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Ausgabe 1960 - Hohenzollerischer Geschichtsverein eV

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62 HOHENZOLLERISCHE HEIMAT ri^aflUgang jggo<br />

der Höhe seines Schaffens, in der endlichen Anerkennung,<br />

nahm Gott ihm den Pinsel. aus der Hand.<br />

„Wir wollen ernstlich lernen, jeden Tag im Geiste zu sterben,<br />

auf daß uns das Sterben des Leibes nichts mehr anhaben<br />

kann. Sterbe ich, so beginnt erst mein Leben. Ich<br />

komme dann zu Christus, für den ich ja wirkte, so gut es in<br />

meinen Kräften lag" (Letzter Brief an seine Schwester).<br />

Am 27. Juli 1930 schloß er, 58jährig, die Augen für immer.<br />

Auf dem Waldfriedhof in München fand er seine letzte Ruhestätte.<br />

Seine Heimatgemeinde Straßberg ehrte ihren großen Sohn<br />

mit einer Bronzetafel an der Außenwand der Pfarrkirche,<br />

gegenüber dem Grabhügel seiner Mutter. „Kreuz, Palette<br />

und Pinsel symbolisieren zusammen mit einem kraftvollen<br />

ornamentalen Schriftbild das Schaffen des Freskomalers<br />

Hermann Anton Bantle. Seine Palette lag unter dem Kreuz."<br />

Verantwortungsbewußt und treu hütete seine betagte<br />

Schwester, Frau Johanna Bubser, den Nachlaß, bis sie ihn<br />

dem neuerrichteten Heimatmuseum der Heimatstadt Gammertingen<br />

übergab, 452 Bilder, Kartons, Skizzen, Pausen,<br />

Gemälde, darunter der wertvolle Christuskopf, allein seinerzeit<br />

eine Ausstellung für sich, als ein seltenes Bild menschlich<br />

göttlicher Hoheit und Reinheit von auserlesener künstlerischer<br />

Prägung. Höchste Angebote trug es Bantle ein.<br />

Aber er konnte sich trotz tiefster Not nie davon trennen.<br />

Der Pfarrherr von Piesport a. d. M., Philipp Koll, hat das<br />

Verdienst, den Dhroner Kreuzweg broschürt in Schwarz-<br />

Weiß-Druck mit innigem zeitnahem Text der Oeffentlichkeit<br />

im letzten Jahr übergeben zu haben. (Verlag Kaldenkirchen.)<br />

Was hätte dieser Mann leisten können, wenn ihm zur<br />

rechten Zeit Kirchenwände zur Verfügung gestellt worden<br />

wären! Welchen Verlust sein Tod bedeutete, mag man schon<br />

an der verhältnismäßig äußerlichen Tatsache ermessen, daß<br />

er einer der ganz, ganz wenigen war, die ihre Farben in der<br />

alten schwierigen Technik wirklich auf feuchten, vom Künstler<br />

selbst angelegten Kalkmörtel malten, so gewissenhaft<br />

war er dabei, daß er den feinen, geschlämmten Sand und<br />

den vor mindestens 10 Jahren gelöschten Kalk jedesmal<br />

selbst mitbrachte — was man sonst heute Fresko nennt,<br />

ist meistens Täuschung.<br />

„. . . Es brennt mir noch heute im Herzen, wenn ich an<br />

die bitteren Tränen denke, die er als Mann vor mir darüber<br />

weinte, daß man seine besten Kraftjahre hatte dahingehen<br />

lassen, ohne von seiner begnadeten Kunst rechten Gebrauch<br />

zu machen." (So Johannes Mumbauer in „Das Heilige Feuer",<br />

Oktober 1930).<br />

Hermann Anton Bantle ging seinen Weg ohne marktschreierische<br />

Propaganda, einsam und herb: „Was in meinem<br />

Wollen eine ganz besondere Tragik hat, ist der Umstand,<br />

daß ich gegen die Renaissance, gegen die Divino des so<br />

nichts sagenden Raffael, gegen die klassische Tradition, gegen<br />

das Romanische ankämpfen will, gegen die Schönheit, gegen<br />

das Glatte, das Süße, das Verstandhafte . . . . dann noch<br />

das Ringen mit dem spröden Material, dem Kalk und den<br />

Erdfarben, und hier ist mir ein ganz gewaltiger Vorsprung<br />

gelungen." — Den farbbeschränkten Tonwert des Fresko<br />

hat Bantle gebrochen, die Tradition des sprichwörtlich Kalktönigen<br />

im Fresko genommen. Welch gewaltige Leistung!<br />

Vorberechnung der Farbwirkung ist auf nassem Kalk unmöglich!<br />

Prima und fertig! Unerhört die Glutigkeit, die er<br />

hervorbringt. Die Kreuzigung in Dunningen ist das Großartigste,<br />

was bisher in Freskotechnik an Farbtiefe und Wärme<br />

des Kalkkolorites erreicht werden konnte. — Wenig<br />

Figuren, wesentlich konzentriert, einfach, schlicht, doch mit<br />

großem überraschenden Zug der Komposition, einzigartiger<br />

Linienführung, niegesehener Farbgebung: so sind seine<br />

Passionsbilder! Dhron ist das Stammeln!<br />

