Ein Mensch mit Eigenschaften: aber welchen? - Dr. W. Peter ...

Predigten in Breslau während des Jahres 1722 eintrugen. Dort hat man sein
Verhalten stets falsch gedeutet:
„Es kam noch dazu, dass, wenn ich mich gegen dergleichen Vorhaltungen
verantworten wollte, mein unvermutetes Erschrecken, und die furchtsamen
Gebärden den Schein eines Zornes, und einer unwilligen Alteration bei mir hatten;
wie solches bei vielen Leuten, die meines Temperaments, gar etwas Gewöhnliches,
aber wie aller Zorn zu sein pfleget, sehr verhaßt ist, und einen gar schlecht
rekommandiret.“
Vor Gericht liest man die Gesten der hypochondrischen Angst als Zeichen des
Zornes, und diese falsche Leseweise kontingenter Zeichen prägte das Schicksal
dieses Angeklagten: Er wurde seines Dienstes enthoben.
Ich gebe noch einige Hinweise zur Geschichte des Artikels 71 der Carolina. Die
Gebärdenprotokolle werden in den reformierten Strafprozessordnungen des 18.
Jahrhunderts fortentwickelt. Sowohl das Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern
von 1751 als auch das Österreichische Gesetzbuch über Verbrechen von 1768/69
und das Allgemeine Criminalrecht für die Königlich preussischen Staaten von 1794
schreiben die alte Vorschrift fort. In § 281 der Preußischen Criminalordnung heißt
es:
„Auch muss der Richter das Benehmen des Angeschuldigten in den Verhören,
besonders die Äusserungen, welche das Bewusstsein der Schuld oder Unschuld
andeuten, genau beobachten, und das Nötige darüber in einer besonders
aufzunehmenden Registratur bemerken.“
Aber bald wird vor einer allzu einfachen Anwendung dieser Codes zur Kontrolle der
Glaubwürdigkeit gewarnt. Ein Autor namens Diez legt in den Annalen der Staats-
Arzneikunde von 1839 den Finger auf das Problem, dass die bekannten Zeichen, die
eine Wahrscheinlichkeit der Lüge indizieren, nur innerhalb eines ganzen Satzes von
Informationen, die sich nicht mehr aufschreiben lassen, Aussagekraft annehmen:
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