Ausgabe 1960 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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Schuld "zu, weil er der Mahnung des Bruders nicht gefolgt, als dieser vöh einem Kampf mit den Banditen abgeraten mit den Worten: „Die Landstreicher haben weiter nichts zu verlieren, bei uns aber stehen Haus und Hof auf dem Spiel." Auch der Sohn des "Vogts saß gedrückt in der Stube, in seinen Ohren klangen die Worte des Vaters: „Wohl kannst Du mit deiner Riesenstärke zehn darniederschlagen, doch gegen Hinterlist und Tücke schützen keine Menschenkräfte." Unbeugsam stand der Vogt, jetzt war keine Zeit, über das Gewesene zu sinnen, und schließlich war er auch nach dem Pferderaub in Henstetten mit bewaffnetem Eingreifen einverstanden gewesen. Ihren Viehstand hatten die Abgebrannten gerettet, denn um diese Jahreszeit lief das Vieh schon auf der Weide und war auch nachts draußen in den „Stellen", den nächtlichen Viehlagen. Des bewußtlosen Dominikus nahm sich schon die ganze Nacht über die „Kräuterannl" an. Am Morgen, aus der Betäubung erwacht, galt, als er sich der Begebnisse wieder erinnern konnte, seine erste Frage jener, die er mit höchster Lebensgefahr, aber sich selber dessen kaum bewußt, aus den Flammen des Lehnhofs getragen. Man hatte von der Klause drüben, wo Luzia lag, noch nichts erfahren. Tiefbekümmert standen die Leute vom Saalhof umher. Auch Barbara saß, still für sich hinweinend, in einer Ecke. Wie konnte man dem armen Bruder sagen, daß er heute nacht nicht nur die Heimat, sondern auch den Vater verloren hatte. Unter den unermüdlichen Diensten der Klosterfrauen war bald, nachdem Luzia einige Zeit dort in der Klause gelegen, das Bewußtsein wiedergekehrt. Ueber das Schicksal ihres Lebensretters, von der Mutter, die am Bett saß, beruhigt, schlief sie wieder ein. Mit Tagesanbruch erwacht, konnte Luzia von ihrer Mutter und einer Klausnerin begleitet, nach dem Saalhof gehen, um Dominikus, den Lebensretter zu besuchen. Geräuschlos traten sie in die Stube, wo dieser lag. Voll Dank kniete Luzia an seinem Ruhelager nieder, ergriff die Hand des Blinden und rief mit tränenerstickter HOHENZOttTTAtanar HIIKAt Jahrgang 3P60 Stimme: „Vergelts Gott, Dominikus, mein Angelus, — ohne dich läge ich jetzt verbrannt in den Trümmern des Lehnhofs draußen." „Danke nicht mir, Luzia, danke dem lieben Gott und der Himmelsmutter, der ich eine Wallfahrt nach Einsiedeln versprochen, wenn ich dich lebend aus dem Feuer bringe." „Aber Dominikus, du kannst doch den Weg zur Muttergottes nach Einsiedeln nicht finden", meinte Luzia. Da trat die Kräuterannl ans Bett, legte ihre Hand aufs weiche, vom Feuer versengte Lockenhaar des Blinden und sprach: „Dafür werde ich schon soigen, mir sind Weg und Steg dorthin bekannt." Dominikus lächelte: „Des Lebens Unterhalt für uns verdien' ich mit dem Geigenspiel. •—• Doch wo ist der Vater, seine Stimme hörte ich noch nicht, wo ist meine Schwester?" Barbara kam näher und sagte: „Hier bin ich, guter Bruder, auch deine Geige habe ich auf dem Kirchhof unversehrt gefunden und mitgebracht", — der Schmerz übermannte sie und laut weinend schrie Barbara hinaus: — „Der Vater, unser guter Vater kommt nicht mehr." Mit einem Ruck erhob sich der Blinde. Seine glanzlosen Augen öffneten sich weit, als ob sie die Finsternis, die ihn umgab, durchdringen müßten: „Der Vater kommt nicht mehr?" Keines der Anwesenden wagte mehr, eine Antwort auf die Frage zu geben. Pfarrer Neg, der inzwischen eingetreten war, hatte die letzten Worte des Blinden gehört. Hilfesuchend schauten alle nch dem Seelenhirten hin. Der Priester ergriff beide Hände des Armen und sprach: „Wir alle haben einen himmlischen Vater und auch eine Mutter dort oben über den Sternen, wo deine liebe Mutter schon lange und auch dein Vater jetzt weilt, denn er hat in treuer Pflichterfüllung in seinem Heiligtum das Leben eingebüßt. Der Pfarrer erzählte den Hergang und tröstete, so gut er konnte. Auch ihm brach fast das Herz über all dem Unglück und Weh, das über seine Gemeinde gekommen. — Menschenschicksale, •—• bei denen nur der Hinweis auf das Jenseits Trost gewähren konnte. (Fortsetzung folgt.) Volksleben in Steinhilben vor 50 Jahren Sitten und Bräuche im Volksleben eines Albdorfes In der Jubiläumsausgabe „50 Jahre Lauchert-Zeitung" schrieb Oberlehrer Widemann in Steinhilben: In den letzten Jahren hat man sich viel mit der Erforschung der Eigenart, dem inneren Wesen und den Charakterzügen unseres Volkes und einzelner Volksteile beschäftigt, um einerseits das oft „neuartig" Erscheinende dem Zugewanderten verständlich zu machen, andererseits den wertvollen „Altbesitz" in unserer raschlebigen Zeit, mit ihrem Hasten und Drängen, mit ihrem Hang zum Neuen, nicht untergehen zu lassen. Auöh unsere Albbewohner haben sich so gut wie jeder andere deutsche Stamm aus den Tagen des germanischen Heidentums, wie aus dem christlichen Altertum und Mittelalter, trotz Aufklärung und politischen Zeitenwechsel, sehr vieles bewahrt, was ihr arbeitsames, eintönig prosaisches Leben zu verschönern und poetisch anzuhauchen imstande ist. Von der Wiege bis zum Grabe, im Laufe des kirchlichen und bürgerlichen Jahres, an Glaube, Sitten und Redensarten, an bestimmte Arbeiten in Haus und Feld, an Naturereignisse und allerlei Vorkommnisse des menschlichen Lebens knüpfen sich eine Unsumme von Bräuchen und Sprüchen, Handlungen und Redensarten an, die kennen zu lernen, eine Herzensfreude sein kann. Im folgenden seien uns die Sitten und Bräuche unseres Volksteiles geboten, so wie sie das Leben uns täglich vor Augen führt. A) Sitten und Bräuche im menschlichen Lebenslauf 1. Taufe Ist ein künftiger Mitbürger oder eine Mitbürgerin zur Welt gekommen, so beeilen sich die sorgenden Eltern, daß dem kleinen Erdenbürger möglichst rasch die Taufe gespendet und er in die Gemeinst',aft der Kirche aufgenommen werde. Die Taufe findet gewohnlich am ersten Sonntag, der auf den Geburtstag folgt, nach dem Nachmittagsgottesdienst statt. „Dota" und „Döte", in Begleitung des Vaters und der Hebamme, bringen den Täufling zur Kirche. Schreit der kleine Knirps bei der hl. Handlung tüchtig, so ist das für seine weitere Entwicklung ein gutes Zeichen, er bekommt eine kräftige Lunge und wird später einmal „bestimmt" ein guter Sänger. Während des Heimgangs wird tüchtig geschossen, besonders wenn die Ehre einem „Erbprinzen" gilt. Die Burschen oder Männer, die dies Ehrenamt vollziehen, erhalten vom glücklichen Vater einige Glas Bier als Erkenntlichkeit. Früher leisteten die Kinder, indem sie sich bei den Händen faßten, vor der Kirchtür „Vorspann" und erhielten einige Pfennige. Dieser Brauch scheint erstorben zu sein. Die mit dem getauften Kinde Heimkehrenden bekommen Kaffee mit Hefenkranz, Kuchen und Wein, oder was heutigen Tages mehr und mehr üblich geworden, begeben sich ins Wirtshaus, wo dieser Tag bei Wein und Bier gefeiert wird. Von einem „Taufschmaus" kann kaum die Rede sein. In früheren Zeiten wurde der sog. „Gevattertrunk" gehalten: „Dota" und „Döte", die Eltern des Kindes und die Hebamme, begaben sich nach etwa 3 A Jahren ins Wirtshaus, wo bei „Braten und Wein" gefeiert wurde. Ein schöner Brauch ist, daß fast aus jedem Haushalt eine „Fraunam" auf „d' Weisat goht", d. h. der Wöchnerin ein Geschenk bringt. Die nächsten Verwandten (d' Nähschte") bringen einen Hefenkranz, Kaffee und Zucker. Die Frage: „Wie soll das Kind heißen?", macht im allgemeinen kein großes Kopfzerbrechen. Der erste Bub wird benamst nach dem „Ehne", das erste Mädchen nach der „Ahne" väterlicherseits, das zweite Pärchen nach den Großeltern mütterlicherseits, das dritte Pärchen nach „Döte" und „Dota" oder den Eltern. Ist dieser Brauch erfüllt und hat er sich als unzureichend erwiesen, so werden andere Namen aus der Verwandtschaft gewählt oder auch im Kalender nach einem passenden Namen gesucht. In manchen Fällen wird auch dem Orts- bzw. Kirchenpatron die Ehre gegeben. Der erste Gang der Wöchnerin gilt der Kirche, wo sie „ausgesegnet" wird. Kommt die Mutter mit dem Kinde zum erstenmal in ein anderes Haus, so schenkt man letzterem ein Ei, damit es besser sprechen lerne. Lacht ein Kind in frühem Alter, so „lachts" en Hemmel nei", das heißt, es stirbt bald. Kinder lernen das Stehlen, wenn man sie zum Fenster hinaus hält, oder wenn man innen in den ersten sechs Lebenswochen die Nägel schneidet. Kinder werden nicht groß, wenn sie unter eine Deichsel schlüpfen. Kinder bekommen eine gute Singstimme, wenn sie schimmeliges Brot essen.

