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In den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg kämpften die Historiker der beiden deutschen Staaten heftig um die Deutungshoheit der deutschen Geschichte. Dieser Kampf wurde auch als »Kalter Krieg der Geschichtswissenschaftler« bezeichnet. Das Buch des Wuppertaler Historikers und Journalisten Matthias Dohmen dokumentiert auf der Grundlage eines umfangreichen Quellen- und Literaturstudiums sowie der Befragung wichtiger Zeitzeugen die Arbeiten der Ost- und West-Historiker, die sich mit dem »Scharnierjahr 1923« der deutschen Geschichte (Hyperinflation, Rheinlandbesetzung, die einzigen SPD/KPD-Landeskabinette der Weimarer Zeit, eine geistige und »sittliche« Destabilisierung ohnegleichen) beschäftigten. Mit zahlreichen bisher übersehenen oder unbeachteten Zeugnissen, über 300 Historikerbiographien, einer Vielzahl von Zitaten und bisweilen kritisch-polemischen Zuspitzungen beschreibt der Autor in einer überaus lesbaren Sprache diese historische Auseinandersetzung.

In den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg kämpften die Historiker der beiden deutschen Staaten heftig um die Deutungshoheit der deutschen Geschichte. Dieser Kampf wurde auch als »Kalter Krieg der Geschichtswissenschaftler« bezeichnet.
Das Buch des Wuppertaler Historikers und Journalisten Matthias Dohmen dokumentiert auf der Grundlage eines umfangreichen Quellen- und Literaturstudiums sowie der Befragung wichtiger Zeitzeugen die Arbeiten der Ost- und West-Historiker, die sich mit dem »Scharnierjahr 1923« der deutschen Geschichte (Hyperinflation, Rheinlandbesetzung, die einzigen SPD/KPD-Landeskabinette der Weimarer Zeit, eine geistige und »sittliche« Destabilisierung ohnegleichen) beschäftigten.
Mit zahlreichen bisher übersehenen oder unbeachteten Zeugnissen, über 300 Historikerbiographien, einer Vielzahl von Zitaten und bisweilen kritisch-polemischen Zuspitzungen beschreibt der Autor in einer überaus lesbaren Sprache diese historische Auseinandersetzung.

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DDR-Legitimation war sozialistisch oder gar nicht<br />

Während Otto Wenzel 1953 und Manfred Wilke 2003 die »verfassungsfeindliche«<br />

KPD in den 1920er-Jahren am Werk sehen, Demokratie und Freiheit mit Füßen<br />

zu treten, war der DDR daran gelegen, sich über die Novemberrevolution und<br />

die Landesarbeiterregierungen in Sachsen und Thüringen die für bitter nötig<br />

erachtete Legitimation zu beschaffen. Während den polnischen, rumänischen<br />

oder slowakischen Kommunisten in jedem Fall eine nationale Tradition zur<br />

Verfügung stand, benötigte die SED ein spezielles sozialistisches Erbe, um die<br />

Existenz des sozialistischen deutschen Staates zu begründen – in dem Moment,<br />

in dem die sozialistische DDR 1990 unterging, war ihre Eigenstaatlichkeit eo ipso<br />

verschwunden, wohingegen die ČSSR, Rumänien oder Polen auch nach ihrer<br />

Wende als Nation und Staat weiterexistierten.<br />

Mit der Herausgabe der bereits angeführten achtbändigen weinrot eingebundenen<br />

»Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung« Mitte der 1960er-Jahre<br />

»besetzte« die DDR die politische Geschichte der deutschen Arbeiterschaft,<br />

ihrer Parteien und Gewerkschaften und brachte im Westen vor allem die SPD in<br />

Verzug, die praktisch erst 20 Jahre später aufholen und die Scharte wettmachen<br />

konnte. Das Klima in der DDR wurde gegenüber nichtmarxistischen Historikern<br />

immer unduldsamer. In der Bundesrepublik tobte dagegen in der zweiten Hälfte<br />

des Jahrzehnts die Fischer-Kontroverse, in der – das Objekt der Auseinandersetzungen<br />

trat teilweise in den Hintergrund wie im Historikerstreit – Grundsätzliches<br />

zum Thema wurde und von führenden Vertreters der historischen<br />

Community und des Staates Geschichtspolitik, hier bezogen auf das persönliche<br />

Schicksal Fritz Fischers, exekutiert wurde: dem »Griff zur Weltmacht«-Autor<br />

wurden die bereits bewilligten Gelder für eine USA-Vortragsreise wieder entzogen.<br />

Was in der westlichen Historiographie Restauration statt Revision hieß,<br />

was ihre führenden Vertreter allerdings nicht nur gegenüber den französischen,<br />

sondern auch den italienischen, finnischen oder britischen Kollegen zunehmend<br />

isolierte, war im Osten die unbedingte Durchsetzung der marxistischen<br />

Geschichtstheorie als der einzig wahren.<br />

Im Kapitel Fünf beleuchte ich den deutsch-deutschen Historikerkrieg aus der<br />

Sicht der Fachwissenschaft eines neutralen Landes, das weder wie die DDR dem<br />

Warschauer Pakt oder dem RGW noch wie die Bundesrepublik der NATO und<br />

den Institutionen der beginnenden westeuropäischen Integration angehörte.<br />

Die Finnen sannen außen- und sicherheitspolitisch, aber auch in ihren wissenschaftlichen<br />

Beziehungen auf Äquidistanz zu Bonn und Ostberlin.<br />

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