II. Leitlinien der Erziehungshilfen im IB - IB: Erziehungshilfen
II. Leitlinien der Erziehungshilfen im IB - IB: Erziehungshilfen
II. Leitlinien der Erziehungshilfen im IB - IB: Erziehungshilfen
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<strong>Leitlinien</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Erziehungshilfen</strong> <strong>im</strong> <strong>IB</strong><br />
Internationaler Bund<br />
Zentrale Geschäftsführung Frankfurt<br />
Ressort Bildung und Soziale Arbeit<br />
Christine Kolmer<br />
Referentin für <strong>Erziehungshilfen</strong> / Mädchen- und Frauensozialarbeit /<br />
Gen<strong>der</strong> Mainstreaming<br />
August 2003
Glie<strong>der</strong>ung<br />
Einleitung<br />
I. Ausgangspunkte <strong>der</strong> <strong>Erziehungshilfen</strong> <strong>im</strong> <strong>IB</strong><br />
1. Lebenszusammenhänge von Kin<strong>der</strong>n, Jugendlichen und<br />
Familien in den <strong>Erziehungshilfen</strong><br />
2. Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Erziehungshilfen</strong><br />
3. <strong>Erziehungshilfen</strong> <strong>im</strong> <strong>IB</strong><br />
<strong>II</strong>. <strong>Leitlinien</strong> <strong>der</strong> <strong>Erziehungshilfen</strong> <strong>im</strong> <strong>IB</strong><br />
1. strukturelle Prinzipien<br />
• Prävention<br />
• Dezentralisierung und Regionalisierung<br />
• Vernetzung<br />
2. KlientInnen - bezogene Standards<br />
• Individualisierung<br />
• Geschlechterdifferenzierung<br />
• Ganzheitlichkeit<br />
• Partizipation<br />
3. Qualifizierende Rahmenbedingungen<br />
<strong>II</strong>I. Ausblick<br />
• interkulturelle Kompetenz<br />
• Fachstandards<br />
• Qualitätsentwicklung<br />
Seite 1
Einleitung<br />
Die <strong>Erziehungshilfen</strong> sind ein professionelles Arbeitsfeld des <strong>IB</strong>, das sich insbeson<strong>der</strong>e<br />
in den 60er Jahren in den Wohnhe<strong>im</strong>en und Wohngruppen für Kin<strong>der</strong><br />
und Jugendliche entwickelt hat. Mit dem Ausbau <strong>der</strong> Palette von ambulanten<br />
und teilstationären <strong>Erziehungshilfen</strong> ist es inzwischen ein Kerngeschäftsfeld <strong>der</strong><br />
sozialen Arbeit geworden.<br />
Das pädagogische Selbstverständnis des <strong>IB</strong>, wie es in den Grundsätzen formuliert<br />
ist, prägt auch die inhaltlich-fachliche Orientierung <strong>der</strong> <strong>Erziehungshilfen</strong>:<br />
„Die sozialpädagogische Arbeit des <strong>IB</strong> erstrebt Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit,<br />
mitmenschliche Zuwendung und Hilfsbereitschaft sowie gesellschaftliche<br />
Teilhabe, Mitwirkung und Mitverantwortung. Er bemüht sich um Chancengleichheit.<br />
Diese Arbeit gilt in beson<strong>der</strong>em Maße den benachteiligten Gruppen<br />
<strong>der</strong> Gesellschaft und <strong>der</strong>en sozialen Integration“ (Grundsätze des <strong>IB</strong>, Seite<br />
3).<br />
Die <strong>Erziehungshilfen</strong> sind - das vermittelt <strong>der</strong> <strong>im</strong> KJHG beschriebene Katalog -<br />
ein heterogenes sozialpädagogisches Handlungsfeld, das aber durch eine gemeinsame<br />
gesellschaftliche Funktion verknüpft ist: sie stellen ein zur Familienerziehung<br />
komplementäres, kompensatorisches Sozialisationsfeld dar.<br />
<strong>Erziehungshilfen</strong> werden nämlich dann „gewährt“, wenn das Aufwachsen in <strong>der</strong><br />
Familie - und in den regulären Erziehungs- und Bildungsinstitutionen wie Kin<strong>der</strong>garten<br />
o<strong>der</strong> Schule - von den Eltern, und/o<strong>der</strong> dem Kind/Jugendlichen o<strong>der</strong><br />
von Außenstehenden (Schule, Polizei, usw.) als problematisch, abweichend o<strong>der</strong><br />
„störend“ eingeschätzt wird.<br />
Mit den <strong>Erziehungshilfen</strong> verbindet sich ein offenes Konzept sozial-pädagogischer<br />
Interventionen, das perspektivisch die Min<strong>der</strong>jährigen als Adressaten in<br />
den Blick n<strong>im</strong>mt, nicht nur das Recht <strong>der</strong> Personensorgeberechtigten.<br />
Die vorliegenden „<strong>Leitlinien</strong> <strong>der</strong> <strong>Erziehungshilfen</strong> <strong>im</strong> <strong>IB</strong>“, die von Expertinnen<br />
und Experten aus dem Arbeitskreis <strong>Erziehungshilfen</strong> <strong>im</strong> <strong>IB</strong> (siehe Anhang) entwickelt<br />
wurden, bringen das fachlich-pädagogische Selbstverständnis des Arbeitsfeldes<br />
zum Ausdruck.<br />
Sie sind das Leitbild <strong>der</strong> <strong>Erziehungshilfen</strong> <strong>im</strong> <strong>IB</strong>, das von allen Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern sowie den Führungskräften in <strong>der</strong> Alltagspraxis gelebt wird.<br />
Ebenso finden die <strong>Leitlinien</strong> <strong>der</strong> <strong>Erziehungshilfen</strong> <strong>im</strong> <strong>IB</strong> ihren Nie<strong>der</strong>schlag in<br />
