftragnehmer zu berücksichtigen s<strong>in</strong>d, dann gilt das erst recht<br />

für e<strong>in</strong>e "Baukonzession", bei der die F<strong>in</strong>anzierung des Auftragnehmers durch dritte<br />

"Nutzer" zum Wesen gehört. Nach S<strong>in</strong>n und Zweck der Richtl<strong>in</strong>ie, die den unionsweiten<br />

diskrim<strong>in</strong>ierungsfreien Zugang zu <strong>Aufträge</strong>n der öffentlichen Hand sicherstellen soll, besteht<br />

<strong>in</strong>soweit ke<strong>in</strong>e Lücke zwischen e<strong>in</strong>em "echten" Bauauftrag und e<strong>in</strong>er Baukonzession. Es<br />

kommt mith<strong>in</strong> nicht darauf an, ob der erfolgreiche Bieter sich über e<strong>in</strong>en Verkauf oder<br />

über e<strong>in</strong>e Vermietung der von ihm – entsprechend den Erfordernissen der öffentlichen<br />

Hand bebauten – Grundstücke ref<strong>in</strong>anzieren wird (OLG Düsseldorf, B. v. 13.06.2007 -<br />

Az.: VII - Verg 2/07; VK Münster, B. v. 26.09.2007 - Az.: VK 17/07; VK Düsseldorf, B. v.<br />

02.0<strong>8.</strong>2007 - Az.: VK - 23/2007 – B).


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Für das Vorliegen e<strong>in</strong>es Bauauftrages im S<strong>in</strong>ne des <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 3, 3. Var. <strong>GWB</strong> dürfte es <strong>in</strong><br />

der Regel – neben dem Fehlen e<strong>in</strong>es körperlichen Beschaffungsvorgangs – auch an der<br />

Entgeltlichkeit fehlen. Insbesondere stellt die Übertragung des Grundstücks ke<strong>in</strong> Entgelt im<br />

S<strong>in</strong>ne <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 1 <strong>GWB</strong> dar, da für dieses Grundstück – jedenfalls üblicherweise – vom<br />

Investor der marktübliche Kaufpreis entrichtet wird. Wenn der zu entrichtende Kaufpreis<br />

h<strong>in</strong>ter dem Grundstückswert zurückbleibt, kann e<strong>in</strong>e andere Bewertung geboten se<strong>in</strong>, wobei<br />

darauf h<strong>in</strong>zuweisen ist, dass sich <strong>in</strong> diesen Fällen <strong>in</strong> Bezug auf die Anwendbarkeit des Vierten<br />

Teils des <strong>GWB</strong> zusätzliche Schwierigkeiten dann ergeben dürften, wenn die Differenz<br />

zwischen dem Kaufpreis und dem Wert des Grundstücks weniger als 5.27<strong>8.</strong>000,- € beträgt<br />

(VK Hessen, B. v. 05.03.2008 - Az.: 69 d VK 06/2008).<br />

E<strong>in</strong>e Gew<strong>in</strong>nerzielung ist nicht erforderlich. Das weite Verständnis von der Entgeltlichkeit<br />

soll die vergaberechtspflichtigen öffentlichen <strong>Aufträge</strong> nur von den vergabefreien<br />

Gefälligkeitsverhältnissen oder außerrechtlichen Beziehungen abzugrenzen (OLG Naumburg,<br />

B. v. 03.11.2005 - Az.: 1 Verg 9/05).<br />

Das Entgelt kann auch <strong>in</strong> Zuwendungen bei nicht kostendeckenden Verkehrsdienstleistungen<br />

bestehen (VK Düsseldorf, B. v. 1<strong>8.</strong>4.2002 - Az.: VK - 5/2002 - L).<br />

Entgeltlichkeit liegt auch dann vor, wenn der Vertragspartner des öffentlichen<br />

Auftraggebers h<strong>in</strong>sichtlich der Deckung se<strong>in</strong>er Kosten und Gew<strong>in</strong>nerzielung ke<strong>in</strong>erlei<br />

Risiko e<strong>in</strong>geht, da der von ihm zu erbr<strong>in</strong>genden Leistung (z. B. Conta<strong>in</strong>ergestellung,<br />

Sammlung, Transport, Behandlung der anfallenden Menge Altpapier) e<strong>in</strong> festes Entgelt<br />

gegenübersteht. Der Vertragspartner ist dann nicht darauf angewiesen, aus der Verwertung<br />

des Altpapiers se<strong>in</strong>e Kosten zu decken. Er kann lediglich durch e<strong>in</strong>e günstige Verwertung<br />

oberhalb des Markpreises e<strong>in</strong>en zusätzlichen Gew<strong>in</strong>n erzielen. Auch trägt er gegenüber dem<br />

Auftraggeber nicht das Risiko schwankender Marktpreise, sondern ist nur <strong>in</strong> dem Umfang zur<br />

Vergütung verpflichtet, wie e<strong>in</strong> positiver Marktpreis überhaupt besteht und weiterh<strong>in</strong> nur <strong>in</strong><br />

der Höhe des monatlich festzustellenden mittleren Marktpreises. Der Vertragspartner erstattet<br />

dem Auftragnehmer den mittleren Markpreis für das, was er aufgrund der von ihm vertraglich<br />

geschuldeten Verwertung - angenommen - erhält. E<strong>in</strong>e solche Weitergabe von Vorteilen, die<br />

im Rahmen der Vertragsdurchführung beim Auftragnehmer anfallen, an den<br />

Auftraggeber lassen die Entgeltlichkeit der Leistungserbr<strong>in</strong>gung nicht entfallen (VK<br />

Düsseldorf, B. v. 22.10.2003 - Az.: VK - 29/2003 - L).<br />

Nach der Lebenserfahrung kann nicht davon ausgegangen werden, dass beim Ankauf von<br />

Altpapier von e<strong>in</strong>em öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger die vom Käufer geschuldeten<br />

Entsorgungsdienstleistungen üblicherweise unentgeltlich zu erbr<strong>in</strong>gen s<strong>in</strong>d (OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 27.10.2004 - Az.: VII - Verg 41/04).<br />

Die Umstellung der Altpapierentsorgung von dem bisherigen Br<strong>in</strong>gsystem auf e<strong>in</strong><br />

Holsystem hat e<strong>in</strong>en ständigen Anfall großer Mengen von Altpapier auf e<strong>in</strong>er<br />

Umschlagsanlage zur Folge, die beg<strong>in</strong>nend mit e<strong>in</strong>er sukzessiven Entfernung von dort e<strong>in</strong>er<br />

geordneten Weiterverwendung zugeführt werden müssen. Dies erfordert Dienstleistungen<br />

im S<strong>in</strong>ne von <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 4 <strong>GWB</strong> (BGH, B. v. 01.02.2005 - Az.: X ZB 27/04).<br />

Bei e<strong>in</strong>em echten Erschließungsvertrag ist das Entgelt dar<strong>in</strong> zu sehen, dass die Geme<strong>in</strong>de<br />

im H<strong>in</strong>blick darauf, dass die Eigentümer als Erschließungsträger auftreten, auf e<strong>in</strong>e eigene<br />

Erschließung verzichtet und damit das Nichtentstehen der Beitragsschuld bewirkt (VK Baden-<br />

Württemberg, B. v. 20.6.2002 - Az.: 1 VK 27/02).


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Entgelt als geldwerter Vorteil kann auch e<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>ger Anschaffungspreis des Bieters se<strong>in</strong><br />

(z. B. für Altpapier), wenn der Preis, den der Bieter an den öffentlichen Auftraggeber zahlt,<br />

deutlich unter dem Marktwert des geldwerten Nutzens, den der Bieter zieht, liegt (OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 12.1.2004 - Az.: VII - Verg 71/03). Anderer Auffassung ist das OLG Celle<br />

(B. v. 01.07.2004 - Az.: 13 Verg 8/04): Die Wertschöpfung zwischen den<br />

Veredelungsstufen ist nicht dem Ausgangsmaterial, sondern der Tätigkeit des Bearbeiters<br />

zuzurechnen. <strong>Öffentliche</strong> <strong>Aufträge</strong> s<strong>in</strong>d nur entgeltliche Verträge, wobei sich aus der<br />

Richtl<strong>in</strong>ie 2004/18/EG ergibt, dass Grundlage für die Berechnung der Wert ist, den der<br />

Auftraggeber voraussichtlich zu zahlen hat (Art. 9 (1)), nicht der Wert, den der<br />

Auftragnehmer aus der Zahlung erlösen kann.<br />

Der BGH hat diese Streitfrage im S<strong>in</strong>ne des Oberlandesgerichts Düsseldorf entschieden.<br />

<strong>§</strong> <strong>99</strong> erfordert nicht, <strong>in</strong> Fällen, <strong>in</strong> denen die von dem Unternehmen übernommene (Dienst-<br />

)Leistung <strong>in</strong> der weiteren Behandlung e<strong>in</strong>es Gutes von Wert liegt und <strong>in</strong> denen der öffentliche<br />

Auftraggeber - wegen dieser Eigenschaft - e<strong>in</strong>e Bezahlung durch das Unternehmen erreichen<br />

kann, Entgeltlichkeit erst dann anzunehmen, wenn feststeht, dass und gegebenenfalls<br />

<strong>in</strong>wieweit bei der Höhe des von dem Unternehmen zu zahlenden Preises die Pflicht zur<br />

Erbr<strong>in</strong>gung der übernommenen (Dienst-)Leistung preism<strong>in</strong>dernd berücksichtigt<br />

worden ist (BGH, B. v. 01.02.2005 - Az.: X ZB 27/04).<br />

Für die Frage der Entgeltlichkeit im Rahmen e<strong>in</strong>er kommunalen Geme<strong>in</strong>schaftsarbeit ist<br />

es unerheblich, ob das Entgelt zunächst der Kooperationspartner<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>de gezahlt<br />

und von dieser an den tatsächlichen Leistungserbr<strong>in</strong>ger (z.B. e<strong>in</strong>e GmbH) weitergeleitet bzw.<br />

durch den Eigenbetrieb als E<strong>in</strong>nahme des tatsächlichen Leistungserbr<strong>in</strong>gers verbucht wird<br />

oder ob das Entgelt direkt an den tatsächlichen Leistungserbr<strong>in</strong>ger gezahlt wird. Partner<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er kommunalen Geme<strong>in</strong>schaftsarbeit kann nur e<strong>in</strong>e andere Geme<strong>in</strong>de selbst se<strong>in</strong>. Der<br />

tatsächliche Leistungserbr<strong>in</strong>ger kann daher nur im Auftrag der Kooperationspartner<strong>in</strong> deren<br />

Pflichten aus der Geme<strong>in</strong>schaftsarbeit erfüllen, nicht aber selbst als Kooperationspartner<strong>in</strong><br />

auftreten. Der tatsächliche Leistungserbr<strong>in</strong>ger ist Vertragspartner der Kooperationspartner<strong>in</strong><br />

und hat gegen diese und nicht gegen die Nachbargeme<strong>in</strong>de Anspruch auf das zu leistende<br />

Entgelt (VK Düsseldorf, Entscheidung vom 16.03.2004 - Az.: VK – 3/2004 – L).<br />

Im Rahmen e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>terkommunalen Zusammenarbeit kann das Entgelt u.a. <strong>in</strong> der<br />

Freistellung von f<strong>in</strong>anziellen Rücklageverpflichtungen als auch<br />

Kostenerstattungsregelungen und schließlich <strong>in</strong> der Befugnis zur Gebührenerhebung<br />

liegen. Diese bilden e<strong>in</strong>e geldwerte Gegenleistung für die vom Beigeladenen zu erbr<strong>in</strong>genden<br />

Abfallentsorgungsdienstleistungen. Dass die Gebühren von den Gebührenzahlern aufgebracht<br />

werden, ändert hieran nichts (OLG Naumburg, B. v. 03.11.2005 - Az.: 1 Verg 9/05).<br />

Die Bezeichnung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Vertrag als "Selbstkostenerstattung" steht der E<strong>in</strong>ordnung als<br />

"Entgelt" nicht entgegen (OLG Frankfurt, B. v. 07.09.2004 - Az.: 11 Verg 11/04 und<br />

12/04).<br />

Es kommt für das Vorliegen e<strong>in</strong>es öffentlichen Auftrags nicht darauf an, wie sich der<br />

Auftraggeber bzgl. e<strong>in</strong>es bestimmten Auftrags im E<strong>in</strong>zelnen ref<strong>in</strong>anziert und ob demnach e<strong>in</strong>e<br />

isolierte Verb<strong>in</strong>dlichkeit sich ausschließlich aus „zwangsweise e<strong>in</strong>getriebenen“<br />

öffentlichen Erträgen speist. Dann wären <strong>in</strong> weiten Teilen öffentlicher Dienstleistungen e<strong>in</strong>e<br />

vergaberechtliche Überprüfung und e<strong>in</strong> effektiver Bieterschutz quasi ausgeschlossen. Denn<br />

die Zulässigkeit e<strong>in</strong>es Nachprüfungsantrags ließe sich durch e<strong>in</strong>e entsprechende<br />

kalkulatorische Zuordnung der Vergabestelle für nahezu alle öffentlichen Betriebe


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ausschließen. In diesem S<strong>in</strong>ne kommen also auch die Betriebskosten im Rahmen der<br />

Bewirtschaftung von Wohnungen als Entgelt <strong>in</strong> Betracht (VK Berl<strong>in</strong>, B. v. 26.0<strong>8.</strong>2004 -<br />

VK - B 1 - 36/04).<br />

Hat der Auftragnehmer neben dem Entgelt, das er vom Auftraggeber erhält, noch die<br />

Möglichkeit, z.B. durch e<strong>in</strong>en zusätzlichen Elektrizitätsverkauf an Dritte weitere<br />

E<strong>in</strong>nahmen zu erzielen, reichen diese zusätzlichen E<strong>in</strong>nahmen nicht aus, um den<br />

Verträgen ihre E<strong>in</strong>stufung als öffentlicher Auftrag zu nehmen (EuGH, Urteil vom<br />

1<strong>8.</strong>07.2007 - Az.: C-382/05).<br />

Entgeltlichkeit liegt auch vor bei e<strong>in</strong>er Rahmenvere<strong>in</strong>barung über die Versorgung von<br />

gesetzlich krankenversicherten Personen mit wieder verwendbaren Hilfsmitteln. Dass<br />

die <strong>in</strong> dem Rahmenvertrag festgelegte Vergütungsverpflichtung nur dann entsteht, wenn e<strong>in</strong><br />

Versicherter e<strong>in</strong> wieder verwendbares Hilfsmittel bei e<strong>in</strong>em Leistungserbr<strong>in</strong>ger anfordert,<br />

ändert nichts am entgeltlichen Charakter des Rahmenvertrages. Die Leistung, die die<br />

gesetzliche Krankenkasse zu vergüten hat, besteht dar<strong>in</strong>, dass der Leistungserbr<strong>in</strong>ger die der<br />

Krankenkasse auf Grund des Sachleistungspr<strong>in</strong>zips obliegende Versorgung des<br />

Versicherten mit dem notwendigen Hilfsmittel <strong>in</strong> deren Auftrag durchführt. Die<br />

Vergütung ist damit die Gegenleistung dafür, dass der Leistungserbr<strong>in</strong>ger die Verpflichtung<br />

der Krankenkasse gegenüber dem Versicherten für diese erfüllt. Sie ergibt sich daher alle<strong>in</strong><br />

aus dem Vertragsverhältnis zwischen Krankenkasse und Leistungserbr<strong>in</strong>ger. Die<br />

Wahlfreiheit der Versicherten hat allenfalls E<strong>in</strong>fluss auf den Umfang der Geschäftstätigkeit<br />

zwischen der Krankenkasse und dem e<strong>in</strong>zelnen Leistungserbr<strong>in</strong>ger. Dagegen ändert sie<br />

nichts daran, dass die vertraglichen Beziehungen der Parteien entgeltlichen Charakter<br />

haben. Dies gilt nicht nur für die zu schließenden E<strong>in</strong>zelverträge, sondern – wie vorstehend<br />

ausgeführt – auch für den zugrunde liegenden Rahmenvertrag (1. VK Bund, B. v.<br />

14.09.2007 - Az.: VK 1 - 101/07; B. v. 31.0<strong>8.</strong>2007 - Az.: VK 1 - 92/07; B. v. 09.05.2007 -<br />

Az.: VK 1 - 26/07; im Ergebnis ebenso 2. VK Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 07.01.2008 -<br />

Az.: 2 VK 5/07).<br />

Entgeltlichkeit liegt auch vor bei e<strong>in</strong>er Vere<strong>in</strong>barung über den Abschluss von<br />

Rabattierungsverträgen über Medikamente gem. <strong>§</strong> 130a Abs. 8 SGB V. Die gesetzlichen<br />

Krankenkassen bevollmächtigen die zugelassenen Kassenärzte, zugunsten des Patienten und<br />

zulasten der Krankenkasse, Medikamente käuflich zu erwerben. Die Verträge kommen nicht<br />

direkt mit den Pharmaunternehmen zustande, da der Verkauf von Medikamenten<br />

gesetzlich grundsätzlich nur Apotheken gestattet ist. Die Apotheken ihrerseits erfüllen jedoch<br />

nicht den öffentlichen Zweck der Krankenkassen, die Versicherten zur Aufrechterhaltung von<br />

deren Gesundheit mit Medikamenten zu versorgen. Sie s<strong>in</strong>d lediglich die Abwicklungsstelle,<br />

derer sich die Kassen bedienen müssen. Die Beschaffungskette im vergaberechtlichen<br />

S<strong>in</strong>n wird durch die E<strong>in</strong>schaltung der Apotheken nicht unterbrochen, da es die<br />

Krankenkassen s<strong>in</strong>d, die - rechtlich gesehen – die Medikamente bei der Stelle kaufen,<br />

die alle<strong>in</strong> dazu berechtigt ist, jedoch <strong>in</strong> den hier zu beurteilenden Fällen die Preise nicht<br />

mit der Apotheke, sondern direkt mit den Herstellern aushandeln. Das vergaberechtlich<br />

relevante Marktgeschäft ist nicht das Umsatzgeschäft mit der Apotheke, sondern die<br />

kassenf<strong>in</strong>anzierte Abnahme e<strong>in</strong>es Medikamentes e<strong>in</strong>es bestimmten Herstellers (OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 20.02.2008 - Az.: VII - Verg 7/08; VK Düsseldorf, B. v. 31.10.2007 - Az.:<br />

VK - 31/2007 – L; im Ergebnis ebenso 2. VK Bund, B. v. 22.0<strong>8.</strong>2008 - Az.: VK 2 – 73/08; 3.<br />

VK Bund, B. v. 1<strong>8.</strong>02.2009 - Az.: VK 3 - 158/08; B. v. 23.01.2009 - Az.: VK 3 - 194/08).<br />

Der Annahme e<strong>in</strong>er Leistungserbr<strong>in</strong>gung gegen Entgelt steht auch nicht entgegen, wenn<br />

Vere<strong>in</strong>barungen über Rückvergütungen geschlossen werden sollen. Die Rückvergütung


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1054/5<br />

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Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

ist im Ergebnis e<strong>in</strong> Element des von den Kassen für das Medikament zu zahlenden<br />

Preises. Wenn e<strong>in</strong> Auftraggeber die Wirtschaftlichkeit e<strong>in</strong>er Beschaffung an e<strong>in</strong>em<br />

solchen Element festmacht, ist dies se<strong>in</strong>e Entscheidung, ändert aber nichts an der<br />

E<strong>in</strong>ordnung als öffentlicher Auftrag. Auch das Vorbr<strong>in</strong>gen der Krankenkassen, dass sie<br />

Medikamente „auf jeden Fall“ vergüten müssten und hier nur partiell e<strong>in</strong> Instrument der<br />

Kostensenkung e<strong>in</strong>führten, ändert nichts an dieser E<strong>in</strong>schätzung. In dem Umfang, <strong>in</strong> dem sie<br />

Rabattierungsverträge abschließen, wählen die Krankenkassen die Hersteller aus, deren<br />

Produkte – auch – aufgrund e<strong>in</strong>es Preiskriteriums – <strong>in</strong> den Apotheken verkauft werden und<br />

schließen <strong>in</strong> dem systembed<strong>in</strong>gten Umfang diejenigen Hersteller von den<br />

Umsatzgeschäften aus, mit denen ke<strong>in</strong>e Rabattierungsverträge geschlossen werden.<br />

Selbst wenn die Krankenkassen überhaupt ke<strong>in</strong>e Preisbestandteile, sondern andere Merkmale<br />

dem Wettbewerb unterwerfen würden, blieben sie diejenigen, die das Entgelt bewirken und es<br />

wäre allenfalls die Frage, ob die Bedeutungslosigkeit des Entgeltes vergaberechtskonform<br />

wäre (OLG Düsseldorf, B. v. 20.02.2008 - Az.: VII - Verg 7/08; VK Düsseldorf, B. v.<br />

31.10.2007 - Az.: VK - 31/2007 – L).<br />

Der Entgeltlichkeit e<strong>in</strong>es Vertrages steht nicht entgegen, dass die Entscheidung über den<br />

Abruf der jeweiligen Leistung – z.B. e<strong>in</strong>er besonderen ambulanten augenärztlichen<br />

Versorgung gemäß <strong>§</strong> 73 c SGB V - nicht von den Krankenkassen, sondern von den<br />

Versicherten getroffen wird, die die angebotene Versorgung <strong>in</strong> Anspruch nehmen können.<br />

Wegen der Freiheit der Versicherten, sich den Arzt selbst aussuchen zu können, wird <strong>in</strong> der<br />

Literatur angenommen, dass es an e<strong>in</strong>er def<strong>in</strong>itiven Entgeltzuordnung durch die<br />

Krankenkassen fehlt. E<strong>in</strong>e solche Zuordnung der Vergütung der auftraggebenden<br />

Krankenkasse erfordert <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 1 <strong>GWB</strong> nicht, weil die Vorschrift nicht von e<strong>in</strong>em<br />

Entgelt für die (Dienst-) Leistung spricht, sondern von e<strong>in</strong>em entgeltlichen Vertrag.<br />

Dafür reicht es aus, dass der Vertrag überhaupt e<strong>in</strong>e geldwerte Gegenleistung des<br />

öffentlichen Auftraggebers vorsieht. Das ist <strong>in</strong>soweit der Fall. Dem steht auch nicht die<br />

freie Wahl des Leistungserbr<strong>in</strong>gers durch die Versicherten entgegen. Die Wahlfreiheit geht<br />

nicht soweit, dass die Krankenkassen bei der Gesundheitsversorgung von dem<br />

Auswahlwillen der Versicherten abhängig s<strong>in</strong>d. Sie hat deshalb nur e<strong>in</strong>en subsidiären<br />

Charakter. E<strong>in</strong>e Durchbrechung des Grundsatzes, dass die Krankenkassen die<br />

Leistungserbr<strong>in</strong>ger auswählen und die Verträge schließen, folgt daraus nicht (VK<br />

Brandenburg, B. v. 09.02.2009 - Az. VK 5/09; B. v. 09.02.2009 - Az.: VK 4/09).<br />

Es handelt sich auch dann um e<strong>in</strong>en Auftrag <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es Lieferauftrags, wenn der Bieter<br />

im Falle der Auftragserteilung verpflichtet wird, die Versicherten des Auftraggebers, also<br />

Dritte, mit Anti-Dekubitus-Matratzen zu versorgen und wenn Dienstleistungen, wie z.B.<br />

die hygienische Aufbereitung, h<strong>in</strong>zukommen und diese nicht überwiegen. Ebenso ist nicht<br />

von Bedeutung, dass die Lieferungen nicht unmittelbar durch den Auftraggeber, sondern – auf<br />

dessen unmittelbare oder mittelbare Veranlassung durch Vertragsärzte – im abgekürzten<br />

Lieferwegesystem an die Versicherten erfolgen (VK Hessen, B. v. 21.04.2008 - Az.: 69 d<br />

VK - 15/2008).<br />

Entrichten öffentliche Auftraggeber für ihre Mitgliedschaft bei e<strong>in</strong>er<br />

Versicherungsgesellschaft <strong>in</strong> der Rechtsform e<strong>in</strong>es Versicherungsvere<strong>in</strong>s auf<br />

Gegenseitigkeit und damit für die Erlangung von Versicherungsschutz Beiträge, handelt<br />

es sich um e<strong>in</strong>en entgeltlichen Vertrag. Unerheblich ist dabei, dass die Mitgliedschaft<br />

aufgrund ihrer auch vere<strong>in</strong>srechtlichen Bedeutung ke<strong>in</strong> typischer zweiseitiger<br />

Austauschvertrag ist. Unterscheiden sich die von e<strong>in</strong>er Versicherung <strong>in</strong> der Rechtsform e<strong>in</strong>es<br />

Versicherungsvere<strong>in</strong>s auf Gegenseitigkeit im Wettbewerb angebotenen<br />

Versicherungsleistungen nicht von denjenigen <strong>in</strong> anderer Rechtsform organisierter


1055<br />

1056<br />

1057<br />

1058<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Versicherungsunternehmen, kommt es wegen der andernfalls bestehenden<br />

Umgehungsgefahren nicht <strong>in</strong> Betracht, e<strong>in</strong>em Unternehmen durch die Wahl der Rechtsform<br />

e<strong>in</strong>es Versicherungsvere<strong>in</strong>s auf Gegenseitigkeit zu ermöglichen, öffentlichen Auftraggebern<br />

ohne Ausschreibung Versicherungsschutz zu gewähren (BGH, B. v. 03.07.2008 - Az.: I ZR<br />

145/05).<br />

<strong>8.</strong>1.7.2 Sponsor<strong>in</strong>gverträge<br />

Die Rechtsprechung hat sich bisher noch nicht mit Sponsor<strong>in</strong>gverträgen befasst, bei<br />

denen e<strong>in</strong> öffentlicher Auftraggeber e<strong>in</strong>e private F<strong>in</strong>anzierung sucht, ohne als Gegenwert<br />

e<strong>in</strong>en materiellen Vermögenswert für die Leistung des Sponsors zu bewirken; die<br />

Gegenleistung besteht <strong>in</strong> der Regel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em immateriellen Vorteil für den Sponsor, z.B. als<br />

Sponsor für Polizeiuniformen genannt zu werden. Die Literatur sieht <strong>in</strong> solchen Verträgen<br />

mangels Entgeltlichkeit ke<strong>in</strong>en Fall des <strong>Vergaberecht</strong>s (Burgi, NZBau, 5<strong>99</strong>).<br />

<strong>8.</strong>1.7.3 Literatur<br />

• Burgi, Mart<strong>in</strong>, Verwaltungssponsor<strong>in</strong>g und Kartellvergaberecht, NZBau 2004, 594<br />

• Kasper, Andreas, Sponsor<strong>in</strong>g und <strong>Vergaberecht</strong>, DÖV 2005, 11<br />

<strong>8.</strong>1.8 Beschaffungsbezug<br />

<strong>8.</strong>1.<strong>8.</strong>1 Allgeme<strong>in</strong>es<br />

Verträge nach <strong>§</strong> <strong>99</strong> müssen Liefer-, Bau-, Dienstleistungen oder Auslobungen, die zu<br />

Dienstleistungsaufträgen führen sollen, zum Gegenstand haben. Der Auftraggeber muss auf<br />

Seiten der Güternachfrage auftreten; der Vertrag muss grundsätzlich se<strong>in</strong>en<br />

Beschaffungszwecken dienen (OLG Düsseldorf, B. v. 2<strong>8.</strong>04.2004 - Az.: VII - Verg 2/04;<br />

BayObLG, B. v. 21.2.2002 - Az.: Verg 1/02, B. v. 27.2.2003 - Az.: Verg 01/03). Letztere<br />

Voraussetzung hat das OLG Düsseldorf <strong>in</strong>zwischen aufgegeben; vgl. die Kommentierung<br />

RZ 1084/1.<br />

Dieser Beschaffungsbezug liegt nicht vor bei<br />

• e<strong>in</strong>em unmittelbaren Verkauf von kommunalem Altpapier (sortiert oder unsortiert)<br />

direkt an e<strong>in</strong>e Papierfabrik (VK Arnsberg, B. v. 17.06.2004 - Az.: VK 2 - 06/2004)<br />

• der Befriedigung e<strong>in</strong>es aus dem privatwirtschaftlichen Entsorgungsvertrag mit<br />

DSD abgeleiteten (und so betrachtet: fremden) Beschaffungsbedarfs e<strong>in</strong>es<br />

öffentlichen Auftraggebers<br />

• der Veräußerung von Verwaltungsvermögen, z. B. dem Verkauf von Grundstücken,<br />

Dienstfahrzeugen o.ä. (2. VK Brandenburg, B. v. 15.02.2008 - Az.: VK 2/08; 2. VK<br />

Bund, B. v. 24.07.2007 - Az.: VK 2 - 69/07),<br />

• der E<strong>in</strong>räumung des Rechts an e<strong>in</strong>en Unternehmer zur Aufstellung und<br />

Bewirtschaftung von Werbeträgern auf öffentlichem Grund gegen e<strong>in</strong>e vom


1059<br />

1059/1<br />

1059/2<br />

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Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Unternehmer an die Stadt zu zahlende Pacht (BayObLG, B. v. 21.2.2002 - Az.: Verg<br />

1/02).<br />

Anders kann dies aber se<strong>in</strong>, wenn die Veräußerung oder Überlassung Element e<strong>in</strong>es<br />

e<strong>in</strong>heitlichen Vorgangs ist, der e<strong>in</strong>en beschaffungsrechtlichen Bezug hat (BayObLG, B. v.<br />

27.2.2003 - Az.: Verg 01/03). Denn <strong>§</strong> <strong>99</strong> <strong>GWB</strong> schließt nicht Veräußerungsgeschäfte der<br />

öffentlichen Hand von der Anwendung der Vorschriften des Vierten Teils des Gesetzes gegen<br />

Wettbewerbsbeschränkungen aus. E<strong>in</strong> Veräußerungsgeschäft kann lediglich als solches die<br />

Anwendbarkeit dieser Vorschriften nicht begründen. Ist es h<strong>in</strong>gegen Mittel zur Beschaffung<br />

e<strong>in</strong>er Leistung, ist der kaufrechtliche Aspekt des öffentlichen Auftrags ohne Bedeutung.<br />

Das entspricht auch dem Zweck des <strong>in</strong> <strong>§</strong><strong>§</strong> 97 ff. <strong>GWB</strong> geregelten <strong>Vergaberecht</strong>s. Denn auf<br />

diese Weise wird e<strong>in</strong>e vollständige Erfassung aller Beschaffungsvorgänge erreicht, die für den<br />

öffentlichen Auftraggeber mit geldwertem Aufwand verbunden s<strong>in</strong>d (BGH, B. v. 01.02.2005 -<br />

Az.: X ZB 27/04; 2. VK Brandenburg, B. v. 15.02.2008 - Az.: VK 2/08).<br />

Verfolgt der öffentliche Auftraggeber mit der Veräußerung von Masch<strong>in</strong>en also z.B.<br />

zugleich den Zweck, se<strong>in</strong>e Grundstücke, auf denen sich die Masch<strong>in</strong>en befanden,<br />

ordnungsgemäß beräumt zu erhalten und sich im Wege der Veräußerung eigene<br />

Demontage-, Transport- und Entsorgungsaktivitäten zu ersparen, ist e<strong>in</strong><br />

beschaffungsrechtlicher Bezug der Ausschreibung nicht von der Hand zu weisen. Auch<br />

wenn der wirtschaftliche Schwerpunkt nicht bei der Beschaffung der Demontageleistungen,<br />

sondern bei der Verwertung der Masch<strong>in</strong>en liegt, braucht das Beschaffungselement nicht<br />

den Schwerpunkt der Ausschreibung zu bilden, vielmehr genügt es, wenn der<br />

beschaffungsrechtliche Aspekt nicht von völlig untergeordneter Natur ist. Bildet jedoch das<br />

Beschaffungselement nur die Kehrseite der Veräußerung und gestaltet der Auftraggeber mit<br />

den Verpflichtungen h<strong>in</strong>sichtlich der Demontage und des Abtransports die<br />

Abnahmeverpflichtung des Käufers der Masch<strong>in</strong>en lediglich näher aus, ersche<strong>in</strong>t es fraglich,<br />

ob solche Leistungen des Verkäufers, die der nicht dem <strong>Vergaberecht</strong> unterliegenden<br />

Verwertung des Vermögens gleichsam immanent s<strong>in</strong>d, dem Veräußerungsgeschäft zugleich<br />

den Charakter e<strong>in</strong>er Beschaffungstätigkeit verleihen können. Für diese Möglichkeit spricht,<br />

dass der Auftraggeber grundsätzlich die Alternative hat, die Masch<strong>in</strong>en selbst<br />

abzubauen und zu transportieren oder e<strong>in</strong>en Dienstleister alle<strong>in</strong> hiermit zu betrauen,<br />

um auf diese Weise e<strong>in</strong>en höheren Verkaufspreis zu erzielen. Wenn er sich demgegenüber<br />

dafür entscheidet, e<strong>in</strong>e Holschuld des Käufers zu begründen, so liegt hier<strong>in</strong> zugleich die<br />

Entscheidung, den eigenen Demontage- und Transportbedarf <strong>in</strong> bestimmter Weise – durch<br />

e<strong>in</strong>e entsprechende Leistung des Käufers - zu decken. Die 2. Vergabekammer des Bundes<br />

neigt deshalb dazu, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em solchen Fall e<strong>in</strong>en h<strong>in</strong>reichenden Beschaffungscharakter<br />

der Ausschreibung zu bejahen (2. VK Bund, B. v. 24.07.2007 - Az.: VK 2 - 69/07).<br />

Vgl. <strong>in</strong>soweit auch die Kommentierung RZ 1094/1.<br />

<strong>8.</strong>1.<strong>8.</strong>2 Sonderfall: isolierte Veräußerung von Gesellschaftsanteilen bzw.<br />

Gesellschaftsgründung<br />

<strong>8.</strong>1.<strong>8.</strong>2.1 Rechtsprechung<br />

E<strong>in</strong>e bloße Veräußerung von Gesellschaftsanteilen hat per se ebenfalls ke<strong>in</strong>en<br />

beschaffungswirtschaftlichen Bezug und unterliegt daher grundsätzlich nicht dem


1061<br />

1062<br />

1062/1<br />

1063<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

<strong>Vergaberecht</strong> (OLG Brandenburg, B. v. 3.<strong>8.</strong>2001 - Az.: Verg 3/01; 1. VK Sachsen, B. v.<br />

29.12.2004 - Az.: 1/SVK/123-04; VK Lüneburg, B. v. 05.11.2004 - Az.: 203-VgK-48/2004;<br />

B. v. 26.4.2002 - Az.: 203-VgK-06/2002; VK Brandenburg, B. v. 30.0<strong>8.</strong>2004 - Az.: VK<br />

34/04).<br />

E<strong>in</strong>erseits geht mit der E<strong>in</strong>beziehung e<strong>in</strong>es privaten Betriebes <strong>in</strong> e<strong>in</strong> zum Teil von der<br />

öffentlichen Hand gehaltenes Unternehmen lediglich der Erwerb künftiger<br />

Gew<strong>in</strong>nchancen e<strong>in</strong>her, was noch ke<strong>in</strong> konkreter entgeltlicher Gegenwert ist. Zum anderen<br />

ist der E<strong>in</strong>tritt selbst noch ke<strong>in</strong>e Leistung, die für den Auftraggeber erbracht wird. Dieser<br />

verkauft vielmehr etwas, nämlich Geschäftsanteile e<strong>in</strong>es bestehenden oder zu gründenden<br />

Unternehmens (VK Brandenburg, B. v. 30.0<strong>8.</strong>2004 - Az.: VK 34/04; B. v. 17.9.2002 - Az.:<br />

VK 50/02).<br />

Ke<strong>in</strong>e Rolle spielt vergaberechtlich <strong>in</strong> diesem Zusammenhang der Aspekt, die Suche nach<br />

privaten Mitgesellschaftern könne auf Grund des privaten bzw. persönlichen und<br />

zwischenmenschlichen E<strong>in</strong>schlages e<strong>in</strong>er Gesellschafterstellung <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em Falle den<br />

Vergabevorschriften unterworfen werden. Denn <strong>in</strong> solchen Fällen kommt es dem<br />

Auftraggeber bei der Auswahl des privaten Bieters <strong>in</strong> aller Regel nicht auf die persönliche<br />

Zuverlässigkeit und das <strong>in</strong>dividuelle Engagement der auf Bieterseite handelnden natürlichen<br />

Personen an, die im Laufe der Zeit ausgewechselt werden können, sondern auf die nach<br />

objektiven Kriterien zu beurteilende Eignung des Bieters, also <strong>in</strong>sbesondere auf se<strong>in</strong>e<br />

f<strong>in</strong>anzielle Potenz sowie se<strong>in</strong> Know-how im H<strong>in</strong>blick auf den vere<strong>in</strong>barten<br />

Gesellschaftszweck. Über die Auswahl e<strong>in</strong>es privaten Investors als Mitgesellschafter wird<br />

also <strong>in</strong> der Regel nach den gleichen Kriterien wie über die Auswahl e<strong>in</strong>es Vertragspartners für<br />

Beschaffungsverträge entschieden werden (OLG Brandenburg, B. v. 3.<strong>8.</strong>2001 - Az.: Verg<br />

3/01).<br />

Auch die Gründung e<strong>in</strong>er gemischtwirtschaftlichen Gesellschaft im Rahmen e<strong>in</strong>er ÖPP<br />

selbst stellt grundsätzlich nicht e<strong>in</strong>en vergaberechtlich relevanten Sachverhalt dar (VK<br />

Thür<strong>in</strong>gen, B. v. 23.02.2007 - Az.: 360-4003.20-62/2007-001-G).<br />

<strong>8.</strong>1.<strong>8.</strong>2.2 Literatur<br />

• Braun, Christian, Ausschreibungspflichtigkeit des Verkaufs von Gesellschaftsanteilen,<br />

VergabeR 2006, 657<br />

• Dietle<strong>in</strong>, Johannes, Anteils- und Grundstücksveräußerungen als Herausforderung für<br />

das <strong>Vergaberecht</strong>, NZBau 2004, 472<br />

• Drugemöller, Albert / Conrad, Sebastian, Anteilsverkauf und De-facto-Vergabe<br />

öffentlicher <strong>Aufträge</strong>, ZfBR 7/2008, 651<br />

• Kle<strong>in</strong>, Sebastian, Veräußerung öffentlicher Unternehmen und <strong>Vergaberecht</strong>,<br />

Dissertation, Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, 2004<br />

• Kle<strong>in</strong>, Sebastian, Veräußerung öffentlichen Anteils- und Grundstücksvermögens nach<br />

dem <strong>Vergaberecht</strong>, VergabeR 2005, 22<br />

• Prieß, Hans-Joachim / Gabriel, Marc, M&A- Verfahrensrecht – EG-rechtliche<br />

Verfahrensvorgaben bei staatlichen Beteiligungsveräußerungen, NZBau 2007, 617<br />

• Schabbeck, Jan, <strong>Vergaberecht</strong>liche Probleme bei Outsourc<strong>in</strong>g-Prozessen, VergabeR<br />

2006, 679<br />

• Schimanek, Peter, Die Ausschreibungspflicht von Privatisierungen, NZBau 2005, 304


1064<br />

1064/1<br />

1065<br />

1066<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

<strong>8.</strong>1.<strong>8.</strong>3 Sonderfall: ausschreibungspflichtige Veräußerung von<br />

Gesellschaftsanteilen bzw. Gesellschaftsgründung<br />

<strong>8.</strong>1.<strong>8.</strong>3.1 Rechtsprechung<br />

Die Beteiligung e<strong>in</strong>es Privatunternehmens an e<strong>in</strong>em gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen<br />

ist ausschreibungspflichtig, wenn e<strong>in</strong> Bezug zur Beschaffung von Leistungen durch e<strong>in</strong>en<br />

an diesem Unternehmen beteiligten öffentlichen Auftraggeber besteht. Das ist der Fall, wenn<br />

e<strong>in</strong> gemischt-wirtschaftliches Unternehmen zu dem Zweck gegründet wird, Leistungen für<br />

den öffentlichen Auftraggeber zu erbr<strong>in</strong>gen (VK Thür<strong>in</strong>gen, B. v. 23.02.2007 - Az.: 360-<br />

4003.20-62/2007-001-G; B. v. 17.02.2006 - Az.: 360-4003.20-001/06-G-S; 1. VK Sachsen, B.<br />

v. 29.12.2004 - Az.: 1/SVK/123-04; VK Lüneburg, B. v. 05.11.2004 - Az.: 203-VgK-<br />

48/2004; VK Brandenburg, B. v. 30.0<strong>8.</strong>2004 - Az.: VK 34/04; B. v. 17.9.2002 - Az.: VK<br />

50/02).<br />

Das ist auch dann der Fall, wenn e<strong>in</strong> gemischt-wirtschaftliches Unternehmen zu dem<br />

Zweck gegründet wird, Leistungen für die Gesellschaft selbst zu erbr<strong>in</strong>gen und die<br />

Gesellschaft noch zu gründen ist. Voraussetzung ist die soweit konkretisierte Absicht, dass<br />

entsprechende Leistungsvere<strong>in</strong>barungen mit Entgeltangeboten Teil des vorliegenden<br />

Vertragswerkes s<strong>in</strong>d und e<strong>in</strong>e nochmalige Ansprache des Marktes auf jeden Fall nicht<br />

vorgesehen ist, also mit der Auswahl des Kooperationspartners für die zu gründende<br />

Handelsgesellschaft abschließend auch über Art und Umfang von dessen Beauftragung<br />

entschieden wird. Als Auftraggeber im vergaberechtlichen S<strong>in</strong>n ist die ausschreibende Stelle<br />

zu betrachten, wenn sie, nicht die Geschäftsführung der noch zu gründenden Gesellschaft, den<br />

Bezug von Dienstleistungen vom künftigen Partner anstrebt und darüber entscheidet. Auch<br />

wenn die Dienstleistungen nicht gegenüber der ausschreibenden Stelle selbst zu erbr<strong>in</strong>gen<br />

s<strong>in</strong>d, hat sie diese Dienstleistungen abschließend <strong>in</strong> die Leistungsbeschreibung aufgenommen;<br />

für die zu gründende Gesellschaft besteht ke<strong>in</strong> Spielraum, <strong>in</strong>nerhalb des vorliegenden<br />

Wettbewerbes auf die entsprechenden vertraglichen Vere<strong>in</strong>barungen bereits E<strong>in</strong>fluss zu<br />

nehmen. Damit ist die ausschreibende Stelle nach materiellem Verständnis der Auftraggeber<br />

im vergaberechtlichen S<strong>in</strong>n und es kann dah<strong>in</strong>stehen, ob der künftige Bezieher der Leistung,<br />

die zu gründende geme<strong>in</strong>same Gesellschaft, se<strong>in</strong>erseits als öffentlicher Auftraggeber<br />

anzusehen ist (OLG Düsseldorf, B. v. 21.11.2007 - Az.: Verg 32/07; VK Düsseldorf, B. v.<br />

24.0<strong>8.</strong>2007 - Az.: VK - 24/2007 – L).<br />

Dem <strong>Vergaberecht</strong> unterliegt die Suche e<strong>in</strong>er kommunalen Körperschaft nach e<strong>in</strong>em privaten<br />

Mitgesellschafter über die haushaltsrechtlichen Pflichten h<strong>in</strong>aus dem europäischen<br />

<strong>Vergaberecht</strong> und der VOL/A jedenfalls dann, wenn der öffentliche Auftraggeber die Suche<br />

des Mitgesellschafters mit der Vergabe der künftigen Betriebsführung und damit e<strong>in</strong>er<br />

Dienstleistung verb<strong>in</strong>det, sofern diese Betriebsführung - oder e<strong>in</strong> Managementvertrag -<br />

selbst bereits den Schwellenwert für den Anwendungsbereich des Vierten Teils des <strong>GWB</strong><br />

gem. <strong>§</strong> 100 Abs. 1 <strong>GWB</strong> überschreitet (VK Düsseldorf, B. v. 14.05.2004 - Az.: VK - 7/2004 -<br />

L/VK- 8/2004 – L; VK Lüneburg, B. v. 26.4.2002 - Az.: 203-VgK-06/2002).<br />

Um e<strong>in</strong>en Dienstleistungsauftrag nach <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 4 <strong>GWB</strong> handelt es sich bei der Vergabe<br />

e<strong>in</strong>es Abwasserentsorgungsvertrages über 25 Jahre, wenn das teilweise (49%) dabei mit zu<br />

privatisierende Tochterunternehmen der abwasserentsorgungspflichtigen<br />

Gebietskörperschaft das Nutzungsentgelt ausdrücklich für die Gebietskörperschaft


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Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

e<strong>in</strong>zieht und von dieser e<strong>in</strong> eigenes Entgelt nach dem Abwasserentsorgungsvertrag<br />

erhält. Dies gilt auch dann, wenn perspektivisch e<strong>in</strong> Konzessionsmodell angedacht se<strong>in</strong><br />

sollte, aber zunächst auch e<strong>in</strong> Dienstleistungsauftrag im eben beschriebenen S<strong>in</strong>ne betroffen<br />

ist (1. VK Sachsen, B. v. 29.2.2004 - Az.: 1/SVK/157-03).<br />

Ausschreibungspflichtig ist ebenfalls die Anteilsübertragung gekoppelt mit der Vergabe<br />

e<strong>in</strong>es dem neu e<strong>in</strong>tretenden Gesellschafter zugute kommenden beschaffungsrechtlichen<br />

öffentlichen Auftrags im S<strong>in</strong>ne des <strong>§</strong> <strong>99</strong> <strong>GWB</strong> sowie e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>direkte Beteiligung des neu<br />

e<strong>in</strong>tretenden Gesellschafters durch den Vertrag an e<strong>in</strong>em öffentlichen Auftrag, welcher der<br />

Tochtergesellschaft des öffentlichen Auftraggebers zu e<strong>in</strong>em früheren Zeitpunkt langfristig<br />

erteilt worden war (OLG Brandenburg, B. v. 3.<strong>8.</strong>2001 - Az.: Verg 3/01) bzw. wenn Ziel der<br />

Ausschreibung nicht nur die entgeltliche Veräußerung von Geschäftsanteilen ist, sondern<br />

es dem Auftraggeber darüber h<strong>in</strong>aus - auch und vor allem - um die Suche nach e<strong>in</strong>em<br />

Geschäftspartner geht, der als (künftiger) Anteilseigner für die Dauer von z.B. 20 Jahren<br />

vielfältige Leistungen auf dem Gebiet der Abfallentsorgung erbr<strong>in</strong>gen soll (VK<br />

Thür<strong>in</strong>gen, B. v. 17.02.2006 - Az.: 360-4003.20-001/06-G-S; VK Schleswig-Holste<strong>in</strong>, B. v.<br />

17.0<strong>8.</strong>2004 - Az.: VK-SH 20/04).<br />

Handelt es sich bei den ausgeschriebenen Leistungen z.B. um die Vergabe e<strong>in</strong>er<br />

M<strong>in</strong>derheitsbeteiligung an der künftigen Kl<strong>in</strong>ikum-Service GmbH und damit um e<strong>in</strong>e<br />

Kooperation im Rahmen e<strong>in</strong>er Public Private Partnership (PPP), unterliegen derartige<br />

Kooperationsmodelle stets dann dem <strong>Vergaberecht</strong>, wenn die Vergabe an der Beteiligung<br />

nicht nur der Kapitalbeschaffung dient und sich dementsprechend nicht nur <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Kapitale<strong>in</strong>lage des künftigen privaten Gesellschafters erschöpft, sondern zugleich mit der<br />

Vergabe von Dienstleistungen an den privaten Gesellschafter e<strong>in</strong>hergeht. Ist also z.B.<br />

Gegenstand der Servicegesellschaft die Erbr<strong>in</strong>gung von <strong>in</strong>frastrukturellen<br />

Dienstleistungen wie Gebäudeunterhaltungsre<strong>in</strong>igung, Hol- und Br<strong>in</strong>gedienste,<br />

Speisenversorgung und Hausmeisterleistungen, wobei die Auftraggeber<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e spätere<br />

Ausweitung auf sonstige Dienstleistungen ausdrücklich nicht ausgeschlossen hat, ist die<br />

Suche des Mitgesellschafters als Dienstleistungsauftrag im S<strong>in</strong>ne des <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 1 und Abs. 4<br />

<strong>GWB</strong> ausschreibungspflichtig (VK Lüneburg, B. v. 05.11.2004 - Az.: 203-VgK-48/2004).<br />

<strong>8.</strong>1.<strong>8.</strong>3.2 Literatur<br />

• Behr, Volker, Zur vergaberechtlichen Relevanz von Privatisierungen, VergabeR 2009,<br />

136<br />

• Braun, Christian, Ausschreibungspflichtigkeit des Verkaufs von Gesellschaftsanteilen,<br />

VergabeR 2006, 657<br />

• Dietle<strong>in</strong>, Johannes, Anteils- und Grundstücksveräußerungen als Herausforderung für<br />

das <strong>Vergaberecht</strong>, NZBau 2004, 472<br />

• Drugemöller, Albert / Conrad, Sebastian, Anteilsverkauf und De-facto-Vergabe<br />

öffentlicher <strong>Aufträge</strong>, ZfBR 7/2008, 651<br />

• Jasper, Ute / Arnold, Hans, "E<strong>in</strong>e künstliche Konstruktion" - EuGH zu<br />

Anteilsverkäufen und Ausschreibungspflicht, Behörden Spiegel Januar 2006, 18<br />

• Prieß, Hans-Joachim / Gabriel, Marc, M&A- Verfahrensrecht – EG-rechtliche<br />

Verfahrensvorgaben bei staatlichen Beteiligungsveräußerungen, NZBau 2007, 617<br />

• Schimanek, Peter, Die Ausschreibungspflicht von Privatisierungen, NZBau 2005, 304


1070<br />

1071<br />

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<strong>8.</strong>1.<strong>8.</strong>4 Verwertung von Altpapier (PPK-Fraktion)<br />

<strong>8.</strong>1.<strong>8.</strong>4.1 Anwendung des <strong>Vergaberecht</strong>s<br />

Bei der Befriedigung e<strong>in</strong>es aus dem privatwirtschaftlichen Entsorgungsvertrag mit DSD<br />

abgeleiteten (und so betrachtet: fremden) Beschaffungsbedarfs e<strong>in</strong>es öffentlichen<br />

Auftraggebers – auch im Wege e<strong>in</strong>er Ausschreibung – fehlt es an e<strong>in</strong>em Beschaffungsbezug;<br />

das <strong>Vergaberecht</strong> f<strong>in</strong>det ke<strong>in</strong>e Anwendung (OLG Düsseldorf, B. v. 2<strong>8.</strong>04.2004 - Az.: VII -<br />

Verg 2/04; VK Südbayern, B. v. 15.12.2003 - Az.: 120.3-3194.1-56-11/03).<br />

Dagegen ist das <strong>Vergaberecht</strong> auf die Ausschreibung der Entsorgung der orig<strong>in</strong>är<br />

kommunalen PPK-Fraktion (ohne „Grünen Punkt“) anzuwenden.<br />

Für die Beurteilung, ob e<strong>in</strong> Dienstleistungsauftrag i.S.v. <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 4 <strong>GWB</strong> vorliegt, ist nicht<br />

maßgeblich, dass die Vergabestelle hierbei dem Auftragnehmer e<strong>in</strong> geldwertes Gut überlässt<br />

und dadurch e<strong>in</strong>e Bezahlung durch den Auftragnehmer erreichen kann. Wesentlich ist, dass<br />

die Leistungen, die der Unternehmer erbr<strong>in</strong>gt, um e<strong>in</strong>e ordnungsgemäße<br />

Abfallentsorgung zu gewährleisten, untrennbar mit den kaufvertraglichen<br />

Komponenten verbunden s<strong>in</strong>d. Hierbei handelt es sich um e<strong>in</strong>e entgeltliche<br />

Dienstleistung, die dem <strong>Vergaberecht</strong> grundsätzlich unterliegt. Die Altpapierverwertung<br />

und die Veräußerung von Altpapier stellen nicht zwei vone<strong>in</strong>ander trennbare<br />

Leistungsaustauschgeschäfte dar. Aus vergaberechtlicher Sicht ist der Verkauf des<br />

Altpapiers das rechtliche Gewand, <strong>in</strong> dem sich die Vergabestelle die Leistungen<br />

beschafft, die die ihr obliegende geordnete Altpapierverwertung nach Maßgabe von <strong>§</strong> 4<br />

Abs. 1 KrW-/AbfG sicherstellen oder zum<strong>in</strong>dest fördern sollen (VK Nordbayern, B. v.<br />

09.09.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 42/08).<br />

<strong>8.</strong>1.<strong>8.</strong>4.2 Geme<strong>in</strong>same Ausschreibung der gesamten PPK-Fraktion<br />

Nach Auffassung des Bundeskartellamts (B. v. 06.05.2004 - Az.: B 10 – 37202 – N – 97/02 –<br />

1) ist e<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>same Ausschreibung der gesamten PPK-Menge mit B<strong>in</strong>dungswirkung<br />

für DSD und andere duale Systeme <strong>in</strong> der Form, dass e<strong>in</strong>e Kommune die Ausschreibung<br />

durchführt und der Systembetreiber entweder im Voraus se<strong>in</strong>e Bereitschaft erklärt, das<br />

Ausschreibungsergebnis für und gegen sich gelten zu lassen, oder nachträglich se<strong>in</strong><br />

E<strong>in</strong>vernehmen mit den im Rahmen der Ausschreibung festgelegten Konditionen erteilt,<br />

nicht zulässig, da den Kommunen mit dem Erlass der Verpackungsverordnung die<br />

Zuständigkeit für die Entsorgung e<strong>in</strong>es Teils dieser Menge, nämlich für gebrauchte<br />

Verkaufsverpackungen, entzogen und auf die Privatwirtschaft übertragen worden ist. Sie s<strong>in</strong>d<br />

mith<strong>in</strong> gar nicht befugt, auch diese Teilmenge mit Wirkung für den privaten Systembetreiber<br />

auszuschreiben. Die <strong>in</strong>soweit geltenden Konditionen s<strong>in</strong>d vielmehr zwischen dem privaten<br />

Systembetreiber und dem jeweiligen Entsorger <strong>in</strong>dividuell auszuhandeln. Darüber h<strong>in</strong>aus s<strong>in</strong>d<br />

entgegen der Auffassung der kommunalen Spitzenverbände auch Ausschreibungsvarianten<br />

denkbar, die e<strong>in</strong>e solche <strong>in</strong>dividuelle Aushandlung <strong>in</strong> vergaberechtlich zulässiger Form<br />

ermöglichen.<br />

Diese Auffassung hat das OLG Düsseldorf bestätigt (B. v. 2<strong>8.</strong>04.2004 - Az.: VII - Verg<br />

2/04).


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Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

<strong>8.</strong>1.<strong>8.</strong>4.3 Entsorgung als Dienstleistungsauftrag<br />

Kann e<strong>in</strong> öffentlicher Auftraggeber die ihm als Entsorgungsträger gemäß <strong>§</strong><strong>§</strong> 15, 17, 18 KrW-<br />

/AbfG auferlegten Aufgaben nicht alle<strong>in</strong> durch den Verkauf der PPK-Fraktion (Papier,<br />

Pappe und Kartonagen) an Dritte erfüllen, bleibt er vielmehr Entsorgungsträger, weil er<br />

die Entsorgungspflicht <strong>in</strong>soweit nicht gemäß <strong>§</strong> 16 Abs. 2 KrW-/AbfG übertragen hat, hat er<br />

deshalb e<strong>in</strong> erhebliches Interesse daran sicherzustellen, dass der Dritte das Altpapier<br />

entsprechend den abfallrechtlichen Bestimmungen der beabsichtigten Verwertung zuführt.<br />

Mit der Veräußerung des Altpapiers ist der Verwertungsvorgang noch nicht<br />

abgeschlossen. Der Verwertungserfolg ist dadurch noch nicht e<strong>in</strong>getreten. Der öffentlichrechtliche<br />

Entsorgungsträger hat die ihm obliegenden Pflichten erst erfüllt, wenn die<br />

Verwertung des Abfalls abgeschlossen und damit die Abfalleigenschaft e<strong>in</strong>es Stoffes beendet<br />

ist. Da auch die Verwertung von Abfällen Teil des Wirtschaftsgeschehens ist, schließt der<br />

bloße Umstand, dass Stoffe Gegenstand e<strong>in</strong>es Rechtsgeschäfts se<strong>in</strong> können, deren<br />

Abfalleigenschaft nicht aus. Ob auf dem Weg zu dem Verwertungserfolg<br />

Veräußerungsgeschäfte stattf<strong>in</strong>den, ist deshalb grundsätzlich ohne Belang. Diese Erwägungen<br />

sprechen dafür, dass zwischen dem Auftraggeber und dem Dritten ke<strong>in</strong> Kaufvertrag im<br />

S<strong>in</strong>ne von <strong>§</strong> 433 BGB über das kommunale Altpapier geschlossen werden soll, sondern es<br />

dem Auftraggeber nach wie vor darum geht, dass der Dritte für ihn die Entsorgung des<br />

Altpapiers durch Verwertung übernimmt und somit e<strong>in</strong>e Dienstleistung erbr<strong>in</strong>gt (OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 12.1.2004 - Az.: VII - Verg 71/03; 1. VK Sachsen, B. v. 11.02.2005 - Az.:<br />

1/SVK/128-04; VK Lüneburg, B. v. 26.04.2004 - Az.: 203-VgK-10/2004; VK Thür<strong>in</strong>gen, B.<br />

v. 15.1.2004 - Az.: 360-403.20-030/03-GTH).<br />

<strong>8.</strong>1.<strong>8.</strong>4.4 Literatur<br />

• Dieckmann, Mart<strong>in</strong> / Besche, Beatrix, Ke<strong>in</strong>e Pflicht zur Ausschreibung der<br />

Altpapierentsorgung bei positivem Marktwert des Altpapiers?, AbfallR 2004, 87<br />

<strong>8.</strong>1.<strong>8.</strong>5 Leistungsaustauschvertrag bei der Erbr<strong>in</strong>gung von<br />

Sozialpädagogischer Familienhilfe gegenüber Dritten<br />

<strong>8.</strong>1.<strong>8.</strong>5.1 Rechtsprechung<br />

Wenn man im Wege e<strong>in</strong>es gegenseitigen Vertrages zwischen e<strong>in</strong>em E<strong>in</strong>richtungsträger und<br />

dem Träger der Sozialhilfe über den Anspruch auf e<strong>in</strong>e Sozialhilfeleistung<br />

(sozialpädagogische Familienhilfe) z.B. disponiert, dann können aus diesem Vertrag auch<br />

unmittelbare Ansprüche geltend gemacht werden. Insofern liegt e<strong>in</strong><br />

Leistungsaustauschvertrag vor, auch wenn dieser Vertrag Leistungen zugunsten e<strong>in</strong>es<br />

Dritten enthält. Sobald der Auftragnehmer die sozialpädagogische Familienhilfe als Leistung<br />

erbr<strong>in</strong>gt, kann er aufgrund des gegenseitigen Vertrages den Auftraggeber auf Zahlung e<strong>in</strong>es<br />

Entgeltes <strong>in</strong> Anspruch nehmen. Der Auftragnehmer ist nicht darauf angewiesen, se<strong>in</strong>en<br />

Entgeltanspruch beim Hilfeempfänger geltend zu machen, sondern Schuldner<strong>in</strong> dieses<br />

Zahlungsanspruches ist der Auftraggeber aufgrund des geschlossenen Rahmenvertrages (VK<br />

Münster, B. v. 02.07.2004 - Az.: VK 13/04).


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Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

<strong>8.</strong>1.<strong>8.</strong>5.2 Rechtsauffassung der Bundesregierung<br />

Nach Auffassung der Bundesregierung (Antwort auf die Kle<strong>in</strong>e Anfrage - Drucksache<br />

16/5347 -) werden im Leistungserbr<strong>in</strong>gungsrecht der K<strong>in</strong>der- und Jugendhilfe<br />

„<strong>Aufträge</strong>“ nicht durch den öffentlichen Träger der Jugendhilfe vergeben. Vielmehr<br />

nehmen die Leistungsberechtigten im Rahmen des Wunsch- und Wahlrechts nach <strong>§</strong> 5<br />

SGB VIII die entsprechenden E<strong>in</strong>richtungen und Dienste <strong>in</strong> Anspruch. E<strong>in</strong>e<br />

Ausschreibung bzw. e<strong>in</strong> Vergabeverfahren kann folglich nicht stattf<strong>in</strong>den. Das<br />

Instrument der Ausschreibung und die damit verbundene Vergabe von Leistungen an<br />

e<strong>in</strong>en bestimmten Anbieter s<strong>in</strong>d daher mit diesen Strukturpr<strong>in</strong>zipien der K<strong>in</strong>der- und<br />

Jugendhilfe nicht vere<strong>in</strong>bar. Die Leistungsabwicklung <strong>in</strong> der K<strong>in</strong>der- und Jugendhilfe<br />

erfolgt weitgehend im Rahmen des so genannten sozial-rechtlichen Dreiecksverhältnisses.<br />

Danach ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme des Entgelts gegenüber<br />

dem Leistungsberechtigten nur verpflichtet, wenn mit dem Träger der E<strong>in</strong>richtung oder<br />

se<strong>in</strong>em Verband Leistungs-, Entgelt- und Qualitätsentwicklungsvere<strong>in</strong>barungen (<strong>§</strong><strong>§</strong> 78a ff.<br />

SGB VIII) abgeschlossen worden s<strong>in</strong>d. Die Vere<strong>in</strong>barungen s<strong>in</strong>d mit den Trägern<br />

abzuschließen, die unter Berücksichtigung der Grundsätze der Leistungsfähigkeit,<br />

Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erbr<strong>in</strong>gung der Leistung geeignet s<strong>in</strong>d. Aufgrund der<br />

Verpflichtung, <strong>in</strong> der Leistungsvere<strong>in</strong>barung die wesentlichen Leistungsmerkmale festzulegen<br />

und leistungsgerechte Entgelte zu vere<strong>in</strong>baren (<strong>§</strong> 78c SGB VIII) wird e<strong>in</strong>e Transparenz des<br />

gesamten Leistungsangebots geschaffen. Die kommunalen Gebietskörperschaften als<br />

Leistungs- und Kostenträger s<strong>in</strong>d daher <strong>in</strong> der Lage, die Leistungsgerechtigkeit der jeweils<br />

geforderten Entgelte im Vergleich mit anderen Leistungsanbietern zu beurteilen.<br />

<strong>8.</strong>1.<strong>8.</strong>5.3 Literatur<br />

• Bieback, Karl-Jürgen, Leistungserbr<strong>in</strong>gungsrecht im SGB II sowie SGB III und XII -<br />

Insbesondere die Verpflichtung zum E<strong>in</strong>satz des <strong>Vergaberecht</strong>s, NZS 2007, 505<br />

• Burgi, Mart<strong>in</strong>, Hilfsmittelverträge und Arzneimittel-Rabattverträge als öffentliche<br />

Lieferaufträge?, NZBau 2008, 480<br />

• Dreher, Me<strong>in</strong>rad / Hoffmann, Jens, Der Auftragsbegriff nach <strong>§</strong> <strong>99</strong> <strong>GWB</strong> und die<br />

Tätigkeit der gesetzlichen Krankenkassen, NZBau 2009, 273<br />

• Drey, Franz, Der zahlende Dritte – <strong>Vergaberecht</strong> und Gesundheitsreform, Behörden<br />

Spiegel August 2007, 20<br />

• Gabriel Marc / We<strong>in</strong>er, Kathar<strong>in</strong>a, Arzneimittelrabattverträge im generischen und<br />

patentgeschätzten Bereich: Überblick über den aktuellen Stand, NZS 2009, 422<br />

• Gabriel, Marc, Vom Festbetrag zum Rabatt - Gilt die Ausschreibungspflicht von<br />

Rabattverträgen auch im <strong>in</strong>novativen Bereich patentgeschützter Arzneimittel?, NZS<br />

2008, 455<br />

• Greß, Stefan, Beschaffung und Bereitstellung von sozialen Dienstleistungen durch<br />

wettbewerbliche Verfahren – e<strong>in</strong>e ökonomische Perspektive, ArchsozArb 2005, 58<br />

• Hermanns, Caspar / Messow, Ansgar, <strong>Vergaberecht</strong>liche Strukturen im Sozialwesen<br />

(Bericht), NZS 2007, 24<br />

• Hesselmann, Hildegard / Motz, Thomas, Integrierte Versorgung und <strong>Vergaberecht</strong>,<br />

MedR 2005, 498


1078<br />

1079<br />

1080<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

• Hoffmann, Klaus, Ausschluss der Träger der freien Wohlfahrtspflege von der Vergabe<br />

öffentlicher Sozialleistungen?, VergabeR 2004, 462<br />

• Jasper, Ute / von der Recke, Barbara, Noch nicht transparent und fair - Erobert das<br />

<strong>Vergaberecht</strong> den sozialen Fürsorgebereich?, Behörden Spiegel, März 2009, 16<br />

• K<strong>in</strong>green, Thorsten, Das Sozialvergaberecht, SGb 2008, 437<br />

• K<strong>in</strong>green, Thorsten, Sozialhilferechtliche Leistungserbr<strong>in</strong>gung durch öffentliche<br />

Ausschreibungen, VergabeR 2007, 354<br />

• K<strong>in</strong>green, Thorsten, <strong>Vergaberecht</strong>liche Anforderungen an die sozialrechtliche<br />

Leistungserbr<strong>in</strong>gung, Die Sozialgerichtsbarkeit 2004, 659<br />

• Schabel, Thomas, Zu Lasten der Versicherten - Rechtswegedickicht beim Kampf um<br />

Rabattverträge, Behörden Spiegel September 2008, 26<br />

• Schäffer, Rebecca, Die Anwendung des europäischen <strong>Vergaberecht</strong>s auf<br />

sozialrechtliche Dienstleistungsverträge, ZESAR 2009, 374<br />

• Thüs<strong>in</strong>g, Gregor / Granetzny, Thomas, Der Rechtsweg <strong>in</strong> Vergabefragen des<br />

Leistungserbr<strong>in</strong>gungsrechts nach dem SGB V, NJW 2008, 3188<br />

<strong>8.</strong>1.<strong>8.</strong>6 Öffentlich Private Partnerschaften/Public-Private-Partnership<br />

Insbesondere auf Grund der F<strong>in</strong>anzengpässe der öffentlichen Verwaltungen werden <strong>in</strong><br />

jüngerer Zeit Überlegungen zur Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Verwaltung<br />

und privaten Dritten verstärkt propagiert, und zwar unter dem Namen „Öffentlich Private<br />

Partnerschaften (ÖPP)“ bzw. „Public-Private-Partnership (PPP)".<br />

Erfolgt diese Zusammenarbeit im Rahmen eigenständiger E<strong>in</strong>heiten, z. B. e<strong>in</strong>er GmbH,<br />

gelten selbstverständlich die unter RZ 9.1.<strong>8.</strong>2 und <strong>8.</strong>1.<strong>8.</strong>3 dargestellten Grundsätze.<br />

Entscheidend ist also, ob <strong>in</strong> diesem Zusammenhang e<strong>in</strong> Beschaffungsvorhaben verfolgt<br />

wird. Handelt es sich um e<strong>in</strong>e nicht streng <strong>in</strong>stitutionalisierte Zusammenarbeit, etwa im<br />

Rahmen e<strong>in</strong>er Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft oder Projektgruppe, s<strong>in</strong>d diese Grundsätze ebenfalls zu<br />

beachten.<br />

<strong>8.</strong>1.<strong>8.</strong>7 Re<strong>in</strong>e ÖPNV- bzw. SPNV-F<strong>in</strong>anzierungsverträge<br />

Betreibt e<strong>in</strong> Unternehmen auf der Grundlage e<strong>in</strong>er befristeten öffentlich-rechtlichen<br />

Genehmigung bereits e<strong>in</strong>en Busverkehr und schließen der öffentliche Auftraggeber und der<br />

Betreiber e<strong>in</strong>en Vertrag, dessen Gegenstand schon nach der Vertragsüberschrift sich <strong>in</strong> der<br />

"F<strong>in</strong>anzierung der Gewährleistung e<strong>in</strong>er ausreichenden Verkehrsbedienung der<br />

Allgeme<strong>in</strong>heit" erschöpft und stellt auch die Präambel des projektierten Vertrages<br />

ausdrücklich heraus, dass die Vertragsparteien den Vertrag "zur Sicherstellung der<br />

F<strong>in</strong>anzierung" der Busverkehre schließen, bezwecken die Beteiligten mit dem Abschluss der<br />

Vere<strong>in</strong>barung nicht die Neuvergabe der Busl<strong>in</strong>ie. Der Vertrag zielt lediglich auf die<br />

Neuregelung der "Ausgleichszahlungen im Rahmen eigenwirtschaftlicher<br />

Leistungserbr<strong>in</strong>gung" des Betreibers. Der Zweck des ÖPNV-F<strong>in</strong>anzierungsvertrages besteht<br />

daher nicht <strong>in</strong> der Vergabe von Verkehrsleistungen, sondern dar<strong>in</strong>, den beihilfenrechtlichen<br />

Kontext im Rahmen des personbeförderungsrechtlichen Genehmigungstatbestandes zu regeln.<br />

Von Vergütung der Busverkehre kann ke<strong>in</strong>e Rede se<strong>in</strong>. Damit wird der Vertrag nicht von<br />

dem (als Auffangtatbestand weit zu verstehenden) Abs. 4 des <strong>§</strong> <strong>99</strong> <strong>GWB</strong> erfasst (OLG<br />

Karlsruhe, B. v. 13.07.2005 - Az.: 6 W 35/05 Verg.).