Bantles Leitidee kam kaum in einer anderen Arbeit so<br />

rein und klar zum Ausdruck. Einige Bilder sind durch<br />

Kriegseinwirkung beschädigt und harren der kundigen<br />

Restauration. Das Grün der neuen Fenster schluckt teilweise<br />

die Glut der Bilder, leider!<br />

Die Passion in Oeflingen, geboren aus dem Schrecken<br />

des Krieges 1914/18: noch glutiger die Farben, noch wuchtiger<br />

die Linien, noch größer der Zug der Komposition. Wie<br />

sich die Farbskala der Dekoration und der figürlichen Bemalung<br />

oberhalb des Hochaltars feinfügig bindet! Welche<br />

Kompositionskraft der vierten, fünften und sechsten Station!<br />

Nicht Bild an Bild! Als Fries zusammengebaut — Simon<br />

Cyrene gerade in der Mitte auf dem Türbalken, fließt die<br />

Linienrythmik der drei Bilder ineinander! „Eine ars perennis<br />

tut sich uns hier auf; ein Künstler von Gottes Gnaden im<br />

Literalsinn des Wortes, der uns Werte bietet, die eine Höhe<br />

der Kunst unzweifelhaft darstellen." (Badischer Beobachter<br />

18. 12. 1917.)<br />

Dunningen! So mächtig klangen Farbtöne noch nie in uns<br />

hinein. Mit dem Höhepunkt des dramatischen Geschehens<br />

begonnen! Welches Vertrauen! Bantle verläßt den neutralblauen<br />

Hintergrund von Dhron und Oeflingen. Zu jedem Bild<br />

tönt er den Stimmungsgehalt durch farbigen Grund. Das<br />

heißt kein Verlieren der Monumentalität: das ist wirkungsvolles<br />

Verstärken der Eindringlichkeit jeder aufgelegten<br />

Komposition. Die elfte und dreizehnte Station ein liegendes,<br />

ein hochaufgerichtetes Rechteck, die zwölfte in doppelter<br />

Größe; alle drei ein Ideenzug.<br />

„Jesus wird ans Kreuz genagelt", zwei Welten! Daher<br />

scheinbare Dissonanz in Farbe und Aufbau, Horizontal liegt<br />

das Kreuz mit Christus. Christus ist gerichtet; er ist tiefer<br />

erniedrigt als ein Mensch. Eine Klage, weh und groß, daß<br />

sie die Welt erschüttern müßte, bricht stumm aus dem weitgeöffneten<br />

Christusauge, dem geöffneten Christusmund hinauf<br />

zu den fünf senkrechten Figuren, die den Heiland nicht<br />

mehr aufkommen lassen, die eine Masse, keinen Vertikalgedanken<br />

ausdrücken: der Scherge mit leidenschaftlich verzerrten<br />

Zügen, der Gelehrte, dem kein Blick bleibt für den<br />

leidenden Gott, der im grauen Rock müßig und protzenhaft,<br />

mit spottender Miene, einer von denen, die nichts tun, schieben<br />

und prassen, die Bauernfamilie, fremd und verständnislos<br />

— bis auf das Kind, das mit staunendem Blick zum<br />

Gottmenschen sich beugt. — Die zwölfte Station: Christus,<br />

erhöht, nicht tot, lebend in übergroßer Qual, doch herrschend<br />

vom Holze aus, spannt die Arme vermittelnd zwischen Himmel<br />

und Erde. Johannes hebt den Kelch und nimmt auf das<br />

kostbare Blut, Maria, die Ornate! Die dreizehnte Station:<br />

Christus gestorben. Die Menschheit bleibt allein. Erdhafte<br />

Ruhe: fast geschlossene Kreisform biegt zu Boden. Eine<br />

Welt ist aus den zwei Welten der elften durch Vermittlung<br />

der zwölften geworden!<br />

Bantle hat Dunningen nicht selbst vollendet. Eine spürbare<br />

Tragik! Der Kreuzweg in ,Herz Jesu' Köln, mit lehrhafter<br />

Absicht, in vier Stationen erst gefertigt, wurde ein Opfer<br />

des Krieges.<br />

Seine Kreuzwege und anderweitigen Wandfresken stehen<br />

ncch heute wie vor Jahren leuchtend in unseren deutschen<br />

Kirchen: durchdacht, durchbetet, durchdrungen, im Lichte<br />

des Tabernakels geklärt, erstanden im Standpunkt der Leute<br />

der Dombauhütte von Chartres: „wer da arbeitet, muß im<br />

Stande der Gnade sein." Sie fordern von uns die Bindung<br />

aus der Zeit in die Ewigkeit. —<br />

Zeugnis von Bantle geben auch heute noch seine freimütigen,<br />

klaren, gottgetragenen Artikel in den kunstnahen Zeitschriften<br />

seiner Zeit. Sie verdienen, in Buchform gesammelt<br />

zu werden.<br />

Ich zitiere: ....<br />

. . . „Wer kann noch Fresko malen, ohne Ubermalung und dauerhaft<br />

wie Caracci? Keine Wissenschaft ist so nervenfordernd wie die Erlernung<br />

und Beherrschung dieser Kunst. Ein ernster Mensch wird<br />

nach 10—15j ähriger Uebung mit unerschütterlicher Geduld und ro-

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