Konzeptionen und ihre Umsetzung <strong>im</strong> pädagogischen Geschehen <strong>der</strong> Erziehungshilfepraxis.<br />
Notwendig ist eine breite Auseinan<strong>der</strong>setzung mit dem hier dokumentierten<br />
Selbstverständnis in den Einrichtungen <strong>der</strong> <strong>Erziehungshilfen</strong>, den Verbünden<br />
und <strong>der</strong> Fachöffentlichkeit des <strong>IB</strong> sowie mit Fach- und Führungskräften aus an<strong>der</strong>en<br />
Geschäftsfel<strong>der</strong>n.<br />
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I. Ausgangspunkte <strong>der</strong> <strong>Erziehungshilfen</strong> <strong>im</strong> <strong>IB</strong><br />
1. Lebenszusammenhänge von Kin<strong>der</strong>n, Jugendlichen und Familien<br />
in den <strong>Erziehungshilfen</strong><br />
Kin<strong>der</strong> und Jugendliche in den <strong>Erziehungshilfen</strong> kommen meist aus<br />
belasteten, schwierigen Lebensverhältnissen, die von Unsicherheiten<br />
geprägt sind.<br />
Die soziale Verunsicherung <strong>der</strong> „Risikogesellschaft“ (Ulrich Beck)<br />
trifft sowohl<br />
- gesellschaftlich benachteiligte Familien, bei denen sich Problemlagen<br />
verschärfen, als auch<br />
- gutsituierte Mittelschicht-Familien, die in ihrer Erziehungskompetenz<br />
verunsichert sind.<br />
Die folgenden Lebenszusammenhänge sind charakteristisch für den<br />
Weg von Kin<strong>der</strong>n und Jugendlichen in die <strong>Erziehungshilfen</strong>:<br />
• Ein Teil <strong>der</strong> Familien lebt „am Rande <strong>der</strong> Gesellschaft“, sie haben<br />
die Erfahrung <strong>der</strong> Ausgrenzung gemacht.<br />
Die familiären Lebensbedingungen sind oft geprägt von materieller<br />
Not, Armut und Arbeitslosigkeit, zum Teil verbunden mit<br />
Wohnungsnot.<br />
Belastet ist auch die gesundheitliche Situation <strong>der</strong> Familien, die<br />
zum Teil von Alkohol-, Drogen- und Tablettenkonsum geprägt<br />
ist.<br />
Diese Konstellationen in Familien, die meist als „komplexe<br />
Multiproblemlagen“ beschrieben werden, können eskalieren,<br />
wenn biographische Brüche o<strong>der</strong> kritische Phasen als kaum<br />
mehr zu bewältigende Krisen hinzukommen.<br />
• Der Anteil von vor<strong>der</strong>gründig gutsituierten Familien als Klientinnen<br />
und Klienten <strong>der</strong> <strong>Erziehungshilfen</strong> steigt. Es sind häufig<br />
emotional-affektiv verunsicherte Kin<strong>der</strong> und Jugendliche, <strong>der</strong>en<br />
Eltern in ihrem Erziehungsstil und ihrer Erziehungskompetenz<br />
instabil sind bzw. als „Patchwork“ – Familien in Krisensituationen<br />
leben, wie z.B. in Stiefeltern-Konstellationen.<br />
• Mädchen und Jungen in den <strong>Erziehungshilfen</strong> sind aufgewachsen<br />
in nur nominell vorhandenen Familien, in schwierigen Partnerschaftsverhältnissen<br />
<strong>der</strong> oft noch jungen Eltern o<strong>der</strong> bei alleinerziehenden<br />
Müttern. Darin drückt sich eine Entwicklung<br />
aus, wie sie Richard Münchmeier formuliert: „Familie ist kein<br />
eindeutiger Ort mehr“ (1).<br />
• Eine Gruppe von KlientInnen in den <strong>Erziehungshilfen</strong> hat physische,<br />
psychische und sexuelle Gewalt erlebt, zum Teil schon in<br />
frühester Kindheit.<br />
Seite 3
Dieses erlittene Trauma hat tiefgreifend die persönliche Integrität<br />
<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen verletzt und äußert sich in unterschiedlichsten<br />
Bewältigungsstrategien.<br />
Während Jungen häufiger die erlebte Gewalt als Aggression<br />
nach außen wenden, reagieren Mädchen teilweise mit Eßstörungen,<br />
Selbstverletzungen und sexualisiertem Verhalten.<br />
• Die Betreuungsanlässe für Mädchen und Jungen in den <strong>Erziehungshilfen</strong><br />
variieren geschlechtsspezifisch:<br />
Während Erziehungsschwierigkeiten und Schulprobleme für<br />
beide Geschlechter gleich bedeutsame Wege in die <strong>Erziehungshilfen</strong><br />
sind, werden Mädchen signifikant häufiger betreut, weil<br />
sie von zuhause weglaufen, ihr Sexualverhalten in den Mittelpunkt<br />
<strong>der</strong> Aufmerksamkeit gerät o<strong>der</strong> sie mit psychischen Erkrankungen<br />
reagieren. Anlässe für die Betreuung von Jungen in<br />
den <strong>Erziehungshilfen</strong> sind insbeson<strong>der</strong>e aggressives Verhalten<br />
und Delinquenz.<br />
2. Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Erziehungshilfen</strong><br />
Die <strong>Erziehungshilfen</strong> sind ein wachsendes Leistungssegment <strong>der</strong><br />
Kin<strong>der</strong>- und Jugendhilfe, sie werden für <strong>im</strong>mer mehr junge Menschen<br />
bzw. ihre Familien zu einem Bestandteil des Aufwachsens.<br />
Die Analyse <strong>der</strong> Entwicklung zeigt ein genaueres Bild:<br />
Obwohl mit dem Ausbau alternativer Hilfeformen - auch aus Kostengründen<br />
- eine Reduzierung stationärer Jugendhilfemaßnahmen<br />
intendiert war, ist Ende <strong>der</strong> 90er Jahre eine überraschende Entwicklung<br />