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Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

<strong>8.</strong>1.<strong>8.</strong>8 Vergabevorgang und Autonomie des zwischengeschalteten Arztes<br />

bzw. der Apotheke h<strong>in</strong>sichtlich der Medikamentenverordnung<br />

Es liegt auch e<strong>in</strong> Vergabevorgang trotz der Autonomie des zwischengeschalteten Arztes<br />

und der Apotheke bei der Medikamentenverordnung vor. Zwar kann der Arzt durch<br />

entsprechende Verordnung die Auswahl bzw. Ersetzung des Medikamentes durch die<br />

Apotheke unterb<strong>in</strong>den, falls er es mediz<strong>in</strong>isch für geboten hält. Es können durchaus auch für<br />

die Ärzte f<strong>in</strong>anzielle Folgen e<strong>in</strong>treten, wenn sie sich auf e<strong>in</strong>er globaleren Ebene nicht<br />

„wirtschaftlich“ verhalten, wobei die Verordnung von Arzneimitteln e<strong>in</strong>fließt. Die ärztliche<br />

Entscheidungsfreiheit wird damit aber nicht völlig aufgehoben und dürfte dies wohl<br />

auch nicht, so dass für die Krankenkassen e<strong>in</strong> nicht bee<strong>in</strong>flussbarer Bereich verbleibt.<br />

Ebenfalls s<strong>in</strong>d die Apotheken nach den derzeit geltenden Rahmenvere<strong>in</strong>barungen <strong>in</strong> der<br />

Auswahl zwischen mehreren rabattierten wirkstoffgleichen Medikamenten frei. Dies steht der<br />

Annahme e<strong>in</strong>es Vergabevorganges aber nach Auffassung der Vergabekammer nicht entgegen.<br />

Der öffentliche Auftrag bestimmt sich nicht danach, wie konkret die Umstände des <strong>in</strong><br />

Aussicht genommenen Geschäftes festgelegt werden können. Wenn e<strong>in</strong>e nicht<br />

ausräumbare Unsicherheit über Art und Umfang des Geschäftes besteht (etwa bei<br />

Rahmenverträgen zu anlassbezogenen Reparaturarbeiten, W<strong>in</strong>terdienst o.ä.), entfällt<br />

nicht die Ausschreibungspflicht. Die Unternehmen werden die kalkulatorische Unsicherheit<br />

vielmehr durch die Bildung des Preises ausgleichen. Wenn es allerd<strong>in</strong>gs der willentlichen<br />

Entschließung Dritter unterliegt, welche Art / Umfang das Geschäft annehmen wird,<br />

kann es durchaus zweifelhaft ersche<strong>in</strong>en, ob hier die Anwendung des <strong>Vergaberecht</strong>s<br />

systematisch noch angemessen ist. Nach Auffassung der Kammer ist jedoch entscheidend,<br />

ob derartige Dritte <strong>in</strong> die Stellung des öffentlichen Auftraggebers e<strong>in</strong>rücken oder nicht.<br />

Dies ist weder für die Ärzte noch für die Apotheken feststellbar. In diesem Fall kann<br />

e<strong>in</strong>e vergaberechtsfreie Marktansprache nicht h<strong>in</strong>genommen werden. Es stünde<br />

ansonsten dem Auftraggeber frei, durch Rahmenverträge mit mehreren Unternehmen auf die<br />

gleiche Leistung, die aber nach Wahl e<strong>in</strong>es Dritten nur jeweils e<strong>in</strong>mal bezogen wird, die<br />

Anwendung des <strong>Vergaberecht</strong>s auszuschalten. Beispielhaft könnten Uniformteile für<br />

Polizisten und Soldaten durch Rahmenverträge mit mehreren Herstellern zum Abruf durch die<br />

Bedarfsträger bestellt werden, wobei diese selbst entscheiden könnten, wann und von<br />

welchem Anbieter sie e<strong>in</strong> neues Uniformteil bezögen. Ob <strong>in</strong> derartigen Fällen dann der<br />

Abschluss von Rahmenverträgen mit mehreren Anbietern vergaberechtlich nicht zulässig<br />

wäre, braucht an dieser Stelle nicht entschieden zu werden. Es liegt jedenfalls e<strong>in</strong><br />

vergaberechtsrelevantes Geschäft vor (OLG Düsseldorf, B. v. 20.02.2008 - Az.: VII - Verg<br />

7/08; VK Düsseldorf, B. v. 31.10.2007 - Az.: VK - 31/2007 – L).<br />

<strong>8.</strong>1.<strong>8.</strong>9 Literatur<br />

• Burgi, Mart<strong>in</strong>, Energierecht und <strong>Vergaberecht</strong>, Recht der Energiewirtschaft 6/2007,<br />

145<br />

• Goodarzi, Ram<strong>in</strong>, Ausschreibungspflichtigkeit des Erwerbs von Emissionszertifikaten<br />

durch Stadtwerke und andere öffentliche Anlagenbetreiber, NVwZ 2004, 949<br />

• Kiser, Folma, Emissionshandel und <strong>Vergaberecht</strong>, VergabeR 2004, 683<br />

• Wagner, Stephan, Beschaffung von Emissionszertifikaten durch öffentliche<br />

Auftraggeber, NZBau 2007, 623


1082<br />

1083<br />

1084<br />

1084/1<br />

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<strong>8.</strong>1.9 Zulässigkeit unbefristeter Verträge oder von Verträgen mit nicht<br />

absehbarer Vertragsdauer<br />

Nach dem geltenden <strong>Vergaberecht</strong>sregime s<strong>in</strong>d unbefristete Verträge oder Verträge mit<br />

nicht absehbarer Vertragsdauer grundsätzlich zulässig - vgl. <strong>§</strong> 3 Abs. 3 Satz 3 VgV-<br />

(OLG Düsseldorf, B. v. 1.10.2003 - Az.: Verg 45/03).<br />

<strong>8.</strong>1.10 Verträge zugunsten Dritter<br />

Grundsätzlich besteht auch für den öffentlichen Auftraggeber Vertragsfreiheit, d.h. er<br />

hat die Möglichkeit der freien Vertragsgestaltung, soweit nicht gesetzliche Regelungen<br />

entgegenstehen. Er kann nicht nur Vere<strong>in</strong>barungen treffen, die auf alsbald zu erbr<strong>in</strong>gende<br />

Leistungen gegen Entgelt gerichtet s<strong>in</strong>d, sondern auch Verträge (z.B. <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>es<br />

Vorvertrages oder e<strong>in</strong>er Option) über künftige Leistungen abschließen. Auch Verträge<br />

zugunsten Dritter s<strong>in</strong>d nicht ausgeschlossen (BayObLG, B. v. 17.02.2005 - Verg 027/04).<br />

E<strong>in</strong>e solche Vertragskonstellation bietet sich z.B. bei Rahmenvere<strong>in</strong>barungen für mehrere<br />

öffentliche Auftraggeber an.<br />

<strong>8.</strong>1.11 Abgrenzung zu Zuwendungsverhältnissen<br />

Die rechtliche Ausgestaltung e<strong>in</strong>er Rechtsbeziehung zwischen e<strong>in</strong>er zuwendenden Stelle und<br />

e<strong>in</strong>em Zuwendungsempfänger spricht für e<strong>in</strong> Zuwendungsverhältnis, mit dem die Zwecke<br />

des Zuwendungsempfängers gefördert werden sollen (<strong>§</strong> 23 BHO), wenn der<br />

Zuwendungsempfänger nicht von vornehere<strong>in</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bestimmten Umfang zu e<strong>in</strong>er<br />

bestimmten Leistung verpflichtet werden soll. Gegen e<strong>in</strong> Zuwendungsverhältnis spricht<br />

nicht, dass ausdrücklich e<strong>in</strong> „Rahmenvertrag“ geschlossen wurde. Es kommt nicht darauf an,<br />

wie die Beteiligten ihre Rechtsbeziehung bezeichnet haben. Maßgeblich ist der durch<br />

Auslegung zu ermittelnde materielle Inhalt der e<strong>in</strong>gegangenen Verpflichtungen (1. VK Bund,<br />

B. v. 03.0<strong>8.</strong>2006 - Az.: VK 1 - 49/06).<br />

<strong>8.</strong>1.12 Eigener Beschaffungsbedarf<br />

E<strong>in</strong> eigener Beschaffungsbedarf e<strong>in</strong>es öffentlichen Auftraggebers ist ke<strong>in</strong><br />

Tatbestandsmerkmal e<strong>in</strong>es "öffentlichen Auftrages". Allerd<strong>in</strong>gs ist die Rechtsprechung <strong>in</strong><br />

früheren Entscheidungen von dieser Annahme ausgegangen. Dem steht jedoch die<br />

Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (z.B. Entscheidung vom 1<strong>8.</strong> November 2004<br />

– Az.: C-126/03) entgegen. Danach unterscheidet die Richtl<strong>in</strong>ie nicht zwischen <strong>Aufträge</strong>n, die<br />

der öffentliche Auftraggeber zur Deckung se<strong>in</strong>er im Allgeme<strong>in</strong><strong>in</strong>teresse liegenden Aufgaben<br />

e<strong>in</strong>geht, und anderen <strong>Aufträge</strong>n. Es reicht vielmehr aus, dass der öffentliche Auftraggeber<br />

überhaupt <strong>Aufträge</strong> vergibt, zu welchen Zwecken auch immer (OLG Karlsruhe, B. v.<br />

13.06.2008 - Az.: 15 Verg 3/08; OLG Düsseldorf, B. v. 06.02.2008 - Az.: VII - Verg 37/07;<br />

B. v. 12.12.2007 - Az.: VII - Verg 30/07; B. v. 13.06.2007 - Az.: VII - Verg 2/07; B. v.<br />

23.05.2007 - Az.: VII - Verg 50/06; OLG Bremen, B. v. 13.03.2008 – Az.: Verg 5/07; 2. VK<br />

Mecklenburg-Vorpommern, B. v. 07.01.2008 - Az.: 2 VK 5/07; 2. VK Bund, B. v. 15.11.2007


1084/2<br />

1084/2,1<br />

1084/2,2<br />

1084/2,21<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

- Az.: VK 2 - 123/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 120/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 -<br />

117/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 114/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 108/07, B. v.<br />

15.11.2007 - Az.: VK 2 - 105/07; B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 102/07; VK Düsseldorf, B.<br />

v. 31.10.2007 - Az.: VK - 31/2007 – L; B. v. 02.0<strong>8.</strong>2007 - Az.: VK - 23/2007 – B).<br />

Die teleologische Reduktion des Auftragsbegriffs auf e<strong>in</strong>en körperlichen Beschaffungsakt des<br />

öffentlichen Auftraggebers für eigene (öffentliche) Zwecke ist bei europarechtskonformem<br />

Verständnis des <strong>§</strong> <strong>99</strong> <strong>GWB</strong> weder veranlasst noch gerechtfertigt. Denn der öffentliche<br />

Auftrag muss nicht der Erfüllung von im Allgeme<strong>in</strong><strong>in</strong>teresse liegenden Aufgaben<br />

dienen. So wenig wie darauf abzustellen ist, ob der öffentliche Auftraggeber z.B. im Fall<br />

e<strong>in</strong>es öffentlichen Bauauftrags Eigentümer des Bauwerks oder e<strong>in</strong>es Teils davon werden soll,<br />

so unbeachtlich ist, ob der Auftraggeber z.B. das Bauwerk selbst nutzen oder es der<br />

Allgeme<strong>in</strong>heit oder lediglich e<strong>in</strong>zelnen Dritten zur Verfügung stellen will. Genauso wenig ist<br />

nach dem Gesetz e<strong>in</strong> Eigen<strong>in</strong>teresse des öffentlichen Auftraggebers z.B. an der Erstellung des<br />

Bauwerks vorauszusetzen. Entscheidend ist vielmehr, dass sich der öffentliche<br />

Auftraggeber kraft e<strong>in</strong>er z.B. mit dem künftigen Bauauftrag zu vere<strong>in</strong>barenden<br />

Verpflichtung des Auftragnehmers die rechtliche Befugnis sichert, die Verfügbarkeit<br />

des Bauwerks für die von ihm angestrebte öffentliche Zweckbestimmung, z.B. für e<strong>in</strong>e<br />

bestimmte wirtschaftliche, d.h. städtebauliche Funktion, zu gewährleisten. Wenn man<br />

demnach überhaupt auf e<strong>in</strong>en Beschaffungszweck abstellen wollte, dann ist dieser allenfalls<br />

so zu verstehen, dass der Auftraggeber die Erfüllung e<strong>in</strong>er bestimmten wirtschaftlichen,<br />

z.B. städtebaulichen oder raumordnenden, Funktion durch den Abschluss des<br />

Bauauftrags rechtlich sichert. Im S<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>er Kontrollüberlegung stimmt diese Auslegung<br />

mit dem Zweck der Vergabekoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie, das öffentliche Auftragswesen dem<br />

Wettbewerb zu öffnen, übere<strong>in</strong>. Aufgrund dessen gebietet die den Mitgliedstaaten und ihren<br />

Gerichten obliegende Gewährleistung der praktischen Wirksamkeit der Richtl<strong>in</strong>ie die<br />

Anwendung des <strong>Vergaberecht</strong>sregimes, wenn sich der (künftige) Auftragnehmer auf e<strong>in</strong>em<br />

Markt betätigt (und dort e<strong>in</strong>en Auftrag erhalten soll), auf dem er mit anderen Unternehmen im<br />

Wettbewerb steht. Dies trifft bei e<strong>in</strong>er Konkurrenz um den Zuschlag zu (OLG Düsseldorf,<br />

B. v. 06.02.2008 - Az.: VII - Verg 37/07; B. v. 12.12.2007 - Az.: VII - Verg 30/07; im<br />

Ergebnis ebenso OLG Karlsruhe, B. v. 13.06.2008 - Az.: 15 Verg 3/08; OLG Bremen, B. v.<br />

13.03.2008 – Az.: Verg 5/07).<br />

Unter den Begriff des öffentlichen Beschaffungswesens im S<strong>in</strong>ne der Richtl<strong>in</strong>ie fallen<br />

deshalb nicht nur solche Maßnahmen e<strong>in</strong>es öffentlichen Auftraggebers, die unmittelbar der<br />

Deckung se<strong>in</strong>es eigenen Bedarfs dienen, sondern auch solche, mit denen er konkrete eigene<br />

Zielsetzungen bzw. mittelbare Eigen<strong>in</strong>teressen verfolgt. In diesem Zusammenhang dürften<br />

allgeme<strong>in</strong>e wirtschafts- und gesellschaftspolitische Zwecksetzungen wie beispielsweise die<br />

Aufwertung und Belebung e<strong>in</strong>es bestimmten Stadtviertels ausreichen (OLG Karlsruhe, B.<br />

v. 13.06.2008 - Az.: 15 Verg 3/08).<br />

Wer e<strong>in</strong>en öffentlichen Auftrag vom Vorliegen e<strong>in</strong>es eigenen Verwendungs- oder<br />

Beschaffungszwecks des öffentlichen Auftraggebers abhängig macht, <strong>in</strong>terpretiert <strong>in</strong> den<br />

Begriff des öffentlichen Auftrags nach Art. 1 Abs. 2 a und b der Richtl<strong>in</strong>ie 2004/18/EG und<br />

<strong>in</strong> die EG-rechtlich determ<strong>in</strong>ierte Def<strong>in</strong>ition <strong>in</strong> <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 1 und 3 <strong>GWB</strong> mith<strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

Tatbestandselement h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, das dort nicht vorhanden ist (OLG Düsseldorf, B. v.<br />

06.02.2008 - Az.: VII - Verg 37/07).<br />

Der Begriff des öffentlichen Auftrags im S<strong>in</strong>ne der VK-RL und der <strong>§</strong><strong>§</strong> 97 <strong>GWB</strong> ist<br />

autonom und <strong>in</strong> allen Mitgliedsstaaten gleich auszulegen. Er ist so zu beurteilen, dass die<br />

praktische Wirksamkeit der VK-RL gewährleistet ist. Wie aus ihren


1084/2,3<br />

1084/3<br />

1084/4<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Begründungserwägungen, <strong>in</strong>sbesondere der zweiten hervorgeht, soll die VK-RL die<br />

Wahrung des Grundsatzes der Niederlassungsfreiheit und des freien<br />

Dienstleistungsverkehrs sowie die Öffnung des öffentlichen Beschaffungswesens für den<br />

Wettbewerb garantieren. Der VK-RL ist nicht zu entnehmen, dass ihr<br />

Anwendungsbereich auf den „E<strong>in</strong>kauf“ der öffentlichen Hand beschränkt se<strong>in</strong> soll. Sie<br />

enthält <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> dem <strong>in</strong>soweit maßgeblichen Art. 1 (2) b ke<strong>in</strong>en H<strong>in</strong>weis darauf, dass<br />

die zu beschaffende Leistung dem Auftraggeber unmittelbar zugute kommen muss. Die Ziele<br />

der VK-RL s<strong>in</strong>d aber schon dann gefährdet, wenn sich e<strong>in</strong> öffentlicher Auftraggeber<br />

entschließt, überhaupt e<strong>in</strong>en (Bau-) Auftrag zu vergeben, unabhängig davon, aus welchen<br />

Gründen und <strong>in</strong> welchem Zusammenhang das Bauwerk errichtet wird und welchen<br />

Verwendungszweck es haben soll. Denn schon dann besteht das Risiko e<strong>in</strong>er<br />

Wettbewerbsverzerrung <strong>in</strong>folge der Bevorzugung e<strong>in</strong>zelner Marktteilnehmer (OLG<br />

Karlsruhe, B. v. 13.06.2008 - Az.: 15 Verg 3/08).<br />

Anderer Auffassung ist die VK Hessen. <strong>Öffentliche</strong> (Bau-)aufträge setzen zw<strong>in</strong>gend<br />

e<strong>in</strong>en Beschaffungsvorgang (als Selbstverständlichkeit) voraus. Dies ergibt sich sowohl<br />

aus <strong>§</strong> 97 Abs. 1 <strong>GWB</strong>, wonach öffentliche Auftraggeber Waren sowie Bau- und<br />

Dienstleistungen nach dem Viertel Teil des <strong>GWB</strong> "beschaffen", als auch aus der <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Vielzahl von Vorschriften zum Ausdruck kommenden Grundvorstellung bzw. dem Leitbild<br />

e<strong>in</strong>es Werkvertrages, also e<strong>in</strong>es synallagmatischen Austauschvertrages. Dem<br />

<strong>Vergaberecht</strong> unterliegen nur solche Vorgänge, bei denen der öffentliche Auftraggeber -<br />

aus welchen Gründen auch immer - etwas beschafft, d.h. se<strong>in</strong>en zuvor def<strong>in</strong>ierten Bedarf<br />

deckt (VK Hessen, B. v. 05.03.2008 - Az.: 69 d VK - 06/2008; <strong>in</strong> der Tendenz ebenso VK<br />

Baden-Württemberg, B. v. 07.03.2008 - Az.: 1 VK 1/08).<br />

<strong>8.</strong>1.13 Beleihung<br />

<strong>8.</strong>1.13.1 Allgeme<strong>in</strong>es<br />

In der Literatur wird es als zulässig angesehen, den Weg der Beleihung als<br />

vergaberechtsfreie Maßnahme der staatlichen Organisation zu gehen.<br />

<strong>8.</strong>1.13.2 Literatur<br />

• Braun, Christian / Buchmann, Anne, Beleihung als Ausstiegsmöglichkeit aus der<br />

Ausschreibungsverpflichtung?, NZBau 2007, 691<br />

• Burgi, Mart<strong>in</strong>, Die Beleihung als kartellvergaberechtlicher Ausnahmetatbestand (am<br />

Beispiel des Subventionsmittlers nach <strong>§</strong> 44 III BHO), NVwZ 2007, 383<br />

<strong>8.</strong>1.14 Arzneimittel-Rabattverträge gemäß <strong>§</strong> 130a Abs. 8 SGB V<br />

<strong>8.</strong>1.14.1 Rechtsprechung


1084/4,2<br />

1084/4,4<br />

1084/5<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

H<strong>in</strong>sichtlich der Ausschreibung von Rabattvere<strong>in</strong>barungen durch gesetzliche<br />

Krankenkassen an sich ist darauf h<strong>in</strong>zuweisen, dass der Gesetzgeber gerade auch dieses<br />

Instrument <strong>in</strong> <strong>§</strong> 130a SGB V im Interesse der Sicherung der f<strong>in</strong>anziellen Stabilität der<br />

gesetzlichen Krankenversicherung e<strong>in</strong>geführt hat. Das entsprechende Gesetz hat das<br />

Bundesverfassungsgericht ausdrücklich für verfassungsgemäß erachtet, <strong>in</strong>sbesondere ist<br />

nach Auffassung des BVerfG der hiermit verbundene E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die Grundrechte der<br />

pharmazeutischen Unternehmen durch das überragend wichtige Geme<strong>in</strong>schaftsgut der<br />

F<strong>in</strong>anzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung gerechtfertigt. Dass mit der<br />

Erteilung des Zuschlags an e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zelnen Bieter die konkurrierenden Anbieter für die Dauer<br />

des ausgeschriebenen Vertrages von diesem Markt ausgeschlossen s<strong>in</strong>d, ist e<strong>in</strong>em<br />

Vergabeverfahren wesenseigen und verletzt ebenfalls nicht die Grundrechte der erfolglosen<br />

Bieter (LSG Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen, B. v. 23.04.2009 - Az.: L 21 KR 36/09 SFB; 3. VK Bund,<br />

B. v. 29.01.2009 - Az.: VK 3 – 200/08; B. v. 29.01.2009 - Az.: VK 3 – 197/08; B. v.<br />

23.01.2009 - Az.: VK 3 - 194/08).<br />

Rabattvere<strong>in</strong>barungen als solche haben grundsätzlich den Zweck, möglichst hohe<br />

E<strong>in</strong>sparungen zu erzielen. Dieses Ziel kann aber verfolgt werden, ohne den Anspruch<br />

des Versicherten auf Heilung und L<strong>in</strong>derung von Krankheiten zu bee<strong>in</strong>trächtigen. Die<br />

Berücksichtigung auch mediz<strong>in</strong>ischer Interessen kann bei der Ausgestaltung der<br />

Verd<strong>in</strong>gungsunterlagen Berücksichtigung f<strong>in</strong>den. Es ist jeder Ausschreibung, die im<br />

öffentlichen Interesse erfolgt, immanent, dass die Interessen des öffentlichen Auftraggebers <strong>in</strong><br />

den Verd<strong>in</strong>gungsunterlagen ihren Niederschlag f<strong>in</strong>den. Dabei lässt <strong>§</strong> 97 Abs. 4 <strong>GWB</strong> sogar<br />

zu, dass vergabefremde Anforderungen Berücksichtigung f<strong>in</strong>den können, wenn dies durch<br />

Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen ist. Dazu gehören auch die Sozialgesetzbücher. Der<br />

Qualifikation als öffentlicher Auftrag kann folglich nicht entgegen gehalten werden,<br />

dass sich die Krankenkassen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben an die Gesetze zu<br />

halten haben (VK Baden-Württemberg, B. v. 30.12.2008 - Az.: 1 VK 51/08).<br />

Arzneimittel-Rabattverträge gemäß <strong>§</strong> 130a Abs. 8 SGB V stellen bei wirtschaftlicher<br />

Betrachtungsweise Rahmenvere<strong>in</strong>barungen zur Beschaffung von Arzneimitteln für die<br />

Versicherten der Krankenkasse dar. Es werden <strong>in</strong>soweit nicht nur e<strong>in</strong>seitig<br />

Rückvergütungspflichten ("Rabatte") der pharmazeutischen Unternehmer begründet, ohne<br />

dass vertragliche Verpflichtungen der Krankenkasse bestünden. Vielmehr handelt es sich um<br />

Verträge, die beidseitige Pflichten, nämlich Leistungs- und Vergütungspflichten regeln,<br />

die dem künftigen E<strong>in</strong>zelabruf von Arzneimitteln durch die Versicherten zu Grunde zu<br />

legen s<strong>in</strong>d. Sie erfüllen damit die Tatbestandsvoraussetzungen von<br />

Rahmenvere<strong>in</strong>barungen. Insoweit wird e<strong>in</strong>e vertragliche Leistungsbeziehung zwischen<br />

der gesetzlichen Krankenkasse und dem pharmazeutischen Unternehmer begründet. In<br />

die Abwicklung der E<strong>in</strong>zelverträge s<strong>in</strong>d der Versicherte, verschiedene<br />

Leistungserbr<strong>in</strong>ger und die Krankenkasse e<strong>in</strong>gebunden: Der Versicherte erhält von<br />

se<strong>in</strong>em Arzt e<strong>in</strong> Arzneimittel verordnet. Auf dem Rezept verordnet der Arzt entweder e<strong>in</strong>e<br />

Wirkstoffbezeichnung oder e<strong>in</strong> spezielles Arzneimittel, wobei er die Ersetzung des<br />

Arzneimittels durch e<strong>in</strong> wirkstoffgleiches preisgünstigeres Mittel (sogenannte aut-idem-<br />

Regelung) ermöglichen oder ausschließen kann. Hat er die Ersetzung nicht ausgeschlossen<br />

bzw. lediglich e<strong>in</strong>e Wirkstoffbezeichnung verordnet, händigt der Apotheker dem Versicherten<br />

zu Lasten der Krankenkasse, die nach <strong>§</strong> 2 SGB V aufgrund des Sachleistungspr<strong>in</strong>zips hierzu<br />

verpflichtet ist, e<strong>in</strong> preisgünstigeres wirkstoffgleiches Mittel aus. Der Apotheker ist gemäß <strong>§</strong><br />

129 Abs. 1 Satz 3 SGB V zur Ersetzung e<strong>in</strong>es wirkstoffgleichen Arzneimittels<br />

verpflichtet, für das e<strong>in</strong>e Rabattvere<strong>in</strong>barung nach <strong>§</strong> 130a Abs. 8 SGB V besteht. Die<br />

verschiedenen zwischengeschalteten Leistungsträger (Arzt, Apotheker) handeln damit<br />

letztendlich als Vertreter der Krankenkasse, die Kostenträger ist. Der Abschluss des


1084/5,1<br />

1084/6<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Rabattvertrages zwischen Krankenkasse und pharmazeutischem Unternehmer führt zwischen<br />

diesen also wirtschaftlich zu e<strong>in</strong>er Lieferbeziehung bezüglich der erfassten Wirkstoffe. Denn<br />

immer wenn e<strong>in</strong> Versicherter e<strong>in</strong> Arzneimittel dieses Wirkstoffs per Rezept vor Ort abruft,<br />

wird der zwischengeschaltete Apotheker verpflichtet, Arzneimittel des Herstellers, der e<strong>in</strong>en<br />

Rabattvertrag abgeschlossen hat, zu Lasten der Ag abzugeben. Bestätigt wird diese<br />

gesetzliche Verpflichtung <strong>in</strong> <strong>§</strong> 4 der Rahmenvere<strong>in</strong>barung über die Arzneimittelversorgung<br />

nach <strong>§</strong> 129 Abs. 2 SGB V zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und dem<br />

Deutschen Apothekerverband e.V.. Wo vormals e<strong>in</strong>e eigenständige Entscheidung des<br />

Apothekers über die Wahl des Arzneimittels zwischengeschaltet war, die aufgrund der<br />

Leistungspflichten im Rahmen des SGB V zu e<strong>in</strong>er entsprechenden Abrechnung zu Lasten<br />

der Krankenkassen führte, wird nunmehr durch den Rabattvertrag e<strong>in</strong>e Lieferbeziehung<br />

zwischen den Krankenkassen und dem Hersteller begründet. Der Apotheker wickelt nun<br />

nur noch ab. Die von ihm getroffene Auswahlentscheidung beschränkt sich auf die<br />

vorhandenen Rabattvertragspartner (OLG Düsseldorf, B. v. 20.02.2008 - Az.: VII - Verg<br />

7/08; B. v. 17.01.2008 - Az.: VII - Verg 57/07; B. v. 19.12.2007 - Az.: VII - Verg 51/07; LSG<br />

Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen, B. v. 10.09.2009 - Az.: L 21 KR 53/09 SFB; B. v. 03.09.2009 - Az.: L<br />

21 KR 51/09 SFB; VK Baden-Württemberg, B. v. 30.12.2008 - Az.: 1 VK 51/08; 1. VK<br />

Bund, B. v. 29.10.2009 - Az.: VK 1 - 185/09; B. v. 19.11.2008 - Az.: VK 1 - 135/08; B. v.<br />

19.11.2008 - Az.: VK 1 - 126/08; 2. VK Bund, B. v. 26.05.2009 - Az.: VK 2 – 30/09; B. v.<br />

10.04.2008 - Az.: VK 2 - 37/08; B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 123/07, B. v. 15.11.2007 -<br />

Az.: VK 2 - 120/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 117/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 -<br />

114/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 108/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 105/07; B. v.<br />

15.11.2007 - Az.: VK 2 - 102/07; 3. VK Bund, B. v. 29.09.2009 - Az.: VK 3 - 166/09; B. v.<br />

03.0<strong>8.</strong>2009 - VK 3 - 145/09; B. v. 24.07.2009 - VK 3 - 136/09; B. v. 20.03.2009 - Az.: VK 3 -<br />

40/09; B. v. 20.03.2009 – Az.. VK 3 – 34/09; B. v. 20.03.2009 – Az.: VK 3 – 22/09; B. v.<br />

16.03.2009 - Az.: VK 3 - 37/09; B. v. 1<strong>8.</strong>02.2009 - Az.: VK 3 - 158/08; B. v. 30.01.2009 -<br />

Az.: VK 3 – 221/08; B. v. 29.01.2009 - Az.: VK 3 – 200/08; B. v. 29.01.2009 - Az.: VK 3 –<br />

197/08; B. v. 23.01.2009 - Az.: VK 3 - 194/08; B. v. 1<strong>8.</strong>12.2007 - Az.: VK 3 – 139/07; VK<br />

Düsseldorf, B. v. 31.10.2007 - Az.: VK - 31/2007 – L).<br />

Der Annahme e<strong>in</strong>es Beschaffungsvorgangs für Arzneimittel steht nicht entgegen, dass<br />

diese durch Vertragsärzte verordnet werden. Denn die von den Vertragsärzten getroffenen<br />

Verordnungen müssen der Krankenkasse im Rahmen ihrer Sachleistungspflicht (<strong>§</strong> 2 Abs. 2<br />

Satz 1 SGB V; <strong>§</strong><strong>§</strong> 72 Abs. 1 Satz 1, 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V) zugerechnet werden. Der<br />

Vertragsarzt ist die "Schlüsselfigur" im Rahmen der Arzneimittelversorgung. Er<br />

verordnet e<strong>in</strong> bestimmtes Arzneimittel zu Gunsten der Versicherten (und zu Lasten der GKV),<br />

das er als mediz<strong>in</strong>isch notwendig bewertet. Bei der Ausstellung der Verordnung handelt er<br />

kraft der ihm durch das Vertragsarztrecht verliehenen Kompetenzen als Vertreter der<br />

Krankenkassen; ohne vertragsärztliche Verordnung besteht grundsätzlich ke<strong>in</strong><br />

Sachleistungsanspruch der Versicherten gegen die Krankenkassen (LSG Nordrhe<strong>in</strong>-<br />

Westfalen, B. v. 10.09.2009 - Az.: L 21 KR 53/09 SFB).<br />

Der vorgesehene Vertrag hat <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne also die Lieferung von Waren „zum<br />

Gegenstand“: Er regelt nämlich die Art der Ware und ihren Preis. Dass der Preis nur <strong>in</strong>direkt<br />

(durch Rückvergütungen auf den Apothekenverkaufspreis) geregelt ist, ist ebenso unerheblich<br />

wie die Frage, wer die Ware wie körperlich liefert und aushändigt und wie, wann und an wen<br />

das Eigentum an den Medikamenten übergeht. Abgesehen davon, dass auch das deutsche<br />

Recht „Streckengeschäfte“ kennt, ist das rechtliche Gewand, durch das der<br />

Lieferauftrag erteilt wird, unerheblich. Wichtig ist <strong>in</strong> diesem Zusammenhang nur, dass die<br />

gesetzlichen Krankenkassen die Auftragnehmer mit der Lieferung beauftragen und sie – die<br />

gesetzlichen Krankenkassen – die Auftragnehmer für die Lieferung bezahlen. Dass nicht die


1084/7<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Antragsgegner<strong>in</strong>nen selbst die Entscheidung über die E<strong>in</strong>zelaufträge fällen, sondern der Arzt<br />

und/oder der Apotheker, ist unerheblich; die Entscheidung dieser Personen (wegen der<br />

maßgeblichen Stellung des Apothekers <strong>in</strong> diesem Falle neben dem Arzt auch jener) wird<br />

nämlich den Antragsgegner<strong>in</strong>nen zugerechnet (vgl. dazu näher sowie zu den strafrechtlichen<br />

Folgen BGH NJW 2004, 454). H<strong>in</strong>zu kommt, dass der Apotheker nach <strong>§</strong> 129 Abs. 1 Satz 3<br />

SGB V im Falle e<strong>in</strong>es Vertrages nach <strong>§</strong> 130a Abs. 8 SGB V für den betreffenden Wirkstoff<br />

grundsätzlich e<strong>in</strong> Medikament auswählen muss, das Gegenstand e<strong>in</strong>es derartigen Vertrages<br />

ist, die gesetzlichen Krankenkassen mith<strong>in</strong> das Nachfrageverhalten der Apotheker auf<br />

die vertragsgemäßen Medikamente „lenken“ (OLG Düsseldorf, B. v. 20.02.2008 - Az.: VII<br />

- Verg 7/08; B. v. 17.01.2008 - Az.: VII - Verg 57/07; B. v. 19.12.2007 - Az.: VII - Verg<br />

51/07; im Ergebnis ebenso LSG Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen, B. v. 10.09.2009 - Az.: L 21 KR 53/09<br />

SFB; B. v. 03.09.2009 - Az.: L 21 KR 51/09 SFB; VK Baden-Württemberg, B. v. 30.12.2008<br />

- Az.: 1 VK 51/08; 1. VK Bund, B. v. 29.10.2009 - Az.: VK 1 - 185/09; 2. VK Bund, B. v.<br />

22.0<strong>8.</strong>2008 - Az.: VK 2 – 73/08; 3. VK Bund, B. v. 20.03.2009 - Az.: VK 3 - 40/09; B. v.<br />

20.03.2009 – Az.. VK 3 – 34/09; B. v. 20.03.2009 – Az.: VK 3 – 22/09; B. v. 16.03.2009 -<br />

Az.: VK 3 - 37/09; B. v. 29.01.2009 - Az.: VK 3 – 200/08; B. v. 29.01.2009 - Az.: VK 3 –<br />

197/08; VK Hessen, B. v. 21.04.2008 - Az.: 69 d VK - 15/2008).<br />

Bei dem Gegenstand des Rabattvertrags handelt es sich auch nicht um e<strong>in</strong>e Konzession,<br />

die vom <strong>Vergaberecht</strong> ausgenommen wäre. E<strong>in</strong>e Dienstleistungskonzession kommt dabei<br />

nicht <strong>in</strong> Betracht, weil es hier um die Lieferung von Fertigarzneimitteln, also Waren, geht.<br />

Dass die Lieferanten sich lieferfähig zu halten haben, stellt <strong>in</strong>soweit ke<strong>in</strong>e besondere<br />

Dienstleistung dar, sondern dient alle<strong>in</strong> der Gewährleistung der Lieferpflichten. In Betracht<br />

käme also alle<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e "Lieferkonzession". Regeln zu Lieferkonzessionen enthalten weder das<br />

EU-Recht noch das deutsche <strong>Vergaberecht</strong>. Schon von daher ist fraglich, ob e<strong>in</strong>e<br />

Lieferkonzession anders als e<strong>in</strong> gewöhnlicher Liefervertrag zu behandeln wäre. Aber selbst<br />

wenn man den Begriff der Konzession, wie er <strong>in</strong> Art. 1 Abs. 4 der Richtl<strong>in</strong>ie 2004/18/EG für<br />

die Dienstleistungskonzession verwendet wird, zugrunde legte, ist die typische Risikostruktur<br />

e<strong>in</strong>er Konzession hier nicht gegeben. Nach der genannten Vorschrift s<strong>in</strong>d<br />

Dienstleistungskonzessionen Verträge, die von Dienstleistungsverträgen nur <strong>in</strong>soweit<br />

abweichen, als die Gegenleistung für die Erbr<strong>in</strong>gung der Dienstleistungen ausschließlich<br />

<strong>in</strong> dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder <strong>in</strong> diesem Recht zuzüglich der<br />

Zahlung e<strong>in</strong>es Preises besteht. Maßgeblich für die E<strong>in</strong>ordnung als Konzession ist die von<br />

e<strong>in</strong>em normalen Dienstleistungsvertrag abweichende Risikoverteilung, die mit e<strong>in</strong>em<br />

Recht zur Nutzung der eigenen Dienstleistung e<strong>in</strong>her geht. Zwar besteht für den<br />

pharmazeutischen Unternehmer e<strong>in</strong>e Unsicherheit, ob und <strong>in</strong> welchem Umfang er <strong>in</strong><br />

Anspruch genommen wird: Denn zum Bezug des rabattierten Arzneimittels kommt es erst,<br />

wenn e<strong>in</strong> Apotheker e<strong>in</strong> Arzneimittel unter drei bzw. vier rabattierten Mitteln ausgewählt hat.<br />

Wird e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelauftrag erteilt, f<strong>in</strong>det dann e<strong>in</strong>e entgeltliche Waren-(Arznei-)lieferung statt.<br />

Diese Situation liegt <strong>in</strong> demselben Umfang gerade auch bei e<strong>in</strong>em Rahmenvertrag vor,<br />

bei dem ebenfalls offen bleibt, ob und <strong>in</strong> welchem Umfang dem Auftragnehmer am Ende<br />

E<strong>in</strong>zelaufträge erteilt werden. Es kommt also nicht zu der konzessionstypischen<br />

"Nutzung" der eigenen Waren/Dienstleistungen außerhalb der Beziehung Auftraggeber –<br />

Auftragnehmer. Die Auftraggeber haben <strong>in</strong> diesem Fall durchaus E<strong>in</strong>fluss darauf, <strong>in</strong> welchem<br />

Umfang die Rabattvertragspartner <strong>in</strong> Anspruch genommen werden. Denn wegen der<br />

Ersetzungsregelung <strong>in</strong> <strong>§</strong> 129 Abs. 1 Satz 3 SGB V werden grundsätzlich nur Medikamente<br />

der Rabattvertragspartner durch den Apotheker ausgegeben. Die Rabattierung bee<strong>in</strong>flusst im<br />

Übrigen bereits das Verhalten des Arztes, der gemäß <strong>§</strong><strong>§</strong> 73 Abs. 5, 84 Abs. 6, 92 Abs. 2 und<br />

106 SGB V zu e<strong>in</strong>er wirtschaftlichen Verordnungspraxis angehalten ist (OLG Düsseldorf, B.<br />

v. 20.02.2008 - Az.: VII - Verg 7/08; B. v. 17.01.2008 - Az.: VII - Verg 57/07; B. v.<br />

19.12.2007 - Az.: VII - Verg 51/07; 2. VK Bund, B. v. 22.0<strong>8.</strong>2008 - Az.: VK 2 – 73/08; B. v.


1084/8<br />

1084/9<br />

1084/10<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

15.11.2007 - Az.: VK 2 - 123/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 120/07, B. v. 15.11.2007 -<br />

Az.: VK 2 - 117/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 114/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 -<br />

108/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 105/07; B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 102/07).<br />

Im Übrigen kennt die VKR e<strong>in</strong>e Lieferkonzession, gar e<strong>in</strong>e, deren Vergabe von der VKR<br />

ausgenommen wäre, nicht. Sie erwähnt lediglich Baukonzessionen und<br />

Dienstleistungskonzessionen, wobei alle<strong>in</strong> letztere aufgrund e<strong>in</strong>er ausdrücklichen Vorschrift<br />

nicht von der Richtl<strong>in</strong>ie erfasst werden (Art. 17 VKR). Nach der kohärenten<br />

Neukodifizierung des <strong>Vergaberecht</strong>s durch die VKR, die die bis dah<strong>in</strong> nicht ausdrücklich<br />

angesprochene Dienstleistungskonzession e<strong>in</strong>er Regelung zugeführt hat, besteht ke<strong>in</strong> Anlass<br />

dafür, die Existenz von „Lieferkonzessionen“ anzunehmen, jedenfalls dann, wenn man<br />

sie nicht als Unterart des „öffentlichen Lieferauftrages“ ansieht (OLG Düsseldorf, B. v.<br />

20.02.2008 - Az.: VII - Verg 7/08; B. v. 17.01.2008 - Az.: VII - Verg 57/07; B. v. 19.12.2007<br />

- Az.: VII - Verg 51/07; 2. VK Bund, B. v. 22.0<strong>8.</strong>2008 - Az.: VK 2 – 73/08; 1. VK Sachsen,<br />

B. v. 13.0<strong>8.</strong>2009 - Az.: 1/SVK/034-09, 1/SVK/034-09G).<br />

Auch ist die Leistungsbeziehung e<strong>in</strong>er vergaberechtsfreien Dienstleistungskonzession<br />

nicht so ähnlich, dass die reglementierte Vergabe ke<strong>in</strong>e Anwendung f<strong>in</strong>den könnte.<br />

Bezüglich der Risikounterworfenheit des Geschäftes für die beteiligten<br />

Pharmaunternehmen gilt: Unsicher für den Leistungserbr<strong>in</strong>ger ist lediglich, wie oft er<br />

von Patienten <strong>in</strong> Anspruch genommen wird. Diese Unsicherheit besteht für e<strong>in</strong>en<br />

Vertragspartner jedoch genauso, wenn er etwa auf Abruf Bedarfe e<strong>in</strong>es öffentlichen<br />

Auftraggebers erfüllt, deren Umfang anfänglich noch nicht abschließend feststeht. Die<br />

für e<strong>in</strong>e Dienstleistungskonzession prägende Risikoverlagerung für die Erwirtschaftung e<strong>in</strong>es<br />

Entgeltes auf den Konzessionsnehmer liegt dar<strong>in</strong> nicht. Auch muss der Auftragnehmer<br />

ke<strong>in</strong>e kostenträchtigen Strukturen aufbauen und vorhalten, deren Amortisation durch<br />

die Vergütung für die E<strong>in</strong>zelaufträge erfolglos bleiben könnte. Wie das praktische<br />

Angebotsverhalten gezeigt hat, haben e<strong>in</strong>e Vielzahl von Pharmaunternehmen die<br />

nachgefragten Wirkstoffe – von Ausnahmen abgesehen – <strong>in</strong> ihrer Produktpalette. Diese<br />

Unternehmen unterliegen mit ihren Produkten bereits dem Konkurrenzdruck und<br />

können nicht sicher abschätzen, welche Umsätze sie machen werden. Durch den<br />

Abschluss von Rabattierungsverträgen wird diese Unsicherheit partiell eher verr<strong>in</strong>gert<br />

als vergrößert. Die gesetzlichen Krankenkassen übertragen den Unternehmen ke<strong>in</strong> ihnen<br />

zustehendes Recht, etwa Herstellung oder Vertrieb von Arzneimittel, welches die<br />

Unternehmen auf eigenes Risiko unter Aufbau von neuen Strukturen und Erschließung von<br />

Kunden ausnützen müssten. Sie kanalisieren lediglich die ohneh<strong>in</strong> stattf<strong>in</strong>denden<br />

Arzneimittelverkäufe. E<strong>in</strong> zusätzliches Risiko, welches die Anwendung des <strong>Vergaberecht</strong>s<br />

ausschließen würde, wird für die Unternehmen dadurch nicht begründet (VK<br />

Düsseldorf, B. v. 31.10.2007 - Az.: VK - 31/2007 – L).<br />

Um e<strong>in</strong>en solchen Rabattvertrag handelt es sich auch bei den Rabattverträgen zur<br />

Belieferung von Vertragsarztpraxen mit Medikamenten. Im Rabattvertrag wird e<strong>in</strong><br />

Abschlag auf e<strong>in</strong>e Bezugsgröße, die an anderer Stelle vorgegeben wird<br />

(Apothekene<strong>in</strong>kaufspreis gemäß Lauer-Liste), und damit e<strong>in</strong> Element der<br />

Preisberechnung zwischen den Krankenkassen und den Lieferanten vere<strong>in</strong>bart. Dies<br />

steht der E<strong>in</strong>ordnung des Rabattvertrages als öffentlicher Auftrag jedoch <strong>in</strong>soweit nicht<br />

entgegen, als der <strong>in</strong> <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 1 <strong>GWB</strong> vorgegebene Auftragsbegriff <strong>in</strong> <strong>§</strong> 3 a Nr. 4 Abs. 1<br />

VOL/A, der auf Art. 1 Abs. 5, Art. 32 der Richtl<strong>in</strong>ie 2004/18/EG zurückgeht, um die<br />

Rahmenvere<strong>in</strong>barungen erweitert wird. Gemäß <strong>§</strong> 3 a Nr. 4 Abs. 1 VOL/A s<strong>in</strong>d auch<br />

Rahmenvere<strong>in</strong>barungen als öffentlicher Auftrag zu qualifizieren, obwohl sie selbst noch nicht<br />

den eigentlichen Austauschvertrag be<strong>in</strong>halten, sondern lediglich Bed<strong>in</strong>gungen für


1084/11<br />

1084/11,2<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

E<strong>in</strong>zelverträge regeln, die zu e<strong>in</strong>em späteren Zeitpunkt abgeschlossen werden. Genau dies ist<br />

es, was die hier zur Diskussion stehenden Rabattverträge tun: Bezüglich des Preises wird e<strong>in</strong>e<br />

Abrede, nämlich die Rabatthöhe, vor die Klammer der nachfolgenden E<strong>in</strong>zelverträge<br />

gezogen. Der Abschluss der E<strong>in</strong>zelverträge erfolgt dann, wenn der jeweilige Vertragsarzt<br />

Medikamente ordert (VK Baden-Württemberg, B. v. 30.12.2008 - Az.: 1 VK 51/08; 3. VK<br />

Bund, B. v. 15.0<strong>8.</strong>2008 - Az.: VK 3 – 107/08; B. v. 14.11.2007 - Az.: VK 3 - 124/07; im<br />

Ergebnis ebenso 2. VK Bund, B. v. 22.0<strong>8.</strong>2008 - Az.: VK 2 – 73/08; B. v. 0<strong>8.</strong>02.2008 - VK 2<br />

- 156/07; 3. VK Bund, B. v. 0<strong>8.</strong>02.2008 - Az.: VK 3 - 29/08; B. v. 06.02.2008 - Az.: VK 3 -<br />

11/08; B. v. 05.02.2008 - Az.: VK 3 - 23/08; B. v. 05.02.2008 - Az.: VK 3 - 17/08; B. v.<br />

05.02.2008 - Az.: VK 3 - 08/08; B. v. 09.01.2008 - Az.: VK 3 - 145/07).<br />

Streitig ist <strong>in</strong>soweit, ob die jeweiligen E<strong>in</strong>zelkaufverträge zwischen den Krankenkassen<br />

und den Lieferanten direkt zustande kommen – über die Konstruktion „Arzt als<br />

Vertreter der Krankenkassen“ – oder aber ob die E<strong>in</strong>zelverträge zwischen Arzt und<br />

Lieferant geschlossen werden, die direkte Abrechnung zwischen Krankenkassen und<br />

Lieferant also lediglich e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>fachung des Zahlungsweges darstellt. Sollte die<br />

Auffassung der Krankenkassen zutreffen, so wäre hier im Vergleich zu herkömmlichen<br />

Rahmenvere<strong>in</strong>barungen die Besonderheit zu konstatieren, dass die Vertragsparteien<br />

zwischen Rahmenvere<strong>in</strong>barung und nachfolgenden E<strong>in</strong>zelverträgen ause<strong>in</strong>anderfallen:<br />

Krankenkassen und Lieferanten als Rabattvertragspartner e<strong>in</strong>erseits, Arzt und Lieferant als<br />

Kaufvertragspartner andererseits. Selbst wenn die Auffassung der Krankenkassen zutreffend<br />

wäre, so kann dies aber den Charakter der Rabattvere<strong>in</strong>barung als öffentlicher Auftrag nicht<br />

ausschließen: <strong>§</strong> 3 a Nr. 4 VOL/A sowie die zugrundeliegenden Richtl<strong>in</strong>ienbestimmungen<br />

verlangen erstens ihrem Wortlaut nach nicht, dass die jeweiligen Vertragspartner von<br />

Rahmenvere<strong>in</strong>barung und E<strong>in</strong>zelverträgen identisch se<strong>in</strong> müssen, wobei allerd<strong>in</strong>gs zu<br />

konzedieren ist, dass bei Schaffung der Bestimmungen seitens der jeweiligen Normgeber<br />

vermutlich gar nicht an den Sonderfall und an die Möglichkeit des Ause<strong>in</strong>anderfallens<br />

der Vertragspartner gedacht wurde. Relevanter ist daher zweitens, dass beide Verträge<br />

wirtschaftlich eng mite<strong>in</strong>ander verknüpft s<strong>in</strong>d. Dies zeigen die Ausführungen, wonach die<br />

Belieferung e<strong>in</strong>es Arztes mit Produkten problemlos und ohne die sonst erforderliche strenge<br />

Prüfung der Bezugsberechtigung und der Bonität erfolgt, wenn der Arzt e<strong>in</strong>e kassenärztliche<br />

Verordnung über das Medikament vorlegt, dies belegen die direkten Zahlungswege der<br />

Krankenkassen an die Lieferanten, und dies belegt nicht zuletzt die Tatsache, dass die<br />

Krankenkassen überhaupt die Möglichkeit haben, über die Rabattvere<strong>in</strong>barung <strong>in</strong> den<br />

zwischen zwei anderen Vertragsparteien geschlossenen Kaufvertrag „h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zuregieren“. Bei<br />

der im <strong>Vergaberecht</strong> gebotenen funktionalen Betrachtungsweise s<strong>in</strong>d folglich beide<br />

Verträge als wirtschaftliche E<strong>in</strong>heit zu sehen und zusammenzufassen. Folglich kommt es<br />

nicht darauf an, wie die Vertragsbeziehungen im e<strong>in</strong>zelnen geregelt s<strong>in</strong>d; auch wenn die<br />

Krankenkassen als Vertragspartner des Rabattvertrags nicht Vertragspartner der<br />

E<strong>in</strong>zelkaufverträge werden sollten, handelt es sich bei Abschluss der Rabattverträge um<br />

die Vergabe e<strong>in</strong>es öffentlichen Auftrags, der grundsätzlich der Nachprüfung seitens der<br />

Vergabekammer unterliegt (LSG Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen, B. v. 10.09.2009 - Az.: L 21 KR<br />

53/09 SFB; B. v. 03.09.2009 - Az.: L 21 KR 51/09 SFB; 3. VK Bund, B. v. 26.03.2009 - Az.:<br />

VK 3 – 43/09; B. v. 30.01.2009 - Az.: VK 3 – 221/08; B. v. 29.01.2009 - Az.: VK 3 – 200/08;<br />

B. v. 29.01.2009 - Az.: VK 3 – 197/08; B. v. 15.0<strong>8.</strong>2008 - Az.: VK 3 – 107/08; B. v.<br />

14.11.2007 - Az.: VK 3 - 124/07).<br />

Nach Auffassung des LSG Baden-Württemberg h<strong>in</strong>gegen s<strong>in</strong>d Rabattverträge nach <strong>§</strong> 130a<br />

SGB V ke<strong>in</strong>e öffentlichen Lieferaufträge. Bei der Auslieferung von Arzneimitteln an<br />

Versicherte der gesetzlichen Krankenkasse kommt e<strong>in</strong> Kaufvertrag zwischen der<br />

Krankenkasse und dem Apotheker zustande. Der pharmazeutische Unternehmer ist an


1084/11,3<br />

1084/11,31<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

diesem Vertrag weder beteiligt noch wird er dadurch <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Rechten betroffen. Da<br />

der Apotheker Vertragspartner der Krankenkasse wird, kann se<strong>in</strong> Handeln auch nicht der<br />

Krankenkasse zugerechnet werden. Auf Seiten der Krankenkasse agieren nur der Vertragsarzt<br />

bei der Ausstellung der Arzneimittelverordnung (als Vertreter der Krankenkasse) und der<br />

Versicherte (ebenfalls als Vertreter bei der Auswahl der Apotheke, im Übrigen als Bote). E<strong>in</strong>e<br />

der Krankenkasse zuzurechnende vergaberechtliche Auswahlentscheidung kann auch nicht<br />

ohne Weiteres dar<strong>in</strong> gesehen werden, dass der Apotheker nach <strong>§</strong> 129 Abs. 1 Satz 3 SGB V im<br />

Falle e<strong>in</strong>es Vertrages nach <strong>§</strong> 130a Abs. 8 SGB V für den betreffenden Wirkstoff e<strong>in</strong><br />

Medikament auswählen muss, das Gegenstand e<strong>in</strong>es Rabattvertrages ist. Denn die Nachfrage<br />

nach Arzneimitteln wird nicht durch die Rabattverträge, sondern - abgesehen vom<br />

Versicherten - durch den die Verordnung ausstellenden Vertragsarzt bestimmt. Er<br />

entscheidet darüber, welches Arzneimittel der Versicherte erhalten soll und ob die Ersetzung<br />

des verordneten Arzneimittels durch e<strong>in</strong> wirkstoffgleiches ausgeschlossen wird. Diese<br />

Entscheidung kann aufgrund der bestehenden Therapiefreiheit des Arztes nicht der<br />

Krankenkasse zugerechnet werden. Alle<strong>in</strong> dadurch erhalten die pharmazeutischen<br />

Unternehmer, mit denen e<strong>in</strong> Rabattvertrag abgeschlossen worden ist, ke<strong>in</strong>e Sonderstellung im<br />

Wettbewerb, die e<strong>in</strong>er Absatzgarantie für die rabattierten Medikamente gleichkommt.<br />

Etwas anderes kann allerd<strong>in</strong>gs gelten, wenn der Rabattvertrag e<strong>in</strong>e Bestimmung enthält,<br />

nach der die Krankenkasse verpflichtet ist, ke<strong>in</strong>e weiteren Rabattverträge mit anderen<br />

pharmazeutischen Unternehmen abzuschließen, die vergleichbare Arzneimittel anbieten<br />

(Zusicherung von Exklusivität). In e<strong>in</strong>em solchen Fall führt der Rabattvertrag i.V.m. der<br />

Ersetzungsverpflichtung des Apothekers nach <strong>§</strong> 129 Abs. 1 Satz 3 SGB V tatsächlich zu<br />

e<strong>in</strong>em Wettbewerbsvorteil, den der Auftraggeber dem Unternehmen e<strong>in</strong>räumt, um e<strong>in</strong>en<br />

möglichst hohen Rabatt zu erzielen. Insoweit kann der Rabattvertrag als öffentlicher Auftrag<br />

<strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Rahmenvere<strong>in</strong>barung zu werten se<strong>in</strong> (LSG Baden-Württemberg, B. v.<br />

23.01.2009 - Az.: L 11 WB 5971/08; B. v. 2<strong>8.</strong>10.2008 - Az.: L 11 KR 4810/08 ER-B; LSG<br />

Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen, B. v. 29.04.2009 - Az.: L 21 KR 42/09 SFB; B. v. 29.04.2009 - Az.: L<br />

21 KR 41/09 SFB; B. v. 2<strong>8.</strong>04.2009 - Az.: L 21 KR 40/09 SFB; B. v. 23.04.2009 - Az.: L 21<br />

KR 36/09 SFB; B. v. 0<strong>8.</strong>04.2009 - Az.: L 21 KR 27/09 SFB; B. v. 02.04.2009 - Az.: L 21 KR<br />

35/09 SFB; B. v. 26.03.2009 - Az.: L 21 KR 26/09 SFB; VK Baden-Württemberg, B. v.<br />

30.12.2008 - Az.: 1 VK 51/08).<br />

Nach Auffassung des LSG Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen kommt es nicht darauf an, ob<br />

Exklusivitätsrechte vertraglich vere<strong>in</strong>bart worden s<strong>in</strong>d. Vielmehr ist ausreichend, dass<br />

Rabattverträge tatsächlich geeignet s<strong>in</strong>d, e<strong>in</strong>en Wettbewerbsvorteil im H<strong>in</strong>blick auf<br />

Mitbewerber zu bewirken. Hiervon ist auch der Gesetzgeber im Rahmen der Vorarbeiten<br />

zum GKV-OrgWG ausgegangen. Der Ausschuss für Gesundheit hat nämlich ausgeführt, dass<br />

Arzneimittelrabattverträge über Generika wegen der den Krankenkassen zuzurechnenden<br />

Ersetzungspflicht nach <strong>§</strong> 129 Abs. 1 Satz 3 SGB V und dem damit verbundenen mittelbaren<br />

E<strong>in</strong>fluss auf die Auswahlentscheidung des Vertragsgegenstandes als öffentliche <strong>Aufträge</strong> zu<br />

qualifizieren se<strong>in</strong> können (BT-Drs. 16/10609 S. 52 f.). Die Bee<strong>in</strong>flussung der<br />

Auswahlentscheidung durch die Ersetzungspflicht führt jedoch letztlich zu e<strong>in</strong>em<br />

Wettbewerbsvorteil für den Rabattvertragspartner im Verhältnis zu Mitbewerbern, da<br />

diese im Verhältnis zu den Mitbewerbern <strong>in</strong> die Lage versetzt werden, ihren Umsatz zu<br />

erhöhen und ihnen mith<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e gesetzlich abgesicherte Sonderstellung im Wettbewerb<br />

e<strong>in</strong>geräumt wird. Darüber h<strong>in</strong>aus ergibt sich aus den bei der Auslegung des Vertrages zu<br />

beachtenden tatsächlichen Umständen, dass e<strong>in</strong> Wettbewerbsvorteil e<strong>in</strong>geräumt wird<br />

und dies auch von Vertragsparteien so gewollt ist, wenn durch Rundschreiben an<br />

Vertragsärzte und Versicherte u.a. darauf verwiesen wird, dass e<strong>in</strong> bestimmtes Produkt e<strong>in</strong>e<br />

wirtschaftliche Alternative z.B. für die Interferontherapie bei der Behandlung der MS


1084/11,4<br />

1084/12<br />

1084/13<br />

1084/14<br />

1084/15<br />

1084/15,1<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

darstellt, e<strong>in</strong>e Verordnung dieses Arzneimittels bei entsprechender Indikation begrüßt wird<br />

und dass Wirtschaftlichkeitsreserven gehoben werden können und wenn gegenüber den<br />

Versicherten ausgeführt wird, dass es zu e<strong>in</strong>er Substitution kommen wird, wenn der<br />

behandelnde Arzt e<strong>in</strong>e solche nicht ausschließe. Insbesondere das Schreiben an die<br />

Vertragsärzte ist geeignet, deren Verordnungsverhalten zu steuern und e<strong>in</strong>em Produkt<br />

und damit e<strong>in</strong>em Hersteller dadurch e<strong>in</strong>e bevorzugte Stellung im Wettbewerb zu<br />

verschaffen (LSG Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen, B. v. 10.09.2009 - Az.: L 21 KR 53/09 SFB).<br />

Die <strong>in</strong> der sozialgerichtlichen Rechtsprechung im H<strong>in</strong>blick auf e<strong>in</strong>e für erforderlich gehaltene<br />

Lenkungswirkung genannte Voraussetzung, dem Rabattvertragspartner müsse Exklusivität<br />

zugesichert werden, ist nicht dah<strong>in</strong> zu verstehen, dass Rahmenverträge mit mehreren<br />

Vertragspartnern – e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> <strong>§</strong> 3 a Nr. 4 VOL/A ausdrücklich erwähnte<br />

Gestaltungsmöglichkeit – nicht dem <strong>Vergaberecht</strong> unterfallen. Etwas anderes könnte<br />

allenfalls dann gelten, wenn e<strong>in</strong>e bevorzugte Stellung der Vertragspartner im Wettbewerb<br />

wegen e<strong>in</strong>er nahezu sämtliche Anbieter umfassenden Vielzahl von Vertragspartnern<br />

verne<strong>in</strong>t werden müsste. Dies ist aber bei lediglich drei Rabattvertragspartnern pro Los nicht<br />

der Fall (2. VK Bund, B. v. 26.05.2009 - Az.: VK 2 – 30/09).<br />

Zur Entgeltlichkeit e<strong>in</strong>es solchen Vertrages vgl. die Kommentierung RZ 1054/3.<br />

Das Bundessozialgericht lässt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Rechtswegbeschluss zur Frage der Zuständigkeit<br />

des Sozialrechtswegs oder des Zivilrechtswegs die Frage, ob auf Rabattverträge im S<strong>in</strong>n<br />

von <strong>§</strong> 130a Abs. 8 SGB V das <strong>Vergaberecht</strong> anzuwenden ist, ausdrücklich offen<br />

(Bundessozialgericht, B. v. 22.04.2008 - Az.: B 1 SF 1/08 R).<br />

Zur Frage des Rechtsweges gegen Entscheidungen der Vergabekammern über Rabattverträge<br />

vgl. die Kommentierung zu <strong>§</strong> 116 <strong>GWB</strong> RZ 2532/2.<br />

<strong>8.</strong>1.14.2 Literatur<br />

• Burgi, Mart<strong>in</strong>, Hilfsmittelverträge und Arzneimittel-Rabattverträge als öffentliche<br />

Lieferaufträge?, NZBau 2008, 480<br />

• Dreher, Me<strong>in</strong>rad / Hoffmann, Jens, Der Auftragsbegriff nach <strong>§</strong> <strong>99</strong> <strong>GWB</strong> und die<br />

Tätigkeit der gesetzlichen Krankenkassen, NZBau 2009, 273<br />

• Gabriel Marc / We<strong>in</strong>er, Kathar<strong>in</strong>a, Arzneimittelrabattverträge im generischen und<br />

patentgeschätzten Bereich: Überblick über den aktuellen Stand, NZS 2009, 422<br />

<strong>8.</strong>1.15 Rabattverträge gemäß <strong>§</strong> 130a Abs. 8 SGB V über die Lieferung<br />

von ableitenden Inkont<strong>in</strong>enzartikeln und Erbr<strong>in</strong>gung bestimmter<br />

Dienstleistungen<br />

Um Rahmenvere<strong>in</strong>barungen im S<strong>in</strong>ne des <strong>Vergaberecht</strong>s handelt es sich auch bei<br />

Rahmenverträgen über die Lieferung von ableitenden Inkont<strong>in</strong>enzartikeln und<br />

Erbr<strong>in</strong>gung bestimmter Dienstleistungen, <strong>in</strong> denen Preispauschalen sowie weitere<br />

Vertragsbed<strong>in</strong>gungen zur Durchführung der Versorgung der Versicherten mit den<br />

fraglichen Inkont<strong>in</strong>enzartikeln für alle nachfolgenden E<strong>in</strong>zelaufträge festgelegt werden.


