Materialien für Designer The Magic of Materials - Creative Industries ...
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12 <strong>Materials</strong><br />
Der Mann der <strong>Materialien</strong><br />
Mr. Material speaks up<br />
Mr. Lefteri, Sie haben sieben Bücher über Materialie n<br />
veröffentlicht, arbeiten als Berater, Sie bloggen über<br />
<strong>Materialien</strong>, halten Vorträge und haben diverse Ausstellungen<br />
zum <strong>The</strong>ma realisiert. Was war der Auslöser<br />
<strong>für</strong> Ihr Interesse an <strong>Materialien</strong>?<br />
Der gleiche, der mich auch zum Design brachte: Ich<br />
wollte einfach mehr über die Dinge um mich herum<br />
herausfinden. Man kann das etwa mit diesen Kindheitserfahrungen<br />
vergleichen, wenn einem etwas in<br />
die Hände fällt – egal, ob es sich dabei um einen natürlichen<br />
oder vom Menschen hergestellten Gegenstand<br />
handelt – und man will herausfinden, was das<br />
ist, woher es kommt und woraus es gemacht ist.<br />
Diese Neugier habe ich mir immer erhalten, und als<br />
ich dann die Möglichkeit bekam, ein Buch zu schreiben,<br />
konnte ich einerseits darstellen, was ich wusste,<br />
und andererseits hatte ich einen guten Grund, mehr<br />
über das herauszufinden, was ich noch nicht wusste.<br />
Dieses erste Buch war in vielerlei Hinsicht der Versuch,<br />
auf interessante Weise Geschichten über <strong>Materialien</strong><br />
zu erzählen, die <strong>für</strong> den Designprozess von<br />
Bedeutung sind. Je mehr ich mit Ideen <strong>für</strong> Bilder und<br />
Layout spielte, umso klarer wurde mir, dass es etwas<br />
sehr Wesentliches gab in der Art und Weise, wie<br />
<strong>Designer</strong> <strong>Materialien</strong> einsetzen, das zu jenem Zeitpunkt<br />
noch nicht thematisiert wurde.<br />
Was inspiriert Sie?<br />
Eine meiner wichtigsten Inspirationsquellen sind<br />
Lebensmitte l und Speisen. Ich wurde vor kurzem gebeten,<br />
ein Buch zum <strong>The</strong>ma <strong>Materialien</strong> zu schreiben,<br />
und habe es wie ein Designprojekt an gepackt.<br />
Ich dachte, wenn ich in der Lage wäre, über <strong>Materialien</strong><br />
so zu reden, dass ich meine Leser nur mit Hilfe<br />
von Text und Bildern so anspreche, dass sie eine<br />
starke emotionale Verbindung zu den <strong>Materialien</strong><br />
herstellen können, dann wäre ich auch in der Lage,<br />
wirklich zum Kern dieses <strong>The</strong>mas vorzudringen und<br />
diese Kluft zu überwinden, die entsteht, weil man<br />
beim Lesen eines Buches eben nicht wirklich ein<br />
Muster in Händen hält, das man fühlen, schmecken,<br />
riechen kann – all die Dinge, die wir als <strong>Designer</strong> nun<br />
Interview: Gerrit Terstiege (Gerrit.Terstiege@form.de)<br />
mal machen, wenn wir mit Materialie n spielen. Ich<br />
wollte schon immer von der trockenen, technischen<br />
Sprache der tra di tionellen Materialkunde wegkommen,<br />
die ja aus den Ingenieurs- und Naturwissenschaften<br />
stammt. Also benutzte ich sehr sinnliche<br />
Formulierungen, zum Beispiel „finger skinny“, um<br />
ein dünnhäutiges Material zu beschreiben, oder<br />
„steamy shower“ zur Beschreibung der Qualität von<br />
Transparenz. Ich wollte beim Leser ein Bild von dem<br />
Material erzeugen, das ihm Lust darauf macht – so<br />
wie auch ein Kochbuch wirklich Lust auf das Kochen<br />
und Essen hervorrufen kann.<br />
Chris Lefteri (linke Seite) ist den<br />
<strong>Materialien</strong> verfallen – schließlich<br />
gibt es da unglaublich viel zu entdecken.<br />
Zum Beispiel das Silikonleder<br />
von Dow (rechts).<br />
Chris Lefteri (left page) has fallen<br />
for materials. After all, there is<br />
so much to discover. For example,<br />
silicon e leather by Dow (right).<br />
Das klingt gut! Warum ist Ihrer Meinung nach das<br />
<strong>The</strong>ma <strong>Materialien</strong> gerade in letzter Zeit im Design<br />
so wichtig geworden?<br />
Da<strong>für</strong> gibt es mehrere Gründe. Zum einen findet<br />
mittlerweile in allen Designbereichen der Aspekt<br />
von „Erfahrungen“ große Beachtung. Das bedeutet,<br />
dass <strong>Designer</strong>n mehr Werkzeuge zur Verfügung<br />
stehe n müssen, um solche „Erfahrungen“ zu schaffen.<br />