eingetreten: es kam zu einem Aufwärtstrend sowohl für<br />
die ambulanten, teilstationären als auch für die stationären Hilfen<br />
zur Erziehung.<br />
In den letzten zehn Jahren haben demnach zwei unterschiedliche<br />
Wurzeln die Entwicklung in den Hilfen zur Erziehung geprägt:<br />
Dem KJHG entsprechend war die fachliche Zielsetzung, ein qualifizierteres<br />
Hilfeprofil zu entwickeln, während eine eher fiskalisch<br />
inspirierte Logik davon dominiert war, die Jugendhilfe billiger zu<br />
machen. Beide Impulse haben die Praxis letztendlich dahin geprägt,<br />
den Ausbau des Ambulanten zu forcieren. Die Programmatik des<br />
KJHG ist somit aufgegangen, es hat aber keinen Rückgang bei den<br />
stationären Hilfen gegeben.<br />
Vielmehr läßt sich seit Beginn <strong>der</strong> 90er Jahre ein kontinuierlicher<br />
Anstieg <strong>der</strong> Fremdunterbringungen feststellen, <strong>der</strong> vorrangig mit<br />
<strong>der</strong> Inanspruchnahme von „neueren“ Hilfeformen wie <strong>der</strong> Unterbringung<br />
in Wohngemeinschaften und <strong>der</strong> Betreuung in <strong>der</strong> eigenen<br />
Wohnung zu tun hat. Indirekt zeigt sich dies darin, dass die Klientinnen<br />
und Klienten <strong>der</strong> He<strong>im</strong>erziehung älter werden. Auch ist die<br />
Zahl <strong>der</strong> He<strong>im</strong>unterbringungen in den neuen Bundeslän<strong>der</strong>n deutlich<br />
gewachsen (3). Die wachsende Inanspruchnahme erzieherischer<br />
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Hilfen insgesamt ist somit auf steigende Belastungen für familiäre<br />
Netzwerke zurückzuführen, die<br />
• einerseits durch eine Verschlechterung sozioökonomischer<br />
Rahmenbedingungen bedingt sind<br />
• und an<strong>der</strong>erseits durch sich beschleunigende Individualisierungs-<br />
und Pluralisierungsprozesse, die die eigene Lebensplanung<br />
schwierig werden lassen.<br />
Die Bedarfslagen für erzieherische Hilfen sind weiterhin vorhanden,<br />
während die Belastungen <strong>der</strong> kommunalen Haushalte in letzter<br />
Zeit zunehmend zu deutlichen Einsparungen in dem Feld führen: so<br />
werden die Betreuungszeiten in den stationären <strong>Erziehungshilfen</strong><br />
verkürzt, die Gewährung von Maßnahmen erfolgt zunehmend erst<br />
bei komplexeren Problemlagen des Klientels, Jugendliche werden<br />
früher in die eigene Wohnung entlassen, usw.<br />
Die Neuordnung <strong>der</strong> Entgeltfinanzierung nach § 78 a ff KJHG seit<br />
dem 01.01.1999 hat gravierende Auswirkungen auf die Hilfen zur<br />
Erziehung, insbeson<strong>der</strong>e die stationären. Eine Leistungs-, Entgeltund<br />
Qualitätsentwicklungsvereinbarung sind Wesensbestandteile<br />
<strong>der</strong> Neuordnung.<br />
Die Auswirkungen bewegen sich in einem Spannungsfeld von<br />
Qualitätsentwicklung und Kostendämpfung. Die von den öffentlichen<br />
Trägern intendierte För<strong>der</strong>ung des Wettbewerbs - gerade auch<br />
mit kleinen privaten Trägern - kann zu einer Absenkung von Standards<br />
führen. Für den <strong>IB</strong> stellt sich die Herausfor<strong>der</strong>ung, hohe Qualität<br />
mit angemessenen Kosten zu realisieren. Die Chancen des § 78<br />
a ff KJHG liegen unter an<strong>der</strong>em darin, dass nicht nur die Träger<br />
von Erziehungshilfeangeboten ihre Qualität festlegen müssen, d.h.<br />
Ziele und Kriterien <strong>der</strong> Zielerreichung, son<strong>der</strong>n auch die Jugendämter<br />
transparent machen müssen, für welche konkreten Bedarfe sie<br />
welche Qualitätsanfor<strong>der</strong>ungen stellen.<br />
3. <strong>Erziehungshilfen</strong> <strong>im</strong> <strong>IB</strong><br />
Das Konzept lebensweltorientierter <strong>Erziehungshilfen</strong> (Hans<br />
Thiersch) ist <strong>der</strong> Versuch, die Aufgaben, Möglichkeiten und<br />
Schwierigkeiten <strong>der</strong> praktischen Arbeit vor dem Hintergrund <strong>der</strong><br />
Rekonstruktion von Lebenswelt und Lebensbewältigung von Kin<strong>der</strong>n,<br />
Jugendlichen und Familien zu best<strong>im</strong>men.<br />
Indem das Konzept <strong>der</strong> Lebensweltorientierung sich auf Lebensverhältnisse<br />
einläßt, ist es in den Problemanalysen ebenso wie in<br />
den Handlungsstrategien pr<strong>im</strong>är feldorientiert, es orientiert sich also<br />
am Einzelnen <strong>im</strong>mer <strong>im</strong> Kontext seiner bedingenden Verhältnisse.<br />
Im Gefüge <strong>der</strong> <strong>Erziehungshilfen</strong> verschiebt sich das Gewicht hin zu<br />
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ambulanten und präventiven Angeboten. Sie sind aber nur da hilfreich,<br />
wo sie aus <strong>der</strong> Analyse <strong>der</strong> Probleme <strong>der</strong> Menschen in ihrer<br />
Lebenswelt begründet sind.<br />
Neben solchen Hilfen <strong>im</strong> Lebensfeld braucht es Hilfen, die Kin<strong>der</strong>n<br />
und Jugendlichen neue Lebensorte zur Verfügung stellen.<br />
