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Hingeschaut 2009 - 2010 - Lebenshilfe Schweinfurt

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Offene Hilfen mit FED & Geschwisterberatung<br />

geschwister behinderter Kinder:<br />

endlich mal selbst im Mittelpunkt stehen<br />

Auszüge aus dem Artikel von Susanne Marquardt,<br />

erschienen im <strong>Schweinfurt</strong>er Tagblatt vom<br />

06.07.<strong>2010</strong><br />

Heiß begehrtes Angebot für Geschwister behinderter<br />

Kinder: Ein ganzes Wochenende, organisiert<br />

von der <strong>Schweinfurt</strong>er <strong>Lebenshilfe</strong>, stehen<br />

sie mit ihren Bedürfnissen im Mittelpunkt.<br />

Im Alltag spielen Geschwister behinderter Kinder<br />

notgedrungen oft nur die zweite Geige. Häufig müssen<br />

sie auf ihre gehandicapten Brüder oder<br />

Schwestern Rücksicht nehmen und übernehmen<br />

schon früh Betreuungsaufgaben. Für diese Kinder sollen<br />

spezielle Seminarangebote Kraftquelle und<br />

Austauschmöglichkeit sein.<br />

Wutentbrannt kommt Nils aus der Schule nach Hause.<br />

Kaum ist die Tür hinter ihm ins Schloss gefallen, sprudelt<br />

der Ärger aus ihm heraus. Doch schon nach den<br />

ersten empörten Sätzen merkt er, wie die Mutter<br />

unruhig wird, ihm gar nicht mehr richtig zuhört. Nur<br />

die Augen sind noch bei ihm. Die Aufmerksamkeit ist<br />

bei jemand anderem.<br />

Jetzt hört auch Nils das leise Rufen aus dem ersten<br />

Stockwerk. Nils' Schwester ist schwerbehindert und<br />

auf ständige Hilfe und Pflege angewiesen. Von Geburt<br />

an. Seit acht Jahren. Acht Jahre lang hat Nils gelernt,<br />

Rücksicht zu nehmen. Rücksicht auf seine kleine<br />

Schwester. Rücksicht, die nie aufhören wird.<br />

Rücksicht, die keine Pause kennt. Rücksicht, die Nils<br />

selbstverständlich nimmt und gleichzeitig gibt.<br />

Elternzeit einfordern<br />

Doch manchmal, so wie jetzt, da fällt es schwer, diese<br />

Rücksicht immer und immer wieder zu nehmen. Wenn<br />

es ihm selbst schlecht geht, wenn er die ungeteilte<br />

Aufmerksamkeit seiner Eltern bräuchte. Doch<br />

beschweren, einfordern, das würde Nils nie tun.<br />

„Geschwisterkinder haben eine ungeheure<br />

Leidensfähigkeit“, weiß Ingrid Koch-Stuchels von der<br />

<strong>Lebenshilfe</strong> für Behinderte in <strong>Schweinfurt</strong>. Seit einem<br />

Jahr ist die Heilpädagogin für die Beratung von<br />

Geschwisterkindern von Behinderten tätig.<br />

48<br />

„Diese Kinder verfügen häufig über eine riesengroße<br />

Sozialkompetenz und wirken oft viel reifer als ihre<br />

Altersgenossen“, so die Erfahrung der Pädagogin.<br />

Allerdings seien sie oft auch sehr angepasst, spüren<br />

die hohe Erwartungshaltung ihrer Eltern. Nils würde<br />

durchaus öfter auf seine kleine Schwester aufpassen,<br />

doch „ich mach's nicht richtig“, meint der 15-Jährige.<br />

Zur Beratungsstelle kam er durch seine Mutter. Hier<br />

kann er seine Sorgen und Nöte äußern, ohne Angst<br />

haben zu müssen, den Eltern dadurch zusätzlichen<br />

Kummer zu machen.<br />

Fragen nach der Art der Behinderung, nach der<br />

Ursache, Beschäftigung mit den Themen Tod oder<br />

Reanimation kommen hier auf die Tagesordnung. Was<br />

zu Hause als Tabu gilt, darf in den Räumen der<br />

Beraterin ausgesprochen werden. „Die Eltern wissen,<br />

dass ihr nichtbehindertes Kind sehr oft hinten anstehen<br />

muss“, erklärt Ingrid Koch-Stuchels. So bekommen<br />

die Kinder und Jugendlichen schon mal den Rat<br />

mit auf den Weg, einmal pro Woche eine Stunde<br />

Elternzeit einzufordern.<br />

Koch-Stuchels bestärkt die Betroffenen darin, selbst zu<br />

entscheiden, wann sie „Nein“ sagen müssen. Doch<br />

nicht nur Kinder und Jugendliche nutzen das<br />

Beratungsangebot. Neben dieser Hauptzielgruppe<br />

melden sich bei Ingrid Koch-Stuchels auch Menschen<br />

jenseits der 40, die ihre offenen Fragen und<br />

Schuldgefühle schon jahrelang mit sich herumschleppen.<br />

Diese Beratungsstelle ist einmalig in<br />

Unterfranken. „Für Geschwisterkinder muss unbedingt<br />

etwas getan werden“, ist Norbert Hart,<br />

Vorsitzender der <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>Schweinfurt</strong>, überzeugt.<br />

„Eigene Räume mit genügend Platz und therapeutisch-spielerischem<br />

Charakter“, das sind Träume, die<br />

sowohl Norbert Hart als auch Ingrid Koch-Stuchels<br />

gerne verwirklichen möchten.<br />

Gemeinsame Wochenenden<br />

Doch die beiden bleiben nicht in Träumereien stecken.<br />

Für dieses Jahr sind neben dem wöchentlichen<br />

Beratungsangebot drei Wochenenden für Geschwister<br />

behinderter Kinder angeboten.

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