Inhalt DDR-bezogene Hochschulforschung ... - Peer Pasternack
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Erziehungswissenschaften 213<br />
und sozialen Praxis im vereinigten Deutschland angemessen wäre, insbesondere<br />
was die Situation in den neuen Ländern anbelangt.<br />
Im Sinne der notwendigen Stärkung der Dignität des Faches ist es um so wichtiger,<br />
daß sich die Erziehungswissenschaft mit dem Erbe der <strong>DDR</strong>-Pädagogik auseinandersetzt.<br />
Mit der Abwicklung der meisten erziehungswissenschaftlichen<br />
Hochschulsektionen und sonstigen pädagogischen Forschungseinrichtungen der<br />
<strong>DDR</strong> droht ein Abbruch von Forschungstraditionen (in Gestalt spezifischer Sichtweisen,<br />
Paradigmen, theoriegeschichtlicher Bezugnahmen, Konzepten etc.), die<br />
Teil der Disziplingeschichte bzw. "disziplinären Zeitgeschichte" sind. Damit ist der<br />
Verlust auch von Reflexions-, Begründungs- und Verständigungspotential im Hinblick<br />
auf aktuelle wissenschaftliche und pädagogisch-praktische Fragestellungen<br />
verbunden.<br />
In der Vorstellung der Wende als "Stunde 0" für die Erziehungswissenschaft<br />
(und nicht nur dort) liegen oft auch die Wurzeln für einen verfehlten Transformationsbegriff,<br />
mit dem auf die Anforderungslage der Systemerneuerung nur mit<br />
"Übernahmeofferten" westlicher Modelle reagiert wird. Diese in der – historisch<br />
gebotenen – Eile der Wende übernommenen Konzepte haben im Westen natürlich<br />
ihre Geschichte und sind für sich genommen Ausdruck sinnfälliger Kontinuität. Im<br />
Osten aber werden sie nicht selten als fremd und unbegründet erlebt; als<br />
"Importgüter" fehlen ihnen nachvollziehbare Herleitungen, was Mißverständnisse<br />
und Reibungen erzeugt. Hinzu kommt, daß die kritische Prüfung von im Westen<br />
entwickelten Theorie- und Praxiskonzepten unterbleibt, wenn sie durch das Ende<br />
der <strong>DDR</strong> trügerisch als "bewährt" erscheinen, während sie längst selbst reformbedürftig<br />
waren.<br />
Gerade in personeller Hinsicht reicht es deshalb nicht aus, Wissenschaftlerinnen<br />
und Wissenschaftler aus der <strong>DDR</strong> an der Auseinandersetzung mit ihrer eigenen<br />
Geschichte nur zu "beteiligen", ohne ihnen berufliche Chancen zu eröffnen. Wenn<br />
man für aktuelle (oft ost-spezifische) Problemlagen neue Lösungsansätze entwickeln<br />
will, müssen ihre besonderen, historisch vermittelten Wahrnehmungs- und<br />
Denkweisen in den wissenschaftlichen Diskurs integriert werden.<br />
Hier allerdings gibt es gravierende Probleme. Betrug z.B. der Anteil der wissenschaftlichen<br />
Mitarbeiter am akademischen Gesamtpersonal der <strong>DDR</strong>-Hochschulen<br />
82 %, so ist dieser Anteil im Bereich der Erziehungswissenschaft an den<br />
Universitäten der neuen Länder auf rund 60 % gesunken. Die Abwicklung fast aller<br />
erziehungswissenschaftlichen Hochschulsektionen, Bedarfskündigungen und Entlassungen<br />
haben dazu geführt, daß die meisten Erziehungswissenschaftler und Erziehungswissenschaftlerinnen<br />
der <strong>DDR</strong> nicht mehr in ihrem Arbeitsgebiet tätig<br />
sind. (Vgl. Böhnisch u.a. 1994, S. 188ff.)