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Die Memoiren des Rodriguez Faszanatas von Helge Schneider

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Ich brauche neue Unterwäsche. <strong>Die</strong> alten Klamotten sind durch. Was tut man,<br />

wenn man sich schämt, die Verkäuferin zu fragen, wo welche Unterhosen<br />

liegen und welche Größe man hat? Man klebt sich einen falschen Bart an und<br />

belegt sein Haupt mit einem falschen Toupet. Ich übertrieb es noch, indem<br />

ich mir eine dicke Beule aus Silikon auf die Backe klebte.<br />

»Guten Tag, Señora, bitte, die Unterhosen, die hinten nur mit einem<br />

Bindfaden auskommen, Sie verstehen, wie heißen die noch?«<br />

»String-Tanga, der Herr!«<br />

»Ja, String-Tanga, meinen Sie, das steht mir gut? Kann ich damit in meinem<br />

Alter noch Hof machen?«<br />

»Ja, natürlich, wir verkaufen vornehmlich an ältere Herren, hier, da vorne,<br />

der vierte Gang, auch Baumwolle!«<br />

»Danke, die Dame, aber … was meinen Sie, welche Größe könnte ich denn<br />

haben?«<br />

<strong>Die</strong> Verkäuferin nahm Maß. Mit den Augen. »Größe fünf haben Sie, wenn ich<br />

mich nicht irre, hihihihihi!«<br />

Warum lachte sie? Ich wurde sauer. Wollte sie mich verhöhnen? Ich nestelte<br />

mit schwitzenden Fingern meine Hose auf und verschwand mit ein paar String-<br />

Tangas im Umkleidekabuff. Da schwang jemand einen Rock über die Tür, so daß<br />

ich <strong>von</strong> dem Kleidungsstück gestreift wurde. Größe 38 hatte das Modell. Noch<br />

ein Rock. Meiner Nachbarin in der nächsten Garderobe gefielen die Farben<br />

Rot und Orange wohl sehr gut, denn noch mehrere <strong>von</strong> dieser Art Rock wurden<br />

anprobiert. Dazwischen plötzlich ein Stöhnen. Ich dachte, daß ich sie mir<br />

wohl mal anschauen sollte. Das Stöhnen nebenan wurde lauter. Ich lugte um<br />

die Ecke und öffnete vorsichtig den Vorhang zur Garderobe. <strong>Die</strong> Frau saß mit<br />

gestreckten Beinen auf dem Schemel und zog einen hautengen Rock mit<br />

schmerzverzerrtem Gesicht über ihren ziemlich breiten Hintern. Daher also<br />

das Gestöhne. Ich konnte aushelfen.<br />

»Werte Dame, ich bin zufälligerweise mit solchen Tücken vertraut. Darf ich<br />

Ihnen zur Hilfe eilen?«<br />

Ich betrat keck das Kabuff und richtete die Frau an den Schultern auf, dann<br />

faßte ich ihren Rock an den Seiten und zerrte ihn über ihren Hintern, bis<br />

er saß.<br />

»Danke, das ist sehr liebenswürdig, der Herr, Señor, darf ich Sie zu einer<br />

Tasse Kaffee in dem hier angeschlossenen Café in der zehnten Etage<br />

einladen?« Und zur Verkäuferin gewandt: »Ich nehme diese beiden Röcke!«<br />

Ich erwähnte, daß ich zwar eigentlich wenig Zeit hätte, weil mein<br />

Parkticket für den Merce<strong>des</strong> ausliefe und ich sowieso mal nach dem Wagen<br />

schauen müßte, weil er so teuer ist, aber ich ließ mich dann geziert zu<br />

diesem Kaffee überreden. Wir fuhren mit dem Aufzug in die Zehnte. Oben<br />

spielte eine kleine Combo zum Tee. Ich mußte aufpassen, daß ich heute nicht<br />

zu lange draußen blieb, denn ich wollte ja morgen nach Murcia fahren, und<br />

dafür mußte ich unbedingt ausgeruht sein.<br />

Im Café spielte die Combo »Schuld war nur der Bossa Nova«. Ich dachte einen<br />

Moment lang, ich könnte meinen Augen nicht trauen, da saß direkt neben der<br />

kleinen Bühne die Frau aus dem Uhrenladen mit einem Italiener oder so was!<br />

Zum Glück hatte sie mich nicht erkannt, denn ich trug ja den Bart und das<br />

Toupet, außerdem war sie abgelenkt. Und als ich so mit der Dame aus der<br />

Umkleidekabine ins Gespräch kam, beobachtete ich parallel die Geschehnisse<br />

am kleinen Tischchen neben der Bühne. Plötzlich warf die Frau aus dem<br />

Uhrenladen dem Italiener unvermittelt einen Handkantenschlag an die<br />

Halsschlagader, während sie wie eine Feder emporschoß und ihm ihren Ausweis<br />

unter die <strong>von</strong> einem zusätzlichen Faustschlag geschwollene Nase hielt. Ich<br />

versuchte, meine Tischgesellschaft abzulenken, indem ich zur Band ging und<br />

mit ihnen sprach, ob ich mal bei einem Lied mitsingen könne, und zwar<br />

»Borroquito como tu«, das konnte ich.

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