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In den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg kämpften die Historiker der beiden deutschen Staaten heftig um die Deutungshoheit der deutschen Geschichte. Dieser Kampf wurde auch als »Kalter Krieg der Geschichtswissenschaftler« bezeichnet. Das Buch des Wuppertaler Historikers und Journalisten Matthias Dohmen dokumentiert auf der Grundlage eines umfangreichen Quellen- und Literaturstudiums sowie der Befragung wichtiger Zeitzeugen die Arbeiten der Ost- und West-Historiker, die sich mit dem »Scharnierjahr 1923« der deutschen Geschichte (Hyperinflation, Rheinlandbesetzung, die einzigen SPD/KPD-Landeskabinette der Weimarer Zeit, eine geistige und »sittliche« Destabilisierung ohnegleichen) beschäftigten. Mit zahlreichen bisher übersehenen oder unbeachteten Zeugnissen, über 300 Historikerbiographien, einer Vielzahl von Zitaten und bisweilen kritisch-polemischen Zuspitzungen beschreibt der Autor in einer überaus lesbaren Sprache diese historische Auseinandersetzung.

In den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg kämpften die Historiker der beiden deutschen Staaten heftig um die Deutungshoheit der deutschen Geschichte. Dieser Kampf wurde auch als »Kalter Krieg der Geschichtswissenschaftler« bezeichnet.
Das Buch des Wuppertaler Historikers und Journalisten Matthias Dohmen dokumentiert auf der Grundlage eines umfangreichen Quellen- und Literaturstudiums sowie der Befragung wichtiger Zeitzeugen die Arbeiten der Ost- und West-Historiker, die sich mit dem »Scharnierjahr 1923« der deutschen Geschichte (Hyperinflation, Rheinlandbesetzung, die einzigen SPD/KPD-Landeskabinette der Weimarer Zeit, eine geistige und »sittliche« Destabilisierung ohnegleichen) beschäftigten.
Mit zahlreichen bisher übersehenen oder unbeachteten Zeugnissen, über 300 Historikerbiographien, einer Vielzahl von Zitaten und bisweilen kritisch-polemischen Zuspitzungen beschreibt der Autor in einer überaus lesbaren Sprache diese historische Auseinandersetzung.

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ferat hielt, reiste er als einziger Teilnehmer aus dem Westen an 15 . Kurz danach<br />

in die russische Zone gewechselt, ist er einem damals jungen Historiker wie<br />

Werner Bramke als jemand in Erinnerung, der »den Kopf hinhielt« und der<br />

für seine nonkonformistischen Anschauungen über den KPD-Politiker August<br />

Thalheimer, von dem eine bemerkenswerte Broschüre zum kommunistischen<br />

»Versagen« 1923 stammt 16 , eine »rüde Zurückweisung« durch das Institut für<br />

Marxismus-Leninismus, die führende geschichtswissenschaftliche Instanz für<br />

Fragen der Arbeiterbewegung in der DDR, einstecken musste 17 .<br />

Fortschreitende Nachsicht gegenüber den Nationalsozialisten<br />

Als die Debatten des Kalten Krieges begannen, drängten sich im Osten wie im<br />

Westen Historiker nach vorne und wirkten auch über Beiträge in Tages- und<br />

Wochenzeitungen in die Öffentlichkeit hinein, wie es Günther R. Mittler in einer<br />

neueren Untersuchung beschrieben hat 18 . Im westlichen Deutschland ging<br />

dieser Prozess mit einer nachträglichen Exkulpierung für Historiker einher,<br />

15<br />

Walter Markov, Zwiesprache mit dem Jahrhundert, Köln: Volksblatt 1990 (= Kleine historische<br />

Bibliothek, 5), S. 141 f.<br />

16<br />

Thalheimer problematisierte die Tatsache, dass mit der Spaltung der Arbeiterpartei SPD zwei<br />

strategisch-taktische Ausrichtungen existierten und dass es sich, auf die KPD fokussiert, »um die<br />

praktische Lösung der Frage handelt: wie kann man gemeinsame Aktionen der Arbeiterschaft erzielen<br />

trotz grundsätzlicher Gegensätze?«. Siehe: A. Thalheimer, 1923: Eine verpaßte Revolution? – Die<br />

deutsche Oktoberlegende und die wirkliche Geschichte von 1923, Berlin: Junius 1931, S. 8.<br />

17<br />

Werner Bramke, Freiräume und Grenzen eines Historikers im DDR-System. Reflexionen sechs<br />

Jahre danach, in: Karl Heinrich Pohl (Hrsg.), Historiker in der DDR, Göttingen: Vandenhoeck &<br />

Ruprecht 1997 (= Kleine Vandenhoeck-Reihe, 1580), S. 28-44, hier S. 40. – In der renommierten<br />

Reihe »Rheinische Lebensbilder« wird er zu den drei Historikern aus der DDR gezählt, die im<br />

Westen breit Anerkennung fanden (neben Ernst Engelberg und Fritz Klein). Vgl. Ralf Forsbach,<br />

Walter Markov (1909-1993). NS-Widerstandskämpfer und Historiker, in: Elsbeth Andre/Helmut<br />

Rönz (Hrsg.), Rheinische Lebensbilder, Düsseldorf: Droste 2013 (= Gesellschaft für Rheinische<br />

Geschichtskunde/Rheinische Lebensbilder, 19), S. 309-329, vor allem S. 327.<br />

18<br />

»So verstärkte nicht zuletzt die Systemkonkurrenz der beiden deutschen Staaten die Bemühungen<br />

der jeweiligen Geschichtswissenschaft um Rechtfertigung und Weitergabe bestimmter staatlich<br />

sanktionierter Geschichtsbilder. […] Allerdings verstärkten erst die Jahre nach 1945 die Tendenz<br />

der Geschichtswissenschaft, meinungsbildend in eine breitere Öffentlichkeit zu treten. Während<br />

die Stimmen der deutschen Historiker zuvor fast ausschließlich über das Medium ihrer historiographischen<br />

Werke verbreitet wurden, drängten die Repräsentanten der Geschichtswissenschaft<br />

in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in wachsendem Maße auf die populären Felder der<br />

Meinungsveröffentlichung.« Siehe: Günther R. Mittler, Geschichte im Schatten der Mauer. Die<br />

bundesdeutsche Geschichtswissenschaft und die deutsche Frage 1961-1989, Paderborn/München/<br />

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