Diese unterschiedlichen Formen von „Fremdplazierung“, die sich in<br />
den letzten Jahren ausdifferenzierten, haben einen wichtigen Stellenwert.<br />
Die <strong>Erziehungshilfen</strong> <strong>im</strong> <strong>IB</strong> umfassen die folgende Palette von Angeboten<br />
(4):<br />
Innerhalb <strong>der</strong> ambulanten <strong>Erziehungshilfen</strong> wie Erziehungsberatung,<br />
soziale Gruppenarbeit, Erziehungsbestände, Sozialpädagogische<br />
Familienhilfe und Anleitung von Erziehungsstellen werden die<br />
meisten Klientinnen und Klienten betreut.<br />
Hier wird ein zunehmen<strong>der</strong> Bedarf nach familienunterstützenden<br />
Angeboten deutlich.<br />
Die Tagesgruppen als teilstationäre <strong>Erziehungshilfen</strong> sind ein<br />
wichtiges Angebot für Kin<strong>der</strong> und Jugendliche, um Fremdunterbringungen<br />
<strong>im</strong> Vorfeld zu vermeiden, das noch aufbaufähig ist.<br />
Innerhalb <strong>der</strong> stationären <strong>Erziehungshilfen</strong> sind Leistungsangebote<br />
wie He<strong>im</strong>erziehung, Betreutes Wohnen, Mutter-Kind-<br />
Wohngruppen und Inobhutnahmen zusammengefaßt. Ein Trend ist<br />
dabei unverkennbar: Immer häufiger werden flexiblere, kleinere<br />
Einheiten und selbstständige Wohnformen für Jugendliche nachgefragt<br />
und angeboten.<br />
Weitere <strong>Erziehungshilfen</strong> innerhalb <strong>der</strong> Angebotspalette des <strong>IB</strong> sind<br />
die intensive sozialpädagogische Einzelbetreung sowie Hilfen für<br />
seelisch behin<strong>der</strong>te Kin<strong>der</strong> und Jugendliche.<br />
Hinzu kommen die Hilfen für junge Straffällige wie Soziale Trainingskurse,<br />
Täter-Opfer-Ausgleich, U-Haft-Vermeidung, Arbeitsund<br />
Betreuungsanweisungen.<br />
Klientel <strong>der</strong> <strong>Erziehungshilfen</strong> <strong>im</strong> <strong>IB</strong> sind - wie auch bundesweitüberwiegend<br />
Jungen: Jungen „machen mehr Probleme“ und werden<br />
so sichtbarer mit ihren Problemen, während Mädchen mit ihren<br />
Konfliktlagen zunächst weniger auffallen und damit weniger Hilfen<br />
<strong>im</strong> Vorfeld erhalten.<br />
Migrantinnen und Migranten sind in den <strong>Erziehungshilfen</strong> des <strong>IB</strong><br />
deutlich unterrepräsentiert.<br />
In <strong>der</strong> bundesweiten KJHG - Statistik (5) zeigt sich, dass männliche<br />
Jugendliche mit Migrationshintergrund aufgrund von Straffälligkeit<br />
in sozialen Trainingskursen überrepräsentiert sind, während weibliche<br />
Jugendliche vor allem stationäre <strong>Erziehungshilfen</strong> in Anspruch<br />
nehmen. Sie suchen häufig vor dem Hintergrund unlösbarer familiärer,<br />
interkultureller Konflikte eine alternative Wohnform und<br />
machen als Selbstmel<strong>der</strong>in auf sich aufmerksam.<br />
Seite 6
<strong>II</strong>. <strong>Leitlinien</strong> für die <strong>Erziehungshilfen</strong> <strong>im</strong> <strong>IB</strong><br />
Die lebensweltorientierten <strong>Erziehungshilfen</strong> <strong>im</strong> <strong>IB</strong> orientieren sich an den<br />
folgenden <strong>Leitlinien</strong> (6):<br />
1. strukturelle Prinzipien<br />
• Prävention<br />
Die bestehenden Angebote <strong>der</strong> <strong>Erziehungshilfen</strong> reagieren <strong>im</strong>mer<br />
noch mehr auf eingetretene Notstände. Der <strong>IB</strong> strebt an,<br />
stärker <strong>im</strong> Bereich <strong>der</strong> Prävention Akzente zu setzen.<br />
- Dazu sind <strong>im</strong> Vorfeld sozial- und kommunalpolitische Aktivitäten<br />
auf <strong>der</strong> Ebene von Schule und Arbeitsmarkt erfor<strong>der</strong>lich<br />
sowie Hilfen für Familien. Wichtig ist auch die Unterstützung<br />
von Initiativen zur Gestaltung von Sozialräumen.<br />
- Maßnahmen <strong>der</strong> Beratung und vorbeugende Hilfen sind<br />
auszubauen, um Kin<strong>der</strong>, Jugendliche und ihre Familien bei<br />
<strong>der</strong> Erschließung ihrer Ressourcen zu begleiten und Selbsthilfeprojekte<br />
zu entwickeln.<br />
- Demgegenüber sind <strong>Erziehungshilfen</strong> in akuten Konflikten<br />
eine wichtige Aufgabe <strong>der</strong> Jugendhilfe.<br />
Diese Entwicklung zeigt sich in <strong>der</strong> Verschiebung zwischen<br />
ambulanten und stationären <strong>Erziehungshilfen</strong> und <strong>der</strong> Ausdifferenzierung<br />
<strong>der</strong> Angebotspalette <strong>im</strong> ambulanten Bereich.<br />
<strong>Erziehungshilfen</strong> tragen dann präventive Aspekte in sich, wenn<br />
sie frühzeitig, systematisch und integriert in belastenden Lebenssituationen<br />
einsetzen.<br />
• Dezentralisierung und Regionalisierung<br />
Vorteile von Dezentralisierung und Regionalisierung sind familienorientierte,<br />
kleinräumige Angebote unter Einbeziehung<br />
<strong>der</strong> Lebenswelt bzw. des Sozialraums und vielfältiger an<strong>der</strong>er<br />
Strukturzusammenhänge.<br />
Regionalisierung und Dezentralisierung ermöglichen Bürgernähe,<br />
