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In den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg kämpften die Historiker der beiden deutschen Staaten heftig um die Deutungshoheit der deutschen Geschichte. Dieser Kampf wurde auch als »Kalter Krieg der Geschichtswissenschaftler« bezeichnet. Das Buch des Wuppertaler Historikers und Journalisten Matthias Dohmen dokumentiert auf der Grundlage eines umfangreichen Quellen- und Literaturstudiums sowie der Befragung wichtiger Zeitzeugen die Arbeiten der Ost- und West-Historiker, die sich mit dem »Scharnierjahr 1923« der deutschen Geschichte (Hyperinflation, Rheinlandbesetzung, die einzigen SPD/KPD-Landeskabinette der Weimarer Zeit, eine geistige und »sittliche« Destabilisierung ohnegleichen) beschäftigten. Mit zahlreichen bisher übersehenen oder unbeachteten Zeugnissen, über 300 Historikerbiographien, einer Vielzahl von Zitaten und bisweilen kritisch-polemischen Zuspitzungen beschreibt der Autor in einer überaus lesbaren Sprache diese historische Auseinandersetzung.

In den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg kämpften die Historiker der beiden deutschen Staaten heftig um die Deutungshoheit der deutschen Geschichte. Dieser Kampf wurde auch als »Kalter Krieg der Geschichtswissenschaftler« bezeichnet.
Das Buch des Wuppertaler Historikers und Journalisten Matthias Dohmen dokumentiert auf der Grundlage eines umfangreichen Quellen- und Literaturstudiums sowie der Befragung wichtiger Zeitzeugen die Arbeiten der Ost- und West-Historiker, die sich mit dem »Scharnierjahr 1923« der deutschen Geschichte (Hyperinflation, Rheinlandbesetzung, die einzigen SPD/KPD-Landeskabinette der Weimarer Zeit, eine geistige und »sittliche« Destabilisierung ohnegleichen) beschäftigten.
Mit zahlreichen bisher übersehenen oder unbeachteten Zeugnissen, über 300 Historikerbiographien, einer Vielzahl von Zitaten und bisweilen kritisch-polemischen Zuspitzungen beschreibt der Autor in einer überaus lesbaren Sprache diese historische Auseinandersetzung.

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demokratisieren und so die rückläufige Entwicklung der Revolution aufhalten<br />

können«, urteilte 1935 Arthur Rosenberg 96 .<br />

Der ADGB-Vorsitzende spielte jedoch ein doppeltes Spiel, wie jedenfalls Heinrich<br />

Potthoff betont hat: »Legiens Politik in der Kapp-Putsch-Zeit zielte vorrangig auf<br />

eine friedliche Rückkehr zu geordneten Zuständen. Das Stichwort ›Arbeiterregierung‹<br />

erfüllte dabei einen doppelten Zweck. Es wurde von ihm immer dann<br />

ins Gespräch geworfen, wenn er mit Vertretern der USPD und Repräsentanten<br />

des linken Gewerkschaftsflügels zusammentraf und er zugleich Druck auf die<br />

bisherige Regierungskoalition ausüben wollte. Gegenüber der mobilisierten<br />

Arbeiterschaft und den starken Linksgruppen in der Streikfront diente es als<br />

Auffangbecken zur Abwehr einer ›revolutionären‹ Arbeiterregierung und zur<br />

Integration der Gewerkschaftsopposition wie der Unabhängigen.« 97<br />

Die Arbeiterregierung in Sachsen und die Arbeiter- und Kleinbauernregierung in<br />

Thüringen bildeten am 10. und am 16. Oktober SPD und KPD. In der Thüringer<br />

Vereinbarung wurden die »Sicherstellung der Existenz der werktätigen Bevölkerung<br />

und der entschiedenste Kampf gegen den Faschismus, Revanchepolitik,<br />

Reaktion und die verfassungswidrige Militärdiktatur« als Aufgabenstellungen<br />

genannt 98 . Die Konzeption einer Arbeiterregierung übte sogar ihre Faszination<br />

bis in Kreise der politisch rechten Parteien und Gruppierungen aus 99 , die<br />

im Kontext des »Schlageter-Kurses« zeitweilig eine Annäherung an die KPD<br />

vornahmen.<br />

96<br />

Arthur Rosenberg, Republik (Anm. 60), S. 98. Vgl. Evelyn Anderson, Amboss (Anm. 63), S.<br />

111.<br />

97<br />

Heinrich Potthoff, Gewerkschaften und Politik zwischen Revolution und Inflation, Düsseldorf:<br />

Droste 1979 (= Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, 66),<br />

S. 277 f.<br />

98<br />

Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung in acht Bänden. Bd. 3: 1917-1923, Berlin: Dietz<br />

1966, S. 424. Die gesamte sozialdemokratisch-kommunistische Vereinbarung als Dokument<br />

ebda., S. 664-666.<br />

99<br />

Der »Nationalrevolutionär« Klaus Eichen gab die Losung aus: »[...] ›lieber ein Vaterland, das als<br />

bolschewistisch gehasst, gefürchtet und geachtet wird, denn eines, das die ganze Welt verachtet<br />

..., lieber gar gleichberechtigter Genosse des Straßenräubers, als der Lakai des eigenen Henkers‹.<br />

Lieber eine bolschewistische Arbeiterregierung mit Radek und Brandler als eine neudeutsche<br />

Monarchie von Gnaden Hitlers und Poincarés«. Siehe Otto-Ernst Schüddekopf, Linke Leute<br />

von rechts. Die nationalrevolutionären Minderheiten und der Kommunismus in der Weimarer<br />

Republik, Stuttgart: W. Kohlhammer 1960, S. 163.<br />

66

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