Wandern entlang des Grünen Bandes in der Wartburgregion

Wandern entlang des Grünen Bandes in der Wartburgregion Wandern entlang des Grünen Bandes in der Wartburgregion

06.12.2012 Aufrufe

Der hessische Ulstersack war zu DDR-Zeiten von der Westseite nur durch einen schmalen »Einstieg« zu erreichen. Ein fast vergessener Winkel, den nur BGS-Beamte und einige Landwirte betraten. Berg wieder zu einem beliebten Ausflugsziel ausgebaut hat, denn nicht allein die wilde Schönheit des mächtigen Kalksteinfelsens machte ihn schon früh zum Ziel unzähliger Wanderer. Auf seinem Boden gedeiht eine üppige Flora: Orchideen, Lilien, seltene Farne und Gräser findet man hier ebenso wie Gebirgsblumen, die sonst nur in den Alpen vorkommen. In den zerklüfteten Felsen kann man den Wanderfalken und den Uhu beobachten, auch Kreuzottern fühlen sich auf dem Kalksteinboden im Sonnenschein sehr wohl. 40 Jahre lang war der Berg für Wanderer unerreichbar, denn er lag im militärischen Sperrgebiet der ehemaligen DDR. Die Grenze zur BRD verlief direkt unterhalb der Abbruchkante des beeindruckenden Plateaus. Nur den Partei- und Staatsfunktionäre sowie hohen in- und ausländischen Militärs war die atemberaubende Aussicht in den Westen vergönnt. Heute sind der Heldrastein und seine beeindruckende Natur wieder für jedermann erreichbar. Lebensraum für »Robin Hood«, Luchs und Wildkatzen Auf dem Heldrastein hauste einst die Sagengestalt Florian Henning – angeblich der »Robin Hood« des Werratals. Nach ihm ist die Hütte benannt, die nach der Wen- de von der thüringisch-hessischen »Interessengemeinschaft Heldrastein« eröffnet wurde. Auf dem nördlichen Ausläufer befand sich im Mittelalter eine befestigte Wallanlage. Der Räuber Henning nutzte die unzugängliche Bergregion, um sich dort mit seiner Bande im ausgehenden 18. Jahrhundert verstecken zu können. Die »Interessengemeinschaft Heldrastein« war es auch, die – ganz nach dem Motto Im Ulstersack finden sich noch Relikte aus DDR-Zeiten, wie hier ein alter DDR-Grenzstein. Zwergtaucher (Tachybaptus ruficollis) sind exzellente Schwimmer und Taucher. Besonders im Winter verfolgen sie auch Fische, ansonsten leben sie überwiegend von Insekten. Zwergtaucher sind eine der vielen Vogelarten des Rhäden. »Schwerter zu Pflugscharen« – den ehemaligen Lausch- und Horchposten, ein von der Stasi errichteter Gitterturm für nachrichtendienstliche Zwecke, in den »Turm der Einheit« umbaute – einen Aussichtsturm für Wanderer. Auf den Wiesen im Werratal sind Weiß- und Schwarzstörche zu sehen. Uhu, Wespenbussard, Zwergtaucher, Graureiher und viele andere Vogelarten können in der Umgebung des Heldrasteins beobachtet werden. Aber besonders erfreulich ist, dass das Gebiet um den Heldrastein auch eine Heimat von Wildkatze (Felis silvestris) und Luchs (Lynx lynx) ist. Der ehemalige Grenzstreifen und seine Umgebung sind über Jahrzehnte zu einer ökologischen Fundgrube geworden oder haben sich als solche erhalten können – ein Refugium für Tierarten, die es ansonsten kaum noch gibt. NATUR ERLEBEN 41 Fauna & Flora