Transparenz und Erreichbarkeit von <strong>Erziehungshilfen</strong> sowie<br />
kürzere Entscheidungswege, sie ermöglichen sozialraumorientierte<br />
<strong>Erziehungshilfen</strong>.<br />
Regionalisierung erfor<strong>der</strong>t die Übertragung von Kompetenzen<br />
und Verantwortung vor Ort sowie ein effektives Kontraktmanagement.<br />
Sie darf überregionale Angebote für den Einzelfall<br />
nicht ausschließen.<br />
Seite 7
• Vernetzung<br />
Eine ressourcenorientierte Erziehungshilfe setzt ein qualitatives<br />
Netzwerk mit Partnerinnen und Partnern aus fachorientierten<br />
Beratungsstellen, Behörden aller Art, Schulen, Jugendeinrichtungen,<br />
Kin<strong>der</strong>betreuungseinrichtungen, Kirchen und Wohnungsbaugesellschaften<br />
voraus, dass sich <strong>im</strong> Bedarfsfall rasch<br />
aktivieren lässt.<br />
2. KlientInnen - bezogene Standards<br />
• Individualisierung<br />
<strong>Erziehungshilfen</strong> <strong>im</strong> <strong>IB</strong> haben den jungen Menschen als Individuum<br />
in seinen sozialen Bezügen <strong>im</strong> Blickfeld.<br />
Sie orientieren sich am konkreten individuellen Bedarf.<br />
Bei <strong>der</strong> Hilfeplanung sind die Ressourcen des sozialen Umfelds<br />
sowie des Individuums zu aktivieren.<br />
<strong>Erziehungshilfen</strong> sind prozesshaft angelegt, d.h. sich verän<strong>der</strong>nde<br />
individuelle Bedarfe fließen in die Ausgestaltung <strong>der</strong> Hilfe<br />
ein.<br />
• Geschlechterdifferenzierung<br />
Nach § 9 Abs. 3 KJHG sind die unterschiedlichen Lebenswelten<br />
von Mädchen und Jungen sowie ihre an<strong>der</strong>en Kompetenzen zu<br />
berücksichtigen und die Angebote in den <strong>Erziehungshilfen</strong> geschlechterdifferenziert<br />
zu gestalten.<br />
Eigenständige Angebote für Jungen und Mädchen sind notwendig,<br />
mit dem Ziel, Erfahrungen aus ihrer geschlechtspezifischen<br />
Sozialisationsgeschichte zu bearbeiten und ihnen einen Freiraum<br />
für ihre jeweils eigene Entwicklung bereitzustellen.<br />
In koedukativen Angeboten <strong>der</strong> Erziehungshilfe sind geschlechterdifferenzierte<br />
Arbeitsweisen zu entwickeln, um Rollenmuster<br />
zu reflektieren und Geschlechtergerechtigkeit herzustellen.<br />
Geschlechterdifferenzierung ist Querschnittsaufgabe und Qualitätsstandard<br />
<strong>der</strong> Erziehungshilfe.<br />
• Ganzheitlichkeit<br />
Kin<strong>der</strong> und Jugendliche sind in <strong>der</strong> Gesamtheit ihrer Persönlichkeit<br />
zu sehen.<br />
Es ist nicht nur das einzelne Individuum zu sehen, son<strong>der</strong>n auch<br />
seine Familie und seine Lebenswirklichkeit.<br />
Ganzheitlichkeit beinhaltet, sich nicht an Defiziten zu orientieren,<br />
son<strong>der</strong>n vor allem an den Stärken <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen<br />
anzuknüpfen.<br />
Seite 8
• Partizipation<br />
Kin<strong>der</strong> und Jugendliche sind Gestalter/innen ihres eigenen Lebens.<br />
Ihre Anliegen und Impulse sind ernstzunehmen.<br />
Partizipation bedeutet, Kin<strong>der</strong> und Jugendliche umfassend an<br />
<strong>der</strong> Gestaltung <strong>der</strong> <strong>Erziehungshilfen</strong> zu beteiligen bis hin zum<br />
Recht auf Mitbest<strong>im</strong>mung einer geeigneten Hilfe.<br />
• Methodisch bedeutet dies:<br />
- Beteiligung am Hilfeplanverfahren<br />
- Beteiligung an Entscheidungen, die ihr Leben in <strong>der</strong> Gemeinschaft<br />
betreffend<br />
- regelmäßige und systematische Reflexion ihrer Erwartungen<br />
als Kundinnen und Kunden.<br />
Die Befähigung <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen zur Partizipation<br />
ist ein wesentliches Leitziel <strong>der</strong> <strong>Erziehungshilfen</strong>.<br />
3. Qualifizierende Rahmenbedingungen<br />
• Interkulturelle Kompetenz<br />
Mädchen und Jungen heutzutage müssen sich auf ein lebenslanges<br />
Zusammenleben mit Menschen aus an<strong>der</strong>en Kulturkreisen<br />
einstellen. Interkulturelle Kompetenz zu entwickeln bedeutet für<br />
sie, Vorurteile gegenüber an<strong>der</strong>sartigen Verhaltensweisen abzubauen,<br />
Verständnis für an<strong>der</strong>e Kulturen und Religionen zu entwickeln,<br />
Vielfalt als Bereicherung wahrzunehmen und aus <strong>der</strong><br />
kulturellen Vielfalt heraus die eigene Identität zu entwickeln.<br />
Interkulturelle Kompetenz muss daher bereits in <strong>der</strong> Strukturqualität<br />
<strong>der</strong> Erziehungshilfe-Angebote entwickelt sein, nämlich<br />
bei <strong>der</strong> Fachlichkeit <strong>der</strong> Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.<br />
Der Internationale Bund hat als Träger in seinen Einrichtungen<br />
und Geschäftsfel<strong>der</strong>n bereits vielfach interkulturelle Kompetenzen<br />
entwickelt, Mitarbeiter/innen gezielt weiterqualifiziert und<br />
er legt Wert darauf, durch ständig fortschreitende interne Vernetzung<br />
interkulturelle Kompetenz als Qualitätsmerkmal seiner<br />