1084/15,2<br />

1084/16<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Der Abschluss der E<strong>in</strong>zelverträge erfolgt dann, wenn e<strong>in</strong> Versicherter <strong>in</strong>folge des<br />

Sachleistungspr<strong>in</strong>zips nach <strong>§</strong> 2 Abs. 2 SGB V zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen<br />

aufgrund e<strong>in</strong>er ärztlichen Verordnung Anspruch auf die Versorgung mit ableitenden<br />

Inkont<strong>in</strong>enzartikeln hat. Dass nicht die gesetzlichen Krankenkassen selbst die Entscheidung<br />

über die E<strong>in</strong>zelaufträge fällen, sondern der Arzt durch die entsprechende ärztliche<br />

Verordnung, ist unerheblich, da diese den gesetzlichen Krankenkassen zugerechnet werden.<br />

Es kommt alle<strong>in</strong> darauf an, dass die gesetzlichen Krankenkassen – über den Arzt – den<br />

Auftragnehmer mit der Lieferung der Inkont<strong>in</strong>enzprodukte e<strong>in</strong>schließlich bestimmter<br />

Dienstleistungen beauftragen und ihn für die Leistung bezahlen (1. VK Bund, B. v.<br />

16.12.2008 - Az.: VK 1 - 156/08).<br />

<strong>8.</strong>1.16 Abgabe von Röntgenkontrastmitteln<br />

Die Krankenkasse als öffentlicher Auftraggeber schließt bei Rabattverträgen mit dem<br />

Lieferanten der Präparate e<strong>in</strong>en Kaufvertrag. Hierbei handelt sie nicht selbst, sondern über<br />

den Arzt, der die Bestellung vornimmt. Dieser ist kraft der ihm durch das Kassenarztrecht<br />

verliehenen Kompetenzen (vgl. z.B. <strong>§</strong> 72 Abs. 1, 73 Abs. 2 Nr. 7 SGB V) Stellvertreter der<br />

Krankenkasse und agiert als solcher mit Wirkung für und gegen die Krankenkasse. Die<br />

Bezahlung erfolgt sodann direkt im Verhältnis Krankenkasse – Lieferant. Dies gilt auch im<br />

Dreiecksverhältnis bei der Abgabe von Röntgenkontrastmitteln. Röntgenkontrastmittel<br />

s<strong>in</strong>d ebenfalls Arzneimittel, die im Rahmen der Versorgung der Versicherten e<strong>in</strong>gesetzt<br />

werden. E<strong>in</strong>e Abweichung <strong>in</strong> der praktischen Abwicklung, die jedoch nichts an der<br />

rechtlichen Bewertung ändert, ergibt sich lediglich daraus, dass Röntgenkontrastmittel<br />

wie der übrige Sprechstundenbedarf naturgemäß nicht <strong>in</strong>dividuell patientenbezogen<br />

beschafft werden, da sie <strong>in</strong> der Arztpraxis bei der Untersuchung zum E<strong>in</strong>satz kommen<br />

und ihre Anwendung dem Arzt vorbehalten bleiben muss. E<strong>in</strong>e Abgabe dieser<br />

Präparate über die Apotheken f<strong>in</strong>det daher grundsätzlich nicht statt, es ist vielmehr<br />

geboten, die Kontrastmittel direkt <strong>in</strong> der Praxis als Sprechstundenbedarf vorzuhalten. Es<br />

entfällt somit im Vergleich zu herkömmlichen Medikamenten lediglich die Übermittlung des<br />

Kaufvertragsangebots durch e<strong>in</strong>en Boten. Ferner wird der Apotheker <strong>in</strong> der vorliegenden<br />

Leistungsbeziehung ersetzt durch den Lieferanten des Röntgenkontrastmittels. Vermittelt<br />

durch den Arzt wird somit e<strong>in</strong> Vertrag zwischen Krankenkasse und dem Lieferanten<br />

der Kontrastmittel abgeschlossen (3. VK Bund, B. v. 20.01.2009 - Az.: VK 3 – 191/08; B.<br />

v. 20.01.2009 - Az.: VK 3 – 188/08; B. v. 20.01.2009 - Az.: VK 3 – 185/08;).<br />

<strong>8.</strong>1.17 Anzuwendende Vorschriften bei sozialrechtlichen<br />

Beschaffungen<br />

Es ist möglich, dass bestimmte Vorschriften der VOL/A im Bereich der Vergabe von<br />

<strong>Aufträge</strong>n gesetzlicher Krankenkassen entweder im Lichte des SGB V ausgelegt werden<br />

oder gar h<strong>in</strong>ter den Vorschriften des SGB V zurücktreten müssen. Soweit nicht das<br />

Primärrecht sowie die VKR zw<strong>in</strong>gende Vorschriften enthalten, ist der nationale Gesetzgeber<br />

bei der Ausgestaltung der Vergabevorschriften frei. Damit kann er <strong>in</strong>soweit auch für<br />

bestimmte Bereiche besondere, den allgeme<strong>in</strong> geltenden Vorschriften vorgehende<br />

Rechtsnormen schaffen. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass bestimmte Vorschriften<br />

des SGB V als leges speciales zur VOL/A anzusehen s<strong>in</strong>d (OLG Düsseldorf, B. v.<br />

20.10.2008 - Az.: VII-Verg 46/08; B. v. 26.05.2008 - Az.: VII - Verg 14/08; B. v. 19.03.2008<br />

- Az.: VII-Verg 13/08).


1084/17<br />

1085<br />

1086<br />

1086/1<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

<strong>8.</strong>1.18 Handelspartnerverträge<br />

Besteht e<strong>in</strong> Handelspartnervertrag (z.B. e<strong>in</strong> MS-Select-Vertrag) und soll e<strong>in</strong> neuer<br />

Vertragspartner gesucht werden, ist die Auswahl dieses neuen Vertragspartners e<strong>in</strong><br />

Beschaffungsvorgang, die Avisierung des Umsatzes zeigen, dass beabsichtigt ist, wie bisher<br />

direkt, also ohne nochmaligen Wettbewerb, Produkte von dem neuen Handelspartner<br />

auf der Grundlage der Vere<strong>in</strong>barungen zu beziehen, die Gegenstand des angegriffenen<br />

Vergabeverfahrens s<strong>in</strong>d. Das formale Offenhalten jeglicher Abnahme sowie der<br />

abnehmenden Stellen ändert an dieser E<strong>in</strong>schätzung nichts. Bei der angezeigten<br />

funktionalen Betrachtung liegt e<strong>in</strong> öffentlicher Auftrag vor, wenn e<strong>in</strong>e Marktansprache zur<br />

Bedarfsdeckung führt, ohne dass es <strong>in</strong> Bezug auf den Auftragnehmer noch weitere<br />

Auswahlverfahren geben wird, bei denen andere Anbieter e<strong>in</strong>e Vertragschance hätten. Wenn<br />

der Vertrag mit e<strong>in</strong>em neuen Handelspartner abgeschlossen worden wäre, hätten die<br />

Bedarfsstellen des Auftraggebers ihren Bedarf an den ausgeschriebenen Produkten <strong>in</strong><br />

erheblichem Umfang direkt durch Lizenzerwerb bei diesem Händler gedeckt. Im gesamten<br />

Ablauf bis zur Deckung des Bedarfes hätte ke<strong>in</strong> anderer Händler e<strong>in</strong>e Chance darauf<br />

gehabt, Verträge abzuschließen (VK Düsseldorf, B. v. 23.05.2008 - Az.: VK - 7/2008 – L).<br />

<strong>8.</strong>1.19 Weitere Literatur<br />

• Rittwage, Ralf, E<strong>in</strong>zel- und Gruppenrechtsnachfolge bei öffentlichen <strong>Aufträge</strong>n,<br />

VergabeR 2006, 327<br />

<strong>8.</strong>2 Lieferaufträge (<strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 2)<br />

<strong>8.</strong>2.1 Allgeme<strong>in</strong>es<br />

E<strong>in</strong> öffentlicher Lieferauftrag liegt nach <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 2 <strong>GWB</strong> vor, wenn sich der Vertrag auf die<br />

Beschaffung von Waren bezieht. Die Def<strong>in</strong>ition entspricht Art. 1 Abs. 2 Buchstabe c)<br />

Vergabekoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie. Unerheblich ist bei der Beschaffung, ob der Auftragnehmer<br />

dem öffentlichen Auftraggeber die Verfügungsgewalt an der Ware dadurch verschafft, dass er<br />

die Sache <strong>in</strong> dessen E<strong>in</strong>flussbereich br<strong>in</strong>gt. Im <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 2 <strong>GWB</strong> werden "<strong>in</strong>sbesondere" der<br />

Kauf und Ratenkauf, Leas<strong>in</strong>g-, Miet- und Pachtverträge genannt. Entscheidendes Kriterium<br />

zur Bejahung e<strong>in</strong>es Liefervertrages ist nach <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 2 <strong>GWB</strong> also nicht die von den<br />

Parteien gewählte Vertragsform, sondern alle<strong>in</strong> die Verschaffung der Verfügungsgewalt,<br />

sei es durch Erwerb oder durch Gebrauchsüberlassung (VK Südbayern, B. v. <strong>8.</strong>10.2001 - Az.:<br />

28-08/01).<br />

Gemäß der Bestimmung des Begriffs der „öffentlichen Lieferaufträge“ <strong>in</strong> Art. 1 Abs. 2<br />

Buchst. c Unterabs. 1 der Richtl<strong>in</strong>ie 2004/18 bezieht sich dieser Begriff auf Geschäfte wie<br />

beispielsweise Kauf und Miete, die weiter nicht spezifizierte „Waren“ betreffen, ohne dass<br />

danach unterschieden würde, ob die fraglichen Waren standardmäßig oder für den<br />

E<strong>in</strong>zelfall, d. h., nach den konkreten Wünschen und Bedürfnissen des Kunden,


1087<br />

1088<br />

1089<br />

1090<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

hergestellt wurden. Der Warenbegriff, auf den diese Vorschrift allgeme<strong>in</strong> abstellt,<br />

schließt folglich auch e<strong>in</strong> Anfertigungsverfahren e<strong>in</strong>, unabhängig davon, ob die<br />

betreffende Ware den Verbrauchern bereits <strong>in</strong> fertigem Zustand zur Verfügung gestellt<br />

oder nach deren Anforderungen hergestellt worden ist. Diese Betrachtungsweise wird<br />

durch Art. 1 Abs. 4 der Richtl<strong>in</strong>ie 1<strong>99</strong>9/44 bestätigt, die als „Kaufverträge“ allgeme<strong>in</strong> und<br />

ohne Unterscheidung „Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender<br />

Verbrauchsgüter“ e<strong>in</strong>stuft (EuGH, Urteil v. 11.06.2009 - Az.: C-300/07).<br />

<strong>8.</strong>2.2 Abgrenzung zum Bauauftrag<br />

<strong>Aufträge</strong>, die nicht über den re<strong>in</strong>en Austausch e<strong>in</strong>er Ware gegen Vergütung h<strong>in</strong>ausgehen, die<br />

<strong>in</strong>sbesondere die bloße Lieferung von Baustoffen oder Bauteilen ohne <strong>in</strong>dividuelle, auf<br />

das Bauvorhaben bezogene Be- oder Verarbeitung zum Gegenstand haben, haben ke<strong>in</strong>en<br />

h<strong>in</strong>reichend engen funktionalen Zusammenhang mit der Erstellung des Bauwerks. Sie zählen<br />

nicht zu den Bau-, sondern zu den Lieferaufträgen (OLG München, B. v. 2<strong>8.</strong>09.2005 - Az.:<br />

Verg 019/05).<br />

<strong>8.</strong>2.3 Literatur<br />

• Burgi, Mart<strong>in</strong>, Hilfsmittelverträge und Arzneimittel-Rabattverträge als öffentliche<br />

Lieferaufträge?, NZBau 2008, 480<br />

• Dreher, Me<strong>in</strong>rad / Hoffmann, Jens, Der Auftragsbegriff nach <strong>§</strong> <strong>99</strong> <strong>GWB</strong> und die<br />

Tätigkeit der gesetzlichen Krankenkassen, NZBau 2009, 273<br />

• Specht, He<strong>in</strong>rich, Stromlieferverträge im liberalisierten Energiemarkt: Gestaltung von<br />

Sonderverträgen und Ausschreibung von Stromlieferungen, Berl<strong>in</strong>, 2005<br />

<strong>8.</strong>3 Bauaufträge (<strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 3)<br />

<strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 3 nennt drei Typen von Bauaufträgen, nämlich<br />

• die Ausführung oder die gleichzeitige Planung und Ausführung e<strong>in</strong>es Bauvorhabens,<br />

• die Ausführung oder die gleichzeitige Planung und Ausführung e<strong>in</strong>es Bauwerks, das<br />

Ergebnis von Tief- oder Hochbauarbeiten ist und e<strong>in</strong>e wirtschaftliche oder technische<br />

Funktion erfüllen soll,<br />

• die Ausführung oder die gleichzeitige Planung und Ausführung e<strong>in</strong>er Bauleistung<br />

durch Dritte gemäß den vom Auftraggeber genannten Erfordernissen<br />

<strong>8.</strong>3.1 Notwendiger Inhalt e<strong>in</strong>es Bauauftrags (Bauverpflichtung)<br />

Gegenstand des Bauauftrages ist jeweils e<strong>in</strong>e Werkleistung (BayObLG, B. v. 2<strong>8.</strong><strong>8.</strong>2002 -<br />

Az.: Verg 20/02). Anderer Auffassung ist <strong>in</strong>soweit das OLG Dresden: Für den<br />

vergaberechtlichen Begriff des Bauauftrags kommt es nicht darauf an, dass die Leistung


1090/1<br />

1091<br />

1092<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

nach deutschem Zivilrecht als Werkvertragsleistung e<strong>in</strong>zustufen wäre; auch e<strong>in</strong>e<br />

Werklieferung oder e<strong>in</strong> schlichter Kauf kann wegen des funktionsbed<strong>in</strong>gten Zusammenhangs<br />

der zu beschaffenden Gegenstände mit dem damit auszustattenden Gebäude als Bestandteil<br />

der Bauleistung anzusehen se<strong>in</strong> (OLG Dresden, B. v. 02.11.2004 - Az.: WVerg 11/04).<br />

Ob der Begriff des Bauauftrags unter dem Gebot der autonomen und e<strong>in</strong>heitlichen<br />

Auslegung des Geme<strong>in</strong>schaftsrechts sowie e<strong>in</strong>er mit der Vergabekoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie<br />

2004/18/EG vom 31.3.2004 konformen Auslegung auf Seiten des Auftragnehmers die<br />

E<strong>in</strong>gehung e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>klagbaren Bau- oder Realisierungsverpflichtung erfordert, hat die<br />

Rechtsprechung bisher offen gelassen. Das OLG Düsseldorf weist <strong>in</strong> diesem<br />

Zusammenhang lediglich darauf h<strong>in</strong>, dass der deutschsprachige Wortlaut der<br />

Begriffsbestimmung e<strong>in</strong>es öffentlichen Bauauftrags <strong>in</strong> Art. 1 Abs. 2 b der<br />

Vergabekoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie ke<strong>in</strong>en H<strong>in</strong>weis auf e<strong>in</strong>e derartige (e<strong>in</strong>klagbare)<br />

Verpflichtung enthält. Auch die englische und die französische Fassung der Richtl<strong>in</strong>ie<br />

sprechen nicht von e<strong>in</strong>er solchen Verpflichtung des Auftragnehmers, sondern nur davon, dass<br />

öffentliche Bauaufträge Bauleistungen zum Gegenstand haben (´Public works contracts´are<br />

public contracts hav<strong>in</strong>g as their object ...; Les ´marchés publics de travaux´ sont des marchés<br />

publics ayant pour objet ...). Ke<strong>in</strong>esfalls kann <strong>in</strong> dieser Frage alle<strong>in</strong> das nationale<br />

Rechtsverständnis zugrunde gelegt werden, wonach der Abschluss e<strong>in</strong>es Werkvertrages<br />

i.S. des <strong>§</strong> 631 BGB selbstverständlich die Verpflichtung des Auftragnehmers zur Herstellung<br />

des versprochenen Werks voraussetzt (OLG Düsseldorf, B. v. 02.10.2008 – Az.: VII – Verg<br />

25/08; B. v. 06.02.2008 - Az.: VII - Verg 37/07; B. v. 12.12.2007 - Az.: VII - Verg 30/07 –<br />

<strong>in</strong>struktive Erläuterung e<strong>in</strong>er Bauverpflichtung; VK Baden-Württemberg, B. v. 05.06.2008 -<br />

Az.: 1 VK 16/08). In e<strong>in</strong>er neueren Entscheidung betont das OLG Düsseldorf aber, dass es<br />

das Merkmal e<strong>in</strong>er durch den öffentlichen Bauauftrag (oder die öffentliche<br />

Baukonzession) direkt oder <strong>in</strong>direkt begründeten Realisierungsverpflichtung<br />

(Bauverpflichtung) des Auftragnehmers nicht aufgeben will. Freilich muss es sich bei<br />

autonomem und e<strong>in</strong>heitlichem Verständnis der geme<strong>in</strong>schaftsrechtlichen Vorschriften sowie<br />

richtl<strong>in</strong>ienkonformer Auslegung der nationalen Begriffsbestimmungen nach Auffassung des<br />

Senats - sofern auf das Element der rechtlichen Verpflichtung nicht verzichtet werden kann -<br />

um ke<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>klagbare Verpflichtung handeln. Auch e<strong>in</strong>e noch weitgehende<br />

Unbestimmtheit von Leistungspflichten schadet der Annahme e<strong>in</strong>es öffentlichen<br />

Bauauftrags nicht. Die Leistungspflichten müssen nicht schon bei Beg<strong>in</strong>n des<br />

Vergabeverfahrens im E<strong>in</strong>zelnen feststehen. Das ergibt sich alle<strong>in</strong> aus der Zulassung e<strong>in</strong>es<br />

Verhandlungsverfahrens nach vorheriger öffentlicher Vergabebekanntmachung <strong>in</strong> solchen<br />

Fällen, <strong>in</strong> denen der Leistungsgegenstand nicht e<strong>in</strong>deutig und erschöpfend beschrieben<br />

werden kann und der Verfahrensart des wettbewerblichen Dialogs (OLG Düsseldorf, B. v.<br />

02.10.2008 – Az.: VII – Verg 25/08).<br />

<strong>8.</strong>3.2 Verknüpfung zur Baukoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie<br />

Die Def<strong>in</strong>ition des öffentlichen Bauauftrags wurde aus Art. 1 lit. a) BKR übernommen, und<br />

die Def<strong>in</strong>ition des Bauwerks aus Art. 1 lit. c) BKR ("das Ergebnis e<strong>in</strong>er Gesamtheit von Tief-<br />

oder Hochbauarbeiten, das se<strong>in</strong>em Wesen nach e<strong>in</strong>e wirtschaftliche oder technische Funktion<br />

erfüllen soll") f<strong>in</strong>det sich nahezu gleichlautend <strong>in</strong> der Def<strong>in</strong>ition des Bauauftrags nach <strong>§</strong> <strong>99</strong><br />

<strong>GWB</strong> wieder. Die Def<strong>in</strong>itionen s<strong>in</strong>d auch <strong>in</strong> die neue Vergabekoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie<br />

(Richtl<strong>in</strong>ie 2004/18/EG) übernommen worden.<br />

Maßgebend für den Anwendungsbereich des Vierten Teils des <strong>GWB</strong> ist die Def<strong>in</strong>ition des<br />

Bauauftrages <strong>in</strong> <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong>, die weitgehend der Def<strong>in</strong>ition <strong>in</strong> Art. 1 der Richtl<strong>in</strong>ie


1093<br />

1093/1<br />

1093/2<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

93/37/EWG des Rates vom 14. Juni 2003 zur Koord<strong>in</strong>ierung der Verfahren zur Vergabe<br />

öffentlicher Bauaufträge (im Folgenden BKR) entspricht. Anhaltspunkte für die Frage, ob<br />

e<strong>in</strong> Bauauftrag vorliegt, ergeben sich im E<strong>in</strong>zelnen aus dem "Verzeichnis der<br />

Berufstätigkeiten im Baugewerbe entsprechend dem allgeme<strong>in</strong>en Verzeichnis der<br />

wirtschaftlichen Tätigkeiten <strong>in</strong> der Europäischen Geme<strong>in</strong>schaft (NACE)", das als Anhang II<br />

Bestandteil der BKR ist (OLG München, B. v. 2<strong>8.</strong>09.2005 - Az.: Verg 019/05; VK<br />

Brandenburg, B. v. 26.11.2003 - Az.: VK 72/03). Für die Frage, ob der Vierte Teil des <strong>GWB</strong><br />

eröffnet ist, ist dagegen grundsätzlich nicht die Def<strong>in</strong>ition des Bauauftrages <strong>in</strong> <strong>§</strong> 1 VOB/A<br />

maßgeblich; allerd<strong>in</strong>gs decken sich der Anwendungsbereich von <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> und <strong>§</strong> 1<br />

VOB/A weitgehend, so dass e<strong>in</strong> Rückgriff auf die Rechtsprechung und Literatur zur VOB/A<br />

möglich ist, soweit e<strong>in</strong> Widerspruch zum geme<strong>in</strong>schaftsrechtlich geprägten Begriff <strong>in</strong> <strong>§</strong> <strong>99</strong><br />

Abs. 3 <strong>GWB</strong> nicht besteht (OLG München, B. v. 2<strong>8.</strong>09.2005 - Az.: Verg 019/05; 2. VK<br />

Bund, B. v. 31.07.2006 - Az.: VK 2 - 65/06; VK Südbayern, B. v. 17.02.2006 - Az.: 01-01/06;<br />

B. v. 29.11.2005 - Az.: Z3-3-3194-1-46-09/05; B. v. 22.07.2005 - Az.: 27-05/05; 1. VK Bund,<br />

B. v. 2.5.2003 - Az.: VK 1 - 25/03).<br />

An den europarechtlichen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen hat sich durch die neue EU-<br />

Vergabekoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie (Richtl<strong>in</strong>ie 2004/18/EG) <strong>in</strong>haltlich nichts geändert, so<br />

dass die o.a. Rechtsprechung weiterh<strong>in</strong> Gültigkeit hat (OLG Düsseldorf, B. v. 1<strong>8.</strong>10.2006,<br />

Az.: VII – Verg 35/06; 2. VK Bund, B. v. 31.07.2006 - Az.: VK 2 - 65/06).<br />

Die Def<strong>in</strong>ition e<strong>in</strong>es öffentlichen Bauauftrags fällt <strong>in</strong> den Bereich des Geme<strong>in</strong>schaftsrechts.<br />

Da Art. 1 Buchst. a der Richtl<strong>in</strong>ie für die Bestimmung se<strong>in</strong>er Bedeutung und se<strong>in</strong>er<br />

Reichweite ke<strong>in</strong>erlei ausdrücklichen Verweis auf das Recht der Mitgliedstaaten enthält, ist die<br />

rechtliche Qualifizierung des Vertrags nach nationalem Recht für die Entscheidung, ob<br />

die Vere<strong>in</strong>barung <strong>in</strong> den Geltungsbereich der Richtl<strong>in</strong>ie fällt, nicht maßgeblich (EuGH,<br />

Urteil v. 29.10.2009 - Az.: C-536/07; Urteil vom 1<strong>8.</strong>01.2007 - Az.: C-220/05; ebenso für die<br />

Abgrenzung zwischen Dienstleistung und Dienstleistungskonzession 1. VK Sachsen, B. v.<br />

09.09.2008 - Az.: 1/SVK/046-08; B. v. 29.0<strong>8.</strong>2008 - Az.: 1/SVK/042-08; B. v. 29.0<strong>8.</strong>2008 -<br />

Az.: 1/SVK/041-08). Ebenso wenig kommt es darauf an, wie die Vertragsparteien e<strong>in</strong>en<br />

bestimmten Vertrag qualifizieren (EuGH, Urteil v. 29.10.2009 - Az.: C-536/07).<br />

Der Begriff des öffentlichen Bauauftrags umfasst gemäß Abschnitt F, Abteilung 45,<br />

Gruppe 45.1, Klasse 45.11 (CPV-Referenznummer 45110000) des Anhangs I der<br />

Richtl<strong>in</strong>ie 2004/18/EG, der <strong>in</strong> die Begriffsbestimmung des nationalen Rechts<br />

h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zulesen ist, den Abbruch von Gebäuden und anderen Bauwerken, das Aufräumen von<br />

Baustellen sowie Aushub- und Verfüllungsarbeiten. Zwar kann e<strong>in</strong> Vertrag über die<br />

Restarbeiten mit der Verpflichtung zu Abtransport und Entsorgung des Bauschutts auch<br />

Elemente e<strong>in</strong>es Dienstleistungsvertrags be<strong>in</strong>halten. Diese berühren jedoch nicht die<br />

E<strong>in</strong>ordnung des Hauptgegenstands als Bauauftrag, wenn die Rückbauleistungen die<br />

wesentlichen und vorrangigen, den Auftrag prägenden Leistungen bilden und diese<br />

auch wertmäßig den überwiegenden Teil ausmachen. Die Transport- und<br />

Entsorgungsleistungen folgen dabei dem eigentlichen Vertragsgegenstand und haben diesem<br />

gegenüber ke<strong>in</strong>e übergeordnete Bedeutung (OLG Düsseldorf, B. v. 04.02.2009 - Az.: VII-<br />

Verg 65/08).<br />

<strong>8.</strong>3.3 Ausführung oder gleichzeitige Planung und Ausführung von<br />

Bauaufträgen


1094<br />

1094/1<br />

1094/1,2<br />

1094/2<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

<strong>8.</strong>3.3.1 Grundsatz<br />

Es ist vergaberechtlich zulässig, Planung und Ausführung als Bauauftrag zusammengefasst zu<br />

vergeben. Die näheren E<strong>in</strong>zelheiten s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>§</strong> 9 Nr. 15-17 VOB/A geregelt.<br />

<strong>8.</strong>3.3.2 Notwendiger M<strong>in</strong>dest<strong>in</strong>halt e<strong>in</strong>es entsprechenden Vertrages<br />

Das Vorliegen dieser Variante ist nicht davon abhängig, dass der Auftraggeber den<br />

Auftragnehmer kraft Auftrags zu Bauleistungen verpflichtet. Als Tatbestand, der vor allem<br />

die praktische Wirksamkeit (effet utile) der Vergabekoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie <strong>in</strong><br />

möglichen Umgehungsfällen sicherstellen soll, regelt die dritte Variante solche öffentlichen<br />

<strong>Aufträge</strong>, bei denen der Auftraggeber e<strong>in</strong> auf se<strong>in</strong>e (öffentliche) Zweckbestimmung<br />

zugeschnittenes Bauwerk erstellen lässt, dabei jedoch nicht selbst als Bauherr auftritt, sondern<br />

das Vorhaben durch e<strong>in</strong>en - vom Auftragnehmer verschiedenen - Dritten abwickeln lassen<br />

will. Als dieser Variante unterfallend werden im Verhältnis zwischen Auftraggeber und<br />

Auftragnehmer <strong>in</strong>sbesondere Kauf-, Miet- oder Leas<strong>in</strong>gverträge sowie Bauträgermodelle<br />

genannt. Daraus geht hervor, dass die Auftragsbeziehung zwischen Auftraggeber und<br />

Auftragnehmer im Fall der dritten Variante nicht als Bauauftrag ausgestaltet se<strong>in</strong> und<br />

erst recht ke<strong>in</strong>e Verpflichtung zur Herstellung e<strong>in</strong>es Bauwerks aufweisen muss. Die<br />

genannten Beispielsfälle s<strong>in</strong>d gemäß dem auf e<strong>in</strong>e Förderung des Wettbewerbs gerichteten<br />

Zweck der Vergabekoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie auch <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em abschließenden S<strong>in</strong>n zu<br />

verstehen. Der dritten Variante des <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> unterfallen danach auch <strong>Aufträge</strong>,<br />

die - ohne Bauaufträge i.S. der ersten oder zweiten Variante der Norm zu se<strong>in</strong> - mittels der<br />

vom Auftraggeber genannten Erfordernisse gewährleisten sollen, dass das<br />

herzustellende Bauwerk für e<strong>in</strong>en bestimmten öffentlichen Zweck zur Verfügung steht,<br />

und die dem Auftraggeber kraft e<strong>in</strong>er vertraglichen Vere<strong>in</strong>barung zugleich die<br />

rechtliche Befugnis vermitteln, die Verfügbarkeit im Interesse der öffentlichen und<br />

durch die wirtschaftliche oder technische Funktion des Bauvorhabens beschriebenen<br />

Zweckbestimmung sicherzustellen und e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss darauf auszuüben (OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 06.02.2008 - Az.: VII - Verg 37/07; B. v. 12.12.2007 - Az.: VII - Verg<br />

30/07; 2. VK Brandenburg, B. v. 15.02.2008 - Az.: VK 2/08; im Ergebnis ebenso VK<br />

Münster, B. v. 06.05.2008 - Az.: VK 4/08).<br />

Gegen e<strong>in</strong>e Bewertung als Bauauftrag spricht nicht, dass der Auftraggeber die von dem<br />

Vorhaben betroffenen Grundstücke vollständig an e<strong>in</strong>en Investor veräußern will, davon nach<br />

Fertigstellung der Baumaßnahmen nichts auf ihn zurückübertragen werden, sondern der<br />

Investor das Bauwerk nutzen soll und es mith<strong>in</strong> an der körperlichen Beschaffung e<strong>in</strong>es<br />

Ergebnisses von Bauleistungen durch den Auftraggeber fehlt. Die Annahme e<strong>in</strong>es<br />

öffentlichen Bauauftrags ist nicht davon abhängig zu machen, dass der öffentliche<br />

Auftraggeber Eigentümer des Bauwerks oder e<strong>in</strong>es Teils davon ist oder wird (OLG<br />

Bremen, B. v. 13.03.2008 - Az.: Verg 5/07; OLG Düsseldorf, B. v. 06.02.2008 - Az.: VII -<br />

Verg 37/07; VK Münster, B. v. 06.05.2008 - Az.: VK 4/08).<br />

Vgl. <strong>in</strong>soweit auch die Kommentierung zu <strong>§</strong> 100 Abs. 2 lit. <strong>GWB</strong> RZ 1296<br />

(Immobilienbedarfsgeschäfte bzw. Investorenauswahlverfahren).<br />

<strong>8.</strong>3.4 Begriff des Bauwerks


1095<br />

1096<br />

1097<br />

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10<strong>99</strong><br />

1100<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

<strong>8.</strong>3.4.1 Allgeme<strong>in</strong>es<br />

Unter e<strong>in</strong>em Bauwerk ist e<strong>in</strong>e unbewegliche, durch Verwendung von Arbeit und<br />

Material <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit dem Erdboden hergestellte Sache zu verstehen (VK<br />

Brandenburg, B. v. 5.4.2002 - Az.: VK 7/02, B. v. 12.2.2002 - Az.: 2 VK 123/01).<br />

Die Kriterien für die Def<strong>in</strong>ition e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>heitlichen Bauwerks s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Abschnitt 1 Art. 1<br />

Buchstabe c der Richtl<strong>in</strong>ie 93/37 EWG vom 14.6.1<strong>99</strong>3 bestimmt. Demnach ist e<strong>in</strong> Bauwerk<br />

das Ergebnis e<strong>in</strong>er Gesamtheit von Tief- oder Hochbauten, das se<strong>in</strong>em Wesen nach e<strong>in</strong>e<br />

wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll (EuGH, Urteil v. 1<strong>8.</strong>01.2007 - Az.:<br />

C-220/05; Urteil v. 5.10.2000 - Az.: C-16/98; VK Brandenburg, B. v. 21.0<strong>8.</strong>2009 - Az.: VK<br />

31/09; B. v. 11.06.2004 - Az.: VK 19/04; VK Düsseldorf, B. v. 10.04.2008 - Az.: VK -<br />

05/2008 – B; B. v. 2<strong>8.</strong>09.2007 - Az.: VK - 27/2007 - B; B. v. 14.0<strong>8.</strong>2006 - Az.: VK - 32/2006<br />

– B; B. v. 11.9.2001 - Az.: VK - 19/2001 – B; VK Nordbayern, B. v. 24.9.2003 - Az.:<br />

320.VK-3194-30/03; VK Thür<strong>in</strong>gen, B. v. 10.06.2008 - Az.: 250-4002.20-1323/2008-020-<br />

EF). Ob die e<strong>in</strong>zelnen Baumaßnahmen eigene wirtschaftliche und/oder technische Funktionen<br />

erfüllen, beurteilt sich nach re<strong>in</strong> objektiven Kriterien (OLG Brandenburg, B. v. 20.<strong>8.</strong>2002<br />

- Az.: Verg W 4/02; VK Düsseldorf, B. v. 2<strong>8.</strong>09.2007 - Az.: VK - 27/2007 - B).<br />

Bei Bauvorhaben ist nach e<strong>in</strong>er sachgerechten Abwägung im E<strong>in</strong>zelfall darüber zu<br />

entscheiden, ob es sich um e<strong>in</strong> zusammengehöriges Bauvorhaben handelt, bei dem sämtliche<br />

E<strong>in</strong>zelleistungen zusammenzurechnen s<strong>in</strong>d. Es s<strong>in</strong>d dabei alle <strong>Aufträge</strong> zusammenzurechnen,<br />

die für die Herstellung des Bauvorhabens sowohl <strong>in</strong> technischer H<strong>in</strong>sicht als auch im H<strong>in</strong>blick<br />

auf die sachgerechte Nutzung erteilt werden müssen (VK Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz, B. v. 06.04.2005 -<br />

Az.: VK 09/05; B. v. 10.6.2003 - Az.: VK 10/03; im Ergebnis ebenso VK Hessen, B. v.<br />

05.03.2008 - Az.: 69 d VK - 06/2008).<br />

Komplexe Bauvorhaben, die <strong>in</strong> gestuften Entscheidungsverfahren beschlossen werden<br />

und <strong>in</strong> verschiedenen Phasen realisiert werden, s<strong>in</strong>d zum<strong>in</strong>dest dann nicht als e<strong>in</strong><br />

Gesamtbauwerk anzusehen, wenn die unterschiedlichen baulichen Anlagen ohne<br />

Bee<strong>in</strong>trächtigung ihrer Vollständigkeit und Benutzbarkeit auch getrennt vone<strong>in</strong>ander errichtet<br />

werden können (VK Thür<strong>in</strong>gen, B. v. 10.06.2008 - Az.: 250-4002.20-1323/2008-020-EF). In<br />

e<strong>in</strong>er solchen Konstellation bilden solche Vorhaben e<strong>in</strong> Bauwerk, die funktional mite<strong>in</strong>ander<br />

verknüpft s<strong>in</strong>d und über die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em organisatorischen Zusammenhang geme<strong>in</strong>sam<br />

entschieden wird. Es kommt auf die Konkretisierung der Bauabsicht an (VK Münster, B. v.<br />

4.4.2001 - Az.: VK 11/01). Werden jedoch Maßnahmen, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em engen funktionalen<br />

Zusammenhang stehen (z. B. MSR-Technik für mehrere Etagen e<strong>in</strong>es<br />

Krankenhausgebäudes), auch <strong>in</strong> enger zeitlicher Reihenfolge ausgeschrieben, handelt es sich<br />

um e<strong>in</strong> zusammen gehörendes Bauvorhaben (VK Düsseldorf, B. v. 2<strong>8.</strong>09.2007 - Az.: VK -<br />

27/2007 – B; 1. VK Sachsen, B. v. 23.1.2004 - Az.: 1/SVK/160-03).<br />

Entscheidungskriterium kann die vorgesehene Bauzeit se<strong>in</strong>. Auch wenn sich die Bauzeit<br />

über sieben Jahre h<strong>in</strong>zieht, kann e<strong>in</strong>e solche Zeitspanne sich im H<strong>in</strong>blick auf den Umfang und<br />

die Art der durchzuführenden Arbeiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em überschaubaren Rahmen halten. Werden die<br />

e<strong>in</strong>zelnen Bauabschnitte auch Zug um Zug realisiert, kann es sich um e<strong>in</strong> Bauvorhaben<br />

handeln (VK Baden-Württemberg, B. v. 22.10.2002 - Az.: 1 VK 51/02).<br />

Je nach E<strong>in</strong>zelfall kann es sich bei e<strong>in</strong>er längeren Bauzeit und e<strong>in</strong>er abschnittsweisen<br />

F<strong>in</strong>anzierung auch bei den e<strong>in</strong>zelnen Baumaßnahmen um selbständige Bauwerke handeln<br />

(VK Arnsberg, B. v. April 2002 - Az.: VK 1-05/2002; VK Düsseldorf, B. v. 14.0<strong>8.</strong>2006 - Az.:<br />

VK - 32/2006 – B).


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Indiz für das Bestehen e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>heitlichen Bauwerkes kann zwar se<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger<br />

Auftraggeber vorhanden ist und e<strong>in</strong> Unternehmen alle <strong>in</strong> den betreffenden <strong>Aufträge</strong>n<br />

bezeichneten Arbeiten zusammen ausführen könnte (EuGH, Urteil vom 5.10.2000 - Az.:<br />

C-16/98). Dies ist aber nicht ausreichend. Maßgebliches Kriterium dafür, dass E<strong>in</strong>zelaufträge<br />

nicht als Los e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zigen Bauwerkes anzusehen s<strong>in</strong>d, ist, dass die Ergebnisse der jeweiligen<br />

<strong>Aufträge</strong> unterschiedliche wirtschaftliche und technische Funktionen erfüllten und damit<br />

unterschiedlichen Bauwerken dienen (OLG Brandenburg, B. v. 20.<strong>8.</strong>2002 - Az.: Verg W<br />

4/02).<br />

Indiz für das Bestehen e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>heitlichen Bauwerkes können auch die Gleichzeitigkeit der<br />

E<strong>in</strong>leitung verschiedener Vergabeverfahren, die Ähnlichkeit der jeweiligen<br />

Bekanntmachungen, die E<strong>in</strong>heitlichkeit des Gebietes, <strong>in</strong> dem die Verfahren e<strong>in</strong>geleitet<br />

worden s<strong>in</strong>d, und die Koord<strong>in</strong>ierung durch e<strong>in</strong>en Auftraggeber se<strong>in</strong> (EuGH, Urteil vom<br />

5.10.2000 - Az.: C-16/98).<br />

Indizien für e<strong>in</strong>e Gesamtbaumaßnahme können weder die F<strong>in</strong>anz- bzw. Erfolgspläne e<strong>in</strong>er<br />

Vergabestelle noch deren Pressemitteilungen se<strong>in</strong> (OLG Celle, B. v. 17.11.1<strong>99</strong>9 - Az.: 13<br />

Verg 6/<strong>99</strong>).<br />

Für die Pflicht zur Ausschreibung kann es auch nicht darauf ankommen, ob der<br />

Auftraggeber mit bestimmten <strong>Aufträge</strong>n schon bei Planung der Baumaßnahmen<br />

rechnen musste oder sich erst im Zuge der Ausführung der Baumaßnahmen herausstellt,<br />

dass bestimmte weitere <strong>Aufträge</strong> erforderlich werden. Ebenso wenig kommt es darauf an,<br />

ob die Baumaßnahmen nicht e<strong>in</strong>heitlich geplant und erst <strong>in</strong> unterschiedlichen Phasen<br />

(Förderabschnitten) realisiert werden. Es ist alle<strong>in</strong> der objektive Gesamtwert der<br />

Baumaßnahmen maßgebend (OLG Düsseldorf, B. v. 11.02.2009 - Az.: VII-Verg 69/08).<br />

<strong>8.</strong>3.4.1.1 Hochbaumaßnahmen<br />

Im Hochbau ist dieser Begriff im Wesentlichen gleichzusetzen mit "Gebäude" (VK<br />

Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz, B. v. 10.6.2003 - Az.: VK 10/03).<br />

Zwei auf gegenüberliegenden Parzellen zu errichtende Gebäude, die für sich betrachtet<br />

technisch und wirtschaftlich nutzbar s<strong>in</strong>d, können nicht alle<strong>in</strong> deshalb als e<strong>in</strong> „Bauwerk“<br />

im vergaberechtlichen S<strong>in</strong>n angesehen werden, weil der Veräußerer e<strong>in</strong>e architektonisch<br />

stimmige Bebauung anstrebt (VK Düsseldorf, B. v. 10.04.2008 - Az.: VK - 05/2008 – B).<br />

Die Tatsache, dass es für e<strong>in</strong>en Investor wirtschaftlich <strong>in</strong>teressant se<strong>in</strong> kann, <strong>in</strong>nerhalb<br />

e<strong>in</strong>es Altstadtbezirks e<strong>in</strong> Grundstück nach dem anderen zu bebauen, genügt nicht, um<br />

aus zwei möglichen Bauwerken e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitliches Projekt im vergaberechtlichen S<strong>in</strong>ne zu<br />

machen. Auch die Tatsache, dass alle bebaubaren Grundstücke <strong>in</strong>nerhalb desselben<br />

Sanierungsgebiets liegen, spielt ke<strong>in</strong>e Rolle (VK Baden-Württemberg, B. v. 13.11.2008 - Az.:<br />

1 VK 45/08).<br />

Auch wenn Straßenbauarbeiten verbunden mit der Herstellung von Geh- und Radwegen<br />

sowie der Montage von Straßenlampen, die Sanierung e<strong>in</strong>es Tanklagers, die<br />

Kampfmittelräumung, die Beseitigung von Schrott- und Munitionsablagerungen, die<br />

Ausstattung von Bahnübergängen mit Straßen- und Überwachungssignalen sowie die<br />

Errichtung von Schalthäusern, die Grundwassersanierung und die Errichtung e<strong>in</strong>er


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zusätzlichen Mittelspannungsversorgung <strong>in</strong>sgesamt der Revitalisierung e<strong>in</strong>es<br />

brachliegenden Geländes dienen, erfüllt jede dieser Maßnahmen e<strong>in</strong>e eigenständige und<br />

unterschiedliche wirtschaftliche und technische Funktion. Es handelt sich um<br />

unterschiedliche Baumaßnahmen (VK Brandenburg, B. v. 21.0<strong>8.</strong>2009 - Az.: VK 31/09).<br />

<strong>8.</strong>3.4.1.2 Tiefbaumaßnahmen<br />

Der Begriff der Tiefbaumaßnahmen wird im Anhang II zur Baukoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie<br />

(jetzt Anhang I der Vergabekoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie – Richtl<strong>in</strong>ie 2004/18/EG) näher<br />

def<strong>in</strong>iert. Zu den dort aufgeführten Erdbewegungsarbeiten und Landeskulturbau, Tunnel-,<br />

Schacht- und Straßenbauten zählen z.B. auch die schwerpunktmäßig ausgeschriebene<br />

Abfallumlagerung, Oberflächenabdichtung, Verlegen von Rohrleistungen, Anlegen von<br />

Schlammauffangbecken und Versickerungsmulden sowie die Herstellung von Betriebswegen<br />

(VK Brandenburg, B. v. 21.12.2004 - Az.: VK 64/04).<br />

Im Tiefbau ist die Begriffsbestimmung mit Blick auf den Begriff des Bauwerks oft<br />

schwieriger und meist auf die Def<strong>in</strong>ition "Erfüllung e<strong>in</strong>er wirtschaftlichen oder<br />

technischen Funktion" abzustellen (VK Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz, B. v. 10.6.2003 - Az.: VK 10/03).<br />

Als Tiefbaumaßnahmen kommen auch Bauwerke <strong>in</strong> Gestalt e<strong>in</strong>zelner <strong>in</strong> sich<br />

abgeschlossener verkehrswirksamer Straßenbauabschnitte <strong>in</strong> Betracht (VK Brandenburg,<br />

B. v. 25.4.2003 - Az.: VK 21/03; VK Baden-Württemberg, B. v. 22.10.2002 - Az.: 1 VK<br />

51/02).<br />

Maßgeblich ist hierbei jeweils, ob das zu erstellende Projekt e<strong>in</strong>e eigene Funktion erfüllt.<br />

Dies ist bereits bei der Fertigstellung e<strong>in</strong>es Streckenabschnittes e<strong>in</strong>er geplanten Autobahn der<br />

Fall, oder auch bei der Errichtung e<strong>in</strong>er Brücke oder e<strong>in</strong>er Unterführung. Entscheidend ist die<br />

vorgesehene Ausführung der e<strong>in</strong>zelnen, <strong>in</strong> sich geschlossenen Bauabschnitte (VK Münster, B.<br />

v. 6.6.2001 - Az.: VK 12/01).<br />

E<strong>in</strong> Brückenkopf bildet mit der Brücke e<strong>in</strong>e verkehrlich-funktionale E<strong>in</strong>heit und stellt damit<br />

e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitliches Bauwerk dar (VK Schleswig-Holste<strong>in</strong>, B. v. 19.01.2005 - Az.: VK-SH<br />

37/04).<br />

Erfüllt nur e<strong>in</strong>er von dreien Bauabschnitten (zwei Straßen, e<strong>in</strong>e Brücke) e<strong>in</strong>e eigene<br />

wirtschaftliche und technische Funktion, stellen die drei Bauabschnitte e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitliches<br />

Bauwerk dar (VK Düsseldorf, B. v. 14.0<strong>8.</strong>2006 - Az.: VK - 32/2006 – B).<br />

Alle<strong>in</strong> die Verbundfähigkeit e<strong>in</strong>es Kanalsystems vermag grundsätzlich nicht die<br />

Bewertung zu rechtfertigen, dass Erneuerungsarbeiten an unterschiedlichen<br />

Kanalabschnitten e<strong>in</strong>es Systems immer bereits als Teil e<strong>in</strong>er Gesamtbaumaßnahme<br />

anzusehen s<strong>in</strong>d. Vielmehr müssen weitere gewichtige Besonderheiten des jeweiligen<br />

Vergabeverfahrens h<strong>in</strong>zukommen, die e<strong>in</strong>e solche E<strong>in</strong>schätzung zulassen. Es spricht für<br />

die Bewertung von Bauarbeiten als Gesamtbaumaßnahme, die e<strong>in</strong>e wirtschaftliche und<br />

technische Funktion erfüllt, dass die e<strong>in</strong>zelnen, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em räumlich engen Zusammenhang<br />

stehenden Bauabschnitte gezielt durch den Auftraggeber gebündelt ausgeschrieben<br />

wurden, die Durchführung nach zeitlich sukzessive vorgegebenen Zeitabschnitten<br />

erfolgen sollte und geme<strong>in</strong>sam für alle Bauabschnitte übergreifende Leistungen<br />

koord<strong>in</strong>iert durch die Bieter erbracht werden sollten. E<strong>in</strong>e andere Beurteilung ist auch<br />

nicht <strong>in</strong> Anbetracht der 5-jährigen Bauzeit geboten, da sich dieser Zeitraum im H<strong>in</strong>blich


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auf den Umfang und die Art der Arbeiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em überschaubaren Rahmen hält (VK<br />

Düsseldorf, B. v. 2<strong>8.</strong>09.2007 - Az.: VK - 27/2007 - B).<br />

Wird im Rahmen der Errichtung e<strong>in</strong>er Straßenbahntrasse die Gesamtbaumaßnahme <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>zelnen Bauabschnitten ausgeschrieben, kann die gesamte Trasse e<strong>in</strong>er Straßenbahn mit<br />

Benennung der Trasse und mit def<strong>in</strong>iertem Anfang- und Endpunkt als die<br />

nutzungsfähige Anlage (ke<strong>in</strong>e weitere Unterteilung <strong>in</strong> für sich zu betrachtende Abschnitte)<br />

betrachtet werden, wenn die Ausschreibungspraxis (Veröffentlichungen) und die<br />

Verd<strong>in</strong>gungsunterlagen entsprechend bezeichnet s<strong>in</strong>d, der 1. Bauabschnitt der Trasse <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em bestimmten Bereich mit Provisorien endet, deren Beseitigung und endgültige<br />

Fertigstellung Gegenstand der Bauabschnitte 2 und 3 ist, wodurch die unmittelbare<br />

Verknüpfung der Leistungen des 1. Bauabschnitt und der 2. und 3. Bauabschnitt deutlich wird<br />

und der Auftraggeber alle Bauabschnitte europaweit ausschreibt (VK Thür<strong>in</strong>gen, B. v.<br />

10.06.2008 - Az.: 250-4002.20-1323/2008-020-EF).<br />

<strong>8.</strong>3.4.1.3 Sonstige Baumaßnahmen<br />

Soll nach der Baubeschreibung die Aufhaldung e<strong>in</strong>er Deponie bis zu e<strong>in</strong>em bestimmten<br />

genehmigten Abfallablagerungsvolumen durchgeführt werden und ist die Deponie<br />

sukzessive durch das Aufbr<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>es Oberflächenabdichtungssystems zu sichern,<br />

wobei die Verfüllung der e<strong>in</strong>zelnen Deponieabschnitte zurzeit noch nicht abgeschlossen<br />

ist, muss die Abdeckung des Deponiekörpers durch räumlich und zeitlich getrennte<br />

Bauabschnitte realisiert werden, wobei jeder Bauabschnitt <strong>in</strong> technischer H<strong>in</strong>sicht e<strong>in</strong>e<br />

sachgerechte Abdeckung gewährleistet. Insoweit ist nur der Wert der Arbeiten zu summieren,<br />

die <strong>in</strong> jedem e<strong>in</strong>zelnen Bauabschnitt verwirklicht werden (VK Brandenburg, B. v. 11.06.2004<br />

- Az.: VK 19/04).<br />

<strong>8.</strong>3.4.2 Begriff der baulichen Anlage<br />

<strong>8.</strong>3.4.2.1 Allgeme<strong>in</strong>es<br />

Der Begriff der "baulichen Anlage" (<strong>§</strong> 1 VOB/A) ist identisch mit dem Begriff<br />

"Bauwerk" wie er <strong>in</strong> der Baukoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie (jetzt Richtl<strong>in</strong>ie 2004/18/EG)<br />

verwendet wird (VK Münster, B. v. 6.6.2001 - Az.: VK 12/01; VK Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz, B. v.<br />

10.6.2003 - Az.: VK 10/03; VK Thür<strong>in</strong>gen, B. v. 10.06.2008 - Az.: 250-4002.20-1323/2008-<br />

020-EF).<br />

<strong>8.</strong>3.4.2.2 Unterhaltungsarbeiten an e<strong>in</strong>er zum Ausbau bestimmten Anlage<br />

Es mag vorkommen, dass Unterhaltungsarbeiten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Gebäude oder e<strong>in</strong>em<br />

Wasserstraßenabschnitt vorgesehen s<strong>in</strong>d, das bzw. der auch für den Ausbau vorgesehen ist.<br />

Hieraus ergibt sich jedoch nicht zwangsläufig die vergaberechtliche Konsequenz, die<br />

Unterhaltungsarbeiten als Teil der baulichen Anlage "Ausbau/Neubau" anzusehen, da beide<br />

Maßnahmen auf unterschiedliche Zwecke gerichtet s<strong>in</strong>d. Während die Unterhaltungsarbeiten<br />

die Herstellung e<strong>in</strong>es ursprünglichen Zustandes bezweckt, betrifft der Ausbau/Neubau die<br />

Erweiterung des bisherigen Zustandes. Es kann also nicht ohne weiteres auf e<strong>in</strong>e<br />

Verb<strong>in</strong>dung beider Maßnahmen zu e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>heitlichen baulichen Anlage im


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vergaberechtlichen S<strong>in</strong>ne geschlossen werden (1. VK Bund, B. v. 25.11.2003 - Az.: VK 1 -<br />

115/03).<br />

<strong>8.</strong>3.4.2.3 Straßenbeleuchtung mit entsprechender Elektro<strong>in</strong>stallation<br />

Teile von Verkehrsanlagen, die für sich genommen ke<strong>in</strong>e funktionale und wirtschaftliche<br />

E<strong>in</strong>heit darstellen, können nicht als eigenständige und von anderen Maßnahmen unabhängige<br />

E<strong>in</strong>zelbaumaßnahmen bezeichnet werden. E<strong>in</strong>e Straßenbeleuchtung mit entsprechender<br />

Elektro<strong>in</strong>stallation ohne e<strong>in</strong>e dazugehörige Straße ist für sich alle<strong>in</strong> wirtschaftlich<br />

unvernünftig; die Beleuchtung ist daher notwendiger Bestandteil der baulichen Anlage<br />

"Straße" (VK Südbayern, B. v. 14.1.2004 - Az.: 62-12/03).<br />

<strong>8.</strong>3.4.3 Weite Auslegung<br />

In der Rechtsprechung und <strong>in</strong> der Literatur besteht E<strong>in</strong>igkeit, dass e<strong>in</strong>e weite Auslegung<br />

dessen, was als Bauwerk bzw. als zum Bauwerk gehörig gelten soll, geboten ist. Dies gilt<br />

sowohl nach den Auslegungsgrundsätzen des deutschen Rechts als auch unter<br />

Berücksichtigung der Vorgaben der Baukoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie - jetzt Richtl<strong>in</strong>ie<br />

2004/18/EG (OLG Dresden, B. v. 02.11.2004 - Az.: WVerg 11/04; OLG Thür<strong>in</strong>gen, B. v.<br />

22.<strong>8.</strong>2002 - Az.: 6 Verg 5/01; VK Düsseldorf, B. v. 10.04.2008 - Az.: VK - 05/2008 – B; 1.<br />

VK Sachsen, B. v. 12.07.2007 - Az.: 1/SVK/049-07; VK Baden-Württemberg, B. v.<br />

15.03.2007 - Az.: 1 VK 03/07; VK Südbayern, B. v. 29.11.2005 - Az.: Z3-3-3194-1-46-09/05;<br />

1. VK Bund, B. v. 2.5.2003 - Az.: VK 1 - 25/03). Es sollen also alle Arten von<br />

Bauleistungen umfassend e<strong>in</strong>bezogen werden (1. VK Sachsen, B. v. 12.07.2007 - Az.:<br />

1/SVK/049-07; VK Baden-Württemberg, B. v. 15.03.2007 - Az.: 1 VK 03/07; VK<br />

Düsseldorf, B. v. 11.9.2001 - Az.: VK - 19/2001 - B).<br />

<strong>8.</strong>3.5 Bauleistungen<br />

<strong>8.</strong>3.5.1 Grundsatz<br />

Nach <strong>§</strong> 1 VOB/A s<strong>in</strong>d Bauleistungen Arbeiten jeder Art, durch die e<strong>in</strong>e bauliche Anlage<br />

hergestellt, <strong>in</strong>stand gehalten, geändert oder beseitigt wird. Allerd<strong>in</strong>gs decken sich der<br />

Anwendungsbereich von <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> und <strong>§</strong> 1 VOB/A weitgehend, so dass e<strong>in</strong><br />

Rückgriff auf die Rechtsprechung und Literatur zur VOB/A möglich ist, soweit e<strong>in</strong><br />

Widerspruch zum geme<strong>in</strong>schaftsrechtlich geprägten Begriff <strong>in</strong> <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> nicht<br />

besteht. Vgl. hierzu im E<strong>in</strong>zelnen die Kommentierung zu <strong>§</strong> 1 VOB/A.<br />

Bei Neubauvorhaben wird - <strong>in</strong> Abgrenzung zu Lieferaufträgen - der Kreis der Leistungen,<br />

die unter Bauleistungen i.S.d. <strong>§</strong> 1 VOB/A subsumiert werden können, regelmäßig weit<br />

gezogen und alles, was der Herstellung und späteren bestimmungsgemäßen Nutzung<br />

(Funktion) des Gebäudes dient, als Bauleistung angesehen und dementsprechend<br />

ausgeschrieben (1. VK Brandenburg, B. v. 30.05.2007 - Az.: 1 VK 15/07).


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<strong>8.</strong>3.5.2 Masch<strong>in</strong>elle und elektrotechnische/elektronische Anlagen und<br />

Anlagenteile<br />

Zu den Bauleistungen zählen <strong>in</strong>sbesondere auch die Lieferung und Montage der für die<br />

bauliche Anlage erforderlichen masch<strong>in</strong>ellen und elektrotechnischen/elektronischen<br />

Anlagen und Anlagenteile. Auch die Ergänzung und der Neue<strong>in</strong>bau solcher Anlagen <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em bestehenden Gebäude fallen unter den Begriff der Bauleistung, wenn sie für den<br />

bestimmungsgemäßen Bestand der baulichen Anlage bzw. für e<strong>in</strong> funktionsfähiges Bauwerk<br />

erforderlich und von wesentlicher Bedeutung s<strong>in</strong>d. Entscheidend ist, dass das Gebäude<br />

ohne den E<strong>in</strong>bau der Anlagen noch nicht als vollständig fertig anzusehen ist (BayObLG,<br />

B. v. 23.7.2002 - Az.: Verg 17/02; 1. VK Sachsen, B. v. 12.07.2007 - Az.: 1/SVK/049-07; VK<br />

Baden-Württemberg, B. v. 15.03.2007 - Az.: 1 VK 03/07; VK Südbayern, B. v. 29.11.2005 -<br />

Az.: Z3-3-3194-1-46-09/05; 1. VK Bund, B. v. 2.5.2003 - Az.: VK 1 - 25/03); vgl. im<br />

E<strong>in</strong>zelnen die Kommentierung zu <strong>§</strong> 1 VOB/A.<br />

<strong>8.</strong>3.5.3 Lieferung und E<strong>in</strong>bau von Labormöbeln<br />

Die Lieferung und der E<strong>in</strong>bau von Labormöbeln <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Universitätsgebäude s<strong>in</strong>d dem<br />

Fall der Lieferung und Installation von EDV-Endgeräten <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Verwaltungsgebäude<br />

vergleichbar. E<strong>in</strong>e Vergabe muss daher durch die direkte Anwendung der VOL/A oder<br />

aber durch die Anwendung der Vorschrift des <strong>§</strong> 1a Nr. 2 VOB/A nach dem<br />

Schwellenwert von 200.000 Euro erfolgen (VK Schleswig-Holste<strong>in</strong>, B. v. 15.07.2002 - Az.:<br />

VK-SH-08/02).<br />

<strong>8.</strong>3.5.4 Lieferung von losen Möbeln und Textilien<br />

Bei Neubauvorhaben wird - <strong>in</strong> Abgrenzung zu Lieferaufträgen - der Kreis der Leistungen,<br />

die unter Bauleistungen i.S.d. <strong>§</strong> 1 VOB/A subsumiert werden können, regelmäßig weit<br />

gezogen und alles, was der Herstellung und späteren bestimmungsgemäßen Nutzung<br />

(Funktion) des Gebäudes dient, als Bauleistung angesehen und dementsprechend<br />

ausgeschrieben. Betrifft e<strong>in</strong> ausgeschriebenes Gewerk „Lose Möbel/Textilien“ die<br />

Ausstattung e<strong>in</strong>es Neubaus und s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der ausgeschriebenen Leistung auch<br />

Montagearbeiten enthalten, begegnet die gewählte Ausschreibung als Bauleistung nach<br />

VOB/A ke<strong>in</strong>en Bedenken (1. VK Brandenburg, B. v. 30.05.2007 - Az.: 1 VK 15/07).<br />

<strong>8.</strong>3.5.5 Lieferung und E<strong>in</strong>bau von Küchengeräten<br />

Bei der Lieferung und Montage von Küchengeräten handelt es sich um e<strong>in</strong>e Bauleistung<br />

im S<strong>in</strong>ne von <strong>§</strong> 1 VOB/A, wenn die ausgeschriebenen masch<strong>in</strong>ellen Anlagen und<br />

Anlagenteile für den bestimmungsgemäßen Bestand der baulichen Anlage bzw. für e<strong>in</strong><br />

funktionsfähiges Bauwerk – z.B. e<strong>in</strong>er Mensa - erforderlich und von wesentlicher Bedeutung<br />

s<strong>in</strong>d (2. VK Brandenburg, B. v. 2<strong>8.</strong>06.2005 - Az.: VK 20/05).<br />

<strong>8.</strong>3.5.6 Montagearbeiten von Fenstern oder Türen


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Auch die Montagearbeiten von Fenstern oder Türen stellen Bauleistungen dar (VK<br />

Südbayern, B. v. 20.11.2002 - Az.: 43-10/02; Landgericht Kiel, Urteil vom 17.4.2003 - Az.: 4<br />

O 304/02).<br />

Von der Frage der Anwendbarkeit der VOB/A ist die Frage zu trennen, ob re<strong>in</strong>e<br />

Montagearbeiten e<strong>in</strong>e handwerksrechtliche Befähigung voraussetzen bzw. ob re<strong>in</strong>e<br />

Montagearbeiten, die e<strong>in</strong>en hohen Nachunternehmeranteil voraussetzen, nämlich die<br />

gesamte Fertigung der Türen und Fenster, mit dem Selbstausführungsgebot der VOB<br />

vere<strong>in</strong>bar s<strong>in</strong>d (vgl. dazu die Kommentierung zu <strong>§</strong><strong>§</strong> 8, 25 VOB/A).<br />

<strong>8.</strong>3.5.7 Baugeländevorarbeiten<br />

Zum Bauwerk gehören auch Baugeländevorarbeiten (VK Düsseldorf, B. v. 11.9.2001 - Az.:<br />

VK - 19/2001 - B).<br />

<strong>8.</strong>3.5.8 Lieferung und Montage e<strong>in</strong>er Solaranlage<br />

Verpflichtet sich e<strong>in</strong> Unternehmer, e<strong>in</strong>en Gegenstand zu liefern und zu montieren, so kommt<br />

es für die rechtliche E<strong>in</strong>ordnung des Vertragsverhältnisses als Kaufvertrag (mit<br />

Montageverpflichtung) oder als Werkvertrag darauf an, auf welcher der beiden<br />

Leistungen bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liegt. Dabei ist vor<br />

allem auf die Art des zu liefernden Gegenstandes, das Wertverhältnis von Lieferung und<br />

Montage sowie auf die Besonderheiten des geschuldeten Ergebnisses abzustellen. Je mehr die<br />

mit dem Warenumsatz verbundene Übertragung von Eigentum und Besitz auf den "Besteller"<br />

im Vordergrund steht und je weniger die <strong>in</strong>dividuellen Anforderungen des Kunden und die<br />

geschuldete Montageleistung das Gesamtbild des Vertragsverhältnisses prägen, desto eher ist<br />

die Annahme e<strong>in</strong>es Kaufvertrages (mit Montageverpflichtung) geboten. Beschränkt sich die<br />

Lieferverpflichtung auf e<strong>in</strong>e Solaranlage aus serienmäßig hergestellten und typmäßig<br />

bezeichneten Teilen nebst Zubehör und beläuft sich der Preis für die komplette Montage auf<br />

rund 23 % der Gesamtleistung, sprechen bereits diese Gesichtspunkte - die Art der zu<br />

liefernden Gegenstände sowie das Verhältnis des wirtschaftlichen Wertes der verschiedenen<br />

Leistungen - für die Annahme e<strong>in</strong>es Kaufvertrages (BGH, Urteil vom 03.03.2004 - Az.:<br />

VIII ZR 76/03).<br />

<strong>8.</strong>3.5.9 Kampfmittelräumung<br />

Arbeiten zur Kampfmittelräumung dienen - obwohl vielfach erdbaubezogen - <strong>in</strong> erster<br />

L<strong>in</strong>ie der Herstellung der öffentlichen Sicherheit und haben h<strong>in</strong>sichtlich ggf.<br />

nachfolgender Bauaufträge lediglich vorbereitenden Charakter; es kann also<br />

grundsätzlich nicht von Bauaufträgen im S<strong>in</strong>ne des <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> ausgegangen werden<br />

(VK Arnsberg, B. v. 29.11.2005 - Az.: VK 23/05). Etwas anderes kann gelten, wenn<br />

konkrete Bauvorhaben, bezüglich deren Ausführung oder Planung die<br />

ausgeschriebenen Kampfmittelräumungsmaßnahmen gleichzeitig erfolgen sollen,<br />

vorliegen (OLG Düsseldorf, B. v. 02.01.2006 - Az.: VII - Verg 93/05).


