12.09.2015 Aufrufe

Bod-Dohmen-Geraubte-Traeume-leseprobe.pdf

In den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg kämpften die Historiker der beiden deutschen Staaten heftig um die Deutungshoheit der deutschen Geschichte. Dieser Kampf wurde auch als »Kalter Krieg der Geschichtswissenschaftler« bezeichnet. Das Buch des Wuppertaler Historikers und Journalisten Matthias Dohmen dokumentiert auf der Grundlage eines umfangreichen Quellen- und Literaturstudiums sowie der Befragung wichtiger Zeitzeugen die Arbeiten der Ost- und West-Historiker, die sich mit dem »Scharnierjahr 1923« der deutschen Geschichte (Hyperinflation, Rheinlandbesetzung, die einzigen SPD/KPD-Landeskabinette der Weimarer Zeit, eine geistige und »sittliche« Destabilisierung ohnegleichen) beschäftigten. Mit zahlreichen bisher übersehenen oder unbeachteten Zeugnissen, über 300 Historikerbiographien, einer Vielzahl von Zitaten und bisweilen kritisch-polemischen Zuspitzungen beschreibt der Autor in einer überaus lesbaren Sprache diese historische Auseinandersetzung.

In den ersten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg kämpften die Historiker der beiden deutschen Staaten heftig um die Deutungshoheit der deutschen Geschichte. Dieser Kampf wurde auch als »Kalter Krieg der Geschichtswissenschaftler« bezeichnet.
Das Buch des Wuppertaler Historikers und Journalisten Matthias Dohmen dokumentiert auf der Grundlage eines umfangreichen Quellen- und Literaturstudiums sowie der Befragung wichtiger Zeitzeugen die Arbeiten der Ost- und West-Historiker, die sich mit dem »Scharnierjahr 1923« der deutschen Geschichte (Hyperinflation, Rheinlandbesetzung, die einzigen SPD/KPD-Landeskabinette der Weimarer Zeit, eine geistige und »sittliche« Destabilisierung ohnegleichen) beschäftigten.
Mit zahlreichen bisher übersehenen oder unbeachteten Zeugnissen, über 300 Historikerbiographien, einer Vielzahl von Zitaten und bisweilen kritisch-polemischen Zuspitzungen beschreibt der Autor in einer überaus lesbaren Sprache diese historische Auseinandersetzung.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Sie verstanden sich zu weiten Teilen als eine Generation, die von den Nationalsozialisten<br />

vertrieben und 1945 nach Deutschland zurückgekehrt war. In eigener<br />

Sache sprechend, hat der Faschismusexperte und 1990 als Lehrstuhlinhaber<br />

»abgewickelte« Kurt Pätzold festgestellt, dass »die Historiographie des deutschen<br />

antifaschistischen Exils bei der Konstituierung der Geschichtsschreibung in der<br />

Deutschen Demokratischen Republik eine Rolle spielte, mehr noch: eine ihrer<br />

Wurzeln darstellte« 33 .<br />

Dort erschien in den 1950er und 1960er Jahren – oft aus der Feder sehr<br />

prominenter Historiker – eine ganze Reihe von Monographien zur Geschichte<br />

des Jahres 1923, darunter Werke von Wilhelm Ersil, Heinz Habedank, Günter<br />

Hortzschansky, Heinz Köller, Hans-Joachim Krusch und Manfred Uhlemann<br />

sowie, größere Zeiträume ins Auge fassend, Arnold Reisberg und Wolfgang<br />

Ruge, aber auch die gegen Ende unseres originären Beobachtungszeitraums<br />

erschienene achtbändige »Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung« samt<br />

ihren begleitenden (überaus dienlichen) Veröffentlichungen wie »Dokumente<br />

und Materialien«, »Biographisches Lexikon« und »Chronik«.<br />

Als »typisch« für die einschlägige DDR-Historiographie mag die Arbeit »Der<br />

nationale Verrat der deutschen Monopolherren während des Ruhrkampfes 1923«<br />

gelten: Kapitalismus und Anbindung an die USA seien zum Schaden, Freundschaft<br />

zur UdSSR zum Nutzen des gesamten deutschen Volkes, und die DDR<br />

sei die Verkörperung aller guten deutschen Traditionen, schließlich: die KPD<br />

setzt infolge ihrer »wissenschaftlichen Weltanschauung« die richtige Politik um<br />

... im Unterschied zur SPD.<br />

In seinen zusammenfassenden Schlussbemerkungen schreibt der hochdekorierte<br />

und am Institut für Marxismus-Leninismus tätige Hortzschansky, die<br />

waren ihrem Selbstverständnis nach von antifaschistischen Positionen ausgegangen und hatten<br />

auch durchweg der Totalitarismustheorie widersprochen.« Siehe: Joachim Petzold, Politischer<br />

Auftrag und wissenschaftliche Verantwortung von Historikern in der DDR, in: Karl Heinrich Pohl<br />

(Hrsg.), Historiker in der DDR, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1997 (= Kleine Vandenhoeck-<br />

Reihe, 1580), S. 94-112, hier S. 96 f.<br />

33<br />

Kurt Pätzold, Die Geschichtsschreibung in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) in<br />

der Retrospektive – ein Diskussionsbeitrag, in: Gustavo Corni (Hrsg.), Die Mauern der Geschichte.<br />

Historiographie in Europa zwischen Diktatur und Demokratie, Leipzig: AVA 1996, S. 187-203, hier<br />

S. 188. Und weiter, S. 191: »Die Wissenschaftler, die sich gegen Ende der fünfziger Jahre zu jener<br />

Gruppe zu formieren begannen, die im eigentlichen Sinne und auf die frühen Wegbereiter folgend<br />

als Historikerschaft der DDR zu bezeichnen sind, wollten das nachfaschistische Deutschland mitgestalten,<br />

und das stellten sie sich als sozialistische Gesellschaft vor. Die geschichtliche Tendenz<br />

[...] im westdeutschen Staat [...] galt ihnen als eine Fehlentwicklung und mit der Herausbildung<br />

des Kalten Krieges auch als eine Bedrohung [...].«<br />

18

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!