Angebote weiterzuentwickeln.<br />
• Fachstandards<br />
Die Qualität <strong>der</strong> <strong>Erziehungshilfen</strong> <strong>im</strong> <strong>IB</strong> soll durch folgende<br />
Fachstandards unterstützt werden:<br />
- Wesentlich sind fachlich ausgebildete Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter, die an den Bedarfen <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>, Jugendlichen<br />
und Familien orientiert sind und sich mit neuen fachlichen<br />
Entwicklungen auseinan<strong>der</strong>setzen.<br />
Seite 9
- Erfor<strong>der</strong>lich ist weiterhin ein systematischer Wissens- und<br />
Erfahrungstransfer in den Erziehungshilfe-Einrichtungen:<br />
dies wird gewährleistet durch regelmäßige Dienstbesprechungen<br />
(z.B. mit Fall-Reflexion) sowie eine kontinuierliche,<br />
begleitende Team-Supervision.<br />
- Die Fachtagungen und Fortbildungen des <strong>IB</strong> unterstützen<br />
den bundesweiten, fachlichen Austausch von Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeitern in den <strong>Erziehungshilfen</strong> sowie die Reflexion<br />
und Auswertung neuer, fachpolitischer Trends. Mit<br />
Hilfe des spezifischen Personalentwicklungskonzepts des <strong>IB</strong><br />
werden die Mitarbeiter/innen bei <strong>der</strong> Weiterentwicklung ihres<br />
Kompetenzprofils unterstützt. Gleichzeitig helfen Assessment-Verfahren,<br />
geeignete Führungskräfte für Erziehungshilfe-Einrichtungen<br />
zu ermitteln.<br />
- Ein wesentliches qualifizierendes Element <strong>der</strong> Arbeitsweise<br />
in den <strong>Erziehungshilfen</strong> ist eine strukturierte Hilfeplanung<br />
mit passenden Dokumentationssystemen. Die <strong>im</strong> Qualitätsleitfaden<br />
Hilfen zur Erziehung (7) des <strong>IB</strong> publizierten Instrumente<br />
haben sich in <strong>der</strong> Alltagspraxis bewährt und unterstützen<br />
die Dokumentation <strong>der</strong> einzelnen Phasen des Hilfeplanprozesses.<br />
- Eine regelmäßige Kommunikation mit dem örtlichen Jugendhilfeträger<br />
ist erfor<strong>der</strong>lich, um frühzeitig an <strong>der</strong> Beschreibung<br />
örtlicher Bedarfe mitzuwirken und mit differenzierten<br />
neuen Konzepten reagieren zu können.<br />
- Fachkräfte des <strong>IB</strong> beteiligen sich regional und in bundeszentralen<br />
Zusammenschlüssen an <strong>der</strong> Fachpolitik in dem<br />
Arbeitsfeld, durch Mitwirkung in Gremien, Erarbeitung von<br />
Stellungnahmen, u.ä. Damit leisten die Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter Lobbyarbeit für die Kin<strong>der</strong>, Jugendlichen und ihre<br />
Familien, die zu Klienten <strong>der</strong> <strong>Erziehungshilfen</strong> werden,<br />
machen Problemlagen in ihren Lebenswelten sichtbar, for<strong>der</strong>n<br />
Präventionskonzepte ein und nehmen eine „Anwaltsfunktion“<br />
wahr.<br />
• Qualitätsentwicklung<br />
Im KJHG wurde bewußt <strong>der</strong> Begriff <strong>der</strong> Qualitätsentwicklung<br />
gewählt, <strong>der</strong> „den prozesshaften Charakter“ von Qualität (8), ihre<br />
Verbesserung und Entwicklung kennzeichnet (in Abgrenzung<br />
zum eher technisch besetzten Begriff <strong>der</strong> Qualitätssicherung).<br />
Im Begründungstext zu § 78 a ff KJHG werden die Struktur-,<br />
Prozess- und Ergebnisqualität als „geeignete Form <strong>der</strong> Prüfung<br />
von Qualität“ beschrieben:<br />
Seite 10
• Strukturqualität benennt dabei die Rahmenbedingungen,<br />
die notwendig sind, um die vereinbarte Leistung erbringen<br />
zu können<br />
• Prozessqualität bezieht sich auf die Planung, Strukturierung<br />
und den Ablauf <strong>der</strong> Leistungserbringung (das Verfahren)<br />
• Ergebnisqualität ist als Überprüfung <strong>der</strong> Leistungserbringung<br />
zu verstehen.<br />
In <strong>der</strong> Alltagspraxis <strong>der</strong> <strong>Erziehungshilfen</strong> werden diese Qualitätsbausteine<br />
u.a. durch folgende Fragen konkretisiert:<br />
• Welche konzeptionellen Ziele verfolgt das Erziehungshilfe-<br />
Angebot?<br />
• Welche Mittel und Wege sind für die Zielerreichung erfor<strong>der</strong>lich?<br />
• An welchen Qualitätskriterien sollen die Ziele bemessen<br />
werden?<br />
• Welche Indikatoren zeigen an, ob ein Kriterium erfüllt ist?<br />
• Welche Prüfinstrumente erlauben es, die Indikatoren zu erfassen<br />
und Qualitätsaussagen über die Arbeit in den <strong>Erziehungshilfen</strong><br />
zu treffen? (9)<br />
Der <strong>IB</strong> hat mit dem Qualitätsleitfaden Hilfen zur Erziehung einen<br />
Orientierungsrahmen zur Gestaltung des Prozesses <strong>der</strong><br />
Qualitätsentwicklung eingeführt. Dieser enthält erfolgreich erprobte<br />
Praxisbeispiele und umfaßt Dokumentations- und Reflexionsinstrumente<br />
zur Qualitätsentwicklung in den <strong>Erziehungshilfen</strong>,<br />
die den D<strong>im</strong>ensionen von Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität<br />
zugeordnet sind. Dieser Qualitätsleitfaden soll den<br />
