Inhalt DDR-bezogene Hochschulforschung ... - Peer Pasternack
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206 Jan-Hendrik Olbertz<br />
� In der Vorstellung der Wende als "Stunde 0" nicht nur für die Erziehungswissenschaft<br />
liegen die Wurzeln für einen verfehlten Transformationsbegriff, mit<br />
dem auf die Anforderungslage der Systemerneuerung und Strukturreform selten<br />
mehr angeboten wird als "Übernahmeofferten" westlicher Modelle. Diese<br />
in der – historisch gebotenen – Eile der Wende übernommenen Konzepte haben<br />
im Westen natürlich ihre Geschichte und sind für sich genommen Ausdruck<br />
sinnfälliger Kontinuität ("geordneten Wachstums"), aber im Osten werden<br />
sie oft als fremd, "aufgesetzt", spontan und unbegründet erlebt; als "Importgüter"<br />
fehlen ihnen nachvollziehbare Herleitungen, was eine Fülle von<br />
Mißverständnissen und Reibungen erzeugt. Hinzu kommt , daß die weitere kritische<br />
Prüfung und Korrektur von im Westen entwickelten erziehungswissenschaftlichen<br />
Theorie- und Praxiskonzepten zu unterbleiben droht, wenn sie<br />
durch den Untergang der <strong>DDR</strong>-Konzepte trügerisch als "bewährt" erscheinen,<br />
während sie ihrerseits längst reform- und weiterentwicklungsbedürftig waren.<br />
Das Ergebnis dieser Konstellation ist nicht selten verfehlte Bestätigung und<br />
"falsche" Stabilität auf der einen Seite, Inkompatibilität und Irrelevanz auf der<br />
anderen.<br />
� So wie die <strong>DDR</strong>-Geschichte insgesamt Ergebnis und Ausdruck der (schwierigen<br />
und in mancher Beziehung "typischen") Kontinuität deutscher Geschichte<br />
ist, so ist auch die Geschichte der <strong>DDR</strong>-Erziehungswissenschaft als Teil der<br />
Disziplingeschichte anzusehen, deren Rekonstruktion die politisch-ideologische<br />
Inanspruchnahme und entsprechende theoretische Verwerfungen ebensowenig<br />
ausklammern darf wie zur selben Zeit immer auch entwickelte, tragfähige<br />
und innovative (manchmal sogar systemsubversive) Konzepte. Die <strong>DDR</strong>-<br />
Pädagogik konnte in einigen Gebieten auch nach westlichen Maßstäben – vor<br />
allem in empirischer Hinsicht – "diskursfähige" Standards vorweisen, die z.T.<br />
in relativer Unabhängigkeit von politisch-ideologischen Systemerwartungen<br />
bzw. -vorgaben für die internationale Theoriediskussion von Wert sind (und<br />
schon zu <strong>DDR</strong>-Zeiten von Wert gewesen wären, wenn sie auf internationaler<br />
Bühne hätten präsentiert werden können). Wer sich auf die Disziplingeschichte<br />
berufen oder gar aktuelle Denkansätze auf diese Weise legitimieren will, kann<br />
sich also nicht auf die "halbe" Geschichte beschränken. Die Geschichte der<br />
<strong>DDR</strong>-Pädagogik bzw. Erziehungswissenschaft ist trotz (vielleicht sogar wegen)<br />
der inneren und äußeren Systemabgrenzung in erster Linie "gesamtdeutsche"<br />
Geschichte, die in ihrer Ganzheit mit selektiver Rezeption kaum zu bewältigen<br />
ist.<br />
� Dabei ist es nicht damit getan, <strong>DDR</strong>-Kollegen an der Auseinandersetzung mit<br />
ihrer eigenen Geschichte lediglich zu "beteiligen" (so eine vielgebrauchte,<br />
großmütige Formulierung). Wenn die spezifischen Denkweisen und Ansätze<br />
der <strong>DDR</strong>-Pädagogik ernsthaft erörtert und integriert werden sollen, so muß das<br />
prinzipiell, also auch unabhängig von entsprechenden Themenstellungen, geschehen.<br />
Anders ist Diskurs nicht möglich, und erst recht könnten politische<br />
bzw. ideologische Zweck- und Indoktrinationskonzepte der <strong>DDR</strong>-Pädagogik<br />
nicht von theoretisch anspruchsvollen Ergebnissen der Disziplin getrennt wer-