NATURERLEBEN 3-2006 42 Die 31 Stationen des Grenzwanderweges in der Wartburgregion werden durch Tafeln erklärt. Auf der Reise entlang des Grünen Bandes auf dem Grenzwanderweg nach Süden kommt man auch am Naturschutzgebiet »Ziegental bei Ifta« vorbei, das aufgrund seines Orchideenreichtums bekannt und besonders geschützt ist. Um die seltenen Orchideenarten nicht zu gefährden gilt hier absolutes Wegegebot! Arten wie Fliegen- und Bienen-Ragwurz (Ophrys insectifera und O. apifera), Händelwurz (Gymnadenia spec.) und Grünliche Waldhyazinthe (Platanthera chlorantha) sind hier zu bewundern. Betreut und gepflegt werden die wertvollen Lebensräume vom Das Baumkreuz bei Ifta ist ein Kunstprojekt, eine lebendige Skulptur und ein Mahnmal. Mehr als 1000 Bäume bilden ein Baumkreuz, das Ost und West verbindet. Arbeitskreis Heimische Orchideen Thüringen e. V. (AHO; mehr Informationen unter: www.aho-thueringen.de). Lebendige Skulptur und Mahnmal: das Baumkreuz von Ifta Die Ortschaft Ifta lag zwischen 1945 und 1989 in der 5 km-Sperrzone entlang der innerdeutschen Grenze. Ein historischer Platz, denn hier wurde 1962 mit der Grenzziehung begonnen. An die besondere Bedeutung und die Zeit während der Deutschen Teilung erinnert heute ein Kunstprojekt der ganz besonderen Art: Ein Baumkreuz mit mehr als 1000 Bäumen. Es wurde im Herbst 1990 als die zentrale Skulptur für eine Ost und West verbindende Allee zwischen Kassel und Eisenach gepflanzt und besteht aus zwei sich kreuzenden Alleen, einer dreireihigen Eschen- Allee auf dem ehemaligen Grenzstreifen und einer Linden-Allee entlang der B 7. Jedes Jahr treffen sich Menschen aus ganz Deutschland am Baumkreuz, um weiter an der Allee zu pflanzen. Der Abschnitt vom Baumkreuz bis Eisenach mit mehr als 1200 Linden ist bereits vollendet. Im November 2004 wurde zum ersten Mal auf hessischer Seite an der Allee nach Kassel gepflanzt. 2005 wurde das Kunstprojekt und das Engagement der vielen ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer mit dem Einheitspreis der Bundeszentrale für politische Bildung gewürdigt. Auf dem weiteren Weg entlang des Grünen Bandes passiert man Stadt und Burg Creuzburg. Creuzburg blickt auf eine über tausendjährige Geschichte zurück und ist eine der ältesten Städte Thüringens. Die Anfänge der Besiedlung um den späteren Burgberg gehen auf eine günstige Straßenlage zurück, denn an der Werrafurt trafen sich die alte West-Ost-Handelsstraße mit dem Handelsweg aus dem Süden. Auch während der DDR-Zeit spielte Creuzburg eine wichtige Rolle im Ost-West-Ver- NATUR ERLEBEN

Der hessische Ulstersack war zu<br />

DDR-Zeiten von <strong>der</strong> Westseite nur<br />

durch e<strong>in</strong>en schmalen »E<strong>in</strong>stieg«<br />

zu erreichen. E<strong>in</strong> fast vergessener<br />

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Berg wie<strong>der</strong> zu e<strong>in</strong>em beliebten Ausflugsziel<br />

ausgebaut hat, denn nicht alle<strong>in</strong> die<br />

wilde Schönheit <strong>des</strong> mächtigen Kalkste<strong>in</strong>felsens<br />

machte ihn schon früh zum Ziel<br />

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gedeiht e<strong>in</strong>e üppige Flora: Orchideen, Lilien,<br />