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<strong>8.</strong>3.5.10 W<strong>in</strong>terdienst und Störungsbeseitigung<br />

Bei der Leistung des W<strong>in</strong>terdienstes und der Störungsbeseitigung auf Bundes- und<br />

Landesstraßen handelt es sich um e<strong>in</strong>en Dienstleistungsauftrag im S<strong>in</strong>ne des <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 1<br />

und Abs. 4 <strong>GWB</strong>. Dass die damit ausgeschriebenen Leistungen, aufgrund ihrer Spezifika als<br />

Leistungen der Straßenunterhaltung, auch Elemente e<strong>in</strong>er bauvertraglichen Leistung<br />

be<strong>in</strong>halten können, ändert nichts an dem Dienstleistungscharakter des ausgeschriebenen<br />

Auftrages. E<strong>in</strong> solcher Auftrag hat die Aufrechterhaltung und die störungsfreie Nutzbarkeit<br />

des Straßenverkehrsnetzes als Maßnahmen der Straßenunterhaltung zu se<strong>in</strong>em Gegenstand.<br />

Hierbei handelt es sich ganz überwiegend nicht um Baumaßnahmen. Dass die Beseitigung<br />

von Störungen im Rahmen des W<strong>in</strong>terdienstes auch den E<strong>in</strong>satz von Baumaßnahmen<br />

notwendig machen kann, ändert daher nichts an dem Charakter des Auftrages, als dem e<strong>in</strong>es<br />

Dienstleistungsauftrages (VK Thür<strong>in</strong>gen, B. v. 30.0<strong>8.</strong>2006 - Az.: 360-4003.20-009/06-HBN,<br />

360-4003.20-015/06-MGN, 360-4003.20-004/06-SON, 360-4003.20-009/06-ESA-S).<br />

<strong>8.</strong>3.5.11 Gartenpflegearbeiten<br />

Dienen bei Gartenpflegearbeiten die ausgeschriebenen Tätigkeiten lediglich der<br />

Erhaltung des status quo, nämlich der Pflege der bereits vorhandenen Gartenanlagen und<br />

sollen die zu erbr<strong>in</strong>genden e<strong>in</strong>fachen Gartenarbeiten ohne Neuanpflanzungen direkt an den<br />

Pflanzen bzw. im Wesentlichen unmittelbar an oder allenfalls knapp unterhalb der<br />

Grundstücksoberfläche erfolgen (z.B. beim Entfernen von Unkraut samt Wurzelwerk oder<br />

dem Lockern der Pflanzflächen bis 3 cm Tiefe), so dass die Substanz der Gartenanlage<br />

hierdurch gar nicht oder allenfalls unwesentlich tangiert wird und s<strong>in</strong>d umfangreichere<br />

Erdbewegungsarbeiten, die z.B. beim Pflanzen von Bäumen erforderlich se<strong>in</strong> könnten,<br />

ausdrücklich nicht Gegenstand der Ausschreibung, handelt es sich nicht um Bauleistungen<br />

(3. VK Bund, B. v. 29.03.2006 - Az.: VK 3 - 15/06).<br />

<strong>8.</strong>3.5.12 Klärschlammtrocknungsanlage bzw.<br />

Klärschlammm<strong>in</strong>eralisierungsanlage<br />

Sowohl bei e<strong>in</strong>er zu errichtenden Klärschlammtrocknungsanlage, als auch bei der<br />

Klärschlammm<strong>in</strong>eralisierungsanlage handelt es sich um e<strong>in</strong>e unbewegliche, durch<br />

Verwendung von Arbeit und Material <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit dem Erdboden hergestellte<br />

Sache, mith<strong>in</strong> um e<strong>in</strong> Bauwerk. Ausgeschrieben ist nicht die bloße Lieferung der zum Bau<br />

der Anlagen notwendigen Teile, sondern die Errichtung e<strong>in</strong>er funktionierenden Anlage samt<br />

Montage. Die die Anlagen beherbergenden Gebäude wären ohne den E<strong>in</strong>bau der<br />

Anlagen noch nicht als vollständig anzusehen. Dies ist entscheidend für die E<strong>in</strong>ordnung der<br />

Leistung als Bauauftrag (VK Baden-Württemberg, B. v. 15.03.2007 - Az.: 1 VK 03/07).<br />

<strong>8.</strong>3.5.13 Unterhaltungsarbeiten an Gewässern<br />

Auch Gewässer s<strong>in</strong>d als Bauwerk anzusehen. Es handelt sich hierbei um e<strong>in</strong>e<br />

unbewegliche, durch die Verwendung von Arbeit und Material <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit dem<br />

Erdboden, hergestellte Sache. Werden beispielsweise die Krautung der Sohle, Mahd und<br />

Krautung der Böschungen, Holzungen etc. unterhalb der Wasseroberfläche ausgeführt,<br />

wird durch diese Arbeiten direkt auf das Bauwerk e<strong>in</strong>gewirkt; die Tätigkeiten s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> diesem


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Zusammenhang als Instandsetzungsarbeiten anzusehen. Diese s<strong>in</strong>d dadurch<br />

gekennzeichnet, dass sie bauwerksbezogen s<strong>in</strong>d und mit fühlbaren E<strong>in</strong>griffen <strong>in</strong> die<br />

Bauwerkssubstanz verbunden s<strong>in</strong>d. Sie s<strong>in</strong>d für den Bestand des Bauwerks von wesentlicher<br />

Bedeutung. Das die Gräben und Flüsse durchfließende Wasser bildet e<strong>in</strong>e funktionale<br />

E<strong>in</strong>heit mit dem Gesamtbauwerk. Das Wasser ist bestimmend für die Ausbildung der<br />

Gräben bezüglich ihrer Querschnitte, Gefälle und Befestigungen. Es wirkt sich <strong>in</strong> ähnlicher<br />

Weise auch auf die Flüsse aus. Aber auch soweit die Tätigkeiten nicht mit e<strong>in</strong>er<br />

unmittelbaren Berührung der Gewässer verbunden s<strong>in</strong>d, s<strong>in</strong>d diese ebenso wie die<br />

anderen Arbeiten für die Funktionsfähigkeit des Bauwerks von wesentlicher Bedeutung.<br />

Ohne diese Leistungen wären e<strong>in</strong> ordnungsgemäßer Wasserabfluss <strong>in</strong> den Gewässern und der<br />

Ablauf der Ortsentwässerungskanalisation sowie der Ablauf der Dra<strong>in</strong>anlagen<br />

ausgeschlossen. Es wäre außerdem zu befürchten, dass es <strong>in</strong> Folge e<strong>in</strong>es Wasserrückstaus<br />

bzw. e<strong>in</strong>es nicht ausreichenden Abflusses zu gebietsweisen Überschwemmungen käme. Auch<br />

käme es ohne die Mahd der Böschung und die Krautung der Sohle zu e<strong>in</strong>er Veränderung des<br />

Gewässerprofils. Die Gewässer würden jedenfalls teilweise verlanden. Damit wäre der<br />

Bestand der Gewässer <strong>in</strong> der gewünschten Form nicht mehr sichergestellt. Vor diesem<br />

H<strong>in</strong>tergrund können solche Arbeiten nicht mit Re<strong>in</strong>igungsarbeiten bzw. Gartenpflege <strong>in</strong> und<br />

um Gebäude verglichen werden (2. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 21.02.2008 - Az.: VK 2 LVwA<br />

LSA 01/08).<br />

<strong>8.</strong>3.5.14 Kanalre<strong>in</strong>igungsarbeiten<br />

Wenn die wesentlichen, die Ausschreibungsleistung charakterisierenden Tätigkeiten <strong>in</strong><br />

Spülungen und Absaugen von Abwasserkanälen, Pumpen und Regenbecken bestehen,<br />

liegt e<strong>in</strong>e Substanze<strong>in</strong>wirkung nicht vor. Die damit auch angestrebte Sicherung der<br />

Funktionalität und (vorsorglich) der baulichen Integrität der Bauwerke kann für sich<br />

genommen ke<strong>in</strong>e Bauleistung begründen (VK Düsseldorf, B. v. 24.06.2008 - Az.: VK –<br />

19/2008 – B).<br />

<strong>8.</strong>3.5.15 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung<br />

• ist Gegenstand der Ausschreibung die Signalisierung der SPNV-Strecke xxx und<br />

be<strong>in</strong>halten die ausgeschriebenen Leistungen sowohl die Lieferung als auch die<br />

Montage der signaltechnischen Streckenausrüstung und der technischen BÜ-<br />

Sicherungen und s<strong>in</strong>d die Leistungen Teil e<strong>in</strong>er Gesamtmaßnahme zur<br />

Ertüchtigung der SPNV-Strecke xxx, wobei der Auftraggeber u.a. parallel zur<br />

vorliegenden Ausschreibung noch die Ertüchtigung der xxxx-Strecke xxx<br />

ausgeschrieben hat, wobei diese Maßnahme den Oberbau - und<br />

Zusammenhangsarbeiten - Oberbaumateriallieferungen umfasst und hat der<br />

Auftraggeber im Rahmen der Signalisierung der Strecke xxx noch bautechnische<br />

Zusammenhangsarbeiten (Verlegung von Kabelkanälen und Leerrohren,<br />

Kabelverlegearbeiten, Setzen von Fertigteilfundamenten und<br />

Zusammenhangsarbeiten) ausgeschrieben, s<strong>in</strong>d die ausgeschriebenen Leistungen<br />

daher Teil e<strong>in</strong>er Gesamtbaumaßnahme (VK Niedersachsen, B. v. 27.0<strong>8.</strong>2009 - Az.:<br />

VgK-35/2009)<br />

• die Baugrundaufbereitungsarbeiten mit e<strong>in</strong>em geschätzten Auftragswert von ca.<br />

550.00 Euro stellen e<strong>in</strong>en Teil des Gesamtbauauftrags „Entwicklung e<strong>in</strong>es<br />

Landschafts- und Gewerbeparks Hatt<strong>in</strong>gen Henrichshütte“ dar. Das


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Gesamtvolumen aller im Zusammenhang mit der Entwicklung des Landschafts- und<br />

Gewerbeparks durchgeführten <strong>Aufträge</strong> überschreitet den maßgeblichen<br />

Schwellenwert um e<strong>in</strong> Vielfaches. Das Los „Aufbereitung des zweiten<br />

Sprengabschnitts des ehemaligen Hüttengeländes“ steht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em technischen<br />

und wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Entwicklung des Landschafts- und<br />

Gewerbeparks Henrichshütte, es dient nämlich der Vorbereitung und Veräußerung<br />

von Grundstücken e<strong>in</strong>er Teilfläche des Walzwerkgeländes an private Investoren. Der<br />

Abbruch, die Herrichtung/Altlastenbeseitigung und die Erschließung von Teilflächen<br />

sollen den Verkauf von Grundstücken vorbereiten, die im Wege e<strong>in</strong>er neuen<br />

Bebauung e<strong>in</strong>er wirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden sollen (OLG Düsseldorf,<br />

B. v. 11.02.2009 - Az.: VII-Verg 69/08)<br />

<strong>8.</strong>3.6 Bauleistung durch Dritte gemäß den vom Auftraggeber<br />

genannten Erfordernissen<br />

<strong>8.</strong>3.6.1 Allgeme<strong>in</strong>es<br />

E<strong>in</strong> öffentlicher Bauauftrag nach der dritten Variante von <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong><br />

(Bauleistungen durch Dritte gemäß den vom Auftraggeber genannten Erfordernissen (und<br />

nach Art. 1 Abs. 2 b) der Richtl<strong>in</strong>ie auch: gleichgültig mit welchen Mitteln) setzt nicht<br />

voraus, dass der Auftragnehmer (oder Baukonzessionär) durch den Auftrag<br />

unmittelbar zu Bauleistungen verpflichtet wird oder Bauleistungen den Gegenstand des<br />

Auftrags bilden. Als Auffangtatbestand, der die praktische Wirksamkeit der<br />

Vergaberichtl<strong>in</strong>ie auch <strong>in</strong> Umgehungsfällen sicherstellen soll, regelt die dritte Variante<br />

vielmehr solche öffentlichen Bauaufträge, bei denen e<strong>in</strong> Bauwerk erstellt wird, das e<strong>in</strong>er<br />

öffentlichen Zweckbestimmung unterliegt, der öffentliche Auftraggeber jedoch nicht selbst<br />

als Bauherr auftritt, sondern das Vorhaben im Auftrag und auf Rechnung des Auftragnehmers<br />

von e<strong>in</strong>em - von diesem verschiedenen - Dritten ausgeführt werden soll. Daraus geht hervor,<br />

dass die Auftragsbeziehung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer im Fall der dritten<br />

Variante, soll diese zur Erfassung möglicher Umgehungen e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n haben, nicht als<br />

Bauauftrag ausgestaltet se<strong>in</strong> und erst recht ke<strong>in</strong>e unmittelbare Verpflichtung des<br />

Auftragnehmers zur Herstellung des Bauwerks aufweisen muss (OLG Düsseldorf, B. v.<br />

02.10.2008 – Az.: VII – Verg 25/08; VK Düsseldorf, B. v. 31.10.2008 - Az.: VK – 22/2008 –<br />

B).<br />

Bei dieser Konstellation wird die Bauleistung durch e<strong>in</strong>en Dritten ausgeführt; das<br />

Bauherrenrisiko liegt folglich bei dem Dritten.<br />

Entscheidend für die Anwendbarkeit des <strong>Vergaberecht</strong>s ist die Frage, wieweit e<strong>in</strong><br />

öffentlicher Auftraggeber auf die Bauleistung E<strong>in</strong>fluss genommen hat. Handelt es sich nur<br />

um allgeme<strong>in</strong>e Vorgaben, die jeder Bieter aus se<strong>in</strong>er speziellen Situation als Nachfrager von<br />

Gebäudeflächen heraus stellt (z. B. Umfang der Büroflächen, EDV-technische Ausstattung),<br />

ist von e<strong>in</strong>em Mietvertrag auszugehen, der vergaberechtsfrei ist (<strong>§</strong> 100 Abs. 2 Buchstabe h)<br />

<strong>GWB</strong>). Bei e<strong>in</strong>em "Bestellbau" des öffentlichen Auftraggebers greift <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> e<strong>in</strong><br />

(vgl. hierzu im E<strong>in</strong>zelnen die Kommentierung zu <strong>§</strong> 100 <strong>GWB</strong> RZ 1296).


1129<br />

1129/1<br />

1130<br />

1131<br />

1132<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Entscheidend s<strong>in</strong>d jeweils die Umstände des E<strong>in</strong>zelfalls.<br />

Der dritten Variante des <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> unterfallen auch <strong>Aufträge</strong>, durch die mittels der<br />

vom öffentlichen Auftraggeber genannten Erfordernisse gewährleistet werden soll, dass das<br />

herzustellende Bauwerk für e<strong>in</strong>en bestimmten öffentlichen Zweck zur Verfügung steht,<br />

und durch die dem Auftraggeber (kraft vertraglicher Abrede) zugleich die rechtliche<br />

Befugnis gegeben wird, (im mittelbaren Eigen<strong>in</strong>teresse) die Verfügbarkeit des Bauwerks<br />

für die öffentliche Zweckbestimmung sicherzustellen (OLG Düsseldorf, B. v. 02.10.2008 –<br />

Az.: VII – Verg 25/08).<br />

<strong>8.</strong>3.6.2 Literatur<br />

• Bartlik, Mart<strong>in</strong>, Der Erwerb von Geme<strong>in</strong>degrundstücken, ZfBR 2009, 650<br />

• Drey, Franz, Das Beste draus machen - Ausschreibungspflicht verändert die Stadtplanung,<br />

Behörden Spiegel Februar 2008, 19<br />

• Gartz, Benjam<strong>in</strong>, "Ahlhorn" und ke<strong>in</strong> Ende?, NZBau 2008, 473<br />

• Greb, Klaus / Rolshoven, Michael, Die "Ahlhorn"-L<strong>in</strong>ie - Grundstücksverkauf, Planungs-<br />

und <strong>Vergaberecht</strong>, NZBau 2008, 163<br />

• Jasper, Ute / von der Recke, Barbara, Ausnahmen von der Vergabepflicht bei<br />

Grundstücksveräußerungen der öffentlichen Hand, ZfBR 2008, 561<br />

• Kade, Timo, Schafft die <strong>GWB</strong>-Novelle 2008 Rechtssicherheit nach den<br />

vergaberechtlichen Entscheidungen des OLG Düsseldorf?, ZfBR 2009, 440<br />

• Krohn, Wolfram, "Flugplatz Ahlhorn": Ausschreibungspflicht für Grundstücksgeschäfte<br />

der öffentlichen Hand?, ZfBR 2008, 27<br />

• Ott<strong>in</strong>g, Olaf, Bau und F<strong>in</strong>anzierung öffentlicher Infrastruktur durch private Investoren –<br />

E<strong>in</strong> Beitrag zur Auslegung des <strong>§</strong> <strong>99</strong> III, 3. Alt. <strong>GWB</strong>, NZBau 2004, 469<br />

<strong>8.</strong>3.7 Baukonzessionen<br />

<strong>8.</strong>3.7.1 Begriff<br />

Baukonzessionen s<strong>in</strong>d Verträge über die Erbr<strong>in</strong>gung von Bauleistungen, bei dem der<br />

Konzessionsgeber als Gegenleistung für die Bauarbeiten des Baukonzessionärs diesem<br />

statt e<strong>in</strong>er Vergütung e<strong>in</strong> Recht auf Nutzung der baulichen Anlage, gegebenenfalls<br />

zuzüglich der Zahlung e<strong>in</strong>es Preises, e<strong>in</strong>räumt - <strong>§</strong> 98 Nr. 6 <strong>GWB</strong>, <strong>§</strong> 6 Satz 2 VgV, <strong>§</strong> 32 Nr.<br />

1 VOB/A – (OLG Düsseldorf, B. v. 02.10.2008 – Az.: VII – Verg 25/08; VK Baden-<br />

Württemberg, B. v. 15.0<strong>8.</strong>2008 - Az.: 1 VK 27/08; VK Niedersachsen, B. v. vom 16.10.2008<br />

- Az.: VgK-30/2008).<br />

E<strong>in</strong>e Baukonzession unterscheidet sich von e<strong>in</strong>em Bauauftrag nur <strong>in</strong>soweit, als die<br />

Gegenleistung für die Bauarbeiten statt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Vergütung <strong>in</strong> dem Recht auf Nutzung der<br />

baulichen Anlage, gegebenenfalls zuzüglich der Zahlung e<strong>in</strong>es Preises, besteht (VK Baden-<br />

Württemberg, B. v. 13.11.2008 - Az.: 1 VK 45/08; B. v. 15.0<strong>8.</strong>2008 - Az.: 1 VK 27/08). Wie<br />

beim Bauauftrag muss daher auch bei der Baukonzession e<strong>in</strong> Vertrag, z. B. über die<br />

Ausführung e<strong>in</strong>es Bauwerks, vorliegen. Erfasst werden nur solche Verträge, bei denen die


1133<br />

1133/0,3<br />

1133/1<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Leistung an den öffentlichen Auftraggeber erbracht wird. Der Auftraggeber muss dabei<br />

auf Seiten der Güternachfrage auftreten, der Vertrag muss – nicht unbed<strong>in</strong>gt se<strong>in</strong>en eigenen -<br />

Beschaffungszwecken dienen (BayObLG, B. v. 19.10.2000 - Az.: Verg 9/00). Vgl. <strong>in</strong>soweit<br />

ausführlich die Kommentierung RZ 1084/1.<br />

Kennzeichen auch e<strong>in</strong>er Baukonzession ist, dass sie die Übertragung e<strong>in</strong>es Rechts zur<br />

Verwertung e<strong>in</strong>er bestimmten Leistung umfasst und dass der Konzessionär - ganz oder zum<br />

überwiegenden Teil - das wirtschaftliche Nutzungsrisiko trägt (OLG Düsseldorf, B. v.<br />

06.02.2008 - Az.: VII - Verg 37/07; B. v. 12.12.2007 - Az.: VII - Verg 30/07; B. v. 26.7.2002<br />

- Az.: Verg 22/02; OLG Karlsruhe, B. v. 13.06.2008 - Az.: 15 Verg 3/08; VK Arnsberg, B. v.<br />

27.10.2003 - Az.: VK 2-22/2003; VK Lüneburg, B. v. 12.11.2003 - Az.: 203-VgK-27/2003;<br />

VK Niedersachsen, B. v. vom 16.10.2008 - Az.: VgK-30/2008). Die Übertragung des<br />

Nutzungsrechts hat entgeltersetzenden Charakter (OLG Düsseldorf, B. v. 02.10.2008 – Az.:<br />

VII – Verg 25/08). Nicht notwendig ist es, dass der Auftraggeber ke<strong>in</strong>erlei Nutzungsrisiko<br />

trägt (VK Lüneburg, B. v. 14.1.2002 - Az.: 203-VgK-22/2001).<br />

Das Nutzungsrecht kann ausgeübt werden durch Selbstnutzung des errichteten Bauwerks<br />

oder durch Vermietung, Verpachtung oder Veräußerung an Dritte (OLG Düsseldorf, B.<br />

v. 02.10.2008 – Az.: VII – Verg 25/08).<br />

Der Umstand, dass der Konzessionär auch Eigentümer der Grundstücke werden soll,<br />

entzieht die Baukonzession nicht der Anwendung des <strong>Vergaberecht</strong>s. Wenn die Annahme<br />

e<strong>in</strong>es öffentlichen Bauauftrags nicht davon abhängig gemacht werden darf, dass der<br />

öffentliche Auftraggeber Eigentümer des Bauwerks oder e<strong>in</strong>es Teils davon ist oder wird,<br />

Eigentümer also auch e<strong>in</strong> Dritter se<strong>in</strong> oder werden kann, dann ist es nicht nur für den<br />

Begriff des öffentlichen Bauauftrags, sondern auch für den der Baukonzession<br />

vollkommen unerheblich, ob das Bauwerk <strong>in</strong> das Eigentum des Auftragnehmers<br />

übergehen oder der Konzessionär Eigentümer werden soll. Die Def<strong>in</strong>ition der<br />

Baukonzession enthält ke<strong>in</strong> Tatbestandsmerkmal, wonach der Konzessionär ke<strong>in</strong><br />

Eigentum am Bauwerk erwerben darf oder das Eigentum nach Ablauf e<strong>in</strong>es<br />

Konzessionszeitraums auf den öffentlichen Auftraggeber übergehen muss. Soll der<br />

Konzessionär Eigentümer werden, kann auch nicht so getan werden, als beruhe se<strong>in</strong>e<br />

Befugnis, das Bauwerk zu nutzen und zu verwerten, auf e<strong>in</strong>em von der Erteilung des<br />

Bauauftrags völlig unabhängigen Übertragungsakt des öffentlichen Auftraggebers. Die<br />

Gegenauffassung verkennt, dass die Eigentümerstellung vom Auftraggeber abgeleitet ist und<br />

der Konzessionär mit der Eigentumsübertragung auch erst das Recht zur Nutzung des<br />

späteren Bauwerks erhält. Der Grundstückskaufvertrag und der Bauauftrag hängen<br />

zusammen. Die Verträge s<strong>in</strong>d deshalb auch rechtlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zusammenschau zu betrachten.<br />

Bei jeder anderen Sichtweise s<strong>in</strong>d unerwünschte Umgehungen des <strong>Vergaberecht</strong>s zu<br />

erwarten, die se<strong>in</strong>er Zielsetzung widersprechen. Dass e<strong>in</strong> Konzessionär im Gegenzug e<strong>in</strong>en<br />

Kaufpreis an den Konzessionsgeber und Auftraggeber zahlt, rechtfertigt ke<strong>in</strong>e andere<br />

rechtliche Beurteilung. Denn es stellt ke<strong>in</strong> gesetzliches Merkmal der Baukonzession dar,<br />

dass sie unentgeltlich zu gewähren ist. Die weiteren Überlegungen, die am Merkmal der<br />

Gegenleistung <strong>in</strong> Art. 1 Abs. 3 der Richtl<strong>in</strong>ie 2004/18/EG und <strong>in</strong> <strong>§</strong> 6 Abs. 1 S. 2 VgV<br />

anknüpfen und die Ansicht artikulieren, im Fall e<strong>in</strong>er Eigentumsübertragung sei das<br />

Nutzungsrecht nicht als Gegenleistung für die Errichtung des Bauwerks zu bewerten, sondern<br />

beruhe auf dem d<strong>in</strong>glichen Eigentumsrecht selbst, übersieht den zur Änderung der<br />

Eigentumslage erforderlichen Übertragungsakt und den rechtlichen Zusammenhang<br />

mit dem auf die Herstellung des Bauwerks gerichteten Auftrag. Das Eigentum wird<br />

gerade nicht unabhängig vom Bauauftrag erworben. Davon abgesehen folgt aus dem<br />

Charakter der Baukonzession, dass der öffentliche Auftrag nicht zur Deckung e<strong>in</strong>es


1134<br />

1135<br />

1136<br />

1137<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

eigenen Beschaffungsbedarfs des öffentlichen Auftraggebers erteilt werden muss, im<br />

Fall e<strong>in</strong>er Baukonzession zu diesem Zweck sogar nicht erteilt werden kann. Denn das<br />

Bauwerk soll gerade nicht durch den öffentlichen Auftraggeber, sondern durch den<br />

Baukonzessionär genutzt werden (OLG Düsseldorf, B. v. 02.10.2008 – Az.: VII – Verg 25/08;<br />

B. v. 06.02.2008 - Az.: VII - Verg 37/07; OLG Karlsruhe, B. v. 13.06.2008 - Az.: 15 Verg<br />

3/08; ebenso OLG Bremen, B. v. 13.03.2008 - Az.: Verg 5/07).<br />

<strong>8.</strong>3.7.2 E<strong>in</strong>beziehung <strong>in</strong> das <strong>Vergaberecht</strong><br />

<strong>8.</strong>3.7.2.1 Grundsatz<br />

Der Baukonzessionsvertrag stellt e<strong>in</strong>en Bauauftrag im S<strong>in</strong>ne des <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> dar. Zwar<br />

ist <strong>in</strong> <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> - anders als <strong>in</strong> der Baukoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie - der<br />

Baukonzessionsvertrag nicht ausdrücklich erwähnt. <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> ist aber<br />

richtl<strong>in</strong>ienkonform dah<strong>in</strong> auszulegen, dass auch Baukonzessionsverträge mit umfasst s<strong>in</strong>d<br />

(OLG Bremen, B. v. 13.03.2008 - Az.: Verg 5/07; OLG Düsseldorf, B. v. 06.02.2008 - Az.:<br />

VII - Verg 37/07; B. v. 13.06.2007 - Az.: VII - Verg 2/07). Nach Art. 1 lit. d BKR s<strong>in</strong>d<br />

nämlich öffentliche Baukonzessionen nur e<strong>in</strong>e besondere Art von Bauaufträgen, bei denen die<br />

Gegenleistung (= Entgelt) für die Arbeiten ausschließlich <strong>in</strong> dem Recht zur Nutzung oder <strong>in</strong><br />

diesem Recht zuzüglich der Zahlung e<strong>in</strong>es Preises besteht. (OLG Brandenburg, B. v. 3.<strong>8.</strong>1<strong>99</strong>9<br />

- Az.: 6 Verg 1/<strong>99</strong>; BayObLG, B. v. 11.12.2001 - Az.: Verg 15/01; VK Südbayern, B. v.<br />

21.<strong>8.</strong>2000 - Az.: 120.3-3194.1-14-07/00).<br />

Nach Art. 1 Abs. 3 der Vergabekoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie (Richtl<strong>in</strong>ie 2004/18/EG) s<strong>in</strong>d<br />

„<strong>Öffentliche</strong> Baukonzessionen“ Verträge, die von öffentlichen Bauaufträgen nur <strong>in</strong>soweit<br />

abweichen, als die Gegenleistung für die Bauleistungen ausschließlich <strong>in</strong> dem Recht zur<br />

Nutzung des Bauwerks oder <strong>in</strong> diesem Recht zuzüglich der Zahlung e<strong>in</strong>es Preises<br />

besteht.<br />

Vgl. zur Dienstleistungskonzession - die nicht unter das <strong>Vergaberecht</strong> fällt - die<br />

Kommentierung RZ 1159.<br />

<strong>8.</strong>3.7.2.2 Gemischte Verträge<br />

<strong>8.</strong>3.7.2.2.1 Rechtsprechung<br />

Baukonzessionsverträge unterliegen auch als gemischte Verträge (z. B. mit Elementen e<strong>in</strong>er<br />

Dienstleistungskonzession) der Nachprüfung, wenn die durchzuführenden Bauarbeiten<br />

gegenüber dem Hauptgegenstand der Ausschreibung nicht nur von untergeordneter<br />

Bedeutung s<strong>in</strong>d. Diese Auslegung wird gestützt durch die 16. Begründungserwägung zur<br />

Dienstleistungskoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie: Dort ist <strong>in</strong> Abgrenzung zwischen e<strong>in</strong>em<br />

Dienstleistungsauftrag und e<strong>in</strong>em Bauauftrag ausgeführt, dass e<strong>in</strong> Vertrag, um als öffentlicher<br />

Bauauftrag e<strong>in</strong>geordnet zu werden, die hauptsächliche Errichtung e<strong>in</strong>es Bauwerkes im S<strong>in</strong>ne<br />

der Richtl<strong>in</strong>ien zum Inhalt haben muss (OLG Karlsruhe, B. v. 13.06.2008 - Az.: 15 Verg 3/08;<br />

OLG Brandenburg, B. v. 3.<strong>8.</strong>1<strong>99</strong>9 - Az.: 6 Verg 1/<strong>99</strong>; VG Münster, B. v. 09.03.2007 - Az.: 1<br />

L 64/07).


1137/1<br />

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Für diese Auslegung spricht <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 6 Satz 2 <strong>GWB</strong>, wonach e<strong>in</strong> öffentlicher Auftrag, der<br />

neben Dienstleistungen Bauleistungen umfasst, die im Verhältnis zum Hauptgegenstand<br />

Nebenarbeiten s<strong>in</strong>d, als Dienstleistungsauftrag gilt. Anhaltspunkte, die gegen die<br />

entsprechende Anwendung dieser Regelung auf Konzessionsverträge sprechen, bestehen<br />

nicht. Da für den öffentlichen Bauauftrag und die Baukonzession dieselben -<br />

vergaberechtlichen - Regelungen gelten, ersche<strong>in</strong>t es gerechtfertigt, den Anwendungsbereich<br />

dieser Regelungen im H<strong>in</strong>blick auf Bauaufträge und Baukonzessionen nach e<strong>in</strong>em<br />

e<strong>in</strong>heitlichen Maßstab zu bestimmen (OLG Karlsruhe, B. v. 13.06.2008 - Az.: 15 Verg 3/08;<br />

VG Münster, B. v. 09.03.2007 - Az.: 1 L 64/07).<br />

Entsprechendes gilt für e<strong>in</strong>e Verb<strong>in</strong>dung von Dienstleistungs- und anderen –<br />

vergaberechtsfreien – <strong>Aufträge</strong>n wie z.B. e<strong>in</strong>em Kaufvertrag. Derartig gemischte Verträge<br />

unterliegen dem <strong>Vergaberecht</strong>, wenn der Dienstleistungsteil überwiegt<br />

(Schwergewichtstheorie), zum<strong>in</strong>dest aber bleibt der Dienstleistungsteil<br />

ausschreibungspflichtig (Trennungstheorie) – (VK Arnsberg, B. v. 17.06.2004 - Az.: VK 2 -<br />

06/2004).<br />

<strong>8.</strong>3.7.2.2.2 Literatur<br />

• Siegel, Thorsten, Die Behandlung gemischter Verträge nach dem neuen <strong>Vergaberecht</strong>,<br />

VergabeR 2007, 25<br />

<strong>8.</strong>3.7.3 Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen im Bereich<br />

Konzessionen im Geme<strong>in</strong>schaftsrecht<br />

Die Kommission der Europäischen Geme<strong>in</strong>schaften hat e<strong>in</strong>e umfangreiche Mitteilung zu<br />

Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen im Geme<strong>in</strong>schaftsrecht veröffentlicht<br />

(12.4.2000).<br />

<strong>8.</strong>3.7.4 Ausschreibung und Vergabe von Baukonzessionen<br />

Die Ausschreibung und Vergabe von Baukonzessionen erfolgt nach den <strong>§</strong><strong>§</strong> 32, 32 a VOB/A;<br />

vgl. <strong>in</strong>soweit die entsprechenden Kommentierungen.<br />

<strong>8.</strong>3.7.5 Literatur<br />

• Horn, Lutz, <strong>Vergaberecht</strong>liche Rahmenbed<strong>in</strong>gungen bei<br />

Verkehrs<strong>in</strong>frastrukturprojekten im Fernstraßenbau, ZfBR 2004, 665<br />

<strong>8.</strong>3.8 Abgrenzung zum Lieferauftrag mit baulichen Nebenleistungen


1142<br />

1143<br />

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1146<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

<strong>8.</strong>3.<strong>8.</strong>1 Allgeme<strong>in</strong>es<br />

Entscheidend für die Abgrenzung des Bauauftrages zum Lieferauftrag mit baulichen<br />

Nebenleistungen ist das Haupt<strong>in</strong>teresse des Auftraggebers und der sachliche Charakter<br />

e<strong>in</strong>es Bauauftrags. Das zeigt ergänzend <strong>§</strong> 1a Nr. 2 VOB/A; danach gilt auch für Bauaufträge<br />

mit überwiegendem Lieferanteil - nach näherer Maßgabe der dort getroffenen Regelung - die<br />

VOB/A und nicht etwa die VOL/A. Aus der Def<strong>in</strong>ition des Lieferauftrags <strong>in</strong> <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 2<br />

<strong>GWB</strong> ergibt sich nichts anderes. Danach s<strong>in</strong>d Lieferaufträge Verträge zur Beschaffung von<br />

Waren; die Verträge können auch Nebenleistungen umfassen. Art. 1 Buchstabe a) Satz 2 der<br />

Lieferkoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie (LKR) nennt <strong>in</strong>soweit beispielhaft das Verlegen und<br />

Anbr<strong>in</strong>gen der Ware (BayObLG, B. v. 23.7.2002 - Az.: Verg 17/02; im Ergebnis ebenso OLG<br />

Bremen, B. v. 13.03.2008 – Az.: Verg 5/07).<br />

Vgl. zum Bauauftrag mit weit überwiegendem Lieferanteil die Kommentierung zu <strong>§</strong> 1a<br />

VOB/A RZ 3559.<br />

<strong>8.</strong>3.<strong>8.</strong>2 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung<br />

• s<strong>in</strong>d Gegenstand der Leistung neben der Errichtung e<strong>in</strong>es Hackschnitzelheizwerks die<br />

Planung, die F<strong>in</strong>anzierung der Investitionskosten, die Wärmelieferung, der Betrieb und<br />

die Wartung e<strong>in</strong>schließlich der Übernahme des gesamten Betriebsrisikos für e<strong>in</strong>en<br />

Zeitraum von 20 Jahren, bei Nebenangeboten auch ohne Errichtung e<strong>in</strong>es<br />

Hackschnitzelheizwerks, ist der Schwerpunkt des Vertrags die Lieferung von Wärme.<br />

Tritt die re<strong>in</strong>e Baumaßnahme gegenüber e<strong>in</strong>er Lieferleistung zurück, ist der<br />

Schwellenwert nach <strong>§</strong> 2 Nr. 3 VgV von 206.000,00 € heranzuziehen (VK Nordbayern, B.<br />

v. 30.07.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 13/08; B. v. 07.07.2008 - Az.: 21.VK - 3194 - 31/08)<br />

<strong>8.</strong>3.9 Abgrenzung bei Betreiberleistungen<br />

Treffen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Beschaffungsvorhaben Bauleistungen und Leistungen nach VOL<br />

zusammen, kommt es auf den Schwerpunkt an. Dementsprechend ist die Grundlage für<br />

e<strong>in</strong>e Ausschreibung zu wählen - VOB/A oder VOL/A - (OLG Thür<strong>in</strong>gen, B. v. 2<strong>8.</strong>01.2004 -<br />

Az.: 6 Verg 11/03, B. v. 14.10.2003 - Az.: 6 Verg 5/03; OLG Düsseldorf, B. v. 12.3.2003 -<br />

Az.: Verg 49/02; OLG Naumburg, B. v. 30.5.2002 - Az.: 1 Verg 14/01; VK Hessen, B. v.<br />

2<strong>8.</strong>5.2003 - Az.: 69 d VK - 17/2003).<br />

Treffen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Beschaffungsvorhaben Leistungen nach VOL und VOF zusammen,<br />

kommt es auf den Schwerpunkt an. Dementsprechend ist die Grundlage für e<strong>in</strong>e<br />

Ausschreibung zu wählen - VOL/A oder VOF - (VK Saarland, B. v. 19.05.2006 - Az.: 3 VK<br />

03/2006).<br />

Entsprechend der Schwerpunkttheorie ist durch das ÖPP-Beschleunigungsgesetz <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 6<br />

<strong>GWB</strong> angefügt worden; vgl. die entsprechende Kommentierung RZ 1182.


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1149/1<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

<strong>8.</strong>3.10 Sonderfall: Energiesparcontract<strong>in</strong>g<br />

<strong>8.</strong>3.10.1 Rechtsprechung<br />

Bei Energiesparcontract<strong>in</strong>g setzt e<strong>in</strong> Dritter (Contractor) auf eigenes Risiko privates<br />

Kapital und Know-how zur Verbesserung des Energiemanagements sowie der bau- und<br />

anlagentechnischen Ausstattung von Gebäuden e<strong>in</strong>. Der Contractor übernimmt die<br />

Garantie, dass der Energieverbrauch bzw. die Energie- und sonstigen Betriebskosten während<br />

der Vertragslaufzeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em bestimmten Umfang reduziert werden. Die Investitionen des<br />

Contractors werden durch ersparte Energie- und sonstige Betriebskosten ref<strong>in</strong>anziert, ggf.<br />

unter Erfolgsbeteiligung des Contract<strong>in</strong>g-Nehmers (H<strong>in</strong>weise für die Durchführung von<br />

Energiesparcontract<strong>in</strong>g <strong>in</strong> der öffentlichen Verwaltung, AMEV 2001).<br />

Oftmals enthält e<strong>in</strong> Contract<strong>in</strong>g-Vertrag Elemente des Bauvertrages und des Liefervertrages,<br />

etwa bei e<strong>in</strong>er Koppelung von Investitionsmaßnahmen mit Energielieferungen. Ob die<br />

Regelungen des Bau- oder des Liefervertrages anzuwenden s<strong>in</strong>d, richtet sich danach, wo der<br />

Schwerpunkt der Leistungen liegt; dies wiederum bestimmt sich danach, welche<br />

Leistungen und Risiken den Vertrag prägen und wie sich das f<strong>in</strong>anzielle<br />

Investitionsvolumen auf die e<strong>in</strong>zelnen Leistungsbereiche verteilt (OLG Düsseldorf, B. v.<br />

12.3.2003 - Az.: Verg 49/02; 2. VK Brandenburg, B. v. 0<strong>8.</strong>03.2007 - Az.: 2 VK 4/07; VK<br />

Bremen, B. v. 3.11.2000 - Az.: VK 3/00; VK Niedersachsen, B. v. 23.02.2009 - Az.: VgK-<br />

58/2008).<br />

Die rechtliche E<strong>in</strong>ordnung entzieht sich e<strong>in</strong>er generalisierenden Bewertung. Namentlich<br />

ist durch e<strong>in</strong>en Ansatz fester Wertgrenzen - vor allem <strong>in</strong> der Weise, dass von e<strong>in</strong>em<br />

wertmäßigen Anteil der Bauleistungen von 40% an ke<strong>in</strong> Liefer- oder Dienstleistungsauftrag<br />

anzunehmen sei, nicht allen denkbaren Fällen angemessen Rechnung zu tragen. Die<br />

Wertanteile der verschiedenen Leistungen vermitteln für die rechtliche E<strong>in</strong>ordnung des<br />

gesamten Auftrags im Regelfall lediglich Anhaltspunkte sowie e<strong>in</strong>e erste Orientierung,<br />

es sei denn sie weisen durch ihren objektiv deutlich überwiegenden Anteil den Bauleistungen<br />

oder den Liefer-/Dienstleistungen e<strong>in</strong>deutig den Auftragsschwerpunkt zu. Im Wesentlichen<br />

kommt es deshalb auf die den jeweiligen E<strong>in</strong>zelfall kennzeichnenden rechtlichen und<br />

wirtschaftlichen Merkmale und Umstände an. So kommt es wesentlich auch auf e<strong>in</strong>e<br />

wirtschaftliche Betrachtung des Schwerpunkts der Vertragsleistungen und der mit der<br />

Durchführung des Vertrages verbundenen Risiken an (OLG Düsseldorf, B. v. 12.3.2003 -<br />

Az.: Verg 49/02).<br />

<strong>8.</strong>3.10.2 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung<br />

• um e<strong>in</strong>en Bauauftrag – mit der Folge e<strong>in</strong>es Schwellenwerts von xxxxxx € - handelt es sich<br />

trotz e<strong>in</strong>er zu errichtenden Heizungsanlage nicht, wenn angesichts der Laufzeit von<br />

15 bzw. 20 Jahren der Anteil der Wärmelieferung im Rahmen des gesamten Auftrags<br />

über e<strong>in</strong> Wärme-Liefercontract<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>deutig überwiegt (VK Niedersachsen, B. v.<br />

23.02.2009 - Az.: VgK-58/2008)<br />

• vgl. zur Verpachtung e<strong>in</strong>es Grundstücks mit der Auflage der Errichtung und des<br />

Betriebes von W<strong>in</strong>dkraftanlagen die Kommentierung RZ 12<strong>99</strong>/4,2


1150<br />

1151<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

• unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH und des OLG Düsseldorf liegt <strong>in</strong><br />

der Vere<strong>in</strong>barung vom 29.03.2007 <strong>in</strong> der Fassung vom 04.09.2007 e<strong>in</strong>e Baukonzession,<br />

die unter richtl<strong>in</strong>ienkonformer Auslegung ebenfalls von <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> erfasst wird<br />

und damit ausschreibungspflichtig war. Die Antragsgegner<strong>in</strong> hat <strong>in</strong> der Vere<strong>in</strong>barung<br />

e<strong>in</strong>en Bauauftrag <strong>in</strong> der Form e<strong>in</strong>er Baukonzession erteilt, da der Verkauf des<br />

Grundstückes an die Beigeladene mit der Verpflichtung verbunden war, dass die<br />

Beigeladene nach dem Abriss des xxxxxxxxxxx auf dem Grundstück e<strong>in</strong>e bauliche<br />

Anlage, und zwar e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>kaufszentrum zu errichten hatte, wobei sie dabei die<br />

Erfordernisse der Antragsgegner<strong>in</strong> berücksichtigen sollte. Klarstellend weist die<br />

Kammer darauf h<strong>in</strong>, dass auch dann, wenn hier ke<strong>in</strong>e Verpflichtung festgestellt würde, der<br />

Kaufvertrag dem <strong>Vergaberecht</strong> unterliegt. Nach der Auffassung des OLG Düsseldorf,<br />

a.a.O., kommt es gerade nicht darauf an, dass e<strong>in</strong>e Verpflichtung zur Durchführung<br />

bestimmter Baumaßnahmen <strong>in</strong> dem Vertrag auferlegt wird oder der Käufer zum<br />

Abschluss e<strong>in</strong>es städtebaulichen Vertrages mit der Geme<strong>in</strong>de verpflichtet wird (VK<br />

Münster, B. v. 26.09.2007 - Az.: VK 17/07)<br />

• enthält der abzuschließende Vertrag e<strong>in</strong>erseits die Vere<strong>in</strong>barung über die Errichtung<br />

e<strong>in</strong>er weitgehend von der Auftraggeber<strong>in</strong> vorgegebenen Fernwärmeerzeugungsanlage<br />

auf e<strong>in</strong>em von ihr zur Verfügung gestellten Grundstück, andererseits die wechselseitige<br />

Lieferung und Abnahme von Fernwärme über e<strong>in</strong>en Zeitraum von 15 Jahren mit der<br />

Option e<strong>in</strong>er automatischen Verlängerung des Bezugsvertrages. Da über den<br />

Fernwärmeliefervertrag die Investitionskosten, die Primärenergie, der Betrieb und e<strong>in</strong><br />

Gew<strong>in</strong>n für den Vertragspartner f<strong>in</strong>anziert werden sollen, überwiegt zweifellos<br />

wertmäßig der Dienstleistungsteil dieses Auftrages, der damit als Ganzes als<br />

Dienstleistungsvertrag e<strong>in</strong>zuordnen ist (2. VK Brandenburg, B. v. 0<strong>8.</strong>03.2007 - Az.: 2 VK<br />

4/07)<br />

<strong>8.</strong>3.10.3 Literatur<br />

• Burgi, Mart<strong>in</strong>, Energierecht und <strong>Vergaberecht</strong>, Recht der Energiewirtschaft 6/2007, 145<br />

• Ortner, Roderic, Energierechtliche Wegenutzungsverträge und <strong>Vergaberecht</strong>, VergabeR<br />

2008, 608<br />

• Rotter, Frank / Gröger, Jens / Reichenberger, Romy, Contract<strong>in</strong>g für<br />

Bundesliegenschaften – Optimierung des Energiemanagements, Behörden Spiegel<br />

Oktober 2005, 27<br />

<strong>8.</strong>3.11 Sonstige Formen von Bauaufträgen<br />

Die F<strong>in</strong>anznot der öffentlichen Auftraggeber hat zu e<strong>in</strong>er fast nicht mehr überschaubaren<br />

Fülle von F<strong>in</strong>anzierungsmodellen öffentlicher Baumaßnahmen geführt. Im Ergebnis laufen<br />

alle Modelle darauf h<strong>in</strong>aus, dass das <strong>Vergaberecht</strong> dennoch Anwendung f<strong>in</strong>det.<br />

<strong>8.</strong>3.12 Beispiele aus der Rechtsprechung (Bauauftrag/Bauleistung<br />

bejaht)


1152<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

• Lieferung und Montage von Anlagenteilen für e<strong>in</strong><br />

Unterdruckentwässerungssystem (VK Schleswig-Holste<strong>in</strong>, B. v. 30.0<strong>8.</strong>2006 - Az.:<br />

VK-SH 20/06)<br />

• Lieferung und Montage der für e<strong>in</strong>e bauliche Anlage erforderlichen masch<strong>in</strong>ellen und<br />

elektrotechnischen/elektronischen Anlagen und Anlagenteile (BayObLG, B. v.<br />

23.7.2002 - Az.: Verg 17/02)<br />

• Erdbewegungsarbeiten (2. VK Bund, B. v. <strong>8.</strong><strong>8.</strong>2001 - Az.: VK 2 - 22/01)<br />

• E<strong>in</strong>bau von Schrankwänden und das E<strong>in</strong>passen e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>bauküche im<br />

Zusammenhang mit dem Umbau e<strong>in</strong>es Verwaltungsgebäudes (OLG Thür<strong>in</strong>gen, B. v.<br />

22.<strong>8.</strong>2002 - Az.: 6 Verg 5/01)<br />

• Lieferung von Küchenausrüstungen für e<strong>in</strong>e Kant<strong>in</strong>e (OLG Thür<strong>in</strong>gen, B. v.<br />

22.<strong>8.</strong>2002 - Az.: 6 Verg 5/01)<br />

• Liftsysteme für e<strong>in</strong> Hochhaus (OLG Thür<strong>in</strong>gen, B. v. 22.<strong>8.</strong>2002 - Az.: 6 Verg 5/01)<br />

• Elektro<strong>in</strong>stallation für e<strong>in</strong> Bühnenhaus (OLG Thür<strong>in</strong>gen, B. v. 22.<strong>8.</strong>2002 - Az.: 6<br />

Verg 5/01)<br />

• masch<strong>in</strong>entechnische Teile e<strong>in</strong>er Kläranlage (OLG Thür<strong>in</strong>gen, B. v. 22.<strong>8.</strong>2002 -<br />

Az.: 6 Verg 5/01)<br />

• Sicherheitse<strong>in</strong>richtungen für e<strong>in</strong> Gefängnis (OLG Thür<strong>in</strong>gen, B. v. 22.<strong>8.</strong>2002 - Az.:<br />

6 Verg 5/01)<br />

• Regalsystem für e<strong>in</strong>e neu zu errichtende Bibliothek und zwar selbst dann, wenn<br />

diese Regale nicht fest mit dem Bauwerk verbunden s<strong>in</strong>d (OLG Thür<strong>in</strong>gen, B. v.<br />

22.<strong>8.</strong>2002 - Az.: 6 Verg 5/01; ebenso für mit dem Gebäude fest verbundene Regale (1.<br />

VK Sachsen, B. v. 10.<strong>8.</strong>2001 - Az.: 1/SVK/74-01)<br />

• Autoklaven und Wasserstoffperoxidgenerator (OLG Thür<strong>in</strong>gen, B. v. 22.<strong>8.</strong>2002 -<br />

Az.: 6 Verg 5/01)<br />

• Gerüstbauarbeiten (VK Baden-Württemberg, B. v. 9.10.2001 - Az.: 1 VK 27/01)<br />

• Putzarbeiten (1. VK Sachsen, B. v. 30.10.2001 - Az.: 1/SVK/102-01)<br />

• Erstellung von Straßendämmen (VK Nordbayern, B. v. 19.7.1<strong>99</strong>9 - Az.: 320.VK-<br />

3194-12/<strong>99</strong>)<br />

• Bau und Programmierung von Lichtsignalanlagen an Straßen s<strong>in</strong>d rechtlich als<br />

Zubehör der baulichen Anlage "Straße" e<strong>in</strong>zuordnen, so dass es sich um<br />

Bauleistungen handelt (2. VK Bremen, B. v. 15.10.2001 - Az.: VK 6/01)<br />

• Wartung und Störungsbeseitigung an Lichtsignalanlagen (BayObLG, B. v.<br />

29.3.2000 - Az.: Verg 2/00; VK Südbayern, B. v. 1<strong>8.</strong>1.2000 - Az.: 120.3-3194.1-20-<br />

12/<strong>99</strong>)<br />

• Demontage- und Abbruchmaßnahmen (2. VK Bremen, B. v. 25.6.2003 - Az.: VK<br />

10/03)<br />

• Lieferung und E<strong>in</strong>bau e<strong>in</strong>er Telekommunikationsanlage im Rahmen e<strong>in</strong>es<br />

Gesamtbauvorhabens (BayObLG, B. v. 23.5.2002 - Az.: Verg 7/02; vgl. <strong>in</strong>soweit<br />

auch die Kommentierung RZ 1153)<br />

• Instandhaltung von Entwässerungsleitungen an e<strong>in</strong>er Bundesstraße (VK Baden-<br />

Württemberg, B. v. <strong>8.</strong>11.2002 - Az.: 1 VK 54/02)<br />

• Abwasserre<strong>in</strong>igungsanlage als e<strong>in</strong> Bauwerk, das sich aus der Summe der zur<br />

Re<strong>in</strong>igungsfunktion erforderlichen E<strong>in</strong>zelobjekte wie z. B. Rechenanlage, Sandfang,<br />

Belebungsbecken, Nachklärbecken und Schlammlager zusammensetzt (VK<br />

Nordbayern, B. v. 24.9.2003 - Az.: 320.VK-3194-30/03)<br />

• nicht zur Abwasserre<strong>in</strong>igungsanlage gehört das Kanalnetz, mit dem das Abwasser<br />

gesammelt und der Kläranlage zugeführt wird. Dieses hat e<strong>in</strong>e Transportfunktion und<br />

ist deshalb als eigenständige bauliche Anlage anzusehen. Ziel der Maßnahmen am


1153<br />

1154<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Kanalnetz ist e<strong>in</strong>e Veränderung des Abwassertransportes. Bei Regenereignissen soll<br />

die Abwassermenge mit e<strong>in</strong>em Stauraumkanal und mit Regenrückhaltebecken<br />

verstetigt werden (VK Nordbayern, B. v. 24.9.2003 - Az.: 320.VK-3194-30/03)<br />

• Radweg (VK Brandenburg, B. v. 25.4.2003 - Az.: VK 21/03)<br />

• Stadtumgehung als e<strong>in</strong>e Baumaßnahme (VK Baden-Württemberg, B. v. 22.10.2002<br />

- Az.: 1 VK 51/02)<br />

• Bauleistungen zur Neugestaltung e<strong>in</strong>es Bahnhofsvorplatzes als e<strong>in</strong>zelne<br />

Baumaßnahmen (VK Arnsberg, B. v. April 2002 - Az.: VK 1-05/2002)<br />

• e<strong>in</strong> Trog- und Tunnelbauwerk ist e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> sich abgeschlossene bauliche Anlage, das<br />

e<strong>in</strong>e eigene technische Funktion erfüllt (VK Brandenburg, B. v. 5.4.2002 - Az.: VK<br />

7/02)<br />

• e<strong>in</strong> Brückenbauwerk ist e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> sich abgeschlossene bauliche Anlage, das e<strong>in</strong>e<br />

eigene technische Funktion erfüllt (VK Brandenburg, B. v. 12.2.2002 - Az.: 2 VK<br />

123/01)<br />

<strong>8.</strong>3.13 Beispiele aus der Rechtsprechung (Bauauftrag/Bauleistung<br />

abgelehnt)<br />

• Lieferung und E<strong>in</strong>bau e<strong>in</strong>er Telekommunikationsanlage im Rahmen e<strong>in</strong>er<br />

Erneuerung nur der Anlage (VK Düsseldorf, B. v. 12.09.2006 - Az.: VK - 37/2006 -<br />

L; vgl. <strong>in</strong>soweit auch die Kommentierung RZ 1152)<br />

• Lieferung von fertig verdrahteten marktüblichen Beleuchtungskörpern<br />

e<strong>in</strong>schließlich Zubehör (OLG München, B. v. 2<strong>8.</strong>09.2005 - Az.: Verg 019/05)<br />

<strong>8.</strong>3.14 Abgrenzung zwischen Bau- und Dienstleistungsverträgen<br />

Die vergaberechtliche Entscheidungspraxis zur Abgrenzung von Bau- und<br />

Lieferaufträgen <strong>in</strong> Fällen der Lieferung und Montage gebäudetechnischer Anlagen ist auf<br />

die Abgrenzung zwischen Bau- und Dienstleistungsverträgen nicht übertragbar. Nicht<br />

jede der Substanzpflege e<strong>in</strong>er baulichen Anlage dienende Leistung ist als Bauleistung zu<br />

qualifizieren. Insoweit genügt es <strong>in</strong>sbesondere nicht, dass die betreffende Leistung<br />

erfolgsbed<strong>in</strong>gt im S<strong>in</strong>ne der <strong>§</strong><strong>§</strong> 631 ff. BGB ist. Auch e<strong>in</strong>e nach deutschem Zivilrecht als<br />

Werkleistung e<strong>in</strong>zuordnende Leistung kann vergaberechtlich unter Berücksichtigung<br />

der geme<strong>in</strong>schaftsrechtlich geprägten Begrifflichkeiten e<strong>in</strong>e Dienstleistung se<strong>in</strong>.<br />

Vielmehr s<strong>in</strong>d für die Annahme e<strong>in</strong>er Bauleistung bei Arbeiten <strong>in</strong> Bezug auf Anlagen der<br />

Gebäudetechnik ke<strong>in</strong>e ger<strong>in</strong>geren Anforderungen zu stellen als an Arbeiten <strong>in</strong> Bezug auf die<br />

das Gebäude selbst. Bei letzteren ist im Rahmen von <strong>§</strong> 1 VOB/A entscheidend, ob es zu<br />

(nennenswerten) E<strong>in</strong>griffen <strong>in</strong> die Bausubstanz kommt. Insoweit wird zwischen re<strong>in</strong>en<br />

Instandhaltungen als Maßnahmen zur Erhaltung des zum bestimmungsgemäßen Gebrauch<br />

geeigneten Zustands (Sollzustands) und Instandsetzungen als Maßnahmen zur<br />

Wiederherstellung des Sollzustands unterschieden. Re<strong>in</strong>e Instandhaltungsmaßnahmen wie<br />

Re<strong>in</strong>igung, Pflege, Wartung oder die Beseitigung von Verschleißersche<strong>in</strong>ungen bzw.<br />

kle<strong>in</strong>eren Schäden werden aufgrund ihrer nicht oder nur sehr ger<strong>in</strong>gfügig<br />

substanze<strong>in</strong>greifenden Wirkung nicht als Bauleistung qualifiziert. Bei Reparaturarbeiten<br />

liegt e<strong>in</strong>e Bauleistung nach <strong>§</strong> 1 VOB/A nur vor, wenn sie von e<strong>in</strong>igem Gewicht für die


1154/0,4<br />

1154/1<br />

1155<br />

1156<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Erhaltung des Bauwerks s<strong>in</strong>d und zu nennenswerten Substanze<strong>in</strong>griffen Anlass geben.<br />

Demgegenüber unterfallen Instandsetzungsarbeiten als Bauleistung dem <strong>§</strong> 1 VOB/A,<br />

sofern sie für die Erneuerung und den Bestand baulicher Anlagen von wesentlicher<br />

Bedeutung s<strong>in</strong>d. Hierzu gehören etwa die Ausführung von Abdichtungsarbeiten zur<br />

Beseitigung von Feuchtigkeitsschäden und zu Isolierung des Gebäudes oder die Erneuerung<br />

und Überarbeitung der Fassade zur Konservierung und Erhaltung des Gebäudes, d.h.<br />

Maßnahmen, die mit erheblichen Substanze<strong>in</strong>griffen verbunden s<strong>in</strong>d. Diese zu <strong>§</strong> 1 VOB/A<br />

entwickelte Kasuistik steht mit der <strong>in</strong> <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 3 <strong>GWB</strong> enthaltenen Def<strong>in</strong>ition e<strong>in</strong>es<br />

Bauauftrags im E<strong>in</strong>klang. Insbesondere entspricht sie auch der nunmehr <strong>in</strong> der Richtl<strong>in</strong>ie<br />

2004/18/EG vorgenommenen Abgrenzung, die <strong>in</strong> Anhang I die "gewöhnliche Instandsetzung"<br />

den Bauleistungen und <strong>in</strong> Anhang II die "Instandhaltung und Reparatur" den Dienstleistungen<br />

zuordnet, und kann daher vorliegend zugrunde gelegt werden (VK Berl<strong>in</strong>, B. v. 02.06.2009 -<br />

Az.: VK B 2 - 12/09; 2. VK Bund, B. v. 31.07.2006 - Az.: VK 2 - 65/06; VK Düsseldorf, B.<br />

v. 24.06.2008 - Az.: VK – 19/2008 – B; im Ergebnis ebenso OLG Düsseldorf, B. v.<br />

1<strong>8.</strong>10.2006, Az.: VII – Verg 35/06).<br />

E<strong>in</strong> re<strong>in</strong>er Instandsetzungsanteil von 25% rechtfertigt jedenfalls noch nicht die Annahme<br />

e<strong>in</strong>es Bauauftrags (VK Berl<strong>in</strong>, B. v. 02.06.2009 - Az.: VK B 2 - 12/09).<br />

<strong>8.</strong>4 Dienstleistungsaufträge (<strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 4)<br />

<strong>8.</strong>4.1 Begriff der Dienstleistung (Auffangtatbestand)<br />

Nach der Rechtsprechung des EuGH fällt die Def<strong>in</strong>ition e<strong>in</strong>es öffentlichen<br />

Dienstleistungsauftrags <strong>in</strong> den Bereich des Geme<strong>in</strong>schaftsrechts und nicht des<br />

nationalen Rechts (EuGH, Urteil v. 1<strong>8.</strong>12.2007 - Az.: C-220/06; 1. VK Sachsen, B. v.<br />

26.03.2008 - Az.: 1/SVK/005-08).<br />

Wann e<strong>in</strong> Dienstleistungsauftrag im S<strong>in</strong>ne des <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 1 <strong>GWB</strong> vorliegt, kann nicht<br />

losgelöst vom Zweck des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen<br />

beantwortet werden, der gemäß <strong>§</strong> 97 Abs. 1 <strong>GWB</strong> dar<strong>in</strong> besteht, die Beschaffung von<br />

Dienstleistungen durch öffentliche Auftraggeber zu erfassen und zu regeln. Das rückt die<br />

Frage <strong>in</strong> den Vordergrund, ob der öffentliche Auftraggeber e<strong>in</strong>en entsprechenden Bedarf hat<br />

und ob dieser mit dem abgeschlossenen Vertrag gedeckt werden soll. Da das <strong>Vergaberecht</strong><br />

des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen andererseits nicht der<br />

Durchsetzung sonstiger rechtlicher oder tatsächlicher Vorgaben dient, die e<strong>in</strong> öffentlicher<br />

Auftraggeber zu beachten haben mag, entscheidet darüber, ob e<strong>in</strong> Bedarf besteht und<br />

deshalb e<strong>in</strong>e Dienstleistung beschafft werden soll, alle<strong>in</strong> der öffentliche Auftraggeber.<br />

Sobald er e<strong>in</strong>en tatsächlich bestehenden Bedarf erkennt oder auch nur me<strong>in</strong>t, e<strong>in</strong>en<br />

durch Dienstleistung zu befriedigenden Bedarf zu haben, den er nicht selbst decken will,<br />

kommt deshalb die E<strong>in</strong>ordnung e<strong>in</strong>es zu diesem Zweck geschlossenen Vertrags als<br />

Dienstleistungsauftrag im S<strong>in</strong>ne des <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 1 <strong>GWB</strong> <strong>in</strong> Betracht (BGH, B. v. 01.02.2005<br />

- Az.: X ZB 27/04).<br />

Die gesetzliche Fassung des <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 1 <strong>GWB</strong> geht von e<strong>in</strong>em weiten Dienstleistungsbegriff<br />

aus; erfasst werden alle Formen von <strong>Aufträge</strong>n, die nicht bereits unter e<strong>in</strong>e der anderen<br />

<strong>in</strong> <strong>§</strong> <strong>99</strong> <strong>GWB</strong> genannten Auftragsarten fallen und nicht vom Anwendungsbereich des<br />

<strong>Vergaberecht</strong>s ausgenommen s<strong>in</strong>d (OLG Brandenburg, B. v. 15.05.2007 - Az.: Verg W<br />

2/07; OLG Stuttgart, B. v. 4.11.2002 - Az.: 2 Verg 4/02; OLG Düsseldorf, B. v. 12.1.2004 -


1156/1<br />

1157<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Az.: VII - Verg 71/03; VK Brandenburg, B. v. 27.05.2009 - Az.: VK 21/09; VK Lüneburg, B.<br />

v. 14.06.2005 - Az.: VgK-22/2005; 1. VK Sachsen, B. v. 11.02.2005 - Az.: 1/SVK/128-04).<br />

Tragende Idee der auf der Systematik der Dienstleistungskoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie 92/50 EWG<br />

aufbauenden Vorschrift ist, dass im Grundsatz alle E<strong>in</strong>käufe der öffentlichen Hände dem<br />

B<strong>in</strong>nenmarkt zur Verfügung stehen sollen (BayObLG, B. v. 11.12.2001 - Az.: Verg 15/01).<br />

Dass e<strong>in</strong> Auftragnehmer die Vergütung nicht durch den Auftraggeber, sondern durch<br />

e<strong>in</strong>en Dritten erhält, steht grundsätzlich der Annahme e<strong>in</strong>es Dienstleistungsauftrages<br />

nicht entgegen (OLG München, B. v. 02.07.2009 - Az.: Verg 5/09).<br />

<strong>8.</strong>4.2 Beispiele aus der Rechtsprechung<br />

• die Essensversorgung ist als e<strong>in</strong>heitlicher Vorgang zu sehen. Diese besteht nicht<br />

nur <strong>in</strong> der Bereitstellung von Essen, sondern vielmehr bereits <strong>in</strong> der den<br />

Anforderungen entsprechende Gestaltung der Speisepläne, die Herstellung des Essens<br />

sowie die Bereitstellung von Essen und Getränken. Kochen stellt e<strong>in</strong>e handwerkliche<br />

Tätigkeit dar und sowohl die Anlieferung als auch der Service fallen ohneh<strong>in</strong> unter<br />

den Begriff der Dienstleistung (1. VK Sachsen, B. v. 13.0<strong>8.</strong>2009 - Az.: 1/SVK/034-<br />

09, 1/SVK/034-09G)<br />

• die von der Auftraggeber<strong>in</strong> angestrebte Kooperation mit e<strong>in</strong>er radiologischen<br />

Arztpraxis hat den Charakter e<strong>in</strong>es öffentlichen Auftrags im S<strong>in</strong>ne des <strong>§</strong> <strong>99</strong><br />

<strong>GWB</strong>. Spätestens durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz vom 22.12.2006, <strong>in</strong><br />

Kraft getreten am 01.01.2007, handelt es sich bei der vorliegenden Kooperationsform<br />

auch um e<strong>in</strong>e Leistung, für die e<strong>in</strong> Markt besteht. Waren zuvor Zweigniederlassungen<br />

von Vertragsarztpraxen <strong>in</strong> anderen vertragsärztlichen Zulassungsbezirken als <strong>in</strong> dem<br />

Bezirk der Stammpraxis häufig unmöglich, ist durch diese Gesetzesänderung zu weit<br />

reichenden Möglichkeiten für öffentliche Auftraggeber gekommen, unter mehreren<br />

Arztpraxen e<strong>in</strong>en Kooperationspartner auszuwählen. Dem steht auch nicht entgegen,<br />

dass für die Realisierung e<strong>in</strong>er Kooperation Zustimmungsvorbehalte der<br />

Kassenärztlichen Vere<strong>in</strong>igungen bestehen. Öffentlich-rechtliche Zustimmungs-<br />

oder Genehmigungsvorbehalte existieren <strong>in</strong> zahlreichen Wirtschaftsbereichen, für<br />

regulierungsbedürftige Märkte s<strong>in</strong>d sie geradezu typisch. Sie s<strong>in</strong>d deshalb Element<br />

e<strong>in</strong>er wirtschaftsbereichsspezifischen Marktordnung. Sie s<strong>in</strong>d aber nicht geeignet, das<br />

Bestehen e<strong>in</strong>es Marktes überhaupt <strong>in</strong> Abrede zu stellen (VK Niedersachsen, B. v.<br />

17.0<strong>8.</strong>2009 - Az.: VgK - 36/2009)<br />

• e<strong>in</strong>e Betriebsführungsleistung unterfällt weder dem Begriff des Bau- noch dem des<br />

Liefervertrages und ist zivilrechtlich als Dienstleistung e<strong>in</strong>zuordnen (VK<br />

Brandenburg, B. v. 27.05.2009 - Az.: VK 21/09)<br />

• Versicherungsdienstleistungen s<strong>in</strong>d Dienstleistungen im S<strong>in</strong>ne des <strong>Vergaberecht</strong>s<br />

- <strong>§</strong> 1a Nr. 2 Abs. 1 VOL/A <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit Anhang 1 A, Kategorie 6 a zur VOL/A<br />

- (BGH, B. v. 03.07.2008 - Az.: I ZR 145/05)<br />

• <strong>in</strong> der im Rahmen e<strong>in</strong>es Pachtvertrages über Grundstücke zum Zwecke der<br />

Errichtung und des Betriebes von W<strong>in</strong>dkraftanlagen von den Pächtern<br />

verlangten Produktion und E<strong>in</strong>speisung von Strom liegt ke<strong>in</strong>e Dienstleistung<br />

gegenüber dem Verpächter. Die Vergabestelle will bei dieser Form von Verträgen<br />

nicht von den Bietern Strom beziehen. Dass wirtschaftliche Grundlage des den Bietern<br />

angedienten Pachtvertrages die Produktion von Strom ist, weil hieraus nach den<br />

Ausschreibungsbed<strong>in</strong>gungen der Pachtz<strong>in</strong>s zu bezahlen ist, nimmt die<br />

Stromproduktion nicht aus der eigenwirtschaftlichen Verantwortung der Bieter heraus.


Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Gleiches gilt für e<strong>in</strong>e politische Motivation, mit den Pachtverträgen den Anteil der<br />

W<strong>in</strong>denergie an der gesamten Energieerzeugung zu erhöhen. Der Verpächter ist nicht<br />

Nachfrager der Stromerzeugung, sondern profitiert nur mittelbar davon, dass die<br />

Stromerzeugung die wirtschaftliche Grundlage für die Pachtz<strong>in</strong>szahlung bildet<br />

und nach dem Pachtvertrag auch zw<strong>in</strong>gend bilden soll (OLG Bremen, B. v.<br />

13.03.2008 - Az.: Verg 5/07)<br />

• die Durchführung der Schuldner- und Insolvenzberatung für Personen, bei<br />

denen Sozialhilfebedürftigkeit zu erwarten ist oder schon besteht, ist e<strong>in</strong>e<br />

Dienstleistung im S<strong>in</strong>ne des Anhangs I Teil B zum 2. Abschnitt der VOL/A, der<br />

Kategorie 25 (Gesundheits-, Veter<strong>in</strong>är- und Sozialwesen), CPC Referenznummer 93,<br />

hier: 93322, 93323 - Orientierungs- und Beratungsdienste. Die Leistung enthält e<strong>in</strong>en<br />

an Dritte, außerhalb der Vergabestelle stehende (juristische) Personen, hier Schuldner-<br />

und Beratungsstellen <strong>in</strong> freier Trägerschaft zu vergebenden Dienstleistungsauftrag zur<br />

Erfüllung der der Vergabestelle als Sozialhilfeträger obliegenden (Pflicht-) Aufgabe<br />

nach <strong>§</strong> 17 BSHG (heute: <strong>§</strong> 11 Abs. 5 SGB XII), hier der allgeme<strong>in</strong>en Schuldner- und<br />

Insolvenzberatung (VK Hamburg, B. v. 24.07.2007 - Az.: VgK FB 4/07)<br />

• Komplett-Wäscheversorgung für Kl<strong>in</strong>iken (1. VK Sachsen, B. v. 11.0<strong>8.</strong>2006 - Az.:<br />

1/SVK/073-06; anderer Auffassung – Dienstleistungskonzession - VK Brandenburg,<br />

B. v. 26.01.2004 - Az.: VK 1/04)<br />

• Leistung des W<strong>in</strong>terdienstes und der Störungsbeseitigung auf Bundes- und<br />

Landesstraßen (VK Thür<strong>in</strong>gen, B. v. 30.0<strong>8.</strong>2006 - Az.: 360-4003.20-009/06-HBN,<br />

360-4003.20-015/06-MGN, 360-4003.20-004/06-SON, 360-4003.20-009/06-ESA-S)<br />

• Abnahme und Verwertung von Baggermaterial ist als Entsorgungsleistung e<strong>in</strong>e<br />

Dienstleistung (OLG Düsseldorf, B. v. 21.1.2002 - Az.: Verg 45/01)<br />

• Erbr<strong>in</strong>gung von Verkehrsdienstleistungen (OLG Düsseldorf, B. v. 26.7.2002 - Az.:<br />

Verg 22/02; VK Baden-Württemberg, B. v. 14.03.2005 - Az.: 1 VK 5/05)<br />

• Schuldnerberatung ist e<strong>in</strong>e Dienstleistung (VK Thür<strong>in</strong>gen, B. v. 27.6.2002 - Az.:<br />

216-403.20-007/02-ESA-S)<br />

• Vertrag zur Sicherung e<strong>in</strong>er ausreichenden Verkehrsbedienung im öffentlichen<br />

Schienenpersonennahverkehr mit f<strong>in</strong>anzieller Gegenleistung des öffentlichen<br />

Auftraggebers (VK Magdeburg, B. v. 6.6.2002 - Az.: 33-32571/07 VK 05/02 MD)<br />

• die entgeltliche Zurverfügungstellung e<strong>in</strong>es Grundstücks zur Nutzung durch die<br />

Vergabestelle stellt e<strong>in</strong>e Dienstleistung dar (1. VK Bund, B. v. 12.12.2001 - Az.: VK<br />

1 - 45/01)<br />

• das Abschleppen, Transportieren, Bergen und Verwahren von Fahrzeugen aller<br />

Art ist e<strong>in</strong>e Dienstleistung (VK Baden-Württemberg, B. v. 16.11.2001 - Az.: 1 VK<br />

39/01)<br />

• Gebäudere<strong>in</strong>igung ist e<strong>in</strong> Dienstleistungsauftrag (VK Düsseldorf, B. v. 17.1.2001 -<br />

Az.: VK - 29 (30)/2000 - L)<br />

• Verträge über die Erbr<strong>in</strong>gung von Entsorgungsdiensten s<strong>in</strong>d<br />

Dienstleistungsaufträge (OLG Düsseldorf, B. v. 9.4.2003 - Az.: Verg 66/02)<br />

• Durchführung von Leistungen nach <strong>§</strong><strong>§</strong> 93 ff. Bundessozialhilfegesetz (e<strong>in</strong><br />

Hoheitsträger, der gegenüber e<strong>in</strong>er Person zur Gewährung bestimmter Leistungen<br />

öffentlichrechtlich verpflichtet ist, kann sich den Gegenstand der Leistung durch e<strong>in</strong>en<br />

mit e<strong>in</strong>em Dritten geschlossenen so genannten Beschaffungsvertrag verschaffen, um<br />

ihn jener Person zur Verfügung zu stellen, oder er kann durch e<strong>in</strong>en solchen<br />

Beschaffungsvertrag sicherstellen, dass der Dritte die Leistung direkt an jene Person<br />

erbr<strong>in</strong>gt. Von dem öffentlich-rechtlichen Verhältnis ist das Verhältnis zwischen den<br />

Parteien des Beschaffungsvertrages zu unterscheiden; es unterfällt dem <strong>Vergaberecht</strong><br />

(VK Münster, B. v. 2<strong>8.</strong>05.2004 - Az.: VK 10/04; ebenso für den Fall der festen<br />

Vergütung zugesicherter Stunden VK Arnsberg, B. v. 15.11.2005 - Az.: VK 20/2005);


1158<br />

1158/1<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

anderer Auffassung die VK Hamburg (B. v. 03.0<strong>8.</strong>2004 - Az. VgK FB 4/04):<br />

Wesentliches Merkmal e<strong>in</strong>es öffentlichen Auftrags ist die Teilnahme des öffentlichen<br />

Auftraggebers am Markt; Vere<strong>in</strong>barungen zwischen öffentlichen und freien<br />

Jugendhilfeträgern zur Erfüllung der ihnen auf dem Gebiet der Jugendhilfe<br />

obliegenden Aufgaben erfüllen diese Voraussetzungen nicht.<br />

<strong>8.</strong>4.3 Dienstleistungsaufträge im Abfallbereich<br />

Es ist unstrittig, dass im Bereich der Abfallentsorgung sämtliche dem öffentlichrechtlichen<br />

Entsorgungsträger gem. <strong>§</strong> 15 Abs. 1 KrW-/AbfG orig<strong>in</strong>är obliegenden<br />

Arbeitsschritte von der Abfallsammlung über die Abfallsortierung bis zur eigentlichen<br />

Abfallverwertung oder Beseitigung Gegenstand e<strong>in</strong>es öffentlichen Dienstleistungsauftrags<br />

im S<strong>in</strong>ne des <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 1 und Abs. 4 <strong>GWB</strong> se<strong>in</strong> können, wenn und soweit sich der<br />

öffentlich-rechtliche Entsorger entschließt, diese Arbeitsschritte nicht mit eigenem Personal<br />

und mit eigenen Mitteln zu erledigen, sondern gem. <strong>§</strong> 16 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG private<br />

Dritte zu beauftragen, die diese Aufgabe für ihn erfüllen, wobei se<strong>in</strong>e Verantwortlichkeit für<br />

die Erfüllung dieser Pflichten gem. Satz 2 des <strong>§</strong> 16 Abs. 1 KrW-/AbfG davon unberührt<br />

bleibt. Gemäß <strong>§</strong> 15 Abs. 1 KrW-/AbfG haben die öffentlich-rechtlichen Entsorger die <strong>in</strong><br />

ihrem Gebiet anfallenden und überlassenen Abfälle, zu denen auch das Altpapier gehört, aus<br />

privaten Haushalten zu verwerten oder zu beseitigen. Lediglich bei Abfällen, die nicht bei den<br />

privaten Haushaltungen anfallen, s<strong>in</strong>d die öffentlich-rechtlichen Entsorger gem. <strong>§</strong> 15 Abs. 2<br />

KrW-/AbfG von ihrer Pflicht befreit (VK Lüneburg, B. v. 1<strong>8.</strong>03.2004 - Az.: 203-VgK-<br />

06/2004).<br />

<strong>8.</strong>4.4 Dienstleistungsaufträge im Krankenkassenbereich (Versorgung<br />

mit wieder verwendbaren Hilfsmitteln)<br />

Für die vergaberechtliche E<strong>in</strong>ordnung als Dienst- oder Lieferleistung ist nicht entscheidend,<br />

ob und welche Verpflichtungen des Auftraggebers gegenüber Dritten mit dem Auftrag<br />

erfüllt werden sollen. Für die vergaberechtliche E<strong>in</strong>ordnung als Dienst- oder Lieferleistung<br />

kommt es vielmehr darauf an, wie das Auftragsverhältnis zwischen Auftraggeber und<br />

Auftragnehmer zu qualifizieren ist. Denn nur dieses Vertragsverhältnis bildet den<br />

öffentlichen Auftrag. Maßgeblich ist mith<strong>in</strong> ausschließlich die aufgrund des abzuschließenden<br />

Vertrages durch den Auftragnehmer konkret geschuldete Leistung. Dementsprechend kommt<br />

es für die Qualifizierung der geschuldeten Leistungen auch nicht darauf, dass die<br />

Krankenkasse die Verträge abschließt, um die gesetzlichen Sachleistungsansprüche ihrer<br />

Versicherten zu erfüllen. Unter Heranziehung der vorgenannten Grundsätze, wonach sich die<br />

Qualifizierung als Dienstleistungs- oder Lieferauftrag danach richtet, welche Leistungen im<br />

Rahmen des konkret abzuschließenden Vertrages überwiegen, handelt es sich um e<strong>in</strong>en<br />

Dienstleistungsauftrag. Die geschuldete Hauptleistung besteht nämlich im Wesentlichen<br />

dar<strong>in</strong>, Hilfsmittel aus dem sog. eigenen Poolbestand an die Versicherten auszuliefern,<br />

den Versicherten <strong>in</strong> die Benutzung e<strong>in</strong>zuweisen, das Hilfsmittel nach Beendigung des<br />

Gebrauchs abzuholen und anschließend bis zur nächsten Bedarfsanforderung<br />

e<strong>in</strong>zulagern. Hierbei handelt es sich ausschließlich um Dienstleistungen, da die Hilfsmittel<br />

durch die Krankenkasse nicht über den Leistungserbr<strong>in</strong>ger e<strong>in</strong>gekauft (beschafft) werden,<br />

sondern sich bereits im Eigentum der Krankenkasse bef<strong>in</strong>den und den Versicherten aus dem<br />

eigenen Poolbestand zur Benutzung überlassen werden. Liefervertragliche Elemente enthält


1159<br />

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Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

der Vertrag lediglich für den Fall, dass e<strong>in</strong> benötigtes Hilfsmittel im eigenen Poolbestand<br />

nicht vorhanden ist und nach e<strong>in</strong>em im Vertrag geregelten Verfahren durch den<br />

Leistungserbr<strong>in</strong>ger zu beschaffen ist. Derartige Beschaffungen s<strong>in</strong>d allerd<strong>in</strong>gs die Ausnahme,<br />

da Hauptziel des Vertrages die Versorgung der Versicherten mit bereits durch die<br />

Krankenkasse beschafften Hilfsmitteln ist. Auch die <strong>§</strong><strong>§</strong> 127 Abs. 1 Satz 4 und 33 SGB V<br />

rechtfertigen nicht die Qualifizierung der hier abzuschließenden Verträge als<br />

Lieferaufträge. Denn diese Vorschriften treffen ke<strong>in</strong>e Aussage über die vergaberechtliche<br />

E<strong>in</strong>ordnung der zwischen Krankenkassen und Leistungserbr<strong>in</strong>gern abzuschließenden<br />

Verträge, da sich diese Vorschriften auf das Leistungsverhältnis zwischen Krankenkasse und<br />

Versicherten beziehen und dementsprechend ke<strong>in</strong>e Aussage über die vertragstypische<br />

E<strong>in</strong>ordnung des Leistungsverhältnisses zwischen Krankenkasse und Leistungserbr<strong>in</strong>ger<br />

treffen (1. VK Bund, B. v. 14.09.2007 - Az.: VK 1 - 101/07; B. v. 31.0<strong>8.</strong>2007 - Az.: VK 1 -<br />

92/07).<br />

<strong>8.</strong>4.5 Dienstleistungskonzession<br />

<strong>8.</strong>4.5.1 Begriff der Dienstleistungskonzession<br />

Nach Art. 1 Abs. 4 der Vergabekoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie (Richtl<strong>in</strong>ie 2004/18/EG) s<strong>in</strong>d<br />

„Dienstleistungskonzessionen“ Verträge, die von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen<br />

nur <strong>in</strong>soweit abweichen, als die Gegenleistung für die Erbr<strong>in</strong>gung der Dienstleistungen<br />

ausschließlich <strong>in</strong> dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder <strong>in</strong> diesem Recht<br />

zuzüglich der Zahlung e<strong>in</strong>es Preises besteht.<br />

Konzessionen s<strong>in</strong>d also Vertragskonstellationen - <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Dreierbeziehung (OLG München,<br />

B. v. 02.07.2009 - Az.: Verg 5/09) -, bei denen die Gegenleistung für die Erbr<strong>in</strong>gung des<br />

Auftrags nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em vorher festgelegten Preis, sondern <strong>in</strong> dem Recht besteht, die zu<br />

erbr<strong>in</strong>gende eigene Leistung zu nutzen (EuGH, Urteil v. 10.09.2009 - Az.: C-206/08; Urteil<br />

v. 11.06.2009 - Az.: C-300/07; BGH, B. v. 01.12.2008 - Az.: X ZB 31/08) oder entgeltlich<br />

zu verwerten, oder <strong>in</strong> diesem Recht und e<strong>in</strong>er zusätzlichen Bezahlung (OLG<br />

Brandenburg, B. v. 30.05.2008 - Az.: Verg W 5/08; OLG Dresden, B. v. 04.07.2008 - Az.:<br />

WVerg 3/08; OLG Düsseldorf, B. v. 22.09.2005 - Az.: Verg 44/04; B. v. 0<strong>8.</strong>09.2005 - Az.:<br />

Verg 35/04; B. v. 27.10.2004 - Az.: VII - Verg 41/04; OLG Karlsruhe, B. v. 15.10.2008 - Az.:<br />

15 Verg 9/08; OLG München, B. v. 02.07.2009 - Az.: Verg 5/09; Thür<strong>in</strong>ger OLG, B. v.<br />

0<strong>8.</strong>05.2008 - Az.: 9 Verg 2/08; VG Köln, Urteil v. 16.10.2008 - Az.: 1 K 4507/08; VK<br />

Brandenburg, B. v. 12.0<strong>8.</strong>2009 - Az.: VK 28/09; B. v. 27.05.2009 - Az.: VK 21/09; B. v.<br />

2<strong>8.</strong>03.2008 - Az.: VK 6/08; 2. VK Bund, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 123/07, B. v.<br />

15.11.2007 - Az.: VK 2 - 120/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 117/07, B. v. 15.11.2007 -<br />

Az.: VK 2 - 114/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 108/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 -<br />

105/07; B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 102/07; B. v. 24.07.2007 - Az.: VK 2 - 69/07; VK<br />

Nordbayern, B. v. 02.0<strong>8.</strong>2006 - Az.: 21.VK - 3194 - 22/06; 1. VK Sachsen, B. v. 13.0<strong>8.</strong>2009 -<br />

Az.: 1/SVK/034-09, 1/SVK/034-09G; B. v. 09.09.2008 - Az.: 1/SVK/046-08; B. v.<br />

26.03.2008 - Az.: 1/SVK/005-08; VK Südbayern, B. v. 03.04.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-49-<br />

12/08; B. v. 24.09.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-29-06/07; B. v. 1<strong>8.</strong>06.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-<br />

22-05/07). Der Sache nach handelt es sich um e<strong>in</strong>e Verwertungshandlung des öffentlichen<br />

Auftraggebers (als Konzessionsgeber) und nicht um e<strong>in</strong>en entgeltlichen Beschaffungsauftrag<br />

der öffentlichen Hand. Der öffentliche Auftraggeber erbr<strong>in</strong>gt ke<strong>in</strong>e Gegenleistung; vielmehr<br />

wird die Dienstleistung vom Auftragnehmer kommerziell genutzt. Kennzeichen e<strong>in</strong>er<br />

Konzession ist, dass sie die Übertragung e<strong>in</strong>es Rechts zur Verwertung e<strong>in</strong>er bestimmten


1160/1<br />

1161<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Leistung umfasst und dass der Konzessionär - ganz oder zum überwiegenden Teil - das<br />

wirtschaftliche Nutzungsrisiko trägt (EuGH, Urteil v. 15.10.2009 - Az.: C-196/08; Urteil v.<br />

10.09.2009 - Az.: C-206/08; Urteil v. 11.06.2009 - Az.: C-300/07; Urteil vom 13.11.2008 -<br />

Az.: C-324/07; Urteil vom 1<strong>8.</strong>07.2007 - Az.: C-382/05; Urteil vom 13.10.2005 - Az.: C-<br />

458/03; BGH, B. v. 01.12.2008 - Az.: X ZB 31/08; OLG Brandenburg, B. v. 30.05.2008 -<br />

Az.: Verg W 5/08; OLG Dresden, B. v. 04.07.2008 - Az.: WVerg 3/08; OLG Düsseldorf, B.<br />

v. 22.09.2005 - Az.: Verg 44/04; B. v. 0<strong>8.</strong>09.2005 - Az.: Verg 35/04; B. v. 06.12.2004 - Az.:<br />

VII - Verg 79/04; B. v. 27.10.2004 - Az.: VII - Verg 41/04; B. v. 12.1.2004 - Az.: VII - Verg<br />

71/03, B. v. 26.7.2002 - Az.: Verg 22/02; OLG Karlsruhe, B. v. 15.10.2008 - Az.: 15 Verg<br />

9/08; OLG München, B. v. 02.07.2009 - Az.: Verg 5/09; VG Münster, B. v. 09.03.2007 - Az.:<br />

1 L 64/07; VK Baden-Württemberg, B. v. 14.03.2005 - Az.: 1 VK 5/05; VK Brandenburg, B.<br />

v. 12.0<strong>8.</strong>2009 - Az.: VK 28/09; B. v. 27.05.2009 - Az.: VK 21/09; B. v. 2<strong>8.</strong>03.2008 - Az.: VK<br />

6/08; B. v. 24.09.2004 - Az.: VK 47/04; 1. VK Bund, B. v. 14.09.2007 - Az.: VK 1 - 101/07;<br />

B. v. 31.0<strong>8.</strong>2007 - Az.: VK 1 - 92/07; 2. VK Bund, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 123/07, B.<br />

v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 120/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 117/07, B. v. 15.11.2007 -<br />

Az.: VK 2 - 114/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 108/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 -<br />

105/07; B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 102/07; B. v. 24.07.2007 - Az.: VK 2 - 69/07; VK<br />

Hessen, B. v. 07.10.2005 - Az.: 69 d VK - 39/2005, 69 d VK - 54/2005, 69 d VK - 55/2005,<br />

69 d VK - 56/2005, 69 d VK - 57/2005; VK Lüneburg, B. v. 14.06.2005 - Az.: VgK-22/2005;<br />

VK Münster, B. v. 2<strong>8.</strong>05.2004 - Az.: VK 10/04; VK Niedersachsen, B. v. vom 16.10.2008 -<br />

Az.: VgK-30/2008; 1. VK Sachsen, B. v. 13.0<strong>8.</strong>2009 - Az.: 1/SVK/034-09, 1/SVK/034-09G;<br />

B. v. 23.02.2009 - Az.: 1/SVK/003-09; B. v. 09.09.2008 - Az.: 1/SVK/046-08; B. v.<br />

29.0<strong>8.</strong>2008 - Az.: 1/SVK/042-08; B. v. 29.0<strong>8.</strong>2008 - Az.: 1/SVK/041-08; B. v. 26.03.2008 -<br />

Az.: 1/SVK/005-08; B. v. 11.0<strong>8.</strong>2006 - Az.: 1/SVK/073-06; VK Südbayern, B. v. 03.04.2009<br />

- Az.: Z3-3-3194-1-49-12/08; B. v. 24.09.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-29-06/07).<br />

Es handelt sich auch dann um e<strong>in</strong>e Dienstleistungskonzession, wenn der Auftraggeber als<br />

Gegenleistung dem Bieter die Verwertung se<strong>in</strong>er Leistung überlässt und (außerdem) e<strong>in</strong>en<br />

Preis zahlt oder ihm e<strong>in</strong>en sonstigen Vermögensgegenstand überlässt. Das ergibt sich bei<br />

der gebotenen europarechtlichen Auslegung aus der Def<strong>in</strong>ition der Dienstleistungskonzession<br />

<strong>in</strong> Art. 1 IV Buchst. a der Richtl<strong>in</strong>ie 2004/18/EG. Denn danach s<strong>in</strong>d<br />

Dienstleistungskonzessionen Verträge, die von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen nur<br />

<strong>in</strong>soweit abweichen, als die Gegenleistung für die Erbr<strong>in</strong>gung der Dienstleistungen<br />

ausschließlich <strong>in</strong> dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder <strong>in</strong> diesem Recht zuzüglich<br />

der Zahlung e<strong>in</strong>es Preises besteht. Das entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des<br />

EuGH. Der Preis muss dabei nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Geldleistung bestehen. Vielmehr kann dies<br />

jedwede geldwerte Leistung se<strong>in</strong>. Das zeitlich befristete b<strong>in</strong>dende Kaufangebot e<strong>in</strong>es<br />

Auftraggebers gegenüber dem Betreiber als geldwerte Leistung wäre dann jedoch<br />

allenfalls e<strong>in</strong> Preis, der zusätzlich an den Betreiber „gezahlt“ werden würde, neben der<br />

E<strong>in</strong>räumung des Rechts zur Nutzung der Dienstleistung durch Verwertung. Allerd<strong>in</strong>gs muss<br />

trotz des zusätzlich gezahlten Preises das wirtschaftliche Risiko oder Betriebsrisiko<br />

zum<strong>in</strong>dest nicht unwesentlich beim Betreiber verbleiben (OLG Brandenburg, B. v.<br />

30.05.2008 - Az.: Verg W 5/08).<br />

E<strong>in</strong>e Dienstleistungskonzession scheidet demzufolge aus, wenn der Konzessionär als<br />

Entgelt ausschließlich e<strong>in</strong>en vorher festgelegten Preis erhält (EuGH, Urteil vom 10.11.1<strong>99</strong>8<br />

- Az.: C-360/96; OLG Celle, B. v. 5.2.2004 - Az.: 13 Verg 26/03). Dass der Preis nicht <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er Geldleistung besteht, ist unerheblich. Er kann auch <strong>in</strong> der Übereignung werthaltiger<br />

Sachen (z. B. Altpapier) bestehen (OLG Celle, B. v. 5.2.2004 - Az.: 13 Verg 26/03).


1161/1<br />

1162<br />

1163<br />

1164<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Der Annahme e<strong>in</strong>er Dienstleistungskonzession steht entgegen, wenn der<br />

Leistungserbr<strong>in</strong>ger z.B. bei der Durchführung von Notfallrettung und Krankentransporten <strong>in</strong><br />

Sachsen sowohl nach dem Gesetz (<strong>§</strong> 31 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 SächsBRKG) als auch nach dem<br />

ausdrücklichen Wortlaut des angestrebten öffentlich-rechtlichen Vertrags (dort <strong>§</strong> 5) die ihm<br />

nach diesem Vertrag zustehende Vergütung ausschließlich und unmittelbar vom<br />

Aufgabenträger erhält. Der Leistungserbr<strong>in</strong>ger hat gerade ke<strong>in</strong>e Möglichkeit, aus der<br />

Gestattung der Leistungserbr<strong>in</strong>gung weiteren Nutzen zu ziehen, <strong>in</strong>sbesondere weitere<br />

E<strong>in</strong>nahmen gegenüber Dritten zu erzielen (OLG Dresden, B. v. 04.07.2008 - Az.: WVerg<br />

3/08; 1. VK Sachsen, B. v. 09.09.2008 - Az.: 1/SVK/046-08; B. v. 29.0<strong>8.</strong>2008 - Az.:<br />

1/SVK/042-08; B. v. 29.0<strong>8.</strong>2008 - Az.: 1/SVK/041-08).<br />

E<strong>in</strong>e Dienstleistungskonzession ist also dadurch geprägt, dass der Unternehmer die mit der<br />

Dienstleistung verbundenen Risiken trägt, <strong>in</strong>dem er als Gegenleistung das Recht erhält,<br />

se<strong>in</strong>e eigene Leistung zu nutzen oder entgeltlich zu verwerten (OLG Brandenburg, B. v.<br />

30.05.2008 - Az.: Verg W 5/08; OLG Celle, B. v. 5.2.2004 - Az.: 13 Verg 26/03; OLG<br />

Dresden, B. v. 04.07.2008 - Az.: WVerg 3/08; OLG Düsseldorf, B. v. 10.05.2006 - Az.: VII -<br />

Verg 12/06; OLG Karlsruhe, B. v. 13.07.2005 - Az.: 6 W 35/05 Verg.; OLG München, B. v.<br />

02.07.2009 - Az.: Verg 5/09; VK Arnsberg, B. v. 27.10.2003 - Az.: VK 2-22/2003; VK<br />

Brandenburg, B. v. 2<strong>8.</strong>03.2008 - Az.: VK 6/08; 2. VK Bund, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 -<br />

123/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 120/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 117/07, B. v.<br />

15.11.2007 - Az.: VK 2 - 114/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 108/07, B. v. 15.11.2007 -<br />

Az.: VK 2 - 105/07; B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 102/07; VK Hessen, B. v. 07.10.2005 -<br />

Az.: 69 d VK - 39/2005, 69 d VK - 54/2005, 69 d VK - 55/2005, 69 d VK - 56/2005, 69 d VK<br />

- 57/2005; VK Lüneburg, B. v. 12.11.2003 - Az.: 203-VgK-27/2003; VK Nordbayern, B. v.<br />

02.0<strong>8.</strong>2006 - Az.: 21.VK - 3194 - 22/06; VK Niedersachsen, B. v. vom 16.10.2008 - Az.:<br />

VgK-30/2008; 1. VK Sachsen, B. v. 26.03.2008 - Az.: 1/SVK/005-08; VK Südbayern, B. v.<br />

24.09.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-29-06/07). Sie charakterisiert sich weiter durch e<strong>in</strong>e<br />

Übertragung der Verantwortung für die Nutzung und hat zudem üblicherweise Tätigkeiten<br />

zum Inhalt, die nach ihrer Natur, ihrem Gegenstand und nach den Vorschriften, denen sie<br />

unterliegen, <strong>in</strong> den Verantwortungsbereich des öffentlichen Auftraggebers fallen und die<br />

Gegenstand von ausschließlichen und besonderen Rechten se<strong>in</strong> können. Der Europäische<br />

Gerichtshof hat <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er "Tel-austria"-Entscheidung von e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>en Def<strong>in</strong>ition<br />

abgesehen, jedoch zum Ausdruck gebracht, dass von e<strong>in</strong>er Konzession jedenfalls dann<br />

auszugehen ist, wenn die Gegenleistung, die der öffentliche Auftraggeber dem privaten<br />

Unternehmen erbr<strong>in</strong>gt, dar<strong>in</strong> besteht, dass Letzteres als Vergütung das Recht zur Verwertung<br />

se<strong>in</strong>er eigenen Leistung erhält (Rn. 58). Denn beim Vorliegen dieses Merkmals sieht das<br />

Gericht e<strong>in</strong> Vertragsverhältnis, obwohl es e<strong>in</strong>e entgeltliche Dienstleistung zum Gegenstand<br />

hat, letztlich als vom Anwendungsbereich der Richtl<strong>in</strong>ie 93/38/EWG ausgenommen an.<br />

Soweit demgegenüber vor allem <strong>in</strong> der Literatur e<strong>in</strong> engerer Begriff der<br />

Dienstleistungskonzession vertreten wird, entspricht dies nicht dem derzeitigen Stand des<br />

Geme<strong>in</strong>schaftsrechts (BayObLG, B. v. 11.12.2001 - Az.: Verg 15/01; VK Brandenburg, B. v.<br />

24.09.2004 - Az.: VK 47/04).<br />

Die VK Brandenburg nimmt <strong>in</strong>soweit auch e<strong>in</strong>e Dienstleistungskonzession an, wenn der<br />

Konzessionär ke<strong>in</strong> oder nur e<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>ges wirtschaftliches Risiko trägt (VK Brandenburg,<br />

B. v. 24.09.2004 - Az.: VK 47/04).<br />

Entscheidend für die Abgrenzung von <strong>Aufträge</strong>n im S<strong>in</strong>ne des <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 1 <strong>GWB</strong> und<br />

Konzessionen ist dabei, ob es der "Auftraggeber" ist, der die Vergütung schuldet und sie<br />

deshalb selbst oder durch e<strong>in</strong>en Dritten (OLG Dresden, B. v. 04.07.2008 - Az.: WVerg 3/08;<br />

OLG München, B. v. 02.07.2009 - Az.: Verg 5/09; VK Brandenburg, B. v. 24.09.2004 - Az.:


1164/0,3<br />

1164/1<br />

1164/2<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

VK 47/04; 1. VK Sachsen, B. v. 26.03.2008 - Az.: 1/SVK/005-08) zahlt, oder ob er den<br />

Vertragspartner e<strong>in</strong>e Aufgabe ausführen und im Zusammenhang damit wirtschaftlich<br />

Nutzen daraus ziehen lässt (OLG Stuttgart, B. v. 4.11.2002 - Az.: 2 Verg 4/02).<br />

Unerheblich ist also, wenn der Auftraggeber die Vergütung, die er dem Auftragnehmer<br />

zahlen muss, se<strong>in</strong>erseits aus Mitteln der eigentlichen Kostenträger, z.B. bei der<br />

Erbr<strong>in</strong>gung von Rettungsdienstleistungen <strong>in</strong> Sachsen von den Krankenkassen, aufbr<strong>in</strong>gt<br />

und zu diesem Zweck mit ihnen Benutzungsentgelte vere<strong>in</strong>bart, die diese Vergütung<br />

umfassen. Dass der Aufgabenträger sich auf diese Weise ref<strong>in</strong>anziert (oder von vornhere<strong>in</strong><br />

nur e<strong>in</strong>e Vergütung vere<strong>in</strong>bart, für die er bei den Kostenträgern Deckung f<strong>in</strong>det), rechtfertigt<br />

zwar bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Annahme, dass das an den<br />

Leistungserbr<strong>in</strong>ger zu zahlende Entgelt für den Auftraggeber nur e<strong>in</strong> durchlaufender<br />

Posten ist. Das ändert aber nichts daran, dass h<strong>in</strong>sichtlich der Bezahlung der<br />

Rettungsdienstleistungen Rechtsbeziehungen auf zwei Ebenen bestehen, <strong>in</strong> die der<br />

Aufgabenträger e<strong>in</strong>mal als Verpflichteter (z.B. der Vergütung nach <strong>§</strong> 31 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1<br />

SächsBRKG) und e<strong>in</strong>mal als Berechtigter (z.B. der Benutzungsentgelte nach <strong>§</strong> 32<br />

SächsBRKG) e<strong>in</strong>gebunden ist. Das ist mit e<strong>in</strong>em bloßen Konzessionsmodell nicht vere<strong>in</strong>bar<br />

(OLG Dresden, B. v. 04.07.2008 - Az.: WVerg 3/08).<br />

Das Thür<strong>in</strong>ger OLG hat Zweifel, ob nach der bisherigen Rechtsprechung des EuGH alle<strong>in</strong><br />

der Umstand, dass e<strong>in</strong>e unmittelbare Entgeltzahlung der Vergabestelle an den<br />

Auftragnehmer nicht erfolgt, dieser vielmehr berechtigt ist, privatrechtliche Entgelte<br />

(z.B. gegenüber den Wasser- und Abwasserkunden) zu erheben, auf das Vorliegen e<strong>in</strong>er<br />

Dienstleistungskonzession schließen lässt. Man kann die Frage, wer Vergütungsschuldner<br />

ist, auch als e<strong>in</strong> gewichtiges, aber nicht alle<strong>in</strong> entscheidendes Indiz für oder gegen die<br />

Übernahme des Betriebsrisikos und damit e<strong>in</strong>er Dienstleistungskonzession bewerten<br />

(Thür<strong>in</strong>ger OLG, B. v. 0<strong>8.</strong>05.2008 - Az.: 9 Verg 2/08). Der EuGH ist dagegen der<br />

Auffassung, dass für die Frage, ob e<strong>in</strong>e Dienstleistungskonzession vorliegt, es ke<strong>in</strong>e Rolle<br />

spielt, ob das Entgelt privatrechtlich oder öffentlich-rechtlich geregelt ist (EuGH, Urteil<br />

v. 10.09.2009 - Az.: C-206/08).<br />

Die VK Sachsen legt diesem Punkt ke<strong>in</strong>e entscheidende Bedeutung bei. Nach <strong>§</strong> <strong>99</strong> <strong>GWB</strong><br />

s<strong>in</strong>d <strong>Öffentliche</strong> <strong>Aufträge</strong> entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und<br />

Unternehmen, die Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Nach dem<br />

Verständnis der Vergabekammer ist der Begriff des Dienstleistungsauftrags weit zu fassen,<br />

so dass alle gegenseitigen Verträge erfasst s<strong>in</strong>d, mit denen der öffentliche Auftraggeber im<br />

Rahmen se<strong>in</strong>er Bedarfsdeckung die Leistungserbr<strong>in</strong>gung gegen Entgelt vere<strong>in</strong>bart. Auch der<br />

Entgeltbegriff ist weit auszulegen, denn das Merkmal der Entgeltlichkeit soll lediglich<br />

die wirtschaftliche Ausrichtung des Auftrages zum Ausdruck br<strong>in</strong>gen. Erfasst ist jede Art<br />

von Vergütung, die e<strong>in</strong>en Geldwert haben kann. Da die Entgeltlichkeit grundsätzlich bei<br />

jedem geldwerten Vorteil gewahrt se<strong>in</strong> soll, genügen neben der unmittelbaren Zuwendung<br />

von Geldmitteln auch andere Formen der Leistungserbr<strong>in</strong>gung. So hat der EuGH<br />

beispielsweise den Verzicht des öffentlichen Auftraggebers aufgrund e<strong>in</strong>es gesetzlich<br />

bestehenden Gebührenanspruchs auf die Entrichtung e<strong>in</strong>es Erschließungsbeitrags<br />

grundsätzlich genügen lassen. Auch der BGH geht von e<strong>in</strong>em weit zu fassenden Begriff des<br />

Dienstleistungsauftrags aus. In se<strong>in</strong>er Entscheidung vom 01.02.2005 (Az.: X ZB 27/04) hat<br />

der BGH entschieden, dass e<strong>in</strong> Vertrag über die Entsorgung von Altpapier auch dann als<br />

entgeltlicher Dienstleistungsauftrag e<strong>in</strong>zustufen ist, wenn die entsorgungspflichtige<br />

Körperschaft vom Entsorgungsunternehmen auf der Grundlage e<strong>in</strong>es Kaufvertrages sogar<br />

e<strong>in</strong>en erheblichen Kaufpreis für das Altpapier erhält und das wirtschaftliche Interesse des<br />

Entsorgungsunternehmens alle<strong>in</strong> dar<strong>in</strong> besteht, das Papier durch Sortierung noch weiter zu


1165<br />

1166<br />

1167<br />

1167/0,4<br />

1167/1<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

veredeln und durch die Vermarktung e<strong>in</strong>en höheren Endpreis zu erzielen. Wenn aber sogar<br />

der umgekehrte Zahlungsfluss des Vertragspartners an den öffentlichen Auftraggeber<br />

bereits e<strong>in</strong>e, die Dienstleistungskonzession ausschließende Form der Entgeltlichkeit<br />

darstellen kann, dann muss erst Recht die direkte Zahlung e<strong>in</strong>er im Vorfeld der<br />

Leistungserbr<strong>in</strong>gung festgesetzten Vergütung mit Anpassungsklausel an den<br />

Leistungserbr<strong>in</strong>ger den Konzessionscharakter e<strong>in</strong>er Dienstleistung ausschließen (1. VK<br />

Sachsen, B. v. 26.03.2008 - Az.: 1/SVK/005-08).<br />

Aus dem "Recht zur Verwertung der eigenen Leistung" als e<strong>in</strong>er Form der Gegenleistung lässt<br />

sich allerd<strong>in</strong>gs nicht (und schon gar nicht zw<strong>in</strong>gend) schließen, dass die Nutzung der<br />

Gegenleistung die e<strong>in</strong>zige E<strong>in</strong>nahmequelle des Konzessionärs se<strong>in</strong> muss (Thür<strong>in</strong>ger OLG,<br />

B. v. 0<strong>8.</strong>05.2008 - Az.: 9 Verg 2/08; VK Hessen, B. v. 2<strong>8.</strong>5.2003 - Az.: 69 d VK - 17/2003).<br />

Die E<strong>in</strong>ordnung als Dienstleistungskonzession kann im übrigen nicht von der Höhe der von<br />

dem Bewerber kalkulierten oder auch nach objektiver E<strong>in</strong>schätzung erzielbaren E<strong>in</strong>nahmen<br />

abhängen, also vom Umfang der Kostendeckung bzw. Wirtschaftlichkeit, sondern ist<br />

alle<strong>in</strong> nach gesetzlichen oder - bei deren Fehlen - durch die Rechtsprechung vorgegebenen<br />

"abstrakten" Kriterien vorzunehmen. Jede andere Betrachtung würde außerdem zu e<strong>in</strong>er nicht<br />

vertretbaren Rechtsunsicherheit führen. Für die Annahme, dass e<strong>in</strong>e<br />

Dienstleistungskonzession nur vorliegen könne, wenn die E<strong>in</strong>nahmen aus der "eigenen<br />

Leistung" wirtschaftlich ausreichend s<strong>in</strong>d, geben im Übrigen auch Rechtsprechung und<br />

Literatur ke<strong>in</strong>e Anhaltspunkte (VK Hessen, B. v. 2<strong>8.</strong>5.2003 - Az.: 69 d VK - 17/2003).<br />

Anderer Auffassung ist <strong>in</strong>soweit das OLG Karlsruhe. Verbleibt das wirtschaftliche<br />

Risiko überwiegend beim Bieter, <strong>in</strong>dem ihm im Wesentlichen das Nachfragerisiko<br />

bezüglich der von ihr am Markt angebotenen Verkehrsdienstleistungen zugeordnet wird,<br />

handelt es sich um e<strong>in</strong>e Dienstleistungskonzession. Die Ausgleichszahlungen des<br />

Auftraggebers dienen nicht der Absicherung der Kosten des Bieters, sie decken jährlich<br />

abnehmend lediglich 9 bis 4 % des prognostizierten Gesamtaufwands. Damit f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong>e<br />

Risikoüberwälzung auf den Bieters statt, der zum weit überwiegenden Teil darauf verwiesen<br />

ist, die Kosten der Verkehrsdienstleistungen durch das Entgelt der Fahrgäste e<strong>in</strong>zufahren. E<strong>in</strong><br />

nachträglicher Ausgleich von Defiziten ist beihilfenrechtlich nicht möglich und auch<br />

vertraglich nicht vorgesehen, sodass das Deckungsrisiko daher <strong>in</strong> jedem Falle dem Bieter<br />

verbleibt (OLG Karlsruhe, B. v. 13.07.2005 - Az.: 6 W 35/05 Verg.).<br />

Ist der Auftragnehmer durch e<strong>in</strong> sehr detaillierte Formblatt Kalkulation gehalten, die<br />

wesentlichen Kostenfaktoren Personalkosten, Betriebskosten/Gebäude, Kfz-Kosten und<br />

Sachkosten/Mediz<strong>in</strong>technik zu antizipieren und kalkulieren und als Gesamtaufwendungen<br />

se<strong>in</strong>em Angebotspreis für die Jahre 2009 bis 2013 zu Grunde zu legen, wird dadurch das<br />

Betriebsrisiko nicht mehr von äußeren Marktgegebenheiten abhängig gemacht. Die<br />

beabsichtigte vertragliche Gestaltung soll nach S<strong>in</strong>n und Zweck gerade den Betreiber nicht<br />

mehr von dem tatsächlichen Anfall der Rettungse<strong>in</strong>sätze abhängig machen. Die<br />

Vergütungsregelung soll die Funktionsfähigkeit der Notfallversorgung garantieren und<br />

existenzgefährdende Folgen für den Rettungsunternehmer gerade ausschließen. Insoweit<br />

kann der Rettungsunternehmer mit e<strong>in</strong>er festen Vergütung, unabhängig von den tatsächlichen<br />

geleisteten Rettungse<strong>in</strong>sätzen rechnen. Mit der gewählten Vertragskonstruktion verbleibt<br />

also dem Rettungsunternehmer ke<strong>in</strong> Betriebsrisiko (OLG Dresden, B. v. 04.07.2008 - Az.:<br />

WVerg 3/08; 1. VK Sachsen, B. v. 26.03.2008 - Az.: 1/SVK/005-08).<br />

Dem Merkmal der Eigenverantwortung bzw. der Verantwortungssubstitution kommt<br />

bei der Abgrenzung zwischen Dienstleistungsauftrag und Dienstleistungskonzession


1167/2<br />

1167/2,1<br />

1167/3<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

ke<strong>in</strong>e ausschlaggebende Bedeutung zu. Es mag zwar unter normalen<br />

Wettbewerbsbed<strong>in</strong>gungen auf e<strong>in</strong>em freien Markt für das Vorliegen e<strong>in</strong>es<br />

Dienstleistungsauftrages verkehrstypisch se<strong>in</strong>, dass der Auftragnehmer – anders als e<strong>in</strong><br />

Konzessionär – an <strong>in</strong>haltliche Vorgaben bei der Auftragsausführung seitens der<br />

auftraggebenden Vergabestelle gebunden ist. Dieses Unterscheidungs<strong>in</strong>diz taugt aber dann<br />

nicht, wenn die unternehmerische Eigenverantwortung des Konzessionärs bei<br />

materiellrechtlicher Betrachtung nicht seitens der Vergabestelle, sondern vielmehr von<br />

der Aufgabe her e<strong>in</strong>geschränkt wird. Da z.B. die Wasserversorgung bzw. -entsorgung e<strong>in</strong>e<br />

öffentliche Pflichtaufgabe darstellt, bestehen für jede hierfür verantwortliche Stelle –<br />

gleichgültig ob es sich dabei um die öffentliche Hand selbst (Vergabestelle) oder um e<strong>in</strong><br />

beauftragtes Unternehmen handelt – gesetzliche Entgelt- und Leistungsvorgaben (Thür<strong>in</strong>ger<br />

OLG, B. v. 0<strong>8.</strong>05.2008 - Az.: 9 Verg 2/08).<br />

Aus Rechtssicherheitsgründen ist es geboten, dass vor Ausschreibung die Verfahrensart<br />

und die Nachprüfungsmöglichkeiten feststehen. Kann e<strong>in</strong>e sichere Aussage über die<br />

Risikoverteilung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer zum Zeitpunkt der<br />

Ausschreibung nicht getroffen werden, und besteht deshalb die Möglichkeit, dass das<br />

wirtschaftliche Risiko <strong>in</strong> nennenswertem Umfang beim Auftraggeber verbleibt, ist im<br />

Interesse e<strong>in</strong>es fairen und transparenten Wettbewerbs von e<strong>in</strong>em Dienstleistungsauftrag<br />

und nicht von e<strong>in</strong>er Dienstleistungskonzession auszugehen. Es bestünde sonst die<br />

Möglichkeit, dass e<strong>in</strong> Auftrag, der sich nach Angebotabgabe als Dienstleistungsauftrag<br />

herausstellt, nicht ausgeschrieben und zu Unrecht dem <strong>Vergaberecht</strong> entzogen worden ist<br />

(OLG München, B. v. 21.05.2008 - Az.: Verg 05/08; 1. VK Sachsen, B. v. 23.02.2009 - Az.:<br />

1/SVK/003-09).<br />

Kann e<strong>in</strong>e sichere Aussage über die wirtschaftliche Risikoverteilung zwischen<br />

Auftraggeber und Auftragnehmer zum Zeitpunkt der Ausschreibung nicht getroffen<br />

werden, und besteht deshalb die Möglichkeit, dass das wirtschaftliche Risiko <strong>in</strong><br />

nennenswertem Umfang beim Auftraggeber verbleibt, ist im Interesse e<strong>in</strong>es fairen und<br />

transparenten Wettbewerbs von e<strong>in</strong>em Dienstleistungsauftrag und nicht e<strong>in</strong>er<br />

Dienstleistungskonzession auszugehen, wenn die Bereitschaft zur Übernahme des<br />

wirtschaftlichen Risikos nicht vor Angebotsabgabe festgestellt werden konnte (1. VK<br />

Sachsen, B. v. 23.02.2009 - Az.: 1/SVK/003-09).<br />

Die Beurteilung als Dienstleistungskonzession wird auch nicht dadurch <strong>in</strong>frage gestellt,<br />

dass z.B. den Betreiber e<strong>in</strong>er Renn- und Teststrecke bauliche Instandhaltungspflichten<br />

treffen. Diese Pflichten verleihen dem Auftrag nicht den Charakter e<strong>in</strong>er Baukonzession.<br />

E<strong>in</strong>e Baukonzession liegt vor, wenn e<strong>in</strong> Vertrag über die Erbr<strong>in</strong>gung von Bauleistungen<br />

geschlossen wird, bei dem der Konzessionsgeber als Gegenleistung für die Bauarbeiten des<br />

Baukonzessionärs diesem statt e<strong>in</strong>er Vergütung e<strong>in</strong> Recht auf Nutzung der baulichen Anlage<br />

e<strong>in</strong>räumt, <strong>§</strong> 98 Nr. 6 <strong>GWB</strong>, <strong>§</strong> 6 Abs. 1 S. 2 VgV, <strong>§</strong> 32 Nr. 1 VOB/A. Bei den<br />

Instandhaltungsverpflichtungen handelt es sich um Nebenpflichten, die sich<br />

typischerweise aus der Nutzung der Grundstücke ergeben, denn der Auftraggeber hat wie<br />

der Verpächter e<strong>in</strong>es Grundstückes e<strong>in</strong> Interesse daran, dass Renn- und Teststrecke mit<br />

Anlagen und E<strong>in</strong>richtungen durch den Betreiber erhalten werden (vgl. <strong>§</strong> 582 a Abs. 2 BGB).<br />

Die Instandhaltungspflichten bilden nicht den Hauptgegenstand des Auftrages und<br />

wirken sich deshalb nicht auf die vergaberechtliche E<strong>in</strong>ordnung der Leistung aus. Dafür<br />

spricht <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 6 Satz 2 <strong>GWB</strong>, wonach e<strong>in</strong> öffentlicher Auftrag, der neben<br />

Dienstleistungen Bauleistungen umfasst, die im Verhältnis zum Hauptgegenstand<br />

Nebenarbeiten s<strong>in</strong>d, als Dienstleistungsauftrag gilt (VK Brandenburg, B. v. 2<strong>8.</strong>03.2008 - Az.:<br />

VK 6/08; im Ergebnis ebenso OLG Brandenburg, B. v. 30.05.2008 - Az.: Verg W 5/08).


1168<br />

1168/0,6<br />

1168/1<br />

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Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

E<strong>in</strong>e Dienstleistungskonzession scheidet aus, wenn sich die Vere<strong>in</strong>barung nicht darauf<br />

beschränkt, dem Vertragspartner das (alle<strong>in</strong>ige) Recht zu verschaffen, die eigene Leistung<br />

(nur) selbst zu nutzen oder entgeltlich zu verwerten, sondern e<strong>in</strong> Dritter ebenfalls e<strong>in</strong>e<br />

Verwertungsmöglichkeit erhält (1. VK Sachsen, B. v. 12.05.2005 - Az.: 1/SVK/038-05).<br />

Im Unterschied zu e<strong>in</strong>er Dienstleistungskonzession ist e<strong>in</strong>e Rahmenvere<strong>in</strong>barung<br />

dadurch gekennzeichnet, dass der Tätigkeit des Wirtschaftsteilnehmers, der<br />

Vertragspartner der Vere<strong>in</strong>barung ist, <strong>in</strong>soweit Grenzen gesetzt s<strong>in</strong>d, als sämtliche im Laufe<br />

e<strong>in</strong>es bestimmten Zeitraums an ihn zu vergebenden <strong>Aufträge</strong> die <strong>in</strong> dieser Vere<strong>in</strong>barung<br />

vorgesehenen Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>halten müssen (EuGH, Urteil v. 11.06.2009 - Az.: C-300/07).<br />

Die Def<strong>in</strong>ition e<strong>in</strong>es öffentlichen Dienstleistungsauftrags fällt <strong>in</strong> den Bereich des<br />

Geme<strong>in</strong>schaftsrechts. Ob Verträge als Dienstleistungskonzessionen e<strong>in</strong>zustufen s<strong>in</strong>d oder<br />

nicht, ist daher ausschließlich anhand des Geme<strong>in</strong>schaftsrechts zu beurteilen (EuGH,<br />

Urteil v. 15.10.2009 - Az.: C-196/08; Urteil v. 1<strong>8.</strong>07.2007 - Az.: C-382/05; OLG München,<br />

B. v. 02.07.2009 - Az.: Verg 5/09; B. v. 21.05.2008 - Az.: Verg 05/08; Thür<strong>in</strong>ger OLG, B. v.<br />

11.12.2009 - Az.: 9 Verg 2/08; B. v. 0<strong>8.</strong>05.2008 - Az.: 9 Verg 2/08; 1. VK Sachsen, B. v.<br />

23.02.2009 - Az.: 1/SVK/003-09; B. v. 09.09.2008 - Az.: 1/SVK/046-08).<br />

<strong>8.</strong>4.5.2 Notwendiger Umfang der Übertragung des Betriebsrisikos<br />

Besteht das Abgrenzungskriterium zwischen entgeltlichem Dienstleistungsauftrag und<br />

Dienstleistungskonzession im Kern <strong>in</strong> der Übernahme des wirtschaftlichen Risikos<br />

durch den Auftragnehmer, bedarf es der Klärung, ob e<strong>in</strong>e Dienstleistungskonzession per<br />

Def<strong>in</strong>ition nur dann vorliegen kann, wenn die Erbr<strong>in</strong>gung der betroffenen<br />

Dienstleistung mit e<strong>in</strong>em bestimmten, qualitativ annähernd den Verhältnissen auf dem<br />

freien Markt entsprechenden Betriebsrisiko verbunden ist oder ob es ausreicht, wenn der<br />

Konzessionär das mit der Dienstleistungserbr<strong>in</strong>gung nach ihrer konkreten, <strong>in</strong>sbesondere auch<br />

rechtlich vorgegebenen Ausgestaltung orig<strong>in</strong>är verbundene – also im Falle eigener<br />

Leistungserbr<strong>in</strong>gung auch den öffentlichen Auftraggeber selbst treffende – Risiko vollständig<br />

oder jedenfalls nahezu vollständig übernimmt (Thür<strong>in</strong>ger OLG, B. v. 0<strong>8.</strong>05.2008 - Az.: 9<br />

Verg 2/08).<br />

Das Thür<strong>in</strong>ger OLG hat deshalb mit B. v. 0<strong>8.</strong>05.2008 - Az.: 9 Verg 2/08 dem EuGH zur<br />

Auslegung der Richtl<strong>in</strong>ie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates zur<br />

Koord<strong>in</strong>ierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie-<br />

und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (Abl. EG L 358 vom 03.12.2004. S. 1 – im<br />

Folgenden nur Richtl<strong>in</strong>ie genannt) gem. Art. 234 Abs. 1 EGV folgende Fragen vorgelegt:<br />

• Ist e<strong>in</strong> Vertrag über Dienstleistungen (hier über Leistungen der Wasserversorgung<br />

und Abwasserbehandlung), nach dessen Inhalt e<strong>in</strong>e unmittelbare Entgeltzahlung des<br />

öffentlichen Auftraggebers an den Auftragnehmer nicht erfolgt, sondern der<br />

Auftragnehmer das Recht erhält, privatrechtliche Entgelte von Dritten zu<br />

erheben, alle<strong>in</strong> aus diesem Grund als Dienstleistungskonzession im S<strong>in</strong>ne des Art.<br />

1 Abs. 3 lit. b der Richtl<strong>in</strong>ie – <strong>in</strong> Abgrenzung zum entgeltlichen Dienstleistungsvertrag<br />

im S<strong>in</strong>ne von Art. 1 Abs. 2 lit. a und d der Richtl<strong>in</strong>ie – e<strong>in</strong>zuordnen?<br />

• Falls die erste Vorlagefrage mit ne<strong>in</strong> zu beantworten ist, liegt bei Verträgen der <strong>in</strong><br />

der ersten Vorlagefrage beschriebenen Art e<strong>in</strong>e Dienstleistungskonzession vor, wenn<br />

das mit der fraglichen Dienstleistung auf Grund ihrer öffentlichrechtlichen


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1168/4,1<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Ausgestaltung (Anschluss- und Benutzungszwang; Preiskalkulation nach dem<br />

Kostendeckungspr<strong>in</strong>zip) verbundene Betriebsrisiko von vornhere<strong>in</strong>, also auch dann,<br />

wenn der öffentliche Auftraggeber die Leistung selbst erbr<strong>in</strong>gen würde, zwar<br />

erheblich e<strong>in</strong>geschränkt ist, der Auftragnehmer aber dieses e<strong>in</strong>geschränkte<br />

Risiko <strong>in</strong> vollem Umfang oder zum<strong>in</strong>dest ganz überwiegend übernimmt?<br />

• Falls auch die zweite Vorlagefrage verne<strong>in</strong>t wird, ist Art. 1 Abs. 3 lit. b der<br />

Richtl<strong>in</strong>ie dah<strong>in</strong> auszulegen, dass das mit der Erbr<strong>in</strong>gung der Leistung verbundene<br />

Betriebsrisiko, <strong>in</strong>sbesondere das Absatzrisiko, qualitativ demjenigen nahe<br />

kommen muss, das üblicherweise unter den Bed<strong>in</strong>gungen e<strong>in</strong>es freien Marktes<br />

mit mehreren konkurrierenden Anbietern besteht?<br />

Nach Auffassung des EuGH ist es üblich, dass für bestimmte Tätigkeitsbereiche,<br />

<strong>in</strong>sbesondere Bereiche, die die öffentliche Dase<strong>in</strong>svorsorge betreffen, wie z. B. die<br />

Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung, Regelungen gelten, die e<strong>in</strong>e Begrenzung<br />

der wirtschaftlichen Risiken bewirken können. Zum e<strong>in</strong>en erleichtert die öffentlichrechtliche<br />

Ausgestaltung, der die Nutzung der Dienstleistung <strong>in</strong> wirtschaftlicher und<br />

f<strong>in</strong>anzieller H<strong>in</strong>sicht unterworfen ist, die Kontrolle ihrer Nutzung und verm<strong>in</strong>dert die<br />

Faktoren, die die Transparenz bee<strong>in</strong>trächtigen und den Wettbewerb verfälschen können. Zum<br />

anderen muss es den redlich handelnden öffentlichen Auftraggebern weiterh<strong>in</strong><br />

freistehen, Dienstleistungen mittels e<strong>in</strong>er Konzession erbr<strong>in</strong>gen zu lassen, wenn sie der<br />

Auffassung s<strong>in</strong>d, dass die Erbr<strong>in</strong>gung der betreffenden geme<strong>in</strong>wirtschaftlichen Leistung<br />

so am besten sicherzustellen ist, und zwar selbst dann, wenn das mit der Nutzung<br />

verbundene Risiko erheblich e<strong>in</strong>geschänkt ist. Es wäre außerdem nicht sachgerecht, von<br />

e<strong>in</strong>er Behörde, die e<strong>in</strong>e Konzession vergibt, zu verlangen, dass sie für e<strong>in</strong>en schärferen<br />

Wettbewerb und e<strong>in</strong> höheres wirtschaftliches Risiko sorgt, als sie <strong>in</strong> dem betreffenden Sektor<br />

aufgrund der für ihn geltenden Regelungen existieren. Da der öffentliche Auftraggeber ke<strong>in</strong>en<br />

E<strong>in</strong>fluss auf die öffentlich-rechtliche Ausgestaltung der Dienstleistung hat, kann er <strong>in</strong> solchen<br />

Fällen ke<strong>in</strong>e Risikofaktoren e<strong>in</strong>führen und daher auch nicht übertragen, die durch diese<br />

Ausgestaltung ausgeschlossen s<strong>in</strong>d. Selbst wenn das Risiko des öffentlichen Auftraggebers<br />

erheblich e<strong>in</strong>geschränkt ist, ist es jedenfalls für die Annahme e<strong>in</strong>er<br />

Dienstleistungskonzession erforderlich, dass er das volle Betriebsrisiko oder zum<strong>in</strong>dest<br />

e<strong>in</strong>en wesentlichen Teil davon auf den Konzessionär überträgt. Dabei dürfen die<br />

allgeme<strong>in</strong>en Risiken, die sich aus Änderungen der Rechtslage während der Durchführung des<br />

Vertrags ergeben, nicht berücksichtigt werden (EuGH, Urteil v. 10.09.2009 - Az.: C-206/08).<br />

In Auslegung der Rechtsprechung des EuGH ist das Thür<strong>in</strong>ger OLG der Auffassung, dass<br />

trotz der möglichen, weitgehend üblichen und auch hier vorgesehenen Anordnung e<strong>in</strong>es<br />

Anschluss- und Benutzungszwangs durch Satzung e<strong>in</strong> - wenn auch e<strong>in</strong>geschränktes –<br />

Absatzrisiko besteht, wenn nicht von vornhere<strong>in</strong> abzusehen ist, <strong>in</strong> welcher Menge Wasser<br />

abgenommen wird bzw. Abwasser zur Entsorgung anfällt. E<strong>in</strong>e Verr<strong>in</strong>gerung dieser Mengen<br />

ist angesichts der allgeme<strong>in</strong> bekannten Tendenz zum sparsameren Umgang mit Wasser sowie<br />

dem prognostizierten Bevölkerungsrückgang <strong>in</strong> den neuen Ländern wahrsche<strong>in</strong>lich,<br />

jedenfalls aber nicht auszuschließen. H<strong>in</strong>zu kommt, dass der Konzessionär nach den<br />

Vertragsentwürfen gegenüber der Vergabestelle ke<strong>in</strong>en Anspruch hatte, dass der<br />

grundsätzlich bestehende Anschluss- und Benutzungszwang auch <strong>in</strong> jedem E<strong>in</strong>zelfall<br />

durchgesetzt wird. Er selbst hatte hierzu gegenüber den Leistungsbeziehern ohneh<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e<br />

Möglichkeit, weil er mit diesen privatrechtliche Verträge abschließen sollte, die er nicht<br />

zwangsweise durchsetzen konnte. Gerade bei Großverbrauchern bestand damit - abhängig von<br />

der Höhe des geforderten Entgelts und der Qualität der erbrachten Leistungen - durchaus das<br />

Risiko, dass sie versuchten, sich von dem Anschluss- und Benutzungszwang befreien zu


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1168/4,3<br />

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1168/6<br />

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lassen und ihre Ver- und Entsorgung <strong>in</strong> eigener Regie zu betreiben. Darüber h<strong>in</strong>aus besteht für<br />

den öffentlichen Auftraggeber e<strong>in</strong> Entgeltrisiko jedenfalls dadurch, dass Gebührenansprüche<br />

gegen die Anlagenbenutzer wegen deren Insolvenz une<strong>in</strong>br<strong>in</strong>glich s<strong>in</strong>d (Thür<strong>in</strong>ger OLG, B. v.<br />

11.12.2009 - Az.: 9 Verg 2/08).<br />

Es mag zwar unter normalen Wettbewerbsbed<strong>in</strong>gungen auf e<strong>in</strong>em freien Markt für das<br />

Vorliegen e<strong>in</strong>es Dienstleistungsauftrages verkehrstypisch se<strong>in</strong>, dass der Auftragnehmer -<br />

anders als e<strong>in</strong> Konzessionär - an <strong>in</strong>haltliche Vorgaben bei der Auftragsausführung seitens<br />

der auftraggebenden Vergabestelle gebunden ist. Dieses Unterscheidungs<strong>in</strong>diz taugt<br />

aber dann nicht, wenn die unternehmerische Eigenverantwortung des Konzessionärs bei<br />

materiellrechtlicher Betrachtung nicht seitens der Vergabestelle, sondern vielmehr von<br />

der Aufgabe her e<strong>in</strong>geschränkt wird. Da die Wasserversorgung bzw. -entsorgung e<strong>in</strong>e<br />

öffentliche Pflichtaufgabe darstellt, bestehen für jede hierfür verantwortliche Stelle -<br />

gleichgültig ob es sich dabei um die öffentliche Hand selbst (Vergabestelle) oder um e<strong>in</strong><br />

beauftragtes Unternehmen handelt - gesetzliche Entgelt- (vgl. ThürKAG) und<br />

Leistungsvorgaben (Thür<strong>in</strong>ger OLG, B. v. 11.12.2009 - Az.: 9 Verg 2/08).<br />

Für den Bereich der sogenannten In-House-Geschäfte vertritt der EuGH <strong>in</strong> ständiger<br />

Rechtsprechung die Auffassung, dass es für die Beurteilung, ob an e<strong>in</strong>er zu beauftragenden<br />

Gesellschaft e<strong>in</strong> Privater beteiligt ist - das stünde der In-House-Fähigkeit entgegen - auf die<br />

Verhältnisse zum Zeitpunkt der Vergabe des öffentlichen Auftrags ankommt, so dass alle<strong>in</strong><br />

die Möglichkeit der späteren Beteiligung e<strong>in</strong>es Privaten nicht zu berücksichtigen ist. Das kann<br />

ausnahmsweise anders se<strong>in</strong>, wenn kurz nach Vergabe des Auftrags Gesellschaftsanteile im<br />

Rahmen e<strong>in</strong>er künstlichen Gestaltung zur Umgehung des Geme<strong>in</strong>schaftsvergaberechts an e<strong>in</strong><br />

privates Unternehmen veräußert werden oder das nationale Recht e<strong>in</strong>e baldige Öffnung der<br />

Gesellschaft für privates Fremdkapital vorschreibt. Diese Grundsätze beanspruchen auch <strong>in</strong><br />

vergleichbaren Konstellationen, etwa wenn es um die Abgrenzung von<br />

Dienstleistungskonzession und Dienstleistungsvertrag geht, Geltung. Abzustellen ist<br />

daher auf diejenige Vertragsgestaltung, wie sie die Vergabestelle zum Gegenstand des<br />

Bieterverfahrens gemacht hat (Thür<strong>in</strong>ger OLG, B. v. 11.12.2009 - Az.: 9 Verg 2/08).<br />

Auch das OLG München hat Zweifel, ob für die Annahme e<strong>in</strong>er<br />

Dienstleistungskonzession die Übernahme e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>geschränkten Risikos ausreicht, wenn<br />

sich auch für den öffentlichen Auftraggeber bei Vornahme der Leistung ke<strong>in</strong> anderes Risiko<br />

ergibt, dieses aber vollständig von dem Auftragnehmer übernommen wird (OLG München, B.<br />

v. 02.07.2009 - Az.: Verg 5/09).<br />

Das OLG München hat deshalb ebenfalls dem Gerichtshof der Europäischen<br />

Geme<strong>in</strong>schaften zur Auslegung der Richtl<strong>in</strong>ie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und<br />

des Rates über die Koord<strong>in</strong>ierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge,<br />

Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (im folgenden Richtl<strong>in</strong>ie) gemäß Art. 234 Abs. 1<br />

EG folgende Fragen vorgelegt:<br />

1. Ist e<strong>in</strong> Vertrag über Dienstleistungen (hier: Rettungsdienstleistungen), nach dessen Inhalt<br />

e<strong>in</strong>e unmittelbare Entgeltzahlung des öffentlichen Auftraggebers an den Auftragnehmer<br />

nicht erfolgt, sondern<br />

a) im Wege von Verhandlungen zwischen dem Auftragnehmer und Dritten, die ihrerseits<br />

öffentliche Auftraggeber s<strong>in</strong>d (hier: Sozialversicherungsträger), das Benutzungsentgelt<br />

für die zu erbr<strong>in</strong>genden Leistungen festgesetzt wird,


1169<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

b) im Falle e<strong>in</strong>er Nichte<strong>in</strong>igung die Entscheidung e<strong>in</strong>er hierfür vorgesehenen<br />

Schiedsstelle vorgesehen ist, deren Entscheidung zur Überprüfung durch staatliche<br />

Gerichte gestellt wird, und<br />

c) das Entgelt nicht unmittelbar von den Nutzern, sondern von e<strong>in</strong>er Zentralen<br />

Abrechnungsstelle, deren Dienste der Auftragnehmer nach dem Gesetz <strong>in</strong> Anspruch<br />

nehmen muss, <strong>in</strong> regelmäßigen Abschlagszahlungen an den Auftragnehmer ausgezahlt<br />

wird,<br />

alle<strong>in</strong> aus diesem Grund als Dienstleistungskonzession im S<strong>in</strong>ne des Art. 1 Abs. 4 der<br />

Richtl<strong>in</strong>ie – <strong>in</strong> Abgrenzung zum Dienstleistungsauftrag im S<strong>in</strong>ne von Art. 1 Abs. 2 lit.a<br />

und d der Richtl<strong>in</strong>ie anzusehen?<br />

2. Falls die erste Vorlagefrage mit Ne<strong>in</strong> zu beantworten ist, liegt e<strong>in</strong>e<br />

Dienstleistungskonzession dann vor, wenn das mit der öffentlichen Dienstleistung<br />

verbundene Betriebsrisiko e<strong>in</strong>geschränkt ist,<br />

a) weil nach e<strong>in</strong>er gesetzlichen Regelung den Benutzungsentgelten für die<br />

Leistungserbr<strong>in</strong>gung die nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ansatzfähigen<br />