Jahrgang i960 HOHENZO :IJERISCHE HEIMAT 7 2. Hochzeit Eine Hochzeit ist ein hochwichtiges Ereignis für die ganze Einwohnerschaft des Dorfes. Die meisten Hochzeiten finden in der Zeit von Dreikönigstag bis Fastnacht oder auch im Wonnemonat Mai, spätestens aber vor der Ernte statt, wodurch eine neue, hochwillkommene Arbeitskraft gewonnen wird. Als Tag der Hochzeit, die stets am künftigen Wohnort abgehalten wird, wählt man womöglich den Montag, Dienstag oder Donnerstag. Hochzeiten am Freitag und Samstag sind unbekannt, ebenso am Mittwoch, wo nur die „augschickta ond domma heiret". Auswärtige werden vom Brautpaar mündlich oder mittels gedruckter Karte eingeladen. Neuerdings kommt auch der Brauch auf, die Hochzeitseinladung in den Nachbarorten durch Schellenruf bekannt zu geben. Die Einheimischen werden durch das Brautpaar persönlich eingeladen, oder aber der Pfarrer ladet bei Verkündung der Trauung von der Kanzel zur Hochzeitsfeier ein. Pfarrer, Lehrer und Bürgermeister des Dorfes werden von den Brautleuten persönlich eingeladen und erhalten als Geschenk ein weißes „Sacktuch". Die Altersgenossen, nächsten Verwandten und Nachbarn der Brautleute, fertigen zur Schmückung des Hochzeitshauses und des Eingangs des Wirtshauses, in dem die Hochzeit stattfindet, Kränze an und werden am Sonntagabend dafür zu einem Trunk eingeladen. Am Samstag vor der Hochzeit ist der Einzugstag der Braut. Die Altersgenossen der Brautleute schießen mit „Böllern" und Gewehren. Den eigentlichen Einzug, die Unterbringung der Möbel und Hausgeräte besorgen die Verwandten der Braut. Früher bekamen die teilnehmenden Kinder einen „Wecken". Nach dem Einzug werden die geöffneten Kasten, Truhen und Zollerlandschaft bei Weilheim Photo und Klischee Eigentum von Herrn Christian Maute-Bisingen