seltene Farne und Gräser f<strong>in</strong>det man<br />

hier ebenso wie Gebirgsblumen, die sonst<br />

nur <strong>in</strong> den Alpen vorkommen. In den zerklüfteten<br />

Felsen kann man den Wan<strong>der</strong>falken<br />

und den Uhu beobachten, auch<br />

Kreuzottern fühlen sich auf dem Kalkste<strong>in</strong>boden<br />

im Sonnensche<strong>in</strong> sehr wohl.<br />

40 Jahre lang war <strong>der</strong> Berg für Wan<strong>der</strong>er<br />

unerreichbar, denn er lag im militärischen<br />

Sperrgebiet <strong>der</strong> ehemaligen DDR. Die<br />

Grenze zur BRD verlief direkt unterhalb<br />

<strong>der</strong> Abbruchkante <strong>des</strong> bee<strong>in</strong>druckenden<br />

Plateaus. Nur den Partei- und Staatsfunktionäre<br />

sowie hohen <strong>in</strong>- und ausländischen<br />

Militärs war die atemberaubende Aussicht<br />

<strong>in</strong> den Westen vergönnt. Heute s<strong>in</strong>d <strong>der</strong><br />

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Natur wie<strong>der</strong> für je<strong>der</strong>mann erreichbar.<br />

Lebensraum für »Rob<strong>in</strong> Hood«,<br />

Luchs und Wildkatzen<br />

Auf dem Heldraste<strong>in</strong> hauste e<strong>in</strong>st die Sagengestalt<br />

Florian Henn<strong>in</strong>g – angeblich<br />

<strong>der</strong> »Rob<strong>in</strong> Hood« <strong>des</strong> Werratals. Nach ihm<br />

ist die Hütte benannt, die nach <strong>der</strong> Wen-<br />

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Heldraste<strong>in</strong>« eröffnet<br />

wurde. Auf dem nördlichen Ausläufer<br />

befand sich im Mittelalter e<strong>in</strong>e befestigte<br />

Wallanlage. Der Räuber Henn<strong>in</strong>g nutzte<br />

die unzugängliche Bergregion, um sich<br />

dort mit se<strong>in</strong>er Bande im ausgehenden<br />

18. Jahrhun<strong>der</strong>t verstecken zu können.<br />

Die »Interessengeme<strong>in</strong>schaft Heldraste<strong>in</strong>«<br />

war es auch, die – ganz nach dem Motto<br />

Im Ulstersack f<strong>in</strong>den sich noch Relikte aus DDR-Zeiten,<br />

wie hier e<strong>in</strong> alter DDR-Grenzste<strong>in</strong>.<br />

Zwergtaucher (Tachybaptus ruficollis)<br />

s<strong>in</strong>d exzellente Schwimmer und<br />

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verfolgen sie auch Fische, ansonsten<br />

leben sie überwiegend von Insekten.<br />

Zwergtaucher s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e <strong>der</strong> vielen<br />

Vogelarten <strong>des</strong> Rhäden.<br />

»Schwerter zu Pflugscharen« – den ehemaligen<br />

Lausch- und Horchposten, e<strong>in</strong> von<br />

<strong>der</strong> Stasi errichteter Gitterturm für nachrichtendienstliche<br />

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<strong>der</strong> E<strong>in</strong>heit« umbaute – e<strong>in</strong>en Aussichtsturm<br />

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Auf den Wiesen im Werratal s<strong>in</strong>d Weiß-<br />

und Schwarzstörche zu sehen. Uhu, Wespenbussard,<br />

Zwergtaucher, Graureiher<br />

und viele an<strong>der</strong>e Vogelarten können <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Umgebung <strong>des</strong> Heldraste<strong>in</strong>s beobachtet<br />

werden. Aber beson<strong>der</strong>s erfreulich ist,<br />

dass das Gebiet um den Heldraste<strong>in</strong> auch<br />

e<strong>in</strong>e Heimat von Wildkatze (Felis silvestris)<br />

und Luchs (Lynx lynx) ist. Der ehemalige<br />

Grenzstreifen und se<strong>in</strong>e Umgebung<br />

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für Tierarten, die es ansonsten kaum<br />

noch gibt.<br />

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