spezifischen Qualitätsmanagementprozess in den Einrichtungen<br />
unterstützen, verstanden als ein kontinuierlicher Versuch, die<br />
eigene Qualität zu entwickeln und weiterzuverbessern.<br />
Seite 11
<strong>II</strong>I. Ausblick<br />
Die Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Erziehungshilfen</strong> wird sehr stark von <strong>der</strong> Haushaltspolitik<br />
<strong>der</strong> Kommunen beeinflußt. Sie führt zu Einschränkungen von Hilfeleistungen<br />
und <strong>der</strong> Absenkung von Qualitätsstandards, die dem Rechtsanspruch<br />
auf <strong>Erziehungshilfen</strong> wi<strong>der</strong>sprechen, bzw. läßt Barrieren <strong>im</strong><br />
Vorfeld entstehen, die eine Inanspruchnahme von Hilfeleistungen erschweren.<br />
Mit dem 11. Kin<strong>der</strong>- und Jugendbericht <strong>der</strong> Bundesregierung (10) wird<br />
allerdings <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>- und Jugendhilfe die Funktion einer sozialpolitischen<br />
Grundversorgung für alle Kin<strong>der</strong> und Jugendlichen zugewiesen,<br />
nicht nur für benachteiligte Kin<strong>der</strong> und Jugendliche.<br />
Die fachlichen Herausfor<strong>der</strong>ungen für die <strong>Erziehungshilfen</strong> - sind als Teil<br />
<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>- und Jugendhilfe - eher auf die Ausdifferenzierung ihrer Angebote<br />
hin angelegt.<br />
Ein Ziel <strong>der</strong> <strong>Erziehungshilfen</strong> <strong>im</strong> <strong>IB</strong> sollte es deshalb sein, die Kin<strong>der</strong>und<br />
Jugendhilfe <strong>im</strong> Sinne dieser Grundversorgungsfunktion mitzugestalten:<br />
durch den qualitativen Ausbau und die Differenzierung von Leistungsangeboten,<br />
beispielsweise auch für an<strong>der</strong>e Zielgruppen, wie Kin<strong>der</strong>,<br />
Jugendliche und ihre Familien aus <strong>der</strong> Mittelschicht.<br />
Sozialraumorientierte Konzepte sind zunehmend gefragt, die die <strong>Erziehungshilfen</strong><br />
<strong>im</strong> Sinne eines präventiven Ansatzes mit Kin<strong>der</strong>hilfen, offener<br />
Jugendarbeit, Schulsozialarbeit und Jugendsozialarbeit vernetzt und in<br />
Kooperationsverbünden umsetzen.<br />
Die unterschiedlichen Bausteine <strong>der</strong> sozialräumlichen Weiterentwicklung<br />
<strong>der</strong> <strong>Erziehungshilfen</strong> sind: Übergänge zwischen verschiedenen Hilfen zu<br />
schaffen, eine flexible Hilfegestaltung, Betreuungskontinuität für die Kin<strong>der</strong>,<br />
Jugendlichen und ihre Familien herzustellen und das Sich-Einlassen<br />
auf einen Sozialraum.<br />
Ausgangspunkte dafür können die Ansätze, des Quartiersmanagments und<br />
des interkulturellen Stadtteilmanagement sein, die sich innerhalb des <strong>IB</strong><br />
entwickeln.<br />
Familien haben heute vielfältige Belastungen zu bewältigen. Daher steigt<br />
innerhalb <strong>der</strong> ambulanten <strong>Erziehungshilfen</strong> und an<strong>der</strong>er Fel<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>-<br />
und Jugendhilfe die Nachfrage nach familienbezogenen Angeboten,<br />
die die Erziehungskompetenz von Eltern bzw. Alleinerziehenden<br />
stärken: beispielsweise durch familienorientierte Dienste, Elterntrainings,<br />
familienentlastende Dienste.<br />
Gefragt sind weiterhin spezifische Konzepte und Leistungen für „beson<strong>der</strong>s<br />
schwierige“ Jugendliche an <strong>der</strong> Schnittstelle von <strong>Erziehungshilfen</strong>,<br />
Jugendpsychiatrie und Jugendgerichtshilfe: intensiv-pädagogische<br />
Einzelmaßnahmen, stationäre Betreuung. He<strong>im</strong>unterbringung statt U-<br />
Haft-Vermeidung und Straffälligenhilfen. Hier hat <strong>der</strong> <strong>IB</strong> eine fachpoliti-<br />
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sche Anwaltsfunktion für die Klientinnen und Klienten, auch gegen die<br />
öffentliche Skandalisierung ihrer Problemlagen.<br />
Perspektivisch haben die <strong>Erziehungshilfen</strong> die Aufgabe, sich interkulturell<br />
für Migrantinnen und Migranten zu öffnen.<br />
Die deutlich geringere Inanspruchnahme erzieherischer Hilfen durch Migrantinnen<br />
und Migranten hat unterschiedliche Gründe:<br />
- Das fehlende fachliche Know-how bezogen auf eine interkulturelle<br />
Öffnung <strong>der</strong> Angebote hat zur Folge, dass die Problemlagen von Migrantinnen<br />
und Migranten nicht o<strong>der</strong> zu spät wahrgenommen werden.<br />
- Hinzu kommt, dass Migrantinnen, Migranten und ihre Familien zum<br />
Teil Ängste haben, ihren Rechtsanspruch einzulösen und deshalb nicht<br />
an Ämter herantreten. So kann die Angst vor Ausweisung o<strong>der</strong> Konflikten<br />
mit Behörden ebenso eine Rolle spielen wie die Angst, in <strong>der</strong><br />
kulturellen peer-group öffentlich zu machen, dass die Familie „versagt“<br />
hat.<br />
Wenn <strong>der</strong> Rechtsanspruch auf Betreuung in den Hilfen zur Erziehung<br />