Kosten zugrunde zu legen s<strong>in</strong>d, die e<strong>in</strong>er ordnungsgemäßen Leistungserbr<strong>in</strong>gung,<br />

e<strong>in</strong>er wirtschaftlichen und sparsamen Betriebsführung sowie e<strong>in</strong>er leistungsfähigen<br />

Organisation entsprechen, und<br />

b) weil die Benutzungsentgelte von solventen Sozialversicherungsträgern geschuldet<br />

werden,<br />

c) das Entgelt nicht unmittelbar von den Nutzern, sondern von e<strong>in</strong>er Zentralen<br />

Abrechnungsstelle, deren Dienste der Auftragnehmer nach dem Gesetz <strong>in</strong> Anspruch<br />

nehmen muss, <strong>in</strong> regelmäßigen Abschlagszahlungen an den Auftragnehmer ausgezahlt<br />

wird,<br />

der Auftragnehmer aber dieses e<strong>in</strong>geschränkte Risiko vollständig übernimmt?<br />

<strong>8.</strong>4.5.3 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung<br />

• zur Annahme e<strong>in</strong>es für e<strong>in</strong>e Dienstleistungskonzession kennzeichnenden<br />

Betriebsrisikos ist es ausreichend, wenn bei der Essensversorgung von Schulen und<br />

K<strong>in</strong>dertagesstätten die Vergütung auf Grundlage e<strong>in</strong>es privatrechtlichen<br />

Vertrages von den Sorgeberechtigten direkt an den Auftragnehmer bezahlt wird<br />

und der öffentliche Betreiber der E<strong>in</strong>richtungen weder e<strong>in</strong>e<br />

M<strong>in</strong>destabnahmemenge, noch Portionszahlen garantiert (1. VK Sachsen, B. v.<br />

13.0<strong>8.</strong>2009 - Az.: 1/SVK/034-09, 1/SVK/034-09G)<br />

• ist die Auftraggeber<strong>in</strong> alle<strong>in</strong>ige Schuldner<strong>in</strong> der Vergütung, ist der<br />

Auftragnehmer des mit der Beitreibung der Vergütung gegenüber e<strong>in</strong>em<br />

e<strong>in</strong>zelnen Vertragspartner verbundenen Risikos enthoben. Muss zudem der<br />

Auftragnehmer im Vorfeld ke<strong>in</strong>e beträchtlichen Aufwendungen tätigen, weil ihm die<br />

Räumlichkeiten mit den dar<strong>in</strong> vorhandenen E<strong>in</strong>richtungen und Zubehör zur<br />

ausschließlichen Nutzung und die jeweiligen Zuwegungen zur Mitbenutzung sowie<br />

Küchengeschirr, Geschirr, Besteck, Gläser etc. und gegebenenfalls Wäsche<strong>in</strong>ventar<br />

zur Mitbenutzung für die Zwecke des Vertrages unentgeltlich zur Verfügung gestellt<br />

werden und wird die jeweilige E<strong>in</strong>richtungsleitung rechtzeitig die Anzahl der<br />

bereitzustellenden Portionsmengen bzw. Versorgungsteilnehmer und gegebenenfalls


Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Sonderkostanforderungen benennen, sodass die Anzahl der zu Versorgenden<br />

zum<strong>in</strong>dest angemessen vorhersehbar ist, handelt es sich um e<strong>in</strong>en<br />

Dienstleistungsvertrag und nicht um e<strong>in</strong>e Dienstleistungskonzession (VK<br />

Brandenburg, B. v. 12.0<strong>8.</strong>2009 - Az.: VK 28/09)<br />

• <strong>in</strong> der Nutzungsüberlassung e<strong>in</strong>er Kant<strong>in</strong>e durch den Auftraggeber liegt ke<strong>in</strong>e<br />

Zahlung e<strong>in</strong>er Vergütung oder e<strong>in</strong> vergleichbarer entgeltlicher Vorteil. Der Pächter<br />

übernimmt die Räumlichkeiten, um diese als Kant<strong>in</strong>e zu betreiben – mit den zur<br />

Nutzung überlassenen Räumlichkeiten ist die Dienstleistung zu erbr<strong>in</strong>gen. Als<br />

Vergütung wird dem Betreiber vielmehr das Recht übertragen, se<strong>in</strong>e eigene Leistung<br />

zu verwerten. Eigene E<strong>in</strong>nahmen erzielt der Betreiber aus se<strong>in</strong>en Aktivitäten zur<br />

Erfüllung se<strong>in</strong>er Pflicht über die Nutzung dieser Dienstleistungen durch Dritte,<br />

nämlich aus dem Verkauf von <strong>in</strong>sbesondere alkoholfreien Getränken, sonstigen<br />

Erfrischungen, gängigen Genussmitteln sowie kalten und warmen Speisen. Der<br />

Betreiber handelt bei der Erfüllung se<strong>in</strong>er Pflichten zum überwiegenden Teil auf<br />

eigenes wirtschaftliches Risiko. Nach dem Inhalt des Pachtvertragsentwurfes soll er<br />

aus der Übernahme der Speisenversorgung eigenverantwortlich wirtschaftlichen<br />

Nutzen ziehen dürfen (VK Brandenburg, B. v. 27.05.2009 - Az.: VK 21/09 –<br />

ausführlich begründete Entscheidung)<br />

• die Festsetzung von Märkten nach <strong>§</strong> 69 GewO ist e<strong>in</strong>e Dienstleistungskonzession.<br />

Der Veranstalter z.B. e<strong>in</strong>es Weihnachtsmarktes erbr<strong>in</strong>gt gegenüber der im S<strong>in</strong>n von <strong>§</strong><br />

69 GewO festsetzenden Kommune e<strong>in</strong>e Dienstleistung, nämlich die Ausrichtung und<br />

Organisation des Weihnachtsmarktes, an dessen Gel<strong>in</strong>gen und reibungsloser Funktion<br />

die Kommune e<strong>in</strong> hohes Interesse hat. Die Umstände, dass e<strong>in</strong>e Bezahlung des<br />

Veranstalters nicht durch e<strong>in</strong>e öffentliche Stelle erfolgt, sondern aus den Beträgen, die<br />

Dritte entrichten, und dass das Betriebsrisiko der Erbr<strong>in</strong>ger trägt, s<strong>in</strong>d typische<br />

Merkmale für e<strong>in</strong>e Dienstleistungskonzession (VG Köln, Urteil v. 16.10.2008 - Az.: 1<br />

K 4507/08)<br />

• Vergabe des Betriebs e<strong>in</strong>es geme<strong>in</strong>dlichen Kabelfernsehnetzes durch e<strong>in</strong>e<br />

Geme<strong>in</strong>de an e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terkommunale Genossenschaft (EuGH, Urteil vom 13.11.2008 -<br />

Az.: C-324/07)<br />

• Betrieb und Verkauf e<strong>in</strong>er Rennstrecke und Teststrecke - <strong>in</strong>struktive Darstellung<br />

(VK Brandenburg, B. v. 2<strong>8.</strong>03.2008 - Az.: VK 6/089)<br />

• Betreibervertrag für die E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>er Alarmübertragungsanlage für<br />

Brandmeldungen im Bereich e<strong>in</strong>er Integrierten Leitstelle – <strong>in</strong>struktive Darstellung<br />

(VK Südbayern, B. v. 24.09.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-29-06/07)<br />

• Recht zur Vermittlung von Abschleppdienstleistungen (VK Südbayern, B. v.<br />

1<strong>8.</strong>06.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-22-05/07)<br />

• Bewirtschaftung e<strong>in</strong>er städtischen Leichenhalle (VG Münster, B. v. 09.03.2007 -<br />

Az.: 1 L 64/07)<br />

• Durchführung von Sozialpädagogischer Familienhilfe (OLG Düsseldorf, B. v.<br />

22.09.2005 - Az.: Verg 44/04)<br />

• Vergabe von Breitbandkabelliefer- und Dienstleistungen für die Versorgung von<br />

Wohnungen (VK Hessen, B. v. 07.10.2005 - Az.: 69 d VK - 39/2005, 69 d VK -<br />

54/2005, 69 d VK - 55/2005, 69 d VK - 56/2005, 69 d VK - 57/2005)<br />

• Recht zur Errichtung und zum Betrieb e<strong>in</strong>er Feuerbestattungsanlage (OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 10.05.2006 - Az.: VII - Verg 12/06)<br />

• Betreiben von Verkaufsstellen zum Prägen und zum Vertrieb von Kfz-<br />

Kennzeichen (VK Nordbayern, B. v. 02.0<strong>8.</strong>2006 - Az.: 21.VK - 3194 - 22/06)<br />

• Vergabe des Betriebs e<strong>in</strong>es gebührenpflichtigen öffentlichen Parkplatzes durch<br />

e<strong>in</strong>e öffentliche Stelle an e<strong>in</strong>en Dienstleistungserbr<strong>in</strong>ger, der als Entgelt für diese


Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Tätigkeit von Dritten für die Benutzung des betreffenden Parkplatzes entrichtete<br />

Beträge erhält (EuGH, Urteil vom 13.10.2005 - Az.: C-458/03)<br />

• Übertragung der Durchführung des Rettungsdienstes <strong>in</strong> Brandenburg (VK<br />

Brandenburg, B. v. 24.09.2004 - Az.: VK 47/04)<br />

• sieht der Vertragsentwurf sieht vor, dass der Auftraggeber dem Auftragnehmer (=<br />

Verkehrsunternehmen) jährlich e<strong>in</strong>en aus verschiedenen Berechnungselementen<br />

zusammengesetzten "Zuschuss" zahlt, von dem die vom Verkehrsunternehmen<br />

erwirtschafteten E<strong>in</strong>nahmen abgezogen werden, wird damit dem Umstand Rechnung<br />

getragen, dass die Durchführung von SPNV-Leistungen nach wirtschaftlicher<br />

Erfahrung <strong>in</strong> der Regel e<strong>in</strong> "Zuschussgeschäft" ist. In der Sache werden die<br />

erbrachten Verkehrsdienstleistungen dem beauftragten Verkehrsunternehmen durch<br />

die Zuschüsse im Rechtss<strong>in</strong>n vergütet. Wenn das Verkehrsunternehmen aus dem<br />

Streckenbetrieb ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>nahmen erzielt, kommt nach der geplanten vertraglichen<br />

Regelung nämlich der öffentliche Auftraggeber für die Gesamtkosten auf.<br />

Infolgedessen verbleibt auch das mit den ausgeschriebenen Verkehrsdienstleistungen<br />

verbundene wirtschaftliche Risiko überwiegend, wenn nicht sogar ganz, beim<br />

Auftraggeber. Damit fehlt es für die Annahme e<strong>in</strong>er Dienstleistungskonzession am<br />

Merkmal e<strong>in</strong>es Risikoübergangs (OLG Düsseldorf, B. v. 06.12.2004 - Az.: VII - Verg<br />

79/04);<br />

• Komplett-Wäscheversorgung für Kl<strong>in</strong>iken (VK Brandenburg, B. v. 26.01.2004 -<br />

Az.: VK 1/04; anderer Auffassung – Dienstleistungsauftrag - 1. VK Sachsen, B. v.<br />

11.0<strong>8.</strong>2006 - Az.: 1/SVK/073-06)<br />

• öffentlich-rechtliche Übertragung der Durchführung des Wochenmarktes auf<br />

e<strong>in</strong>en privaten Veranstalter unter gleichzeitigem Abschluss e<strong>in</strong>es privatrechtlichen<br />

Vertrages über die Nutzung des Marktplatzes der Stadt als Veranstaltungsort, ggfs.<br />

flankiert von der Gestattung e<strong>in</strong>er weiteren straßen- bzw. straßenverkehrsrechtlichen<br />

Sondernutzung (OLG Naumburg, B. v. 4.12.2001 - Az.: 1 Verg 10/01)<br />

• Betrieb e<strong>in</strong>er Spielbank (VK Baden-Württemberg, B. v. 6.5.2002 - Az.: 1 VK 18/02;<br />

OLG Stuttgart, B. v. 4.11.2002 - Az.: 2 Verg 4/02)<br />

• Verpachtung des Rechts zur Aufstellung von Großflächenwerbeanlagen (VK<br />

Südbayern, B. v. 2<strong>8.</strong>12.2001 - Az.: 47-11/01)<br />

• Errichtung von Fahrgastunterständen und werbliche Nutzung dieser Unterstände<br />

(VK Lüneburg, B. v. 12.3.2003 - Az.: 203-VgK-04/2003)<br />

• Betrieb e<strong>in</strong>er Fahrradstation mit Servicedienstleistungen (VK Hamburg, B. v.<br />

2.4.2003 - Az.: VgK FB 2/03)<br />

• Dienstleistungskonzessionsvertrag für Bau, Instandsetzung, Instandhaltung, Wartung,<br />

Re<strong>in</strong>igung und Betrieb öffentlicher WC-Anlagen (VK Hessen, B. v. 2<strong>8.</strong>5.2003 - Az.:<br />

69 d VK - 17/2003)<br />

• bei den <strong>Aufträge</strong>n für die Essenversorgung an K<strong>in</strong>dertagesstätten und Schulen<br />

handelt es sich um öffentliche Dienstleistungskonzessionen, nämlich um Verträge, bei<br />

denen die übertragene Dienstleistung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em öffentlichen Interesse liegt, der Staat<br />

sich also bei Übertragung dieser Pflichten auf den Dritten von e<strong>in</strong>er Aufgabe entlastet,<br />

die Gegenleistung für die Erbr<strong>in</strong>gung des Auftrags nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em vorher festgelegten<br />

Preis, sondern <strong>in</strong> dem Recht besteht, die zu erbr<strong>in</strong>gende Leistung zu nutzen oder<br />

entgeltlich zu verwerten, der Kommissionär ganz oder zum überwiegenden Teil das<br />

wirtschaftliche Nutzungsrisiko trägt (VK Brandenburg, B. v. 12.<strong>8.</strong>2003 - Az.: VK<br />

48/03)<br />

• die vier Merkmale e<strong>in</strong>er Dienstleistungskonzession liegen bei der Sammlung,<br />

Sortierung und Vermarktung von Altpapier aus den privaten Haushalten nicht<br />

vor (OLG Celle, B. v. 5.2.2004 - Az.: 13 Verg 26/03; VK Lüneburg, B. v. 12.11.2003<br />

- Az.: 203-VgK-27/2003; VK Düsseldorf, B. v. 22.10.2003 - Az.: VK - 29/2003 - L)


1170<br />

1171<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

• veräußert e<strong>in</strong> öffentlicher Entsorgungsträger das <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Gebiet anfallende<br />

Altpapier aus privaten Haushalten – das von ihm selbst gesammelt wird - <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

den Anforderungen der europäischen Altpapierliste (CEPI/B.I.R.) genügenden<br />

Qualitätsstufe – z.B. die Sorte 5.01 - an e<strong>in</strong> geeignetes Recycl<strong>in</strong>gunternehmen unter<br />

der Bed<strong>in</strong>gung, das dieses selbst das Papiergemisch e<strong>in</strong>er weiteren stofflichen<br />

Verwertung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Papierfabrik zuführt, liegt allenfalls e<strong>in</strong>e<br />

Dienstleistungskonzession vor (VK Lüneburg, B. v. 1<strong>8.</strong>03.2004 - Az.: 203-VgK-<br />

06/2004)<br />

• das Sammeln und Verwerten gebrauchter Textilien und Schuhe (VK Arnsberg, B.<br />

v. 27.10.2003 - Az.: VK 2-22/2003)<br />

• um e<strong>in</strong>en Dienstleistungsauftrag nach <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 4 <strong>GWB</strong> und nicht um e<strong>in</strong>e<br />

vergabefreie Dienstleistungskonzession handelt es sich bei der Vergabe e<strong>in</strong>es<br />

Abwasserentsorgungsvertrages über 25 Jahre, wenn das teilweise (49%) dabei<br />

mit zu privatisierende Tochterunternehmen der abwasserentsorgungspflichtigen<br />

Gebietskörperschaft das Nutzungsentgelt ausdrücklich für die<br />

Gebietskörperschaft e<strong>in</strong>zieht und von dieser e<strong>in</strong> eigenes Entgelt nach dem<br />

Abwasserentsorgungsvertrag erhält (1. VK Sachsen, B. v. 29.2.2004 - Az.:<br />

1/SVK/157-03)<br />

<strong>8.</strong>4.5.4 Ke<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>beziehung der Dienstleistungskonzession <strong>in</strong> das<br />

<strong>Vergaberecht</strong><br />

Der Anwendungsbereich der <strong>§</strong><strong>§</strong> 97 ff. <strong>GWB</strong> geht nicht über denjenigen der e<strong>in</strong>schlägigen<br />

EG-Richtl<strong>in</strong>ien h<strong>in</strong>aus. Sowohl die Sektorenrichtl<strong>in</strong>ie 98/4/EG als auch die<br />

Dienstleistungskoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie 92/50/EWG klammern nach ihrer<br />

Entstehungsgeschichte Dienstleistungskonzessionen von ihrem Anwendungsbereich aus<br />

(EuGH, Urteil vom 13.10.2005 - Az.: C-458/03). Das folgt ferner auch aus e<strong>in</strong>em Vergleich<br />

zu den Regelungen zur Baukoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie 93/37/EG, die Baukonzessionen<br />

ausdrücklich regelt (Art. 1 Buchstabe d), Art. 3). Das deutsche Recht folgt dem, soweit <strong>§</strong> 98<br />

Abs. 6 <strong>GWB</strong> Baukonzessionäre ausdrücklich zu öffentlichen Auftragnehmern erklärt und <strong>§</strong><br />

<strong>99</strong> <strong>GWB</strong> richtl<strong>in</strong>ienkonform allgeme<strong>in</strong> dah<strong>in</strong>gehend ausgelegt wird, dass auch<br />

Baukonzessionen vom Begriff des Bauauftrags mit umfasst s<strong>in</strong>d. Andererseits fehlt für den<br />

Bereich von Liefer- und Dienstleistungen jeglicher Anhaltspunkt für e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>beziehung<br />

von Konzessionsverträgen <strong>in</strong> den Regelungsbereich der <strong>§</strong> 97 ff. <strong>GWB</strong> (EuGH, Urteil v.<br />

13.11.2008 - Az.: C-324/07; Urteil v. 06.04.2006 - Az.: C-410/04; Urteil v. 21.07.2005 - Az.:<br />

C-231/03; OLG München, B. v. 02.07.2009 - Az.: Verg 5/09; B. v. 21.05.2008 - Az.: Verg<br />

05/08; Thür<strong>in</strong>ger OLG, B. v. 11.12.2009 - Az.: 9 Verg 2/08; B. v. 0<strong>8.</strong>05.2008 - Az.: 9 Verg<br />

2/08; OLG Düsseldorf, B. v. 10.05.2006 - Az.: VII - Verg 12/06; B. v. 22.09.2005 - Az.: Verg<br />

44/04; B. v. 0<strong>8.</strong>09.2005 - Az.: Verg 35/04; BayObLG, B. v. 11.12.2001 - Az.: Verg 15/01;<br />

OLG Stuttgart, B. v. 4.11.2002 - Az.: 2 Verg 4/02; VK Nordbayern, B. v. 02.0<strong>8.</strong>2006 - Az.:<br />

21.VK - 3194 - 22/06; VK Hessen, B. v. 07.10.2005 - Az.: 69 d VK - 39/2005, 69 d VK -<br />

54/2005, 69 d VK - 55/2005, 69 d VK - 56/2005, 69 d VK - 57/2005; VK Brandenburg, B. v.<br />

27.05.2009 - Az.: VK 21/09; B. v. 2<strong>8.</strong>03.2008 - Az.: VK 6/08; B. v. 24.09.2004 - Az.: VK<br />

47/04; B. v. 26.01.2004 - Az.: VK 1/04).<br />

Nach Art. 17 der neuen EU-Vergabekoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie (Richtl<strong>in</strong>ie 2004/18/EG) gilt die<br />

Richtl<strong>in</strong>ie nicht für Dienstleistungskonzessionen gemäß Artikel 1 Absatz 4 (EuGH, Urteil<br />

v. 15.10.2009 - Az.: C-196/08; Urteil v. 10.09.2009 - Az.: C-206/08; Urteil vom 1<strong>8.</strong>07.2007 -<br />

Az.: C-382/05; Urteil v. 06.04.2006 - Az.: C-410/04; OLG Düsseldorf, B. v. 10.05.2006 -


1171/1<br />

1172<br />

1173<br />

1173/1<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Az.: VII - Verg 12/06; OLG München, B. v. 02.07.2009 - Az.: Verg 5/09; B. v. 21.05.2008 -<br />

Az.: Verg 05/08; Thür<strong>in</strong>ger OLG, B. v. 11.12.2009 - Az.: 9 Verg 2/08; B. v. 0<strong>8.</strong>05.2008 - Az.:<br />

9 Verg 2/08; VK Brandenburg, B. v. 2<strong>8.</strong>03.2008 - Az.: VK 6/08; 2. VK Bund, B. v.<br />

24.07.2007 - Az.: VK 2 - 69/07; VK Niedersachsen, B. v. vom 16.10.2008 - Az.: VgK-<br />

30/2008; 1. VK Sachsen, B. v. 13.0<strong>8.</strong>2009 - Az.: 1/SVK/034-09, 1/SVK/034-09G; B. v.<br />

26.03.2008 - Az.: 1/SVK/005-08; VK Südbayern, B. v. 03.04.2009 - Az.: Z3-3-3194-1-49-<br />

12/08; B. v. 1<strong>8.</strong>06.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-22-05/07).<br />

Ebenso schließt Art. 18 der Richtl<strong>in</strong>ie 2004/17 deren Geltung für<br />

Dienstleistungskonzessionen aus, die von Auftraggebern, die e<strong>in</strong>e oder mehrere Tätigkeiten<br />

gemäß den Art. 3 bis 7 dieser Richtl<strong>in</strong>ie ausüben, zum Zweck der Durchführung dieser<br />

Tätigkeiten vergeben werden (EuGH, Urteil v. 15.10.2009 - Az.: C-196/08).<br />

<strong>8.</strong>4.5.5 Nachprüfbarkeit von Dienstleistungskonzessionen<br />

Der EuGH verlangt auch für den Abschluss von Dienstleistungskonzessionsverträgen, dass<br />

die Grundregeln des EG-Vertrags im allgeme<strong>in</strong>en und das Verbot der Diskrim<strong>in</strong>ierung aus<br />

Gründen der Staatsangehörigkeit im besonderen zu beachten s<strong>in</strong>d und dass die Nachprüfung<br />

ermöglicht wird, ob die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt wurden (EuGH, Urteil v.<br />

15.10.2009 - Az.: C-196/08; Urteil v. 10.09.2009 - Az.: C-206/08; Urteil v. 10.09.2009 - Az.:<br />

C-573/07; Urteil v. 13.11.2008 - Az.: C-324/07; Urteil v. 06.04.2006 - Az.: C-410/04; Urteil<br />

vom 13.10.2005 - Az.: C-458/03; Urteil v. 21.07.2005 - Az.: C-231/03; OLG Düsseldorf, B.<br />

v. 10.05.2006 - Az.: VII - Verg 12/06; OLG München, B. v. 02.07.2009 - Az.: Verg 5/09; VG<br />

Köln, Urteil v. 16.10.2008 - Az.: 1 K 4507/08; VG Münster, B. v. 09.03.2007 - Az.: 1 L<br />

64/07; VK Brandenburg, B. v. 27.05.2009 - Az.: VK 21/09; B. v. 2<strong>8.</strong>03.2008 - Az.: VK 6/08;<br />

VK Nordbayern, B. v. 02.0<strong>8.</strong>2006 - Az.: 21.VK - 3194 - 22/06; 1. VK Sachsen, B. v.<br />

13.0<strong>8.</strong>2009 - Az.: 1/SVK/034-09, 1/SVK/034-09G; VK Südbayern, B. v. 03.04.2009 - Az.:<br />

Z3-3-3194-1-49-12/08; B. v. 1<strong>8.</strong>06.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-22-05/07).<br />

Der Grundsatz der Gleichbehandlung und das Verbot der Diskrim<strong>in</strong>ierung aus Gründen<br />

der Staatsangehörigkeit schließen <strong>in</strong>sbesondere e<strong>in</strong>e Verpflichtung zur Transparenz e<strong>in</strong>,<br />

damit die konzessionserteilende öffentliche Stelle feststellen kann, ob sie beachtet worden<br />

s<strong>in</strong>d. Diese der genannten Stelle obliegende Transparenzpflicht besteht dar<strong>in</strong>, dass zugunsten<br />

der potenziellen Bieter e<strong>in</strong> angemessener Grad von Öffentlichkeit sicherzustellen ist, der die<br />

Dienstleistungskonzession dem Wettbewerb öffnet und die Nachprüfung ermöglicht, ob die<br />

Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt worden s<strong>in</strong>d. Grundsätzlich entspricht das<br />

völlige Fehlen e<strong>in</strong>er Ausschreibung im Fall der Vergabe e<strong>in</strong>er öffentlichen<br />

Dienstleistungskonzession weder den Anforderungen der Artikel 43 EG und 49 EG noch<br />

den Grundsätzen der Gleichbehandlung, der Nichtdiskrim<strong>in</strong>ierung und der<br />

Transparenz. Aus Artikel 86 Absatz 1 EG folgt außerdem, dass die Mitgliedstaaten ke<strong>in</strong>e<br />

nationalen Rechtsvorschriften fortgelten lassen dürfen, die die Vergabe öffentlicher<br />

Dienstleistungskonzessionen ohne Ausschreibung ermöglichen, da e<strong>in</strong>e solche Vergabe gegen<br />

die Artikel 43 EG oder 49 EG oder gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung, der<br />

Nichtdiskrim<strong>in</strong>ierung und der Transparenz verstößt (EuGH, Urteil v. 15.10.2009 - Az.: C-<br />

196/08; Urteil v. 06.04.2006 - Az.: C-410/04; Urteil v. 21.07.2005 - Az.: C-231/03; OLG<br />

München, B. v. 02.07.2009 - Az.: Verg 5/09; VG Köln, Urteil v. 16.10.2008 - Az.: 1 K<br />

4507/08; VG Münster, B. v. 09.03.2007 - Az.: 1 L 64/07).<br />

Der Anwendung dieser geme<strong>in</strong>schaftsrechtlichen Grundsätze steht nicht entgegen, dass z.B.<br />

alle Beteiligten ihren Sitz bzw. Wohnsitz <strong>in</strong> der Bundesrepublik <strong>Deutschland</strong> haben, es sich


1173/2<br />

1174<br />

1175<br />

1175/1<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

also um e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong> nationale Streitsituation handelt. Alle<strong>in</strong> hierdurch ist der für die<br />

Anwendbarkeit des Geme<strong>in</strong>schaftsrechts erforderliche grenzüberschreitende Bezug nicht<br />

ausgeschlossen. Vielmehr weist e<strong>in</strong> Streit um die Vergabe e<strong>in</strong>er Dienstleistungskonzession<br />

schon dann e<strong>in</strong>en grenzüberschreitenden Bezug auf, wenn es sich nicht ausschließen<br />

lässt, dass auch <strong>in</strong> anderen Mitgliedstaaten ansässige Unternehmen an der Erbr<strong>in</strong>gung<br />

der betreffenden Dienstleistung <strong>in</strong>teressiert s<strong>in</strong>d. Dabei ist diese B<strong>in</strong>nenmarktrelevanz im<br />

H<strong>in</strong>blick auf Dienstleistungskonzessionen zwar zu verne<strong>in</strong>en, wenn wegen besonderer<br />

Umstände wie beispielsweise e<strong>in</strong>er sehr ger<strong>in</strong>gen wirtschaftlichen Bedeutung<br />

vernünftigerweise angenommen werden kann, dass e<strong>in</strong> Unternehmen, das <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em anderen<br />

Mitgliedsstaat niedergelassen ist, ke<strong>in</strong> Interesse an der <strong>in</strong> Rede stehenden Konzession hat<br />

und die Auswirkungen auf die betreffenden Grundfreiheiten daher zu zufällig und zu<br />

mittelbar s<strong>in</strong>d, als dass auf e<strong>in</strong>e Verletzung dieser Freiheiten geschlossen werden könnte (VG<br />

Münster, B. v. 09.03.2007 - Az.: 1 L 64/07).<br />

Die Art. 12 EG, 43 EG und 49 EG sowie die allgeme<strong>in</strong>en Grundsätze, deren spezielle<br />

Ausprägung sie darstellen, kommen jedoch dann nicht zur Anwendung, wenn die<br />

konzessionserteilende öffentliche Stelle über die konzessionsnehmende E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>e<br />

Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen und zugleich diese E<strong>in</strong>richtung ihre<br />

Tätigkeit im Wesentlichen für die Stelle oder die Stellen verrichtet, die ihre Anteile<br />

<strong>in</strong>nehat bzw. <strong>in</strong>nehaben. Der EuGH überträgt damit se<strong>in</strong>e Rechtsprechung zur <strong>in</strong>house-<br />

Vergabe auch auf die Erteilung e<strong>in</strong>er Dienstleistungskonzession (EuGH, Urteil v.<br />

15.10.2009 - Az.: C-196/08; Urteil v. 13.11.2008 - Az.: C-324/07).<br />

Für die Überprüfung der E<strong>in</strong>haltung solcher geme<strong>in</strong>schaftsrechtlicher Vorgaben außerhalb des<br />

Anwendungsbereichs der Vergaberichtl<strong>in</strong>ien ist jedoch im <strong>in</strong>nerstaatlichen Recht mangels<br />

Anwendbarkeit der <strong>§</strong><strong>§</strong> 97 ff. <strong>GWB</strong> der spezielle Rechtsschutzweg zu den<br />

Vergabenachprüfungs<strong>in</strong>stanzen nicht eröffnet (Thür<strong>in</strong>ger OLG, B. v. 11.12.2009 - Az.: 9<br />

Verg 2/08; B. v. 0<strong>8.</strong>05.2008 - Az.: 9 Verg 2/08; OLG Düsseldorf, B. v. 10.05.2006 - Az.: VII<br />

- Verg 12/06; BayObLG, B. v. 9.7.2003 - Az.: Verg 7/03; VG Köln, Urteil v. 16.10.2008 -<br />

Az.: 1 K 4507/08; VG Münster, B. v. 09.03.2007 - Az.: 1 L 64/07; VK Brandenburg, B. v.<br />

27.05.2009 - Az.: VK 21/09; B. v. 2<strong>8.</strong>03.2008 - Az.: VK 6/08; VK Nordbayern, B. v.<br />

02.0<strong>8.</strong>2006 - Az.: 21.VK - 3194 - 22/06; 1. VK Sachsen, B. v. 13.0<strong>8.</strong>2009 - Az.: 1/SVK/034-<br />

09, 1/SVK/034-09G; VK Südbayern, B. v. 1<strong>8.</strong>06.2007 - Az.: Z3-3-3194-1-22-05/07). Soweit<br />

das deutsche Recht ke<strong>in</strong>en Primärrechtsschutz bietet, genügt der bestehende<br />

Sekundärrechtsschutz den Anforderungen (OLG Düsseldorf, B. v. 10.05.2006 - Az.: VII -<br />

Verg 12/06). E<strong>in</strong>e - analoge - Informationspflicht nach <strong>§</strong> 13 VgV besteht nicht (BayObLG, B.<br />

v. 11.12.2001 - Az.: Verg 15/01).<br />

Ob für den Sekundärrechtsschutz (oder auch e<strong>in</strong>en Primärrechtschutz) der Rechtsweg zu den<br />

Zivilgerichten (so OLG Brandenburg, B. v. 13.07.2001 – Az.: Verg 3/01; BayObLG, B. v.<br />

11.12.2001, - Az.: Verg 15/01) oder den Verwaltungsgerichten (OVG Nordrhe<strong>in</strong>-<br />

Westfalen, B. v. 04.05.2006 - Az.: 15 E 453/06; VG Köln, Urteil v. 16.10.2008 - Az.: 1 K<br />

4507/08; VG Münster, B. v. 09.03.2007 - Az.: 1 L 64/07; BayObLG, B. v. 09.07.2003, Az.:<br />

Verg 7/03; im Ergebnis auch Burgi, Die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen:<br />

Verfahren, Vergabekriterien, Rechtsschutz; <strong>in</strong> Tagungsband 6 der Düsseldorfer<br />

<strong>Vergaberecht</strong>stage vom 23. Juni 2005, MWME NW) eröffnet ist, hat das OLG Düsseldorf<br />

offen gelassen (OLG Düsseldorf, B. v. 10.05.2006 - Az.: VII - Verg 12/06).<br />

Nach Auffassung des VG Münster ist das subjektive Recht e<strong>in</strong>es Bieters auf E<strong>in</strong>haltung<br />

des bei der Vergabe zu beachtenden Transparenzgebots durch den Erlass e<strong>in</strong>er<br />

e<strong>in</strong>stweiligen Anordnung nach <strong>§</strong> 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu sichern. Nach der


1175/2<br />

1176<br />

1177<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Geme<strong>in</strong>schaften muss der e<strong>in</strong>zelne Bieter<br />

e<strong>in</strong>en effektiven gerichtlichen Schutz der Rechte <strong>in</strong> Anspruch nehmen können, die sich aus<br />

der Geme<strong>in</strong>schaftsrechtsordnung herleiten. Um dies zu gewährleisten, s<strong>in</strong>d die nationalen<br />

Verfahrensvorschriften über die E<strong>in</strong>legung von Rechtsbehelfen möglichst so auszulegen und<br />

anzuwenden, dass natürliche und juristische Personen die Rechtmäßigkeit jeder nationalen<br />

Entscheidung oder anderen Maßnahme, mit der e<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>schaftshandlung allgeme<strong>in</strong>er<br />

Geltung auf sie angewandt wird, gerichtlich anfechten können und sich dabei auf die<br />

Ungültigkeit dieser Handlung berufen können. Aus diesem Gebot e<strong>in</strong>es effektiven<br />

Rechtsschutzes folgt, dass zu Gunsten e<strong>in</strong>es an der Erteilung e<strong>in</strong>er<br />

Dienstleistungskonzession Interessierten e<strong>in</strong> im Wege des Primärrechtsschutzes<br />

durchsetzbarer Anspruch auf e<strong>in</strong>e vorläufige Sicherung se<strong>in</strong>er Rechte anzuerkennen ist.<br />

Der potenzielle Bieter muss im H<strong>in</strong>blick auf das Transparenzgebot durchsetzen können, dass<br />

se<strong>in</strong> subjektives Recht, vor der Vergabe e<strong>in</strong>er Dienstleistungskonzession Zugang zu<br />

angemessenen Informationen über die Konzession zu erhalten, um gegebenenfalls se<strong>in</strong><br />

Interesse an der Erteilung der Konzession bekunden zu können, Beachtung f<strong>in</strong>det, <strong>in</strong>dem e<strong>in</strong><br />

den hierfür geltenden geme<strong>in</strong>schaftsrechtlichen Grundsätzen entsprechendes<br />

Vergabeverfahrens durchgeführt wird. E<strong>in</strong> solches Verfahren ist die Voraussetzung dafür,<br />

dass die sich dabei ergebenden subjektiven Rechte effektiv wahrgenommen werden können.<br />

Daher führt erst der Anspruch auf E<strong>in</strong>leitung e<strong>in</strong>es geregelten Vergabeverfahrens zu<br />

dem umfassenden Rechtsschutz, der nach den genannten europarechtlichen Vorgaben<br />

notwendig ist (VG Münster, B. v. 09.03.2007 - Az.: 1 L 64/07).<br />

Ob bei der Vergabe von Rettungsdienstleistungen <strong>in</strong> Bayern e<strong>in</strong>e Sonderzuweisung<br />

gemäß <strong>§</strong> 104 und <strong>§</strong> 116 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen - <strong>GWB</strong> - vorliegt,<br />

ist derzeit nicht geklärt. Da somit e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige Zuweisung zu den ordentlichen<br />

Gerichten nicht bejaht werden kann, bleibt es bei der grundsätzlichen Eröffnung des<br />

Verwaltungsrechtswegs (VG Regensburg, B. v. 30.09.2009 - Az.: Az. RN 4 E 09.1503).<br />

<strong>8.</strong>4.5.6 Mitteilung der Kommission zu Auslegungsfragen im Bereich<br />

Konzessionen im Geme<strong>in</strong>schaftsrecht<br />

Die Kommission der Europäischen Geme<strong>in</strong>schaften hat e<strong>in</strong>e umfangreiche Mitteilung zu<br />

Auslegungsfragen im Bereich Konzessionen im Geme<strong>in</strong>schaftsrecht veröffentlicht<br />

(12.4.2000).<br />

<strong>8.</strong>4.5.7 Literatur<br />

• Burgi, Mart<strong>in</strong>, Die Dienstleistungskonzession ersten Grades, Baden-Baden, 2004<br />

• Burgi, Mart<strong>in</strong>, Die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen: Verfahren,<br />

Vergabekriterien, Rechtsschutz, NZBau 2005, 610<br />

• Götte, Bertolt / Heilshorn, Torsten, Die Vergabe kommunaler Konzessionen – Am<br />

Beispiel geme<strong>in</strong>dlicher Werbenutzungsverträge, BWGZ 2005, 857<br />

• Hattig, Oliver / Ruhland, Bett<strong>in</strong>a, Die Rechtsfigur der Dienstleistungskonzession,<br />

NZBau 2005, 626<br />

• Hausmann, Friedrich, Ausschreibung von Dienstleistungskonzessionen – Chancen und<br />

Risiken -, VergabeR 2007, 325


1178<br />

1179<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

• Jennert, Carsten, Das Urteil „Park<strong>in</strong>g Brixen“: Übernahme des Betriebsrisikos als<br />

rechtssicheres Abgrenzungsmerkmal für die Dienstleistungskonzession?, NZBau<br />

2005, 623<br />

• Jennert, Carsten, Der Begriff der Dienstleistungskonzession im Geme<strong>in</strong>schaftsrecht –<br />

Zugleich e<strong>in</strong> Beitrag zum Entgeltlichkeitsbegriff des Dienstleistungsauftrags, NZBau<br />

2005, 131<br />

• Jennert, Carsten, S<strong>in</strong>d Konzessionsverträge <strong>in</strong> der Wasserversorgung auch<br />

Dienstleistungskonzessionen im S<strong>in</strong>ne des europäischen <strong>Vergaberecht</strong>s?, N&R 2004,<br />

108<br />

• Knopp, Lothar, Papierverwertung via „Dienstleistungskonzession“, DÖV 2004, 604<br />

• Pape, Dieter / Holz, Henn<strong>in</strong>g, Anschlusszwang und Risiko - Das Wagnis<br />

Dienstleistungskonzession, Behörden Spiegel Juli 2008, 22<br />

• Ruhland, Bett<strong>in</strong>a, Die Dienstleistungskonzession – Begriff, Standort und<br />

Rechtsrahmen der Vergabe, Nomos Verlagsgesellschaft, 2006<br />

• Sitsen, Michael, Die Dienstleistungskonzession - e<strong>in</strong> Auslaufmodell?,<br />

InfrastrukturRecht 2009, 223<br />

<strong>8.</strong>4.6 Dauer von Dienstleistungsverträgen<br />

Nach der Rechtsprechung des EuGH stellt e<strong>in</strong> Dienstleistungsvertrag mit e<strong>in</strong>er Dauer von<br />

20 Jahren sowie e<strong>in</strong>er Verlängerungsmöglichkeit um zehn Jahre e<strong>in</strong>e Beschränkung des<br />

freien Dienstleistungsverkehrs dar. Was die Beurteilung der Zulässigkeit dieser<br />

Beschränkung angeht, so ist daran zu er<strong>in</strong>nern, dass der freie Dienstleistungsverkehr als<br />

tragender Grundsatz des Vertrages nur durch Regelungen beschränkt werden kann, die<br />

durch zw<strong>in</strong>gende Gründe des Allgeme<strong>in</strong><strong>in</strong>teresses gerechtfertigt s<strong>in</strong>d und für alle im<br />

Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats tätigen Personen oder Unternehmen gelten.<br />

Ferner ist die fragliche nationale Regelung nur dann gerechtfertigt, wenn sie geeignet ist, die<br />

Verwirklichung des mit ihr verfolgten Zieles zu gewährleisten, und nicht über das h<strong>in</strong>ausgeht,<br />

was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist (EuGH, Urteil v. 09.03.2006 - Az.: C-<br />

323/03).<br />

<strong>8.</strong>4.7 Literatur<br />

• Brünner, Frank, Ausschreibungspflicht für soziale Dienstleistungen? – Die<br />

Anwendbarkeit des <strong>Vergaberecht</strong>s auf Verträge über die Erbr<strong>in</strong>gung von<br />

Sozialleistungen aus nationaler und europäischer Sicht, ArchsozArb 2005, 70<br />

• Broß, Siegfried, Das europäische <strong>Vergaberecht</strong> <strong>in</strong> der Dase<strong>in</strong>svorsorge – Bilanz und<br />

Ausblick, NZBau 2004, 465<br />

• Grün, Anselm / Ostendorf, Patrick, Ausschreibung von Zustellungsaufträgen und<br />

postrechtliche Entgeltregulierung, N & R 2005, 144<br />

• Kalbe, Peter, Der Europäische Gerichtshof zieht die Grenzen e<strong>in</strong>er freihändigen<br />

Vergabe von Dienstleistungsaufträgen enger, EWS 2005, 116<br />

• Koenig, Christian / Hentschel, Krist<strong>in</strong>, Die Auswahl des Insolvenzverwalters –<br />

nationale und EG-vergaberechtliche Vorgaben, ZIP 2005, 1937<br />

• Neumann, Volker / Nielandt, Dörte / Philipp, Albrecht, Erbr<strong>in</strong>gung von<br />

Sozialleistungen nach <strong>Vergaberecht</strong>?, Baden-Baden, 2004


1180<br />

1181<br />

1182<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

• Radke, Holger /Hilgert, Bocholt / Mardorf, Dom<strong>in</strong>ik, Die Beschaffung von<br />

juristischen Datenbanken als Vergabeproblem, NVwZ 2008, 1070<br />

• Willenbruch, Klaus / Bischoff, Krist<strong>in</strong>a, Private Landeskrankenhäuser? - Vergabe-<br />

und verfassungsrechtliche Fragestellungen, Behörden Spiegel März 2006, 20<br />

<strong>8.</strong>5 Auslobungsverfahren (<strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 5)<br />

<strong>8.</strong>5.1 Allgeme<strong>in</strong>es<br />

Auslobungsverfahren sollen dem Auftraggeber auf Grund vergleichender Beurteilung durch<br />

e<strong>in</strong> Preisgericht mit oder ohne Verteilung von Preisen zu e<strong>in</strong>em Plan verhelfen. Die praktisch<br />

wichtigsten Beispiele s<strong>in</strong>d Planungswettbewerbe auf dem Gebiet der Raumplanung, des<br />

Städtebaus und des Bauwesens (vgl. <strong>in</strong>soweit die Kommentierung zu <strong>§</strong> 25 VOF) sowie<br />

Auslobungen im IT-Bereich.<br />

<strong>8.</strong>5.2 Kooperative Workshopverfahren<br />

Beabsichtigt e<strong>in</strong> öffentlicher Auftraggeber, sich aufgrund vergleichender Beurteilung durch<br />

e<strong>in</strong> Preisgericht zu e<strong>in</strong>em Plan verhelfen zu lassen, trifft dies auch auf e<strong>in</strong> "Kooperatives<br />

Workshopverfahren", das nach den Maßstäben des <strong>§</strong> 20 VOF durchgeführt wird,<br />

ebenfalls zu. Die für das Kooperative Workshopverfahren <strong>in</strong>stallierte<br />

"Empfehlungskommission" ist e<strong>in</strong> Preisgericht im S<strong>in</strong>ne <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 1, 5 <strong>GWB</strong>. Die<br />

Benennung kann hierfür nicht entscheidend se<strong>in</strong>, sondern die Funktion, für den Auftraggeber<br />

e<strong>in</strong>e vergleichende Beurteilung vorzunehmen. E<strong>in</strong>e solche Funktion soll die<br />

Empfehlungskommission wahrnehmen. Das Kooperative Workshopverfahren se<strong>in</strong>erseits<br />

soll sich nach dem ebenfalls den Teilnehmern mitgeteilten Willen nicht im Ankauf der Rechte<br />

an der <strong>in</strong> diesem Verfahren selbst bereits erbrachten Planungsleistung erschöpfen, sondern<br />

zielt darauf ab, e<strong>in</strong>e weitere Beauftragung e<strong>in</strong>es oder mehrerer Teilnehmer<br />

vorzubereiten. Es ist überdies auch ke<strong>in</strong> weiterer Wettbewerb um die nachfolgenden<br />

Planungsleistungen beabsichtigt, sondern die Empfehlung soll im Falle des positiven<br />

Vorliegens aller Voraussetzungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en anschließenden Auftrag münden. Es ist das e<strong>in</strong>zige<br />

Verfahren, an dem sich <strong>in</strong>teressierte Planer überhaupt beteiligen können; nach e<strong>in</strong>er<br />

ausgesprochenen Empfehlung und der Entscheidung zur Realisierung können ke<strong>in</strong>e weiteren<br />

Interessenten Berücksichtigung f<strong>in</strong>den (VK Düsseldorf, B. v. 13.10.2005 - Az.: VK - 23/2005<br />

– F).<br />

<strong>8.</strong>6 Gemischte Verträge (<strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 6)<br />

<strong>8.</strong>6.1 Änderung des <strong>§</strong> <strong>99</strong> <strong>GWB</strong> durch das ÖPP-Beschleunigungsgesetz<br />

<strong>§</strong> <strong>99</strong> wurde der Absatz 6 angefügt, nach dem e<strong>in</strong> öffentlicher Auftrag, der sowohl den<br />

E<strong>in</strong>kauf von Waren als auch die Beschaffung von Dienstleistungen zum Gegenstand hat,<br />

als Dienstleistungsauftrag gilt, wenn der Wert der Dienstleistungen den Wert der Waren


1183<br />

1183/1<br />

1184<br />

1185<br />

1185/0,4<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

übersteigt. E<strong>in</strong> öffentlicher Auftrag, der neben Dienstleistungen Bauleistungen umfasst,<br />

die im Verhältnis zum Hauptgegenstand Nebenarbeiten s<strong>in</strong>d, gilt als<br />

Dienstleistungsauftrag.<br />

Dabei entzieht sich die rechtliche E<strong>in</strong>ordnung e<strong>in</strong>er generalisierenden Bewertung.<br />

Namentlich ist durch e<strong>in</strong>en Ansatz fester Wertgrenzen nicht allen denkbaren Fällen<br />

angemessen Rechnung zu tragen. Die Wertanteile der verschiedenen Leistungen vermitteln<br />

für die rechtliche E<strong>in</strong>ordnung des gesamten Auftrages im Regelfall lediglich Anhaltspunkte<br />

sowie e<strong>in</strong>e erste Orientierung, es sei denn, sie weisen durch ihren objektiv deutlich<br />

überwiegenden Anteil den Bauleistungen oder den Liefer-/Dienstleistungen e<strong>in</strong>deutig den<br />

Auftragsschwerpunkt zu. Ist letzteres nicht der Fall, so kommt es auf die den jeweiligen<br />

E<strong>in</strong>zelfall kennzeichnenden rechtlichen und wirtschaftlichen Merkmale und Umstände –<br />

<strong>in</strong>sbesondere auf die Verteilung der mit der Auftragsdurchführung verbundenen Risiken auf<br />

die Beteiligten und deren Gewichtung – an (OLG Düsseldorf, B. v. 23.05.2007 - Az.: VII -<br />

Verg 50/06; B. v. 1<strong>8.</strong>10.2006, Az.: VII – Verg 35/06; VK Münster, B. v. 26.09.2007 - Az.:<br />

VK 17/07; 2. VK Bund, B. v. 31.07.2006 - Az.: VK 2 - 65/06; im Ergebnis ebenso VK<br />

Münster, B. v. 06.05.2008 - Az.: VK 4/08; 1. VK Bund, B. v. 14.09.2007 - Az.: VK 1 -<br />

101/07; B. v. 31.0<strong>8.</strong>2007 - Az.: VK 1 - 92/07; 2. VK Brandenburg, B. v. 0<strong>8.</strong>03.2007 - Az.: 2<br />

VK 4/07; VK Hessen, B. v. 07.10.2005 - Az.: 69 d VK - 39/2005, 69 d VK - 54/2005, 69 d<br />

VK - 55/2005, 69 d VK - 56/2005, 69 d VK - 57/2005).<br />

Dabei ist auf die wesentlichen, vorrangigen Verpflichtungen abzustellen, die den Auftrag<br />

als solche prägen, und nicht auf die Verpflichtungen bloß untergeordneter oder<br />

ergänzender Art, die zw<strong>in</strong>gend aus dem eigentlichen Gegenstand des Vertrags folgen; der<br />

jeweilige Wert der dabei erbrachten E<strong>in</strong>zelleistungen ist <strong>in</strong>soweit nur e<strong>in</strong> Kriterium unter<br />

anderen, die bei der Ermittlung des Hauptgegenstands zu berücksichtigen s<strong>in</strong>d (EuGH, Urteil<br />

vom 21.02.2008 - Az.: C-412/04; OLG Düsseldorf, B. v. 11.02.2009 - Az.: VII-Verg 69/08;<br />

VK Münster, B. v. 06.05.2008 - Az.: VK 4/08; VK Baden-Württemberg, B. v. 07.03.2008 -<br />

Az.: 1 VK 1/08).<br />

Die E<strong>in</strong>ordnung e<strong>in</strong>es öffentlichen Auftrages als Liefer-, Dienstleistungs- oder Bauauftrag<br />

ist z. B. relevant für die Berechnung des Auftragswertes, ab dem die Vergaberegeln<br />

anzuwenden s<strong>in</strong>d (2. VK Bund, B. v. 24.07.2007 - Az.: VK 2 - 69/07). Bei <strong>Aufträge</strong>n, die<br />

mehrere Auftragsgegenstände umfassen (z. B. Kauf und Reparatur e<strong>in</strong>er Ware oder Bau und<br />

Betrieb e<strong>in</strong>er Anlage), bestehen häufig Abgrenzungsprobleme. Insbesondere für Öffentlich<br />

Private Partnerschaften ist es wichtig und dient der Rechtsklarheit, festzulegen, wie e<strong>in</strong>e<br />

Abgrenzung von <strong>Aufträge</strong>n vorzunehmen ist, deren Gegenstand sowohl Lieferungen als auch<br />

Dienstleistungen oder neben Dienstleistungen auch Bauleistungen umfasst. Während die<br />

Abgrenzung zwischen Lieferungen und Dienstleistungen nach dem jeweiligen Wert<br />

erfolgt, werden Dienstleistungen und Bauleistungen unabhängig vom jeweiligen Wert<br />

nach dem Hauptgegenstand des Auftrages abgegrenzt. Diese Abgrenzung entspricht<br />

Artikel 1 Abs. 2 Buchstabe d der Richtl<strong>in</strong>ie 2004/17/EG und der Richtl<strong>in</strong>ie 2004/18/EG. Sie<br />

folgt der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH, Urteil v. 29.10.2009 - Az.:<br />

C-536/07; Rechtssache C-331/92 Slg. 1<strong>99</strong>4, I-1329).<br />

Vgl. <strong>in</strong>soweit die Kommentierung RZ 1154.<br />

Die Richtl<strong>in</strong>ie 2004/18 enthält für den Fall, dass e<strong>in</strong> Auftrag sowohl die Lieferung von<br />

Waren als auch die Erbr<strong>in</strong>gung von Dienstleistungen umfasst, <strong>in</strong> ihrem Art. 1 Abs. 2<br />

Buchst. d Unterabs. 2 e<strong>in</strong>e Sonderregel, die e<strong>in</strong> Abgrenzungskriterium zur E<strong>in</strong>stufung des<br />

fraglichen Auftrags als Lieferauftrag oder als Dienstleistungsauftrag aufstellt, nämlich den


1185/1<br />

1185/2<br />

1185/3<br />

1185/4<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

jeweiligen Wert der <strong>in</strong> diesen Auftrag e<strong>in</strong>bezogenen Waren und Dienstleistungen. Dieses<br />

Kriterium hat quantitativen Charakter, d. h., es stellt konkret auf den Wert der<br />

Gegenleistung ab, die als Vergütung für den Bestandteil „Waren“ und den Bestandteil<br />

„Dienstleistungen“ geschuldet wird, die <strong>in</strong> den fraglichen Auftrag e<strong>in</strong>bezogen s<strong>in</strong>d. Bei e<strong>in</strong>em<br />

öffentlichen Auftrag, der sich auf die Erbr<strong>in</strong>gung von Dienstleistungen und die<br />

Ausführung von Bauleistungen bezieht, verwendet Art. 1 Abs. 2 Buchst. d Unterabs. 3<br />

der Richtl<strong>in</strong>ie 2004/18 e<strong>in</strong> anderes Abgrenzungskriterium, nämlich das des<br />

Hauptgegenstands des fraglichen Auftrags (EuGH, Urteil v. 11.06.2009 - Az.: C-300/07).<br />

Nach der Vergabekoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie führt e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>ordnung als "Lieferauftrag"<br />

dazu, dass die Vorschriften der Richtl<strong>in</strong>ie <strong>in</strong> vollem Umfange anzuwenden s<strong>in</strong>d. Dazu<br />

zählen neben den Vorschriften über die Bekanntmachung (aus der u.a. der/die Auftraggeber<br />

e<strong>in</strong>deutig zu erkennen se<strong>in</strong> müssen) auch die Art. 47 Abs. 2 und Art. 48 Abs. 3, die<br />

entsprechend der Rechtsprechung des EuGH die Untervergabe des Auftrages oder e<strong>in</strong>es<br />

Teiles desselben durch den Bieter grundsätzlich zulassen und das Verbot der Untervergabe,<br />

welches <strong>in</strong> den Verd<strong>in</strong>gungsunterlagen enthalten war, also ausschließen würden. E<strong>in</strong>e<br />

E<strong>in</strong>ordnung als "Dienstleistung" führt nach der Richtl<strong>in</strong>ie Art. 46 - entweder zur<br />

Qualifizierung als "Dienstleistungskonzession" und damit gemäß Art. 17 zur vollständigen<br />

Unanwendbarkeit der Richtl<strong>in</strong>ie - oder z.B. gemäß Art. 21 (im H<strong>in</strong>blick auf den Charakter als<br />

Dienstleistung im Gesundheitswesen nach Anhang II Teil B Kategorie 25) nur zur<br />

Anwendung der Artikel 23 und des Artikels 35 Absatz 4 der Richtl<strong>in</strong>ie (OLG Düsseldorf, B.<br />

v. 23.05.2007 - Az.: VII - Verg 50/06).<br />

<strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 6 Satz 2 <strong>GWB</strong> ist entsprechend auf Konzessionsverträge anzuwenden. Da für<br />

den öffentlichen Bauauftrag und die Baukonzession dieselben - vergaberechtlichen -<br />

Regelungen gelten, ersche<strong>in</strong>t es gerechtfertigt, den Anwendungsbereich dieser Regelungen im<br />

H<strong>in</strong>blick auf Bauaufträge und Baukonzessionen nach e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>heitlichen Maßstab zu<br />

bestimmen (VG Münster, B. v. 09.03.2007 - Az.: 1 L 64/07).<br />

<strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 6 Satz 2 <strong>GWB</strong> ist auf Contract<strong>in</strong>gverträge anzuwenden (2. VK Brandenburg, B.<br />

v. 0<strong>8.</strong>03.2007 - Az.: 2 VK 4/07). Vgl. im E<strong>in</strong>zelnen die Kommentierung RZ 1149/1.<br />

<strong>8.</strong>6.2 Abgrenzung Baukonzession - Dienstleistungskonzession<br />

Die Abgrenzung zwischen e<strong>in</strong>er Dienstleistungskonzession und e<strong>in</strong>er Baukonzession<br />

richtet sich grundsätzlich nach dem angestrebten Vertrags<strong>in</strong>halt und f<strong>in</strong>det analog der<br />

Abgrenzung e<strong>in</strong>es Bauauftrages zu e<strong>in</strong>em Dienstleistungsauftrag statt. Es ist also der<br />

Schwerpunkt des gegenständlichen Vertrages im H<strong>in</strong>blick auf den Bauanteil bzw.<br />

Dienstleistungsanteil zu berücksichtigen. Da die Dienstleistungskonzession dem<br />

<strong>Vergaberecht</strong> nicht unterliegt, ist von e<strong>in</strong>er Bauleistung und damit dem Vorliegen e<strong>in</strong>er<br />

Baukonzession bereits dann auszugehen, wenn die Bauleistung <strong>in</strong> dem Gesamtvertrag<br />

nicht nur von untergeordneter Bedeutung ist. Wann von e<strong>in</strong>er untergeordneten Bedeutung<br />

der Bauleistung und damit auch der Baukonzession auszugehen ist, hängt vom E<strong>in</strong>zelfall ab.<br />

Auch wenn die Angabe e<strong>in</strong>er exakten Prozentzahl nicht möglich ist, dürfte e<strong>in</strong>e<br />

Baukonzession jedenfalls immer dann gegenüber e<strong>in</strong>er Dienstleistungskonzession nicht von<br />

untergeordneter Bedeutung se<strong>in</strong>, wenn die Bauleistung m<strong>in</strong>destens 40 % des<br />

Auftragsvolumens oder mehr beträgt (VK Niedersachsen, B. v. vom 16.10.2008 - Az.:<br />

VgK-30/2008).