Jahrgang i960 HOHENZO :IJERISCHE HEIMAT 7<br />

2. Hochzeit<br />

Eine Hochzeit ist ein hochwichtiges Ereignis für die ganze<br />

Einwohnerschaft des Dorfes. Die meisten Hochzeiten finden<br />

in der Zeit von Dreikönigstag bis Fastnacht oder auch im<br />

Wonnemonat Mai, spätestens aber vor der Ernte statt, wodurch<br />

eine neue, hochwillkommene Arbeitskraft gewonnen<br />

wird. Als Tag der Hochzeit, die stets am künftigen Wohnort<br />

abgehalten wird, wählt man womöglich den Montag, Dienstag<br />

oder Donnerstag. Hochzeiten am Freitag und Samstag sind<br />

unbekannt, ebenso am Mittwoch, wo nur die „augschickta<br />

ond domma heiret".<br />

Auswärtige werden vom Brautpaar mündlich oder mittels<br />

gedruckter Karte eingeladen. Neuerdings kommt auch der<br />

Brauch auf, die Hochzeitseinladung in den Nachbarorten<br />

durch Schellenruf bekannt zu geben. Die Einheimischen werden<br />

durch das Brautpaar persönlich eingeladen, oder aber<br />

der Pfarrer ladet bei Verkündung der Trauung von der Kanzel<br />

zur Hochzeitsfeier ein. Pfarrer, Lehrer und Bürgermeister<br />

des Dorfes werden von den Brautleuten persönlich eingeladen<br />

und erhalten als Geschenk ein weißes „Sacktuch".<br />

Die Altersgenossen, nächsten Verwandten und Nachbarn<br />

der Brautleute, fertigen zur Schmückung des Hochzeitshauses<br />

und des Eingangs des Wirtshauses, in dem die Hochzeit<br />

stattfindet, Kränze an und werden am Sonntagabend dafür<br />

zu einem Trunk eingeladen.<br />

Am Samstag vor der Hochzeit ist der Einzugstag der<br />

Braut. Die Altersgenossen der Brautleute schießen mit „Böllern"<br />

und Gewehren.<br />

Den eigentlichen Einzug, die Unterbringung der Möbel<br />

und Hausgeräte besorgen die Verwandten der Braut. Früher<br />

bekamen die teilnehmenden Kinder einen „Wecken". Nach<br />

dem Einzug werden die geöffneten Kasten, Truhen und<br />

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