nach § 1 KJHG allerdings ernst genommen wird, dann besteht erheblicher<br />
Qualifizierungsbedarf. Es muss die interkulturelle Kompetenz <strong>der</strong> Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter weiterentwickelt werden und eine entsprechende<br />
Ausrichtung <strong>der</strong> sozialpädagogischen Dienste erfolgen.<br />
Gen<strong>der</strong> Mainstreaming bezeichnet den Prozess und die Vorgehensweise,<br />
die Geschlechterperspektive als Grundorientierung in die <strong>Erziehungshilfen</strong><br />
aufzunehmen. Dies bedeutet, dass die Entwicklung, Gestaltung<br />
und Erarbeitung aller Hilfen so zu betreiben ist, dass Chancengerechtigkeit<br />
zwischen Mädchen/jungen Frauen und Jungen/jungen Männern<br />
in den <strong>Erziehungshilfen</strong> verwirklicht wird.<br />
Neben den oben genannten Kriterien wird damit die Orientierung am<br />
Leitprinzip des Gen<strong>der</strong> Mainstreaming zu einem weiteren Qualitätsstandard<br />
<strong>der</strong> <strong>Erziehungshilfen</strong> <strong>im</strong> <strong>IB</strong>, dem sie gerecht werden müssen.<br />
Angesichts <strong>der</strong> Vielfalt zukünftiger Problemlagen von Kin<strong>der</strong>n, Jugendlichen<br />
und ihren Familien, die mit Prozessen von Pluralisierung und Individualisierung<br />
einhergehen, wird auch zukünftig - trotz <strong>der</strong> demographischen<br />
Entwicklung ab 2005 - ein Bedarf an <strong>Erziehungshilfen</strong> bestehen.<br />
Wesentlich für ihre Qualität wird dabei die Ausdifferenzierung <strong>der</strong> Angebotspalette<br />
<strong>im</strong> <strong>IB</strong> sein, die sich an den oben genannten Standards orientieren<br />
muss.<br />
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Anmerkungen<br />
(1) Münchmeier, Richard: Lebens- und Problemlagen von Kin<strong>der</strong>n,<br />
Jugendlichen und Familien als Bedingung für Hilfen zur<br />
Erziehung, Seite 23, in:<br />
Birtsch, Vera / Münstermann, Klaus / Trede, Wolfgang (Hrsg.):<br />
Handbuch <strong>Erziehungshilfen</strong>. Leitfaden für Ausbildung, Praxis und<br />
Forschung. Münster 2001<br />
(2) Dortmun<strong>der</strong> Arbeitsstelle Kin<strong>der</strong>- und Jugendhilfestatistik / Uni<br />
Dortmund (Hrsg.): KOMDAT Jugendhilfe Nr. 1/2000, Seite 1<br />
(3) Winkler, Michael: He<strong>im</strong>erziehung heute – ein Rückblick auf den<br />
Fortschritt, in:<br />
BMFSFJ (Hrsg.): Stand und Perspektiven <strong>der</strong> Jugendhilfe in<br />
Deutschland, Band 1, Münster 2000, Seite 213<br />
(4) Internationaler Bund (<strong>IB</strong>), Zentrale Geschäftsführung (Hrsg.): Jahresstatistik<br />
2000<br />
(5) KOMDAT Jugendhilfe Nr. 2/2000, Seite 3 f<br />
(6) Sie orientieren sich dabei an den Strukturmax<strong>im</strong>en <strong>der</strong> Jugendhilfe<br />
aus dem 8. Jugendbericht.<br />
Siehe BMFSFJ (Hrsg.): Achter Jugendbericht. Bericht über Bestrebungen<br />
und Leistungen <strong>der</strong> Jugendhilfe, Bonn 1990, Seite 85 ff<br />
(7) Internationaler Bund (<strong>IB</strong>), Zentrale Geschäftsführung (Hrsg.): Qualitätsleitfaden<br />
Hilfen zur Erziehung, Frankfurt / Main 2001<br />
(8) Merchel, Joach<strong>im</strong>: Die Qualitätsentwicklungsvereinbarung. Welche<br />
Anfor<strong>der</strong>ungen sind an die Akteure in <strong>der</strong> Praxis zu stellen, in:<br />
Kröger, Rainer (Hrsg.): Leistung, Entgelt und Qualitätsentwicklung<br />
in <strong>der</strong> Jugendhilfe. Neuwied 1999<br />
(9) Gerull, Peter: Qualität und Qualitätsentwicklung in den <strong>Erziehungshilfen</strong>,<br />
in:<br />
Birtsch, Vera / Münstermann, Klaus / Trede, Wolfgang (Hrsg.):<br />
Handbuch <strong>Erziehungshilfen</strong>. Leitfaden für Ausbildung, Praxis und<br />
Forschung, Seite 454, Münster 2001<br />
(10) Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend<br />
(Hrsg.): 11. Kin<strong>der</strong>- und Jugendbericht, Bonn 2002<br />
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Die Mitglie<strong>der</strong> des Arbeitskreises <strong>Erziehungshilfen</strong> <strong>im</strong> <strong>IB</strong> sind:<br />
• Ingeborg Diegmann<br />
Jugendgemeinschaftswerk Bad Kreuznach<br />
• Dr. Jörg Günther<br />
Jugendhilfeverbund Leipzig<br />
• Christine Kolmer (Leitung)<br />
Zentrale Geschäftsführung Frankfurt / Main<br />
Ressort Bildung und Soziale Arbeit<br />
• Monika Leeb<br />
Bungalow München<br />
• Ines Littmann-Hinze<br />
Kin<strong>der</strong>- und Jugendwohngruppe Stralsund<br />
• Dorothee Nüttgens<br />
Mädchenwohngruppe Aachen<br />
• Regina Schlage<br />
Soziale Arbeit und Migrationshilfen Nord Hamburg<br />
• Heidi Scholmanns<br />
Jugendhilfeverbund Wesel<br />
• Ronald Sittinger<br />
Jugendhilfe- und Ausbildungsverbund Wittenberg<br />
• Ulrich Teufel<br />
Jugendhe<strong>im</strong> Mühlkopf Rodalben<br />
• Ilsedore Wendland-Büren<br />
Bildungszentrum Osnabrück, Bereich Jugendhilfe<br />
• Monika Wolter<br />
Kin<strong>der</strong>- und Jugendhilfeverbund „Hilde Coppi“ Brandenburg<br />
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