1185/5<br />

1186<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Wenn die Vertragsgegenstände vone<strong>in</strong>ander getrennt werden können, s<strong>in</strong>d auf jeden<br />

dieser Verträge die entsprechenden Regelungen der Bau- und<br />

Dienstleistungskonzessionen getrennt anzuwenden (VK Niedersachsen, B. v. vom<br />

16.10.2008 - Az.: VgK-30/2008).<br />

<strong>8.</strong>6.3 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung<br />

• der Begriff des öffentlichen Bauauftrags erfasst e<strong>in</strong>en entgeltlichen Vertrag über<br />

Aushub und Verfüllarbeiten. Zwar be<strong>in</strong>haltet der Vertrag auch die Entsorgung von<br />

Ausfüllungsmaterial (2.500 t Bauschutt). Diese Dienstleistungselemente stellen jedoch<br />

nicht die E<strong>in</strong>ordnung des Vertrags als Bauauftrag <strong>in</strong> Frage, denn sie bilden nicht die den<br />

Auftrag prägenden Leistungen und machen auch wertmäßig nicht den überwiegenden Teil<br />

aus. Sie haben nur e<strong>in</strong>e untergeordnete Bedeutung (OLG Düsseldorf, B. v. 11.02.2009 -<br />

Az.: VII-Verg 69/08)<br />

• ausgehend von <strong>§</strong> <strong>99</strong> Abs. 6 <strong>GWB</strong> liegt der Schwerpunkt des Vertrages <strong>in</strong> der<br />

Herrichtung der Parkfläche nebst der verkehrlichen Anb<strong>in</strong>dung und der Errichtung<br />

des Verbrauchermarktes. Die anderen Leistungen, die damit im Zusammenhang<br />

stehen, s<strong>in</strong>d nach den Gesamtumständen lediglich als Nebenleistungen notwendig, um<br />

dieses Projekt zu verwirklichen. Der Auftrag ist nach der Schwerpunkttheorie somit<br />

als Bauauftrag e<strong>in</strong>zuordnen (VK Münster, B. v. 06.05.2008 - Az.: VK 4/08)<br />

• der für Dienstleistungsaufträge ist maßgeblich, weil die vom Käufer im Rahmen der<br />

Demontage zu erbr<strong>in</strong>genden Arbeiten zwar auch Bauleistungen umfassen, gemäß der <strong>in</strong> <strong>§</strong><br />

<strong>99</strong> Abs. 6 S. 2 <strong>GWB</strong> getroffenen Zuordnung für Verträge mit Dienstleistungs- und<br />

Bauleistungselementen jedoch e<strong>in</strong> Dienstleistungsauftrag vorliegt, wenn die<br />

Bauleistungen im Verhältnis zum Hauptgegenstand nur Nebenarbeiten s<strong>in</strong>d. So<br />

verhält es sich hier, denn die zu erbr<strong>in</strong>genden Bauleistungen - das Herstellen des<br />

Demontageplatzes und der Zuwegung sowie der spätere Rückbau des Platzes und der<br />

Wege - haben deutlich ger<strong>in</strong>geres Gewicht und e<strong>in</strong>e lediglich dienende Funktion<br />

gegenüber der Demontage, der Entsorgung hierbei anfallender Schmierstoffe etc. und<br />

dem Abtransport der Schreitbagger. Diese Dienstleistungen bilden den Schwerpunkt<br />

der vom Käufer zu verrichtenden Arbeiten und geben diesen ihr Gepräge (2. VK<br />

Bund, B. v. 24.07.2007 - Az.: VK 2 - 69/07)<br />

• der Schwerpunkt des Vertrages liegt jedoch nach den Gesamtumständen beurteilt,<br />

e<strong>in</strong>deutig <strong>in</strong> der Errichtung e<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>kaufszentrums auf dem Grundstück. Alle<br />

weiteren Verpflichtungen, die im Vertrag niedergelegt wurden und sich auf die Planung<br />

und Gestaltung des Grundstücks und des E<strong>in</strong>kaufszentrums beziehen, dienen letztlich dem<br />

Ziel, dort e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>kaufszentrum tatsächlich zu errichten. Dies spiegelt sich letztlich auch<br />

<strong>in</strong> den Wertanteilen wieder. Die Planungsleistungen, die für die Gestaltung und<br />

Ausführung des Gesamtprojekts erforderlich se<strong>in</strong> werden, und die hier überwiegend <strong>in</strong> der<br />

Planung des E<strong>in</strong>kaufszentrums bestehen, werden jedenfalls e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>geren<br />

wirtschaftlichen Umfang als die Bauleistungen haben, die hier ausweislich des Vertrages<br />

vom Käufer verlangt werden. Unter Berücksichtigung der Schwerpunkttheorie handelt<br />

es sich somit zunächst um e<strong>in</strong>en Auftrag, der als Bauauftrag und nicht als<br />

Dienstleistungsauftrag e<strong>in</strong>zuordnen wäre, wobei es unerheblich ist, ob die Beigeladene<br />

selbst baut oder beispielsweise durch e<strong>in</strong>en Generalunternehmer bauen lässt (VK Münster,<br />

B. v. 26.09.2007 - Az.: VK 17/07)<br />

• nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs bestimmt dann, wenn e<strong>in</strong> Vertrag zugleich<br />

Elemente e<strong>in</strong>es öffentlichen Bauauftrags und Elemente e<strong>in</strong>es öffentlichen Auftrags<br />

anderer Art aufweist, der Hauptgegenstand des Vertrags, welche


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1189<br />

1189/0,5<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Geme<strong>in</strong>schaftsrichtl<strong>in</strong>ie über öffentliche <strong>Aufträge</strong> grundsätzlich Anwendung f<strong>in</strong>det<br />

(EuGH, Urteil vom 1<strong>8.</strong>01.2007 - Az.: C-220/05)<br />

• Wartung von gefahrenmelde-, <strong>in</strong>formations- und sicherheitstechnischen Anlagen –<br />

überwiegender Dienstleistungsanteil bejaht (OLG Düsseldorf, B. v. 1<strong>8.</strong>10.2006, Az.:<br />

VII – Verg 35/06; 2. VK Bund, B. v. 31.07.2006 - Az.: VK 2 - 65/06)<br />

<strong>8.</strong>6.4 Rechtsprechung bis zum Inkrafttreten des ÖPP-<br />

Beschleunigungsgesetzes<br />

Schreibt e<strong>in</strong> öffentlicher Auftraggeber verschiedene Typen von Leistungen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Ausschreibung aus, handelt es sich um e<strong>in</strong>en gemischten Vertrag. Die vergaberechtliche<br />

E<strong>in</strong>ordnung richtet sich nach dem Schwerpunkt der Leistungen (OLG Naumburg, B. v.<br />

30.5.2002 - Az.: 1 Verg 14/01).<br />

<strong>8.</strong>6.5 Vertragsgegenstände, die sowohl der<br />

Vergabekoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie als auch der Sektorenrichtl<strong>in</strong>ie<br />

unterfallen<br />

Ab dem 01.02.2006 gelten die Richtl<strong>in</strong>ien 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und<br />

des Rates vom 31. März 2004 zur Koord<strong>in</strong>ierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber<br />

im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und<br />

2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die<br />

Koord<strong>in</strong>ierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und<br />

Dienstleistungsaufträge unmittelbar. Das Bundesm<strong>in</strong>isterium für Wirtschaft und<br />

Technologie hat dazu mit Rundschreiben vom 26.01.2006 sowie 31.01.2006 e<strong>in</strong>ige<br />

Erläuterungen veröffentlicht, die auch die Behandlung von Vertragsgegenständen<br />

betreffen, die sowohl der Vergabekoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie als auch der<br />

Sektorenrichtl<strong>in</strong>ie unterfallen.<br />

Unterliegt danach e<strong>in</strong>e der Tätigkeiten, die der Auftrag umfasst, der Richtl<strong>in</strong>ie<br />

2004/17/EG - Sektorenrichtl<strong>in</strong>ie -, die andere Tätigkeit jedoch der genannten Richtl<strong>in</strong>ie<br />

2004/18/EG und ist es objektiv nicht möglich, festzustellen, welche Tätigkeit den<br />

Hauptgegenstand des Auftrags darstellt, so ist der Auftrag gemäß den Bestimmungen<br />

der Richtl<strong>in</strong>ie 2004/18/EG zu vergeben.<br />

Nach der Rechtsprechung des EuGH werden die Grenzen zwischen den<br />

Anwendungsbereichen der beiden Richtl<strong>in</strong>ien u.a. durch ausdrückliche Bestimmungen<br />

gezogen. So gilt die Richtl<strong>in</strong>ie 2004/17 nach ihrem Art. 20 Abs. 1 nicht für <strong>Aufträge</strong>, die die<br />

Auftraggeber zu anderen Zwecken als der Durchführung der Tätigkeiten vergeben, die sie <strong>in</strong><br />

den <strong>in</strong> den Art. 3 bis 7 der Richtl<strong>in</strong>ie beschriebenen Sektoren ausüben. Das Pendant dieser<br />

Bestimmung <strong>in</strong> der Richtl<strong>in</strong>ie 2004/18 ist Art. 12 Abs. 1, wonach diese Richtl<strong>in</strong>ie nur für<br />

diejenigen öffentlichen <strong>Aufträge</strong> nicht gilt, die von öffentlichen Auftraggebern, die e<strong>in</strong>e oder<br />

mehrere Tätigkeiten gemäß den Art. 3 bis 7 der Richtl<strong>in</strong>ie 2004/17 ausüben, vergeben werden<br />

und die der Durchführung dieser Tätigkeiten dienen. Der Anwendungsbereich der<br />

Richtl<strong>in</strong>ie 2004/17 ist somit eng begrenzt, was ausschließt, dass die dort festgelegten<br />

Verfahren über diesen Anwendungsbereich h<strong>in</strong>aus erstreckt werden. Die genannten<br />

Bestimmungen lassen folglich ke<strong>in</strong>en Raum dafür, im Rahmen der Richtl<strong>in</strong>ie 2004/17 den


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Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

als „Infektionstheorie“ bezeichneten Ansatz anzuwenden, der <strong>in</strong> der Folge des Urteils<br />

Mannesmann Anlagenbau Austria u. a. entwickelt wurde. E<strong>in</strong> Auftraggeber im S<strong>in</strong>ne der<br />

Richtl<strong>in</strong>ie 2004/17 muss daher das <strong>in</strong> dieser Richtl<strong>in</strong>ie vorgesehene Verfahren nur für die<br />

Vergabe von <strong>Aufträge</strong>n im Zusammenhang mit Tätigkeiten anwenden, die er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<br />

oder mehreren der <strong>in</strong> den Art. 3 bis 7 der Richtl<strong>in</strong>ie genannten Sektoren ausübt (EuGH,<br />

Urteil v. 10.04.2008 - Az.: C-393/06). Dagegen unterliegen alle übrigen <strong>Aufträge</strong>, die von<br />

dieser E<strong>in</strong>richtung im Zusammenhang mit der Ausübung anderer Tätigkeiten vergeben<br />

werden, den Verfahren der Richtl<strong>in</strong>ie 2004/1<strong>8.</strong> Jede dieser beiden Richtl<strong>in</strong>ien gilt, ohne dass<br />

zwischen den Tätigkeiten, die die E<strong>in</strong>richtung ausübt, um ihrem Auftrag nachzukommen, im<br />

Allgeme<strong>in</strong><strong>in</strong>teresse liegende Aufgaben zu erfüllen, und den von ihr unter<br />

Wettbewerbsbed<strong>in</strong>gungen ausgeübten Tätigkeiten zu unterscheiden ist und selbst im Fall<br />

e<strong>in</strong>er Buchführung, die auf Trennung der Tätigkeitsbereiche dieser E<strong>in</strong>richtung abzielt, um<br />

Querf<strong>in</strong>anzierungen der betreffenden Sektoren zu vermeiden (EuGH, Urteil v. 10.04.2008 -<br />

Az.: C-393/06; im Ergebnis ebenso OLG Düsseldorf, B. v. 04.05.2009 - Az.: VII-Verg 68/08<br />

– für den Schülerspezialverkehr; B. v. 04.03.2009 - Az.: VII-Verg 67/08).<br />

<strong>8.</strong>6.6 Literatur<br />

• Siegel, Thorsten, Die Behandlung gemischter Verträge nach dem neuen <strong>Vergaberecht</strong>,<br />

VergabeR 2007, 25<br />

<strong>8.</strong>7 Verb<strong>in</strong>dung von öffentlichen <strong>Aufträge</strong>n nach <strong>§</strong> <strong>99</strong> mit<br />

sonstigen <strong>Aufträge</strong>n<br />

<strong>8.</strong>7.1 Rechtsprechung<br />

Unterfällt auch nur e<strong>in</strong>e Alternative des abzuschließenden Vertrages dem <strong>Vergaberecht</strong>,<br />

s<strong>in</strong>d die <strong>Vergaberecht</strong>svorschriften und damit das Nachprüfungsverfahren eröffnet.<br />

Andernfalls könnten die strengeren Anforderungen des <strong>Vergaberecht</strong>s dadurch umgangen<br />

werden, dass zusätzlich zu der dem <strong>Vergaberecht</strong> unterfallenden e<strong>in</strong>e nicht dem <strong>Vergaberecht</strong><br />

unterfallende Alternative ausgeschrieben wird (BayObLG, B. v. 23.1.2003 - Az.: Verg 2/03;<br />

OLG Karlsruhe, B. v. 15.10.2008 - Az.: 15 Verg 9/08).<br />

So unterliegt die Veräußerung, Vermietung oder Verpachtung von beweglichen und<br />

unbeweglichen Sachen als solche nicht den vergaberechtlichen Bestimmungen. Anders kann<br />

dies aber se<strong>in</strong>, wenn die Veräußerung oder Überlassung Element e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>heitlichen<br />

Vorgangs ist, der e<strong>in</strong>en beschaffungsrechtlichen Bezug hat (BayObLG, B. v. 27.2.2003 -<br />

Az.: Verg 01/03). Denn <strong>§</strong> <strong>99</strong> <strong>GWB</strong> schließt nicht Veräußerungsgeschäfte der öffentlichen<br />

Hand von der Anwendung der Vorschriften des Vierten Teils des Gesetzes gegen<br />

Wettbewerbsbeschränkungen aus. E<strong>in</strong> Veräußerungsgeschäft kann lediglich als solches die<br />

Anwendbarkeit dieser Vorschriften nicht begründen. Ist es h<strong>in</strong>gegen Mittel zur Beschaffung<br />

e<strong>in</strong>er Leistung, ist der kaufrechtliche Aspekt des öffentlichen Auftrags ohne Bedeutung.<br />

Das entspricht auch dem Zweck des <strong>in</strong> <strong>§</strong><strong>§</strong> 97 ff. <strong>GWB</strong> geregelten <strong>Vergaberecht</strong>s. Denn auf<br />

diese Weise wird e<strong>in</strong>e vollständige Erfassung aller Beschaffungsvorgänge erreicht, die für den


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öffentlichen Auftraggeber mit geldwertem Aufwand verbunden s<strong>in</strong>d (BGH, B. v. 01.02.2005 -<br />

Az.: X ZB 27/04).<br />

Angesichts des vor allem <strong>in</strong> <strong>§</strong> 97 Abs. 1 <strong>GWB</strong> zum Ausdruck kommenden Anliegens des <strong>in</strong><br />

diesem Gesetz normierten <strong>Vergaberecht</strong>ssystems, dass öffentliche Beschaffung, soweit sie<br />

nicht ausdrücklich ausgenommen ist, umfassend unter geregelten<br />

Wettbewerbsbed<strong>in</strong>gungen erfolgt, kann e<strong>in</strong>e Ausnahme von der<br />

<strong>Vergaberecht</strong>spflichtigkeit gemischter Verträge nur <strong>in</strong> Fällen <strong>in</strong> Erwägung gezogen werden,<br />

<strong>in</strong> denen die Pflicht zur Dienstleistung völlig untergeordneter Natur ist und es deshalb<br />

ausgeschlossen ersche<strong>in</strong>t, dass auch ihretwegen der Vertrag abgeschlossen worden ist (BGH,<br />

B. v. 01.02.2005 - Az.: X ZB 27/04).<br />

Schreibt e<strong>in</strong> Auftraggeber zunächst e<strong>in</strong> Gesamtpaket aus und nimmt er im Laufe des<br />

Vergabeverfahrens - vergaberechtswidrig - e<strong>in</strong>e Entkoppelung der Auftragselemente vor, die<br />

letztlich zu e<strong>in</strong>er losweisen Bezuschlagung der e<strong>in</strong>zelnen Elemente führen soll und wird diese<br />

zentrale, vergaberechtswidrige Umstellung von Gesamtvergabe auf losweise Vergabe<br />

<strong>in</strong>nerhalb des Verfahrens zu ke<strong>in</strong>em Zeitpunkt gerügt, obwohl die Bieter sie erkennen, ist die<br />

Geltendmachung dieses Verstoßes gemäß <strong>§</strong> 107 Absatz 3 Satz 1 <strong>GWB</strong> präkludiert und darf<br />

nunmehr nicht auf dem Umweg der Anwendung der Verknüpfung vergaberechtsfreier<br />

und vergaberechtspflichtiger Geschäfte rückgängig gemacht werden (1. VK Sachsen, B.<br />

v. 15.10.2004 - Az.: 1/SVK/090-04).<br />

<strong>8.</strong>7.2 Literatur<br />

• Siegel, Thorsten, Die Behandlung gemischter Verträge nach dem neuen <strong>Vergaberecht</strong>,<br />

VergabeR 2007, 25<br />

<strong>8.</strong>8 Rahmenvere<strong>in</strong>barungen<br />

E<strong>in</strong>e Rahmenvere<strong>in</strong>barung ist e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>barung mit e<strong>in</strong>em oder mehreren Unternehmen, <strong>in</strong><br />

der die Bed<strong>in</strong>gungen für E<strong>in</strong>zelaufträge festgelegt werden, die im Laufe e<strong>in</strong>es bestimmten<br />

Zeitraums vergeben werden sollen, <strong>in</strong>sbesondere über den <strong>in</strong> Aussicht genommenen Preis und<br />

ggf. die <strong>in</strong> Aussicht genommene Menge. E<strong>in</strong> Rahmenvertrag setzt also e<strong>in</strong>e<br />

Leistungsbeziehung voraus, <strong>in</strong> die sich weitere Leistungserbr<strong>in</strong>gungen als Ausfüllung des<br />

Rahmenvertrages e<strong>in</strong>b<strong>in</strong>den (VK Düsseldorf, B. v. 30.6.2000 - Az.: VK - 10/2000 - L).<br />

Nach Art. 1 Abs. 5 der neuen EU-Vergabekoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie (Richtl<strong>in</strong>ie<br />

2004/18/EG) ist e<strong>in</strong>e „Rahmenvere<strong>in</strong>barung“ e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>barung zwischen e<strong>in</strong>em oder<br />

mehreren öffentlichen Auftraggebern und e<strong>in</strong>em oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern, die<br />

zum Ziel hat, die Bed<strong>in</strong>gungen für die <strong>Aufträge</strong>, die im Laufe e<strong>in</strong>es bestimmten Zeitraums<br />

vergeben werden sollen, festzulegen, <strong>in</strong>sbesondere <strong>in</strong> Bezug auf den Preis und gegebenenfalls<br />

die <strong>in</strong> Aussicht genommene Menge.<br />

E<strong>in</strong>e umfassende und e<strong>in</strong>heitliche Regelung der Rahmenvere<strong>in</strong>barung erfolgt im<br />

deutschen <strong>Vergaberecht</strong> nicht, sodass bei Zweifelsfragen unmittelbar auf die Art. 9, 11<br />

und 32 der Vergabekoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie zurückgegriffen werden muss. Für den Bereich


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der VOL/A erfolgt e<strong>in</strong>e Regelung <strong>in</strong> <strong>§</strong> 3a Nr. 4 VOL/A, die den Text der<br />

Vergabekoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie <strong>in</strong> wesentlichen Teilen übernimmt (1. VK Sachsen, B.<br />

v. 25.01.2008 - Az.: 1/SVK/088-07; 1. VK Bund, B. v. 09.05.2007 - Az.: VK 1 - 26/07).<br />

Rahmenverträge s<strong>in</strong>d im allgeme<strong>in</strong>en Zivilrecht Vere<strong>in</strong>barungen, mit denen e<strong>in</strong>e auf Dauer<br />

angelegte Geschäftsbeziehung typischerweise erst eröffnet werden soll, wobei nur<br />

bestimmte E<strong>in</strong>zelheiten <strong>in</strong> erst künftig abzuschließenden E<strong>in</strong>zelverträgen festgelegt<br />

werden (2. VK Brandenburg, B. v. 9.4.2001 - Az.: 2 VK 18/01).<br />

Typischerweise werden <strong>in</strong>sbesondere ger<strong>in</strong>gwertige Verbrauchsgüter (so genannte C-<br />

Artikel) wie etwa Papier, aber auch hochwertige Güter, die im Lauf e<strong>in</strong>es Haushaltsjahres<br />

regelmäßig benötigt werden (z. B. Hard- und Software, Schuhe) über Rahmenverträge<br />

beschafft. Im Baubereich werden Rahmenverträge z. B. über kle<strong>in</strong>ere<br />

Bauunterhaltungsmaßnahmen wie etwa Anstricharbeiten geschlossen.<br />

<strong>8.</strong><strong>8.</strong>1 Zulässigkeit von Rahmenvere<strong>in</strong>barungen<br />

Die Frage war <strong>in</strong> der Rechtsprechung umstritten.<br />

Nach e<strong>in</strong>er Auffassung war die grundsätzliche Zulässigkeit von Rahmenvere<strong>in</strong>barungen im<br />

<strong>Vergaberecht</strong> - auch über den <strong>§</strong> 5b VOL/A und <strong>§</strong> 5b VOB/A h<strong>in</strong>aus (vgl. <strong>in</strong>soweit OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 26.7.2002 - Az.: Verg 28/02) - <strong>in</strong> der Rechtsprechung anerkannt. Lässt sich<br />

z. B. e<strong>in</strong>e Vergabestelle bei der Beschaffung e<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>satz-, Leit- und Unterstützungssystem<br />

für die Polizei von der Überlegung leiten, dass die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>heitlichen Systems für<br />

alle Standorte am s<strong>in</strong>nvollsten sei, so ersche<strong>in</strong>t diese E<strong>in</strong>schätzung zutreffend, da anderenfalls<br />

nicht nur höhere Kosten wegen ger<strong>in</strong>gerer Auftragsvolum<strong>in</strong>a, sondern auch technische<br />

Schwierigkeiten bei der Vernetzung der Systeme, erhöhte Reparaturen und<br />

Anpassungsschwierigkeiten beim Wechsel des Bedienungspersonals zwischen mit<br />

unterschiedlichen Systemen ausgestatteten Standorten zu befürchten wären. Die<br />

Ausschreibung e<strong>in</strong>es Rahmenvertrages ist bei e<strong>in</strong>er solchen Sachlage die vergaberechtlich<br />

angemessene Konsequenz (2. VK Bund, B. v. 31.5.2002 - Az.: VK 2 - 20/02).<br />

Nach e<strong>in</strong>er anderen Auffassung waren Rahmenvere<strong>in</strong>barungen ke<strong>in</strong>eswegs generell<br />

ausdrücklich zugelassen. Die generelle Zulässigkeit solcher Verträge ergibt sich<br />

<strong>in</strong>sbesondere nicht aus <strong>§</strong> 3 Abs. 8 VgV, denn die Vorschrift regelt nur allgeme<strong>in</strong> die<br />

Berechnung des Auftragswerts bei Rahmenverträgen, verhält sich aber nicht zu der Frage, <strong>in</strong><br />

welchen Bereichen Rahmenverträge zulässig s<strong>in</strong>d (KG Berl<strong>in</strong>, B. v. 15.04.2004 - Az.: 2 Verg<br />

22/03).<br />

Die Rahmenvere<strong>in</strong>barungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>§</strong> 3 Abs. 8 Satz 2 VgV gesetzlich def<strong>in</strong>iert. Sie s<strong>in</strong>d als<br />

öffentlicher Auftrag im S<strong>in</strong>ne des <strong>§</strong> <strong>99</strong> <strong>GWB</strong> zu betrachten (LSG Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen, B. v.<br />

24.0<strong>8.</strong>2009 - Az.: L 21 KR 45/09 SFB; B. v. 30.01.2009 - Az.: L 21 KR 1/08 SFB; 3. VK<br />

Bund, B. v. 29.09.2009 - Az.: VK 3 - 166/09; B. v. 03.0<strong>8.</strong>2009 - VK 3 - 145/09; B. v.<br />

24.07.2009 - VK 3 - 136/09; B. v. 20.03.2009 - Az.: VK 3 - 40/09; B. v. 20.03.2009 – Az..<br />

VK 3 – 34/09; B. v. 20.03.2009 – Az.: VK 3 – 22/09; B. v. 16.03.2009 - Az.: VK 3 - 37/09;<br />

B. v. 23.01.2009 - Az.: VK 3 - 194/08; B. v. 20.01.2009 - Az.: VK 3 – 191/08; B. v.<br />

20.01.2009 - Az.: VK 3 – 188/08; B. v. 20.01.2009 - Az.: VK 3 – 185/08; B. v. 15.0<strong>8.</strong>2008 -<br />

Az.: VK 3 – 107/08; B. v. 0<strong>8.</strong>02.2008 - Az.: VK 3 - 29/08; B. v. 06.02.2008 - Az.: VK 3 -<br />

11/08; B. v. 05.02.2008 - Az.: VK 3 - 23/08; B. v. 05.02.2008 - Az.: VK 3 - 17/08; B. v.<br />

05.02.2008 - Az.: VK 3 - 08/08; B. v. 09.01.2008 - Az.: VK 3 - 145/07; 2. VK Bund, B. v.


1202/1<br />

1202/2<br />

1203<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

29.07.2009 - Az.: VK 2 – 87/09; B. v. 26.05.2009 - Az.: VK 2 – 30/09; B. v. 20.04.2009 -<br />

Az.: VK 1 - 13/09; B. v. 22.0<strong>8.</strong>2008 - Az.: VK 2 – 73/08; B. v. 0<strong>8.</strong>02.2008 - VK 2 - 156/07;<br />

B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 123/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 120/07, B. v.<br />

15.11.2007 - Az.: VK 2 - 117/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 114/07, B. v. 15.11.2007 -<br />

Az.: VK 2 - 108/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 105/07; B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 -<br />

102/07; 1. VK Bund, B. v. 09.05.2007 - Az.: VK 1 - 26/07; VK Arnsberg, B. v. 21.5.2002 -<br />

Az.: VK 7-10/2002), sofern sie nicht ausschließlich der Festlegung von Konditionen für<br />

künftig mögliche Beschaffungen dienen und durch e<strong>in</strong>e Stelle ausgeschrieben werden, die<br />

selbst nicht Vertragspartner wird (VK Schleswig-Holste<strong>in</strong>, B. v. 31.03.2005 - Az.: VK-SH<br />

05/05; B. v. 07.03.2005 - Az.: VK-SH 03/05).<br />

Auch solche Rahmenvere<strong>in</strong>barungen, auf die <strong>§</strong> 3a Nr. 4 VOL/A nicht anwendbar ist,<br />

weil sie unter <strong>§</strong> 1a Nr. 2 Abs. 2 i.V.m. Anhang I B VOL/A fallen, s<strong>in</strong>d zulässig, da die<br />

Rahmenvere<strong>in</strong>barung über die seit jeher geltende Vorschrift des <strong>§</strong> 4 SKR h<strong>in</strong>aus als e<strong>in</strong>e allen<br />

öffentlichen Auftraggebern zur Verfügung stehende – allerd<strong>in</strong>gs ausschreibungspflichtige –<br />

Vertragsform anerkannt ist (1. VK Bund, B. v. 09.05.2007 - Az.: VK 1 - 26/07; 2. VK<br />

Bund, B. v. 29.07.2009 - Az.: VK 2 – 87/09; 3. VK Bund, B. v. 29.04.2009 - Az.: VK 3 –<br />

76/09).<br />

Wendet sich der Auftraggeber z.B. bei der Ausschreibung von Festpreisvere<strong>in</strong>barungen<br />

für Kontrastmittel als SSB nicht nur an pharmazeutische Unternehmer (<strong>§</strong> 4 Abs. 18<br />

AMG), liegt somit ke<strong>in</strong>e der Ausschreibung von Arzneimittelrabattverträgen nach <strong>§</strong><br />

130a Abs. 8 Satz 1 SGB V vergleichbare "Beschaffungssituation" vor. Es handelt sich aber<br />

dennoch um e<strong>in</strong>en öffentlichen Auftrag <strong>in</strong> Form e<strong>in</strong>er Rahmenvere<strong>in</strong>barung. Denn durch<br />

die Rahmenvere<strong>in</strong>barung sollen die Bed<strong>in</strong>gungen für die E<strong>in</strong>zelaufträge - <strong>in</strong>sbesondere die<br />

Preise -, die <strong>in</strong> der vorgesehenen Laufzeit vergeben werden sollen, festgelegt werden. Zwar<br />

werden die Kontrastmittel von Radiologen abgerufen, <strong>in</strong>dem diese ihre Verordnungen bei der<br />

Krankenkasse e<strong>in</strong>reichen, die Vertragsärzte die Kontrastmittel von den Leistungserbr<strong>in</strong>gern<br />

erhalten, die wiederum mit den Krankenkassen auf Basis des bezuschlagten Angebotes<br />

abrechnen sollen. Jedoch können die von den Vertragsärzten ausgestellten<br />

Kontrastmittelverordnungen den Krankenkassen im Rahmen ihrer Sachleistungspflicht<br />

zugerechnet werden. Denn der Vertragsarzt ist "Schlüsselfigur" der<br />

Arzneimittelversorgung. Er verordnet e<strong>in</strong> bestimmtes Arzneimittel zu Gunsten der<br />

Versicherten, das er als mediz<strong>in</strong>isch notwendig bewertet. Bei der Ausstellung der<br />

Verordnung handelt er kraft der ihm durch das Vertragsarztrecht verliehenen<br />

Kompetenzen als Vertreter der Krankenkassen. Ohne vertragsärztliche Verordnung<br />

besteht grundsätzlich ke<strong>in</strong> Sachleistungsanspruch der Versicherten gegen die Krankenkassen<br />

(LSG Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen, B. v. 24.0<strong>8.</strong>2009 - Az.: L 21 KR 45/09 SFB).<br />

<strong>8.</strong><strong>8.</strong>2 Notwendige Bestandteile von Rahmenvere<strong>in</strong>barungen<br />

Für e<strong>in</strong>en wirksamen Rahmenvertrag ist, wie bei Abschluss e<strong>in</strong>es jeden Vertrages,<br />

erforderlich, dass die wesentlichen Vertragsbestandteile (essentialia negotii) festgelegt<br />

s<strong>in</strong>d (KG Berl<strong>in</strong>, B. v. 19.4.2000 - Az.: KartVerg 6/00). Dazu gehört bei e<strong>in</strong>em Lieferauftrag<br />

auch der Preis der zu liefernden Leistung. Dies gilt auch im <strong>Vergaberecht</strong>, wobei h<strong>in</strong>sichtlich<br />

des <strong>in</strong> Aussicht genommenen Preises ausreichend se<strong>in</strong> kann, dass - zum<strong>in</strong>dest - die<br />

Berechnungsgrundlagen offen gelegt werden bzw. e<strong>in</strong>e Preisgleitklausel im Vertrag enthalten<br />

ist (1. VK Bund, B. v. 20.5.2003 - Az.: VK 1 - 35/03).


1204<br />

1205<br />

1206<br />

1206/0,2<br />

1206/0,4<br />

1206/0,6<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Die Ausschreibung von Rahmenverträgen ohne Abrufverpflichtung des Auftraggebers<br />

ist nicht generell unzulässig (VK Düsseldorf, B. v. 23.05.2008 - Az.: VK - 7/2008 – L; 1.<br />

VK Bund, B. v. 20.04.2006 - Az.: VK 1 - 19/06; 3. VK Bund, B. v. 2<strong>8.</strong>01.2005 - Az.: VK 3 -<br />

221/04).<br />

Als Kriterien e<strong>in</strong>er Abgrenzung zwischen e<strong>in</strong>em öffentlichen Auftrag und e<strong>in</strong>er<br />

unverb<strong>in</strong>dlichen Rahmenvere<strong>in</strong>barung s<strong>in</strong>d die Verpflichtung zum Leistungsabruf, die<br />

Ausschließlichkeit der Leistungsbeziehung und die Festlegung der künftigen Vertragspartner<br />

zu prüfen (VK Schleswig-Holste<strong>in</strong>, B. v. 05.10.2005 - Az.: VK-SH 23/05).<br />

In <strong>§</strong> 3a Nr. 4 VOL/A ist deutlich gemacht, dass der Auftraggeber verpflichtet ist, das <strong>in</strong><br />

Aussicht genommene Auftragsvolumen (die E<strong>in</strong>kaufsmenge) so genau wie möglich zu<br />

ermitteln und zu beschreiben; es braucht aber nicht abschließend festgelegt zu werden (3.<br />

VK Bund, B. v. 20.03.2009 – Az.: VK 3 – 34/09; B. v. 20.03.2009 – Az.: VK 3 – 22/09; B. v.<br />

29.01.2009 - Az.: VK 3 – 200/08; B. v. 29.01.2009 - Az.: VK 3 – 197/08; VK Schleswig-<br />

Holste<strong>in</strong>, B. v. 17.09.2008 - Az.: VK-SH 10/08).<br />

Wenn bei e<strong>in</strong>er Ausschreibung der endgültige Lieferumfang nicht feststeht, s<strong>in</strong>d die<br />

Angaben des Auftraggebers über voraussichtliche Mengengerüste für die Bieter von<br />

besonderer kalkulatorischer Bedeutung. Auch wenn Geräte-Konfigurationen <strong>in</strong> der<br />

textlichen E<strong>in</strong>führung als „lediglich beispielhaft“ und als „Grundlage für die Auswertung“<br />

bezeichnet werden, so darf e<strong>in</strong> Bieter dennoch davon ausgehen, dass die Vergabestelle ihm<br />

durch die Vorgabe der Konfigurationen und des zugeordneten Mengengerüstes e<strong>in</strong>e<br />

zutreffende, kalkulatorisch beachtliche Information geben wollte (VK Düsseldorf, B. v.<br />

29.04.2009 - Az.: VK - 2/2009 – L).<br />

Es handelt sich beim Rahmenvertrag um e<strong>in</strong>e im Recht der gesetzlichen<br />

Krankenversicherung typische Gestaltungsform, da Hilfsmittel an Versicherte nur auf der<br />

Grundlage von Verträgen gemäß <strong>§</strong> 127 Abs. 1, 2 und 3 SGB V abgegeben werden dürfen (<strong>§</strong><br />

126 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Kommt es im E<strong>in</strong>zelfall zur Versorgung e<strong>in</strong>es Versicherten, ist<br />

noch e<strong>in</strong> (E<strong>in</strong>zel-)Vertrag zwischen dem Leistungserbr<strong>in</strong>ger und der Krankenkasse zu<br />

schließen, dessen Inhalt aber durch die bereits getroffenen Vere<strong>in</strong>barungen als<br />

Rahmenverträge vorgeprägt ist. Wenn das Gesetz jedoch gerade für diese Gestaltungsform<br />

Ausschreibungen vorsieht, kann <strong>in</strong> der Ausschreibung von Rahmenvere<strong>in</strong>barungen für<br />

sich genommen ke<strong>in</strong> Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften gesehen werden<br />

(LSG Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen, B. v. 0<strong>8.</strong>10.2009 - Az.: L 21 KR 39/09 SFB; B. v. 2<strong>8.</strong>04.2009 -<br />

Az.: L 21 KR 40/09 SFB; B. v. 30.01.2009 - Az.: L 21 KR 1/08 SFB).<br />

Der Abschluss von Rahmenvere<strong>in</strong>barungen stellt für die Krankenkassen das e<strong>in</strong>zige<br />

Instrument dar, die ihnen gesetzlich e<strong>in</strong>geräumte Möglichkeit des Abschlusses von<br />

Rabattverträgen nach <strong>§</strong> 130a Absatz 8 SGB V praktisch umzusetzen. Die Krankenkassen<br />

haben ke<strong>in</strong>e Möglichkeit, vor Ort auf Art und Umfang der Versorgung ihrer Versicherten mit<br />

bestimmten Arzneimitteln <strong>in</strong> irgende<strong>in</strong>er Weise E<strong>in</strong>fluss zu nehmen. Diese "E<strong>in</strong>zelaufträge"<br />

werden alle<strong>in</strong> durch die Verordnungen der Vertragsärzte bestimmt und s<strong>in</strong>d somit dem<br />

Zugriff der Krankenkassen <strong>in</strong> vollem Umfang entzogen. Diese wären aus der Natur der Sache<br />

heraus - auch als Rabattverträge - gar nicht ausschreibungsfähig. Der Rahmenvertrag ist<br />

demzufolge die alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> Betracht kommende Handlungsform. Wettbewerbsrechtlich für<br />

bedenklich wird der Rahmenvertrag aber allenfalls deshalb gehalten, weil er die unter der<br />

Geltung des Rahmenvertrages erfolgenden E<strong>in</strong>zelaufträge dem Wettbewerb entzieht. Dieser<br />

Gesichtspunkt ist aber bei Rabattverträgen von vornhere<strong>in</strong> überhaupt nicht e<strong>in</strong>schlägig. Schon<br />

deshalb können sich durchgreifende Bedenken gegen den Abschluss von Rahmenverträgen


1206/1<br />

1206/2<br />

1206/3<br />

1207<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

hier nicht ergeben (LSG Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen, B. v. 0<strong>8.</strong>10.2009 - Az.: L 21 KR 39/09 SFB;<br />

B. v. 2<strong>8.</strong>04.2009 - Az.: L 21 KR 40/09 SFB; B. v. 0<strong>8.</strong>04.2009 - Az.: L 21 KR 27/09 SFB; B.<br />

v. 02.04.2009 - Az.: L 21 KR 35/09 SFB; B. v. 26.03.2009 - Az.: L 21 KR 26/09 SFB).<br />

Das formale Offenhalten jeglicher Abnahmeverpflichtung sowie der abnehmenden<br />

Stellen lässt e<strong>in</strong>en öffentlichen Auftrag nicht entfallen, wenn die Vergabestelle tatsächlich<br />

davon ausgeht, dass auf der Grundlage des Vertrages zukünftig e<strong>in</strong> bestimmtes<br />

Auftragsvolumen umgesetzt wird (VK Düsseldorf, B. v. 23.05.2008 - Az.: VK - 7/2008 – L).<br />

E<strong>in</strong>e Rabattvere<strong>in</strong>barung behält den Charakter e<strong>in</strong>es öffentlichen Auftrags auch unter<br />

Berücksichtigung der sozialrechtlichen Besonderheit, dass die „Beschaffung“ der<br />

Arzneimittel im S<strong>in</strong>ne der fortlaufenden Versorgung der Versicherten ohneh<strong>in</strong>, also auch<br />

ohne Rabattvere<strong>in</strong>barung, erfolgt, ja erfolgen muss. Es fehlt <strong>in</strong>soweit nicht an der<br />

notwendigen Kausalität zwischen Vere<strong>in</strong>barung und zu „beschaffender“ Leistung. E<strong>in</strong><br />

zusätzliches Tatbestandsmerkmal <strong>in</strong> Form des Erfordernisses der Verfügbarkeit<br />

spezieller Instrumente zur Lenkung der Nachfrage auf die rabattierten Produkte ist<br />

nicht erforderlich (2. VK Bund, B. v. 22.0<strong>8.</strong>2008 - Az.: VK 2 – 73/08).<br />

Im Grundsatz muss bei e<strong>in</strong>er Rahmenvere<strong>in</strong>barung überhaupt ke<strong>in</strong>e Abnahmegarantie<br />

gewährt werden. Dies kann jedoch dann anders zu beurteilen se<strong>in</strong>, wenn dem<br />

Auftragnehmer nach der Ausgestaltung der Verd<strong>in</strong>gungsunterlagen auch ohne den<br />

Abruf von E<strong>in</strong>zelleistungen Kosten – wie z.B. für das Vorhalten von Ressourcen –<br />

entstehen, für die er ke<strong>in</strong>e anderweitige Kompensation erhält. Sollte der Auftraggeber nur<br />

fordern, dass Personal <strong>in</strong> dem Umfang vorgehalten werden muss, dass damit 60 % der sich<br />

aus dem voraussichtlichen mittleren monatlichen Zuweisungsbedarf ergebenden<br />

Teilnehmerzahl betreut werden kann, ersche<strong>in</strong>t die damit dann korrespondierende Garantie<br />

e<strong>in</strong>er 60 %-igen Vergütung für sich genommen zum<strong>in</strong>dest im Ausgangspunkt als<br />

unproblematisch. Aus der Tatsache, dass sich der Auftraggeber Zuweisungen bis zu 110<br />

% vorbehält, können sich aber gleichwohl Erfordernisse zur kurzfristigen Aufstockung des<br />

Personals ergeben, die <strong>in</strong> rechtlicher oder tatsächlicher H<strong>in</strong>sicht u.U. so große Probleme<br />

aufwerfen, dass die Personalplanung mit e<strong>in</strong>em ungewöhnlichen Wagnis behaftet ist (2. VK<br />

Bund, B. v. 29.07.2009 - Az.: VK 2 – 87/09).<br />

<strong>8.</strong><strong>8.</strong>3 B<strong>in</strong>dung an die vergaberechtlichen Grundsätze<br />

(Transparenzgebot, Dokumentationspflicht, Angebotswertung)<br />

In der Sache ist der Auftraggeber bei der Ausschreibung e<strong>in</strong>er Rahmenvere<strong>in</strong>barung <strong>in</strong><br />

gleicher Weise wie bei der Vergabe e<strong>in</strong>es E<strong>in</strong>zelauftrags an die vergaberechtlichen<br />

Grundsätze gebunden. Infolge dessen hat er (u. a.) das Transparenzgebot sowie die Pflicht<br />

zur Dokumentation des Vergabeverfahrens und der dort getroffenen wesentlichen<br />

Entscheidungen zu beachten. Für ihn gelten überdies die Vorschriften über die<br />

Angebotswertung. Er muss folglich den Zuschlag auf dasjenige Angebot erteilen, welches<br />

unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte als das wirtschaftlichste ersche<strong>in</strong>t (OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 26.7.2002 - Az.: Verg 28/02).


1207/1<br />

1207/1,1<br />

1207/1,2<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

<strong>8.</strong><strong>8.</strong>4 Grenzen des vergaberechtlichen Anspruchs auf Angabe<br />

verlässlicher künftiger Umsatzzahlen bei Arzneimittel-<br />

Rabattverträgen<br />

Bei Arzneimittel-Rabattverträgen können die gesetzlichen Krankenkassen auf das<br />

Verschreibungsverhalten der Ärzte nur <strong>in</strong> sehr begrenztem Umfang e<strong>in</strong>wirken, was von<br />

den Bietern h<strong>in</strong>zunehmen ist. Die gesetzlichen Krankenkassen s<strong>in</strong>d, zum<strong>in</strong>dest derzeit, auch<br />

nicht <strong>in</strong> der Lage, genauere Kriterien für das Verkaufsverhalten der Apotheken und damit die<br />

voraussichtliche Umsatzentwicklung für die mehreren Vertragspartner je Wirkstoff zu<br />

benennen, da die Apotheken zwischen den mehreren vertraglich rabattierten<br />

wirkstoffgleichen Medikamenten frei auswählen können. Es ist auch im Rahmen dieser<br />

Entscheidung nicht zu untersuchen, <strong>in</strong>wieweit andere Vere<strong>in</strong>barungen mit den Apotheken<br />

rechtlich möglich wären, etwa entsprechend den übrigen wirkstoffgleichen Medikamenten,<br />

bei denen e<strong>in</strong>e preisbezogene Abstufung durchaus vorliegt (<strong>§</strong> 4 Abs. 2 des Rahmenvertrages<br />

über die Arzneimittelversorgung <strong>in</strong> der Fassung vom 23.03.2007). Der vergaberechtliche<br />

Anspruch auf Angabe verlässlicher künftiger Umsatzzahlen stößt auf se<strong>in</strong>e Grenzen, wo<br />

rechtlich oder aus Gründen der Versorgungssicherheit der Versicherten ke<strong>in</strong>e<br />

(weiteren) Konkretisierungen erfolgen können. Die letztlich nicht ausräumbaren<br />

Unsicherheiten über tatsächlich zu erzielende Umsätze werden dann <strong>in</strong> die Höhe der<br />

Rabattangebote e<strong>in</strong>fließen und wären gleichfalls von den Krankenkassen zu berücksichtigen,<br />

<strong>in</strong>dem sie etwa ke<strong>in</strong>e überzogenen Anforderungen an die Lieferfähigkeit stellen dürften, wie<br />

es z.B. <strong>in</strong> der Regelung zur Vertragsstrafe (Karenzzeit von 20 Werktagen) zum Ausdruck<br />

kommen kann (VK Düsseldorf, B. v. 31.10.2007 - Az.: VK - 31/2007 – L).<br />

Im Falle e<strong>in</strong>er Rahmenvere<strong>in</strong>barung ist gemäß <strong>§</strong> 3a Nr. 4 Abs. 1 Satz 2 <strong>GWB</strong> das <strong>in</strong> Aussicht<br />

genommene Auftragsvolumen so genau wie möglich zu ermitteln und zu beschreiben, braucht<br />

aber nicht abschließend festgelegt werden. In der Regelung spiegelt sich die Besonderheit<br />

des Rahmenvertrags wieder, die gerade darauf beruht, dass das konkrete<br />

Beschaffungsvolumen nur prognostiziert werden kann. Dies gilt aufgrund der<br />

Besonderheiten des Arzneimittelmarktes <strong>in</strong> besonderem Maße, da die Krankenkassen<br />

ke<strong>in</strong>en unmittelbaren E<strong>in</strong>fluss auf das Verordnungsverhalten der Ärzte haben, ganz zu<br />

schweigen von dem krankheitsabhängigen Bedarf der Versicherten. Es ist ausreichend,<br />

wenn die Krankenkassen die Verordnungszahlen aller Wirkstoffe <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>es<br />

Jahres (z.B. 2. Quartal 2007 bis 1. Quartal 2008) den Bietern mit den<br />

Verd<strong>in</strong>gungsunterlagen zur Verfügung stellen. Die Bieter können aus diesen Zahlen<br />

entnehmen, wie sich das Verschreibungsvolumen <strong>in</strong> diesem Jahreszeitraum entwickelt hat und<br />

daraus Schlüsse für die zu erwartenden Volum<strong>in</strong>a der nächsten 2 Jahre ziehen. Da weder die<br />

Krankenkassen noch die Pharmaunternehmen aber e<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf das Verhalten von<br />

Ärzten und Patienten haben, stellt die Mitteilung der Verordnungszahlen der Vergangenheit<br />

die e<strong>in</strong>zige – statistisch valide – Basis zur Prognostizierung des zu erwartenden<br />

Auftragsvolumens dar (3. VK Bund, B. v. 20.03.2009 – Az.: VK 3 – 34/09; B. v. 20.03.2009<br />

– Az.: VK 3 – 22/09; B. v. 29.01.2009 - Az.: VK 3 – 200/08; B. v. 29.01.2009 - Az.: VK 3 –<br />

197/08; B. v. 23.01.2009 - Az.: VK 3 - 194/08).<br />

Der Verzicht auf e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>destabnahmemenge oder e<strong>in</strong>e Umsatzgarantie ist nicht<br />

vergaberechtsfehlerhaft, wenn die Krankenkassen umfassendes Zahlenmaterial aus der<br />

Vergangenheit vorlegen, welches e<strong>in</strong>e realistische E<strong>in</strong>schätzung der zu liefernden Mengen<br />

ermöglicht. E<strong>in</strong>er weitergehenden Absicherung des Auftragnehmers über Umsatz- und/oder<br />

M<strong>in</strong>destabnahmemengen bedarf es nicht. Vielmehr müssen die Bieter e<strong>in</strong>e<br />

Angebotskalkulation unter Berücksichtigung gewisser, dem Rahmenvertrag


1207/1,5<br />

1207/2<br />

1208<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

<strong>in</strong>newohnender Unsicherheiten vornehmen. Die Angebotskalkulation e<strong>in</strong>es<br />

Rahmenvertrags-Angebots wird daher im Gegensatz zu e<strong>in</strong>em “normalen” Auftrag gewisse<br />

Unterschiede aufweisen und möglicherweise kalkulatorische Sicherheitszuschläge<br />

berücksichtigen müssen (3. VK Bund, B. v. 20.03.2009 – Az.: VK 3 – 34/09; B. v.<br />

20.03.2009 – Az.: VK 3 – 22/09; B. v. 29.01.2009 - Az.: VK 3 – 200/08; B. v. 29.01.2009 -<br />

Az.: VK 3 – 197/08; B. v. 23.01.2009 - Az.: VK 3 - 194/08).<br />

<strong>8.</strong><strong>8.</strong>5 Kalkulationspflichten e<strong>in</strong>es Bieters<br />

Es obliegt den Bietern, e<strong>in</strong>e Angebotskalkulation unter Berücksichtigung gewisser, e<strong>in</strong>em<br />

Rahmenvertrag typischerweise <strong>in</strong>newohnender Unsicherheiten vornehmen. Die<br />

Angebotskalkulation e<strong>in</strong>es Rahmenvertrags-Angebots wird daher im Gegensatz zu e<strong>in</strong>em<br />

“normalen” Auftrag gewisse Unterschiede aufweisen und möglicherweise kalkulatorische<br />

Sicherheitszuschläge berücksichtigen müssen (3. VK Bund, B. v. 26.03.2009 - Az.: VK 3 –<br />

43/09).<br />

<strong>8.</strong><strong>8.</strong>6 Microsoft-Select-Vertrag des Bundes<br />

Der „Microsoft-Select-Vertrag“ des Bundes ist ke<strong>in</strong> Rahmenvertrag im S<strong>in</strong>ne <strong>§</strong> 3 a Nr. 4<br />

VOL/A, da er von den „Beitretenden“ nicht mit dem oder den <strong>in</strong> Aussicht genommenen<br />

Leistungserbr<strong>in</strong>ger(n) der E<strong>in</strong>zelabrufe abgeschlossen wird. Der „Select-Vertrag“ soll es<br />

dem Hersteller vere<strong>in</strong>fachen, bestimmte Leistungskonditionen an Großabnehmer über<br />

Großhändler abzusetzen. Die Bundesländer und andere, die dem Select-Vertrag beitreten<br />

und hierfür e<strong>in</strong>en Handelpartner bestimmen, vergeben nicht mehrere Rahmenvere<strong>in</strong>barungen<br />

für dieselbe Leistung, da sie nicht wahlweise aus dem „Select-Vertrag“ oder aus (ggf.) ihrer<br />

Rahmenvere<strong>in</strong>barung mit e<strong>in</strong>em oder mehreren Handelspartnern abrufen könnten (VK<br />

Düsseldorf, B. v. 23.05.2008 - Az.: VK - 7/2008 – L).<br />

<strong>8.</strong><strong>8.</strong>7 Weitere Beispiele aus der Rechtsprechung<br />

• Rahmenvere<strong>in</strong>barung Postdienste bei Wahlen und Abstimmungen - Versand von<br />

Wahlsendungen bei Landtagswahlen, Volksabstimmungen, Volksentscheiden,<br />

Bundestags- und Europawahlen im Bundesland Hessen (VK Hessen, B. v. 19.02.2009<br />

- Az.: 69 d VK – 01/2009)<br />

• Rahmenvertrag über x86 basierende Serversysteme und SANComponenten (VK<br />

Düsseldorf, B. v. 29.04.2009 - Az.: VK - 2/2009 – L)<br />

• Rahmenvertrag gem. <strong>§</strong> 127 Abs. 1 SGB V zur VOL-Vergabe von<br />

Multifunktionsrollstühlen <strong>in</strong> zwei Losen (VK Schleswig-Holste<strong>in</strong>, B. v. 17.09.2008 -<br />

Az.: VK-SH 10/08)<br />

• Kauf und Lieferung von Büroartikeln für ca. 500 Dienststellen <strong>in</strong> Schleswig-<br />

Holste<strong>in</strong> (VK Schleswig-Holste<strong>in</strong>, B. v. 22.04.2008 - Az.: VK-SH 03/08)<br />

• Rahmenvere<strong>in</strong>barung über die Lieferung von Erfrischungsgetränken <strong>in</strong>klusive der<br />

Bereitstellung der dazu erforderlichen Postmix-Schankanlagen (3. VK Bund, B. v.<br />

26.05.2008 - Az.: VK 3 - 59/08)<br />

• Rahmenverträge über die Hauszustellung von aufsaugenden Inkont<strong>in</strong>enzartikeln<br />

(LSG Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen, B. v. 30.01.2009 - Az.: L 21 KR 1/08 SFB ; 2. VK Bund,


Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

B. v. 0<strong>8.</strong>02.2008 - VK 2 - 156/07; 3. VK Bund, B. v. 0<strong>8.</strong>02.2008 - Az.: VK 3 - 29/08;<br />

B. v. 06.02.2008 - Az.: VK 3 - 11/08; B. v. 05.02.2008 - Az.: VK 3 - 23/08; B. v.<br />

05.02.2008 - Az.: VK 3 - 17/08; B. v. 05.02.2008 - Az.: VK 3 - 08/08)<br />

• Durchführung allgeme<strong>in</strong>er Personaldienstleistungen <strong>in</strong> der Zentralen<br />

Bußgeldstelle der Polizei ... (VK Brandenburg, B. v. 12.09.2007 - Az.: VK 36/07)<br />

• Arzneimittel-Rabattverträge gemäß <strong>§</strong> 130a Abs. 8 SGB V (LSG Nordrhe<strong>in</strong>-<br />

Westfalen, B. v. 23.04.2009 - Az.: L 21 KR 36/09 SFB; B. v. 0<strong>8.</strong>04.2009 - Az.: L 21<br />

KR 27/09 SFB; B. v. 02.04.2009 - Az.: L 21 KR 35/09 SFB; B. v. 26.03.2009 - Az.: L<br />

21 KR 26/09 SFB; 3. VK Bund, B. v. 23.01.2009 - Az.: VK 3 - 194/08; B. v.<br />

15.0<strong>8.</strong>2008 - Az.: VK 3 – 107/08; 2. VK Bund, B. v. 22.0<strong>8.</strong>2008 - Az.: VK 2 – 73/08;<br />

B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 123/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 120/07, B. v.<br />

15.11.2007 - Az.: VK 2 - 117/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 114/07, B. v.<br />

15.11.2007 - Az.: VK 2 - 108/07, B. v. 15.11.2007 - Az.: VK 2 - 105/07; B. v.<br />

15.11.2007 - Az.: VK 2 - 102/07)<br />

• Durchführung von Straßentransporten zur Versorgung des deutschen<br />

E<strong>in</strong>satzkont<strong>in</strong>gents (1. VK Bund, B. v. 04.04.2007 - Az.: VK 1 – 23/07)<br />

• Transportdienstleistungen zur Versorgung der KFOR-Truppen (1. VK Bund, B. v.<br />

6.5.2002 - Az.: VK 1 - 17/02 - Z)<br />

• Versorgung des E<strong>in</strong>satzkont<strong>in</strong>gentes der ISAF-Truppen (1. VK Bund, B. v.<br />

13.11.2002 - Az.: VK 1 - 87/02)<br />

• Versorgung von E<strong>in</strong>satzkont<strong>in</strong>genten der Bundeswehr (1. VK Bund, B. v. 30.6.2003<br />

- Az.: VK 1 - 47/03)<br />

• Preise und Margen für auf der Straße zu transportierendes Stückgut ab e<strong>in</strong>em<br />

Gewicht von 31,5 kg sowie entsprechend zu transportierende Teil- und<br />

Komplettladungen ab e<strong>in</strong>em Gewicht von 2500 kg im gesamten Bundesgebiet (1. VK<br />

Bund, B. v. 30.1.2003 - Az.: VK 1 - 01/03)<br />

• Sicherstellung e<strong>in</strong>er flächendeckenden Grundversorgung mit ambulanten Hilfen<br />

(VK Rhe<strong>in</strong>land-Pfalz, B. v. 20. 1. 2003 - Az.: VK 31/02)<br />

• Beschaffung e<strong>in</strong>er betriebswirtschaftlichen Standardsoftware (OLG Dresden, B. v.<br />

13.7.2000 - Az.: WVerg 0003/00)<br />

• Lieferung von Zeiterfassungsterm<strong>in</strong>als (1. VK Bund, B. v. 1.7.2002 - Az.: VK 1 -<br />

33/02)<br />

• Lieferung von Arbeitsplatzcomputern (APC) mit Monitoren, Servern sowie<br />

Druckern (KG Berl<strong>in</strong>, B. v. 25.7.2000 - Az.: KartVerg 11/00, B. v. 30.<strong>8.</strong>2000 - Az.:<br />

KartVerg 13/00)<br />

• Lieferung und E<strong>in</strong>richtung von polizeilichen E<strong>in</strong>satz-, Leit und<br />

Unterstützungssystemen für Dienststellen des Bundesgrenzschutzes (OLG<br />

Düsseldorf, B. v. 17.7.2002 - Az.: Verg 30/02)<br />

• Lieferung und Errichtung von polizeilichen E<strong>in</strong>satz-, Leit- und<br />

Unterstützungssystemen (2. VK Bund, B. v. 5.9.2003 - Az.: VK 2 - 68/02)<br />

• polizeiliche Abschleppungen und Verwahrungen von Kraftfahrzeugen im<br />

Stadtgebiet und der die Stadt umgebenden Abschnitte der Bundesautobahnen (VK<br />

Hessen, B. v. <strong>8.</strong>2.2002 - Az.: 69 d VK - 49/2001)<br />

• Transport- und Hausarbeiteraufgaben <strong>in</strong>nerhalb und zwischen Dienstgebäuden und<br />

Transporte <strong>in</strong>nerhalb des Bundesgebietes (1. VK Bund, B. v. 19.9.2001 - Az.: VK 1 -<br />

33/01)<br />

• Konzeption und Entwicklung von Kommunikationsstrategien (1. VK Bund, B. v.<br />

2<strong>8.</strong>4.2003 - Az.: VK 1 - 19/03)


1209<br />

1210<br />

1211<br />

1212<br />

1212/1<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

<strong>8.</strong><strong>8.</strong>8 Ab dem 01.02.2006 geltendes Recht für Rahmenvere<strong>in</strong>barungen<br />

ab dem Schwellenwert<br />

<strong>8.</strong><strong>8.</strong><strong>8.</strong>1 Rundschreiben des Bundesm<strong>in</strong>isteriums für Wirtschaft und<br />

Technologie<br />

Ab dem 01.02.2006 gilt die Richtl<strong>in</strong>ie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des<br />

Rates vom 31. März 2004 über die Koord<strong>in</strong>ierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher<br />

Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge unmittelbar. Das<br />

Bundesm<strong>in</strong>isterium für Wirtschaft und Technologie hat dazu mit Rundschreiben vom<br />

26.01.2006 e<strong>in</strong>ige Erläuterungen veröffentlicht, die auch Rahmenvere<strong>in</strong>barungen betreffen.<br />

Die wichtigsten s<strong>in</strong>d nachfolgend aufgeführt.<br />

Mit Ausnahme von Sonderfällen, <strong>in</strong> denen dies <strong>in</strong>sbesondere aufgrund des Gegenstands der<br />

Rahmenvere<strong>in</strong>barung gerechtfertigt werden kann, darf die Laufzeit der<br />

Rahmenvere<strong>in</strong>barung vier Jahre nicht überschreiten. Der öffentliche Auftraggeber darf<br />

das Instrument der Rahmenvere<strong>in</strong>barung nicht missbräuchlich oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Weise anwenden,<br />

durch die der Wettbewerb beh<strong>in</strong>dert, e<strong>in</strong>geschränkt oder verfälscht wird. Dar<strong>in</strong> unterscheidet<br />

sich der Rahmenvertrag wesentlich z.B. von e<strong>in</strong>em klassischen Dienstleistungsauftrag.<br />

Die Praxis der Vergabe e<strong>in</strong>es unbefristeten öffentlichen Dienstleistungsauftrags ist an und für<br />

sich der Systematik und den Zielen der Geme<strong>in</strong>schaftsvorschriften über öffentliche<br />

Dienstleistungsaufträge fremd. E<strong>in</strong>e solche Praxis kann auf lange Sicht den Wettbewerb<br />

zwischen potenziellen Dienstleistungserbr<strong>in</strong>gern bee<strong>in</strong>trächtigen und die Anwendung der<br />

Vorschriften der Geme<strong>in</strong>schaftsrichtl<strong>in</strong>ien über die Öffentlichkeit der Verfahren zur Vergabe<br />

öffentlicher <strong>Aufträge</strong> verh<strong>in</strong>dern. Trotzdem verbietet das Geme<strong>in</strong>schaftsrecht bei se<strong>in</strong>em<br />

derzeitigen Stand nicht den Abschluss von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen auf<br />

unbestimmte Dauer (EuGH, Urteil vom 19.06.2008 – Az.: C-454/06).<br />

Rahmenvere<strong>in</strong>barungen können mit e<strong>in</strong>em oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern<br />

abgeschlossen werden. Für den letzteren Fall enthalten die Richtl<strong>in</strong>ie bzw. das<br />

Rundschreiben Regelungen zur Abwicklung der Rahmenvere<strong>in</strong>barung.<br />

Art. 41 Abs. 1 und Abs. 2 der Richtl<strong>in</strong>ie enthalten Regelungen über die Benachrichtigung<br />

von Bietern und Bewerbern (analog z.B. <strong>§</strong><strong>§</strong> 26a, 27 a VOL/A).<br />

<strong>8.</strong><strong>8.</strong><strong>8.</strong>2 Rahmenvere<strong>in</strong>barungen für VOF-Leistungen<br />

Weder für den 2. Abschnitt der VOB/A noch für den Bereich der VOF bestehen derzeit<br />

vergleichbare Regelungen wie <strong>in</strong> der VOL/A, der deutsche Gesetzgeber hat für diese<br />

Bereiche se<strong>in</strong> Ermessen negativ ausgeübt. So sahen die ersten Entwurfsfassungen der<br />

Dritten Verordnung zur Änderung der Vergabeverordnung (Stand 0<strong>8.</strong>05.2006 bzw.<br />

2<strong>8.</strong>06.2006) zunächst vor, dass <strong>§</strong> 3 Absatz 8 Satz 2 VgV, der die Legaldef<strong>in</strong>ition der<br />

Rahmenvere<strong>in</strong>barung enthält, aufgehoben werde. Hiergegen wandte sich die Empfehlung des<br />

Bundesrates vom 22.09.2006 mit folgender Begründung: „Mit Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe c der<br />

Vorlage soll die Legaldef<strong>in</strong>ition der Rahmenvere<strong>in</strong>barung <strong>in</strong> <strong>§</strong> 3 Abs. 8 Satz 2 VgV<br />

gestrichen werden, weil diese Def<strong>in</strong>ition <strong>in</strong> <strong>§</strong> 3a Nr. 4 VOL/A Abschnitt 2, <strong>§</strong> 5b VOL/A<br />

Abschnitt 3 und <strong>§</strong> 4 SKR VOL/A Abschnitt 4 enthalten ist (Ausgabe 2006). Das rechtfertigt<br />

aber nicht die Streichung, weil damit die Rechtsanwendung unklar wird. Die Def<strong>in</strong>ition des


1213<br />

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1214/1<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Rahmenvertrages ist nicht <strong>in</strong> der Vergabe- und Vertragsordnung (VOB/A - Ausgabe 2006)<br />

und nicht <strong>in</strong> der Verd<strong>in</strong>gungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF - Ausgabe 2006)<br />

enthalten. Daraus könnte der Schluss gezogen werden, dass Rahmenvere<strong>in</strong>barungen dort nicht<br />

möglich seien, obwohl das Artikel 14 der Richtl<strong>in</strong>ie 2004/17/EG und Artikel 32 der Richtl<strong>in</strong>ie<br />

2004/18/EG für alle Beschaffungsgegenstände und damit auch für den Bau- und<br />

Dienstleistungsbereich allgeme<strong>in</strong> zulässt. Der Begriff der Rahmenvere<strong>in</strong>barung ist zudem im<br />

deutschen Rechtskreis mit Blick auf den Begriff des Rahmenvertrags noch nicht<br />

Allgeme<strong>in</strong>gut, sodass dieser mit den EG-Richtl<strong>in</strong>ien rechtsförmlich e<strong>in</strong>geführte Begriff e<strong>in</strong>er<br />

Erläuterung bedarf.“ Es ist mith<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>eswegs so, dass dem deutschen Gesetzgeber<br />

h<strong>in</strong>sichtlich der Umsetzung des Artikel 32 der Vergabekoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie <strong>in</strong> der<br />

VOF e<strong>in</strong> Ermessensausfall vorzuwerfen wäre. Vielmehr ist festzustellen, dass er sich mit<br />

dem Thema der Rahmenvere<strong>in</strong>barung explizit beschäftigt hat, gleichwohl e<strong>in</strong>e konkrete<br />

Umsetzung <strong>in</strong> der VOF unterlassen hat. E<strong>in</strong>e analoge Anwendung der Bestimmungen<br />

der VOL/A scheidet mith<strong>in</strong> – mangels Vorliegens e<strong>in</strong>er außerordentlichen bzw.<br />

planwidrigen Gesetzeslücke - jedenfalls für die VOF damit aus. Demzufolge s<strong>in</strong>d<br />

Rahmenvere<strong>in</strong>barungen für Dienstleistungen nach der VOF nach derzeit geltender<br />

Rechtslage unzulässig (1. VK Sachsen, B. v. 25.01.2008 - Az.: 1/SVK/088-07).<br />

<strong>8.</strong><strong>8.</strong><strong>8.</strong>3 Rahmenvere<strong>in</strong>barungen für Baumaßnahmen<br />

Nach e<strong>in</strong>er Auffassung können Rahmenvere<strong>in</strong>barungen aufgrund der unmittelbar<br />

geltenden neuen Vergabekoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie (Richtl<strong>in</strong>ie 200/18/EG) auch für<br />

Baumaßnahmen abgeschlossen werden (VK Arnsberg, B. v. 21.02.2006 - Az.: VK 29/05).<br />

Nach Auffassung der 1. VK Sachsen h<strong>in</strong>gegen s<strong>in</strong>d Rahmenvere<strong>in</strong>barungen für<br />

Bauleistungen nach der VOB/A nach derzeit geltender Rechtslage unzulässig (1. VK<br />

Sachsen, B. v. 25.01.2008 - Az.: 1/SVK/088-07); vgl. die Kommentierung RZ 1212/1.<br />

<strong>8.</strong><strong>8.</strong><strong>8.</strong>4 Zeitliche Befristung<br />

Nach der neuen Vergabekoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie s<strong>in</strong>d Rahmenverträge und<br />

Rahmenvere<strong>in</strong>barungen auf 4 Jahre zu beschränken. Die Vorschrift gilt entsprechend seit dem<br />

1.2.2006 auch im nationalen <strong>Vergaberecht</strong>. Aber auch vor diesem Zeitpunkt waren<br />

Rahmenverträge so zu befristen, dass der Wettbewerb nicht über die Gebühr gestört war, denn<br />

damals wie heute dürfen Rahmenvere<strong>in</strong>barungen nicht missbraucht werden, den Wettbewerb<br />

zu verh<strong>in</strong>dern , e<strong>in</strong>zuschränken oder zu verfälschen. E<strong>in</strong>e langfristige Festlegung über 25<br />

Jahre und mehr im Rahmen e<strong>in</strong>es Vertrages ist wettbewerblich ohne stichhaltigen<br />

Grund nicht h<strong>in</strong>nehmbar (VK Arnsberg, B. v. 21.02.2006 - Az.: VK 29/05).<br />

Die vorgesehene Laufzeit e<strong>in</strong>es Rahmenvertrages über den Versand von Wahlsendungen<br />

bei Landtagswahlen, Volksabstimmungen, Volksentscheiden, Bundestags- und Europawahlen<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Bundesland über fünf Jahre ist durch das hohe Maß an Kont<strong>in</strong>uität <strong>in</strong> der<br />

Organisation bed<strong>in</strong>gt und schließt wechselnde Vertragspartner von Wahl zu Wahl aus (VK<br />

Hessen, B. v. 19.02.2009 - Az.: 69 d VK – 01/2009).<br />

<strong>8.</strong><strong>8.</strong>9 Zeitverträge nach der VOB/A


1215<br />

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Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Zu den Zeitverträgen nach der VOB/A - als praktisch sehr wichtige Fälle der<br />

Rahmenvere<strong>in</strong>barung - vgl. die Kommentierung zu <strong>§</strong> 6 VOB/A und die Kommentierung RZ<br />

1213.<br />

<strong>8.</strong><strong>8.</strong>10 Vertragspartner e<strong>in</strong>es Rahmenvertrages<br />

<strong>8.</strong><strong>8.</strong>10.1 Allgeme<strong>in</strong>es<br />

Rahmenvere<strong>in</strong>barungen s<strong>in</strong>d gemäß <strong>§</strong> 3 a Nr. 4 Abs. 1 VOL/A öffentliche <strong>Aufträge</strong>, die<br />

Auftraggeber an e<strong>in</strong> oder mehrere Unternehmen vergeben können, um die Bed<strong>in</strong>gungen<br />

für E<strong>in</strong>zelaufträge, die während e<strong>in</strong>es bestimmten Zeitraumes vergeben werden sollen, vorab<br />

festzulegen, <strong>in</strong>sbesondere bezüglich des <strong>in</strong> Aussicht genommenen Preises. Nach <strong>§</strong> 3 a Nr. 4<br />

Abs. 6 VOL/A erfolgt die Vergabe von E<strong>in</strong>zelaufträgen, die auf e<strong>in</strong>er mit mehreren<br />

Unternehmen geschlossenen Rahmenvere<strong>in</strong>barung beruhen, a) sofern alle Bed<strong>in</strong>gungen<br />

festgelegt s<strong>in</strong>d, nach den Bed<strong>in</strong>gungen der Rahmenvere<strong>in</strong>barung ohne erneuten Aufruf zum<br />

Wettbewerb oder b) sofern nicht alle Bed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> der Rahmenvere<strong>in</strong>barung festgelegt<br />

s<strong>in</strong>d, nach erneutem Aufruf der Parteien zum Wettbewerb zu denselben Bed<strong>in</strong>gungen, die<br />

erforderlichenfalls zu präzisieren s<strong>in</strong>d, oder nach anderen, <strong>in</strong> den Verd<strong>in</strong>gungsunterlagen der<br />

Rahmenvere<strong>in</strong>barung genannten Bed<strong>in</strong>gungen (2. VK Bund, B. v. 0<strong>8.</strong>02.2008 - VK 2 -<br />

156/07).<br />

<strong>8.</strong><strong>8.</strong>10.2 Rahmenvere<strong>in</strong>barungen mit mehreren Vertragspartnern<br />

H<strong>in</strong>tergrund für die Schaffung des modernen <strong>Vergaberecht</strong>s und dessen durch die<br />

europäischen Vergaberichtl<strong>in</strong>ien vorgegebenes erklärtes Ziel ist die Gewährleistung e<strong>in</strong>er<br />

gleichberechtigten Teilhabe aller <strong>in</strong>teressierten <strong>in</strong>- und ausländischen Marktteilnehmer an der<br />

Vergabe öffentlicher <strong>Aufträge</strong>. Diese Teilhabe hat nach den grundlegenden Vorgaben im<br />

Wege transparenter Verfahren zu erfolgen, die erkennen lassen und im Ergebnis auch<br />

gewährleisten, dass nicht willkürlich oder gar diskrim<strong>in</strong>ierend verfahren wird. Von e<strong>in</strong>er<br />

Teilhabe an öffentlichen <strong>Aufträge</strong>n kann aber nur dann gesprochen werden, wenn auch<br />

wirklich wirtschaftlich am Auftrag partizipiert wird. Es nutzt e<strong>in</strong>em Marktteilnehmer<br />

nichts, wenn er zwar formal betrachtet Vertragspartner e<strong>in</strong>es öffentlichen<br />

Auftraggebers ist, der Vertrag jedoch wirtschaftlich <strong>in</strong>s Leere läuft, weil ke<strong>in</strong> Abruf<br />

hieraus erfolgt. Übertragen auf den Abschluss von Rahmenverträgen nach <strong>§</strong> 3a Nr. 4 VOL/A<br />

bedeutet dies, dass für e<strong>in</strong>en Interessenten am Auftrag bei e<strong>in</strong>er wirtschaftlichen<br />

Betrachtungsweise – und diese entspricht der das europäische <strong>Vergaberecht</strong> prägenden<br />

funktionalen Sichtweise - der E<strong>in</strong>zelabruf im Vordergrund steht; erst der E<strong>in</strong>zelabruf<br />

begründet den synallagmatischen Austauschvertrag, der konkrete Zahlungsansprüche des<br />

Auftragnehmers entstehen lässt. Es wäre mit der geschilderten Intention des<br />

<strong>Vergaberecht</strong>s nicht zu vere<strong>in</strong>baren, wenn man zwar das Verfahren bis zum Abschluss<br />

e<strong>in</strong>es Rahmenvertrags e<strong>in</strong>em dezidierten <strong>Vergaberecht</strong>sregime unterwerfen würde,<br />

dann aber auf der zweiten und wirtschaftlich maßgeblichen Stufe des E<strong>in</strong>zelabrufs dem<br />

Auftraggeber völlig freie Hand h<strong>in</strong>sichtlich der Auswahl zwischen mehreren<br />

Vertragspartnern ließe. Der E<strong>in</strong>zelabruf wäre dann nicht mehr transparent, Willkürfreiheit<br />

und Nichtdiskrim<strong>in</strong>ierung als Entscheidungsmaßstab nicht mehr zu gewährleisten (LSG<br />

Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen, B. v. 03.09.2009 - Az.: L 21 KR 51/09 SFB; 3. VK Bund, B. v.<br />

03.0<strong>8.</strong>2009 - VK 3 - 145/09; B. v. 24.07.2009 - VK 3 - 136/09).


