12.09.2015 Aufrufe

Bod-Dohmen-Geraubte-Traeume-leseprobe.pdf

In den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg kämpften die Historiker der beiden deutschen Staaten heftig um die Deutungshoheit der deutschen Geschichte. Dieser Kampf wurde auch als »Kalter Krieg der Geschichtswissenschaftler« bezeichnet. Das Buch des Wuppertaler Historikers und Journalisten Matthias Dohmen dokumentiert auf der Grundlage eines umfangreichen Quellen- und Literaturstudiums sowie der Befragung wichtiger Zeitzeugen die Arbeiten der Ost- und West-Historiker, die sich mit dem »Scharnierjahr 1923« der deutschen Geschichte (Hyperinflation, Rheinlandbesetzung, die einzigen SPD/KPD-Landeskabinette der Weimarer Zeit, eine geistige und »sittliche« Destabilisierung ohnegleichen) beschäftigten. Mit zahlreichen bisher übersehenen oder unbeachteten Zeugnissen, über 300 Historikerbiographien, einer Vielzahl von Zitaten und bisweilen kritisch-polemischen Zuspitzungen beschreibt der Autor in einer überaus lesbaren Sprache diese historische Auseinandersetzung.

In den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg kämpften die Historiker der beiden deutschen Staaten heftig um die Deutungshoheit der deutschen Geschichte. Dieser Kampf wurde auch als »Kalter Krieg der Geschichtswissenschaftler« bezeichnet.
Das Buch des Wuppertaler Historikers und Journalisten Matthias Dohmen dokumentiert auf der Grundlage eines umfangreichen Quellen- und Literaturstudiums sowie der Befragung wichtiger Zeitzeugen die Arbeiten der Ost- und West-Historiker, die sich mit dem »Scharnierjahr 1923« der deutschen Geschichte (Hyperinflation, Rheinlandbesetzung, die einzigen SPD/KPD-Landeskabinette der Weimarer Zeit, eine geistige und »sittliche« Destabilisierung ohnegleichen) beschäftigten.
Mit zahlreichen bisher übersehenen oder unbeachteten Zeugnissen, über 300 Historikerbiographien, einer Vielzahl von Zitaten und bisweilen kritisch-polemischen Zuspitzungen beschreibt der Autor in einer überaus lesbaren Sprache diese historische Auseinandersetzung.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

so günstig gewesen wäre wie der Sommer 1923« 80 , aber er stellt der SPD wie<br />

der KPD ein vernichtendes Zeugnis aus: Die von ihm konstatierte revolutionäre<br />

Stimmung stieß bei den politischen Parteien auf kein Echo: »Weder die SPD<br />

noch die KPD zeigten den ernsten Willen, an der Spitze der Massen die Macht<br />

zu übernehmen und das verhasste kapitalistische System durch eine sozialistische<br />

Neuordnung zu ersetzen.« 81<br />

Es ging ihnen ähnlich wie 1920, als sämtliche Arbeiterparteien und Gewerkschaften<br />

den Aufrührer Kapp mit einem Generalstreik zur Kapitulation<br />

zwangen, sich aber als unfähig erwiesen, den Weimarer Staat »politisch neu<br />

aufzubauen«, »und so endete der Kapp-Putsch in Wirklichkeit nicht mit einer<br />

Niederlage des Militärs, sondern der Arbeiterschaft« 82 . Rosenberg wirft in diesem<br />

Zusammenhang der USPD vor, sich einer parlamentarischen Koalition für<br />

eine »Arbeiterregierung« mit der SPD versagt zu haben.<br />

Die Chancen blieben ungenutzt, meint jedenfalls der habilitierte Althistoriker,<br />

der zeitweise der USPD und ab 1920 der KPD angehörte, die er aber Mitte der<br />

1920er-Jahre wieder verließ. Auch die »christlichen Arbeiter 83 waren bereit, sich<br />

einem Block für die Verteidigung der Demokratie und gegen die alten militärischen<br />

Machthaber anzuschließen« 84 . Rätedemokratische Vorstellungen lebten<br />

fort, konnten sich jedoch gegen die etablierten Ideen in den Arbeiterparteien<br />

nicht durchsetzen.<br />

Wie sollten nun die Weichen im »Schicksalsjahr« 1923 gestellt werden? Was<br />

hatten die SPD und die KPD, die beide in der Zwischenzeit die USPD beerbt<br />

hatten, politisch anzubieten? Was war ihr Programm?<br />

Die SPD vor immer wieder derselben Frage<br />

»Immer wieder stand die Weimarer Sozialdemokratie vor der Frage, welchem<br />

Prinzip sie den Vorrang geben sollte: der Verpflichtung gegenüber dem wesentlich<br />

von ihr geschaffenen Staat oder der Bindung an die eigene ›Basis‹, schrieb<br />

Heinrich August Winkler – und fuhr fort: »Was es großen Teilen der Parteimit-<br />

80<br />

Arthur Rosenberg, Republik (Anm. 60), S. 135.<br />

81<br />

Ebda.<br />

82<br />

Ebda.<br />

83<br />

Die Gewerkschaften der Weimarer Republik gliederten sich in so genannte freie Gewerkschafen<br />

(den ADGB und den AfA-Bund), christliche Organisationen (den DGB) und die Hirsch-<br />

Dunckerschen Gewerkvereine (Anm. des Verfassers).<br />

84<br />

Arthur Rosenberg, Republik (Anm. 60), S. 97.<br />

62

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!