Das hat mit Branding und Kommunikation zu<br />
tun, und <strong>Materialien</strong> spielen hier eine sehr große<br />
Rolle. Darüber hinaus wird der Umweltaspekt zunehmend<br />
wichtiger, die Art, die Herkunft und die<br />
Verarbeitung von Produkten und Möbeln sowie deren<br />
materielle Zusammensetzung ist dabei ganz entscheidend.<br />
Als drittes wäre noch das exponentielle<br />
Technologiewachstum zu nennen, das wirklich sehr<br />
aufregend ist. Als <strong>Designer</strong> wollen wir diese spannenden<br />
Dinge entdecken und anwenden.<br />
Was ist Ihrer Meinung nach die wichtigste Entwicklung<br />
im Bereich der „neuen“ <strong>Materialien</strong>?<br />
Man kann nicht von einer einzelnen Entwicklung<br />
sprechen, da es hier um das Zusammentreffen mehrerer<br />
Forschungsbereiche geht. Ideen aus den Bereichen<br />
von Biomimikri und Nanotechnologie finden<br />
sich in allen möglichen <strong>Materialien</strong> wieder, nicht nur<br />
in den bekannten Textilausrüstungen und selbstreinigenden<br />
Glasbeschichtun gen, sondern auch in der<br />
Herstellung dauerhafter Verbindungen verschiedenartiger<br />
<strong>Materialien</strong>. Und dann gibt es die Komposite,<br />
die in den Bereichen Konstruktion, Flugzeugbau und<br />
Transport sehr wichtig geworden sind. Eines der<br />
interessan testen <strong>Materialien</strong> in diesem Bereich ist<br />
ein kerami scher Werkst<strong>of</strong>f, der auf Perlmutt basiert<br />
– der Sub s tanz, mit der die Schalen von Krebsen<br />
ausgekleidet sind. Er verbindet die Härte von Keramik<br />
mit der Zähigke it von Metall. Aber es gibt auch<br />
einfachere Techniken, in denen etwa neue Verfah -<br />
ren zur Herstellung von Kunstst<strong>of</strong>f-Formguss-Produk<br />
ten verwendet wer den. So wird Sägemehl – das<br />
ja ein Abfallprodukt der Holzindustrie ist – benutzt,<br />
um Formguss-Produkte aus Kunstst<strong>of</strong>f herzustellen.<br />
Dabei werden bis zu fünfzig Prozent der Holzfaser<br />
weiterverwendet. Außerdem glau be ich fest da ran,<br />
dass in Zukunft die Herstellung von <strong>Materialien</strong> und<br />
die Herstellung von Produkten wesentlich enger miteinander<br />
verquickt sein werden, als es heute noch<br />
der Fall ist.<br />
Nennen Sie bitte ein Beispiel hier<strong>für</strong>.<br />
In der Natur zum Beispiel werden Pflanzen geformt<br />
während das Material produziert wird. Im vom Menschen<br />
geschaffenen Ablauf wird hingegen erst ein<br />
Material hergestellt, das dann mit Hilfe von Maschinen<br />
zum Produkt verarbeitet wird. Dieser Prozess<br />
besteht aus vielen Einzelschritten wie Formung,<br />
Oberflächenbehandlung und Transport. Viele sind<br />
ja heute der Überzeugung, dass die Biotech nologie<br />
<strong>für</strong> das 21. Jahrhundert das ist, was Physik und Mechanik<br />
<strong>für</strong> das 20. Jahrhundert waren.<br />
Das mag stimmen, vorausgesetzt, dass diese Techniken<br />
in die richtigen Hände geraten. Doch, um auf<br />
die Natur zurückzukommen: Es ist klar, dass umweltschonende,<br />
wiederverwertbare <strong>Materialien</strong> in den<br />
letzten Jahren große Aufmerksamkeit erfahren haben.<br />
Wie können <strong>Designer</strong> Firmen davon überzeugen,<br />
diese <strong>Materialien</strong> einzusetzen, selbst wenn sie<br />
gegebenenfalls teurer sind?<br />
Ich glaube, es geht zunächst darum, dass <strong>Designer</strong><br />
ihre Vorstellung davon, was ein Öko-Material ausmacht,<br />
erweitern müssen. Dieses Gebiet kann man<br />
in zwei Kategorien einteilen: Zur ersten gehören<br />
Materialie n, die irgendeine Form von Öko-Branding<br />
besitzen. Zur zweiten gehören die <strong>Materialien</strong>, die<br />
zwar nicht explizit als „Öko“ ausgewiesen sind, aber<br />
zum Beispiel aufgrund einer bestimmten physikalischen<br />
Eigenschaft zur Gewichtsreduzierung beitragen<br />
können, die mit geringem Energieverbrauch<br />
hergestellt wurden oder die unkompliziert wiederverwertet<br />
werden können. Dies e <strong>Materialien</strong> sind<br />
viel schwerer zu identifizieren als Öko-<strong>Materialien</strong>,<br />
können aber mindestens genauso nachhaltig sein<br />
wie viele der sogenannten Öko-<strong>Materialien</strong> – wenn<br />
nicht sogar nachhaltiger.<br />
<strong>Materials</strong> 13