1215/0,12<br />

1215/0,13<br />

1215/0,14<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Diese Überlegungen machen bereits sehr deutlich, dass die allgeme<strong>in</strong>en vergaberechtlichen<br />

Grundsätze nicht bei der Vergabe der Rahmenvere<strong>in</strong>barung als solcher stehen bleiben<br />

können. Sie haben vielmehr auch für die zweite Stufe von Rahmenverträgen, nämlich<br />

für den E<strong>in</strong>zelabruf zu gelten. Willkürfreiheit und Nichtdiskrim<strong>in</strong>ierung bei der<br />

Entscheidung über den jeweiligen E<strong>in</strong>zelabruf s<strong>in</strong>d sicher zu stellen, <strong>in</strong>dem auch hier e<strong>in</strong><br />

transparentes Verfahren etabliert und praktiziert wird. E<strong>in</strong> solches Verfahren liegt <strong>in</strong> der<br />

vorherigen Festlegung und – selbstverständlich - der vorherigen Bekanntmachung e<strong>in</strong>er<br />

Auswahlsystematik zwischen mehreren Partnern e<strong>in</strong>er Rahmenvere<strong>in</strong>barung. Andernfalls ist<br />

die Gefahr gegeben, dass e<strong>in</strong> Vertragspartner zwar formal den Zuschlag erhalten hat, nämlich<br />

auf den Rahmenvertrag, wirtschaftlich gesehen jedoch ke<strong>in</strong>en oder nur e<strong>in</strong>en ger<strong>in</strong>gen Vorteil<br />

hat, weil er beim E<strong>in</strong>zelabruf benachteiligt wird (3. VK Bund, B. v. 03.0<strong>8.</strong>2009 - VK 3 -<br />

145/09; B. v. 24.07.2009 - VK 3 - 136/09).<br />

Bei Rahmenverträgen über Arzneimittel kommt h<strong>in</strong>zu, dass die über die E<strong>in</strong>zelabrufe aus<br />

e<strong>in</strong>em Rahmenvertrag absetzbare Menge e<strong>in</strong>e Rückwirkung auf die Kalkulation der Angebote<br />

hat. Je größer die zu erwartende Absatzmenge, desto ger<strong>in</strong>ger dürfte <strong>in</strong> der Regel der Preis<br />

se<strong>in</strong> bzw. desto höher der Rabatt. Das Gesamtvolumen des Rabattvertrags ist also<br />

unmittelbar kalkulationsrelevant. Hier ist zu berücksichtigen, dass e<strong>in</strong><br />

Unsicherheitsfaktor h<strong>in</strong>sichtlich der Gesamtabnahmemenge zwar e<strong>in</strong>erseits <strong>in</strong> der<br />

Natur von Rahmenvere<strong>in</strong>barungen liegt und daher h<strong>in</strong>zunehmen ist; andernfalls wäre<br />

dieses Instrument obsolet. In den konkreten Zusammenhängen sozialrechtlicher<br />

Rabattverträge fällt aber auf der anderen Seite <strong>in</strong>s Gewicht, dass die Bieter hier ohneh<strong>in</strong><br />

mit e<strong>in</strong>em im Vergleich zu Rahmenverträgen <strong>in</strong> anderen Bereichen zusätzlichen<br />

Unsicherheitsfaktor konfrontiert werden, nämlich der Durchsetzungsquote des<br />

Rabattvertrags. In anderen Bereichen kann <strong>in</strong> der Regel e<strong>in</strong> guter Rückschluss von<br />

Verbrauchszahlen aus der Vergangenheit auf den zukünftigen Verbrauch gezogen werden,<br />

woh<strong>in</strong>gegen bei den Rabattverträgen nicht davon ausgegangen werden kann, dass das gesamte<br />

Verordnungsvolumen zu Lasten e<strong>in</strong>er gesetzlichen Krankenkasse aus der Vergangenheit mit<br />

e<strong>in</strong>em bestimmten Wirkstoff auf den Rabattvertragspartner zulaufen wird. Ursächlich hierfür<br />

ist, dass die Aufteilung dieser Gesamtmenge auf Rabattvertragsprodukte e<strong>in</strong>erseits und<br />

rabattfreie Produkte andererseits determ<strong>in</strong>iert wird durch das Verordnungsverhalten der Ärzte<br />

sowie durch das Substitutionsverhalten der Apotheker; beides ist mit nicht vorhersehbaren<br />

Unsicherheiten belastet, wobei nur das Stichwort Ausschluss der aut-idem-<br />

Ersetzungsbefugnis genannt sei. Auch diese Unwägbarkeiten liegen <strong>in</strong> der Natur<br />

sozialrechtlicher Rabattverträge und s<strong>in</strong>d den Bietern im Ergebnis zuzumuten (3. VK<br />

Bund, B. v. 03.0<strong>8.</strong>2009 - VK 3 - 145/09; B. v. 24.07.2009 - VK 3 - 136/09).<br />

Stellt man nun aber die konkrete Auswahlentscheidung zwischen mehreren<br />

Vertragspartnern auch noch völlig frei von Kriterien, so ist nicht im Vorh<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>schätzbar, wie sich das Gesamtvolumen auf die drei Rabattvertragspartner verteilen<br />

wird. Den Bietern wird damit noch über die ohneh<strong>in</strong> im Vergleich zu üblichen<br />

Rahmenverträgen bestehenden Zusatzbelastungen h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>e weitere<br />

Kalkulationsunsicherheit aufgebürdet. Dies überschreitet die Grenze zum<br />

ungewöhnlichen Wagnis, das auch unmittelbare Kalkulationsrelevanz besitzt, <strong>§</strong> 8 Nr. 1<br />

Abs. 3 VOL/A. Mit sozialrechtlichen Besonderheiten kann diese Unsicherheit nicht<br />

gerechtfertigt werden, <strong>in</strong>sbesondere da es hier ja – anders als bei den Unwägbarkeiten<br />

h<strong>in</strong>sichtlich der Durchsetzungsquote des Rabattvertrags - durchaus die Möglichkeit gibt, diese<br />

Kalkulationsunsicherheit zu vermeiden, <strong>in</strong>dem man Auswahlparameter vorgibt. Auch <strong>§</strong> 69<br />

Abs. 2 Satz 3 SGB V kann ke<strong>in</strong>en <strong>Vergaberecht</strong>sverstoß legitimieren, der auch vermeidbar<br />

wäre (3. VK Bund, B. v. 03.0<strong>8.</strong>2009 - VK 3 - 145/09; B. v. 24.07.2009 - VK 3 - 136/09).


1215/0,15<br />

1215/0,16<br />

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Die auf der Basis von <strong>§</strong> 129 Abs. 2 SGB V <strong>in</strong> Gestalt des „Rahmenvertrags zwischen den<br />

Spitzenverbänden der Krankenkassen und dem deutschen Apothekerverband über die<br />

Arzneimittelversorgung nach <strong>§</strong> 129 Abs. 2 SGBV“, Fassung vom 17.1.2008, ergangene<br />

untergesetzliche Regelung entspricht den vergaberechtlichen Vorgaben ebenfalls nicht.<br />

Dort wird gerade ke<strong>in</strong> Auswahlmechanismus zwischen mehreren<br />

Rabattvertragspartnern und deren Produkten formuliert, sondern vielmehr explizit die<br />

hier als vergaberechtswidrig qualifizierte Lösung festgeschrieben: <strong>§</strong> 4 Abs. 2 Satz 5 dieser<br />

Vere<strong>in</strong>barung sieht gerade vor, dass der Apotheker frei <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Auswahlentscheidung ist,<br />

wenn es mehrere rabattbegünstige Präparate gibt. Diese, von Auswahlkriterien losgelöste<br />

Freiheit des Apothekers als letztendlichem Entscheidungsträger stellt aber gerade das Problem<br />

dar und kann nicht, wie die Krankenkasse das unter H<strong>in</strong>weis auf sozialrechtliche<br />

Besonderheiten und auf <strong>§</strong> 69 Abs. 2 S. 3 SGB V <strong>in</strong>tendiert, als verme<strong>in</strong>tliche „Exkulpation“<br />

für das Fehlen e<strong>in</strong>es Auswahlsystems dienen. Die Entscheidungsfreiheit des Apothekers und<br />

die Kriterien, die der <strong>in</strong>dividuelle Apotheker jeweils ad hoc als für sich am günstigsten<br />

heranzieht, können auch unter Berücksichtigung der sozialrechtlichen Gegebenheiten nicht als<br />

legitimes Auswahlsystem angesehen werden, da den europarechtlich geforderten<br />

vergaberechtlichen Vorgaben dann nicht entsprochen wäre. Es verhält sich vielmehr<br />

andersherum: Es ist vergaberechtswidrig, dem Apotheker ungesteuert die<br />

Entscheidungsfreiheit zu überlassen (3. VK Bund, B. v. 03.0<strong>8.</strong>2009 - VK 3 - 145/09; B. v.<br />

24.07.2009 - VK 3 - 136/09).<br />

Anderer Auffassung ist das LSG Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen. Haben die Krankenkassen <strong>in</strong> den<br />

Rahmenrabattverträgen vorgesehen, dass sich die Abgabe der im E<strong>in</strong>zelfall verordneten<br />

Arzneimittel durch den Apotheker nach den allgeme<strong>in</strong>en - für von Rabattverträgen erfasste<br />

Arzneimittel - geltenden gesetzlichen und kollektivvertraglichen Regelungen vollzieht,<br />

knüpfen die Krankenkassen an die vom Gesetzgeber geschaffene Systematik h<strong>in</strong>sichtlich der<br />

Arzneimittelversorgung der Versicherten an. Die vergaberechtliche Beurteilung der diese<br />

Arzneimittelversorgung regelnden Vorschriften hat die sozialversicherungsrechtliche<br />

Regelung <strong>in</strong> <strong>§</strong> 69 Abs. 2 Satz 3 SGB V zu beachten, denn hier ist angeordnet, dass bei der<br />

Anwendung der vergaberechtlichen Vorschriften des <strong>GWB</strong> der Versorgungsauftrag der<br />

gesetzlichen Krankenkassen besonders zu berücksichtigen ist. Diese Versorgung betrifft und<br />

regelt - gleichsam als Kehrseite - zugleich die Vergabe der E<strong>in</strong>zelaufträge an den<br />

pharmazeutischen Unternehmer. Mit <strong>§</strong> 129 Abs. 2 Satz 3 SGB V sowie dem auf der<br />

gesetzlichen Ermächtigung des <strong>§</strong> 129 Abs. 2 SGB V beruhenden Rahmenvertrag (<strong>in</strong> der zur<br />

Zeit gültigen Fassung vom 17.01.2009) hat der Gesetzgeber den Krankenkassen e<strong>in</strong><br />

Instrumentarium an die Hand gegeben, das (auch) die Versorgung der Versicherten mit<br />

Arzneimitteln, für die e<strong>in</strong> Rabattvertrag besteht, regelt. <strong>§</strong> 4 des Rahmenvertrages vom<br />

17.01.2008 trifft detaillierte Regeln darüber, nach welchen Grundsätzen rabattierte<br />

Arzneimittel vom Apotheker abzugeben (oder: wie E<strong>in</strong>zelaufträge zu vergeben) s<strong>in</strong>d. Damit<br />

weist der Gesetzgeber dem Apotheker e<strong>in</strong>e verantwortliche Rolle bei der Erfüllung des<br />

Versorgungsanspruchs des Versicherten zu. Dieses vom Gesetzgeber geschaffene System,<br />

dass die Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen mit<br />

Arzneimitteln sicherstellt und dabei die Grundsätze der Qualität und der<br />

Wirtschaftlichkeit beachtet (<strong>§</strong> 70 SGB V), genügt auch den Anforderungen des<br />

<strong>Vergaberecht</strong>s. Die nach dem Rahmenrabattvertrag vorgesehene Regelung zur Vergabe<br />

der E<strong>in</strong>zelaufträge beachtet die Grundsätze der Transparenz und<br />

Diskrim<strong>in</strong>ierungsfreiheit <strong>in</strong> h<strong>in</strong>reichendem Maße (LSG Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen, B. v.<br />

03.09.2009 - Az.: L 21 KR 51/09 SFB; im Ergebnis nun ebenfalls 3. VK Bund, B. v.<br />

29.09.2009 - Az.: VK 3 - 166/09).


1215/0,17<br />

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An dieser E<strong>in</strong>schätzung ändert sich auch nichts dadurch, dass für den <strong>in</strong> <strong>§</strong> 4 Abs. 2 Satz 5<br />

Rahmenvertrag geregelten Fall, dass die Anwendung dieser Regeln (nach <strong>§</strong> 4 Abs. 2 Satz 1<br />

Rahmenvertrag) zu dem Ergebnis führt, dass diese Voraussetzungen bei e<strong>in</strong>er Krankenkasse<br />

auf mehrere rabattbegünstigte Arzneimittel zutreffen, der Apotheke unter diesen e<strong>in</strong> freies<br />

Wahlrecht e<strong>in</strong>geräumt wird (<strong>§</strong> 4 Abs. 2 Satz 2). Dabei darf der Begriff des "freien<br />

Wahlrechts" nicht <strong>in</strong> dem S<strong>in</strong>ne missverstanden werden, dass dem Apotheker damit<br />

willkürliches Handeln gestattet würde. Auch hier bleibt die B<strong>in</strong>dung an die allgeme<strong>in</strong>en<br />

Grundsätze des SGB V, etwa die <strong>in</strong> <strong>§</strong> 70 SGB V normierten Grundsätze, erhalten.<br />

Gerade deshalb hat der Apotheker bei se<strong>in</strong>er Entscheidung über das im konkreten E<strong>in</strong>zelfall<br />

abzugebende Arzneimittel auch <strong>in</strong> der Person des Versicherten liegende Gesichtspunkte,<br />

wie z.B. den der Compliance oder den der Verträglichkeit (Nebenwirkungen bei gleichem<br />

Wirkstoff aber unterschiedlichen Trägersubstanzen), zu beachten (LSG Nordrhe<strong>in</strong>-<br />

Westfalen, B. v. 03.09.2009 - Az.: L 21 KR 51/09 SFB; im Ergebnis nun ebenfalls 3. VK<br />

Bund, B. v. 29.09.2009 - Az.: VK 3 - 166/09).<br />

Soll bei e<strong>in</strong>er mit mehreren Unternehmen geschlossenen Rahmenvere<strong>in</strong>barung die Vergabe<br />

von E<strong>in</strong>zelaufträgen nach erneutem Aufruf zum Wettbewerb erfolgen, ist dies zulässig,<br />

wenn der Auftraggeber noch nicht alle Bed<strong>in</strong>gungen für den E<strong>in</strong>zelvertrag im<br />

Rahmenvertrag festgelegt hat, z.B. wenn er den Preis als sogenannten Maximalpreis<br />

ausgestaltet und im nachfolgenden „M<strong>in</strong>iwettbewerb“ zwischen den Beteiligten der<br />

Rahmenvere<strong>in</strong>barung e<strong>in</strong>en nochmaligen Preiswettbewerb erwartet. Dies entspricht den<br />

Vorgaben des <strong>§</strong> 3a Nr. 4 Abs. 6 VOL/A bzw. Art. 32 der Richtl<strong>in</strong>ie 2004/18/EG. Es liegt bei<br />

e<strong>in</strong>er mit mehreren Unternehmen geschlossenen Rahmenvere<strong>in</strong>barung im<br />

Gestaltungsspielraum e<strong>in</strong>er Vergabestelle, von vornhere<strong>in</strong> alle Bed<strong>in</strong>gungen verb<strong>in</strong>dlich<br />

festzulegen oder dies zu unterlassen. Die Festlegung/Nichtfestlegung kann sich auf die<br />

Palette der Waren, die Mengen und die Preise beziehen (2. VK Bund, B. v. 0<strong>8.</strong>02.2008 -<br />

VK 2 - 156/07).<br />

Es obliegt dem Auftraggeber gemäß <strong>§</strong> 3 a Nr. 4 Abs. 6 lit. b VOL/A im Rahmen der<br />

Verd<strong>in</strong>gungsunterlagen zu entscheiden, nach welchen Bed<strong>in</strong>gungen der nochmalige<br />

Wettbewerb durchgeführt wird. Entweder werden dieselben Bed<strong>in</strong>gungen (nämlich die<br />

der Rahmenvere<strong>in</strong>barung), die gegebenenfalls zu präzisieren s<strong>in</strong>d, oder andere, <strong>in</strong> den<br />

Verd<strong>in</strong>gungsunterlagen der Rahmenvere<strong>in</strong>barung genannte Bed<strong>in</strong>gungen zu Grunde<br />

gelegt (2. VK Bund, B. v. 0<strong>8.</strong>02.2008 - VK 2 - 156/07).<br />

Bei e<strong>in</strong>em Rahmenvertrag mit mehreren Vertragspartnern betreffen die Regelungen für<br />

die Vergabe der E<strong>in</strong>zelaufträge nicht alle<strong>in</strong> die Phase der Vertragsausführung nach<br />

Auswahl der Rabattvertragspartner. Zwar werden die E<strong>in</strong>zelaufträge erst nach Erteilung<br />

des Zuschlags für die Rahmenverträge abgeschlossen. Die Kriterien für die Auswahl<br />

zwischen den Vertragspartnern pro Los bee<strong>in</strong>flussen jedoch bereits die Kalkulation der<br />

Rabattvertragsangebote, so dass nicht auszuschließen ist, dass z.B. e<strong>in</strong>e Änderung der<br />

nachgelagerten Auswahlkriterien sich auch auf den vorgelagerten Wettbewerb um die<br />

Rahmenverträge auswirkt (2. VK Bund, B. v. 26.05.2009 - Az.: VK 2 – 30/09).<br />

Die Maßstäbe, denen die Auswahlentscheidung bei e<strong>in</strong>em Rahmenvertrag mit mehreren<br />

Vertragspartnern auf der nachgelagerten Ebene der E<strong>in</strong>zelvertragsvergabe genügen<br />

muss, ergeben sich aus <strong>§</strong> 3a Nr. 4 Abs. 6 Buchst. a VOL/A i.V.m. Art. 32 Abs. 4 Unterabs. 2,<br />

1. Spiegelstrich der Richtl<strong>in</strong>ie 2004/18/EG (Vergabekoord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie – VKR). Die<br />

genannten Vorschriften s<strong>in</strong>d dann e<strong>in</strong>schlägig, wenn alle Vertragsbed<strong>in</strong>gungen,<br />

<strong>in</strong>sbesondere z.B. die Höhe des Rabattes, bereits <strong>in</strong> der Rahmenvere<strong>in</strong>barung festgelegt<br />

s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong> erneuter Aufruf zum Wettbewerb gemäß <strong>§</strong> 3a Nr. 4 Abs. 6 Buchst. b i.V.m. Abs. 7


1215/0,6<br />

1215/0,7<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

VOL/A hätte demgegenüber nur dann zu erfolgen, wenn <strong>in</strong> der Rahmenvere<strong>in</strong>barung noch<br />

nicht sämtliche Vertragsbed<strong>in</strong>gungen festgelegt wären. Dass mit „Bed<strong>in</strong>gungen“ die<br />

Vertragsbed<strong>in</strong>gungen, nicht aber die Auswahlkriterien für die Vergabe der E<strong>in</strong>zelaufträge<br />

geme<strong>in</strong>t s<strong>in</strong>d, ist <strong>in</strong> den Erläuterungen der Europäischen Kommission zu<br />

Rahmenvere<strong>in</strong>barungen klargestellt. Besondere Anforderungen h<strong>in</strong>sichtlich der<br />

Zuschlagskriterien für die Vergabe der E<strong>in</strong>zelaufträge stellt <strong>§</strong> 3 a Nr. 4 Abs. 6 Buchst. a<br />

VOL/A dagegen nicht auf. Nach zutreffender allgeme<strong>in</strong>er Auffassung bedeutet dies<br />

allerd<strong>in</strong>gs nicht, dass der Auftraggeber nach Abschluss e<strong>in</strong>es alle Vertragsbed<strong>in</strong>gungen<br />

regelnden Rahmenvertrages frei darüber entscheiden könnte, welchem der<br />

Vertragspartner er die E<strong>in</strong>zelaufträge erteilt. Fraglich ist alle<strong>in</strong>, ob er <strong>in</strong>soweit an die<br />

Zuschlagskriterien nach <strong>§</strong> 25 Nr. 3 VOL/A gebunden ist oder lediglich den allgeme<strong>in</strong>en<br />

vergaberechtlichen Forderungen nach Transparenz und Diskrim<strong>in</strong>ierungsfreiheit<br />

genügen muss. Da mit <strong>§</strong> 3a Nr. 4 VOL/A e<strong>in</strong>e europarechtliche Regelung <strong>in</strong> das nationale<br />

Recht übertragen wird, liegt es nahe, von dem europarechtlichen Verständnis auszugehen,<br />

wie es die Kommission <strong>in</strong> ihren Erläuterungen dargelegt hat. In diesen Erläuterungen verweist<br />

die Kommission h<strong>in</strong>sichtlich der Zuschlagskriterien für die E<strong>in</strong>zelauftragsvergabe gerade<br />

nicht auf Art. 53 VKR, dem Art. 25 Nr. 3 VOL/A entspricht, sondern auf die <strong>in</strong> Art. 2 der<br />

Richtl<strong>in</strong>ie genannten Pr<strong>in</strong>zipien der Transparenz und Nichtdiskrim<strong>in</strong>ierung (2. VK<br />

Bund, B. v. 26.05.2009 - Az.: VK 2 – 30/09).<br />

Als Beispiel für e<strong>in</strong>en möglichen Auswahlmechanismus nennt die Kommission zwar an<br />

erster Stelle e<strong>in</strong> „Kaskadenverfahren“, <strong>in</strong> dem zunächst der wirtschaftlichste Bieter<br />

angefragt wird und der Zweitplazierte nur dann zum Zuge kommt, wenn der Erstplazierte<br />

nicht lieferfähig ist. Sie stellt jedoch klar, dass auch andere Auswahlkriterien angewandt<br />

werden können, sofern sie objektiv, transparent und diskrim<strong>in</strong>ierungsfrei s<strong>in</strong>d. Mit dem<br />

Wirtschaftlichkeitsgrundsatz, der als allgeme<strong>in</strong>es vergaberechtliches Pr<strong>in</strong>zip gemäß <strong>§</strong> 97 Abs.<br />

5 <strong>GWB</strong> bei jeder Vergabe zu beachten ist und somit auch bei der Ausschreibung von<br />

Rahmenverträgen mit mehreren Vertragspartnern Geltung beansprucht, ist e<strong>in</strong> solches<br />

Verständnis der Kriterien für die Vergabe der E<strong>in</strong>zelaufträge allerd<strong>in</strong>gs nur dadurch <strong>in</strong><br />

E<strong>in</strong>klang zu br<strong>in</strong>gen, dass man alle ausgewählten Rabattvertragspartner als gleichermaßen<br />

wirtschaftlich betrachtet, sofern nur die Grundentscheidung, e<strong>in</strong>en Rahmenvertrag mit<br />

mehreren Partnern statt e<strong>in</strong>es Vertrages mit e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>zigen Partner auszuschreiben, als<br />

wirtschaftlich anzusehen ist. Für e<strong>in</strong>e solche Sichtweise spricht, dass Rahmenverträgen mit<br />

mehreren Vertragspartnern nach <strong>§</strong> 3a Nr. 4 Abs. 6 Buchst. a VOL/A anderenfalls lediglich der<br />

S<strong>in</strong>n beizumessen wäre, Ersatzlieferanten und –konditionen für den Fall von<br />

Lieferunfähigkeiten des wirtschaftlichsten Bieters bereitzustellen (2. VK Bund, B. v.<br />

26.05.2009 - Az.: VK 2 – 30/09).<br />

Die Delegation e<strong>in</strong>er Auswahlentscheidung hat ke<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>fluss auf die erforderliche<br />

Regelungsdichte. Ebensowenig wie der Auftraggeber selbst sich vorbehalten könnte, völlig<br />

frei über die Vergabe der E<strong>in</strong>zelaufträge zu entscheiden, kann er dem von ihm mit der<br />

Auswahl Beauftragten e<strong>in</strong>e solche une<strong>in</strong>geschränkte Entscheidungsmacht verschaffen. Die –<br />

für sich genommen transparente – Übertragung der Auswahlentscheidung - auf den Apotheker<br />

im Fall von Arzneimittelausschreibungen - ersetzt daher ke<strong>in</strong>e <strong>in</strong>haltliche Regelung der<br />

Auswahlkriterien. Die Delegation der Entscheidungsmacht auf den Apotheker bei der<br />

Auswahl von Medikamenten darf ke<strong>in</strong>en Auswahlmechanismen zur Anwendung<br />

verhelfen, die die Krankenkassen selbst ihrer Entscheidung nicht zugrunde legen<br />

dürften. Wenn von den Apothekern bei sonst gleichen Bed<strong>in</strong>gungen im H<strong>in</strong>blick auf den<br />

prozentualen Zuschlag das höherpreisige Medikament bevorzugt wird, so entbehrt dies ebenso<br />

e<strong>in</strong>er sachlichen Rechtfertigung wie die Bevorzugung der Medikamente solcher Hersteller,<br />

die ihre Produkte selbst an die Apotheken vertreiben und daher dem Apotheker auch den


1215/1<br />

1215/2<br />

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Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Großhandelszuschlag zukommen lassen können. Anerkennenswerten Interessen der<br />

Krankenkassen oder ihrer Versicherten wird hierdurch nicht gedient. Der Gesetzgeber billigt<br />

den Krankenkassen durchaus die Möglichkeit zu, e<strong>in</strong> Auswahlrecht des Apothekers<br />

nicht nur e<strong>in</strong>zuschränken, sondern es durch die Gestaltung der Ausschreibung<br />

(Rahmenvere<strong>in</strong>barung nur mit e<strong>in</strong>em Vertragspartner) sogar auszuschließen. Dass auch<br />

für e<strong>in</strong>e Konstellation mit mehreren Rabattvertragspartnern <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ergänzenden<br />

Rahmenvertrag nach <strong>§</strong> 129 Abs. 5 SGB V nähere Regelungen darüber getroffen werden<br />

könnten, nach welchen Kriterien die Auswahl des Apothekers zu erfolgen hat, ersche<strong>in</strong>t<br />

deshalb durchaus möglich. Ebenso könnte <strong>in</strong> Rahmenverträgen nach <strong>§</strong> 129 Abs. 2 SGB – d.h.<br />

für die Konstellation, dass ke<strong>in</strong> Rabattvertrag besteht – durchaus geregelt werden, dass stets<br />

das preisgünstigste Medikament herauszugeben oder nach welchen Kriterien die Auswahl<br />

zwischen den drei preisgünstigsten Arzneimitteln zu treffen ist. Der Umstand, dass der<br />

Apotheker ohne nähere <strong>in</strong>haltliche Vorgaben die Entscheidung trifft, das Medikament<br />

welchen Rabattvertragspartners der Versicherte erhält, ist daher auch mit den<br />

abgeschwächten Anforderungen an die Auswahlkriterien für die Vergabe der<br />

E<strong>in</strong>zelaufträge – Transparenz, Diskrim<strong>in</strong>ierungsfreiheit und Objektivität – nicht<br />

vere<strong>in</strong>bar. Legt man auch an diese nachgelagerte Auswahlentscheidung die strengeren<br />

allgeme<strong>in</strong>en Maßstäbe für Zuschlagskriterien an, so ergibt sich hieraus erst recht die<br />

Unzulänglichkeit der Delegation der Entscheidungbefugnis auf den Apotheker. Denn<br />

diejenigen Auswahlkriterien, die tendentiell die Herausgabe des teureren Medikaments<br />

fördern, eignen sich nicht dazu, e<strong>in</strong> möglichst wirtschaftliches Resultat des<br />

Vergabeverfahrens herbeizuführen (2. VK Bund, B. v. 26.05.2009 - Az.: VK 2 – 30/09).<br />

<strong>§</strong> 3a Nr. 4 Abs. 3 der VOL/A 2006 bestimmt <strong>in</strong>zwischen beispielhaft, dass E<strong>in</strong>zelaufträge<br />

nur zwischen den von Anbeg<strong>in</strong>n an der Rahmenvere<strong>in</strong>barung beteiligten Auftraggebern<br />

und Unternehmern zulässig s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong>e Klausel des Inhalts, dass z.B. im Falle der<br />

Veränderung der Firmenstruktur, aber auch beim Verkauf oder der Verpachtung des<br />

Bieterunternehmens das Vertragsverhältnis mit diesem neuen Unternehmen fortgesetzt wird,<br />

ist unzulässig (VK Baden-Württemberg, B. v. 30.03.2007 - Az.: 1 VK 13/07).<br />

Die Krankenkassen s<strong>in</strong>d nicht gehalten, den Abschluss von Rabattverträgen als<br />

Rahmenverträge - bezogen auf e<strong>in</strong> Gebiets- und Fachlos - mit mehr als nur e<strong>in</strong>em<br />

pharmazeutischen Unternehmer vorzusehen. Denn hierdurch wird das<br />

Wettbewerbspr<strong>in</strong>zip e<strong>in</strong>geschränkt. Notwendigerweise wäre das Angebot des e<strong>in</strong>en<br />

wirtschaftlicher als das des anderen Unternehmers ausgefallen. Es würde den (gewollten)<br />

Wettbewerb unter den pharmazeutischen Unternehmern massiv beh<strong>in</strong>dern, könnten (z.B.) drei<br />

Bieter mit den <strong>in</strong>sgesamt wirtschaftlichsten Angeboten <strong>in</strong> gleichem Umfang die Versicherten<br />

der Krankenkassen mit Arzneimitteln versorgen. Der Anreiz, das wirtschaftlichste Angebot<br />

abzugeben, würde bee<strong>in</strong>trächtigt und die Spekulation, mit dem zweit- oder gar<br />

drittwirtschaftlichsten Angebot weiter an der Versorgung der Versicherten teilhaben zu<br />

können, befördert. E<strong>in</strong>e derartige Folge lässt sich mit <strong>§</strong> 3a Nr. 4 Abs. 2 VOL/A nicht<br />

begründen (LSG Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen, B. v. 2<strong>8.</strong>04.2009 - Az.: L 21 KR 40/09 SFB; B. v.<br />

02.04.2009 - Az.: L 21 KR 35/09 SFB; B. v. 26.03.2009 - Az.: L 21 KR 26/09 SFB).<br />

Die Auffassung, die E<strong>in</strong>beziehung mehrerer Vertragspartner beh<strong>in</strong>dere massiv den<br />

Wettbewerb, gilt nicht absolut (LSG Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen, B. v. 0<strong>8.</strong>10.2009 - Az.: L 21 KR<br />

39/09 SFB). Sie mag da zutreffen, wo das Interesse des Auftraggebers ausschließlich darauf<br />

gerichtet ist, e<strong>in</strong> möglichst preisgünstiges Produkt zu erhalten. Wo allerd<strong>in</strong>gs weitere<br />

Kriterien für den Auftraggeber wesentlich s<strong>in</strong>d, wie etwa die Gesichtspunkte der<br />

Lieferfähigkeit (Verfügbarkeit) sowie der E<strong>in</strong>räumung von Auswahlmöglichkeiten unter<br />

den Produkten verschiedener Hersteller, muss dies anders beurteilt werden. In diesen


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Fällen hat der Auftraggeber gar ke<strong>in</strong>e andere Möglichkeit, als diese Ziele durch den<br />

Abschluss von Verträgen mit mehreren Partnern zu erreichen. In diesen hier beispielhaft<br />

aufgeführten Fällen ist es deshalb auch unter Berücksichtigung des Wettbewerbspr<strong>in</strong>zips<br />

gerechtfertigt, nicht nur den Bieter mit dem günstigsten Gebot, sondern auch die<br />

nachfolgenden Gebote zu berücksichtigen, weil nur auf diese Weise sofortige Verfügbarkeit<br />

und die Berücksichtigung anderer sachlich gerechtfertigter Gesichtspunkte, wie der der<br />

Akzeptanz e<strong>in</strong>es Arzneimittels durch den Versicherten oder die Verträglichkeit (bei<br />

unterschiedlichen Trägerstoffen derselben Wirkstoffe) gewährleistet s<strong>in</strong>d (LSG Nordrhe<strong>in</strong>-<br />

Westfalen, B. v. 03.09.2009 - Az.: L 21 KR 51/09 SFB).<br />

Nach Auffassung der 2. VK Bund greifen unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die<br />

Entscheidung für drei Rabattvertragspartner pro Los <strong>in</strong>sofern auch den<br />

Beschaffungsgegenstand betrifft und dem Auftraggeber bei dessen Bestimmung e<strong>in</strong> weit<br />

größerer Spielraum zusteht als bei der Regelung des Beschaffungsverfahrens, daher die unter<br />

wirtschaftlichen Gesichtspunkten geäußerten grundsätzlichen Bedenken gegen die<br />

Konstruktion e<strong>in</strong>es Rabattvertrages mit (nur) drei Vertragspartnern nicht durch. Die<br />

im Rahmen der Ausschreibung angebotenen hohen Rabatte deuten zudem darauf h<strong>in</strong>, dass<br />

auch bei drei Vertragspartnern pro Los die Stellung e<strong>in</strong>es Rabattvertragspartners sehr attraktiv<br />

ist und mit aggressiven Rabattangeboten angestrebt wird (2. VK Bund, B. v. 26.05.2009 - Az.:<br />

VK 2 – 30/09).<br />

<strong>8.</strong><strong>8.</strong>11 Erläuterungen der EU-Kommission<br />

Die Europäische Kommission - Generaldirektion B<strong>in</strong>nenmarkt und Dienstleistungen - hat am<br />

17.01.2006 Erläuterungen zu Rahmenvere<strong>in</strong>barungen im Anwendungsbereich der<br />

klassischen Richtl<strong>in</strong>ie vorgelegt (www.ibr-onl<strong>in</strong>e.de/2007-5).<br />

<strong>8.</strong><strong>8.</strong>12 Wahl des Verhandlungsverfahrens bei der Ausschreibung von<br />

Rahmenvere<strong>in</strong>barungen<br />

Zur Wahl des Verhandlungsverfahrens bei der Ausschreibung von Rahmenvere<strong>in</strong>barungen<br />

vgl. die Kommentierung zu <strong>§</strong> 3a VOL/A RZ 6324/2.<br />

<strong>8.</strong><strong>8.</strong>13 Literatur<br />

• Boldt, Antje, Rabattverträge - S<strong>in</strong>d Rahmenvere<strong>in</strong>barungen zwischen Krankenkassen<br />

und mehreren pharmazeutischen Unternehmen unzulässig?, PharmR 2009, 377<br />

• Dicks, He<strong>in</strong>z-Peter, Vergabe- und kartellrechtliche Aspekte von<br />

Rahmenvere<strong>in</strong>barungen, Tagungsband 7. Düsseldorfer <strong>Vergaberecht</strong>stag 2006, 93<br />

• Drey, Franz, Ke<strong>in</strong>e Black Box – Die Grenzen bei Rahmenverträgen, Behörden<br />

Spiegel, Februar 2007, 17<br />

• Franke, Horst, Rechtsschutz bei der Vergabe von Rahmenvere<strong>in</strong>barungen, ZfBR 2006,<br />

546<br />

• Graef, Eberhard, Rahmenvere<strong>in</strong>barungen bei der Vergabe von öffentlichen <strong>Aufträge</strong>n<br />

de lege lata und de lege ferenda, NZBau 2005, 561


1218<br />

1219<br />

1219/1<br />

1219/2<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

• Grön<strong>in</strong>g, Jochem, Das Konzept der neuen Koord<strong>in</strong>ierungsrichtl<strong>in</strong>ie für die<br />

Beschaffung durch Rahmenvere<strong>in</strong>barungen, VergabeR 2005, 156<br />

• Haak, Sandra / Degen, Stephan, „Rahmenvere<strong>in</strong>barungen nach dem neuen<br />

<strong>Vergaberecht</strong>“ – Zur Umsetzung der Regelungen über Rahmenvere<strong>in</strong>barungen der<br />

Richtl<strong>in</strong>ien 2004/17/EG und 2004/18/EG durch die geplante Verordnung über die<br />

Vergabe öffentlicher <strong>Aufträge</strong>, VergabeR 2005, 164<br />

• Knauff, Matthias, Neues europäisches Vergabeverfahrensrecht:<br />

Rahmenvere<strong>in</strong>barungen, VergabeR 2006, 24<br />

• Machwirth, Andreas, Rahmenvere<strong>in</strong>barungen nach de r neuen VOL/A, VergabeR<br />

2007, 385<br />

• Rosenkötter, Annette / Seidler, Anne-Carol<strong>in</strong>, Praxisprobleme bei<br />

Rahmenvere<strong>in</strong>barungen, NZBau 2007, 684<br />

• Siegel, Thorsten, Zulässige Vertragslaufzeiten im <strong>Vergaberecht</strong>, ZfBR 2006, 554<br />

<strong>8.</strong>9 Public-Private-Partnership (PPP) – Öffentlich private<br />

Partnerschaften (ÖPP)<br />

<strong>8.</strong>9.1 Begriffsbestimmung<br />

In der Bundesrepublik <strong>Deutschland</strong> wurde die Diskussion um die Zusammenarbeit<br />

öffentlicher Institutionen und Privater bei der Erledigung öffentlicher Aufgaben <strong>in</strong> der<br />

Vergangenheit unter dem Begriff „Public-Private-Partnership“ (PPP) geführt. Mit dem<br />

Inkrafttreten des Gesetzes zur Beschleunigung der Umsetzung von Öffentlich Privaten<br />

Partnerschaften und zur Verbesserung gesetzlicher Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für Öffentlich<br />

Private Partnerschaften vom 01.09.2005 (BGBl. I S. 2676) sollte zukünftig der Begriff<br />

„ÖPP“ verwendet werden.<br />

Zu den E<strong>in</strong>zelheiten des ÖPP-Beschleunigungsgesetzes vgl. die Kommentierung zu <strong>§</strong> <strong>99</strong><br />

<strong>GWB</strong>, <strong>§</strong> 101 <strong>GWB</strong>, <strong>§</strong> 4 VgV, <strong>§</strong> 6 VgV und <strong>§</strong> 6a VgV.<br />

<strong>8.</strong>9.2 Notwendige Merkmale<br />

Der Charakter e<strong>in</strong>er <strong>Öffentliche</strong>n-Privaten-Partnerschaft (ÖPP) erfordert, dass es sich<br />

dabei um solche Formen längerfristig angelegter Zusammenarbeit auf vertraglicher Basis<br />

zwischen öffentlicher Hand – dem öffentlichen Auftraggeber i. S. d. <strong>§</strong> 98 Nr. 1 bis 5 <strong>GWB</strong> –<br />

und e<strong>in</strong>em privaten Unternehmen handelt, die mit dem Ziel der Erledigung öffentlicher<br />

Aufgaben geschlossen werden, um auf der Grundlage e<strong>in</strong>es dazu geschlossenen langfristigen<br />

Vertrages, aufgrund dessen das Unternehmen für e<strong>in</strong>e Gegenleistung Bau- und<br />

Dienstleistungen eigenverantwortlich und unter Übernahme leistungstypischer Risiken<br />

durchführt (VK Thür<strong>in</strong>gen, B. v. 23.02.2007 - Az.: 360-4003.20-62/2007-001-G).<br />

Die Art und Weise der Kooperation ist dabei <strong>in</strong> der Praxis äußerst vielgestaltig. Es gibt<br />

ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>heitliches Leitmodell, charakteristisch ist vielmehr e<strong>in</strong>e weitgehende Offenheit und<br />

Flexibilität der organisatorischen und beschaffungsrechtlichen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen. Ist Teil<br />

e<strong>in</strong>es PPP-Projekts beispielsweise die Errichtung, Sanierung und Bewirtschaftung von


1220<br />

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Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Gebäuden, so kommen hierfür unterschiedliche Betreibermodelle <strong>in</strong> Betracht (z.B.<br />

Inhabermodell, Erwerbermodell, Leas<strong>in</strong>gmodell, Vermietungsmodell, Contract<strong>in</strong>gmodell,<br />

Konzessionsmodell usw.), an die jeweils besondere rechtliche, f<strong>in</strong>anzielle und<br />

betriebswirtschaftliche Folgen geknüpft s<strong>in</strong>d (OLG Thür<strong>in</strong>gen, B. v. 06.06.2007 - Az.: 9 Verg<br />

3/07).<br />

<strong>8.</strong>9.3 Literaturh<strong>in</strong>weise<br />

Die Bundesregierung hat e<strong>in</strong> "Gutachten PPP im öffentlichen Hochbau" vorgestellt. Das<br />

Gutachten untersucht e<strong>in</strong>e Vielzahl von nationalen und <strong>in</strong>ternationalen Projekten, die mit<br />

öffentlich-privaten Partnerschaften realisiert worden s<strong>in</strong>d.<br />

Das Gutachten hat fünf Teile: In dieser Form für <strong>Deutschland</strong> erstmalig enthält es zunächst<br />

e<strong>in</strong>en PPP-Leitfaden, der den Anwendern sowohl bei Bund, Ländern und Kommunen als<br />

auch <strong>in</strong> der Wirtschaft e<strong>in</strong>e praxisorientierte Hilfestellung über den grundsätzlichen Ablauf<br />

e<strong>in</strong>es PPP-Projektes gibt. Der zweite Teil untersucht die rechtlichen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen<br />

im Vergabe, Haushalts-, Kommunal-, Steuer- und Zuwendungsrecht, verbunden mit<br />

e<strong>in</strong>er Fülle von Handlungsempfehlungen. PPP-Projekte s<strong>in</strong>d danach zwar bereits nach<br />

geltendem Recht möglich; etliche Rahmenbed<strong>in</strong>gungen müssen allerd<strong>in</strong>gs noch optimiert<br />

werden. Der dritte Teil widmet sich dem Thema Wirtschaftlichkeitsvergleich. Die<br />

Ergebnisse dieses Gutachtensteils werden von der Praxis besonders dr<strong>in</strong>glich erwartet, weil <strong>in</strong><br />

<strong>Deutschland</strong> bislang allgeme<strong>in</strong> anerkannte Standards für den Nachweis der Wirtschaftlichkeit<br />

e<strong>in</strong>es PPP-Projektes fehlten. Neben dem vierten empirischen Teil (s. o.) enthält das<br />

Gutachten schließlich <strong>in</strong> Teil fünf Vorschläge zur Konzeption e<strong>in</strong>es Kompetenzzentrums<br />

PPP.<br />

Verschiedene Ansatzpunkte des Gutachtens lassen sich auch für die Ausschreibung und<br />

Vergabe von PPP-Projekten im Bereich von Leistungen, <strong>in</strong>sbesondere Dienstleistungen<br />

verwenden.<br />

Auch die Kommission der Europäischen Geme<strong>in</strong>schaften hat zwischenzeitlich e<strong>in</strong><br />

"Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den geme<strong>in</strong>schaftlichen<br />

Rechtsvorschriften für öffentliche <strong>Aufträge</strong> und Konzessionen" vorgelegt. Mit dem<br />

Grünbuch soll e<strong>in</strong>e Diskussion über die Anwendung des Geme<strong>in</strong>schaftsrechts für<br />

öffentliche <strong>Aufträge</strong> und Konzessionen auf ÖPP angestoßen werden. Dabei soll es im<br />

Wesentlichen um die Regeln gehen, die nach der Entscheidung gelten, e<strong>in</strong>e Aufgabe an e<strong>in</strong>en<br />

Dritten zu übertragen. Es geht hier also um die Phase nach der wirtschaftlichen und<br />

organisatorischen Entscheidung e<strong>in</strong>er lokalen oder nationalen Stelle und nicht um e<strong>in</strong>e<br />

allgeme<strong>in</strong>e Bewertung der Frage, ob die Bereitstellung von Dienstleistungen der öffentlichen<br />

Hand ausgelagert werden soll oder nicht; diese Entscheidung liegt im Ermessen der<br />

betreffenden staatlichen Stellen. Genauer gesagt wird mit diesem Grünbuch der Zweck<br />

verfolgt, die Tragweite der Geme<strong>in</strong>schaftsregeln zu erläutern, die für die Phase der<br />

Auswahl des privaten Partners und für die sich daran anschließende Phase gelten;<br />

gegebenenfalls bestehende Unsicherheiten sollen ermittelt werden, ferner soll analysiert<br />

werden, ob der Geme<strong>in</strong>schaftsrahmen den Herausforderungen und spezifischen Merkmalen<br />

von ÖPP gerecht wird. Für etwaige Geme<strong>in</strong>schaftsmaßnahmen werden Denkanstöße geliefert.<br />

Verschiedene Bundesländer, z.B. Nordre<strong>in</strong>-Westfalen, Niedersachsen oder Bayern haben<br />

ebenfalls Leitfäden u.ä. zu ÖPP-Verfahren veröffentlicht.


1225<br />

Literatur:<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

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wirtschaftlichen Interesse an Private, NZBau 2006, 280<br />

• Berger, Matthias, Ausschreibungspflichtiger Rahmenvertrag - Das Beratungsangebot des<br />

Bundes, Behörden Spiegel Juli 2008, 25<br />

• Bornheim, Helmerich, Public Privat Partnership – Praxisprobleme aus rechtlicher Sicht,<br />

BauR 2009, 567<br />

• Burgi, Mart<strong>in</strong>, <strong>Vergaberecht</strong>liche Probleme der Privatf<strong>in</strong>anzierung von Fernstraßen, DVBl<br />

2007, 649<br />

• Diederichs, Jürgen, Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen bei PPP-Projekten, NZBau 2009,<br />

547<br />

• Dreher, Me<strong>in</strong>rad, Die beihilferechtliche PPP-Ausschreibung – Wahl und Organisation<br />

begünstigungsausschließender Ausschreibungsverfahren, ZWeR 2005, 121<br />

• Drey, Franz: PPP bei IT: Zukunftsmusik – „Öffentlich-private Partnerschaften<br />

entdramatisieren“, Behörden Spiegel 2007, 18<br />

• Drey, Franz, Die Idee der VOP – Was kann der Gesetzgeber für PPP tun?, Behörden<br />

Spiegel November 2006, 29<br />

• Drey, Franz, PPP-Wissen öffentlich bündeln – Die PDG (Partnerschaften <strong>Deutschland</strong><br />

AG) soll helfen, Spreu von Weizen zu trennen, Behörden Spiegel Oktober 2007, 30<br />

• Drömann, Dietrich, Wettbewerblicher Dialog und ÖPP-Beschaffungen – Zur „besonderen<br />

Komplexität“ so genannter Betreibermodelle, NZBau 2007, 751<br />

• Drömann, Dietrich / F<strong>in</strong>ke, Mathias, PPP-Vergaben und Kompetenzzentren – Zur<br />

Tatbestandsmäßigkeit von <strong>§</strong> 16 I Nr. 2 Alt. 2 VgV im Falle von Doppelfunktionen,<br />

NZBau 2006, 79<br />

• Frenz, Walter, <strong>Vergaberecht</strong> und <strong>in</strong>stitutionalisierte PPP, NZBau 2008, 673<br />

• Gruneberg, Ralf, Interkommunale Kooperationen nach dem 13.1.2005, AbfallR 2005, 85<br />

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• Hausmann, Friedrich, E<strong>in</strong> <strong>in</strong>novatives Modell - Grünes Licht für die Partnerschaften<br />

<strong>Deutschland</strong>, Behörden Spiegel Juli 2008, 25<br />

• Hertwig, Stefan, Zuschlagskriterien und Wertung bei ÖPP-Vergaben, NZBau 2007, 543<br />

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beachten ist, Behörden Spiegel November 2006, 29<br />

• Jennert, Carsten, Public Private Partnership <strong>in</strong> der Wasserversorgung und <strong>Vergaberecht</strong>,<br />

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Regelungsrahmen für Public Private Partnerships <strong>in</strong> der Entwicklungszusammenarbeit,<br />

NZBau 2008, 681<br />

• Knauff, Matthias, Im wettbewerblichen Dialog zur Public Private Partnership?, NZBau<br />

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• Koenig, Christian / Pfromm, René, Die Föderlogik des EG-beihilferechtlichen<br />

Ausschreibungsverfahrens bei PPP-Dasensvorsorge-Infrastrukturen, NZBau 2004, 375<br />

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als öffentlicher Auftraggeber (<strong>§</strong> 98 <strong>GWB</strong>), ZfBR 2005, 442<br />

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• Kus, Alexander / Kallmayer, Axel, Neues Verfahren – neue Chancen – Der<br />

Wettbewerbliche Dialog bietet sich an, Behörden Spiegel November 2006, 28


1226<br />

Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

• Kus, Alexander, Die richtige Verfahrensart bei PPP-Modellen, <strong>in</strong>sbesondere<br />

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• Kus, Alexander, Die richtige Verfahrensart bei PPP-Modellen, <strong>in</strong>sbesondere<br />

Verhandlungsverfahren und Wettbewerblicher Dialog, VergabeR 2006, 851<br />

• Lensdorf, Lars / Steger, Udo, Auslagerung von IT-Leistungen auf Public Private<br />

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Verkehrsprojekte: Public Partnerships als Antrieb für Stadtbahnen <strong>in</strong> <strong>Deutschland</strong>,<br />

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• Pooth, Stefan, Investorenwettbewerbe für die Komb<strong>in</strong>ation von privaten und öffentlichen<br />

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• Roth, Frank, Die Risikoverteilung bei Öffentlich Privaten Partnerschaften (ÖPP) aus<br />

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• Schenke, Ralf / Klimpel, Stefan, Verhandlungsverfahren versus wettbewerblicher Dialog:<br />

Neuere Entwicklungen im <strong>Vergaberecht</strong> Öffentlich Privater Partnerschaften (ÖPP)/Public<br />

Private Partnership (PPP), DVBl 2006, 1492<br />

• Schwarz, Daniela / Hillebrand, Christ<strong>in</strong>a, E<strong>in</strong>geschliffene Strukturen aufbrechen – PPP <strong>in</strong><br />

kommunalen Krankenhäusern, Behörden Spiegel Oktober 2007, 29<br />

• Tomerius, Stephan, Gestaltungsoptionen öffentlicher Auftraggeber unter dem Blickw<strong>in</strong>kel<br />

des <strong>Vergaberecht</strong>s: aktuelle vergaberechtliche Vorgaben für öffentlich-private<br />

Partnerschaften (ÖPP) und <strong>in</strong>terkommunale Kooperation, Berl<strong>in</strong>, 2005<br />

• Weber, Mart<strong>in</strong> / Schäfer, Michael / Hausmann, Ludwig, Praxishandbuch Public Private<br />

Partnership, München, 2005<br />

• Ziekow, Jan / W<strong>in</strong>doffer, Alexander, Public Private Partnership als Verfahren – Struktur<br />

und Erfolgsbed<strong>in</strong>gungen von Kooperationsarenen, NZBau 2005, 665<br />

• www.ppp.niedersachsen.de<br />

• www.ppp.nrw.de<br />

• www.ppp.bayern.de<br />

• www.ppp-bund.de<br />

<strong>8.</strong>10 Begriff des Unternehmens<br />

<strong>8.</strong>10.1 Rechtsprechung<br />

<strong>8.</strong>10.1.1 Grundsatz<br />

Auszugehen ist von e<strong>in</strong>em weiten, namentlich funktional zu verstehenden<br />

Unternehmerbegriff. Er bezeichnet e<strong>in</strong>en Rechtsträger gleich welcher Rechtsform, der sich<br />

wirtschaftlich betätigt. Dazu gehören auch Rechtsträger, die ihrerseits die öffentlichen


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Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

Auftraggebereigenschaften nach <strong>§</strong> 98 <strong>GWB</strong> erfüllen, sich jedoch im konkreten Fall<br />

gewerbsmäßig mit der Erstellung der betreffenden Leitung befassen. Auch das Handeln e<strong>in</strong>es<br />

Hoheitsträgers ist dasjenige e<strong>in</strong>es „Unternehmens“ und an den <strong>Vergaberecht</strong>svorschriften des<br />

<strong>GWB</strong> zu messen, wenn der Hoheitsträger den ihm durch das öffentliche Recht<br />

zugewiesenen Aufgabenbereich verlässt und er sich funktional und gewerbsmäßig wie<br />

e<strong>in</strong> Marktteilnehmer verhält (OLG Naumburg, B. v. 03.11.2005 - Az.: 1 Verg 9/05; OLG<br />

Frankfurt, B. v. 07.09.2004 - Az.: 11 Verg 11/04 und 12/04; OLG Düsseldorf, B. v.<br />

05.05.2004 - Az.: VII - Verg 78-03; VK Hamburg, B. v. 03.0<strong>8.</strong>2004 - Az. VgK FB 4/04).<br />

Nach der Rechtsprechung des EuGH umfasst der Begriff des Unternehmens im S<strong>in</strong>ne<br />

des Wettbewerbsrechts der Geme<strong>in</strong>schaft jede e<strong>in</strong>e wirtschaftliche Tätigkeit ausübende<br />

E<strong>in</strong>richtung unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer F<strong>in</strong>anzierung. Das<br />

Anbieten von Gütern oder Dienstleistungen auf e<strong>in</strong>em bestimmten Markt ist das, was den<br />

Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit kennzeichnet (EuGH, Urteil vom 11.07.2006 – Az.: C-<br />

205/03 P; im Ergebnis ebenso EuGH, Urteil vom 09.06.2009 - Az.: C-480/06).<br />

Auch wenn die Aufgabenwahrnehmung zwischen zwei Gebietskörperschaften im<br />

kommunalen Bereich und damit <strong>in</strong>nerhalb der "Verwaltung" erfolgen soll, handelt es sich um<br />

e<strong>in</strong>e Betätigung auf e<strong>in</strong>em sonst auch privaten Unternehmen zugänglichen Markt (OLG<br />

Frankfurt, B. v. 07.09.2004 - Az.: 11 Verg 11/04 und 12/04).<br />

Geht man von dem funktionellen Unternehmerbegriff und der Marktteilnahme als<br />

entscheidendem Kriterium aus, ist der Anwendungsbereich des <strong>Vergaberecht</strong>s nur dann<br />

ausgeschlossen, wenn der kooperierende Verwaltungsträger im E<strong>in</strong>zelfall nicht wie e<strong>in</strong><br />

Privater am Markt tätig wird. Dies ist dann der Fall, wenn e<strong>in</strong> Wettbewerb am Markt<br />

aufgrund der rechtlichen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen schlichtweg ausgeschlossen ist, also nur<br />

bei ausschließlichen öffentlichen Aufgaben im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es Verwaltungsmonopols. In<br />

e<strong>in</strong>er solchen Konstellation könnte e<strong>in</strong> privater Unternehmer die Tätigkeit gerade nicht<br />

ausüben (OLG Naumburg, B. v. 03.11.2005 - Az.: 1 Verg 9/05).<br />

Für die Unternehmenseigenschaft kommt es nicht auf e<strong>in</strong>e Gew<strong>in</strong>nerzielungsabsicht an.<br />

Maßgeblich ist <strong>in</strong>soweit alle<strong>in</strong>, dass e<strong>in</strong> Marktbeteiligter im Wettbewerb mit anderen<br />

Marktbeteiligten (z.B. Versicherungsunternehmen) auf dem Markt Leistungen (z.B.<br />

Versicherungsdienstleistungen) für öffentliche Auftraggeber erbr<strong>in</strong>g (BGH, B. v. 03.07.2008 -<br />

Az.: I ZR 145/05).<br />

<strong>8.</strong>10.1.2 Beispiele aus der Rechtsprechung<br />

• handelt e<strong>in</strong> Antragsteller <strong>in</strong> der Funktion als freier Träger der Jugendhilfe <strong>in</strong><br />

Erfüllung der ihr obliegenden Verantwortung, handelt sie nicht als<br />

Unternehmen. Diese E<strong>in</strong>schätzung wird von <strong>§</strong> 75 SGB VIII gestützt, wonach<br />

privatgewerbliche Träger nicht als freie Träger der Jugendhilfe anerkannt werden<br />

können, mith<strong>in</strong> diesen e<strong>in</strong> wirtschaftlicher Wettbewerb fremd ist (VK Hamburg, B. v.<br />

03.0<strong>8.</strong>2004 - Az. VgK FB 4/04)<br />

<strong>8.</strong>10.2 Literatur


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Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

• Hertwig, Stefan, <strong>Öffentliche</strong> Unternehmen und E<strong>in</strong>richtungen im europäischen<br />

Beihilfe- und <strong>Vergaberecht</strong>, VergabeR 2008, 589<br />

• Prieß, Hans-Joachim / Hölzl, Franz Josef, <strong>GWB</strong> 2009: <strong>Öffentliche</strong>r Auftraggeber und<br />

Auftrag - ke<strong>in</strong>e Überraschungen!, NZBau 2009, 159<br />

• Stolz, Bernhard / Kraus, Philipp, Ausschreibungspflichten im Rahmen von<br />

Geothermieprojekten, VergabeR 2008, 891<br />

<strong>8.</strong>11 Vergabe e<strong>in</strong>es Standplatzes nach <strong>§</strong> 70 GewO<br />

<strong>8.</strong>11.1 Abgrenzung zum <strong>Vergaberecht</strong><br />

Die Vergabe e<strong>in</strong>es Standplatzes nach <strong>§</strong> 70 GewO ist ke<strong>in</strong> öffentlicher Auftrag im S<strong>in</strong>ne des<br />

<strong>Vergaberecht</strong>s, da der öffentliche Auftraggeber ke<strong>in</strong>e Leistung e<strong>in</strong>kauft.<br />

<strong>8.</strong>11.2 Vergabekriterien nach der Rechtsprechung<br />

Die Entscheidung e<strong>in</strong>es Veranstalters, welchem der Bewerber der Vorzug zu geben ist<br />

und welche Bewerber abzulehnen s<strong>in</strong>d, steht im Ermessen des Veranstalters. Das<br />

Ermessen des Veranstalters ist nicht nur durch die jede Ermessensentscheidung der<br />

Verwaltung b<strong>in</strong>denden Grundsätze, wie z.B. den Gleichheitsgrundsatz und das Willkürverbot,<br />

e<strong>in</strong>geschränkt, sondern das Verteilungsermessen des Veranstalters gemäß <strong>§</strong> 70 Abs. 3 GewO<br />

unterliegt darüber h<strong>in</strong>aus auch den sich aus dem Grundsatz der Marktfreiheit ergebenden<br />

Schranken. Marktfreiheit bedeutet Offenheit der Märkte, d.h. Freiheit des Marktzugangs,<br />

wobei für die Teilnahmeberechtigung im S<strong>in</strong>ne des <strong>§</strong> 70 Abs. 1 GewO Art und Zweck der<br />

Veranstaltung maßgeblich s<strong>in</strong>d. Wie im E<strong>in</strong>zelnen e<strong>in</strong> die Marktfreiheit erhaltendes<br />

Zulassungssystem auszugestalten ist, welche Bewerbergruppen gebildet werden und<br />

nach welchem System (etwa <strong>in</strong>nerhalb der Gruppen "rollierend" oder durch<br />

"Losentscheid") Standplätze zugeteilt werden, liegt im gerichtlich nur beschränkt<br />

nachprüfbaren Ermessen des Veranstalters. E<strong>in</strong> Losverfahren ist grundsätzlich geeignet,<br />

die der Marktfreiheit immanente Zulassungschance im Rahmen des <strong>§</strong> 70 Abs. 3 GewO zu<br />

garantieren, denn jeder gewerberechtlich geeigneter Bewerber bekommt die gleiche<br />

Zulassungschance e<strong>in</strong>geräumt. Auf diese Weise werden Zulassungs- und<br />

Wettbewerbsschranken weitgehend gelockert, e<strong>in</strong> Konkurrentenschutz vermieden und so<br />

gemäß <strong>§</strong> 40 VwVfG ihr Ermessen dem Zweck der Ermächtigung entsprechend ausgeübt<br />

(Niedersächsisches OVG, Urteil v. 16.06.2005 - Az.: 7 LC 201/03).<br />

Es gibt zwar auch andere Möglichkeiten, e<strong>in</strong>e Auswahl unter den sich bewerbenden<br />

Marktbeschickern vorzunehmen, doch ist e<strong>in</strong> Veranstalter von Gesetzes wegen nicht<br />

verpflichtet, „materielle" Kriterien (z.B. Größe der Fahrfläche, Alter des Fahrgeschäfts, Art<br />

und Aufwändigkeit der Fassadengestaltung) den Vorzug zu geben und erst dann auf<br />

"formelle" Kriterien (Losverfahren, Rotationsverfahren, Prioritätspr<strong>in</strong>zip) zurückzugreifen. <strong>§</strong><br />

70 Abs. 3 GewO gibt e<strong>in</strong>en bestimmten Auswahlmodus nicht vor. E<strong>in</strong>e den<br />

Grundrechtsschutz sichernde Verfahrensgestaltung setzt nur voraus, dass das<br />

Auswahlverfahren und die Auswahlkriterien vorher bekannt gegeben werden und für<br />

alle Bewerber transparent, nachvollziehbar und damit auch im H<strong>in</strong>blick auf die<br />

Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes gerichtlich überprüfbar s<strong>in</strong>d. Von


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ausschlaggebender Bedeutung kann für den Veranstalter auch der mit dem jeweiligen<br />

Verfahren für die Verwaltung verbundene Arbeitsaufwand se<strong>in</strong>. Es liegt auf der Hand,<br />

dass das Losverfahren unter den zuverlässigen Bewerbern das (vom Verfahren "bekannt und<br />

bewährt" abgesehen) für die Verwaltung am schnellsten und leichtesten zu handhabende<br />

Verfahren ist, zumal es den Ermittlungsaufwand vollständig entfallen lässt und den<br />

Begründungsaufwand für die Nichtzulassungsbescheide stark reduziert (Niedersächsisches<br />

OVG, Urteil v. 16.06.2005 - Az.: 7 LC 201/03).<br />

Zur möglichen B<strong>in</strong>nenmarktrelevanz solcher Vergaben und der daraus resultierenden<br />

Ausschreibungspflicht vgl. die Kommentierung RZ 1232/1.<br />

<strong>8.</strong>12 Festsetzung e<strong>in</strong>es Marktes nach <strong>§</strong> 69 GewO<br />

<strong>8.</strong>12.1 Verpflichtung zur Ausschreibung<br />

Die Festsetzung von Märkten nach <strong>§</strong> 69 GewO ist e<strong>in</strong>e Dienstleistungskonzession. Der<br />

Veranstalter z.B. e<strong>in</strong>es Weihnachtsmarktes erbr<strong>in</strong>gt gegenüber der im S<strong>in</strong>n von <strong>§</strong> 69 GewO<br />

festsetzenden Kommune e<strong>in</strong>e Dienstleistung, nämlich die Ausrichtung und Organisation des<br />

Weihnachtsmarktes, an dessen Gel<strong>in</strong>gen und reibungsloser Funktion die Kommune e<strong>in</strong> hohes<br />

Interesse hat. Die Umstände, dass e<strong>in</strong>e Bezahlung des Veranstalters nicht durch e<strong>in</strong>e<br />

öffentliche Stelle erfolgt, sondern aus den Beträgen, die Dritte entrichten, und dass das<br />

Betriebsrisiko der Erbr<strong>in</strong>ger trägt, s<strong>in</strong>d typische Merkmale für e<strong>in</strong>e Dienstleistungskonzession<br />

(VG Köln, Urteil v. 16.10.2008 - Az.: 1 K 4507/08).<br />

Trifft die Kommune mit der Entscheidung über die Festsetzungen von Märkten nach <strong>§</strong> 69<br />

GewO auch e<strong>in</strong>e Entscheidung über die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen, weist<br />

<strong>in</strong> vielen Fällen die Vergabe B<strong>in</strong>nenmarktrelevanz auf. Ausreichend ist <strong>in</strong>soweit nämlich<br />

schon, dass sich nicht ausschließen lässt, dass <strong>in</strong> anderen Mitgliedstaaten ansässige<br />

Unternehmen an der Erbr<strong>in</strong>gung der Dienstleistung <strong>in</strong>teressiert s<strong>in</strong>d. Die Kommune ist<br />

daher aufgrund des - unmittelbar e<strong>in</strong>greifenden - Anwendungsvorrangs des Europarechts<br />

gehalten, dem Diskrim<strong>in</strong>ierungsverbot des Art. 12 EG sowie der <strong>in</strong> 49 EG zum Ausdruck<br />

kommenden besonderen Ausprägung des Gleichbehandlungsgrundsatzes, die beide e<strong>in</strong>e<br />

Verpflichtung zur Transparenz e<strong>in</strong>schließen, Genüge zu tun. Zugunsten der potentiellen<br />

Bieter muss sie daher e<strong>in</strong>en angemessenen Grad von Öffentlichkeit sicher stellen, der die<br />

Dienstleistungskonzession dem Wettbewerb öffnet und e<strong>in</strong>e Nachprüfung ermöglicht, ob<br />

die Vergabeverfahren unparteiisch durchgeführt werden. E<strong>in</strong> solcher angemessener Grad<br />

von Öffentlichkeit stellt die Kommune durch e<strong>in</strong>e Ausschreibung und e<strong>in</strong>e europaweit<br />

e<strong>in</strong>sehbare Veröffentlichung ihrer Ausschreibungen nebst Bewertungskriterien<br />

<strong>in</strong>sbesondere auf ihrer Internetseite her (VG Köln, Urteil v. 16.10.2008 - Az.: 1 K<br />

4507/08). Vgl. dazu im E<strong>in</strong>zelnen die Kommentierung RZ 1172.<br />

Dass als Zulassungsvoraussetzung im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens u.a. die<br />

Vorlage e<strong>in</strong>es Auf- und Abbauplanes sowie <strong>in</strong>sbesondere e<strong>in</strong>es F<strong>in</strong>anzierungsplanes<br />

gefordert wird, ist angesichts der Größe und Dauer von großen Märkten sachgerecht (VG<br />

Köln, Urteil v. 16.10.2008 - Az.: 1 K 4507/08).<br />

Ungeachtet des europarechtlichen Ansatzes ist e<strong>in</strong>e Kommune auch nach nationalem Recht<br />

zur Durchführung e<strong>in</strong>es öffentlichen Ausschreibungsverfahrens verpflichtet, wenn sie<br />

weiß, dass sich mehrere potentielle Veranstalter um die Festsetzungen für die Märkte


Weyand, Praxiskommentar <strong>Vergaberecht</strong>, 2. Auflage 2007 – Letzte Änderung: 24.01.2010<br />

bemühen werden. Denn bei mehreren Anträgen h<strong>in</strong>sichtlich der gleichen Veranstaltung hat<br />

die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen e<strong>in</strong>e Auswahl zwischen den Antragstellern<br />

zu treffen. Dabei muss sie sachgerechte Auswahlkriterien verwenden und sich<br />

wettbewerbsneutral verhalten, d.h. das alle<strong>in</strong>ige Abstellen auf das Kriterium "bekannt und<br />

bewährt" genügt nicht; es kann allenfalls e<strong>in</strong>en Prüfungsvorsprung e<strong>in</strong>es Altbewerbers<br />

bewirken. Die Behörde muss möglichst vielen Bewerbern e<strong>in</strong>e Chance e<strong>in</strong>räumen. Kriterien<br />

können das Attraktivitäts-, Rotations- und Prioritätspr<strong>in</strong>zip se<strong>in</strong> (VG Köln, Urteil v.<br />

16.10.2008 - Az.: 1 K 4507/08).

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